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EDELTRAUD KLUETING, HARM KLUETING UND HANS JOACHIM SCHMIDT (HRSG. ) BISTÜMER UND BISTUMSGRENZEN VOM FRÜHEN MITTELALTER BIS ZUR GEGENWART HERDER ROM " FREIBURG " WIEN Gýfa9 .

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EDELTRAUD KLUETING, HARM KLUETING UND HANS JOACHIM SCHMIDT (HRSG. )

BISTÜMER UND BISTUMSGRENZEN

VOM FRÜHEN MITTELALTER BIS ZUR GEGENWART

HERDER

ROM " FREIBURG " WIEN

Gýfa9 .

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Bistumsgründungen im Widerstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzögen.

Die Bistumsgründungen in ottonischer, salischer und staufischer Zeit

Von STEFAN PETERSEN

I.

Nachdem in karolingischer Zeit Bistümer im ostrheinischen Franken und Sach- sen errichtet worden waren', brachten das 10. bis 12. Jahrhundert ein Ausgreifen der Bistumsorganisation auf die westslawischen Gebiete. Wie zuvor ging hierbei die weltliche und die kirchliche Expansion Hand in Hand.

Seit Beginn des 10. Jahrhunderts gab es wiederholt kriegerische Kontakte zwi- schen Slawen und Sachsen2. Schon 906 hatte der spätere König Heinrich I. einen Kriegszug gegen die Daleminzier geführt'. Daß die Eroberung und Integration der westslawischen Gebiete eines der Hauptanliegen Heinrichs I. war, zeigte sich bald nach seiner Wahl zum König.. Der Merseburger Besitz, den Heinrich 906 durch die Heirat mit Hatheburg erhalten hatte', diente dem König nun als

' Vgl. E. KLUETING, Die karolingischen Bistumsgründungen und Bistumsgrenzen in Sach- sen, in diesem Band. 2 902 verwüsteten Daleminzier Sachsen, RI 1,1,801 Nr. 1998d; CH. LÜBKE, Regesten zur Geschichte der Slaven an Elbe und Oder (vom Jaltr 900 an), Tl. II: Regesten 900-983 (= Gie- ßener Abhh. z. Agrar- und \\ irtschaftsforsch. des eur. Ostens 133) (Berlin 1985) 15 Nr. 1. 3 RI 1,1,811 Nr. 2035a; RI 11,1,1 Nr. b; LÜBKE (Anm. 2) 19 Nr. 5; H. BÜ1-rNER, Die christ- liche Kirche ostwärts der Elbe bis zum Tode Ottos I., in: W. SCHLESINGER (Hg. ), FS für Friedrich v Zahn 1 (=MDF 50/I) (Köln/Graz 1968) 146; L. DRALLE, Slaven an Havel und Spree. Studien zur Geschichte des hevellisch-wilzischen Fürstentums (Berlin 1981) 107; \\. SCHLESINGER, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter I: Von den Anfängen kirchlicher Verkündigung bis zum Ende des Investimrstreites (= MDF 27/I) (Köln/Graz 1962) 8; G. E. SCHRAGE, Zur Siedlungspolitik der Ottonen. Untersuchungen zur Integration der Gebiete östlich der Saale im 10. Jahrhundert, in: BDLG 135 (1999) 193. Als unmittelbare Antwort fielen die Ungarn, die von den Dalentinziern zu Hilfe gerufen worden waren, im Sommer 936 in Sachsen ein, RI 1,1,811 Nr. 2035a; RI 11,1,1 Nr. b; LÜBKE (Anm. 2) 20 Nr. 6; H. Bürr- NER, Die Ungarn, das Reich und Europa bis zur Lechfeldschlacht des Jahres 955, in: ZBLG 19/3 (1956) 440; H. LuDAr, An Elbe und Oder um das Jahr 1000. Skizzen zur Politik des Ottonenrciches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa (Köln/\Vien 21995) 106. " Bereits 921 ist ein Kriegszug Heinrichs gegen die Slawen belegt; Continuatio Reginonis ad 921, hg. v. F. KuRZE (= MGH. SRG 50) (Hannover 1890) 156; RICHER VON SAINT-REMI, Hi- storiae 1,39, hg. v. H. HorFatANN (= MGH. SS 38) (Hannover 2000) 73; RI II, 1,10 Nr. 7a; LÜBKE (Anm. 2) 32 Nr. 18. S THILTlMAR VON MERSEBURC, Chronicon 1,5, hg. v. R. HoLTZMANN (= MGH. SRG NS 9) (Hannover 1935) 9f.; RI II, 1,1 Nr. c-d; LÜBKE (Anm. 2) 17 Nr. 4; LIUTPRAND VON CRENIO-

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Stützpunkt im Kampf gegen die Slawen. Er ließ den Ort durch eine Steinmauer befestigen6 und rief die sogenannte Merseburger Legion ins Leben'.

Den ersten Durchbruch in den Expansionsbestrebungen Heinrichs auf west- slawischem Gebiet brachten die Jahre nach 929. Die Hevellers, Dalmeninzier', Redarier10, Abodriten", Milzener'= und Ukrer" wurden unterworfen. Auch

NA, Opera, hg. V j- BECKER (= MGHSRG 41) (Hannover 1915) 5; BürrNER, (Anm. 3)146f.; H. LUDAT, Böhmen und die Anfänge Ottos I., in: DERS. / R. CH. SCHWINGES (Hg. ), Politik, Gesellschaft, Geschichtsschreibung. FS Frantisek Graus (= AKuG Bcih. 18) (Köln/Wien 1982) 153; H. PATZE, Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen 1 (= MDF 22) (Köln/Graz 1962) 70f.; SCHLESINGER (Anm. 3) 33; SCHRAGE (Anm. 3) 192,194. 6 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) 25; RI II, 1,12 Nr. l le; LÜBKE (Anm. 2) 34 Nr. 20; K. -U. JÄscHKE, Burgenbau und Landesverteidigung um 900. Überlegungen zu Beispielen aus Deutschland, Frankreich und England (=VuF Sonderbd. 16) (Sigmaringen 1975) 115; W. SCHLESINGER, Morseburg (Versuch eines Modells künftiger Pfalzbearbeitungen, in: Dt. Königspfalzen I (= VMPIG 11/1) (Göttingen 1963) 172; SCHRAGE (Anm. 3) 194. 7 WIDUKIND VON CORVEy; Res gestae Saxoniae II, 3, hg. v. P. HIRScH / H: E. LOHRMANN (= MGH. SRG 60) (Hannover 1935) 68f.; RI II, 1,12 Nr. 11c; LÜBKE (Anm. 2) 37 Nr. 23; W. SCHLESINGEI; Zur Gerichtsverfassung des Markengebietes östlich der Saale im Zeitalter der deutschen Ostsiedlung, in: DERS., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungs-

geschichte des Mittelalters (Göttingen 1961) 50; DERS. (Anm. 3) 9; SCHRAGE (Anm. 3) 194. Die Maßnahmen waren Teil der Burgenbauordnung Heinrichs I.; Miracula S. \Vigberthi c. 3, hg. v. C. ERDMANN, in: DA 6 (1943) 64-66; \VIDUKIND VON CoR«E" (diese Anm. ) 48 f.; RI II, 1,12 Nr. 11c; LÜBKE (Anm. 2) 37 Nr. 22); G. BARKEN / R. SCHMIDT, Königtum, Burgen und Königsfreie (= VuF 6) (Konstanz 1961) 14-21; H. BÜTTNER, Zur Burgenbauordnung Hein- richs I., in: BDLG 92 (1956) 1-17; C. ERDI. IA`tN, Die Burgenordnung Heinrichs I., in: DA 6 (1943) 59-101; J. FLECKENSTEIN, Zum Problem der agrarii milites bei \Vidukind von Corvc); in: D. BRoslus (Hg. ), Beiträge zur niedersichsischen Landesgeschichte. FS Hans Patze (Hil- desheim 1984) 26-41; JÄSCHKE (Anm. 6) 19-33; SCHRAGE (Anm. 3) 194; M. SPRINGER, Agrarii milites, in: NSJ 66 (1994) 129-166. 8 WIDUKIND VON CORVEY (Anm. 7) I, 35,49; RI II, 1,1 S Nr. 23b; LÜBKE (Anm. 2) 40 Nr. 25; W. BRÜSKE, Untersuchungen zur Geschichte des Lutizenbundes. Deutsch-wendische Bezie- hungen des 10. bis 12. Jahrhunderts (= MDF 3) (Münster/Köln 1955) 16f.; BÜrrNER, Ungarn (Anm. 3) 447; BürrNER, Kirche (Anm. 3) 147f.; DRALLE (Anm. 3)108,133,234; W. H. FRIT- zE, Beobachtungen zu Entstehung und Wesen des Lutizenbundes, in: JGMOD 7 (1958) 14; LUDAT, Elbe (Anm. 3) 9,95 Anm. 4; P. NEUMEISTER, Die Brandenburg im 10. Jahrhundert. Überlegungen zur Bistumsgründung von 948, in: JBLG 54 (2003) 72f.; SCHLESINGER (Anm. 7) 50; SCHRAGE (Anm. 3) 193,198. 9 WIDUKIND VON CORVEY (Anm. 7) 1,35,50; RI II, 1,18 Nr. 23c-d; LÜBKE (Anm. 2) 43 Nr. 27; BürrNER, Kirche (Anm. 3) 148; DRALLE (Anm. 3) 108. Zur Lokalisierung der Burg Gana: SCHRAGE (Anm. 3)197. 10 WIDUKIND VON CORVEY (Anm. 7) 1,36,51 f.; THIETMAR VON ßERSEBURG (Anm. 5) 1,10- 11,14f.; RI II, 1,18 Nr. 23g; LÜBKE. (Anm. 2) 47 Nr. 30; 48 Nr. 31; BRÜSKE (Anm. 8) 17; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3) 148; F. CURSCHMANN, Die Diözese Brandenburg (= Veröff. des Ver. für Gesch. der Mark Brandenburg 4) (Leipzig 1906) 9; DRALLE (Anm. 3)112. u LÜBKE (Anm. 2) 51 Nr. 33; BÜTr. N'ER, Kirche (Anm. 3) 149 f.; D. CLAUDE, Geschichte des Erzbistums Magdeburg bis in das 12. Jahrhundert, 1: Geschichte der Erzbischöfe bis auf Ruotger (1124) (= MDF 67/1) (Köln/\\ ien 1972) 19. 12 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) I, 16,22 f.; RI II, 1,26 Nr. 42a; LÜBKE (Anm. 2) 55 Nr. 36; 56 Nr. 37; BRüsKE (Anm. 8)19; SCHLESINGER, KG (Anm. 3) B. II Continuatio Reginonis ad 934 (Anm. 4) 159; RI II, 1,28 Nr. 46a; LÜBKE (Anm. 2) 61 Nr. 42; BRÜSKE (Anm. 8)19.

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Bistumsgründungen im Widerstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzogen

die Dänen wurden besiegt". Herzog \Venzel von Böhmen huldigte dem König und verpflichtete sich zu Tributzahlungen15. Brandenburg wurde eingenom- men16, die Burg Gana nordwestlich von Meißen zerstört", die Burg Meißen errichtet".

Begleitet wurde die militärische Expansion schon unter Heinrich I. von ersten Missionsansätzen im Missionsgebiet der Bremer Kirche. Bischof Adalward von Verden begann um 931 mit der Mission bei den Slawen19, woraufhin der Abo- dritenfürst sich taufen ließ='. 934 wurde der dänische König Chnuba zur Annah- me des Christentums gezwungen21, woraufhin Erzbischof Unni von Hamburg- Bremen eine Missionsreise nach Dänemark und Schweden unternahm".

Somit war 936 bereits der Weg auf militärischer und missionspolitischer Ebe- ne vorgezeichnet, den Otto I. unmittelbar nach seiner Wahl weiter beschritt. Bereits der Herbst 936 brachte einen siegreichen Kriegszug gegen die Redarier, die dem Reich tributpflichtig wurden". Nach einer Erhebung der Abodriten und Elbslawen im Herbst 939=' gelang schließlich eine länger andauernde Be- friedung der slawischen Gebiete, nachdem der Hevellerfürst Tugumir die Bran- denburg unter seine Kontrolle gebracht und sein Herrschaftsgebiet der Bot- mäßigkeit Ottos 1. unterstellt hatte. Alle Slawenstämme unterwarfen sich daraufhin als Tributpflichtige dem König=s.

Auch den Aufbau festerer Herrschaftsstrukturen durch Einsetzung von Lega-

14 WIDUKIND VON CORVEr (Anm. 7) 1,40,59; THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) 1,17, 22 f.; RI 11,1,29 Nr. 46b; LÜBKE (Anm. 2) 62 Nr. 43; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3)149. 'S WIDUKIND voN Conv x (Anm. 7) I, 35,501.; RI II, 1,18 Nr. 23e; LÜBKE (Anm. 2) 45 Nr. 29; BÜrrNER, Kirche (Anm. 3) 14S; LuDAT (Anm. 5)145.

Anm. B. Anm. 9. THimtAR voN MERSEBURG (Anm. 5)1,16,22f.; RI 11,1,18 Nr. 23d; LÜBKE (Anm. 2) 45

Nr. 28; LUDAT (Anm. 5)140f.; SCHLFSINGER, KG (Anm. 3) 8,292; SCHRAGE (Anm. 3) 197f. 'q ADAA! VoN BREaiEN, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum, hg. v. B. SCHMEIDLER (= MGHSRG 2) (Hannover 1917) 1I, 1,61; LÜBKE (Anm. 2) 52 Nr. 34; G. ALTHOFF, Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialübcrlieferung. Studien zum Totengedenken der Billunger und Ottonen (= MMAS 47) (München 1984) 330; CLAUDE (Anm. 11) 19; CuRSCHatANN, Brandenburg (Anm. 10) 18; A. HAucK, Kirchengeschichte Deutschlands 3 (Leipzig 1886, Nachdr. Berlin 195S) 83 f. " Continuatio Reginonis ad 931 (Anm. 4) 158; vgl. LÜBKE (Anm. 2) 51 Nr. 33; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3) 149f.; CLAUDE (Anm. 11) 19. S1 Anm. 14. I: ADAt. t voN BREMEN (Anm. 19)1,58,57; HELMOLD VON BosAu, Chronica Slavorum, hg. v B. SCHMEIDLER (= MGHSRG 32) (Hannover 1937) c. 8,20; LÜBKE (Anm. 2) 63 Nr. 43; ALT- HoFF (Anm. 19) 323; HAUCK (Anm. 19) 80-82. Z' WW'IDUKIND VON CORVEI" (Anm. 7) 11,3-4,68ff.; RI II, 1,36 Nr. 57a; LünKE (Anm. 2) 71 Nr. 49; BRÜSKE (Anm. 8) 20; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3)150; LuDAT (Anm. 5)150f. " WIDUKINn VON CORVEY (Anm. 7)11,20, S4 f.; vgl. RI 11,1,50 Nr. 78c; LÜBKE (Anm. 2) 88 Nr. 63-64; BRÜSKE (Anm. 8) 21; FRrrzE (Anm. 8) 14,17. u \C'IDUKtND VON CORVHV (Anm. 7) 11,20,84 f.; RI II, 1,50 Nr. 78e; LÜBKE (Anm. 2) 90 Nr. 66; BRÜSKE (Anm. 8) 21; CURSCHMANN (Anm. 10) 17; DRALLE (Anm. 3) 106,113,129f.; FRITZE (Anm. 8) 17f.; HAUcx (Anm. 19) 102; T. LuDvIG, Die Gründungsurkunde für das Bistum Brandenburg. Zur Methodik der Urkundenkritik, in: JBLG 53 (2002) 13.

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ten für die slawischen Gebiete führte Otto I. fort. Im nördlichen Bereich des Slawenlandes war bereits Anfang 929 die Provinz der Redarier dem Legaten Bernhard unterstellt worden2'; nach dessen Tod am 14. Dezember 9352' wurde Hermann Billung im Herbst 936 von Otto I. zum neuen prin ceps militiae er- nannt28. Für das südliche Elbegebiet, die spätere Markgrafschaft Meißen, war seit 929 Graf Thietmar zuständig=', dessen Nachfolge 932 sein Sohn Siegfried

angetreten hatte"; 937 verlieh Otto I. die Amtsgewalt in diesem Gebiet an des-

sen Bruder Gero, den späteren Markgrafen von Meißen31. Neben der politischen wurde unter Otto I. parallel die kirchliche Integration

der westslawischen Gebiete vorangetrieben. Dies zeigt sich eindeutig an der Gründung des Moritzklosters in Magdeburg. Bereits 929 hatte Heinrich I. Mag- deburg seiner Schwiegertochter Edgitha als Morgengabe zukommen lassen3z. Am 21. September 937 wurde nun das Moritzkloster in Magdeburg gegründct33; die Mönche des neuen Klosters kamen aus der Abtei St. Maximin in Trier, die der

26 WIDUKIND VON CORVEY (Anm. 7) I, 36,52f.; RI II, 1,18 Nr. 23f.; LünKE (Anm. 2) 42 Nr. 26; ALTHOFE (Anm. 19) 426; DRALLE (Anm. 3) 111 f., 114; R. SCHÖLKOt'F", Die sächsi- schen Grafen (919-1024) (= Stud. u. Vorarbeiten z. Hist. Atlas Niedersachsen 22) (Göttingen 1957) 98; ScHRAGE (Anm. 3) 198; R. \\'ENsxus, Sächsischer Stammesadcl und fränkischer Reichsadel (Göttingen 1976) 205. 2' Das Nekrolog von Borghorst, hg. v. G. ALTHoFF (= Veröff. der Hist. Komm. für West- falen 40,1) (Münster 1978) 96; Necrologium Merseburgense, hg. v. G. ALTHOFE / J. \VoL-

LASCH (= MGH. A Libri mein. NS 2) (Hannover 1983) 17; LÜBKE (Anm. 2) 65 Nr. 44a; ALT- HOFF (Anm. 19) 426. 28 WIDUKIND VON CORVEY (Anm. 7) II, 4,70f.; RI II, 1,36 Nr. 57a; LünKE (Anm. 2) 66 Nr. 46; 71 Nr. 49; ALTHOFE (Anm. 19) 38 f., 64 ff., 376; BRÜSKE (Anm. 8) 20; \\'ENsxus (Anm. 26) 241 ff. 29 WIDUKIND VON CORVEY (Anm. 7) I, 36,52; RI II, 1,18 Nr. 23g; LüixE (Anm. 2) 48 Nr. 31; ALTHOFF (Anm. 19) 261.; DRALLE (Anm. 3)112; K. Scii+ttD, Neue Quellen zum Verständnis des Adels- im 10. Jahrhundert, in: ZGO 108 NF 69 (1960) 211 ff., 221 ff.; SctiÖLKOPF (Anm. 26) 55; WENSKUS (Anm. 26) 332,344,389,392. 1I MGH. D H1 32; RI II, 1,24 Nr. 40; LüaKE (Anm. 2) 53 Nr. 35a. Zu Siegfried: LUDAT (Anm. 3) 117 Anm. 144; LUDAT (Anm. 5) 153 ff.; PATZE (Anm. 5) 961.; SCHLESINGER, KG (Anm. 3) 9 f., 33; SCHÖLKOPF (Anm. 26) 36f.; SCHRAGE (Anm. 3) 198. 31 WIDUKIND VON CORVEY (Anm. 7) 11,9,73; TIIIETMAR VON MERSEBSURG (Anm. 5) 11,2, 40f.; RI 11,1,40 Nr. 69b; LÜBKE (Anm. 2) 80 Nr. 56. Vgl. ALTHOFE (Anm. 19) 86ff.; BRÜSKE (Anm. 8) 20; CURSCHsIANN (Anm. 10)12; O. V. HEINEMANN, Markgraf Gcro (Braunschweig 1860)12-14; SCHLESINGER (Anm. 6)167; SCHMID (Anm. 29) 211-213; SCIIÖLKovF (Anm. 26) 41-44; ScURAGE (Anm. 3)198; \t'ENSEus (Anm. 26) 386ff. 32 MGH. D 01 14; CLAUDE (Anm. 11) 20f.; A. FössEL, Die Königin im mittelalterlichen Reich. Herrschaftsausübung, Herrschaftsrechte, Handlungsspielr3unie (Darmstadt 2000) 67 f.; NEUMEISTER (Anm. 8) 73f.; SCHRAGE (Anm. 3)199. 33 MGH. D O 114; UB des Erzstifts Magdeburg 1(937-1192), bearb. v, E ISRAEL / \\! HÖL- LENBERG (Magdeburg 1937) 1 Nr. 1; vgl. RI II, 1,40 Nr. 70; LÜBKE (Anm. 2) 72 f. Nr. 51-52; H. BEUMANN, Magdeburg und die Ostpolitik der Ottonen, in: H. Rorin: (I-ig. ), Die histori-

sche Wirkung der östlichen Regionen des Reiches (= Stud. z. Deutschtun im Osten 24) (KölnAVien 1992) 10f.; BüTrNER, Kirche (Anm. 3) 152; CLAUDE (Anm. 11) 17,25-27; E. D. HEHL, Kaisertum, Rom und Papstbezug im Zeitalter Ottos I., in: B. SCIINEIU:. SÜLLER / S. WEINFURTER (Hg. ), Ottonische Neuanfänge. Symposion zur Ausstellung Otto der Gro- ße, Magdeburg und Europa" (Mainz 2C01) 220; E. QutriER, Untersuchungen zur Entste-

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Bistumsgrimdungcn im \lidcrsuch zw%isd cn Königen, Bischöfen und Herzögen

Gorier Reform nahestand-". Als Ausstattungsgut erhielt das Kloster den könig- lichen Hof in Magdeburg mit allem Zubehör und allen zu Magdeburg gehören- den Orten am \C'cstufer der Elbe und am Nordufer der Ohre15; außerdem wurde das Kloster reich mit Zins- und Zehntrechten in den slawischen Gebieten jen- seits der Elbe in den Gauen MoracianP', Liezizi37 und dem Gau der Heveller ausgestattet". Die Bedeutung des Magdeburger Moritzklosters für die Slawen- mission zeigt sich durch die zahlreichen Schenkungen, die Otto I. dem Kloster in den folgenden zehn Jahren machte"; dabei erhielt das Kloster nicht nur Güter im ostelbischen Gebiet, sondern wiederholt auch slawische Familien.

Als Protagonist der Mission fungierte auf kirchlicher Seite einerseits Erz- bischof Friedrich von Mainz. Dessen Kirchenprovinz dehnte sich seit dem 9. Jahrhundert mit dem Bistum Halberstadt bis an die Ostgrenze des karolingi- schen Reiches an Elbe und Saale aus. Die westslawischen Gebiete jenseits von Elbe und Saale gehörten daher zu seinem Interessengebiet, denn hier konnte der Mainzer Sprengel ausgedehnt werden.

Die Mission im Norden und Osten des Reiches gehörte andererseits zu den seit karolingischer Zeit immer wieder hervorgehobenen Aufgaben des Erzbis- tums Hamburg-Bremen. Hier hatte Otto I. Anfang 937 mit Adaldag eines der bedeutendsten Mitglieder der Hofkapelle zum Erzbischof erhoben10. Im Gegen- satz zu Mainz verfügte das Erzbistum Hamburg-Bremen bis dahin über keine Suffraganbistümer, so daß auch für Erzbischof Adaldag die Slawenmission von vitalem Interesse sein mußte.

Beide Erzbischöfe konnten daher Ansprüche auf die westslawischen Gebiete erheben, so daß hier vor dem Aufbau einer Kirchenorganisation und der Errich- tung von Bistümern ein Kompromiß gefunden werden mußte. Dieser kam spä- testens 947/4S zustande, als Abt Hauradar von Fulda als Legat Ottos I. in Rom über die Bistumsgründungen im Heidenland mit Papst Agapet II. verhandelte4'.

hunggsgeschichte der Kirchenprovinz Magdeburg. Ein Beitrag zur Geschichte des kirchlichen Verfassungsrechts im zehnten Jahrhundert (Paderborn 1969) 38 f. " Gesu arehiepiscoporum \lagdcburgensium, ltg. v. \V. Scutmt (= MGH. SS 14) (Hannover 1883) c. 4,378; 130 .: %R, Kirche (Anm. 3) 152; CLAUDE (Anm. 11) 23. 31 CLAUDE (Anm. 11) 45-47. Zur Lokalisierung der einzelnen Orte: LÜBKE (Anm. 2) 73 Nr. 54, I1 1/c 6-13. x Östlich der Elbe gegenüber Magdeburg; CURSCH. tANN (Anm. 10) 139ff.; J. HERRMANN, Siedlung, \\ irucluft und gesellschaftliche Verhältnisse der slawischen Stämme zwischen Oder/Neiße und Elbe. Studien auf der Grundlage archäologischen Materials (= Dt. Akad. der \\ iss. Berlin, Schr. der Sektion für Vor- und Frühgesch. 23) (Berlin 1968) 35f. 31 Zwischen Elbe Havel und Stremme, K CURSCHMANN, Die Stiftungsurkunde des Bistums Havelberg, in: NA 2S (1903) 414 ff.; HERRMANN (Anm. 36) 32. tt Im Havelgebiet mit der Hauptburg Brandenburg; CURSCHMANN (Anm. 10) 150ff.; HERR-

(Anm. 36) 31. " MGH. DO115, DO116, DOI21, DO137, D0138, DOI4l, DOI43, DOI46, DO 174, DO 179, DO 197, DO 1112; CI-NUDE (Anm. 11) 47-56. 'D AD. st vot: BREMSEN (Anm. 19)11,1,61; vgl. RI II, 1,37 Nr. 63a; ALTHOFF (Anm. 19) 298 f.; Bvrr.: ER Kirche (Anm. 3) 151; G. GLAEsKE, Die Erzbischöfe von Hamburg-Bremen als Reichsfürsten (Hildesheim 1962) 5-24; 1-L. %UcK (Anm. 19) 91-93. 'BEUSMA. ̀ : N (Annt. 33) 10; BürrNER, Kirche (Annt. 3) 160; DERS., Die Mainzer Erzbischöfe

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Am 2. Januar 948 erwirkte dieser nämlich für Erzbischof Adaldag neben einer Palliumsverleihung auch die Bestätigung der Hamburger Metropolitanrechte über den Episkopat der Dänen, Norweger, Schweden und aller nordischen Vol..

Im Gegensatz zur benutzen Vor-urkunde Papst Nikolaus' I. von 864" steht anstelle der

�gentes Sueonum sive Danorum nec non etiam Slavorum" im Privi- leg von 948 �episcopi Danorum sive Sueonum nec non omnium septentrionali- um partium. " Daraus läßt sich zweierlei folgern: Einerseits hatte Erzbischof Adaldag nach Zeugnis des Privilegs spätestens 947 auf den seit karolingischer Zeit bezeugten Anspruch seines Erzbistums auf das Missionsgebiet im west- slawischen Raum verzichtet41, womit der Weg frei war für die ersten Bistums- gründungen auf diesem Gebiet. Andererseits gibt die Urkunde Zeugnis über den konkreten Ausgleich, der zwischen den Erzbischöfen Friedrich von Mainz und Adaldag von Hamburg-Bremen erzielt wurde. Die Nennung der

�episcopi Da- norum sive Sueonum" zeigt nämlich, daß im Norden der Aufbau einer Kirchen- organisation durch Gründung von dänischen Suffraganbistümern unmittelbar bevorstand.

Zur Ordination und Weihe eines neuen Bischofs bedurfte es nach kano- nischem Recht dreier Bischöfe; Hamburg jedoch hatte 948 noch keine Suffra- ganbistümer. Wohl deshalb wurde den Bischöfen Bernhard von Halberstadt und Thiethart von Hildesheim die Unterstützung des Hamburger Metropoliten in dessen Amtsführung befohlen. Daß gerade Mainzer Suffragane für diese Auf- gabe vorgesehen waren, dürfte mit dem Kompromißcharakter der Bestimmun- gen zu tun haben, denn der Mainzer Erzbischof war letztlich der Nutznießer des hamburgischen Verzichts auf das westslawische Missionsfeld.

Bereits am 7. Juni 948 erscheinen unter den Teilnehmern der Synode von In-

Friedrich und Wilhelm und das Papsttum des 10. Jahrhunderts; in: DERS., Zur frühmittelalter- lichen Reichsgeschichte am Rhein, Main und Neckar, hg. v. A. GERUCH (Darmstadt 1975) 285. 42 H. ZIMMERMANN, Papsturkunden 896-1046,1: 896-996 (Wen 21988) 199 Nr. 114; JAFFE Regg 3641; RI II, 5,81 Nr. 215; LÜBKE (Anm. 2) 105 Nr. 82; ADAM voN BREMEN (Anm. 19) II, 3,64; H. BEUMANN, Die Gründung des Bistums Oldenburg und die Missionspolitik Ottos des Großen, in: H. FUHRMANN / H. E. MAYER / K. \VRIEDT (Hg. ), Aus Reichsgeschichte und Nordischer Geschichte. FS Karl Jordan (= Kieler Hist. Stud. 16) (Stuttgart 1972) 62; HAUCK (Anm. 19) 79f.; LUDWIG (Anm. 25) 13 f.; J. PETERSOHN, Der südliche Ostseeraum im kirch- lich-politischen Kräftespiel des Reichs, Polens und Dänemarks vom 10. bis 13. Jahrhundert. Mission - Kirchenorganisation - Kultpolitik (= Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Ge- genwart 17) (Kölngien 1979) 17; QUITIER (Anm. 33) 24. Zur Echtheit der Urkunde: W. SEE- GRÜN, Das Papsttum und Skandinavien bis zur Vollendung der nordischen Kirchenorganisa- tion (1164) (= Quellen u. Forsch. z. Gesch. Schleswig-Holsteins 51) (Neumünster 1967) 44 f.; DERS., Das Erzbistum Hamburg in seinen älteren Papsturkunden (= Stud. u. Vorarbeiten z. Germania Pontificia 5) (Köln/Wen 1976) 10. 43 F. CURSCHMANN, Die älteren Papsturkunden des Erzbistums Hamburg (Leipzig 1909) 22 Nr. 4a; JAFFE Regg 2759; MGH. Ep VI 290 Nr. 26; Jaffe Regg 2758; SEEGRÜN, Papsttum (Anm. 42) 34-37; DERS., Erzbistum (Anm. 42) 6 f., 35-37. 44 Zur Bestimmung des Erzbistums Hamburg-Bremen als Metropole für alle Völker der Slawen und Dänen: ADAM VON BREMEN (Anm. 19)1,14,18 f.; I, 16,22 f.; BEUMANN (Anm. 42) 62; LUDWIG (Anm. 25) 13 f.

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Bistumsgrnndungen im Widerstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzögen

gelheim die Bischöfe Liafdag von Ribe, Horath von Schleswig und Reginbrand von Aarhus; wahrscheinlich wurden sie auf dieser Synode ordiniert, auf der auch Erzbischof Adaldag und die Bischöfe Bernhard von Halberstadt und Thiethart von Hildesheim anwesend waren's.

Auf der Ingelheimer Synode dürfte neben dem Reimser Bistumsstreit auch die Bistumsorganisation im westslawischen Gebiet Gegenstand der Beratungen ge- wesen sein. Dies legt schon die Gründung der dänischen Bistümer nahe, die als Kompromißergebnis um die Zugehörigkeit der zukünftigen Kirche im Slawen- land anzusehen ist. Tatsächlich wurden dann im Herbst 948 mit Brandenburg und Havelberg die ersten Bistümer auf westslawischem Boden gegründet und der Mainzer Kirche unterstellt.

Für Brandenburg hat sich die in Magdeburg ausgestellte Stiftungsurkunde vom 1. Oktober 94846 im Original erhalten". Schon die Personen, die in dieser Urkunde als Mitwirkende erscheinen, werfen ein Schlaglicht auf die Bedeutung der Ereignisse. Beteiligt war zum einen der päpstliche Legat Marinus, der sich 948 vor allem zur Schlichtung des Reimser Bistumsstreits im Reich aufhielt48 und auf der Ingelheimer Synode im Juni der mutmaßlichen Konsekration der Bischöfe von Schleswig, Ribe und Aarhus beiwohnte; seine Mitwirkung und Zustimmung dürfte als Beteiligung des Papsttums bei dieser Bistumsgründung

" MGH. Const 1 13 Nr. 6; RI 11,1,81 Nr. 166a; H. BEUMANN, Laurentius und Mauritius. Zu den missionspolitischen Folgen des Ungarnsieges Ottos des Großen, in DERS. (Hg. ), FS Wal- ter Schlesinger 2 (= MDF 74/II) (Köln/Wien 1974) 243; H. BEUMANN, Die Bedeutung Lo- tharingiens für die ottonische Missionspolitik im Osten, in: RhV 33 (1969) 22 f.; BEUMANN, Magdeburg (Anm. 33) 10f.; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3) 155f.; DERS., Erzbischöfe (Anm. 41) 285; H. FUHRMANN, Die Heilige und Generalsynode" des Jahres 948, in: H. ZIMMERMANN, Otto der Große (= WdF 450) (Darmstadt 1976) 52 f.; GLAESKE (Anm. 40) 8 f., 15; PETERSOHN (Anm. 42) 19 f., Anm. 8; SEEGRÜN, Papsttum (Anm. 42) 44 f. 46 Zur Datierung ins Jahr*948: D. KURZE, Otto I. und die Gründung des Bistums Branden- burg: 948,949 oder 965?, in: JBLG 50 (1999) 20f.; T. SICKEL, Beiträge zur Diplomatik VIII: Die Datierung der Diplome Ottos I., in: SAW\VPH 101 (1882) 143 f. Anläßlich seiner Schil- derung des Slawenaufstandes von 983 erwähnt Thietmar von Merseburg fälschlicherweise, daß das Bistum Brandenburg dreißig Jahre vor der Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum (968) eingerichtet worden sei, THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) 111,17,116, Z. 21 ff. Ausgehend von dieser Diskrepanz hat jüngst Helmut Assing die Behauptung aufgestellt, das Bistums sei erst 965 errichtet worden, H. AsSING, Wurde das Bistum Brandenburg wirk- lich 948 gegründet?, in: JBLG 49 (1998) 7-18; DERS., Das Bistum Brandenburg wurde wahr- scheinlich doch erst 965 gegründet, in: JBLG 51 (2000) 7-29. Die These ist überzeugend und erschöpfend widerlegt worden durch KURZE (diese Anm. ) 12-30; LUDWIG (Anm. 25) 9-28; NEUMEISTER (Anm. 8) 51-90. " MGH. D O 1105; RI 11,1,83 f. Nr. 169; LÜBKE (Anm. 2) 107 Nr. 83; G. v. ABB / G. WENTZ, Das Bistum Brandenburg, Tl. 1 (= GermSac I, 1) (Berlin/Leipzig 1929, Nachdr. 1963) 8f.; BEUMANN, Laurentius (Anm. 45) 243; BRÜSKE (Anm. 8) 22 f.; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3)156; CLAUDE (Anm. 11) 65; CURSCHMANN (Anm. 10) 19ff.; DRALLE (Anm. 3) 136; FRITZE (Anm. 8) 14f.; HAUCK (Anm. 19) 102f.; KURZE (Anm. 46) 12-30; LUDWIG (Anm. 25) 9-28; NEUMEISTER (Anm. 8) 51-90; QUITIER (Anm. 33) 43 ff. 'B Zur Legation des Marinus: O. ENGELMANN, Die päpstlichen Legaten in Deutschland bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts (Diss. Marburg 1913) 93-96; GP 4,4 (Göttingen 1978) 74 Nr. 60; RI 11,5,64 Nr. 218.

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zu werten sein. Genannt werden mit Erzbischof Friedrich von Mainz und Erz- bischof Adaldag von Hamburg-Bremen zudem die beiden Metropoliten, die direkt mit der Slawenmission zu tun hatten, da ihre Kirchenprovinzen sich auch auf die betroffenen Gebiete erstreckten. Erzbischof Friedrich von Mainz mußte als zukünftiger Metropolitan des Brandenburger Bischofs beteiligt sein49. Erz- bischof Adaldag von Hamburg-Bremen dokumentierte mit seiner Mitwirkung an der Bistumsgründung von Brandenburg seinen Verzicht auf etwaige Ansprü- che der Hamburger KircheSÖ. Als weltlicher Amtsträger war schließlich der spä- tere Markgraf Gero beteiligt, weil das neue Bistum in seinem Herrschaftsbereich lag51. Zum ersten Bischof von Brandenburg wurde Thietmar investiert52; mögli- cherweise handelt es sich bei ihm um einen Verwandten von Markgraf Gero53.

Wohl gleichzeitig mit der Brandenburger Bistumsgründung erfolgte die Er- richtung des Bistums Havelberg5a. Auch für dieses Bistum hat sich eine kopial überlieferte Gründungsurkunde erhalten, bei der es sich allerdings um eine zwi- schen 1150 und 1179 angefertigte Fälschung handelt, die jedoch im Kern die ursprüngliche Gründungsurkunde bewahrt hat55. Zwar wird in der Urkunde als Ausstellungsdatum der 9. Mai 946 angegeben, doch ist dieses Datum sicher- lich falsch, da - bis auf Erzbischof Adaldag von Hamburg-Bremen - dieselben Intervenienten genannte werden; der Legat Marinus hielt sich jedoch nachweis- lich nur im Jahre 948 im Reich aufS6. Ein weiteres Indiz für die gleichzeitige Gründung beider Bistümer bieten die Diözesangrenzen der beiden ersten slawi-

II Das ergibt sich aus der Verzichtsurkunde Erzbischof Hattos von Mainz, mit der er 968 seine bisherigen Suffragane Brandenburg und Havelberg zugunsten Magdeburgs aus seinem Metropolitanverband entließ; UB Erzstift Magdeburg (Anm. 33) I, 81 Nr. 59. 50 Anm. 42. 51 ALTHOFF (Anm. 19) 23ff., 89ff.; DERS., Amicitiae und Pacta. Bündnis, Einigung, Politik und Gebetsgedenken im beginnenden 10. Jahrhundert (= SMGH 37) (Hannover 1992) 142 ff.; W. GLOCKER, Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Studien zur Familienpolitik und zur Genealogie des sächsischen Kaiserhauses (Köln/Wien 1989) 47ff., 57ff.; HEINEMANN (Anm. 31) passim; SCHÖLKOPF (Anm. 26) 41-55. 52 ABS / WENTz (Anm. 47) 21; H. BREssLAu, Zur Chronologie und Geschichte der ältesten Bischöfe von Brandenburg, in: FBPG 1 (1888) 61 f.; SCHMID (Anm. 29) 1007. II HEINEMANN (Anm. 31) 142ff.; SCHMID (Anm. 29) 211 ff.; WENSKUS (Anm. 26) 388,391. 54 MGH. D 01 76 (zu 946 Mai 9); RI II, 1,68 Nr. 134 (zu 946 Mai 9); LüBKE (Anm. 2) 111 Nr. 84; BürrNER, Kirche (Anm. 3) 157.

55 Zum Nachweis der Fälschung CURSCHMANN (Anm. 37) passim; W. SCHLESINGER, Bemer- kungen zu der sogenannten Stiftungsurkunde des Bistums Havelberg von 946 Mai 9, in: JGMOD 5 (1956) 1-38. ZurDatierung derFälschung auf die Zeit zwischen 1150 u. 1179 ebd. 12. 56 Zur Datierung CLAUDE (Anm. 11) 64 Anm. 6; CURSCHMANN (Anm. 37) 396-403,408; DERS. (Anm. 10) 21; PETERSOHN (Anm. 42) 19f.; SCHLESINGER (Anm. 55) 1 ff.; DERS., KG (Anm. 3) 22,294; G. WEN-Iz, Das Bistum Havelberg (= GermSac 1,3) (Berlin/Leipzig 1933) 16; H. WOLTER, Die Synoden im Reichsgebiet und in Reichsitalien von 916-1056 (= Kon- Ge. D 5) (Paderborn 1988) 51. Für die Echtheit und eine Datierung ins Jahr 946 treten noch immer - aber ohne überzeugende Argumentation - ein L. ENDERS, Zur Frühgeschichte des Bistums Havelberg, in: JBBKG 61 (1997) 38-60; J. HuTH, Ein Wort zur Echtheit der Stif- tungsurkunde vom 9. Mai 946, in: HerChr 15 (1985/86) 7-39; J. Hum, Die Echtheit der Havelberger Stiftungsurkunde vom 9. Mai 946, in: JBBKG 58 (1991) 9-38; C. BERGSTEDT,

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Bistumsgründungen im Widerstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzögen

schen Bistümer. Das Bistum Brandenburg erstreckte sich im Osten bis zur Oder, im Westen und Süden bis zur Elbe und umfaßte im Norden die Gaue der Ukrer57, RecanenSS und DossanenS9. Das Bistum Havelberg erstreckte sich im Norden von der Quelle der Peene nach Osten bis zu ihrer Mündung ins Meer61 und von der Quelle der Elde nach Westen bis zu ihrer Mündung in die Elbe; im Süden bildeten die Stremme61 und die auch in der Stiftungsurkunde des Bistums Brandenburg genannten Gaue der Ukrer, Recanen und Dossanen die Grenze.

Erstaunlich ist, daß Erzbischof Adaldag von Hamburg-Bremen in der Havel- berger Urkunde nicht genannt wird, obwohl er in der Brandenburger Urkunde als Intervenient erscheint. Eine Erklärung hierfür ergibt sich, wenn man sich den 948 kirchenorganisatorisch erfaßten Raum vor Augen führt: die südliche Ostsee- küste blieb 948 unberücksichtigt. Das Gebiet der Abodriten, auf dem später die Hamburger Suffraganbistümer Oldenburg/Lübeck, Ratzeburg und Mecklen- burg/Schwerin entstehen sollten, wurde bei der Gründung der fünf Bistümer Brandenburg, Havelberg, Schleswig, Ribe und Aarhus nicht erfaßt. Erzbischof Adaldag hatte 948 also die südliche Ostseeküste als Hamburgisches Missions-

gebiet behaupten können. Über die Nordgrenze des Bistums Havelberg scheint es infolgedessen zu Unstimmigkeiten gekommen zu sein, auf Grund derer der Erzbischof in der Havelberger Urkunde nicht erscheint62.

Ob bereits 948 auch an die Gründung des Erzbistums Magdeburg gedacht worden war, läßt sich nicht eindeutig beantworten. Helmut Beumann, dem die Forschung in diesem Punkt überwiegend folgt, vermutet, daß Otto I. erst nach dem Sieg auf dem Lechfeld am 10. August 955 den Plan zur Gründung des neuen Erzbistums gefaßt haben. Zu bedenken ist jedoch die Bedeutung, die Magde- burg seit Anbeginn für die Slawenmission hatte. Ablesen läßt dies sich an den königlichen Schenkungen, die das Moritzkloster erhielt. In den elf Jahren nach seiner Gründung im Jahre 937 erhielt das Kloster nicht weniger als vierzehn Diplomen. Damit war das Moritzkloster die bei weitem am umfangreichsten

Die Havelberger Stiftungsurkunde und die Datierung der Gründung des Bistums Havelberg. Eine quellenkritische Bestandsaufnahme, in: JBBKG 61 (1997) 61-88. 57 Gau in der heutigen Uckermark, LüBKE (Anm. 2) 109 Nr. 83 I1I/cl1. 56 Gau am Oberlauf der Havel, ebd. Nr. 83 III/c12. 59 Gau am Oberlauf der Havel, Lokalisierung umstritten, ebd. Nr. 83 III/c14. Eine Karte der

slawischen Siedlungsgebiete findet sich in: A. \VIEczoREK / H. -M. HINZ, Europas Mitte um 1000. Beiträge zur Geschichte, Kunst und Archäologie 1 (Darmstadt 2000) 97. w Zur Festlegung der Peene als Grenze zum Erzbistum Hamburg-Bremen: BEUMANN (Anm. 42) 62f.; CURSCHMANN (Anm. 37) 428f.; DERS., Die Entstehung des Bistums Olden- burg, in: HV 14 (1911) 182ff.; FRITZE (Anm. 8) 15; PETERSOHN (Anm. 42) 18 f., 38 f.; SCHLE-

SINGER (Anm. 55) 19.

61 Fluß zwischen Elbe und Havel nördlich Genthin, CURSCHMANN (Anm. 37) 403 f. 61 Die Peene als Ostgrenze des Erzbistums Hamburg ist erstmals 989 urkundlich belegt, Z1r! MMERntANN (Anm. 42) 583 Nr. 301; JAFFE Regg 3835; RI II, 5,269 Nr. 677. 63 BEUMANN, Bedeutung (Anm. 45) 27; DERS., Laurentius (Anm. 45) 243f.; CLAUDE (Anm. 11) 71; HEHL (Anm. 33) 225. 64 MGH. D 01 14 (937 Sept. 21), D0 115 (937 Sept. 27), D0 116 (937 Okt. 11), D0 121 (939 Juni 7), D0 137 (941 Apr. 23), D0 138 (937-941), D0 141 (941 Aug. 6), D01 43 (941

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beschenkte geistliche Institution im Reich; im Vergleich dazu erhielt das 936 gegründete Servatiusstift in Quedlinburg, die neben Magdeburg wohl bedeu- tendste ottonische Klostergründung, im selben Zeitraum nur ganze vier Königs- urkunden65.

Um so bemerkenswerter ist es, daß zwischen dem 30. März 948 und dem 10. August 955 lediglich zwei kleinere Schenkungen für das Moritzkloster beur- kundet wurden. Es handelte sich dabei zudem um Güter, die weit ab des slawi- schen Gebietes gelegen waren. Am 30. Dezember 952 beurkundete der König die Schenkung seiner Tante Oda über Besitz in und bei Deventer in Niederloth- ringen66. Im Jahr darauf übertrug Otto I. dem Kloster mehrere Besitzungen am westlichen Harzrand zwischen Salzgitter und Göttingen''. Was die königliche Urkundentätigkeit anbelangt, markierte das Jahr 948 also einen recht tiefen Ein- schnitt für das Magdeburger Moritzkloster. Die Gründe hierfür könnten durch- aus mit dem Aufbau der Kirchenorganisation im Slawenland zusammenhängen. Möglicherweise hatte Otto I. bereits bei der Gründung der Bistümer Branden- burg und Havelberg auch die Errichtung eines Erzbistums Magdeburg ins Auge gefaßt und war hierbei gescheitert.

Nach dem Sieg auf dem Lechfeld strebte Otto I. nun eindeutig belegt die Errichtung des Erzbistums Magdeburg an. Wie bereits 947/48 hatte er Abt Ha- madar von Fulda zu Papst Agapet II. gesandt, um von päpstlicher Seite die Er- laubnis dafür zu erhalten''. Dieser stimmte der Verlegung des Halberstädter Bistums nach Magdeburg und dessen Erhöhung zum Metropolitansitz zu'9. Daß von Seiten Bischof Bernhards von Halberstadt gegen diesen Plan kein Wi- derspruch erhoben wurde, ist verständlich; immerhin wäre er der Nutznießer dieser Verlegung gewesen. Für Erzbischof Wilhelm von Mainz hätte die Durch- führung dieses Plans jedoch den Verlust seiner Metropolitanrechte über Halber- stadt und die Bistümer Brandenburg und Havelberg bedeutet. Ungeachtet der Tatsache, daß Wilhelm der leibliche Sohn Ottos I. und einer Slawin war70, rea- gierte der Mainzer Erzbischof unverzüglich, indem er beim Papst gegen das Vorgehen seines Vaters protestierte, besonders weil er als päpstlicher Vikar im Reich nicht unterrichtet worden sei; außerdem müsse der weitere Ausbau der

Dez. 5), D 0146 (942 März 28), D 0163 (945 Febr. 12), DO 174 (946 Jan. 29), DO 179(946 Juli 29), D0I 97 (948 März 30), D0 11 12 (967 Jan. 1: Vollzug einer Schenkung Ottos I. ). 65 MGH. D O 11 (936 Sept. 13), DO 118 (937 Dez. 20), DO 161 (944 Sept. 30), DO 175 (946 Jan. 29). 66 MGH. D O 1159. 67 MGH. D O 1165. 68 JAFFE Regg *3673; RI II, 1,124f. Nr. 240n; RI II, 5,95 Nr. 248; 96 Nr. 249; BEUMANN (Anm. 33) 11; DERS., Das Kaisertum Ottos des Großen, in: HZ 195 (1962) 562. 69 Monumenta Moguntina, JAFFE BRG 3,347 Nr. 18; RI II, 1,124f. Nr. 240n; RI II, 5,96 Nr. 249; LüBI: E (Anm. 2) 139 Nr. 103; BEUMANN (Anm. 33) 11; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3) 161 f.; CLAUDE (Anm. 11) 66-75; E: D. HEHL., Morseburg - eine Bistumsgründung unter Vorbehalt. Gelübde, Kirchenrecht und politischer Spielraum im 10. Jahrhundert, in: FMSt 31 (1997) 96; QUITTER (Anm. 33) 52-78; SCHLESINGER, KG (Anm. 3) 25. 70 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) II, 35,82f.; vgl. LÜBKE (Anm. 2) 50 Nr. 32.

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Bistumsgrnndungen im W\ iderstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzögen

Kirchenorganisation im westslawischen Gebiet auf einer Synode - möglichst unter seinem Vorsitz - beschlossen werden 71.

Durch den Widerstand des Mainzer Erzbischofs war die Gründung des Erz- bistums Magdeburg zunächst einmal gescheitert. Daß der Plan jedoch von Ot- to I. weiter verfolgt wurde, zeigt abermals die umfangreiche Urkundenproduk- tion für das Moritzkloster in den Jahren nach 955: Bis 962 erhielt das Kloster nicht weniger als zehn weitere Diplome und rangierte damit in der Gunst des Königs weit vor allen anderen Klöstern und Bistümern72.

Nur zehn Tage nach der Kaiserkrönung73 wurde der Magdeburger Plan erneut aufgegriffen74. Am 12. Februar 962 verfügte Papst Johannes XII. in einer Ur- kunde die Errichtung des Erzbistums Magdeburg und des Bistums Merseburg75; als Begründung für diesen Schritt gibt der Papst zu Beginn des Privilegs sowohl den Ungarnsieg von 955 als auch die Kaiserkrönung Ottos I. an. Bedenkt man, daß Otto nur einen Tag später dem Papst das Privilegium Ottonianum ausstell- te76, werden die Zusammenhänge des päpstlichen Privilegs für Magdeburg deut- lich. Papst Johannes XII. war es, der 955 die Protestnote von Erzbischof Wil- helm von Mainz beantwortet hatte77. Man darf also annehmen, daß der Papst 962 über die \VViderstände gegen die Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum im Bilde war, zumal im Privileg von 962 ausdrücklich auf den Sieg über die Ungarn rekurriert wird. Daß Johannes XII. ungeachtet dessen per Dekret die Gründung des Erzbistums Magdeburg festsetzte, war demnach Ergebnis der Verhandlun- gen im Vorfeld der Kaiserkrönung, deren positives Ergebnis sich einerseits (für den Kaiser) im Privileg für Magdeburg und andererseits (für den Papst) im Pri- vilegium Ottonianum niederschlug.

Das päpstliche Privileg vom 12. Februar 962 zeigt deutliche Merkmale eines Kompromisses mit Erzbischof Wilhelm von Mainz. Von einer Transferierung des Halberstädter Bischofs nach Magdeburg war nicht mehr die Rede. Außer-

71 JAFFE BRG 3,347 Nr. 18; BEUriANN, Laurentius (Anm. 45) 243 ff.; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3) 61 f.; DERS., Erzbischöfe (Anm. 41) 288ff.; HEHL (Anm. 69) 96; DERS., Der wider- spenstige Bischof. Bischöfliche Zustimmung und bischöflicher Protest in der ottonischen Reichskirche, in: G. ALTHOFF / E. SCHUBERT (Hg. ), Herrschaftsrepräsentation im otto- nischen Sachsen (= VuF 46) (Sigmaringen 1998) 297 ff.; HEHL (Anm. 33) 225.

MGH. D O 1181 (956 Juli 2), DO1 187 (956 Dez. 12), D0 1205 (959 Juli 2), DO1 214 (960 Aug. 21), DO 1216 (960 Aug. 28), DO1 222a (961 Apr. 23), DO1 222b (961 Apr. 23), D 01 230 (961 Juli 25), D01 231 (961 Juli 29), D01 232 (961 Juli 29).

RI 11,1,149 f. Nr. 309c; RI 11,5,114 Nr. 294. 74 Ebd. 116 Nr. 298; 118 Nr. 304. 75 Ztrtt, tt iu tANrt (Anm. 42) 281 Nr. 154; JAFFE Regg 3690; RI II, 1,151 Nr. 310; RI II, 5,118 Nr. 304; LÜBKE (Anm. 2) 167 Nr. 121; BEUMANN, Laurentius (Anm. 45) 248 ff.; DERS., Kaiser- tum (Anm. 68) 552f., 566; DERS. (Anm. 33) 12; BÜTTNER, Erzbischöfe (Anm. 41) 295; CLAU- DE (Anm. 11) 78-81; HEHL (Anm. 69) 96; DERS., Bischof (Anm. 71) 298; DERS., Kaisertum (Anm. 33) 226; SCHLESINGER, KG (Anm. 3) 26 f. Wohl gleichzeitig schenkte Papst Jo- hannes XII. dem Kaiser Reliquien der Heiligen Laurentius, Sebastian, Felicitas und Cyriakus, die z. T. später nach Magdeburg kamen, RI 11,5,115 Nr. 297. 76 MGH. Const 123 Nr. 12; MGH. D O 1235; RI II, 1,151 ff. Nr. 311; RI 11,5,119 Nr. 305. 77 ZIMMERMANN (Anm. 42) 249 Nr. 137; JAFFE BRG 3,350 Nr. 19; vgl. JAFFE Regg 3674; RI II, 1,124f. Nr. 240n; RI II, 5,99 Nr. 258.

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dem fällt auf, daß die beiden Bistümer Brandenburg und Havelberg nicht als Suffragane Magdeburgs genannt werden. Die beiden 948 gegründeten und der Mainzer Kirche unterstellten Diözesen sollten also auch weiterhin der Mainzer Kirchenprovinz zugeordnet bleiben. Für die zukünftige Magdeburger Kirchen- provinz bestimmte das Privileg vielmehr die Errichtung des Bistums Merseburg, wo Otto I. wohl bereits 955 ein Kloster zu Ehren des Heiligen Laurentius ge- stiftet hatte's; die Gründung weiterer Magdeburger Suffraganbistümer wurde ins Auge gefaßt, doch durften deren Bischöfe nur unter Zustimmung aller übri- gen deutschen Erzbischöfe geweiht werden79. Magdeburg sollte demnach also ein Erzbistum zweiter Klasse werden80. Der Kompromiß von 962 sah die Auf- teilung des westslawischen Gebietes in drei kirchenpolitische Interessenzonen vor. Die südliche Ostseeküste sollte weiterhin der Bremer Kirche unterstellt bleiben, die havelländischen Bistümer sollten der Kirchenprovinz Mainz zuge- hören und für den südlichen Bereich des westslawischen Gebietes sollte in Zu- kunft Magdeburg Metropolitansitz werden.

Auch wenn das päpstliche Privileg von 962 die Errichtung des Erzbistums Magdeburg festsetzte, bedurfte es dennoch der Zustimmung der Erzbischöfe des Reiches zu dieser neuen kirchlichen Ordnung. Erzbischof Wilhelm von Mainz scheint 962 der Gründung Magdeburgs wohl zugestimmt zu haben, zu- mal er neben der Bestandssicherung der beiden havelländischen Bistümer wohl schon Anfang Februar 962 ein päpstliches Palliumsprivileg erhalten hatten, das die 975 belegte, das Krönungsrecht einschließende, Primatsformel des Mainzer Stuhls enthielt82. Doch auch 962 scheiterte der Kaiser am episkopalen Wider- stand. Nun war es Bischof Bernhard von Halberstadt, der dem Plan seine Zu- stimmung versagte83.

Ungeachtet dessen trieb der Kaiser nach der Rückkehr ins Reich seine Mag- deburgpläne konsequent weiter voran. In den beiden Jahren 965 und 966 erhielt

78 ZIMMERMANN (Anm. 42) 281 Nr. 154; Trnum AR VON MERSEBURG (Anm. 5) II, 10,48 f.; BEUMANN, Laurentius (Anm. 45) 238ff., 259ff.; BürrNER, Kirche (Anm. 3) 160; HEHL

(Anm. 69) 97; SCHLESINGER (Anm. 6) 194.

79 ZIMMERMANN (Anm. 42) 281 Nr. 154; BEUMANN (Anm. 33) 12 f.; BEUMANN, Laurentius (Anm. 45) 249ff.; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3) 165; TH. ZoTZ, Pallium et alia quacdam archie- piscopatus insignia. Zum Beziehungsgefüge und zu Rangfragen der Reichskirchen im Spiegel der päpstlichen Privilegierung des 10. und 11. Jahrhunderts, in: H. MAURER / H. PATZE (Hg. ), FS Berent Schwineköper (Sigmaringen 1972) 158. 80 H. BEUMANN, Entschädigungen von Halberstadt und Mainz bei der Gründung des Erz- bistums Magdeburg, in: K. HERBERS / H. H. KORTÜM (Hg. ), Ex ipsis rerum documentis. Beiträge zur Mediävistik. FS Harald Zimmermann, (Sigmaringen 1991) 383; BEUMANN, Lau- rentius (Anm. 45) 249f.; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3)165. 11 BEUMANN, Bedeutung (Anm. 45) 38f.; DERS., Laurentius (Anm. 45) 255. 82 ZIMMERMANN (Anm. 42) 471 Nr. 237; JAFFE Regg 3784; RI II, 5,167 Nr. 542. 83 THIETIMIAR VON MERSEBURG (Anm. 5) 1I, 11,50; G. ALTHOFF, Magdeburg - Halberstadt - Merseburg. Bischöfliche Repräsentation und Interessenvertretung im ottonischen Sachsen, in: DERS. / E. SCHUBERT (Hg. ), Herrschaftsrepräsentation (Anm. 71) 268,274 £; BEUMANN, Laurentius (Anm. 45) 257ff.; DERS., Entschädigungen (Anm. 80) 3841.; CLAUDE (Anm. 11) 81 f.; 0. ENGELS, Die Gründung der Kirchenprovinz Magdeburg und die Ravennater

�Syn- ode" von 968, in: AHC 7 (1975) 149.

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Bisrumsgründungen im Widerstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzögen

das Moritzkloster in Magdeburg nicht weniger als 19 Urkunden84. Dabei wird Erzbischof Wilhelm regelmäßig als Intervenient genannt; der Mainzer Metro- politan hatte seine Vorbehalte gegen die Errichtung des Magdeburger Erzbis- tums anscheinend aufgegeben85. Der Durchbruch gelang Kaiser Otto I. schließ- lich im April 967. Bei der unter dem Vorsitz von Papst Johannes XIII. und Otto I. in Ravenna tagenden Synode wurde das Magdeburgprojekt erneut auf- gegriffen". Damit wurde nach dem Fehlschlag von 962 der Weg über eine Kir- chenversammlung gewählt, wie sie schon 955 Erzbischof Wilhelm von Mainz angemahnt hatteS7. Im Synodaldekret vom 20. April 967 verkündete Papst Jo- hannes XIII. die Errichtung des Erzbistums Magdeburge8. Dabei lassen sich je- doch gewichtige Unterschiede zur Konzeption von 962 feststellen: Der Minder- status des neuen Erzbistums wurde aufgehoben, da ausdrücklich festgelegt wurde, die Magdeburger Kirche dürfe den anderen Metropolitansitzen im Rang nicht nachstehen. Zudem wurden jetzt die Bistümer Brandenburg und Havel- berg dem neuen Erzbistum zugeordnet; die Bischöfe beider Diözesen sollten bei der Weihe des Erzbischofs beteiligt werden. Hinzu kamen die neu zu errich- tenden Bistümer Merseburg, Zeitz (dessen Bischofssitz 1028 nach Naumburg verlegt wurde89) und Meißen; weitere Diözesen sollten in Zukunft durch den Magdeburger Erzbischof bei Bedarf gegründet werden90.

Die tatsächliche Errichtung des Erzbistums verzögerte sich jedoch, da die Synodalen in Ravenna darauf bestanden, daß Erzbischof Wilhelm von Mainz und Bischof Bernhard von Halberstadt ihre Zustimmung zu diesem Schritt ga- ben91. Die prinzipielle Zustimmung von Erzbischof Wilhelm von Mainz zu die-

ser neuen Konzeption hatte Otto I. wohl schon im Juli 965 beim Magdeburger

" MGH. D O 1278 (965 März28), DO I281(965 Apr. 12), DO I282 (965 Apr. 12), DOI 306 (965 Apr. 12), DOI 293 (965 Juni 17), DO 1295 (965 Juni 27), DO 1296 (965 Juni 27), DOI 298 (965 Juli. 8), DOI 299 (965 Juli 9), DO 1300 (965 Juli 9), DO 1301(965 Juli 9), DO 1303 (965 Juli 28), DO 1304 (961-965), DO 1305 (955-965), DO 1312 (965 Dez. 12), DO 1329 (966 Juli 28), D0 1331 (966 Aug. 24), D0 1332 (966 Aug. 24), D0 1333 (966 Aug. 27). 'S BEUMMANN, Laurentius (Anm. 45) 257f.; DERS., Bedeutung (Anm. 45) 38f.; DERS., Entschä- digungen (Anm. 80) 384; DERS. (Anm. 33) 15; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3) 167; DERS., Erz- bischöfe (Anm. 41) 296. " RI II, 1,200 Nr. 443b; RI II, 5,162 Nr. 413; ENGELS (Anm. 83) 136ff.; HEHL (Anm. 33) 231; QumER (Anm. 33) 124-136. " Vgl. oben bei Anm. 71. " ZIMMERMANN (Anm. 42) 347 Nr. 177; JAFFE Regg 3715; RI 11,1,201 f. Nr. 447; RI 11,5,165 Nr. 418; LÜBKE (Anm. 2) 196 Nr. 142; ALTHOFF (Anm. 83) 268; BEUMANN, Laurentius (Anm. 45) 250ff.; DERS. (Anm. 33) 13; DERS., Kaisertum (Anm. 68) 567f.; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3) 171 f.; DERS., Erzbischöfe (Anm. 41) 296f.; CLAUDE (Anm. 11) 83f.; HEHL (Anm. 69) 96; DERS., Bischof (Anm. 71) 298 f.

ZIMMERMANN (Anm. 42) 1097 Nr. 581; JAFFE Regg 4087; LÜBKE IV (Anm. 2) 139 Nr. 584. Die Weihe der Bischöfe erfolgte im Dezember 968, THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5)

11,2-3,64 f.; RI II, 1,217 Nr. 485a; LÜBKE (Anm. 2) 213 Nr. 152. 91 ZIMMERMANN (Anm. 42) 347 Nr. 177: Igitur quia civitas, ubi Magadaburgensis archiepis- copatus sedes sita est, infra parrochiam Alberstatensis episcopii reiacet, sine consensu episco- pi sedes illius et archiepiscopi Mogantinenesis, cut subiectionem exhibet, commutationem parrochie fiert non posse sancta synodus decrevit.

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Hoftag erhalten92. Außerdem scheint Adalbert, der erste Erzbischof von Mag- deburg, der Kandidat Wilhelms gewesen zu sein. Bereits 961 hatte dieser den Mönch aus St. Maximin in Trier zum Missionsbischof für die Rus geweiht93. 967 konnte der Mainzer Erzbischof seinen Kandidaten gegen den von Otto I. favorisierten Abt Richar des Magdeburger Moritzklosters durchsetzen". Bi- schof Bernhard hingegen verweigerte auch weiterhin seine Zustimmung95. Als dieser jedoch am 3. Februar 968 starb, nutzte der Kaiser die Gelegenheit und rang dem neuen Bischof Hildiward das Zugeständnis ab96.

Endgültig verwirklicht wurde die Errichtung des Erzbistums Magdeburg schließlich im Oktober 968. Erzbischof Hatto von Mainz hatte seine förmliche Einwilligung zur Gründung der neuen Kirchenprovinz gegeben und der Unter- ordnung seiner bisherigen Suffraganbischöfe von Brandenburg und Havelberg unter die neue Metropole zugestimmt97. Bischof Hildiward von Halberstadt hatte einen Teil seines Bistums an das neue Erzbistum abgetreten und dafür den Zehnten im gesamten Hassegau erhalten98. Daraufhin erhielt Erzbischof Adalbert am 18. Oktober 968 von Papst Johannes XIII. das Pallium und die Approbation99. Otto I. befahl in einem Mandat an die Bischöfe, Grafen und Getreuen in Sachsen, daß diese an der Weihe der von ihm bestimmten ersten Bischöfe von Merseburg, Zeitz und Meißen teilnehmen sollten10°.

Damit war 20 Jahre nach der Gründung der ersten Bistümer auf slawischem Gebiet die Errichtung einer neuen Kirchenprovinz abgeschlossen. Die Entwick-

91 Vgl. BEUMANN, Laurentius (Anm. 45) 254 f., 257. 91 LÜBKE (Anm. 2) 165 Nr. 120a; BEUMANN (Anm. 33) 14; DERS., Kaisertum (Anm. 68) 566; CLAUDE (Anm. 11) 77f. 94 BEUMANN, (Anm. 33) 14; CLAUDE (Anm. 11) 114f.; ENGELS (Anm. 83) 154. 95 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) 1,11,50; BEUMANN, Laurentius (Anm. 45), 257 Anm. 72; ENGELS (Anm. 83) 149. 96 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) 11,20,62f.; vgl. RI II, 5,178 Nr. 449; ALTHOFF

(Anm. 83) 268; BEUMANN, Entschädigungen (Anm. 80) 385 f.; DERS., Laurentius (Anm. 45) 266. 97 Mainzer UB I: Die Urkunden bis zum Tode Erzbischof Adalberts I. (1137), hg. v. M. STIMMING (Darmstadt 1932) 130 Nr. 210; UB Erzstift Magdeburg (Anm. 33)1,81 Nr. 59, 83 Nr. 61; RI II, 1,214 Nr. 475; LÜBKE (Anm. 2) 207 Nr. 148; BEUDIANN, Entschädigungen (Anm. 80) 388; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3)177; BÜTTNER, Erzbischöfe (Anm. 41) 298; CLAU- DE (Anm. 11) 85 f.; ENGELS (Anm. 83) 142; HEHL (Anm. 69) 96; DERS., Bischof (Anm. 71) 299. 98 UB Erzstift Magdeburg (Anm. 33)1,83 Nr. 61; UB des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe 1, hg. v. G. SCHMIDT (Leipzig 1883) 20 Nr. 39; RI 11,1,213 Nr. 474; LÜBKE (Anm. 2) 207 Nr. 148; BEUMANN (Anm. 33) 15; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3) 177; DERS., Erzbischöfe (Anm. 41) 298; CLAUDE (Anm. 11) 85; ENGELS (Anm. 83) 139,153; HEHL (Anm. 69) 96; DERS., (Anm. 33) 232; DERS., Bischof (Anm. 71) 299. 99 ZIMMERMANN (Anm. 42) 374 Nr. 190,378 Nr. 192; JAFFE Regg 3728 u. 3731; RI II, 1,217 Nr. 485a; RI II, 5,178 Nr. 449 u. Nr. 450; LÜBKE (Anm. 2) 208 Nr. 149; 209 Nr. 150. Vgl. BEUMANN (Anm. 33) 14; BürrNER, Kirche (Anm. 3)177f.; DERS., Erzbischöfe (Anm. 41) 298; CLAUDE (Anm. 11) 85-93; ENGELS (Anm. 83) 141; HEHL (Anm. 69) 96; QUITIER (Anm. 33) 144-173. 100 MGH. D 0 1366; RI 11,1,216 Nr. 484; LÜBKE (Anm. 2) 210 Nr. 151; ALTHOFF (Anm. 83) 269; BEUMANN (Anm. 33) 14£; DERS., Laurentius (Anm. 45) 252; DERS., Kaisertum (Anm. 68) 567; HEHL (Anm. 33) 232.

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Bistumsgründungen im Miderstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzögen

lung zeigt, daß nur auf dem Wege des Kompromisses und mit Hilfe der höchsten kirchlichen Autorität des Papstes diese tiefgreifende Neuordnung bewerkstelligt werden konnte. Stets ging es darum, konkurrierende Interessen zu respektieren. Somit ist auch 968 danach zu fragen, welche Zugeständnisse von Seiten des Kai- sers die betroffenen kirchlichen Würdenträger zum Einlenken bewegten.

In seinem Inthronisationsmandat hatte Otto I. 968 bestimmt, daß der neue Magdeburger Metropolitan für die gesamten bereits bekehrten und noch zu be- kehrenden Slawenstämme jenseits von Elbe und Saale zuständig sein sollte101. Bereits wenige Jahre später zeigte sich jedoch, daß dem nicht so war.

Noch vor dem Tod Ottos I. erreichte Erzbischof Adaldag von Hamburg-Bre- men nämlich die Gründung eines Abodritenbistums in Oldenburg als Suffragan seiner Metropole1-. Zunächst hatte Bischof Marco von Schleswig auch die süd- liche Ostseeküste mit versorgt"'; kurz nach 968 (wohl 972) wurde nun dieses Gebiet dem Bistum in Oldenburg unterstellt. Der seit 948 andauernde Schwebe- zustand hinsichtlich der kirchenorganisatorischen Integration der Ostsee- küstenregion war damit beendet.

Als Zugeständnis an den Mainzer Erzbischof ist die Unterstellung des 976 gegründeten Bistums Prag zu werten1 ". Zuvor war Böhmen im kirchlichen Ein- flußbereich des Bistums Regensburg gelegen, doch schon Herzog Boleslav I. von Böhmen (929-967) hatte sich um die Errichtung eines eigenen Bistums in Böhmen bemüht; der 972 investierte Bischof Wolfgang von Regensburg gab schließlich seine Zustimmung zur Abtrennung Böhmens von seinem Bistum"". Daß Prag nicht in die Salzburger oder Magdeburger Kirchenprovinz eingeglie- dert, sondern der Mainzer zugeordnet wurde, dürfte als Entschädigung für den Verlust der beiden wendischen Bistümer Brandenburg und Havelberg zu werten sein.

Damit war im Todesjahr Ottos I. die kirchenorganisatorische Durchdringung des seit Heinrich I. schrittweise eroberten westslawischen Gebietes im wesent- lichen abgeschlossen. Drei Erzbistümer hatten hier die Zahl ihrer Suffragane erheblich vermehrt oder waren neu gegründet worden. Der Norden zählte hin- fort zur Einflußsphäre des Erzbistums Hamburg-Bremen: Hier waren das Bis-

1 01 MGH. D 0I 366: [... ] avirum venerabilem Adalbertum episcopum Rugis olim predica-

torem destinatum et missum archiepiscopum et metropolitanum totius ultra Albiam et Salam Sclavorum geniis modo ad deum conversg vet convertendg fieri decrevimus" [... ]. '`Z ADAM VON BRHLSEN (Anm. 19) II, 16,1I 26,71 f.; HELMOLD VON BOSAU (Anm. 22) c. 11, 23; vgl. RI 11,1,243 Nr. 553c; LÜBKE (Anm. 2) 216 Nr. 154; 238 Nr. 169; 240 Nr. 169a; 241 Nr. 170; BEUMANN (Anm. 42) 54 f., 68; DERS. (Anm. 33) 16; PETERSOHN (Anm. 42) 18-22. 113 HELLSOLD VON BosAU (Anm. 22) c. 12,23 f.; vgl. LÜBKE (Anm. 2) 214 Nr. 153; BEUMANN

(Anm. 42) 56f. 'u MGH. D H IV 390; RI 11,5,205 Nr. 512; LÜBKE (Anm. 2) 259 Nr. 186; BEUMANN, Bedeu- tung (Anm. 45) 27; DERS. (Anm. 80) 390ff.; DERS. (Anm. 33) 15f.; H. BüTrNER, Willigis von Mainz und das Papsttum bei der Bistumsetrichtung in Böhmen und Mähren im 10. Jahrhun- dert, in: RhV 30 (1965) 1-22; CLAUDE (Anm. 11) 78; P. HILSCH, Der Bischof von Prag und das Reich in sächsischer Zeit, in: DA 28 (1972) 12. U5 Othloni Vita sancti Wolfkangi episcopi, hg. v. G. WArrz (= MGH. SS 4) (Hannover 1841) 531 f.

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tum Oldenburg und die drei dänischen Bistümer Schleswig, Ribe und Aarhus gegründet worden. Der mittlere Bereich des westslawischen Gebietes bildete die Interessenzone des neu errichteten Erzbistums Magdeburg, dem die Bis- tümer Havelberg, Brandenburg, Merseburg, Zeitz und Meißen unterstellt wa- ren. Im Süden schließlich schloß sich das Prager Bistum an, das der Kirchen- provinz Mainz zugeschlagen worden war.

Von einer Zuständigkeit Magdeburgs für den gesamten slawischen Bereich östlich von Elbe und Saale konnte also keine Rede sein. Dies zeigte sich auch im Osten der Kirchenprovinz Magdeburg. Zwar scheint das Bistum Posen an- fänglich dem Erzbistum Magdeburg untergeordnet gewesen zu sein 106. Mit der Auftragung seines Reiches an die römische Kirche hatte Mieszko I. von Polen aber bereits kurz vor seinem Tod den ersten Schritt zu einer vom Reich unab- hängigen Kirchenorganisation in Polen gemacht107, die im Jahre 1000 mit der Errichtung des Erzbistums Gnesen, dem die Bistümer Breslau, Krakau und Kol- berg unterstellt wurden, ihren Abschluß fand108. Auch im Osten war somit das Gebiet der Kirchenprovinz Magdeburg fest umrissen.

Überblickt man die Bistumsgründungen Ottos I., lassen sich folgende Struk- turelemente festhalten:

1. Initiator der Bistumsgründungen war der Kaiser. 2. Anlaß zu den Bistumsgründungen bot die militärische Expansion des Rei-

ches; der Eroberung des Slawenlandes folgte mit einiger Verzögerung die kir- chenpolitische Integration des neuen Machtbereichs. Damit diente der Aufbau einer neuen Kirchenorganisation in gleicher Weise wie der Aufbau weltlicher Herrschaftsstrukturen der Intensivierung der Herrschaft.

3. Gründungen neuer Bistümer erforderten die Zustimmung der direkt oder indirekt betroffenen Mitglieder des Reichsepiskopats. Aufgrund dessen hatten Bistumsgründungen stets Kompromißcharakter. Dies hatte zur Folge, daß es regelrechte Schübe von Bistumsgründungen gab. Im Jahre 948, bei der Grün- dung der Bistümer Brandenburg und Havelberg, wurde der Erzbischof von Hamburg-Bremen für seinen Verzicht auf das westslawische Missionsgebiet mit der Gründung der Bistümer Schleswig, Ribe und Aarhus entschädigt. Im Zusammenhang mit der Errichtung der Kirchenprovinz Magdeburg im Jahre

106 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) II, 22,62ff.; BEUMANN, Laurentius (Anm. 45) 252; DERS. (Anm. 33) 16; DERS., (Anm. 42) 63; BÜTTNER, Kirche (Anm. 3) 180; CLAUDE (Anm. 11) 106-112; G. SAPPOK, Die Anfänge des Bistums Posen und die Reihe seiner Bischöfe von 968- 1498 (= Deutschland u. der Osten. Quellen und Forsch. z. Gesch. ihrer Beziehungen 6) (Leipzig 1937). 107 LÜBKE III (Anm. 2) 65 Nr. 255a; BEUMANN (Anm. 33) 17f.; CLAUDE (Anm. 11) 165f.; J. FRIED, Otto III. und Boleslaw Chrobry. Das Widmungsbild des Aachener Evangeliars, der

�Akt von Gnesen" und das frühe polnische und ungarische Königtum (= Frankfurter Hist. Abhh. 30) (1989) 84,144; W. SCHLESINGERI H. BEUMANN, Urkundenstudien zur deut- schen Ostpolitik unter Otto III., in: SCHLESINGER, Beiträge (Anm. 7) 371 ff. 108 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) IV, 45-46,182 f.; RI II, 3,745 ff. Nr. 1349d-c; RI II, 5,359 Nr. 602; 362 Nr. 913; LÜBKE III (Anm. 2) 176 Nr. 337f.; BEUMANN (Anm. 33) 18f.; DERS., Bedeutung (Anm. 45) 28; CLAUDE (Anm. 11) 190-196; HEHL, Bischof (Anm. 71) 314 ff.; PETERSORN (Anm. 42) 42-45.

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Bistumsgründungen im Widerstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzögen

968 wurden als Entschädigung für den Einflußverlust das Bistum Prag dem Mainzer Erzbischof und das Bistum Oldenburg dem Erzbischof von Hamburg- Bremen unterstellt. Dieser Zwang zum Kompromiß hatte zur Folge, daß unter Otto I. innerhalb von 25 Jahren nicht weniger als elf neue Bistümer auf Reichs- gebiet gegründet wurden.

Daß Bistumsgründungen keine Gewähr für deren dauernde Existenz boten, zeigte sich schon wenige Jahre nach dem Tod Ottos I. Gefahr drohte den neuen Bistümern dabei auf unterschiedliche Art und Weise. Einerseits bestand die Mög- lichkeit, daß das in der zwanzigjährigen Entstehungszeit der Kirchenprovinz Magdeburg mühsam austarierte Gleichgewicht der konkurrierenden Interessen aus dem Lot geriet. Andererseits konnte aber auch die hinter der kirchenorgani- satorischen Gliederung des slawischen Gebietes zurückbleibende Missionsarbeit zu Rückschlägen führen.

Bereits 981 wurde das Bistum Merseburg wieder aufgehoben. 968 hatte Bi- schof Hildiward von Halberstadt zwar seine Zustimmung zur Errichtung des Erzbistums Magdeburg gegeben und Teile seines Bistums an die neue Erzdiözese abgetreten109; ein formales Placet zur Gebietsabtretung hatte er aber nicht gege- ben. Diese fehlende Einwilligung wurde 981 zum Hebel für die Auflösung des Bistums10: Die römische Synode unter Papst Benedikt VII. begründete diese Aufhebung nämlich damit, Merseburg sei zu Lasten der Diözese Halberstadt errichtet worden, ohne daß der betroffene Halberstädter Bischof seine Zustim- mung gegeben habe, der dabei einen beträchtlichen Teil seiner Diözese an das neue Bistums verloren habe. Ein weiteres kanonisches Argument bildete die Schwäche des neuen Bistums: Merseburg beeinträchtige die Lebensfähigkeit gleich dreier Bistümer, nämlich der von Halberstadt, Zeitz und Meißen. Daher solle das Merseburger Gebiet westlich der Saale an Halberstadt zurückfallen und das Gebiet östlich der Saale unter den Bistümern Zeitz und Meißen aufgeteilt werden"'. Als Vorbild für diese Verfahrensweise diente die im Mai 969 von Ot- to I. und Papst Johannes XIII. durchgesetzte Vereinigung der norditalienischen Bistümer Alba und Asti; auch hier diente das Argument der Lebensunfähigkeit des Bistums Alba als Begründung für dessen Vereinigung mit dem Bistum Asti12.

Die Möglichkeit für die Aufhebung des Bistums Merseburg bot sich, weil Erzbischof Adalbert von Magdeburg am 18. Juni 981 gestorben war. Bischof Giselher von Merseburg wurde daraufhin nach Magdeburg transferiert und zum Erzbischof promoviert13. Die formelle Zustimmung des Reichsepiskopats

109 Vgl. oben bei Anm. 98. 110 ALTHOFF (Anm. 83) 278ff.; ENGELS 143,145; HEHL (Anm. 69) 98f.; DERS., Bischof

(Anm. 71) 300,304f. 111 ZIMMERMANN (Anm. 42) 526 Nr. 269; 529 Nr. 270; RI II, 5,241 Nr. 599; 242 Nr. 600; LÜBBE (Anm. 2) 297 Nr. 211; THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) I11,14-16,114f.; BEU- MANN, Entschädigungen (Anm. 80) 388f.; CLAUDE (Anm. 11) 85; HEHL (Anm. 69) 102f.; DERS., Bischof (Anm. 71) 306-308. 111 C. MANARESI, I placiti del

�Regnum Italiae" 2,1 (= Fonti 97,1) (Roma 1960) 240 Nr. 206;

RI 11,1,221 Nr. 495; HEHL (Anm. 69) 106f.; DERS., Bischof (Anm. 71) 301-304. 113 THIETMARVON MERSEBURG (Anm. 5) 1,18,120f.

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zu diesem Schritt erfolgte anläßlich der Halberstädter Domweihe im Jahre 992, bei der symbolträchtig inszeniert von zwölf Bischöfen zwölf Steine des Haupt- altars gesalbt und mehrere Altäre zu Ehren der mit der Lechfeldschlacht verbun- denen Heiligen von verschiedenen Mitgliedern des Reichsepiskopats geweiht wurden; auch der Heilige Laurentius, der Patron der ehemaligen Merseburger Kirche, erhielt im Westen der Kirche einen Altar, dessen Weihe der Wormser Bischof Hildibald vornahm"'.

Anders als bei der Vereinigung von Alba mit Asti sollte die Auflösung Merse- burgs jedoch Episode bleiben. Seit 997 wurde von Papst Gregor V. und Otto III. die Restituierung des Merseburger Bistums betrieben15: Gegen die Kanones habe Giselher seinen Sitz Merseburg verlassen und sei widerrechtlich in ein an- deres Bistum eingedrungen; das Bistum Merseburg sei niemals rechtsgültig auf- gehoben worden, Giselher habe sich somit den Besitz zweier Bistümer ange- maßt"'. Was 981 als Begründung für die Auflösung des Bistums Merseburg herangezogen worden war, wurde nun rechtlich in Frage gestellt: Das Bistum Merseburg galt als lebensfähig, dessen Aufhebung demzufolge als widerrecht- lich. Dennoch erfolgte die Wiederherstellung des Bistums erst nach Giselhers Tod im Jahre 1004"'. Mit Tagino investierte Heinrich II. einen seiner engsten Vertrauten mit dem Erzbistum Magdeburg18. Als erste Amtshandlung weihte dieser Bischof Wigbert von Merseburg, den der König symbolträchtig mit Tagi-

nos Bischofsstab investierte19. Das Bistum Merseburg existierte damit nach 23 Jahren wieder.

Langfristigere Folgen hatte der Slawenaufstand von 983, der zeigt, wie wenig das westslawische Gebiet bisher christianisiert worden war1 '. Ihm fielen die

111 Gesta episcoporum Halberstadensium, hg. vU WEILAND (= MGH. SS 23) (Hannover 1874) 86ff.; LÜBKE III (Anm. 2) 99 Nr. 276; ALTHOFF (Anm. 83) 270ff.; HEHL (Anm. 69) 98 f.; DERS., Bischof (Anm. 71) 308. 115 ZIMMERMANN (Anm. 42) 664 Nr. 341; RI II, 3,647 Nr. 1217i; LÜBKE III (Anm. 2) 150 Nr. 314a; THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) IV, 46,184f.; RI II, 3,749f. Nr. 1351a, e; LÜBKE III (Anm. 2) 179 Nr. 340, ALTHOFF (Anm. 83) 285 ff.; HEHL (Anm. 69) 115 f.; DERS., Bischof (Anm. 71) 308ff.; DERS., Herrscher, Kirche und Kirchenrecht im spätottonischen Reich, in: B. SCHNEIDMÜLLER / ST. WEINFURTER (Hg. ), Otto II. - Heinrich 11. eine \rVende? (= Mittelalter-Forsch. 1) (Sigmaringen 1997) 170 ff. 116 MGH. Const 1,51 Nr. 24. 111 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) V, 39-44,265 ff.; LÜBKE III (Anm. 22) 220 Nr. 374- 376; 226 Nr. 379f.; 229 Nr. 382; ALTHOFF (Anm. 83) 287f.; HEHL, Bischof (Anm. 71) 329ff.; H. HOFFMANN, Mönchskönig und rex idiota. Studien zur Kirchenpolitik Heinrichs II. und Konrads II. (= MGH Stud. u. Texte 8) (Hannover 1993) 102-108. 11s THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) V, 40-44,266ff.; vgl. LÜBKE 111 (Anm. 2) 221 Nr. 375; HEHL (Anm. 69) 115 ff. 119 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) VI, 1,274 f.; vgl. LÜBKE III (Anm. 2); HEHL (Anm. 69) 117. 120 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) III, 17f., 118 ff.; LÜBKE III (Anm. 2) 15 ff. Nr. 220- 224; BRÜSKE (Anm. 8) 39-74; L. WEINRICH, Der Slawenaufstand von 983 in der Darstellung des Bischofs Thietmar von Merseburg, in: D. BERG / H. -WV. GoETZ (Hg. ), Historiographia Mediaevalis. Studien zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des Mittelalters. FS Franz-Josef Schmale (Darmstadt 1988) 77-87.

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Bistumsgründungen im Widerstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzögen

beiden havelländischen Bistümer Brandenburg und Havelberg, die ältesten Di- özesen auf westslawischen Boden, zum Opfer; Bischof Folkmar von Branden- burg und sein namentlich nicht bekannter Havelberger Amtsbruder mußten fliehen121. Trotz dieses Rückschlags gingen die beiden Bistümer jedoch nominell nicht ein. Im gesamten 11. Jahrhundert lassen sich nämlich Bischöfe von Bran- denburg und Havelberg als Weihbischöfe in anderen Diözesen nachweisen122. Ihre Kathedrale konnten sie jedoch erst nach gut 150 Jahren wieder in Besitz nehmen.

Ähnlich sah es auch in der Kirchenprovinz Hamburg-Bremen aus. Das Bis- tum Aarhus war schon gleich nach dem Tod Adaldags 988 wieder eingegan- gen123. Bischof Eziko von Schleswig wurde aus seinem Bistum vertrieben und hielt sich bis zu seinem Tod im Jahre 1026 im Hildesheimer Exil auf124. Bereits 983 war auch Bischof Azzo von Oldenburg im Zuge des Slawenaufstandes ver- trieben worden125, er amtierte fortan als Mainzer Weihbischof'26. Sein Nachfol- ger Folcward wurde 990 bei dem Versuch, sein Bistum in Besitz zu nehmen, ebenfalls verjagt127; ähnlich erging es Reginbert'28. Bischof Benno von Olden- burg konnte zwar kurzfristig in seinem Bistum residieren, seit einem erneuten Slawenaufstand im Jahre 1018 war den Oldenburger Bischöfen ihr Bistum aber vorerst für längere Zeit verschlossen 129. Erst als der christliche Nakonide Gott- schalk 1043 die Herrschaft im Abodritengebiet erlangte, wurde die Kirchen- organisation im Bistum Oldenburg unter Bischof Abhelinus-Stephan wieder er- neuert'31

121 THIETßL&R VON MERSEBURG (Anm. 5) III, 17,118 f.; LÜBKE III (Anm. 2) 17 Nr. 221. 'u Bischofsweihe Erichs von Havelberg (1008), vgl. LÜBKE III (Anm. 2) 266 Nr. 414; Bi- schofsweihe Ezilos von Brandenburg (1019-1023), ebd. IV, 95 Nr. 542; Bischofsweihe Luizos von Brandenburg, ebd. IV, 116 Nr. 565. Bf. Gottschalk nahm 1049 an der Weihe der Magde- burger Domkrypta teil, vgl. ebd. IV, 250 Nr. 695; vgl. auch MGH. D H 11223; MGH. D H III 267; MGH. D Ko 111122. 'u ADAnt VON BREMEN (Anm. 19) II, 46,106 f.; III, 13,154. 114 Vita Bernwardi ep. Hildesheimensis hg. v. G. H. PERTZ (= MGH. SS 4) (Hannover 1841), 767 f.; LÜBKE III (Anm. 2) 72 Nr. 257a. Iss ADAM VON BREMEN (Anm. 19)1I, 42,101 f. 126 Mainzer UB I (Anm. 97) 226 Nr. 332; LÜBKE III (Anm. 2) 124 Nr. 295; PETERSOHN (Anm. 42) 23. 127 ADAM VON BREMEN (Anm. 19) II, 46,107; HELMOLD VON BOSAU (Anm. 22) c. 17,36; LÜBKE III (Anm. 2) 56 Nr. 250. 121 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) VI, 43,103 f.; ADAM VON BREMEN (Anm. 19) 11,46, 107; HELMOLD VON BOSAU (Anm. 22) c. 17f., 36f.; LÜBKE III (Anm. 2) 86 Nr. 268; PETER- SOHN (Anm. 42) 23 f. 129 THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) VIII, 5 f., 498 f.; ADAM VON BREMEN (Anm. 19) II, 49,110; LÜBKE IV (Anm. 2) 24 f. Nr. 474-475a; 92 Nr. 538,111 Nr. 559; 115 Nr. 564; K. JOR- DAN, Die Bistumsgründungen Heinrichs des Löwen. Untersuchungen zur Geschichte der ostdeutschen Kolonisation (= SMGH 3) (Stuttgart 1939) 69 f.; PETERSOHN (Anm. 42) 24. 131 ADAM VON BREMEN (Anm. 19)1II, 19 f., 162 f.; HELMOLD VON Bosnu (Anm. 22) c. 20,42; LÜBKE IV (Anm. 2) 225 Nr. 668, vgl. 185 Nr. 629; 298 Nr. 744; JoRDAN (Anm. 129) 71; PE- TERSOHN (Anm. 42) 25 f.

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II.

Von ganz anderer Qualität als die ottonischen Bistumsgründungen war der Ver- such Adalberts von Bremeni3', in seiner südlichen Kirchenprovinz zwölf Bis- tümer zu errichten12. Hintergrund hierfür war das Bestreben von König Sven Estridsen, für sein dänisches Reich ein eigenes Erzbistum zu gründen1J3, das dann auch 1104 in Lund entstand131. Für Adalbert von Bremen bedeutete dies, daß er die Bistümer Schleswig und Ribe aus seiner erzbischöflichen Gewalt hätte entlassen müssen. Die im Zuge des Patriarchatplans des Erzbischofs angestrebte Gründung von zehn neuen Bistümern (neben Bremen und Oldenburg) wurde zwar nie in Gänze umgesetzt; aufgeteilt wurde jedoch nach 1062 das Bistum Oldenburg durch Errichtung der Bistümer Ratzeburg und Mecklenburg15. Lan- gen Bestand hatten die Bistümer allerdings nicht, da es nach dem Sturz Adalberts im Jahre 1066 zum Wendenaufstand kam, dem neben dem Heiligen Ansverus, dem Abt des Klosters St. Georg vor Ratzeburg, auch Bischof Johannes Scotus von Mecklenburg zum Opfer fiel; Bischof Aristo von Ratzeburg überlebte zwar, doch starb auch er kurz darauf"'. Die kirchliche Organisation im südlichen Ost- seeraum war damit erneut zusammengebrochen; für fast ein Jahrhundert wurden die drei Bistümer nicht wieder besetzt. Stattdessen erstarkte hier die heidnische Religiosität, wie die Kultstätten des Prove in Wagrien137 und des vierköpfigen Svantevit in Arkona auf Rügen138 zeigen.

Die zweihundertjährige Geschichte von halben Erfolgen und ständigen Rück- schlägen christlicher Missions- und Herrschaftspolitik im südlichen Ostseeraum wurde erst Mitte des 12. Jahrhunderts im Zuge der Ostsiedlung zum Positiven gewendet. Anfänge einer erneuten Intensivierung der Kirchenpolitik im trans- albingischen Slawenland werden mit dem Wendenkreuzzug von 1147 deut- lich139; durch ihre Teilnahme manifestierten Erzbischof Adalbero von Ham-

131 Zu Adalbert: GLAESKE (Anm. 40) 55-97. 172 ADAM VON BREMEN (Anm. 19) III, 33,175f. Zum Patriarchatsplan vgl. H. FUHRMANN, Studien zur Geschichte der mittelalterlichen Patriarchate, in: ZSRG. K 41 (1955) 120-170; DERS., Provincia constat duodecim episcopatibus. Zum Patriarchatsplan Erzbischof Adal- berts von Hamburg-Bremen, in: StG XI (= Collectanea Stephan Kuttner 1) (Roma 1967) 390-404. 133 FUHRMANN, Studien (Anm. 132) 126; DERS., Provincia (Anm. 132) 393; GLAESKE (Anm. 40) 79; SEEGRÜN, Papsttum (Anm. 42) 69-129. 114 Diplomatarium Danicum, 1. Rakke, 2. Bind, udgivet of det danske Sprog-7 og Litteratur- selskab med understottelse of Carlsbergfondet under redaktion of L. U. A. WVYEIBULL / C. A. CHRISTIANSEN (Kobenhavn 1963) 67 Nr. 30; vgl. Jaffe Regg 6335; SEEGRÜN, Papsttum (Anm. 42) 120ff. 135 MGH. D H IV 87; FUHRMANN, Studien (Anm. 132)144 ff., 153ff.; JORDAN, (Anm. 129) 72. 136 ADAM VON BREMEN (Anm. 19) III, 50f., 193ff.; HELMOLD VON BOSAU (Anm. 22) C. 22f.,

44ff.; BRÜSKE (Anm. 8) 81-83; GLAESKE (Anm. 40) 84; JORDAN (Anm. 129) 73; PETERSOHN

(Anm. 42) 26-34. 137 HELMOLD VON BosAu (Anm. 22) c. 52,102; c. 69,134. 138 Ebd. c. 52,103; c. 108,213. 139 H. BEUMANN (Hg. ), Heidenmission und Kreuzzugsgedanke in der deutschen Ostpolitik des Mittelalters (= VuF 7) (Darmstadt 1963); H: O. GAETHKE, Herzog Heinrich der Löwe

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Bistumsgründungen im Widerstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzögen

burg-Bremen und Heinrich der Löwe ihren Herrschaftsanspruch über die Abo- driten140. Zwar zeitigte der Wendenkreuzzug keine unmittelbar greifbaren mi- litärischen oder missionarischen Erfolge, er brachte aber den Stein ins Rollen. Wie die folgenden Jahre zeigen, kam es nämlich zu einem regelrechten Wettlauf um die kirchenpolitische Herrschaft über dieses Gebiet zwischen dem Sachsen- herzog und dem Bremer Erzbischof.

Im Frühjahr 1149 kam es wohl zu Verhandlungen über die zukünftige Orga- nisation der Kirche in Transalbingien zwischen Heinrich dem Löwen und dem Kardinaldiakon Guido von Santa Maria in Porticu, dem späteren Gegenpapst Paschalis III., der seit Herbst 1148 als päpstlicher Legat im Norden tätig war141 Der kurz zuvor gewählte Erzbischof Hartwig von Hamburg-Bremen eilte da- raufhin an die römische Kurie, wohl um hier seinerseits Verhandlungen über die Erneuerung und praktische Realisierung der Ansprüche seiner Kirche zu füh- ren12. Unmittelbar nach seiner Rückkehr und ohne Wissen des Herzogs weihte der Erzbischof nämlich im September 1149 die Bischöfe Vizelin von Oldenburg und Emmehard von Mecklenburgt43.

Wie sehr der Aufbau kirchlicher Organisation im südlichen Ostseeraum als Mittel der Herrschaftsbildung und -intensivierung diente, zeigte die Reaktion Heinrichs des Löwen. Er sperrte den Bischöfen die Zehnteinkünfte und forderte

von ihnen den Empfang der Investitur durch seine Hand"'. Die Entscheidung im Streit zwischen erzbischöflichen und herzoglichen An-

sprüchen brachte schließlich der Goslarer Hoftag von 1154. Friedrich Barbaros- sa erteilte dem Sachsenherzog den Auftrag zur Gründung von Bistümern und Kirchen in Transalbingien, die Erlaubnis, diese Bistümer mit Besitz (Reichsgut)

und die Slawen nordöstlich der unteren Elbe (= Kieler Werkstücke A 24) (Frankfurt am Main 1999) 71-106; K. JORDAN, Heinrich der Löwe. Eine Biographie (München 21980) 36ff.; F. LoTTER, Bemerkungen zur Christianisierung der Abodriten, in: H. BEUMANN (Hg. ), FS Walter Schlesinger 11 (= MDF 74/11) (Kölngien 1974) 395-442; DERS., Die Konzeption des Wendenkreuzzuges. Ideengeschichtliche, kirchenrechtliche und historisch-politische Voraussetzungen der Mission von Elb- und Ostseeslawen um die Mitte des 12. Jahrhunderts (= VuF Sonderbd. 23) (Sigmaringen 1977). 141 HELMOLD VON BOSAU (Anm. 22) c. 65,122 f.; H. BEUMANN, Kreuzzugsgedanke und Ost-

politik im hohen Mittelalter, in: DERS., Heidenmission (Anm. 139) 143 f.; J. PETERSOHN, Friedrich Barbarossa, Heinrich der Löwe und die Kirchenorganisation in Transalbingien. Voraussetzungen, Bedeutung und Wirkung des Goslarer Privilegs von 1154, in: J. FRIED / O. G. OExLE, Heinrich der Löwe. Herrschaft und Repräsentation (= VuF 57) (Sigmaringen 2003) 241. '4' JAFFE BRG 1,303 Nr. 184; J. BACHMANN, Die päpstlichen Legaten in Deutschland und Skandinavien 1125-1159 (Diss. Berlin 1913) 86ff.; JORDAN (Anm. 129) 81f.; PETERSOHN (Anm. 42) 58,61; DERS., Barbarossa (Anm. 140) 241 f.; SEEGRÜN, Erzbistum (Anm. 42) 20. 12 O. H. MAY, Regesten der Erzbischöfe von Bremen (= VHKHO 11) (Hannover 1937) 129 Nr. 490; JORDAN (Anm. 129) 81; PETERSOHN (Anm. 140) 242f.; SEEGRÜN, Erzbistum (Anm. 42) 20. 141 HELMOLD VON BOSAU (Anm. 22) c. 69,130ff.; GAETHKE (Anm. 139) 20f., 156ff.; JORDAN (Anm. 129) 82f.; PETERSOHN (Anm. 42) 58; DERS. (Anm. 140) 243. 114 HELMOLD VON BOSAU (Anm. 22) c. 69,131 ff.; GAETHKE (Anm. 139) 20f.; JORDAN (Anm. 129) 83 f.; PETERSOHN (Anm. 42) 59; DERS. (Anm. 140) 244 f.

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auszustatten, und die Befugnis, in Oldenburg, Mecklenburg und Ratzeburg so- wie in weiteren Bistümern, die Heinrich der Löwe im Heidenland gründen wür- de, die Bischöfe zu investieren15. Damit wurden die Königsrechte der Bistums- organisation und der Bischofsinvestitur an den Sachsenherzog Heinrich den Löwen delegiert; Heinrich der Löwe agierte damit formal in Stellvertretung des Königs. Verständlich werden diese einzigartigen königlichen Zugeständnisse

an einen Herzog nur vor dem Hintergrund des seit 1152 angebahnten Ausgleichs zwischen Staufern und Welfen. Im Gegensatz zu der 1149 durch die erzbischöf- liche Bischofsweihe erfolgten \Viederbelebung der Bistümer Oldenburg und Mecklenburg erscheint in dem Barbarossadiplom erstmals das Bistum Ratze- burg146. Dessen Erneuerung war demnach das Werk Heinrichs des Löwen; er berief 1154 Evermod, den Propst des Magdeburger Prämonstratenserstifts Un- ser Lieben Frau, zum neuen Bischof von Ratzeburg147.

Am Goslarer Hoftag hatte Erzbischof Hartwig von Hamburg-Bremen nicht teilgenommen. Die königliche Entscheidung war demnach nicht auf dem Weg eines Kompromisses gefällt worden. Ein Ausgleich zwischen erzbischöflichen und herzoglichen Interessen wurde vielmehr erst 1158 gefunden", nachdem, wie die Besetzung des Ratzeburger Domkapitels mit Prämonstratensern aus Magdeburg belegt, auch Erzbischof Wichmann von Magdeburg an der Ausdeh- nung seiner Kirchenprovinz gen Norden Interesse gezeigt hatte149. Transalbin- gien aber blieb Bestandteil der Kirchenprovinz Hamburg-Bremen.

Erst nach diesem Ausgleich nahm die kirchliche Neuordnung des Abodriten- landes endgültig Form an, indem 1160 der Bischofssitz Mecklenburg nach Schwerin und der Bischofssitz Oldenburg nach Lübeck verlegt wurde150. Erz- bischof Hartwig erkannte diese Neuordnung ohne Widerstreben an und ver- briefte den drei Bistümern im selben Jahr deren kirchenrechtliche Sonderstel- lung: Nicht Bremen, sondern Hamburg wurde als deren kirchliche Metropole festgelegt, was dazu führte, daß die drei ostelbischen Bistümer später nie zum Erscheinen auf Provinzialsynoden in Bremen verpflichtet waren'51.

Vergleicht man die Bistumsgründungen bzw. -restitutionen in Transalbingien mit den Bistumsgründungen der ottonischen Zeit, lassen sich mehrere struktu- relle Unterschiede erkennen. Ging im 10. Jahrhundert die Errichtung von Bis- tümern vom König als Mittelpunkt der Reichskirche aus, gründete mit Erz-

145 MGH. D F I. 80; JoRDAN (Anm. 129) 6ff., 84f.; PETERSOHN (Anm. 42) 60f.; DERS. (Anm. 140) 245,253 ff. 146 JoRDAN (Anm. 129) 85ff.; PETERSOxN (Anm. 42) 62; DERS., Barbarossa (Anm. 140) 245. 147 Helmold (Anm. 22) 145; JoRDAN (Anm. 129) 85 f.; PETERSOHN (Anm. 140) 245 f. 18 MGH. D F I. 209; vgl. JoRDAN (Anm. 129) 87f., 90f.; PETERSOHN (Anm. 42) 61; DERS. (Anm. 140) 246,264 f. 149 PETERSOHN (Anm. 42) 184 f. 110 Annales Magdeburgenses ad a. 1160, hg. v. G. H. PERTZ, MGH. SS 16,192; Annales Pali- denses ad. a. 1160, hg. -.: G. H. PERrc, MGH. SS 16,92; HELMOLD VON BosAU (Anm. 22) c. 90, 175£; JoRDAN (Anm. 129) 95f.; PETERSOHN (Anm. 42) 62ff.; DERS. (Anm. 140) 247ff. 151 Mecklenburgisches UB 1 (Schwerin/Leipzig 1863) 64 Nr. 70; JoRDAN (Anm. 129) 96; PE- TERSOHN (Anm. 42) 63; DERS. (Anm. 140) 273.

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Bistumsgründungen im Widerstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzögen

bischof Adalbert erstmals ein Erzbischof ohne Beteiligung von König und Papsttum Bistümer. Dieses Beispiel wirkte letztlich im 12. Jahrhundert nach. Bistumsgründungen wurden zum Spielball zwischen weltlichen und geistlichen Herrschaftsansprüchen in einem regional begrenzten Raum; dem König kam nicht mehr der alleinige Primat der Bistumsgründungen zu. Bei den Bistums- gründungen Heinrichs des Löwen zeigt sich vielmehr, daß der herrscherliche Konsens letztlich erst mit Verzögerung erfolgte. Die auf dem Goslarer Hoftag ausgestellte Urkunde für Heinrich den Löwen mit der Betonung der Delegation bringt zwar den weiterhin aufrecht erhaltenen königlichen Anspruch auf das Recht der Bistumsgründungen zum Ausdruck. Zu bedenken ist jedoch, daß die herzoglichen (und erzbischöflichen) Bistumspläne schon 1149 greifbar sind. Das Privileg von 1154 stellt somit letztlich einzig eine nachträgliche Legitimation des zuvor eingeschlagenen Weges dar. Auch das Papsttum wurde nicht mehr in der Weise einbezogen, wie dies noch im 10. Jahrhundert der Fall gewesen war; eine päpstliche Legitimation für die Errichtung der drei wendischen Bistümer hat Heinrich der Löwe niemals angestrebt. Ungeachtet dessen lassen die späteren päpstlichen Privilegien für das Erzbistum Hamburg-Bremen und dessen Suffra- gane aber auch keinerlei päpstliche Kritik an den Bistumsgründungen erken- nen i52. Bistumsgründungen waren somit zu einer regionalpolitischen Angele- genheit geworden.

III.

Zur selben Zeit nahmen auch die Bischöfe von Brandenburg und Havelberg wieder Besitz von ihren Kathedralen. Wie bei der Restituierung der transalbin- gischen Bistümer läßt sich hierbei weder eine königliche noch eine päpstliche Initiative erkennen. Es bestand aber auch ein fundamentaler Unterschied zu den drei Bistümern Oldenburg, Mecklenburg und Ratzeburg. In Brandenburg und Havelberg waren nämlich die Bistümer formal nie untergegangen; die Reihe der Bischöfe war für beide Bistümer seit der Zerstörung der Kathedralsitze im Jahre 983 nie abgerissen153. Damit kam es im 12. Jahrhundert formal nicht zu einer Restituierung der Bistümer, sondern lediglich zur Inbesitznahme der an- gestammten Bischofssitze. Diese vollzog sich parallel zur endgültigen militäri- schen Rückeroberung des Gebietes, die seit Lothar III. forciert wurde154.

Bereits 1139 hatte Erzbischof Konrad von Magdeburg dem gerade gestifteten Prämonstratenserstift Leitzkau die Wahl des neuen Brandenburger Bischofs

'52 Ebd. 261 f. 'S5 Vgl. oben bei Anm. 122. 11, ' \V BERNHARDt, Lothar von Supplinburg (Leipzig 1879) 18 ff.; 385 ff.; 405 ff.; BRÜSKE (Anm. 8) 104-106; JoRDAN (Anm. 129) 74 ff.; H. -D. KAHL, Slawen und Deutsche in der bran- denburgischen Geschichte des 12. Jahrhunderts. Die letzten Jahrzehnte des Landes Stodor (= MDF 30) (Köln/Graz 1964) 41 ff., 74 ff., 432 f.; PETERSOHN (Anm. 42) 50f.

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übertragen155; Bischof \Vigger bildete daraufhin in Leitzkau ein provisorisches Domkapitel156, die Umsiedlung nach Brandenburg sollte aber noch bis 1161/65 auf sich warten lassen157. Schon 1150 konnte der 1129 von dem Magdeburger Erzbischof Norbert von Xanten geweihte Bischof Anselm von Havelberg an den alten Havelberger Bischofssitz übersiedeln und dort ein prämonstratensisch geprägtes Domkapitel installieren158.

Ein Problem ergab sich für beide Bistümer dadurch, daß an deren Ostgrenze

zu Beginn des 12. Jahrhunderts, nicht zuletzt aufgrund des missionarischen \Vir- kens von Otto von Bamberg im Siedlungsgebiet der vom Polenherzog Boles- law III. unterworfenen Pomeranen, neue kirchliche Strukturen entstanden wa- ren159. Bereits 1123/24 war hier das Bistums Lebus unter Mitwirkung des

päpstlichen Legaten Gilon de Toucy gegründet worden160. Zwar gelang es Erz- bischof Norbert von Xanten am 4. Juni 1133, von Papst Innozenz II. ein Privileg

zu erlangen, das die Metropolitanrechte Magdeburgs über die polnischen Bis- tümer zusicherte16t. Schon 1136 wurde Lebus jedoch dem polnischen Erzbistum Gnesen unterstellt'62.

Für den Besitzstand der Bistümer Brandenburg und Havelberg stellte die Gründung des Bistums Lebus zwar keine Reduzierung dar, denn es war einzig aus dem westlichen Gebiet des Bistums Posen gebildet worden163. Die Errich- tung des Bistums Lebus zeigt jedoch die Dynamik, die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zum endgültigen Aufbau der Kirchenorganisation im west- slawischen Gebiet führte.

Durch die polnische Initiative zur Vollendung der eigenen Kirchenorganisa- tion kam es gleichsam zu einem Wettlauf um die Kirchenhoheit im südlichen Ostseeraum. Dies zeigt eindrücklich die Frühgeschichte des pommerschen Bis- tums Kammin. 1140 wurde das Bistum durch Papst Innozenz II. auf den orga- nisatorischen Grundlagen der Missionstätigkeit von Otto von Bamberg gegrün- det164. Auffällig ist an diesem päpstlichen Privileg, daß mit keinem Wort die Zugehörigkeit zu einer Kirchenprovinz angesprochen wird. Hintergrund hier- für waren wohl die konkurrierenden Ansprüche von Gnesen und Magdeburg.

151 D. CLAUDE, Geschichte des Erzbistums Magdeburg bis in das 12. Jahrhundert Bd. 2 (= MDF 67/II) (Köln/\ien 1975) 47f.; KAHL (Anm. 154) 138ff. 156 UB Erzstift Magdeburg I (Anm. 33) 307 Nr. 246; JAFFE Regg 8008. 157 UB Erzstift Magdeburg I (Anm. 33) 378 Nr. 303; MGH. D F 1781. 151 MGH. D Ko III 241. 159 PETERSOHN (Anm. 42) 213-232. 160 CLAUDE (Anm. 155) 405; H. LuDAT, Bistum Lebus. Studien zur Gründungsfrage und zur Entstehung und \Virtschaftsgeschichte seiner schlesisch-polnischen Besitzungen (Weimar 1942, Nachdr. Hildesheim 1993) 239-261, bes. 254-256; PETERSOHN (Anm. 42) 263f. 161 UB Erzstift Magdeburg I (Anm. 33) 288 Nr. 229; Pommersches UB 1 (786-1253), bearb.

v. K. CONRAD (Köln/\ien 1970) 23 Nr. 23; JAFFE Regg 7629; CLAUDE (Anm. 155) 22 f.; Lu- DAT (Anm. 160) 253 f.; H. LUDAT, Die Anfänge des Bistums Lebus, in: Brandenburgisches Jb. 4 (1936) 49ff.; PETERSOHN (Anm. 42) 272ff.; SEEGRÜN, Erzbistum (Anm. 42) 76f. 162 Pommersches UB I (Anm. 161) 26 Nr. 24; JAFFE Regg 7785. 163 LUDAT (Anm. 160) 249 ff.; PETERSOHN (Anm. 42) 263. 161 Pommersches UB 1 (Anm. 161) 32 Nr. 30; JAFFE Regg 8102; PETERSOHN (Anm. 42) 277.

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Bistumsgründungen im \Widerstreit zwischen Königen, Bischöfen und Herzögen

Auch fehlt in der Gründungsurkunde von Kammin eine Abgrenzung gegenüber den westlichen Nachbarbistümern165. Der Grund hierfür dürfte gewesen sein, daß die faktische Ausdehnung der neuen Diözese in den Gebieten westlich der Oder im Widerspruch zu der in ottonischer Zeit festgelegten Sprengeleinteilung Ostelbiens stand: Das Bistum Schwerin als Nachfolger des Bistums Oldenburg konnte Gebietsansprüche bis zur Peene vorweisen, die Bistümer Brandenburg und Havelberg das Gebiet zwischen Peene und Oder für sich reklamieren 166. 1140 wurden somit kirchenorganisatorische Konfliktpunkte bewußt ausgeklam- mert und bis zu einer zukünftigen Lösung vertagt. Hinsichtlich der kirchenorga-

nisatorischen Zugehörigkeit des pommerschen Bistums wurde 1188 mit der Exemtion des Bistums Kammin eine Entscheidung gefällt167; die endgültige Fi- xierung der Bistumsgrenze im Westen hingegen kam erst im 14. Jahrhundert zum Abschluß.

IV.

Einen Sonderfall unter den Bistumsgründungen des 10. bis 12. Jahrhunderts stellt schließlich die Gründung des Bistums Bamberg im Jahre 1007 dar, denn sie weist trotz einiger Parallelen wesentliche Unterschiede im Vergleich zu den früheren ottonischen Bistumsgründungen auf. Wie bei den Gründungen des 10. Jahrhunderts ging die Initiative der Bamberger Stiftung vom König aus. Wie zuvor war der Papst an der Bistumsgründung beteiligt. Und schließlich mußte auch 1007 ein Kompromiß zwischen konkurrierenden Interessen gefun- den werden. Erzbischof \Villigis von Mainz äußerte verständlicherweise keine Vorbehalte gegen die Gründung, immerhin wurde Bamberg seiner Kirchenpro- vinz zugeordnet, Mainz gewann somit ein Suffraganbistum hinzu. Widerspruch kam vielmehr von Bischof Heinrich von Würzburg: Noch auf der Mainzer Pfingstsynode 1007 hatte er den königlichen Bistumsplänen zugestimmt, ob- wohl die Neugründung zum großen Teil auf Kosten von Würzburg ging168. Auf der Frankfurter Synode am 1. November 1007 versuchte er jedoch, sein Veto einzulegen; Erfolg hatte er allerdings nicht169.

Was macht also die Besonderheit der Bamberger Gründung aus? Zunächst einmal ist hervorzuheben, daß das Gebiet der Diözese Bamberg schon zuvor kirchenorganisatorisch erschlossen war; 1007 wurde also die alte Kirchenorga- nisation umstrukturiert. Für die Errichtung des Bistums Bamberg wurden die

165 PETERSOHN (Anm. 42) 277. '66 Ebd. 270. 167 Pommersches UB I (Anm. 161) 145 Nr. 111; JAFFE Regg 16154; PETERSOHN (Anm. 42) 279 ff. '" MGH. D H 11 143; E. FRHR. v. GUTTENBERG, Die Regesten der Bischöfe und des Dom- kapitels von Bamberg (= VGFG 6) (\Vürzburg)1963,13 f. Nr. 25 f. 169 MGH. D H 11143; THIETMAR VON MERSEBURG (Anm. 5) VI, 30-32,310,312; GUTTEN- BERG (Anm. 168) 17 Nr. 33; HEHL, Bischof (Anm. 71) 342 f.; HOFFMANN (Anm. 117) 85 f.

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Stefan Petersen

Bistümer Würzburg und Eichstätt beschnitten; Würzburg mußte fast ein Viertel seines Gebietes abgeben.

Damit stellt sich die Frage nach den Motiven der Bamberger Gründung. Das Frankfurter Synodalprotokoll nennt deren zwei: Einerseits wollte Heinrich II. sich Gott zum Erben einsetzen; andererseits sollte das Heidentum der Slawen im

ostfränkischen Raum vernichtet werden10. Die Slawenmission als Motiv von Bistumsgründungen ist eine stete Konstante vom 10. bis 12. Jahrhundert. Im Fall Bambergs erheben sich jedoch Bedenken, ob dieses Motiv tatsächlich �bistums- stiftend" gewesen ist. Sicherlich lebten in Ostfranken viele Slawen; immerhin

galt das Gebiet zwischen Aisch und Reicher Ebrach als �regio Sclavorum"l". Handelte es sich bei diesen Slawen aber um Heiden, wie das Frankfurter Syn- odalprotokoll einen glauben machen will? Die Antwort liefert ein Bamberger Synodalprotokoll von 1059, die einzige Quelle des 11. Jahrhunderts, die die Mis- sionsfrage im Bistum Bamberg erwähnt12. Danach war im gesamten Bistum Bamberg nur noch eine Pfarrgemeinde heidnisch"'. Diese muß jedoch zuvor bereits christlich geprägt gewesen sein, weil kirchliche Strafmaßnahmen gegen die Rückfälligen beschlossen wurden. Wenn 1059 das heidnische Slawentum im Bistum Bamberg (fast) vollständig bekehrt war, kann die Slawenmission 1007 aber keine ausschlaggebende Rolle bei der Bistumsgründung gespielt haben. Diese Aufgabe hätten ohne Probleme auch die Bistümer Würzburg und Eich- stätt übernehmen können, aus deren Diözesen das Bistum Bamberg 1007 gebil- det worden war174.

Übrig bleibt somit als Motiv für die Bamberger Gründung, daß Heinrich II. Gott sich zum Erben einsetzen wollte, wie das Frankfurter Synodalprotokoll von 1007 es formuliert. Das Beispiel Bamberg zeigt somit, daß Bistumsgründun- gen nicht immer und nicht ausschließlich der Herrschaftsintensivierung dienen mußten. Ziel konnte auch die memoria sein, wie sie für Heinrich II. in Bamberg und für Otto I. in Magdeburg noch heute besteht.

170 MGH. D H II 143. 171 E. F. J. DRONKE, Traditiones et antiquitates Fuldenses (Fulda 1844) 22 c. 4,130; HOFF- MANN (Anm. 117) 92f. Auf die Möglichkeit, daß die Bamberger Bistumsgründung politische Gründe hinsichtlich der Trennung von Sachsen und Bayern gehabt haben könne, verweist H. SEIBERT, Adlige Herrschaft und königliche Gefolgschaft, in: ZBLG 65 (2002) 837-881. 172 JAFFE BRG 5 (Berlin 1869) 497 Nr. 8; Horn tANN (Anm. 117) 94f. 173 Zur Übersetzung der Textstelle: HOFFMANN (Anm. 117) 95. 174 Ebd. 95 f.

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