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Ein Biotopverbund auf dem Wasser? Das soll nun möglich werden.

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  • Ein Blaues Band fr den NaturschutzDie Wasserstraenreform als Chance fr Gewsser und Auen

  • Die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes

    Die geplante knftige Netzstruktur der Bundeswasserstraen

    Die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes zielt auf die Erhaltung und Modernisierung eines leistungsfhigen Wasserstraennetzes. Neben strukturellen Verbesserungen fr die Verwaltung sollen die Wasserstraen nach ihrer Transportfunktion neu kategorisiert werden.

    Wasserstraen mit mehr als 1 Mio. t Transportmenge je Jahr

    nur in dieser Kategorie sollen zuknftig Ausbauinvestitionen vorgenommen werden

    Wasserstraen mit weniger als 1 Mio. t Transportmenge je Jahr

    in dieser Kategorie sollen nur Ersatzinvestitionen und Optimierungs - manahmen durchgefhrt werden

    Sonstige, nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraen

    hier erfolgen grundstzlich keine Ausbaumanahmen

    Binnenwasserstraen des Bundes

    Kategorie A

    Kategorie B

    Kategorie C und Sonstige

    Eider

    Trave

    Warn

    ow

    Elde Mritz

    Stettiner HaPeene

    HOW

    Elbe - Seitenkanal

    Wes

    er

    WeserFulda

    Werra

    Leine

    Hunt

    e

    EmsLippe

    Ruhr

    Lahn

    Regen

    Donau

    Donau

    Mose

    l

    Pegnitz

    Main

    Saar

    Main Main

    Neckar Altmhl

    Neckar

    Rhein

    Rhein

    Wmme

    Aller

    Elbe Havel

    Oder

    Spree

    Elbe

    Saale

    Saale

    W. Elster

    Kategorie A

    Kategorie B

    Kategorie C

    Sonstige Wasserstraen

    Kategorie noch offen

  • Mit ihrer Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt will die Bundesregierung bis zum Jahre 2020 Fliegewsser und ihre Auen in ihrer Funktion als Lebensraum sichern und so eine fr Deutschland naturraumtypische Vielfalt gewhr-leisten. Der rechtliche Handlungsrahmen an Bundeswasserstraen bestimmt sich vor allem aus der Europischen Wasserrahmenrichtlinie, der FFHRichtlinie, der Vogel schutz

    Die meisten Binnenwasserstraen sind im Sinne der WRRL als erheblich verndert eingestuft und weisen keinen guten Zustand bzw. kein gutes Potenzial auf. In Kombination mit weiterem Nutzungsdruck spiegelt sich dies auch im Zustand der Auen wider. Lediglich rund zehn Prozent der Auen an den Strmen und groen Flssen Deutschlands knnen noch als sehr gering oder gering verndert bewertet werden.

    richtlinie bzw. den nationalen gesetzlichen Rege lungen des Wasserhaushaltsgesetzes und des Bundesnaturschutz-gesetzes. Die Nutzung der Flsse durch die Schifffahrt belastet die Gewsser und Auenkosysteme gerade an Bundeswasserstraen. Hier sind unter anderem Be gra di gungen, Durchstiche, Fahrrinnenverbreiterungen und vertiefungen sowie Staustufen zu nennen.

    Bundespolitische Verantwortung fr den Natur- und Gewsserschutz an Bundeswasserstraen

    Hydromorphologie von Fliegewssern

    Die Hydromorphologie umfasst Gestalt und Erscheinungsform von Gewssern. Neben der Wasserfhrung ist dabei das struktu relle Spektrum magebend. Die Struktur eines Gewssers umfasst die Beschaffenheit von Ufer, Sohle und nherem Gewsser umfeld. Natrliche Randbedingungen sind Geflle, Talformen, Gestein, Bden, Abflussverhltnisse oder Vegetation. Diese Faktoren werden durch menschliche Ttigkeit je nach Umfang und Intensitt berlagert, was zu mehr oder weniger naturnahen Gewsserstrukturen fhrt.

    Die hydromorphologische Qualitt ist von zentraler Bedeutung fr den kologischen Zustand der Gewsser. Er wird nach der Europischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) erfasst und innerhalb einer 5-stufigen Skala von sehr gut bis schlecht bewertet. Ideal ist ein landschaftstypisches, von menschlicher Ttigkeit unbeeintrchtigtes oder hchstens geringfgig beeinflusstes Gewsser.

    Nach Anhang V WRRL bzw. nach der deutschen Oberflchengewsserverordnung (OGewV) mssen folgende hydromorphologische Qualittskomponenten aller WRRL-berichtspflichtigen Fliegewsser bewertet werden:

    der Wasserhaushalt (Abfluss und Abflussdynamik, Verbindung zu Grundwasserkrpern)

    die Durchgngigkeit (Sind Lebensraumwechsel fr aquatische Organismen mglich? Knnen Fische im Gewssersystem wandern?)

    die Morphologie (Tiefen- und Breitenvariation, Struktur und Substrat des Bodens, Struktur der Uferzone)

    kologischer Zustand/kologisches Potenzial der Binnenwasserstraen des Bundes in

    Deutschland. Datenquelle: Berichtsportal WasserBLIcK/BfG, Stand 22.03.2010, verndert

    nach Richter & Vlker (2010)

    miggut unbefriedigend schlecht unklar

    35 %1 % 35 % 19 % 10 %

  • Der Rckgang auentypischer Lebensrume und Arten hat in Deutschland dramatische Ausmae angenommen. Wichtigste Ursache ist der Verlust an berschwemmungs-flchen durch intensive Landnutzungen und Eingriffe in die Hydromorphologie der Fliegewsser. An vielen Ab schnitten der groen Strme in Deutschland stehen heute nur noch ca. zehn bis 20Prozent der ursprnglichen ber schwemmungsflchen bei Hochwasser zur Verfgung.Gerade deshalb besitzen die verbliebenen rezenten Auen mit einer Vielzahl an geschtzten Arten und Lebensrumen

    fr die Biodiversitt in Deutschland einen hohen Wert. Vor allem naturnahe Flsse und Flussauen (auch an Bundes-wasserstraen) gehren zu den artenreichsten kosystemen Mitteleuropas. Grundlage der Vielfalt sind die schwankenden Wasserstnde und die kleinrumig wechselnden Stand-orteigenschaften, so dass dicht nebeneinander unter-schiedliche Lebensgemeinschaften existieren knnen. HartholzAuenwlder weisen beispielsweise eine doppelt so hohe Brutvogeldichte wie Wirtschaftswlder auf.

    Auen: bedroht und kologisch wertvoll

    Einige Fakten:

    Ein Groteil der verbliebenen naturnahen Auen unterliegt nationalen und internationalen Schutzkategorien. Mehr als 50 Prozent der rezenten Flussauen in Deutschland sind als FFH- oder Vogelschutzgebiete Bestandteile des europischen Natura-2000-Netzwerkes

    Der Flchenanteil von auentypischen FFH-Lebensraumtypen an den 79 grten Flssen Deutschlands liegt bei ca. neun Prozent der ursprnglichen Auen. Den grten Flchenanteil nehmen die Lebensraumtypen magere Flachland- Mhwiesen, Erlen-Eschen-Auenwlder und Weiden-Auenwlder, natrlich eutrophe Seen mit Verlandungsvegetation und Hartholz-Auenwlder ein.

    Ein Groteil der Flchen naturnaher Auen wurde in der Konzeption zu einem lnderbergreifenden Biotopverbund fr Deutschland oder in Landeskonzeptionen bercksichtigt.

    Naturnahe Auen und Gewsserlandschaften gehren zu den am strksten bedrohten Lebensrumen in Deutschland. Dies wird belegt durch die hohe Anzahl an Arten und Lebensrumen der Roten Listen oder auch durch die Bewertung des Erhaltungszustandes auenspezifischer Lebensraumtypen und besonders zu schtzender Arten nach der FFH-Richtlinie.

    Nur intakte Flusslandschaften sind kologisch funktionsfhig und bringen erhebliche konomische Vorteile fr die Gesellschaft mit sich. Die Auen an den 79 grten Flssen Deutschlands besitzen ein Gesamtpotenzial fr den Rckhalt von Stickstoff von bis zu ca. 42.000 Tonnen und fr den Phosphorrckhalt von bis zu 1.200 Tonnen pro Jahr. Dies entspricht einem Wert an Reini gungsleistung von ca. 500 Mio. Euro pro Jahr.

    Auen und Altarme fungieren als natrliche berschwemmungsrume und reduzieren die Geschwindigkeit und Hhe von Hochwasserwellen. Den Kosten fr natrliche Hochwasserschutz - manahmen wie Deichrckverlegungen und Auenrenaturierungen steht ein dreifach hherer Nutzen in Form von vermiedenen Hochwasserschden, Reinigungs leistungen der Aue oder Erholungswerten gegenber.

  • Flsse als Wasserstraenkologische Folgen und mgliche Manahmen

    Die Nutzung von natrlichen Fliegewssern als Wasser-straen fhrt zu einem Grundkonflikt. Natrliche Fliegewsser zhlen zu den dynamischsten kosystemen berhaupt. Dagegen bentigt die gewerbliche und Gter

    transportierende Schifffahrt mglichst gleich blei bende Wasserstnde ohne Untiefen, Fahrwasser- und Ufer stabilitt, kurze Strecken und Verbindungen von Gewsser systemen.

    Die Bundeswasserstraen unterliegen starken Gewsserausbau- und -unterhaltungsmanahmen. Dazu zhlen:

    nderungen der Linienfhrung (Begradigungen, Durchstiche) und Vernderungen des Querprofils (Form, Tiefe, Breite)

    Etablierung von Regelungsbauwerken (Buhnen, Grund- und Sohlschwellen)

    Sohlsicherungsmanahmen (z. B. Sohlpflasterungen)

    Manahmen zur Fahrwasserverbesserung (Sohleintiefungen, Fahrrinnenverbreiterungen, Sohlbaggerungen, Kolkverbau)

    Ufersicherungsmanahmen (Deckwerke, Uferwnde, Wellenbrecher)

    Anlage von Staustufen und Bauwerken zu deren berwindung (Schleusen, Schleusenkanle)

    Einrichtung von Hfen und sonstigen Anlagen fr den ruhenden Verkehr

    kologische Folgen von Gewsserausbau und -unterhaltung sind:

    Vernderungen der natrlichen Laufentwicklung

    Nachhaltige Strung der natrlichen Ufer- und Sohlendynamik mit Vernderungen der Tiefen- und Breitenverhltnisse

    Erhhung des Sohlgeflles und der Sohlerosion, ggf. Erzeugung lokaler Erosionsbasen

    Verschlechterung der Wasserbeschaffenheit

    Vernderung der Grundwasserdynamik in den Auen

    Verlust von Hochwasser-Retentionsraum und Vernderung des berschwemmungsregimes

    Unterbrechung oder Behinderung der kologischen Durchgngigkeit und damit der Wanderungsmglichkeiten fr Arten

    Lebensraumverluste an der Sohle, im Ufer und in der Aue infolge der Habitatvernderungen

    An Flssen mit hohem Gterverkehrsaufkommen bieten sich abgestufte Manahmen als Kompromiss zwischen Verkehrs- und Naturschutzinteressen an:

    Stauhaltungen knnen durch Fischauf- und -abstiege in ihrer Barrierewirkung entschrft werden.

    Altarme, ehemalige Flutmulden und Auenflchen knnen angebunden werden, ohne dass sich dies negativ auf die Schifffahrt auswirkt. Im Einzelfall werden dadurch sogar hochwasserbedingte Unterhaltungskosten reduziert.

    Lokale Uferabbrche, Inselbildungen im Buhnenfeld oder der Verfall von nicht notwendigen Leit- und Befestigungs-bauwerken sollten toleriert werden. Ist dies nicht mglich, bietet sich alternativ der Einsatz ingenieur biologischer bzw. biologisch-technischer Manahmen mit einer hheren Naturvertrglichkeit an.

  • Potenziale fr den Gewsser- und NaturschutzNABU-Forderungen fr die WSV-ReformDie WSV-Reform bietet die Chance, das Verhltnis der verkehrlichen und sonstigen Nutzung der Bundeswasser-straen zum Gewsser- und Naturschutz grundlegend zu verbessern. Zuerst mssen die im nationalen Recht veran-kerten EU-rechtlichen Anforderungen konsequent umge-setzt werden. Aber auch aus Sicht des Klimaschutzes und

    des Erhalts der biologischen Vielfalt sind neue Impulse ntig. Insofern kann die WSVReform einen wichtigen Beitrag zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klima-wandel sowie zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt leisten.

    Impressum: 2013, Naturschutzbund Deutschland (NABU) e. V. Charitstrae 3, 10117 Berlin, www.NABU.deKontakt: Till Hopf, [email protected]

    Text: Dr. Dr. Dietmar Mehl (Institut biota GmbH), Mathias Scholz, Hans Kasperidus (Helmholtz-Zentrum fr Umweltforschung GmbH - UFZ)

    Redaktion: Till Hopf, Bernd PieperGestaltung: ssses + saures, BerlinDruck: Druckhaus Schneweide, Berlin, gedruckt auf 100 % Recyclingpapier 1. Auflage 06/2013

    Art.-Nr. 5246

    Fotos: Titel: NABU/K. Karkow; S. 2: NABU/H. May, NABU/K. Karkow; S. 3: NABU/H. May; S. 4 oben: NABU/K. Karkow, W. Rolfes, unten: NABU/T. Dove; S. 5 oben: F. Hecker, unten: M. Schf; S. 6: F. Hecker

    Literaturempfehlungen:Brunotte, E., Dister, E., Gnther-Diringer, D., Koenzen, U. & Mehl, D. (2009): Flussauen in Deutschland. Erfassung und Bewertung des Auenzustandes. Schriftenr. Natur schutz und biologische Vielfalt 87, 141 S. Richter, S. & Vlker, J. (2010): Die Wasserrahmenrichtlinie. Auf dem Weg zu guten Gewssern Ergebnisse der Bewirtschaftungs-planung 2009 in Deutschland. Bundesministerium fr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) [Hrsg.], 75 S. Scholz, M., Mehl, D., Schulz-Zunkel, C., Kasperidus, H. D., Born, W. & Henle, K. (2012): kosystemfunktionen in Flussauen. Analyse und Bewertung von Hochwasserretention, Nhr-stoffrckhalt, Treibhausgas-Senken-/Quellenfunktion und Habitatfunktion. Schrift enr. Naturschutz und biologische Vielfalt 124, 257 S.

    Dynamik statt Statik: Zukunftsfhige Infrastrukturpolitik fr eine flussvertrgliche Schifffahrt

    Die Infrastruktur anderer umweltvertrglicher Verkehrssysteme (vor allem Schiene) wird vordringlich ausgebaut.

    Nicht die Flsse (und ihre Auen) werden an die technischen Anforderungen der Schifffahrt angepasst, sondern die Schifffahrt an die natrlichen Rahmenbedingungen der Flsse.

    Umsetzung der nationalen und europischen Verbesserungsgebote und -verpflichtungen

    Wiederherstellung eigendynamischer und selbstregulativer Prozesse in den Gewssern und Auen.

    Renaturierung der Bundeswasserstraen und ihrer Auen mit dem Ziel eines naturnahen Zustandes, soweit dies auf Grund einer Reduktion der Nutzungsansprche mglich ist.

    Beschrnkung der Gewsserunterhaltung auf das unbedingt notwendige Ma und verstrkte Bercksichtigung der gesetzlichen Anforderungen des Arten- und Biotopschutzes.

    Konsequente administrative und rechtliche Umsetzung der kologischen Belange an Bundeswasserstraen

    Etablierung eines Bundesprogramms Blaues Band fr Bundeswasserstraen zur Finanzierung der Renaturierung von Fliegewssern und Auen. Dies erfordert eine aufgabengerechte Mittelausstattung fr kologische Verbesserungen und fr wissenschaftliche Begleitung, Monitoring und Evaluation. Naturschutzverbnde und -behrden werden bei der Planung und Umsetzung entsprechender Projekte einbezogen.

    Eindeutige Bestimmung der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Lndern. Festschreibung der Belange des Gewsser- und Naturschutzes als weitere Aufgabe der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.

    Abkehr vom Primat der verkehrlichen Funktion und der dabei praktizierten Kostenneutralitt. Bercksichtigung des guten Zustands gem WRRL als mindestens gleichrangiges Ziel in allen Unterhaltungsplanungen.

    Eindeutige gesetzliche Verankerung des gewsserrechtlichen Verschlechterungsverbotes bei Eingriffen.

    www.NABU.de