Block II Thürmann Personalisierte Medizin · • Kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Genotyp...

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Personalisierte Medizin Petra A. Thürmann HELIOS Klinikum Wuppertal / Universität Witten/Herdecke

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Personalisierte MedizinPetra A. Thürmann

HELIOS Klinikum Wuppertal / Universität Witten/Herdecke

1Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Offenlegung potentieller Interessenkonflikte

• Angestellt:bei HELIOS; keine leistungsbezogenen Gehaltsanteile

• Beratungstätigkeit:Biotest Pharma AG; MYR

• Honorare:rottapharm Maddaus

• Finanzierung wissenschaftlicher Untersuchungen:Biotest Pharma AG (Phase I Studie); Bayer Healthcare AG (Phase I Studie), BMBF, BMG

• Aktienbesitz:keine

2Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Personalisierte Medizin

• Begrifflichkeiten

• Pharmakogenetik, Pharmakogenomik

• Stratifizierte und personalisierte Therapieentscheidungen

• Nutzen/Risikoeinschätzung durch Patienten

• Erforderliche Kompetenzen seitens der Ärzteschaft

3Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Begrifflichkeiten: Personalisierte Medizin

• individualisierte ~ personalisierte Medizin bzw. Therapie

• Personalisiert bedeutet (in etwa): auf die individuellen Merkmale eines Patienten maßgeschneiderte Medizin

• … wobei in letzter Zeit meist genetische/metabolomische„Biomarker“ gemeint sind

• … wobei man auch verstehen könnte: auf die individuellen Bedürfnisse eines Patienten maßgeschneiderte Medizin

• Stratifizierte Medizin bedeutet: auf die Merkmale einer Gruppe von Patienten (mit demselben Merkmal, Biomarker) zurecht geschneiderte Medizin

nach Hüsing et al, TAB-Bericht 2008; Hüsing ZEFQ 2010)

4Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012 http://www.bazhua.org/2011/03/genomics-and-drug-response.html

5Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

7.9521.6891.2352010

3.5323782602005

1.4911241092000

9.9292.1111.5302011

7.0152.0901.153bis Nov. 2012

Targetedtherapy

Personalizedmedicine

Individualizedmedicine

Stand Nov 25. 2012

6Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Personalisierte Medizin = Stratifizierte Therapie (Perspektive der wissenschaftlichen Medizin)

Frau, ACE I/D Polymorphismus

Mann, Familienanamnese: Schlaganfall < 60 J

Frau, CYP2D6 poormetabolizer

Mann, AT1Rezeptor

Polymorphismus

Mann, β2-Rezeptor Thr164IIe

Polymorphismus

Mann, Workaholic, Vater Herzinfarkt < 60 J

?

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7Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Bedeutung der Pharmakogenetik/genomik für Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)

Phillips et al, JAMA 2001

8Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Bedeutung der Pharmakogenetik/genomik für Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)

Wirksamkeit und Sicherheit von

Arzneistoffen im Zusammenhang mit

GENETISCHEN POLYMORPHISMEN bei

metabolisierenden Enzymen,

Arzneistofftransporter und den Wirkorten

(z.B. Rezeptoren)

Phillips et al, JAMA 2001

9Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Glossar Pharmakogenetik/genomik

• Die meisten Enzyme, Rezeptoren, Kanäle etc. sind polymorph exprimiert, d.h. es gibt einen sog. Wild-Typ (der häufigste) und Varianten

• „Extensive metaboliser“ CYP-System hat 2 aktive Allele, ist also „perfekt“ ausgestattet

• „Intermediate metaboliser“ hat 1 aktives und ein defizientes Allel• „Poor metaboliser“ = PM: genetischer Defekt, daraus resultiert

ein „langsameres“ oder gar kein Enzym• PMs haben meist mehr unerwünschte Wirkungen – oder

können einen aktiven Metaboliten nicht bilden (weniger Wirkung)• Patienten mit Rezeptorvariante o.ä. haben meist ein

schwächeres Therapieansprechen

10Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Fragen zur Genotypisierung

• Wann soll ich eine Genotypisierung veranlassen?• Umgang mit Patienten, die ein Ergebnis einer

Genotypisierung mitbringen• Beratung in diesen Fällen?

11Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Fragen zur Genotypisierung

• Wann soll ich eine Genotypisierung veranlassen?• Umgang mit Patienten, die ein Ergebnis einer

Genotypisierung mitbringen• Beratung in diesen Fällen?

12Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Abacavir Hypersensitivität

• Abacavir Hypersensititität tritt bei 2-9 % der Patienten, meist während der ersten 6 Therapiewochen auf

• Retrospektive Fall-Kontroll Studie: Association mit HLA-B*5701; Sensitivität 55 % bei > Europäischen Männern

• Genome-wide study (GWAS) HLA-B*5701 der beste Prädiktor

• 2 RCTs (PREDICT-1; SHAPE) verglichen die Inzidenz der Hypersensitivität zwischen PGX-Test vor Therapie oder nicht – signifikanter Unterschied

Hughes A et al; Pharmacogenomics 2009

13Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

14Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Alles so einfach?

15Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Metabolismus von Tamoxifen

16Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Einfluss des CYP2D6-Status auf das Überleben bei Brustkrebs unter Tamoxifen

Schroth et al, JAMA 2009

17Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Fachinformationen zu Tamoxifen

18Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Fachinformationen zu Tamoxifen

19Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Einfluss des CYP2D6-Status auf das Überleben bei Brustkrebs unter Tamoxifen

• CYP2D6 Test nicht trivial, zahlreiche Teste, zahlreiche Varianten müssen getestet werden

• Interpretation der Testergebnisse sehr komplex • Kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Genotyp und

Phänotyp• Metabolische Umwege (und Interaktionen) müssen

berücksichtigt werden – Bestimmung Endoxifen-Spiegel?• Widersprüchliche Studienlage zur Assoziation zwischen

CYP2D6 Genotyp und Outcome, Zusammenhang mit dem Gesamtüberlegen nicht bewiesen

• Also: Test generell nicht empfehlenswert, wenn Testergebnis vorliegt, dann individuelle Entscheidung

Binkhorst et al, CPT 2012; Lyon et al, Genetics in Medicine 2012

20Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

http://www.fda.gov/Drugs/ScienceResearch/ResearchAreas/Pharmacogenetics/ucm08

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Zielgerichtete Therapie – Genotypisierungvor Therapie erforderlich

Untersuchung der Eigenschaften des Tumors

• Her2neu Überexpression bei Mamma-Karzinom

- Gabe von Trastuzumab (Herceptin®)

• K-RAS-Mutation negativer EGFR-exprimierender Tumor und Ansprechen auf Therapie

- Cetuximab (Erbitux®) bei kolorektalem Karzinom

• Nachweis der BRAF-V600 Mutation

- Vemurafenib (Zelboraf®) bei Melanom

23Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Vemurafenib bei Patienten mit Melanom und BRAF V600E Mutation

Chapman et al, NEJM 2011

24Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Vemurafenib bei Patienten mit Melanom und BRAF V600E Mutation

25Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Vor- und potenzielle Nachteile der zielgerichteten Therapie

• Patienten mit dem „target“ haben eine Wahrscheinlichkeit, von der Therapie zu profitieren – Non-Responder werden ausgeschlossen

• Sehr kleine Patientenpopulation – Orphan Drug

• Behandlung durch Spezialisten

• Für Laien … und viele Ärzte kaum noch durchschaubar

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149

713

149

309

stroke

1.3402.95923.476targeted therapy

372

372

709

diabetes

5652.239personalizedmedicine

5652.239personalizedtherapy

1.2313.931individualizedtherapy

cardiaccancerSchlagworte

Spiegel 20/2010; Wild & Piso 2010

27Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Wissen der Ärzteschaft um die Pharmakogenomik – Umfrage in den USA

0

25

50

75

100

PGX

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10.303 Antworten von 388.459 Kontaktieren

Stanek et al, CPT 2012

28Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Wie groß ist das individuelle Risiko bzw. der individuelle Nutzen?

Patienteninformation ist ein wesentlicher Bestandteil einer

wirksamen Therapie

29Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Individualisierte Medizin und Information

30Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Genotypisierung vor Therapie?• In den USA

zugelassener Chip für UGT1*28 –Invader®

USA Fachinfo Irinotecan:

• A laboratory test isavailable to determinethe UGT1A1 status of patients. Testing candetect the UGT1A1 6/6, 6/7 and 7/7 genotypes (See WARNINGS section).

31Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

32Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Direct to Consumer Advertising

• Qualität der Anbieter und Information sehr variabel

• Hilfestellung bei Therapieentscheidungen oftmals fragwürdig

• „Ärzte lernen von Patienten“

• Wird sich durchsetzen

• USA: Aktivitäten seitens FDA und American MedicalAssociation

• Vorstellung: genetische Testung nur noch durch Ärzte veranlassen mit adäquater Beratung

Bloss et al, Hum Mol Genetics 2011; Chua & Kennedy Front Pharmacol 2012

33Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Pharmacogenomics. Knowledge. Implementation.

• The PharmGKB is a publicly available Internet researchtool developed by Stanford University with funding from theNational Institutes of Health (NIH) and is a partner of theNIH Pharmacogenomics Research Network (PGRN), a nationwide collaborative research consortium.

• Its aim is to aid researchers in understanding how geneticvariation among individuals contributes to differences in reactions to drugs. An article discussing the history of PharmGKB was published in Pharmacogenomics in April 2010

• http://www.pharmgkb.org

34Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

• The idea is…HOW available genetic test results should be used to optimize drug therapy, rather than WHETHER tests should be ordered.

• A key assumption underlying the CPIC guidelines is that clinical high-throughput and pre-emptive (pre-prescription) genotyping will become more widespread, and that clinicians will be faced with having patients' genotypes available even if they have not explicitly ordered a test with a specific drug in mind.

http://www.pharmgkb.org/contributors/consortia/cpic_profile.jsp

35Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Personalisierte Medizin –Information ist (fast) alles!

• Personalisierte Medizin – stratifizierte Medizin

• Ein Test sollte nur durchgeführt werden, wenn er auch eine Konsequenz hat … und zur Therapieentscheidung beiträgt

• Konsequenzen mitgebrachter Befunde: oftmals (noch) keine

• Genomweite oder Krankheits-orientierte Analysen: werden kommen

• Unabhängige Portale/Informationsquellen werden in Deutschland dringend benötigt!

36Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012www.helios-kliniken.de

Danke für Ihre Aufmerksamkeit

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stroke

1.3402.95923.476targeted therapy

372

372

709

diabetes

5652.239personalizedmedicine

5652.239personalizedtherapy

1.2313.931individualizedtherapy

cardiaccancerSchlagworte

Stand Nov 25. 2011

39Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Health Technology Assessment und Kostenübernahme

• Individualisierte Therapie (Pharmacogenomics) spielt derzeit die größte Rolle im Bereich der onkologischen Therapien

• Großer Wissenszuwachs innerhalb kurzer Zeit aktuelle Studien, Reviews und HTA-Berichte

• Alle befragten kleineren und großen Kostenträger in den USA stützen sich auf (alle verfügbaren) HTA-Berichte

- HTA-Berichte für PGX sind nicht aktuell genug

- Berücksichten nicht die Durchdringung in der Realität

- Berücksichtigen nicht die Praktikabilität

- Berücksichtigen (noch nicht) cost-effectiveness

Trosman et al, J Oncol Practice 2011

40Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

41Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Cytochrom P450 2C19 und Aktivierungvon Clopidogrel

PharmGKB website

42Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Geno- oder Phänotypisierung?

Trenk et al, CPT 2012

43Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

44Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Hinweise für die Sinnhaftigkeit der personalisierten Therapie

Genomweite Analyse an n= 1.053 Schwedischen Patienten zum Einfluss genetischer Faktoren auf die Warfarin-Dosis

Takeuchi et al, PLoS Genet 2009

45Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Validierung der individualisierten Therapie

RCT an n = 206 Patienten mit Indikation für Warfarin PGX CYP2C9*2/*3 und VKORC1 C1173T Randomisierte Zuteilung zur PGX-geleiteten Therapie oder Standard über 3 Monate

0,71N = 5N = 4Schwere UAWs

0,0353,63,0Dosisanpassung pro Patient

0,5347,1 Tage53,4 TageZeit bis INR zu

0,4722,9 %22,9 %INR zu oder zu

P-WertStandardPGXEndpunkt

Anderson JL et al, Circulation 2007

46Personalisierte Medizin, Berliner Ärztekammer 1.12.2012

Umsetzung pharmakogenetischer Informationin die Fachinformation

Aus der UK Fachinformation (SPC)

• Genetic variability particularly in relation to CYP2C9 and VKORC1 cansignificantly affect dose requirements for warfarin. If a familyassociation with these polymorphisms is known extra care is warranted.

Aus der US FDA Fachiformation (SPC)