Blocktraining im Ausdauersport

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Konzentrierte Aktion blocktraining 1 triathlon

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Schon vor 30 Jahren entwickelte ein russischer Forscher das Blocktraining. Doch obwohl ihm der Olympiasieg eines Schwimmers recht gab, hielten viele Trainer an den klassischen Theorien fest. Wagen Sie die Veränderung!

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Konzentrierte Aktion

blocktraining

1 triathlon

W indschnittige Karbonteile, Knie-strümpfe zur Regeneration und zuckersüße bunte Gels als Nah-

rung – Triathleten sind fortschrittlich. Sie sind offen für Neues und wissbegierig, nie-mand würde mit einem Rad aus den 1960er-Jahren einen Wettkampf bestreiten und sich damit auch noch für konkurrenzfähig hal-ten. Was die Trainingsmethodik angeht, hält sich die Bereitschaft für Veränderungen aber in Grenzen. Dabei lohnt es sich, einen Blick auf alternative Ansätze zu werfen. Ein Konzept, das besonders viel Potenzial birgt, ist das Blocktraining. Es berücksich-tigt nicht nur die Ansprüche der heutigen Zeit, sondern auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse der vergangenen Jahre.

Training ist vor allem eins: Das Auslösen von physiologischen Anpassungsvorgän-gen durch Reize. Wo die Grenze zwischen optimaler Belastung und drohender Über-lastung ist, untersuchten erstmals Wissen-schaftler der ehemaligen Sowjetunion – an Gewichthebern. Auf der Grundlage ihrer Erkenntnisse entwickelten sie das erste Modell der Periodisierung, das schnell er-folgreich auf andere Sportarten übertragen wurde – ein neues Kapitel der Trainings-wissenschaft war eröffnet. Die Kernidee

war die ansteigende Beanspruchung, ver-bunden mit dem Modell der Superkom-pensation. Bis heute wurde das sowjeti-sche Periodisierungsschema konsequent weiterentwickelt, jedoch nur geringfügig korrigiert.

Kollektives UmdenkenIm Laufe der Jahrzehnte haben sich die Anforderungen an Spitzensportler geän-dert: Die Kommerzialisierung des Sports und auch die gewachsene Mobilität des Menschen haben dazu geführt, dass ein Sportler im Laufe einer Saison nur noch kurze Ruhephasen hat. Die Trainings-wissenschaft musste reagieren und ein Modell schaffen, das Athleten auf viele Wettkampfteilnahmen vorbereitet, dabei aber deren langfristige Entwicklung be-rücksichtigt. Russische Forscher um den

Sportwissenschaftler Prof. Vladimir Issu-rin nahmen sich dieser Herausforderung an und begannen in den 1980er-Jahren mit einigen Sportlern am Modell der Block-periodisierung zu arbeiten. Schon mit der „sportlichen Wiedergeburt“ des Schwim-mers Vladimir Salnikow, dem Olympiasie-ger von Seoul 1988, der die 1.500 Meter als Erster unter 15 Minuten schaffte, feierten die Russen erste Erfolge. Das Herzstück ihres neuen Konzepts: das Verbessern ein-zelner, isolierter motorischer Fähigkeiten in Trainingsblöcken.

„Wer verschiedene Fähigkeiten gleichzei-tig trainiert, beeinträchtigt die Effektivität des gesamten Trainings“, erklärt Issurin die Nachteile der klassischen Methode. Das Ziel seines Blocktrainings ist entspre-chend ganz anders: Möglichst wenig sport-artspezifische Inhalte sollen im Training vermischt werden, so die Idee. „Der Kör-per kann nur eine bestimmte Anzahl ver-schiedener Trainingsreize verkraften“, so Is-surin im Sommer vergangenen Jahres bei einem Trainer-Kongress in Budapest. Der Wissenschaftler definiert Blocktraining als „Trainingszyklen mit hochkonzentrierten und sehr spezifischen Inhalten“. Diese Zy-klen beinhalten ein „hohes Volumen an

Vergleich: Traditionelle Theorie und Blocktraining

Merkmal traditionelle Theorie Blocktraining

Idee gleichzeitige Entwicklung verschiedener motorischer Fähigkeiten

Aneinanderreihung der Ent-wicklung unterschiedlicher motorischer Fähigkeiten

Aufbau in Trainingsperioden in Blöcken und Mesozyklen

Prioritätensetzung Umfang und Allgemeines vor Intensität

Intensität und Konzentration vor Umfang

Zielrichtung zunehmende Belastung, ver-zögerter Trainingseffekt

zunehmende Beanspruchung, Anpassung unter Beachtung der Resteffekte

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Schon vor 30 Jahren entwickelte ein russischer Forscher das Blocktraining. Doch obwohl ihm der Olympiasieg eines Schwimmers recht gab, hielten viele Trainer an den klassischen Theorien fest. Wagen Sie die Veränderung!

ጫHolger Lüning

triathlon 288/Februar 2011 www.tri-mag.de

Aufgaben, die sich auf die Verbesserung weniger aber klar definierter Fähigkeiten beschränken“.

Mindestens haltbar bis ...Ist weniger demnach mehr? Tatsächlich ab-solvierten Issurins Sportler, gemessen am Durchschnitt der Weltklasseathleten, deut-lich geringere Trainingsumfänge. Die hö-here spezifische Belastung und die tiefere physiologische Ermüdung führten offenbar zu effektiveren Anpassungsprozessen. Auf die Frage, wie man zu hohe Belastungen vermeiden kann, führt Issurin die Kürze der Zyklen an und verweist auf eigene Un-tersuchungen zu den Resteffekten des Trai-nings (siehe Tabelle bzw. triathlon Nr. 83). Demnach ist es ganz einfach, die Trai-ningsblöcke ideal aufeinander abzustim-men. Zusätzlich wählen Sie die Trainings-inhalte eines Blocks so, dass diese sich optimal ergän zen (siehe Tabelle). Das stei-gert laut Issurin die Effektivität und verhin-dert, dass Inhalte kombiniert werden, die innerhalb desselben Blocks kontraproduk-tiv wären. Wie Sie der Tabelle entnehmen können, dürfen Sie innerhalb eines Blocks sogar komplett auf einzelne Trainingsin-halte verzichten, ohne dass Sie einen Leis-tungsabfall befürchten müssen.

Um ein sogenanntes Detraining, den Verlust der spezifischen Leistungsfähig-keit, zu verhindern, hat Issurin die einzel-nen Blöcke auf eine Dauer von zwei bis vier Wochen begrenzt. Innerhalb eines Blocks wird den maximal zwei definier-ten Zielen 60 bis 70 Prozent der gesam-ten Trainingszeit mit genau abgestimmten Trainingsmethoden gewidmet. Der Rest des Trainings besteht aus Aufwärmen, Er-holung und Cool-down.

Drei Phasen in zehn WochenDie Aneinanderreihung verschiedener Blö-cke wird nach Issurin in Mesozyklen be-schrieben. Der erste Mesozyklus (Aufbau) besteht aus 12 bis 30 Tagen und beinhal-tet in der Regel zwei Trainingsblöcke zur Entwicklung allgemeiner und spezifischer Fähigkeiten. Dann folgt ein weiterer Me-sozyklus (Umwandlung) zur Wettkampf-vorbereitung. Er dauert 12 bis 25 Tage. Ein dritter Zyklus (Umsetzung) von 8 bis 15 Tagen Dauer dient der unmittelbaren Vorbereitung und dem Tapering für den Wettkampf. Insgesamt ergibt sich daraus eine Gesamtdauer von bis zu zehn Wo-chen. Inhaltlich können die Mesozyklen wie folgt beschrieben werden:

Aufbau (12–30 Tage)Ü Aufbau: 1–2 BlöckeÜ Schwerpunkt: Anhäufung von TrainingsreizenÜ Ziel: Entwicklung grundlegender motorischer und technischer Fähigkeiten (aerobe Ausdauer, Maximalkraft, Tech-nik, Koordination)

Umwandlung (12–25 Tage)Ü Aufbau: 1–2 BlöckeÜ Schwerpunkt: Umwandlung zu spezi-fischem LeistungsvermögenÜ Ziel: Entwicklung spezifischer mo-torischer, konditioneller und techni-scher Fähigkeiten (anaerobes Leistungs-vermögen, spezifische Kraftausdauer, Technikverfeinerung)

Umsetzung (8–15 Tage)Ü Aufbau: 1 BlockÜ Schwerpunkt: Festigung des Leis-tungsvermögens und FormzuspitzungÜ Ziel: unmittelbare Wettkampfvorbe-reitung und Tapering (Erholung, Schnel-ligkeit, Gewandtheit, Aufmerksamkeit, Leistungswillen)

Erfolg gibt Issurin rechtEiner der erfolgreichsten Schwimmtrai-ner der Welt, Gennadi Touretski, nutzte dieses System im Training des vierfachen Olympiasiegers Alexander Popov – mit überzeugendem Erfolg. Er unterteil-te das Trainingsjahr, abhängig von den zeitlichen Abständen der Wettkämp-fe, in sechs bis zwölf Wochen dauernde

Konzentration auf das Wesentliche: Beim Blocktraining berücksichtigen Sie im Training nie mehr als zwei Aspekte gleichzeitig

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Abschnitte (jeweils drei Mesozyklen). Touretski konzentrierte sich dabei auf die laut Issurin sechs wichtigsten Kriteri-en für eine erfolgreiche Umsetzung:

Ü Konzentration auf 1–2 Trainings -ziele pro Block

Ü viele Trainingsaufgaben/-übungen in einem Block

Ü Länge eines Blocks: maximal 2–4 Wochen

Ü Dauer eines Mesozyklus: 1–2 Trainingsblöcke

Ü 3 Mesozyklen (Aufbau, Umwand-lung, Umsetzung), im Gegensatz zur traditionellen Trainingslehre mit 9–11 Zyklen

Ü 3 Mesozyklen entsprechen einem Trainingsabschnitt von 6–12 Wochen

Touretski zufolge ist ein wesentlicher Vorteil des Blocktrainings eine bessere Anpassung der Athleten. Trainiere man nach der klassischen Methode, führe das ständig ansteigende Trainingsvolumen zu großer Ermüdung und Stagna tion. Auch die Gefahr eines Übertrainings sei stets präsent. Stattdessen gäben die kurzen, sehr konzentrierten Blöcke dem Körper genug Zeit zur Anpassung und führten so zu besseren Ergebnissen.

Anfänger, Umsteiger, alter Hase?Haben Sie vor kurzem erst mit dem Tri-athlontraining begonnen und noch nicht viele Wettkämpfe bestritten? Dann ist das Ziel für Ihr Training klar: Basis-arbeit. Denn die Grundlagenausdauer ist das wichtige Fundament Ihrer Leistung, schon wenn Sie nur daran arbeiten, wer-den Sie Ihre Leistung verbessern. Sind Sie dagegen ein Umsteiger, der bereits Erfah-rung und einige Trainingsjahre aus ande-ren Ausdauersportarten mitbringt, ist die Lage weniger eindeutig. Bei Ihnen geht es jetzt vor allem darum, die spezifische Aus-dauer zu trainieren – Ihr „Motor“ dürfte

schließlich schon gut trainiert sein, Ihr Herz-Kreislauf-System, Ihre Lunge und Ihr Blut sind Ausdauerleistungen längst gewohnt. Ihr Triathlontraining muss des-halb spezifischer sein. Auch als erfahrener Triathlet mit vielen Trainingskilometern „auf dem Buckel“, ist Ihre Aufgabe ein-deutig: Sie brauchen jetzt zielgerichtete Trainingsreize, um Ihren Körper auf die-sem hohen Niveau noch zu neuen Anpas-sungsreaktionen zu bewegen.

Das Blocktraining kann für Anfänger eine sinnvolle Ergänzung zum wichtigen Aufbautraining sein. Der Umsteiger, der aus anderen Disziplinen zum Triathlon kommt, wird besonders von den sehr spe-zifischen Inhalten profitieren und seine Leistungsfähigkeit noch schneller im Wettkampf umsetzen können. Und für

den ambitionierten Sportler oder einen Profi könnte das Training nach der Block-periodisierung sogar bislang unbekann-te Leistungsreserven eröffnen. Am Ende profitieren also Sportler aller Leistungs-klassen von Issurins bereits vor 30 Jahren entwickeltem Modell. Empfehlenswert ist das Blocktraining als qualitativ hoch-wertiges Training vor allem innerhalb der Saison.

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Fortsetzung folgt ...Wie Sie Ihr Training auf Blockperiodisie-rung umstellen, wann Sie die größten Effek-te erzielen und was Sie sonst noch beachten müssen, lesen Sie in triathlon Nr. 89, die am 23. Februar 2011 erscheint.

Resteffekte: So lange wirkt Trainingmotorische Fähigkeit Haltbarkeit (in Tagen)

aerobe Ausdauer 30 +/- 5

Maximalkraft 30 +/- 5

anaerobe Ausdauer 18 +/- 4

Kraftausdauer 15 +/- 5

Schnelligkeit 5 +/- 3

Quelle: Vladimir B. Issurin, „Block Periodization: Breakthrough in Sport Training“ (2008)

Kombinierfähig: Diese Trainingsziele ergänzen sichSchwerpunkt optimale Ergänzung

aerobe Ausdauer alaktazide Fähigkeiten (Sprint), aerobe Kraft-ausdauer, Maximalkraft-Hypertrophie (im Anschluss)

anaerobe Ausdauer anaerobe Kraftausdauer, aerobe Wiederher-stellungsübungen, aerob-anaerobe Ausdauer

alaktazide Fähigkeiten (Sprint) aerobe Ausdauer, Explosivkraft, Maxi-malkraft-Hypertrophie (Sprint), aerobe Wiederherstellungsmaßnahmen

Maximalkraft (Hypertrophie) Maximalkraft (Innervation), Beweglichkeit, aerobe Wiederherstellungsübungen

Erlernen von neuen technischen Elementen Jede Trainingsmodalität (im Anschluss)

Quelle: Leistungssport (5/2003)

triathlon 488/Februar 2011 www.tri-mag.de

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Vichyplatz 1 • 83646 Bad Tölz • Email: [email protected] • Telefon: (+49) 8041 74954