bodo Januar 2013

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08 | Weltraum, Werbung, Witten | Ein Besuch im »Charles Wilp Space« 14 | Srebrenica, vergessene Stadt | Ein Dortmunder hilft in Bosnien 11 | Das andere Bochum | Eine Stadtführung mit bodo-Verkäufern 21 | 16 Verlosungen | z.B. Jazzfestival Dortmund im Fritz-Henßler-Haus 1.80 Euro Januar 2013 | 90 Cent für den Verkäufer bodo Das Straßenmagazin

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Die Januar-Ausgabe des Straßenmagazins

Transcript of bodo Januar 2013

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08 | Weltraum, Werbung, Witten | Ein Besuch im »Charles Wilp Space«

14 | Srebrenica, vergessene Stadt | Ein Dortmunder hilft in Bosnien

11 | Das andere Bochum | Eine Stadtführung mit bodo-Verkäufern

21 | 16 Verlosungen | z.B. Jazzfestival Dortmund im Fritz-Henßler-Haus

1.80 EuroJanuar 2013 | 90 Cent für den Verkäufer bodo

Das Straßenmagazin

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EDITORIAL

BODO E.V. – SO ERREICHEN SIE UNS

Herausgeber | Verleger | Redaktion

bodo e.V.

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

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Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.:

Bastian Pütter | [email protected]

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Layout und Produktion:

Andre Noll | Büro für Kommunikationsdesign

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Veranstaltungskalender:

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Vertriebsleitung:

Oliver Philipp | [email protected]

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Autoren dieser Ausgabe:

Bianka Boyke (bb), René Boyke (rb), Guido

Fahrendholz, Sandro Giuri (sg), Wolfgang

Kienast (wk), Jens Mayer (jm), Bastian Pütter

(bp), Benedikt von Randow (bvr), Dr. Birgit

Rumpel (biru), Sebastian Sellhorst (sese)

Fotos: Bianka Boyke (12, 32, 33), Andre Noll

(3, 4, 5, 8, 9, 10, 11), Dirk Planert (3, 14,

15, 16), Daniel Sadrowski (3, 28, 29, 30, 38),

Sebastian Sellhorst (6, 7, 31, 39), Claudia

Siekarski (2, 6, 18)

Titelbild: Andre Noll

Zeichnungen + Cartoons: Volker Dornemann

Druck: Gebr. Lensing GmbH & Co. KG.

Auflage | Erscheinungsweise:

16.000 Exemplare (BO, DO und Umgebung)

Redaktions- und Anzeigenschluss:

für die Februar-Ausgabe 10.01.2013

Anzeigen:

Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 8, Juli 2012

Vertriebe:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist

kostenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert

eingesandte Fotos oder Manuskripte wird keine

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bodo e.V. | als gemeinnützig eingetragen

im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514

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bodoev.de | facebook.com/bodoev

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Andre Noll | [email protected]

Geschäftsleitung | Verwaltung:

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Öffentlichkeitsarbeit:

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bodos Bücher | Modernes Antiquariat:

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Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

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Mo., Mi. und Fr. von 14 – 17 Uhr

Di. und Do. von 10 – 13 Uhr

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Stadtsparkasse Dortmund

BLZ 440 501 99 | Kto. 104 83 76

Sparkasse Bochum

BLZ 430 500 01 | Kto. 104 062 54

Bank für Sozialwirtschaft Essen

BLZ 370 205 00 | Kto. 722 39 00

IMPRESSUM

02

Liebe Leserinnen und Leser,

wir alle bei bodo wünschen Ihnen ein gutes und

gesundes 2013!

Und wir möchten uns bedanken: Danke für Ihre

großzügige Unterstützung unserer Spendenak-

tion „Gute Geschichten“. Mit Ihrer Hilfe werden

wir unser Beratungsangebot ausbauen, denn das

ist dringend nötig. Immer mehr Menschen in Not

kommen zu uns. Erstberatung, Begleitung und die

Vermittlung zu Fachstellen haben deutlich zuge-

nommen und sind in den bestehenden Strukturen

kaum zu leisten.

Wenn Sie uns mit Ihrem persönlichen Einsatz unter-

stützen möchten – wir freuen uns auf Sie! Unser

Projekt Ehrenamt freut sich auf UnterstützerInnen,

z.B. bei der Betreuung unserer Verkäuferinnen und

Verkäufer oder bei der Durchführung von Infoständen.

Vielen Dank auch für den Erfolg unserer Weih-

nachtsausgabe. Mit acht Seiten mehr als sonst

und einer von Weltbestseller-Autor Paulo Coelho

den Straßenzeitungen geschenkten Weihnachtsge-

schichte konnten wir so viele Leserinnen und Leser

erreichen wie noch in keinem Monat in den letzten

Jahren. Schreiben Sie uns, was Sie gerne lesen wür-

den in bodo, was Ihnen gefällt oder nicht zusagt.

Und schreiben Sie uns, wie Ihre Erfahrungen mit

unseren Verkäuferinnen und Verkäufern sind.

Gerade in der Weihnachtszeit haben wir hin und

wieder Menschen angetroffen, die ohne Verkäu-

ferausweis das Straßenmagazin angeboten haben.

Das ist für uns ein Problem, denn unsere regulären

VerkäuferInnen unterschreiben Vereinbarungen, mit

denen sie das Einhalten unserer Regeln zusichern,

und sie erhalten feste Verkaufsplätze. Das Wei-

tergeben von Zeitungen zwecks Weiterverkauf ist

ausdrücklich untersagt.

Deshalb eine Bitte: Kaufen Sie nur bei Verkäufer-

innen und Verkäufern, die ihren Ausweis sichtbar

tragen. Um es für unsere VerkäuferInnen und ihre

Kundinnen und Kunden noch einfacher zu machen,

werden ab Januar neue Ausweise ausgegeben. Auf

farbig bedruckten, wetterfesten Kunststoffkarten

ähnlich einer Scheckkarte finden sich Foto, Name

und Nummer des Verkäufers oder der Verkäuferin

und unsere Kontaktdaten.

Nach einer Vielzahl von Veranstaltungen im Dezem-

ber haben wir für das neue Jahr einen regelmäßigen

Termin für unsere Kulturabende gefunden. „Zweiter

Freitag“ heißt unsere Reihe, und dementsprechend

wird an jedem zweiten Freitag im Monat um 19.30

Uhr unser Dortmunder Buchladen öffnen für Klein-

kunst, Kabarett und Musik. In den nächsten Monaten

kommen zum Beispiel Jürgen und Rocco Wiersch mit

einer Blues-Auffrischung, Markus Veith mit einer

echten Premiere, Fräulein Nina zum „Internationalen

Fräulein-Tag“ und „Ghostwriter“ Thomas Koch. Also

bitte vormerken: „Zweiter Freitag“ bei bodo.

Zurück zur Straße: Wir freuen uns, wenn Sie auch in

diesem Jahr – und gerade in der kalten Jahreszeit –

unsere Verkäuferinnen und Verkäufer „von der Stra-

ße lesen“ und uns weiterempfehlen. Erzählen Sie

Menschen in Armut von unseren Angeboten, und

wenn Sie Winter- und Kinderkleidung abzugeben

haben und im Bücherregal Platz schaffen möchten:

Wir freuen uns auf Ihre Sachspenden!

In diesem Monat vermissen Sie vielleicht unsere

beiden schreibenden Verkäuferinnen Rosi und Mai-

ke. Die gute Nachricht: Beide sind wieder gesund,

waren bei unserer großen Weihnachtsfeier schon

wieder dabei und senden Ihnen wie wir alle

herzliche Neujahrsgrüße von bodo.

Bastian Pütter – [email protected]

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INHALT 03

02 Editorial | Impressum

04 Menschen Stefan Keim von Dr. Birgit Rumpel

Seine Stimme kennen Hörer der einschlägigen Kultursender, regelmäßig

berichtet er über kulturelle Ereignisse und liefert sehr unterhaltsame Thea-

terkritiken ab. Wir sprachen mit dem Kulturjournalisten, Kritiker, Entertai-

ner, Autor und Familienvater Stefan Keim.

06 Neues von bodo

08 Reportage Charles Wilp Space von Jens Mayer

Weltraum, Werbung, Wirkung: Wilp. Er ist eine deutsche Werbeikone und

der erste Künstler, dessen Werke das Prädikat „außerirdisch“ wirklich

verdienten. Seine Geburtsstadt Witten präsentiert die Welten von Charles

Wilp in einer ungewöhnlichen Umgebung.

11 Neues von bodo bodos soziale Stadtführungen von Bastian Pütter Wie verbringen eigentlich Menschen auf der Straße ihren Tag? Wo halten

sie sich auf, welche Angebote und Hilfen gibt es? Wie sieht die Stadt aus

der Sicht der „Menschen am Rand“ aus? Bei bodos sozialer Stadtführung

zeigen Verkäufer des Straßenmagazins „ihr“ Bochum.

12 Recht Am Abmahn-Pranger von René Boyke

Warum das Veröffentlichen von Namen im Internet durch Rechtsanwalts-

kanzleien im Rahmen von Abmahnverfahren gegen das Persönlichkeitsrecht

verstößt, erklärt Rechtsanwalt René Boyke.

12 Kultur Schöne fiese Apple-Welt von Dr. Birgit Rumpel

Mike Daisey denkt über die Herstellung von Mobiltelefonen nach. Die

Ergebnisse seiner Recherchen und die Reflektion über das eigene Konsum-

verhalten schrieb er in einem Monolog auf, der im Schauspiel Dortmund

gerade Deutschlandpremiere feiert.

13 Wilde Kräuter Hagebutte.4 von Wolfgang Kienast

Zur Konservierung von Lebensmitteln sind zahlreiche Geschichten überlie-

fert, darunter Komisches, Tragisches oder Skurriles. Wer sich selbst an der

Haltbarmachung von Lebensmitteln versuchen will, bekommt diesmal ein

leckeres Rezept für kandierte Hagebutten.

14 Reportage Srebrenica, vergessene Stadt von Bastian Pütter Der Journalist Dirk Planert war 14 Jahre lang eine der Nachrichtenstimmen

von Radio 91.2. Von 1992 bis 1994 riskierte er als humanitärer Helfer in den

Balkankriegen sein Leben und fuhr Medikamente und Lebensmittel durch die

Kampflinien. Nun ging er zurück nach Bosnien, wieder um zu helfen.

18 Kommentar Wie arm ist das denn? von Bastian Pütter

Armut ist Thema. Über eine mangelnde Präsenz in den Medien kann sich

niemand beschweren, die Daten sind gut aufbereitet, „nachrichtenfähig“

und geben gute Schlagzeilen ab. Und dann?

18 News | Skotts Seitenhieb

20 Netzwelt foodsharing.de von Sebastian Sellhorst

Über 80 Kilo Lebensmittel wirft jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr

in den Müll. Mehr als die Hälfte davon wäre noch verwertbar gewesen.

Diesem Trend möchte das Projekt foodsharing.de entgegenwirken.

20 Kinotipp Dokumentarfilmfest: Stranger than Fiction im endstation.kino

21 Veranstaltungskalender | Verlosungen | von Benedikt von Randow

28 Porträt Johannes Klais von Wolfgang Kienast

Johannes Klais ist Kameramann. Um zu entspannen hat er einen eher un-

gewöhnlichen Ort und dort eine nicht weniger seltsame Tätigkeit für sich

entdeckt. Wir trafen ihn im Dortmunder Stadtarchiv, wo er aktuell eine

Unzahl bislang nicht ausgewerteter Filmdokumente sichtet.

31 Verkäufergeschichten Sefa protokolliert von Sebastian Sellhorst

Als Kleinkind kommt Sefa mit seiner Mutter nach Dortmund, geht zur

Schule, macht eine Lehre. Seit er vor einigen Jahren schwer erkrankt ist,

bekommt er eine kleine Rente. Mitte letzten Jahres kommt er über einen

Freund zu bodo. Seitdem verkauft er in Dortmund das Straßenmagazin.

32 Reportage Ein vergessener Ort von Bianka Boyke

Das ehemalige KZ-Außenlager Buchenwald in Dortmund-Huckarde.

34 Interview Der geschönte Armutsbericht von Guido Fahrendholz

Die wachsende Armut in Deutschland ist keine Meinung – sondern eine

Tatsache. Ein Interview mit Thomas Öchsner von der Süddeutschen Zeitung

und Christian Woltering vom Paritätischen.

36 Literatur | gelesen von Sandro Giuri

37 Rätsel | von Volker Dornemann

38 bodo geht aus Kugelpudel von Sebastian Sellhorst

Mitte Dezember eröffneten Julia Bernecker und Kevin Kuhn ihre Szene-

Eisdiele „Kugelpudel“ in Bochum-Ehrenfeld. Vom Eis-Cocktail bis zur

Rohkost-Torte wird dort alles ohne Farb- und Zusatzstoffe und in eigener

Produktion zubereitet.

39 Leserseite | Cartoon

Unser Titelbild der Januar-Ausgabe:

Ingrid Schmidt-Winkeler im Charles Wilp Space (S. 8)

Foto: Andre Noll

04280814 11

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Stefan KeimEin Tausendsassa in Kultur

MENSCHEN | von Dr. Birgit Rumpel | Fotos: Andre Noll04

Wir treffen ihn in einem Café im Dortmunder Kreuzviertel, das regelmäßig für ihn auch zur Bühne wird: Kulturjournalist, Kritiker, Enter-tainer und Autor Stefan Keim. Gut gelaunt freut er sich auf einen Kaffee und eine Extra-portion Kalte Schnauze. „Ich bin ein Süßig-keitenfanatiker – man sieht’s ja auch.“

Seine Stimme kennen Hörer der einschlägigen

Kultursender, regelmäßig berichtet er über kul-

turelle Ereignisse und liefert sehr unterhaltsame

Theaterkritiken ab. Die Frage nach seinem Beruf

kann selbst der eloquente und stimmgewaltige

Keim nicht mit einem Satz beantworten: „Ich

habe mich selbst mal Worthure genannt, weil ich

ja alles mache, was mit Sprache zu tun hat, und

in fast jeder Hinsicht käuflich bin.“ Denn neben

seinem Haupterwerb als Kulturjournalist ist er mit

eigenen Programmen auf Kleinkunstbühnen und

in Literaturcafés landesweit unterwegs, moderiert

Veranstaltungen, schreibt Reden und Kabarettpro-

gramme für Kollegen und unterrichtet Nachwuchs-

journalisten. „Ich habe einen seltsamen Cross-

over-Beruf, eine Mischung aus Kulturjournalismus,

Schauspielerei und Arbeit als Künstler.“

Den typischen „Nine-to-five-Arbeitstag“ gibt es

bei ihm nicht. Einen idealen Tag beschreibt er

so: Morgens zu Pressevorführungen ins Kino in

Köln oder Düsseldorf, nachmittags recherchieren

und schreiben oder Probe mit Kollegen, abends

ins Theater gehen oder selber spielen. „Ich habe

ein tolles Leben. Ich beschäftige mich ja nur mit

Sachen, die mir einen Riesenspaß machen, habe

mein Hobby zum Beruf gemacht und kann meine

Familie damit ernähren.“

Also gibt es für den 45Jährigen doch noch ein

Leben jenseits der Radiosender, Theater und

Kleinkunstbühnen. Mit Ehefrau, drei Kindern

und einem alten Mops lebt er in Wetter, wo er

auch aufgewachsen ist. „Ich musste erst lernen,

dass Kinder und Familie ein Recht auf Zeit und

Aufmerksamkeit haben, meine Frau hat es mir

beigebracht“, gesteht er ein. „Manchmal bin ich

auch nachmittags zu Hause, das entschädigt die

Kinder für die viele Zeit, die ich unterwegs bin.“

Die Kultur hat ihn schon in jungen Jahren be-

geistert. In der Schule spielte er in der Theater-

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05

AG, besuchte mit Freunden Sinfoniekonzerte in

Witten. „Damals waren dort absolute Superstars

zu sehen, mit meinem Schüler-Abo war das er-

schwinglich.“ Später ging es regelmäßig nach

Bochum. „Als Peymann dort Intendant war, habe

ich meine Freizeit fast komplett im Bochumer

Schauspielhaus verbracht.“ Die 5 DM für eine

Schülerkarte verdiente er sich mit Nachhilfeun-

terricht und ersten Artikeln für die lokale Pres-

se. „Ohne Subventionen wäre mein Zugang zur

Kultur so gar nicht möglich gewesen, deswegen

rege ich mich auch immer über die ständigen

Kürzungen im Kulturbereich auf.“

Die Idee, Schauspieler zu werden, redete der

Vater ihm aus. Also studierte Stefan Keim in

Dortmund Journalistik und parallel in Bochum

Theater, Film- und Fernsehwissenschaften, ohne

jedoch einen Abschluss zu machen. „Ich habe

studiert, weil mich das alles so interessierte,

die Abschlüsse waren mir wurscht.“ Stattdessen

nutzte er die Gelegenheit, sich nach dem Vordi-

plom während der praktischen Ausbildung in der

Kultursparte des WDR-Hörfunks zu etablieren.

Doch der Hang zur Rampe ist geblieben. Wenn er

nicht andere auf der Bühne beobachtet, steht er

selbst vor Publikum, u.a. als Ensemblemitglied

von Melange e.V., einem Verein, der Kaffeehäu-

ser als Orte für Literatur und Kleinkunst nutzt.

Verschiedene Programme hat er geschrieben und

trägt sie allein oder im kleinen Ensemble vor.

Gern verarbeitet er dabei aktuelles Tagesgesche-

hen zu Persiflagen auf einschlägige Genrelitera-

tur wie Krimis, Western oder Thriller. Da kämpft

schon mal die Mafia auf dem Hühnerhof und es

kommt zum Angriff der Killerküken. „Das sind

unterhaltende Sachen – nicht zu anspruchsvoll,

aber auch nicht zu blöde.“

Wie kommt man mit zwei konträren Rollen klar –

einmal Kritiker zu sein, und dann wieder selbst

Darsteller? „Mit Schauspielern fühle ich mich schon

eher solidarisch, da werde ich nur böse, wenn ich

merke, dass sich jemand nicht genug Mühe gibt.

Viel mehr schlage ich auf Regisseure ein.“ Seine

durchweg positive Grundstimmung kommt auch

den Kritiken zugute. Häme und Gehässigkeit fin-

det man darin nicht, sondern fundierte Argumen-

te, die zeigen, dass er sich mit einer Inszenierung

beschäftigt hat. „Die Theaterleute unter sich ge-

hen viel härter miteinander um.“

Die scheinbar permanent gute Laune bringt ihm

manchmal den Vorwurf ein, er lebe in einer Son-

nenscheinwelt. Dabei ist er ganz gut geerdet, seit

er seinen Zivildienst in der Altenpflege leistete.

„Ein alter Herr fiel mir tot in die Arme, so etwas

vergisst man nicht.“ In dieser Zeit hat er mehre-

re Menschen in den Tod begleitet, sodass er die

Scheu vor dem Tod ablegen konnte. „Tod ist etwas

Menschliches, es endet doch für uns alle.“

Stefan Keim kann den Tod als Teil des Lebens

betrachten, ihm positive Seiten abgewinnen. Als

Kulturexperte ist er in ständiger Rufbereitschaft

bei Todesfällen prominenter Künstler, so war es

etwa bei Peter Zadek und Christoph Schlingen-

sief. Wie schwer fällt so ein Nachruf, wenn man

selbst trauert? „Ich kann die Trauer gut ver-

schieben. Erst ist da ein kurzer Schockmoment,

dann geht es professionell los.“ Seine Spezialität

sind Nachrufe, bei denen man lachen kann. „Dar-

an habe ich tatsächlich Freude. Ich will klar-

machen, was uns diese Leute gebracht haben,

warum sie so toll waren.“ Auch kürzlich hatte

er dazu wieder Gelegenheit, als er für Deutsch-

landRadio Berlin die verstorbenen Künstler des

Jahres 2012 Revue passieren ließ. (biru)

INFO

Am 8.2.2013 im Fletch Bizzel, Dortmund:

Stefan Keim & Winfried Fechner

Schmand des Lächelns – Eine Reise durch

das Leben auf den Flügeln der Operette

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06 NEUES VON BODO | www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev

bodo ist für Sie da

Geschäftsleitung

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Redaktion und

Öffentlichkeitsarbeit

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Vertrieb

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bodos Bücher

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bodos Bücher Online

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Transporte und

Sachspenden

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montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr

unter dieser zentralen Rufnummer:

0231 – 950 978 0

Mail: [email protected] | Fax: 0231 – 950 978 20

Oder Sie besuchen uns:

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

Mo., Mi. u. Fr. 14 – 17 Uhr

Di. u. Do. 10 – 13 Uhr

Unsere – und Ihre – Taschen sind da! Dank einer Firmenspende und der großartigen Kooperation mit Jens Christof Micheel von RuhrGepäck be-kommen unsere Verkäufer nun wetterfeste und unverwüstliche Umhängetaschen!

Noch besser: Weil uns Taschen und Design (das

stammt von unserem Grafiker Andre Noll) so gut ge-

fallen, haben wir weitere Taschen in Auftrag gege-

ben, die wir ab sofort im Dortmunder Buchladen und

in der Bochumer Anlaufstelle anbieten.

Die Taschen gibt es in zwei Größen mit mehreren

ähnlichen Motiven zur Auswahl. Sie sind aus ech-

ter LKW-Plane, haben ein Innenfach mit Reißver-

schluss und einen Schultergurt aus original Auto-

sicherheitsgurt. Mit den Taschen lassen sich nicht

nur Straßenzeitungen knick- und regensicher trans-

portieren: Das Modell „Leisure“ ist groß genug für

DinA-4-Blöcke, „Cargo“ hat Platz genug für große

Ordner, Ihre Einkäufe, usw.

Sie erhalten die Taschen in unserem Dortmunder

Buchladen und der Bochumer Anlaufstelle und bei

unseren Info- und Buchständen – günstiger im

Vergleich zu identisch ausgestatteten RuhrGepäck-

Taschen!

bodo zum Umhängen Gute Geschichten

Im Januar läuft sie noch, unsere Spendenaktion „Gute Geschichten“: Menschen auf den Weg zu bringen, ihnen die Gelegenheit zu geben, neues Zu-trauen in die eigenen Kräfte zu gewinnen – das ist unsere Arbeit, und sie schreibt „gute Geschichten“.

Mehr als 100 Frauen und Männer, die das Straßenma-

gazin verkaufen, betreuen wir zurzeit. Inzwischen

kommen immer mehr Menschen in Not zu uns. Viele

sind verzweifelt, doch alle haben den Wunsch, ihr

Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Sie können dabei helfen: Ermöglichen Sie uns, unsere

Beratungsangebote auszubauen und die Kontinuität

unserer Hilfen sicherzustellen. Denn Obdachlosigkeit

und Armut sind kein Schicksal. Der Weg aus der Krise

kann lang sein, aber wir helfen dabei, ihn zu gehen.

Wir freuen uns über jede Unterstützung, auch kleine

Spenden helfen. Wenn Sie lieber selbst Hand anlegen:

Unser Projekt Ehrenamt freut sich auf Ihre Mitarbeit,

zum Beispiel bei der Betreuung unserer Verkäufer-

Cafés. Und natürlich sind wir dankbar über Ihre Buch-

und Sachspenden. Vor allem Herren-Winterkleidung

und Kinderkleidung brauchen wir zurzeit dringend.

Mit Ihrer Spende schreiben Sie mit an diesen guten

Geschichten. Herzlichen Dank!

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Am 14.12. wurde groß gefeiert bei bodo. Unse-re Verkäuferinnen und Verkäufer trafen sich mit den MitarbeiterInnen aus den anderen Arbeits-bereichen zu einer Weihnachtsfeier in unseren Dortmunder Räumen.

Ein beeindruckendes Buffet (vielen Dank auch aus

der immer noch satten Redaktion an Buch-Chefin

Suzanne Präkelt), stimmungsvolle Live-Musik durch

unseren Verkäufer Otto, der ganz großartig Trompe-

te spielt, und dick gefüllte Geschenktüten für alle

– das war ein wirklich schöner Abend.

Für unsere Bochumer VerkäuferInnen hatten wir am

Tag vorher schon einen Weihnachtsbrunch ausgerich-

tet, denn einige scheuten die Anreise nach Dortmund

und sollten doch nicht leer ausgehen. So erfuhren die

Bochumer auch als erste von der Weihnachtsüberra-

schung, bei der uns viele, viele SpenderInnen über

die Plattform „Betterplace“ unterstützt hatten.

In den Weihnachtstüten war neben Süßem und

Gesundem auch ein warmer Kapuzenpullover in

leuchtendem bodo-rot. Ideal für die kalte Jah-

reszeit und doch ein „Ganzjahresgeschenk“. Dass

dann am gleichen Tag auch noch unsere neuen

Verkäufertaschen ankamen, war ein wirklich schö-

ner Zufall. Wir bedanken uns herzlich bei allen

UnterstützerInnen.

So viele Veranstaltungen wie im Dezember haben wir noch nie in einem Monat gestemmt, aber un-sere schönen Räume am Dortmunder Schwanen-wall wollen ja auch genutzt sein.

Am vollsten war es bei der Diskussion „In der

Hoffnung auf ein besseres Leben“, die der Euro-

mayday Ruhr bei uns ausrichtete. Gut 50 Gäste

diskutierten mit bodo und dem Madonna e.V. über

die Situation der ArbeitsmigrantInnen aus Bulga-

rien und Rumänien.

Bei uns wurde gelesen, wir waren auf drei Weih-

nachtsmärkten und Partner bei der Migrantenpop

Kinder- und Jugendwerkstatt, einem Projekt des

„Kulturrucksack Dortmund“. An zwei Wochenen-

den waren Kinder zwischen 10 und 12 bei uns, um

sich anzusehen, wie eine Zeitung gemacht wird.

Sogar richtige Interviews haben die Kinder geführt:

„Wir waren an vielen Stellen: Museum, Bäckerei, Ki-

osk, Café, Gemüseladen. Die Leute kamen aus Mazedo-

nien, Balve im Sauerland, Nordstadt, Türkei, Italien.

Wir haben einige Migranten interviewt. Die meisten

Leute wussten, was Migranten sind, aber es gab auch

Leute, die es nicht wussten. Die meisten haben ganz

verschiedene Hobbys und Lieblingsgetränke.“ – Viele

Grüße an unsere Nachwuchsreporter!

Weihnachten bei bodo Lesung, Werkstatt, Diskussion„Zweiter Freitag“ bei bodo

In unserem Buchladen startet am 11. Januar eine neue Veranstaltungsreihe. An jedem zweiten Freitag im Monat jeweils um 19.30 Uhr laden wir ein zu Musik, Lesungen, Kleinkunst und Kabarett zwischen Büchern.

Den Anfang machen Jürgen und Rocco Wiersch mit

einer Akustik-Variante ihres Programms „Blues-

Auffrischung“. Jürgen Wiersch lebt in Dortmund

und schnuppert und genießt seit 1979 Bühnenluft

als Dichter, Schauspieler und Performer. Er ist als

Schriftsteller mehrfach ausgezeichnet und einer

der Pioniere des Poetry-Slam in Deutschland. Sein

Sohn Rocco, Ausnahmegitarrist und regelmäßi-

ger Bühnenpartner seines Vaters, überrascht mit

höchst beeindruckendem Gitarrenspiel und seiner

Reibeisenstimme.

Nächster Gast bei „Zweiter Freitag“ wird am 8. Fe-

bruar der Schauspieler, Regisseur und Autor Markus

Veith sein mit einer Premieren-Werkstattlesung

seines neuen Stücks „Eulenspiegels Enkel“. Der

Aufstieg und Fall eines modernen Eulenspiegel, der

nicht anders kann, als in Reimen zu sprechen, wird

zuallererst bei uns zu erleben sein.

Die Höhe des Eintrittsgeldes bestimmen die Gäste in

Form einer kleinen Spende selbst, warme und kalte

Getränke gibt es gegen Spende.

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09Reportage | von Jens Mayer | Fotos: Andre Noll

Afri-Cola und die Tränen der Ariane

Charles Wilp SpaceWeltraum, Werbung, Wirkung: Wilp. Er ist eine deutsche Werbeikone und der erste Künstler, dessen Werke das Prädikat „außerirdisch“ wirklich verdienten. Seine Geburtstadt Witten präsentiert die Welten von Charles Wilp in ei-ner ungewöhnlichen Umgebung.

Schon aus einiger Entfernung kann Ingrid

Schmidt-Winkeler erkennen, dass etwas schief

gegangen sein muss. Neben dem Parkplatz, auf

dem der Schwertransport mit dem Futuro-Haus

Halt machen musste, um auf die nächtliche Wei-

terfahrt über die gesperrte Autobahn nach Wit-

ten zu warten, kann sie Kräne, Polizei- und ADAC-

Einsatzfahrzeuge sehen. Es ist früher Abend, die

Verkehrsnachrichten raten dazu, das Kreuz Dort-

mund-Witten weiträumig zu umfahren.

Der Witwe von Charles Wilp schwant Böses. Das

vom finnischen Architekten Matti Suuronen ent-

worfene Gebäude mit acht Metern Durchmesser

sollte in zwei Fahrten aus dem ostwestfälischen

Vlotho in die Geburtstadt Wilps transportiert wer-

den. Schmidt-Winkeler selbst begleitet den spek-

takulären Umzug im Schneckentempo mit einem

Kamerateam: „Es war ein sehr aufregender Anblick,

wie es auf den Tieflader kam. Die Fenster mussten

herausgenommen werden, das Standgerüst musste

abgeschweißt werden.“ In den frühen Morgenstun-

den hatte sie den Transporter mit der auffälligen

Ladung verlassen, der sicher auf dem Rastplatz ab-

gestellt werden konnte. Vor Ort wird sie aufgeklärt:

„Wie sich herausstellte, hatte der Fahrer eines spa-

nischen Transporters bei der Auffahrt auf die Auto-

bahn gedacht, es sei ein Ufo gelandet, das Lenkrad

herumgerissen und war umgekippt.“ Glücklicher-

weise gibt es keine Verletzten, auch der Fahrer aus

Madrid kommt mit dem Schrecken davon. Die Pres-

se nimmt den Vorfall dankend auf: „Carambo, Cara-

cho, ein UFO!“ kommentiert der Express am 29. Mai

2010 begeistert. Frau Schmidt-Winkeler muss lä-

cheln. Das passt zu ihrem Mann, dem Werbe-Profi:

„Das hat bestimmt Charles wieder mit beeinflusst,

damit was in die Medien kommt.“

Heute steht das einem afrikanischen „Round-

house“ nachempfundene Gebäude aus Plastik vor

einem alten Pumpengebäude. Die Besucher kön-

nen es besichtigen und sich von der eigentümli-

chen Atmosphäre in dem Bau überzeugen, in dem

der „Werbe-Guru der 60er“ seine Ideen entwickel-

te. Am 15. September 2012 eröffnete der Charles

Wilp Space zum achtzigsten Geburtstag des 2005

verstorbenen Künstlers. Das ist vor allem W. Erik

Böhmer zu verdanken. Der Geschäftsführer der Ei-

senwerke Böhmer und Vorsitzender des Förderver-

eins Charles Wilp Modul hat sich dafür eingesetzt,

den Nachlass des „ersten ARTronauten“ in Witten

präsentieren zu können. Der ungenutzte Teil des

Wasserwerks habe geradezu nach Wilp geschrien,

bestätigt Schmidt-Winkeler: „Mein Mann hat im-

mer schon gesagt, dass die Kunst zum Menschen

kommen muss, Museen waren für ihn nie der Sinn.

Und dann jetzt hin zu den Menschen im Ruhrge-

biet und seiner Geburtstadt – das fand ich eine

schlüssige Sache.“ Während das Märkische Mu-

seum die Fotografien „Sozialliberales Kabinett“

zeigte, startete zeitgleich die Ausstellung „Or-

bital Elements“ in der eigenartigen Umgebung:

„Es hat diesen klassischen Kubus-Schnitt des

Bauhauses“, findet Wilps Witwe. „Ein spannendes

Gebäude, das in sich schon wirkt.“

Fotograf, Werbefachmann, Regisseur, Dirigent

und „Prince of Space“ (Yves Klein) – der 1932 als

Sohn eines Dachdeckermeisters und einer Bau-

Ω Gut gelandet: Das Futuro-Haus vor der ehemaligen

Pumpenstation. Ingrid Schmidt-Winkeler begleitet

unseren Redakteur Jens Mayer in die Ausstellung.

∆ „Orbital Elements“ erwarten den Besucher auf zwei

Etagen. Im Hintergrund das Porträt des 2005 verstor-

benen Multi-Künstlers Charles Wilp.

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erntochter geborene Charles Paul Wilp hatte viele

Professionen. In den 1960er Jahren sorgt er mit

dem Konzept eines Werbeklassikers für Aufsehen,

der den Zeitgeist auf den Punkt bringt: „Super-

sexy-mini-flower-pop-op-cola – alles ist in Afri-

Cola“. Sinnlich dreinblickende Nonnen hinter ei-

ner eisigen Scheibe sorgten erwartungsgemäß für

Kontroversen, doch darüber hinaus ist das audio-

visuelle Konzept Wilps programmatisch. Es folgen

weitere Klassiker-Kampagnen für Puschkin Vodka

(„Für harte Männer“) und VW („Er läuft und läuft

und läuft...“). 1970 fotografiert er das erste sozi-

alliberale Kabinett unter Willy Brandt erstmals in

persönlicher Pose. „Human Image“ nennt das Wilp

und fordert damit Politgrößen wie Hans-Dietrich

Genscher und Walter Scheel heraus. Zwei Jahre

später wird Wilps Werbekunst Teil der documenta

5 in Kassel.

In den 80er Jahren heben seine Werke endgültig

ab. Nicht nur, dass seine Arbeiten auf der Raum-

station MIR den Globus umkreisen, neben Wissen-

schaftlern und Astronauten steht Wilp selbst auf

einer Liste, die ihm die Chance in Aussicht stellt,

selbst mit ins All zu fliegen. Doch auch auf der Erde

bleibt er nicht untätig: Er konstruiert einen „Mars-

Penetrator“, mit dem er durch Fernsteuerung in

den Mars-Sand malen will. Zudem stellt ihm die

ESA für seine Arbeit Trümmer der abgestürzten

Ariane 5 zur Verfügung. Auf deren Basis entstehen

einige seiner imposantesten Kunstwerke.

Bis zum April widmet sich Orbital Elements dieser

letzten großen Phase in Wilps Schaffen. „Dann

wird im Pumpengebäude weiter restauriert und

renoviert“, erklärt Schmidt-Winkeler. Vielleicht

werde man „einen richtigen Werbe-Rausch“ er-

sinnen oder die Arbeiten der zahlreichen Weg-

gefährten ihres Mannes präsentieren. Sie könne

sich aber auch eine ganz andere Nutzung des

Gebäudes vorstellen, für Konzerte zum Beispiel.

„Wir wollen kein Wilp-Mausoleum sein. Wir wol-

len Dinge entwickeln, und eine Denkfabrik haben,

in der verschiedenste Bereiche des menschlichen

Wissens aufeinandertreffen. Am liebsten natür-

lich in unserem Futuro-Roundhouse“, erläutert

sie. „Ich möchte gerne diese Wittener Runde,

die schon angedacht ist, nach vorne treiben und

regelmäßige Gesprächskreise veranstalten: Kunst

trifft Wirtschaft, Wissenschaft, Weltraumfahrt,

Religion und Philosophie.“

Im zweiten Jahr strebe man zudem endlich eine

Öffnung des Gebäudes zu den üblichen Museums-

zeiten an, denn momentan ist ein Besuch nur

nach Voranmeldung möglich. „Bislang haben wir

als Verein alles alleine gestemmt, ohne öffentli-

che Mittel, darauf sind wir sehr stolz. Aber wenn

es weitergehen soll und wir uns öffnen wollen,

geht es nicht mehr ohne.“

Zum Abschied gibt sie den Besuchern selbstver-

ständlich eine Flasche Afri-Cola mit auf den Weg.

Dann erzählt sie noch von ihrem Traum, irgendwann

auch einmal das Artmodul Michelangelo: WXLP auf

dem Gelände zu installieren. Die sieben Meter lan-

ge und zwei Meter hohe Röhre, die während der

Millennium-Ausstellung im Berliner Gropius-Bau zu

besichtigen war, als Wilp die Sektion „Weltraum“

verantwortete, sollte als erste Kunstakademie im

Weltraum an die ISS angedockt werden. „Darin gibt

es diese rotierenden Röhren, in denen Spacy Lucy,

die schwerelose Bordärztin abgebildet ist. Wenn

man auf diesem schmalen Steg durch die Röhre

geht, verliert man wirklich die Verbindung zur Re-

alität. Der Körper weiß nicht mehr wo links, wo

rechts, oben oder unten ist. In Berlin sind die Men-

schen reihenweise umgekippt. Deswegen mussten

wir ein Geländer anbringen.“ (jm)

INFO www.charleswilp.org

Ingrid Schmidt-Winkeler vor der großen Fotogalerie. Das Porträt des französischen Malers, Bildhauers und Performance-Künstlers Yves Klein hat ihr Ehemann 1959 fotografiert.

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11NEUES VON BODO | von Sandro Giuri | Foto: Andre Noll

bodo-Verkäufer zeigen das andere BochumSoziale Stadtführung ab dem 19. Januar:

Wie verbringen eigentlich Menschen auf der Stra-ße ihren Tag? Wo halten sie sich auf, welche An-gebote und Hilfen gibt es? Wie sieht die Stadt aus der Sicht der „Menschen am Rand“ aus? Bei bodos sozialer Stadtführung zeigen Verkäufer des Stra-ßenmagazins „ihr“ Bochum.

Bei einem zweistündigen Rundgang gibt es neue

An- und Einsichten zu gewinnen. Entlang des Tages-

ablaufs eines Menschen ohne Wohnung besuchen die

Stadtführer Orte und Einrichtungen, beschreiben ei-

gene Erfahrungen und liefern Informationen zu den

Hilfe- und Selbsthilfenetzen in der Stadt. Sandro Giu-

ri hat sich die Tour vorab einmal zeigen lassen.

Morgens halb elf in Deutschland: „Hey, du musst

Sandro sein“, begrüßt mich Markus in der Bochumer

Ausgabestelle des bodo e.V., Start und Zielpunkt der

sozialen Stadtführung. Bevor es losgeht, gibt es noch

eine heiße Tasse Kaffee zur Stärkung – bei dem Winter-

wetter sicher nicht verkehrt. Vor der Tür fängt Markus

an zu erzählen: Über die Aufgaben des Vereins, das

alltägliche Treiben innerhalb der Anlaufstelle, die Vor-

aussetzungen, um bodo-Verkäufer zu werden, und auch

ein wenig von sich selbst. Dann geht es auch schon zur

nächsten Station, der Beratungsstelle für wohnungs-

lauf eines Obdachlosen“, erklärt mir Markus. Morgens

bodo-Zeitungen holen, dann bei der Wohnungslo-

senhilfe ins Postfach schauen, mittags zum Essen in

die Suppenküche, danach auf einen Kaffee zur Bahn-

hofsmission und im Anschluss die Suche nach einem

Schlafplatz. Hört sich romantischer an, als es ist.”

Das letzte Ziel unserer Stadtführung und direkter

Nachbar der Bochumer Ausgabestelle von bodo ist der

Tagesaufenthalt der Diakonie, auch hier treffen wir

freundliche Menschen, und ich erfahre viel Neues zum

Alltag auf der Straße. Zum Abschluss gibt es ein Ge-

tränk bei bodo und Zeit, über die Fülle von Eindrücken

zu sprechen, die ich auf dieser außergewöhnlichen und

spannenden Tour durch Bochum machen durfte – mit

einem Tourguide, der weiß, wovon er spricht. (sg)

INFO

An jedem 3. Samstag im Monat ist um 11 Uhr Treff-

punkt an der Bochumer Anlaufstelle des Vereins in der

Stühmeyerstraße 33. Erster Termin ist der 19. Januar.

„Teilnahmegebühr“ ist der Kauf eines Straßenmaga-

zins bei unserem Stadtführer. Über eine kleine Spen-

de an den Verein freut sich bodo. Stadtführungen

können auch von Gruppen gebucht werden. Um tele-

fonische Anmeldung wird gebeten: 0231 – 950 978 0.

lose Männer. Marcus erzählt mir von den Problemen,

mit denen Menschen auf der Straße konfrontiert sind,

davon, dass die Beratungsstelle die postalische Anmel-

dung ermöglicht und vieles mehr.

Unser nächstes Ziel ist die Suppenküche – „zum Mit-

tagessen“, sagt Markus grinsend. Doch aus Respekt

enthält die Stadtführung keinen direkten Besuch.

Verständlich – wer möchte schon beim Mittagessen

gestört werden. Markus versorgt mich auch hier mit

den nötigen Infos. Zirka 35.000 Besuche zählt die

Suppenküche im Jahr. Eine Zahl, die hängen bleibt.

Von der Suppenküche geht es weiter zur Bahnhofsmis-

sion. Markus erläutert mir hier bei Kaffee und Speku-

latius, für wen alles die Einrichtung der erste Anlauf-

punkt ist. Frisch gestärkt geht es über den Ostring in

Richtung Stadion. Unterwegs sehe ich links im Fens-

tervorsprung eines Restaurants einen Obdachlosen

schlafen. Vielleicht ist es genau das, was die Stadt-

führung mit Markus bewirkt: einen sensibleren Blick.

Unsere vierte Station ist die Einrichtung SchlafamZug,

die Bochumer Übernachtungsstelle für Jugendliche.

Das Haus ist leuchtend orange, aufgefallen ist es mir

bisher nie. „Bis hierhin ist die Tour wie der Tagesab-

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KULTUR | von Dr. Birgit Rumpel12 RECHT | von Rechtsanwalt René Boyke

Internet:Am Abmahn-Pranger

An dieser Stelle habe ich bereits mehrfach

über Abmahnungen aufgrund von „Internet-

delikten“ gesprochen. Bekanntlich kann das

rechtswidrige Herunterladen nur eines ein-

zigen Liedes oder Filmchens aus dem Inter-

net bereits einige hundert Euro kosten.

Um diese Forderungen durchzusetzen,

gibt es Anwälte, die sich etwas Besonde-

res einfallen lassen. So drohte eine Grup-

pe von Rechtsanwälten regelmäßig damit,

bei Nichtzahlung der in der Abmahnung

geforderten Beträge den Namen der Abge-

mahnten im Internet zu veröffentlichen.

Pikant. Denn die Abmahnungen hatten das

illegale Herunterladen bzw. Anbieten von

Pornofilmen zum Gegenstand. Von einem

Abgemahnten forderten die Anwälte für das

Herunterladen eines Pornofilms aus, bzw.

Hochladen eines solchen in das Internet,

1.286,80 Euro. Bei Nichtzahlung kündigten

sie die Veröffentlichung des Namens des

Anschluss-inhabers an.

Der Abgemahnte wehrte sich dagegen, rief –

peinlich genug – das Landgericht Essen an.

Dieses sah den Abgemahnten in seinem Recht

auf Anonymität verletzt und entschied: „Das

allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst das

Recht einer Person auf Selbstbestimmung.

Dazu gehört auch, in gewählter Anonymi-

tät zu bleiben und die eigene Person nicht

in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen.

Durch die Nennung in einer sog. ,Gegner-

liste‘ würde die Antragsgegnerin mit ihrem

Namen in einer für jedermann zugänglichen

Quelle genannt und dadurch in ihrem Recht

auf Anonymität verletzt.“ Weiter führte das

Gericht aus, was sich jedem aufdrängt: „Dies

gilt vorliegend (...) auch deshalb, weil die An-

tragsstellerin befürchten muss, (...) in ihrem

sozialen Ansehen beeinträchtigt zu werden.“

Der Fall zeigt deutlich, dass bei Abmahnun-

gen im Urheberrecht mit harten Bandagen

gekämpft wird. Niemand will ernsthaft Ur-

heberrechtsverstöße ignorieren. Allerdings

ist es völlig unangemessen, jedem, z.B. im

Rahmen einer Google-Suche, bekannt zu ma-

chen, dass der Nachbar oder Arbeitskollege

angeblich Delinquent einer Urheberrechts-

verletzung ist. (rb)

www.kanzlei-boyke.de

Ein paar unscharfe Fotos auf seinem fabrik-neuen iPhone brachten den Autor Mike Daisey dazu, über die Herstellung von Mobiltelefonen nachzudenken. Die Ergebnisse seiner Recher-chen und die Reflektion über das eigene Kon-sumverhalten schrieb er in einem Monolog auf, der im Schauspiel Dortmund gerade Deutsch-landpremiere feiert.

„I‘m honored to be here today“, tönt es wieder

und wieder aus Lautsprechern, während die letz-

ten der ca. 80 Zuschauer ihre Plätze im Studio

einnehmen, nicht in nummerierten Stuhlreihen,

sondern auf bunt gemischten Sitzgelegenheiten

aller Art, arrangiert zu lockeren Sitzgruppen.

Das Publikum ist Teil der Bühne, umrahmt von

schlichten Kulissen, die verschiedene Szenerien

andeuten, sowie Requisiten, die an die Anfänge

des Computerzeitalters erinnern.

„Es ist mir eine Ehre, heute hier zu sein“, mit die-

ser Floskel begann Steve Jobs 2005 seine berühmt

gewordene Rede vor Absolventen der Universität

Stanford. Heute ist er, der im Oktober 2011 starb,

zwar nicht dabei, aber doch sehr präsent. Denn

es geht um seine Geschichte, die untrennbar mit

der Apple-Firmengeschichte verwoben ist. Anders

als in Stanford folgen im Studio am Dortmunder

Schauspielhaus keine biografischen Erzählungen

des Apple-Gründers, sondern der Monolog „Die

Agonie und die Ekstase des Steve Jobs“ des ameri-

kanischen Autors Mike Daisey. Verkörpert wird die-

ser in der deutschsprachigen Erstaufführung von

dem Schauspieler Andreas Beck, der den 90minüti-

gen Monolog so authentisch präsentiert, dass man

sich in einer ganz privaten Unterhaltung wähnt.

„In meiner Jugend war ich Leistungsschwimmer,

da habe ich gelernt, die Langstrecke einzuteilen“,

verrät er nach der Vorstellung.

Mit seiner beeindruckenden Präsenz nimmt Beck

die Zuhörer mit hinter die Kulissen der modernen

Kommunikationswelt und zeigt ihnen, wo wir heu-

te angekommen sind: Besitzer mobiler Endgeräte

sind zu reinen Nutzern degradiert, quasi entmün-

digt. Mit immer schnelleren Produktzyklen und

Updates sowie unverzichtbaren Apps werden sie

an ihren Anbieter gekettet, neue Produkte werden

als Innovationen verkauft, die sich bei näherem

Hinsehen als Rückschritt entpuppen. Spätestens

jetzt geht ein bestätigendes Nicken durch das Pu-

blikum. Das kennt man irgendwie, man weiß es ja.

Daisey beschreibt seine Recherchereise ins

chinesische Shenzhen, den Ort, an dem nahezu

die gesamte Weltproduktion an Elektronikgeräten

angesiedelt ist. Auch der Elektronikhersteller

Foxconn produziert hier – unter anderem für

Apple. Foxconn geriet 2010 in die Schlagzeilen,

weil das Unternehmen nach einer Reihe von

Mitarbeiterselbstmorden Fangnetze zwischen

den Gebäuden installieren ließ. Daisey versuchte,

mit Arbeitern ins Gespräch zu kommen, was von

Sicherheitskräften vereitelt wurde.

Schöne fiese Apple-WeltAuseinandersetzung mit einem Weltveränderer

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fürchteten zunächst den Ausbruch eines

neuen Krieges.

Wirklich tragisch endete ein frühes Expe-

riment mit Konservennahrung für die Teil-

nehmer einer mit modernsten Mitteln der

Zeit ausgestatteten Polarexpedition. Bis

gegen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde

Pökelfleisch auf Schiffen eingelagert. Die

neuartigen Dosen für Sir John Franklin und

seine Mannen versprachen eine Revolu-

tion in Sachen Verpflegung, wurden aber

unglücklicherweise mit giftigem Lötblei

versiegelt, welches allmählich und unbe-

merkt das Bordessen kontaminieren sollte.

Niemand überlebte die Reise ins Eis.

Natürlich haben sich trotz dieser Fehl-

schläge Konserven durchsetzen können,

und der Einzug von Kühlschränken und

-truhen in den Haushalt erspart einiges

an lästiger Arbeit. An kandierte Hage-

butten jedoch kommt man mit solcher

Technik nicht.

Aber so: Halbieren und entkernen Sie

500 g harte Hagebutten. Kochen Sie die-

se mit 300 g Zucker in 250 ml Wasser kurz

auf, lassen Sie alles auf kleiner Flamme

bei geschlossenem Deckel etwa 5 Minu-

ten köcheln. Warten Sie 24 Stunden und

schütten Sie alles in ein Sieb. Nehmen

Sie vom entstandenen Sirup 250 ml und

kochen ihn mit 125 g Zucker wieder kurz

auf. Geben Sie die Butten zur heißen

Flüssigkeit. Weitere 24 Stunden warten

und am dritten Tag wie am zweiten ver-

fahren. Lassen Sie am vierten Tag die

wiederum gesiebten Hagebuttenhälften

bei geringer Hitze im Herd oder in einem

Dörrapparat trocknen. Kandierte Butten

eignen sich zum Süßen von Tee oder

Würzen von Gebäck. Waschen, trocknen

und verwahren Sie die vielseitig nutzba-

ren Kerne. Und schütten Sie nie den Si-

rup weg! Aufgegossen

mit Sekt schmeckt er

phantastisch. (wk)

wildkraeuter.bodo/25_hagebutte.4/2011 war ein gutes Jahr, Vogelbeeren zu

suchen. 2010 gab es enorm viele Schle-

hen. Letztes Jahr lief es mit Weißdorn

super, Schlehen und Vogelbeeren blie-

ben rar. Hagebutten gibt es immer. Ab

September und weit ins neue Jahr hin-

ein, wenn an anderen Sträuchern längst

nichts mehr zu holen ist. Ein Loblied

also auf den fein schmeckenden Vitamin-

spender und mit der ersten Wildkräuter-

kolumne 2013 der Vorschlag, die leckere

Scheinfrucht mal kandiert zu versuchen.

Kandieren ist eine faszinierende, leider

aus der Mode gekommene Methode, Obst

oder Gemüse haltbar zu machen.

Lebensmittel konservieren zu können

war oft von essentieller Bedeutung. Wie

die Verfahren selbst wurden Geschichten

dazu überliefert, darunter Komisches,

Tragisches oder Skurriles.

Von Surströmming beispielsweise, einer

Art schwedischer C-Waffe. Vergorener

Fisch. Eine Spezialität, deren unnach-

ahmlicher Geschmack von übelriechenden

Milch- und Aminosäuren geprägt ist, wel-

che selbst in den Konservendosen noch

unvermindert am ollen Hering arbeiten,

weswegen deren Transport aufgrund mög-

licher Explosionsgefahr bei einigen Flug-

gesellschaften strikt verboten ist.

Tatsächlich explodiert sind gegen Ende

des 19. Jahrhunderts Bohnendosen von

Gustav Busch. Der Bruder von Wilhelm

Busch hatte in Wolfenbüttel eine Kon-

servenfabrik eröffnet. Als absehbar war,

dass eine frühe Produktionsreihe ver-

kaufshemmende Mängel aufwies, vergrub

er die Büchsen kurzerhand im Garten.

Unter der Grasnabe begann es bald sur-

strömmingartig zu gären und der Über-

druck jagte die Dinger mit Krawumm in

die Luft. Rasenspren-

gen wörtlich genom-

men; Nachbarn in

Wolfenbüttel

13WILDE KRÄUTER | von Wolfgang Kienast

Schließlich ist Beck beim fragwürdigen Titelhelden

angekommen, dem charismatischen, zwischen Ge-

nie und Wahnsinn pendelnden Steve Jobs, der mit

Apple nicht nur eine Computerfirma, sondern eine

Philosophie mit religiösen Zügen begründet hat.

Mit der ihm eigenen Duplizität von Designfreak und

knallhartem Geschäftsmann hat er nicht nur Apple

seinen Stempel aufgedrückt, sondern später auch

Unternehmen wie Pixar erfolgreich gemacht. An-

gesichts der an Kontrollwahn grenzenden Akribie,

die Jobs nicht nur sich selbst, sondern auch seinen

Mitarbeitern abforderte, stellt Daisey die Frage, ob

die Apple-Manager wirklich nichts über die Arbeits-

bedingungen in den chinesischen Fabriken wissen,

wenn doch die Herstellung auch Bestandteil des

Produktdesigns ist.

Apple und Steve Jobs stehen im Fokus, weil sie

Vorreiter und konsequenteste Vertreter einer

Produktphilosophie sind, die das moderne Leben

weltweit nachhaltig beeinflusst haben. „Wenn Du

das Konstrukt beherrschst, mit dem die Menschen

leben, beherrschst Du sie,“ wird Jobs zitiert, und

man wird schlagartig an Orwells 1984 erinnert.

Ist das nun Theater? Man kann es journalistisches

Theater nennen. Daisey selbst ist Technikfreak und

traditioneller Apple-Nutzer, der beschreibt, wie er

seine Unschuld verlor. Der Monolog soll nicht als

Boykottaufruf gegen Apple verstanden werden, der

Appell des Autors ist eher ein wirtschaftsethischer:

Wir sollen unsere blinden Flecken erkennen und

überlegen, warum wir nicht sehen wollen, was doch

offensichtlich ist. (biru)

INFO www.theaterdo.de

Download des Monologs: www.mikedaisey.blogspot.de

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Srebrenica –vergessene Stadt Ein Dortmunder zurück in Bosnien

INTERVIEW | von Bastian Pütter | Fotos: Dirk Planert

Dirk Planert ist freier Journalist und war 14 Jahre lang eine der Nachrichten-stimmen des Dortmunder Lokalradios 91.2. Von 1992 bis 1994 riskierte er als humanitärer Helfer in den Balkankriegen sein Leben und fuhr mit seiner eige-nen Hilfsorganisation Medikamente und Lebensmittel durch die Kampflinien. Nun ist er zurück nach Bosnien gegangen, wieder um zu helfen.

Srebrenica ist eine vergessene Stadt, dabei ist ihr Name den meisten geläufig. Wer

über Srebrenica spricht, meint den Friedhof. Im Juli 1995 wurden hier mehr als

8.000 Jungen und Männer unter den Augen der UN-Blauhelmsoldaten ermordet und

in Massengräbern verscharrt. Das systematisch geplante Massaker ist das schwerste

Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Das Leid brachten die Balkankriege schon vorher über die Region. Als der junge Stu-

dent Dirk Planert 1992 vor dem Hörsaalgebäude ein Flugblatt in die Hand gedrückt

bekam, beschloss er kurzerhand: „Es gibt zwei Probleme. Das erste kann ich nicht lö-

sen: Es ist Krieg. Das zweite ist ein logistisches: Dort fehlen Medikamente, Lebens-

mittel, Kleidung – alles ist hier vorhanden. Man muss es nur eine Brücke bauen.“

»Logistik ist alles«

Zwei Wochen später fuhr er einen ersten LKW nach Rijeka. Er gründete einen Verein,

und nach drei Monaten gab es in Deutschland 32 Aktionsgruppen mit rund 400 Eh-

renamtlichen. In Rijeka kamen ab November 1992 die LKW an und von hier aus fuhr

Planert alleine Touren ins Kampfgebiet. „Es hatte sich bald an der Adriaküste herum-

gesprochen, dass wir helfen können. Ich fuhr gezielt die Städte und Krankenhäuser

an mit den Dingen, die dort konkret fehlten. Logistik ist alles.“

Im März 1993 die nächste Eskalation: Kroaten und bosnische Muslime erklärten einander

den Krieg. Planert zieht weiter ins kroatische Karlovac. In der dortigen Kaserne waren

2.600 Menschen untergebracht, die das Rote Kreuz aus serbischen Lagern herausgeholt

hatte. „Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen versorgte nur die Kriegsgefan-

genen, aber da waren Frauen und Kinder. Wir brachten Babynahrung, Windeln, Kleidung.“

»Schritt für Schritt an die Hölle herangetastet«

Eines Tages hielt auf dem Marktplatz ein ehemaliger Post-LKW und ein Deutscher

stieg aus, er kam aus dem bosnischen Bihac, einem der Kessel, in denen serbische

Verbände bosnische Verteidiger, Zivilbevölkerung und Flüchtlinge eingeschlossen

hatten. Ein Kessel wie später Srebrenica. Die Lage in der eingeschlossenen Stadt war

dramatisch, Planert entschied zu helfen. „Ich hab mich Schritt für Schritt an die

Hölle herangetastet“, sagt er.

Alle acht Wochen lenkte er einen Konvoi nach Bihac, durch die Frontlinien. Ein

25jähriger mit schmalen Schultern auf einem bemitleidenswert alten Hanomag-LKW,

bemalt mit Herzen: „An den Checkpoints nahmen die mich nicht für voll und lie-

ßen mich passieren. Dazu habe ich zwei Jahre lang konsequent meine Neutralität

gewahrt und auch an Krankenhäusern in der serbisch besetzten Kraijina gehalten.“

Als im Februar 1994 die serbische Offensive begann, war Planert für zwei Wochen in

der Stadt. „Ich saß mit Flüchtlingen, die nichts zu essen hatten, in Wohnungen und wir

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haben auf die Granaten gehört. Man erkennt am Geräusch, wie nahe die Granate kommt.

Irgendwann war es so eng, dass sicher schien, die Serben brechen durch. Alle Männer ab

16 gingen an die Front gingen, ich blieb mit Flüchtlingen, Frauen und Kindern im einzi-

gen dreistöckigen Haus, stand hinter der Tür und wartete auf den ersten Tschetnik. Das

war die schlimmste Zeit. Da war ich relativ sicher, dass ich diesmal nicht zurückkommen

würde. Wäre Bihac gefallen, es wäre das selbe geschehen wie in Srebrenica.“

»Wunden der Seele verheilen langsamer«

Zurück in Deutschland ist er nicht mehr derselbe. „Es ist aus meiner Sicht nicht mög-

lich, sich längere Zeit in einem Kriegsgebiet aufzuhalten, ohne das zu bekommen,

was man allgemein ein Kriegstrauma nennt. Wir haben das alle. Egal ob Flüchtling,

Soldat oder humanitärer Helfer. Man kann lernen, damit zu leben.“ Bestimmte Gerü-

che und bestimmte Geräusche und das Gefühl sei da. Feuerwerk zum Beispiel oder

das Zuschlagen von Autotüren und der kurze Überdruck dadurch.

Das Erlebte schiebt er beiseite. „Schwierig war der Umgang mit meinen Freunden

hier“, gibt er zu, er habe mehrere Jahre gebraucht, Probleme, die man hier hat,

wieder als solche zu akzeptieren. „Bis heute habe ich Instinkte, die mir damals

das Leben gerettet haben. Wenn Granaten kommen, hat man einen Herzschlag lang

Zeit, den Kopf einzuziehen. Das bekommt man nicht raus. Ich hab einen Freund, der

Soldat in Kroatien war, wir können darüber sehr gut reden – sonst ist man damit

natürlich allein.“ Und leiser: „Wunden der Seele verheilen langsamer.“

»Es stimmt nicht, dass man nichts machen kann«

Bereuen möchte Planert die Jahre auf dem Balkan nicht. „Ich habe wunderbare Men-

schen kennengelernt und bewiesen, dass es nicht stimmt, dass man nichts machen

kann“, sagt er ernst. „Wir haben fast eine halbe Million Mark Spenden gesammelt

und Medikamente im Wert von mehreren Millionen Mark von Pharmafirmen bekom-

men, weil wir denen nicht gesagt haben, wir sind eine kleine Studentenorganisation,

sondern: Wir sind die einzigen, die reinkommen, und wir brauchen genau für dieses

Krankenhaus genau das für genau diese Kinder.“

Erst seit einiger Zeit beschäftigt er sich wieder mit der Region. „Für einen Schulvor-

trag musste ich Fotos heraussuchen. Die lagen seitdem in meinem Keller. Ich hatte

sie nicht mehr angesehen, das konnte ich nicht.“ Einige dieser Bilder postete er bei

Facebook, sie wurden Facebook-Freunden aus Bihac geteilt. „Auf einmal meldete

sich eine Frau aus Chicago, 35 Jahre alt. Eines der Kinder, die damals hinter meinem

LKW gestanden haben. Sie schrieb: ,Du warst unser Engel. Du hast uns gezeigt, dass

wir noch ein Teil der guten Welt da draußen sind.‘“

Einer der Gründe für eine erneute Reise, diesmal im Frieden. Im Oktober besuchte Pla-

nert Bosnien – als Journalist. Bei den anstehenden Wahlen durften zum ersten Mal die

im Ausland lebenden Bosnier nicht wählen. Vor dem Krieg lebten im Bezirk Srebrenica

36.000 Menschen, davon 80 Prozent Bosniaken. Heute sind es ungefähr 11.000, zwei

Drittel Serben. „Hätte ein Serbe gewonnen, wären die Geschichtsbücher umgeschrieben

worden“, sagt Planert. Die westlichen Medien interessierten sich nicht für die Wahl.

Doch Planert hatte noch einen anderen Grund, zurückzukehren. Unter Lebensge-

fahr hatte er Kinder aus dem Kriegsgebiet geschmuggelt. Alan, den er damals nach

Deutschland brachte, wo er drei Jahre bei Planerts Eltern lebte, bis er zurück konn-

te, erwartete ihn. „Ich landete in Sarajevo, er stand am Flughafen und wir holten

gemeinsam seine Tochter vom Kindergarten ab. Alan hat eine Familie, einen guten

Job – ich war so glücklich, das zu sehen.“

∆ Vorherige Seite: Trauernde Frauen in Srebre-

nica. Das Vorlesen der Namen der Opfer auf den

Gedenktafeln dauert einen Tag.

¬ Dirk Planert schmuggelte den damals 14jäh-

rigen Alan aus dem Kriegsgebiet. Heute lebt

Alan mit seiner Familie wieder in Bosnien.

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»Die Lebenden hat man vergessen«

In Srebrenica ist Planert zum ersten Mal. Als die bosnische Enklave 1995 fiel, war er

in Deutschland: „Ich saß vor dem Fernseher, versteinert, die ganze Nacht.“ Die Hoff-

nungslosigkeit, auf die er jetzt trifft, schockiert ihn. 80 Prozent der Menschen sind

arbeitslos, niemand will in der Stadt des Massakers investieren. Und wer keine Arbeit

hat, wird nicht heiraten, es leben auffällig wenige Kinder in Sebrenica. Die Armut hin-

gegen ist sichtbar: „Alte Menschen, die sich verschimmeltes Brot aus Müllcontainern

holen, habe ich viele gesehen.“

In der einzigen Kneipe mit jungem Publikum besucht er eine Geburtstagsfeier, freut

sich über die ausgelassene Stimmung. „Und nach ein paar Minuten wird mir klar, dass

sie alle dabei waren. Alle. Wer in dieser Stadt älter ist als 17 Jahre, war entweder in

Potocari bei der Selektion dabei oder ist in Richtung Tuzla über die Berge geflüchtet.“

Oberflächlich funktioniert das Zusammenzuleben. Jeden Tag treffen sich Serben und

Bosnier, die wissen, dass sie jeweils Soldaten waren. Über den Krieg wird nicht gespro-

chen. Srebrenica gehört zur Republica Srbska, die Polizeifahrzeuge tragen serbisch-

kyrillische Schrift. In Potocari bewachen die Täter die Gräber der Opfer – der Polizei-

chef selbst hingegen ist ein Moslem. „Einmal im Jahr ist Srebrenica voller Menschen“,

sagt Planert, „wenn man der Toten gedenkt. Nur die Lebenden hat man vergessen.“

»Dieser Verzweiflung etwas entgegensetzen«

Planert lernt Avdo kennen, einen 40jährigen Bosnier, der nach dem Massaker zurück-

gekehrt war in die entvölkerte Stadt: „Hier sind meine Freunde, hier liegen unsere

Toten, natürlich lebe ich hier.“ Nach seinen Träumen gefragt verneint er, man könne

nichts machen. Planert ist hartnäckig und Avdo erzählt, dass er Bäcker gewesen sei

und dass es in Srebrenica keine Bäckerei gebe.

„Diese Hoffnungslosigkeit, gepaart mit dem Schmerz des Krieges hat dazu geführt,

dass ich in diesem Moment die Entscheidung getroffen habe“, sagt Planert. Aus dem

Journalisten wird wieder der humanitäre Helfer. „Ich wollte dieser Verzweiflung etwas

entgegensetzen. Wir werden eine Bäckerei bauen. Die Genehmigung der Gemeinde

Srebrenica liegt vor. Ich besorge die Maschinen. Wir brauchen etwas Geld, um den

Laden einzurichten und für die ersten Wochen Einkauf und Material.“

Sieben Arbeitsplätze wird das Projekt schaffen. Mit Avdo ist vereinbart, dass er nicht,

wie bei vielen Entwicklungsprojekten üblich, einen Mikrokredit zurückzahlt, sondern

stattdessen vom ersten Tag an mehr Brote backen wird als verkauft werden können.

Jeden Abend sollen die Überschüsse an die Rentner, die sich keine Lebensmittel leisten

können, kostenlos abgegeben werden. „Das heißt: Wir machen ein Projekt und erreichen

damit viele Menschen. In dieser Situation geht es nicht um Hilfslieferungen, sondern

darum, den Menschen, die etwas tun wollen, die Möglichkeit dazu zu geben.“

Gleichzeitig erhält das Krankenhaus von Srebrenica einen Anbau mit einer Kinder-

station. Bisher gibt es nur eine Ambulanz, Patienten transportiert das Hospital mit

einem Fiat Panda. Ein Bus wird benötigt und ein neues Labor. Planert spricht vom

Stein im Wasser, der Kreise zieht. Es geht um Kontakte, Multiplikatoren und wieder

ist das Zauberwort Logistik. „Nebenbei“ hat er ein Ultraschallgerät von Duisburg nach

Bihac ins Krankenhaus vermittelt.

Besonders wichtig ist ihm, dass alle Projekte multiethnisch sind: „Das Haus wird von

Serben und Muslimen gemeinsam gebaut, in der Bäckerei werden Serben und Muslime

zusammenarbeiten, und ich werde kein Projekt unterstützen, in dem das nicht so ist.

Gemeinsam oder gar nicht.“ (bp)

INFO Help Srebrenica e.V. | www.facebook.com/helpsrebrenicaev

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Wie arm ist das denn?

Es war die Zeit der Armutsberichterstattung.

Vor Weihnachten pilgerten Journalisten wie

jedes Jahr in Suppenküchen und Sozialkauf-

häuser und kurz getaktet trudelten die statis-

tischen Erhebungen und Armutsberichte ein.

Die Befunde sind deutlich, auch wenn die

Bundesregierung in ihrem Bericht alles ver-

sucht, dessen soziale Sprengkraft zu mindern

(s.S. 34). Die Entwicklung im Ruhrgebiet hat

„dramatische Züge“ angenommen, so der Pa-

ritätische. Die Quote der Armutsgefährdung

liegt in Dortmund bei über 24 Prozent und

hat sich seit 2005 um fast ein Drittel erhöht.

Armut ist Thema. Über eine mangelnde Prä-

senz in den Medien kann sich niemand be-

schweren, die Daten sind gut aufbereitet,

„nachrichtenfähig“ und geben gute Schlag-

zeilen ab. Und dann? Wie stets verschwinden

konkrete Lösungsvorschläge so schnell wie

die kurze mediale Aufwallung. Mindestlöhne,

Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze sowie eine

Reform des Wohngeldgesetzes – das schnelle

Gegengift zur steigenden Verarmung auch der

„arbeitenden Bevölkerung“ steht im Schrank.

Auf das Verwässern der Lagebeschreibung

durch die Rede von der relativen Armut

folgt das Sachzwang-Schulterzucken. Na-

türlich ist Armut relativ. Die Menschen, die

hier wirklich hungern, tauchen in den Sta-

tistiken gar nicht auf. Bei den anderen geht

es um zwei einfache Zusammenhänge.

Erstens: Die Armutsentwicklung hat sich

von der Wirtschaftsentwicklung abgekop-

pelt. Wenn es „Deutschland“, „dem Mittel-

stand“ oder „uns allen“ besser geht, hat

das keinen Einfluss auf die Zahl und die

Situation der Menschen in Armut mehr. Das

Bild von der Schere zwischen arm und reich

ist nicht wirklich originell, aber es trifft.

Deutschland geht es gut, abzüglich läppi-

scher 12 Millionen.

Zweitens: Wer arm ist, bleibt es, ob mit

Arbeit oder ohne. Ein immer noch massiv

ungerechtes Bildungssystem, das Armuts-

risiko „Kind“, Leiharbeit, Niedriglöhne und

das Hartz-IV-Regime haben Kreisläufe ge-

schaffen, aus denen Millionen Menschen

nicht mehr herauskommen, so sehr sie sich

anstrengen. Dagegen hilft Berichterstat-

tung nicht. (bp)

NEWS | von Sandro Giuri · Sebastian Sellhorst18 DER KOMMENTAR | von Bastian Pütter

Stromkosten treffen Geringverdiener

Haushalte mit geringen Einkommen

zahlen durch die EEG-Umlage, die zur

Förderung des Ausbaus der erneuer-

baren Energien Teil der Stromkosten

ist, besonders viel für die Energie-

wende. Zu diesem Schluss kommt

einer Studie des arbeitgebernahen

Instituts der deutschen Wirtschaft

(IW) in Köln. Das Grund sei, dass sich

der Verbrauch von Strom auch bei

steigendem Einkommen kaum verän-

dere. Bei den einkommensschwächs-

ten zehn Prozent würden ab dem Jahr

2013 gut 1,3 Prozent des Einkommens

in die Ökostromförderung fließen, bei

den einkommensstärksten zehn Pro-

zent seien es nur 0,2 Prozent. Der

Bundesverband der erneuerbaren

Energien (BEE) kritisierte die Aussa-

gen des IW scharf. Sie stelle den ge-

zielten Versuch dar, die erneuerbaren

Energien für soziale Not in Deutsch-

land verantwortlich zu machen.

„Was die einkommensschwächsten

Haushalte betrifft, ist es schlicht

und ergreifend eine sozialpolitisch

gebotene Notwendigkeit, staatliche

Transferleistungen den realen Le-

benshaltungskosten anzupassen“, so

BEE-Präsident Dietmar Schütz.

SKOTTS SEITENHIEB

Hartz IV nicht nur für Arbeitslose

Bei der „Grundsicherung für Arbeit-

suchende“ steht nicht – wie oft

angenommen – Arbeitslosigkeit,

sondern Hilfebedürftigkeit im Mit-

telpunkt. Zu den sechs Millionen

Empfängern von Hartz IV gehören

auch 1,3 Millionen Erwerbstätige.

Die übrigen 4,3 Millionen Leis-

tungsberechtigten gelten als er-

werbsfähig. Weniger als die Hälfte

dieser Menschen ist arbeitslos. Die

meisten nehmen an arbeitsmarkt-

politischen Maßnahmen wie Weiter-

bildungen oder Ein-Euro-Jobs teil

und gelten daher gesetzlich nicht

als Arbeitslose. Andere erwerbs-

fähige Leistungsberechtigte sind

Auszubildende oder noch Schüler,

befinden sich in der Erziehungszeit

oder pflegen Angehörige. Zudem

gehören zu der Gruppe der sechs

Millionen Leistungsempfänger

auch Angehörige, oft Kinder unter

15 Jahren, die auf Grundsicherung

angewiesen sind. Die Ursachen für

den Bezug von Hartz IV sind sehr

verschieden. Mangelnde Arbeitsbe-

reitschaft gehört meist nicht dazu.

Armutskonferenz fordert Grundgesetzänderung

354.000 Menschen waren im Jahr

2010 wohnungslos. Zu diesem Er-

gebnis kommt eine Schätzung der

BAG Wohnungslosenhilfe. Eine offi-

zielle Zahl gibt es nicht, da amtliche

Statistiken weiterhin fehlen. An-

lässlich des Internationalen Tages

der Menschenrechte fordert Thomas

Beyer, Sprecher der Nationalen Ar-

mutskonferenz, eine Änderung des

Grundgesetzes. „Wir als Nationale

Armutskonferenz fordern von der

Politik, das Menschenrecht auf eine

Wohnung durch einen neuen, eige-

nen Artikel im Grundgesetz zu ver-

ankern.“ Dabei bezieht er sich auf

Artikel 25, Absatz 1 der Allgemei-

nen Erklärung der Menschenrechte.

Dieser beinhaltet das Recht eines

jeden „auf einen Lebensstandard,

der seine und seiner Familie Gesund-

heit und Wohl gewährleistet, ein-

schließlich Nahrung, Kleidung und

Wohnung“. Ein fester Wohnsitz sei

essenziell für die Entwicklung und

das Wohlbefinden eines Menschen

und zudem zwingend erforderlich

bei der Arbeitsplatzsuche oder beim

Beantragen der Lohnsteuerkarte.

Page 19: bodo Januar 2013

19

In Dortmund spielt man den besten Ball, baut die tollste Tanne und veranstaltet die wildestenWahlen. Deshalb musste neulich eine Studie tiefste Verzweiflung auslösen. Ein gewerkschafts-nahes Institut hatte festgestellt, dass die ehemals freie Reichsstadt unter DeutschlandsMetropolen nur einen zweiten Platz einnimmt. Leipzig schlägt Dortmund knapp in SachenArmutsgefährdung.

Das kann der stolze Westfale nicht auf sich sitzen lassen. Spätestens 2015 will man dieSachsen abhängen. Danach wird es schwierig. Denn wenn alle richtig armsind, ist niemand mehr armutsgefährdet.

Auf das Thema sprang auch ein ARD-Magazin an und schickte michals fragenden Mikrofonständer durch die Stadt. Ich schlenderte umden Phönixsee und sprach mit vielen Menschen mit wenig Geld.Das missfiel der Onlineausgabe einer Zeitung. Ich hätte nur diehalbe Wahrheit gezeigt, und außerdem gebe es doch die schöneThier-Galerie.

An dieser Stelle leiste ich Abbitte. So wie jeder Bericht über denBVB darauf hinweist, dass in Dortmund auch Damenfeldhockeygespielt wird, hätte ich mehr über den Boutiquenbunker in derInnenstadt berichten müssen. Hier wird das Armutsproblem gelöst.Der Eintritt ist frei. Wer sich nicht auffällig benimmt, kann sich gratisaufwärmen. Und wenn das Geld für die Edelarmbanduhr nichtreicht, gibt es immer noch dieses irische Kaufhaus. In dem kannman sich für praktisch kein Geld einkleiden, und die verräte-rischen natronbraunen Papiertüten kann man diskret vor denBilligläden in der alten Innenstadt entsorgen.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler ist beim Weglassenklüger als ich. Aus dem Armutsbericht der Bundesregierungließ er einfach Passagen streichen, die auf die zunehmendeKluft zwischen Reich und Arm hinwiesen, womit dasProblem aus der Welt wäre. Vielleicht sollte ich imGegenzug die FDP konse-quent nicht mehr erwähnen.Ich fürchte nur, so einfachgeht das nicht.

Martin Kaysh (Geierabend)schreibt jeden Monat in

bodo für die AWO.

Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Unterbezirk DortmundKlosterstraße 8-1044135 Dortmund0231- 99 340

Unterbezirk Ruhr-MitteBleichstr. 8 44787 Bochum0234- 96 47 70

Unterbezirk UnnaUnnaer Straße 29a59174 Kamen02307- 91 22 10

Je mehr Mitglieder die AWO hat, desto mehr kann sie in der Gesellschaftbewirken. Desto eher kann sie Menschen helfen, die Hilfe brauchen.

Werden auch Sie Mitglied in der AWO!

www.awo-ww.de

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Page 20: bodo Januar 2013

20

Bereits zum 6. Mal präsentiert das Endstation Kino

im Bahnhof Langendreer in der 2. Januarhälfte

das Dokumentarfilmfest Stranger than Fiction;

auch diesmal ist der Großteil der Regisseure zum

Filmgespräch geladen. Auf dem Programm stehen

aktuelle Dokumentarfilme vor allem aus deutscher

Produktion – ein Spektrum ganz unterschiedlicher

Themen und Formen. Zum Beispiel:

Arbeit Heimat Opel von Ulrike Franke und Mi-

chael Loeken portraitiert sechs Jugendliche, die

2009 ihre Ausbildung zum Industriemechaniker

im Bochumer Opelwerk beginnen – gerade im

Zuge der Schließung des Werks in 2016 ein wich-

tiger Film. Im Anschluss gibt es ein Filmgespräch.

Balkan-Melodie portraitiert den mittlerweile

86jährigen Marcel Cellier, der seit über 50 Jah-

ren durch den Osten Europas reist, um musikali-

sche Perlen zu entdecken.

In Heino Jaeger – Look before you kuck be-

gibt sich Gerd Kroske auf die Spuren des vor 15

Jahren verstorbenen, vielleicht unbekanntesten

unter den großen deutschen Komikern: Heino

Jaeger. „Wir haben ihn wohl nicht verdient“,

schlussfolgerte Loriot.

Thomas Heises Film Gegenwart zeigt den anstren-

genden Alltag zwischen Heiligabend und Neujahr

in einem kleinen Krematorium. Geplant ist ein

Gespräch mit dem Kameramann Robert Nickolaus.

The Iran Job – Die ungewöhnliche Geschichte

eines US-Profi-Basketballers in der iranischen

Liga 2008/09 erzählen Till Schauders und Sara

Nodjomi. Im Anschluss ein Filmgespräch.

Where‘s the beer & when do we get paid – die

beiden Filmemacherinnen Sigrun Köhler und Wil-

trud Baier spüren der Frage nach, wie Jimmy Carl

Black, legendärer Schlagzeuger der „Mothers of

Invention“, in ein kleines bayrisches Dorf kommt.

Ab 24.01. Genaue Termine und Uhrzeiten

standen bei Redaktionschluss noch nicht fest.

Endstation Kino im Bahnhof Langendreer

Wallbaumweg 108, 44894 Bochum

Tel. 0234 – 68 71 620 | www.endstation-kino.de

endstation.kino & bodo präsentieren:Stranger than Fiction

Dokumentarfilmfest mit Gästen

20 KINOTIPP | von endstation.kino

NETZWELT | von Sebastian Sellhorst

Über 80 Kilo Lebensmittel wirft jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr in den

Müll. Mehr als die Hälfte davon wäre noch verwertbar gewesen. Diesem Trend

möchte das Projekt foodsharing.de entgegenwirken. Auf der seit einem Monat

existierenden Online-Platform können angemeldete Nutzer Nahrungsmittel, die

sie nicht mehr benötigen, anderen Menschen zu Verfügung stellen. So landet

weniger Essen im Müll und gleichgesinnte Menschen kommen über das Thema

Lebensmittelverschwendung in Kontakt.

Hat man selbst zu viele Lebensmittel im Haus, sei es, weil man zu viel ein-

gekauft hat, der Kühlschrank vor Urlaubsbeginn noch voll ist oder der eigene

Obstbaum mehr Früchte trägt, als man selbst verbraucht, kann man diese auf

der Onlineplattform einer sinnvollen Verwendung zuführen. Nach einer kurzen

Anmeldung mit Name und E-Mail-Adresse kann man auf dem Portal sogenannte

„Essenskörbe“ anlegen. Das sind virtuelle Listen, auf denen man die eigenen

überschüssigen Bestände einträgt. Diese „Essenskörbe“ werden auf einer großen

Karte angezeigt und geben einen Überblick über die Angebote in der eigenen

Nachbarschaft. Mit nur wenigen Klicks können diese angefragt werden. Online

wird ein Treffen vereinbart, an dem die Lebensmittel an ihren neuen Verbraucher

übergeben werden.

Ins Leben gerufen wurde das Projekt Anfang 2012 von einer Gruppe engagierter

Bürger. Mittlerweile kümmert sich ein gemeinnütziger Verein, der gegründet

wurde, als sich immer mehr Unterstützer für die Idee fanden, um das Projekt.

Federführend dabei ist der Journalist und Filmemacher Valentin Thurn, der sich

bereits mit seinem Dokumentarfilm „Taste the Waste“ mit dem Thema Lebens-

mittelverschwendung auseinandersetzte. Bei dem Projekt geht es ihm aber

nicht nur um den unmittelbaren Nutzen, der für alle

Teilnehmer entsteht, sondern auch darum, eine Verän-

derung im Umgang mit Lebensmitteln zu bewirken. „Es

geht mit nicht darum, den einen Salatkopf zu retten.

Ich möchte einen mentalen Wandel in den Köpfen der

Leute in Gang setzen“, beschreibt er seine Motivation.

„Ich möchte, dass das Teilen von Essen wieder etwas

ganz Normales wird.“ (sese)

www.foodsharing.de

Soziales, Kultur, Politik – Jeden Monat stellt bodo ein

Online-Projekt vor, das die Welt ein bisschen besser macht:

Valentin Thurn

Page 21: bodo Januar 2013

21

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Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen und Bücher zu gewinnen.Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an:

[email protected] schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an:

bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund

Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren. Alle Gewinner

werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin.

Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 25.01.2013

18.01. | Get Well Soon | FZW, Dortmund | 2 x 2 Karten

19.01. | Jazzfestival Dortmund | Fritz-Henßler-Haus, Dortmund | 3 x 2 Karten

26.01. | Andrea Badey | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten

29.01. | The 69 Eyes | Zeche, Bochum | 3 x 2 Karten

ab 24.01. | Stranger than Fiction – Dokumentarfilmfest mit Gästen | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten

Schwingungen. Dortmund – Die Musikstadt | Stefan Keim, Didi Stahlschmidt | 3 Exemplare

Kugelpudel | Dibergstraße 2 | 44789 Bochum | 2 Überraschungs-Eisbecher

Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!

Jazzfestival Dortmund

mit Frank Haunschild & Jiggs Whigham & Ack van Rooyen, The Dangerous Kitchen (Zappa Tribute Band), Big Band der Glen Buschmann Jazz Akademie, Freistil, Soulfood Organ Quartett, Messalla, Lu-Künzer-Quartett

und Les Jeunes Bohèmes

Am Samstag, den 19. Januar 2013 ab 20 Uhrim Fritz-Henßler-Haus, Dortmund

bodo verlost 3 x 2 Karten

VERANSTALTUNGEN JANUAR 2013 | VERLOSUNGEN | zusammengestellt von Benedikt von Randow

Page 22: bodo Januar 2013

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FR 04 | 01 | 13

Führung | Mit der Taschenlampe durch die DASA

Angeknipst und mitgemacht bei der DASA-Taschen-

lampenführung. Das Format kombiniert eine „klassi-

sche“ Führung mit Entdeckerfreude. Ausstellungsob-

jekte erscheinen in anderem Licht, verborgene Ecken

stehen plötzlich im Mittelpunkt, und ganz von selbst

erschließen sich neue Perspektiven auf die DASA. Eine

Anmeldung ist erforderlich.

DASA, Dortmund, 20 Uhr (auch 19.01.)

SA 05 | 01 | 13

Party | Neujahrs-Sause

Für alle, die zu Silvester nicht feiern konnten, weg wa-

ren, auf Heimaturlaub sind oder einfach das Bedürfnis

haben, weiter zu feiern, startet die Cosmotopia-Crew

auch 2013 mit einer großen „Neujahrs-Sause“ in das

Jahr. DJ Martini und das Funk Fatal Team versprechen

einen wilden Teppichtanz in der Dortmunder Groß-

marktschänke und wollen eine Rakete aus 60ties &

70ties Funk, Soul, Disco, Swing, Pop Legends und

Breakbeats zünden.

Cosmotopia, Dortmund, 22 Uhr

DI 08 | 01 | 13

Kunst und Kultur | Salongeschichten

Die Teilnehmer erwartet ein Rundgang durch die Aus-

stellung „Altpapier meisterhaft“. 1909 schenkte der

Stadtrat und „Großkaufmann“ Gustav Wiskott dem

Museum der Stadt Dortmund eine 1.640 Blatt um-

fassende Kupferstichsammlung des Malers Engelbert

Seibertz (1813–1905). Die Arbeiten aus dem 16. bis

18. Jahrhundert zeigen vorwiegend Werke der italie-

nischen, niederländischen, deutschen und französi-

schen Schulen. Diese Sammlung liegt seit über 100

Jahren geschützt in den Schränken der Graphischen

Sammlung des Museums und wird zum ersten Mal in

einer großen Ausstellung gezeigt. Eine Anmeldung

ist erforderlich.

Museum für Kunst und Kulturgeschichte,

Dortmund, 14.30 Uhr

MI 09 | 01 | 13

Kleinkunst | Nachtschnittchen

Alle Jahre wieder lädt Initiator und Moderator Helmut

Sanftenschneider im Januar zum Stelldichein seiner

persönlichen Favoriten aus den Shows der vergange-

nen 12 Monate. Dieses Mal dabei u.a. Kristian Kokol,

ein junger Freak, der die Welt mit anderen Augen sieht.

Don Clarke ist ein ‚Natural Born Comedian’. Der in

Hamburg beheimatete Engländer verzweifelt nach 30

Jahren immer noch an den Eigenheiten der deutschen

Sprache. Deutsch als Fremdsprache ist wiederum ein

Spezialgebiet von Frank Fischer. Allerdings kennt sich

der bekennende Hypochonder noch mehr mit Phobi-

en aus. Den musikalischen Schnittchen-Belag liefert

das Trio Wildes Holz. Ihre Mission: Die Befreiung der

Blockflöte vom schäbigen Ruf eines Kinderspielzeugs.

Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr

FR 11 | 01 | 13

Theater | Nach Einlass kein Beginn

Schon bei ihrer ersten Begegnung im Schauspielhaus

Bochum erkannten Marco Massafra und Maximilian

Strestik, ohne auch nur ein einziges Wort auf der

Bühne getauscht zu haben, das schier unerschöpfli-

che Potenzial ihrer komödiantischen Symbiose. Und

nun – nach Jahren getrennten Theaterschaffens – ist

es endlich soweit: Ein Schweizer Aristokrat (Massa-

fra) und ein Pottprolet (Strestik) wagen sich an di-

verse Duoszenen berühmter und weniger berühmter

Komikerpärchen wie Rosenkranz & Güldenstern, Barry

Derril & Darry Berril (aus O'Caseys „Das Ende vom An-

fang"), Abbot & Costello, etc.

Rottstr 5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr

Kleinkunst | Volker Diefes

„Ein Bauch ist schon mal ein Ansatz“, so lautet das Mot-

to von Volker Diefes in seinem „OneManShowKabarett“.

Diefes singt und spielt mit Inbrunst und zeigt, dass gro-

ße Gefühle auch im Kabarett und in der Comedy möglich

sind. Er setzt Bierbäuche gegen Abnehmwahn, Rauch-

verbote gegen Lebensfreude und griffige Wortwitze ge-

gen mediale Bildersintfluten. Dabei bewegt sich Diefes

genau an der Grenze zum Mainstream und schlägt ihn mit

seinen eigenen Waffen. Im Zentrum stehen seine eige-

nen Songs mit Ohrwurmcharakter. Ein Abend zwischen

Eckkneipe und Großraum-Comedy, zwischen hustenden

Regenwürmern und Barack Obama; sehen Sie Diefes

Schau gegen Abnehmwahn und Diätenerhöhung.

Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr

SA 12 | 01 | 13

Theater | Moby Dick

Ein Meister-Roman, den jeder kennt? Nicht wirklich.

Den Titel schon. Die ein oder andere Verfilmung ja.

03 | 01 – 12 | 02 | 13 Geierabend 2013

22 VERANSTALTUNGEN JANUAR 2013

03 | 01 | 13 Der Kontrabass

DO 03 | 01 – DI 12 | 02 | 13

Comedy-Karneval | Geierabend 2013

Zombies auf Zeche! So ein skurriles Szenario kön-

nen nur die Anarcho-Karnevalisten vom alterna-

tiven Ruhrpott-Karneval Geierabend entwerfen.

Unter dem Motto „Ein Zombie hing am Förderseil“ ver-

setzen die Geier vom 27. Dezember bis zum 12. Februar

an 36 Abenden die Zeche Zollern in Ausnahmezustand.

Das brandneue Drei-Stunden-Programm verspricht ein

humorgeladenes Spektakel aus Comedy, Kabarett,

Musik und kohlenschwarzem Ruhrpott-Humor. „Ein

echter Ruhri, der ist ja nicht kaputtzukriegen. Wenn's

sein muss, klettert der auch noch als Zombie aus dem

Schacht.“ Freuen dürfen sich die Zuschauer auf lieb

gewonnene Bühnen-Bekannte: die Kellnerinnen Lilli

und Lotti lassen ebenso Dampf ab wie die AWO-Op-

pas oder die Vorstadt-Philosophen Siegfried & Roy.

Nicht fehlen dürfen „Die Zwei vonne Südtribüne“, die

Nordstadt-FDP in Gestalt des Politiker-Pärchens Udo &

Moni oder Joachim Schlendersack. Dabei gibt es auch

ein Wiedersehen mit dem beliebten Schnöttentroper

Männerchor. Neu im Team ist „der Hauer“, zum Leben

erweckt durch den Hertener Kabarettisten Benedikt

Hahn.

Zeche Zollern II/IV, Dortmund, jeweils 19.30 Uhr

DO 03 | 01 | 13

Theater | Die Ehe der Maria Braun

Geschlossen wird die Ehe der Maria Braun 1943, schon

am nächsten Tag muss ihr Mann wieder an die Front.

Sie währt länger als vermutet, doch zusammen leben

werden die beiden Eheleute nie. Hermann Braun kehrt

nicht aus dem Krieg zurück. So nimmt Maria ihr Le-

ben selbst in die Hand. Sie fordert ihren Anteil am

Wirtschaftswunder, arbeitet dafür mit allen Mitteln,

auch mit den Waffen der Frau. Als Hermann doch

überraschend zurückkehrt und sie mit einem amerika-

nischen Soldaten im Bett erwischt, erschlägt sie ih-

ren Liebhaber. Ins Gefängnis wandert dafür ihr Mann.

Rainer Werner Fassbinder gelingt es, die Geschichte

der frühen Bundesrepublik und ihren Gründungsmy-

thos in einer einzigen Frauenfigur auf den Punkt zu

bringen: Maria Braun ist nicht nur „die Mata Hari des

Wirtschaftswunders“, wie sie sagt, sie ist das Wirt-

schaftswunder selbst.

Kammerspiele, Bochum, 19.30 Uhr (auch 20.01.)

Theater | Der Kontrabass

Mit dem furiosen Monolog eines Kontrabassisten

schrieb Patrick Süskind, der mit „Das Parfüm“ weltbe-

rühmt wurde, seinen einzigen Theatertext: Allein in

seinem Musikzimmer sinniert und flucht der namenlo-

se Orchesterbeamte über sich, seine Arbeit, die Liebe

– und vor allem über sein Leben mit dem größten aller

Streichinstrumente. Ein Soloabend von Ensemblemit-

glied Roland Riebeling.

Theater Unten, Bochum, 19.30 Uhr (auch 20.01.)

Page 23: bodo Januar 2013

23

Den weißen Wal – klar, und Kapitän Ahab, der mit

dem Holzbein. Und dann ist da noch dieser Kannibale

mit einem Schrumpfkopf. Wie bei vielen Klassikern

stellt sich heraus, dass der eigentliche Roman un-

bekannt ist. Bei Moby Dick gilt dies verstärkt. Die

Protagonisten haben das gleiche Problem. Abenteu-

erlustig stürzen sie sich in die Erzählung und erzäh-

len dadurch etwas über das Erzählen. Indem sie Moby

Dick auf der Bühne durchleben, reißen sie das Publi-

kum mit – mitsamt allen Fragmenten der Geschichte

und den großen Erwartungen.

Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr

Theater | Regenschauer – Wie ich starb

Der lebensmüde Ephraim begegnet, als er Selbstmord

begehen will, dem mysteriösen Gent. Dieser überre-

det jenen, noch eine letzte Reise zu unternehmen. So

ziehen beide gemeinsam durch das Land und treffen

die verschiedensten Menschen mitsamt ihren Schick-

salen: Da wären die unnahbare Myri, der von Selbst-

zweifeln zerfressene Tom, die durch das Leben het-

zende Helene und der unscheinbare John. Einem jeden

versucht Ephraim zu helfen, und dabei streift er ihre

Leben wie ein Schatten, der Spuren hinterlässt. Und

so versammeln sich alle Menschen, deren Herzen er

berührt hat, um Abschied zu nehmen.

MZ der Ruhr-Uni, Bochum, 19.30 Uhr (auch 13.01.)

Theater – La Cantina Adrenalina

Der alltägliche Wahnsinn zwischen Probe und Premi-

ere, Abgrund und Adrenalin, Bühnen-Euphorie und

Garderoben-Einsamkeit, zwischen rauschhaftem Er-

folg, der Theatergeschichte schreibt, und Theater-

geschichten, die die Welt bedeuten – von diesem

alltäglichen Wahnsinn lässt sich nicht sprechen, von

ihm muss man singen: Ein Abend mit Musik, der vom

Theater handelt – also vom Leben selbst. „Szene und

Musik wirken an mehreren Stellen famos zusammen.

Ein Höhepunkt: Das Ensemble entwickelt Heinz Er-

hardts „Wenn ich einmal traurig bin“ zu einer Kern-

szene des Hamlet. Deutscher Schlager-Humor trifft

Dada – es bringt den Mut dieser Musik-Revue auf den

Punkt.“ (Ruhrnachrichten)

Schauspielhaus, Dortmund, 19.30 Uhr (auch 25.01.)

DI 15 | 01 | 13

Lesung · Musik | Lavinia Korte und duo aciano

Poesie trifft Musik, beim musikalisch-literarischen

Abend „Schattentango“. Auf dem Programm stehen

neue Texte der Dortmunder Autorin Lavinia Korte,

begleitet wird sie dabei vom duo aciano (Sandra Wil-

helms, Gitarre, und Freya Deiting, Geige). Lavinia Kor-

tes Metier sind Texte, die Suche ausdrücken, „nach der

Welt in mir, nach den Welten in jedem von uns, nach

Begegnung dieser Welten, nach Worten, die Begegnung

ermöglichen“. Im Jahr 2010 stand sie dabei erstmals

mit dem duo aciano auf einer Bühne. Eine Koopera-

tion, aus der sich bald ein festes Programm ergeben

sollte. Geige, Gitarre und Literatur setzten zu einem

musikalisch-lyrischen Dialog an und ließen keine Seite

der menschlichen Emotionen unberührt.

Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

MI 16 | 01 | 13

Kleinkunst | Moses W.

„Meine Mutter wollte immer einen kleinen David Has-

selhoff haben, ich persönlich wollte lieber aussehen

11 | 01 | 13 Nach Einlass kein Beginn 16 | 01 | 13 C. Heiland12 | 01 | 13 La Cantina Adrenalina

wie einer von KISS. Letzendlich war meine Frisur ein

lausiger Kompromiss aus beidem.“ Moses W. liest

Auszüge aus seinem Buch „Das rockt! – Bekennt-

nisse eines Heavy Metal Fans“. Die Geschichte eines

Hard Rock Fans auf seiner Odyssee, sich selber, seine

Musik und den Rest der Welt in einen harmonischen

Dreiklang zu bringen. Dazu gibt es ein Potpourri aus

Kino- und Filmkritiken und akustische Live-Musik.

Der Eintritt ist frei.

Biercafe, Bochum, 20 Uhr

Kleinkunst | C. Heiland

C. Heiland hat neben brillianten Texten, einer aufre-

genden Stimme, Melancholie und aller Boshaftigkeit

den Humor, den das Musikbusiness seit langem braucht.

Seine Band, das „Heidelberger Daumenorchester“, be-

steht aus Sir Toby (Flöten, Tasten, Saxofone), Hörliver

van der Eem (versucht sich am Bass) und Drumbert Del-

Alle Infos kostenfrei

unter 0800.544 00 44

oder www.dew21.de

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Page 24: bodo Januar 2013

24

gardo (Schlagzeug). Manchmal versucht auch noch

einer, Gitarre zu spielen. Beherrschte C. Heiland

nicht auch noch Omnichord, Akkordeon, sprechen-

de Stofftiere und falsche Orgel, würde man von ei-

ner absoluten Unverschämtheit sprechen können.

Und wenn man sich mal kurz erholen muss vom Gip-

fel der Unvollkommenheit, beginnt der Heiland, dem

Publikum seine Gedichte und Geschichten vorzulesen.

Sein aktuelles Programm heißt – nomen est omen –

„Scheiße, ist das schön“.

Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr

DO 17 | 01 | 13

Musik-Revue | Nachttankstelle

Die Tankstelle um die Ecke ist der Ort, an dem sich

die Nachtschwärmer treffen. Und es ist ein besonde-

rer Abend, der da allerlei Volk – in diesem Fall die

Punkerin, den arbeitslosen Seemann, den Philoso-

phieprofessor, den jungen Rapper, die aus dem Au-

gustinum entlaufene Seniorin samt der sie suchenden

polnischen Altenpflegerin, den Betrunkenen von der

Weihnachtsmannvermittlung, die Prostituierte, die

Investment-Bankerin oder gar einen Eisbär – in ihrer

Tristesse vereint: der Heilige Abend. Zeit, einzukeh-

ren, das Jahr Revue passieren zu lassen. Selten sind

die Menschen in ihren Gefühlen so ungeschützt wie

in diesen Stunden. Die alten Rituale helfen da über

manche Verwirrung hinweg.

Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr

(auch 18. & 19.01., 20 Uhr und 20.01., 18 Uhr)

FR 18 | 01 | 13

BODO VERLOSUNG | Get Well Soon

Im August erschien das dritte Album von Konstantin

Gropper, besser bekannt als Get Well Soon. Es hört

auf den knackigen Namen

„The Scarlet Beast O'Seven

Heads – La Bestia Scarlat-

ta Con Sette Teste“ und ist

ganz der großen Kunst der

Cinematographie bzw. der

italienischen Variante davon gewidmet. Dass Gropper,

der in den letzten Jahren ein gefühltes Dutzend Filme

vertont hat und eine komplette TV-Serie in Frankreich

mit Musik ausgestattet hat, dass dieser Künstler nun

sein filmischstes Album ever aufgenommen hat, ist also

nur konsequent. Doch tatsächlich, man ahnt es bereits,

geht es um weitaus mehr. Gropper reibt sich am Welt-

untergangs- und Krisengedöns, stürzt sich mit Roland

Emmerich voller Wagemut in den Abgrund, singt sich

selber Mut zu, arbeitet sich durch das 13.000 Seiten

Werk von Henry Darger und rechnet im Rundumschlag

mit Esoterik, Selbsthilfe, Lebens-Coaching und Kris-

tallschädeln ab. Da kommt was auf uns zu.

FZW, Dortmund, 20 Uhr

bodo verlost 2 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

Theater | Hypergamie – Ich heirate einen Krüppel

Andersfähig, besonders, benachteiligt, physisch ge-

fordert – schnarch. Es gibt Unworte, die bringen Men-

schen mit Beeinträchtigung auf die sprichwörtliche

Palme. Eine körperlich beeinträchtigte Frau und ein

nicht behinderter Mann feiern mit den (Zuschauer-)

Gästen ihre Hochzeitsfeier mit echtem, interaktivem

Hochzeitsbuffet. Die Gäste erhalten Behinderungen

auf Zeit (freiwillige Teilnahme). Mit auffallenden

Prothesen werden sie selbst zu Menschen mit Be-

einträchtigungen und erfahren die Einschnitte im

direkten Versuch. Das Brautpaar eröffnet den Tanz,

Hochzeitsspiele und Brautklau, emotionale wie lusti-

ge Reden über das Paar, der Anschnitt der Torte, das

Hochzeitsessen und die anschließende Party werden

zu kleinen Herausforderung und fördern Verständnis

durch Selbsterfahrung.

Hochschule für Gesundheit, Bochum, 19.30 Uhr

(auch 19.01., im Hardys, Bochum)

SA 19 | 01 | 13

BODO VERLOSUNG | Jazzfestival Dortmund

Auf ein Neues: Das Jazzfestival der Technischen Uni-

versität Dortmund in Kooperation mit dem Fritz-

Henßler-Haus und der Musikschule

Dortmund läuft wieder an: mit sechs

bekannteren Jazzbands (Frank Haun-

schild, Jiggs Whigham und Ack van

Rooyen im Studio, die Zappa Tribu-

te Band The Dangerous Kitchen im

Gartensaal, die Big Band der Glen

Buschmann Jazz Akademie im Studio,

Freistil im Gartensaal, das Soulfood Organ Quartett im

Café und Messalla im Studio), einer Band aus Dortmund

(das Lu/Künzer-Quartett,) die ausgelost wurde, und ei-

ner achten Band (Les Jeunes Bohèmes), bestehend aus

Dortmunder Musikstudenten. Der Top-Act des Abends

ist bestimmt der Auftritt des Trios um den Niederlän-

der Ack van Rooyen mit Jiggs Whigham und dem Köl-

ner Jazzgitarristen Frank Haunschild. Ack van Rooyen

ist bekannt aus dem legendären United Jazz and Rock

Ensemble, und Jiggs Wigham begann seine Karriere im

Glenn Miller Orchestra und der Stan Kenton Big Band.

Weiterhin nehmen folgende Bands am Jazzfestival teil:

Die Frank Zappa-Tribute-Band The dangerous kitchen,

Freistil, Soulfood, Messalla und die Big Band der Glen

Buschmann-Jazzakademie und der TU Dortmund.

Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

24 VERANSTALTUNGEN JANUAR 2013

19 | 01 | 13 Schwanensee 19 | 01 | 13 Trovaci feat. Dr. Ring Ding

Lese-Show | Sträter & Gäste: Ruhrpott meets Hollywood

Der Dortmunder Autor, Slam-Poet und Bühnenzyniker

Torsten Sträter präsentiert seine zweite Ruhrpott-

Hollywood-Lese-Show. Das Konzept: Bekannte Ruhr-

gebietsgesichter und -stimmen treffen auf promi-

nente (Überraschungs-)Künstler des gesprochenen

Wortes. Vorgetragen werden überwiegend lustige

Texte, aus dem Kontext gerissene Kinderbücher und

neue Hollywoodinterpretationen. O-Ton des Künst-

lers: „Die Sau wird auf hohem Niveau rausgelassen“.

Gastgeber Sträter ist Autor, Zyniker, preisgekrönter

Slam-Poet. Sein aktuelles Buch „Der David ist dem

Goliath sein Tod“ wurde bei WDR 2 zum witzigsten

Buch des Jahres 2011 gekürt.

domicil, Dortmund, 20 Uhr

Musik | Trovaci feat. Dr. Ring Ding

Vier Ex-Jugos, 15 Jahre Exil in Deutschland, kombi-

niert mit treibendem Balkan-Ska-Reggae-Punk er-

geben nicht nur eine exzellente Liveband, sondern

stehen auch für selbstironische und sympathisch-

schlitzohrige Texte auf serbisch und deutsch. Seit

2003 wirft die Düsseldorfer Combo einen einzigarti-

gen „balkanisierten“ Blick auf den deutschen Alltag,

auf Gastarbeiterklischees und Herzschmerz-Themen.

„Geballte balkanesische Live-Energie – nicht quat-

schen – tanzen!“ (Asphalt-Festival) Auf der anschlie-

ßenden Globalibre/Afrikanista/Balkan-Party wird

Band-Frontmann Danko Rabrenovic aka „Der Balkani-

zer“ als DJ noch den Anheizer geben. Der Eintritt zur

Party ist für Konzertbesucher frei.

Bahnhof Langendreer, Bochum, 21 Uhr

Ballett | Schwanensee

Wie viele Träume von einer Ballettkarriere dieses Werk

schon gestiftet, wie viele Karrieren der Tanzkunst

„Schwanensee“ begründet und wie viele Laufbahnen

zerstört hat, bleibt für immer ungezählt. Für jeden

Choreographen stellt er eine faszinierende Heraus-

forderung dar und verlangt jedem Tänzer körperliche

und darstellerische Höchstleistungen ab. Mit seiner

Choreographie von Schwanensee (2004) wies Ballett-

direktor Xin Peng Wang in atmosphärisch dichten Bil-

dern und durch eine beeindruckende Tanzsprache dem

Ballett Dortmund jene künstlerische Richtung, die

mittlerweile überregional große Beachtung gefunden

hat. Nun nähert er sich abermals diesem magischen

Werk. „Zehn Minuten stehende Ovationen genossen

die exzellent trainierten Tänzer und Wangs Team nach

zweieinhalb Stunden hoher Danse d’Ecole.“ (WAZ/WR)

Opernhaus, Dortmund, 19.30 Uhr

Page 25: bodo Januar 2013

25

20 | 01 | 13 Addys Mercedes 22 | 01 | 13 Tryo21 | 01 | 13 Vinyl-Café

SO 20 | 01 | 13

Musik | Addys Mercedes

Die aus Kuba stammende Sängerin und Songwriter-

in Addys Mercedes, mittlerweile mit Wahl-Wohnsitz

Ruhrgebiet, steht für kubanische Musik mit traditi-

onellen Einflüssen, irgendwo zwischen Pop und Welt-

musik. Addys warme Stimme schlägt die Brücke zwi-

schen kubanischer Tradition und Indiepop, sie gilt als

Europas renommierteste kubanische Stimme. Auftrit-

te mit Eric Clapton, Bob Geldorf, Juan Luis und Ringo

Starr, belegen dies.

domicil, Dortmund, 20 Uhr

MO 21 | 01 | 13

Vortrag | Warum Hellas der Retter Europas ist

Krisennachrichten aus Griechenland und kein Ende?

Warum Hellas eigentlich der Retter Europas ist, dar-

über referiert der Europaabgeordnete Jorgo Chatzi-

markakis. In seinem Vortrag wird Jorgo Chatzimar-

kakis darstellen, wie die antike Kultur der Hellenen

einst Europa erst möglich machte und warum helle-

nische Werte wie Freiheit, Selbstgenügsamkeit und

direkte Demokratie noch immer bei der Lösung der

heutigen Probleme helfen könnten. Chatzimarkakis

fordert eine Besinnung auf Selbstgenügsamkeit und

Nachhaltigkeit in der Politik, um Europa, aber auch

Griechenland fit für das 21. Jh. zu machen. Der Ein-

tritt ist frei.

Auslandsgesellschaft NRW e.V., Dortmund, 20 Uhr

Lesung · Musik · Lounge | Vinyl-Café

Live-Magazin mit Menschen, Musik und Geschichten

Ab Januar gibt‘s also nun jeden dritten Montag im

Monat veranstaltet vom Endstation Kino und dem

Bochumer Plattenladen DISCover das Vinyl-Café, ein

Live-Magazin mit Musik. Die Gäste sind eingeladen,

eigene Platten zum jeweiligen Thema und ihre Ge-

schichten dazu mitzubringen. Gespräche und Musik

werden ergänzt durch Live-Akustik-Sets, Rezensio-

nen, Musikfilme, Lyrik und alles Denk- und Undenk-

bare, das mit Musik zu tun hat. Als erster Gast, pas-

send zum Thema „Speisen & Getränke in der Musik“,

ist der Bochumer Kulturjournalist und Gastrokritiker

Tom Thelen eingeladen. Der Eintritt ist frei.

Endstation Kino Café, Bochum, 20 Uhr,

DI 22 | 01 | 13

Musik | Tryo

Tryo sind in Frankreich längst eine lebende Legen-

de. Und zwar eine höchst lebendige. Und mit ihrem

neuen Album „Ladilafé“ an Bord gehen sie nun auch

endlich in Deutschland auf Tour. Dabei steckt hinter

ihren smoothen, meist akustischen Reggae-Songs oft

keine simple, leichtverdauliche Message: Es geht um

Politik, um die eigenen Werte, um das Recht, anders

zu sein, und vor allem und immer wieder um Umwelt-

schutz. Tryo kooperieren u.a. eng mit Greenpeace bei

diversen Projekten, und die Umweltorganisation wird

auch ihre Europatour präsentieren. Aber auch musika-

lisch haben Tryo Sinn für Nachhaltigkeit: Von Anfang

an konzentrierte die Band sich nicht einzig und allein

auf den fossilen Brennstoff namens Reggae. Dieser

bleibt dann trotz allen möglichen anderen musikali-

schen Einflüssen die Hauptantriebsfeder. Stets auf der

Suche nach erneuerbarer kreativer Energie wandern

sie wie Globetrotter mit offenen Augen und offenem

Herzen durch die Welt der Musik, während ihre Texte

gleichzeitig fest verankert in ihrem Glauben an Hinga-

be und soziales Miteinander bleiben.

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

MI 23 | 01 | 13

Theater | Batman hält die Welt in Atem

Die „Vereinigte Umwelt“ will die Weltherrschaft

übernehmen. Zu diesem Zweck stehlen der Joker, der

Pinguin, der Rätselknacker und das Katzenweib eine

Erfindung, mit deren Hilfe sie die gesamte Mensch-

heit pulverisieren könnten. Nur zwei sind in der

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Page 26: bodo Januar 2013

26

Lage diesen düsteren Plan zu stoppen: Batman

und Robin! Doch auch die Gegner wissen, was

es heißt, wenn das Rächer-Duo ins Spiel kommt,

und so locken sie die beiden heimtückisch in

eine Falle. Wird es den beiden Fledermaus-Hel-

den gelingen, das skrupellose Verbrechersyndi-

kat rechtzeitig auszutricksen, um so die Welt vor der

drohenden Katastrophe zu retten? Ein Live-Hörspiel

aus der Reihe „Dynamische Duos“.

Rottstr 5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr

Kabarett | Frank Lüdecke

Frank Lüdecke gehört zu jenen politischen Kabarettis-

ten, die „bitterböse und gleichzeitig unendlich char-

mant beweisen, dass man den Spagat zwischen intel-

lektuellem Witz und bester Unterhaltung glänzend

meistern kann.“ (Internetkabarettpreis Zeck). In sei-

nem brandneuen Programm untersucht er die Vorzüge

egoistischer Selbstbedienung und die Gegenmodelle:

Von Jesus Christus über Robin Hood zu Bill Gates und

Hartz IV. Mit wohlkalkulierter Präzision philosophiert

er sich hinauf zu den Grundsatzfragen menschlichen

Zusammenlebens. Ein Soloprogramm mit aktuellen

satirischen Abschweifungen zur Lobbyisten-Demo-

kratie, glückselig machenden Bindungshormonen und

desillusionierten Nasszellendesignern aus Mecklen-

burg. Und mit Musik.

Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr

Musik | Jennifer Rostock

Mit einer Live-DVD hatte die Band Jennifer Rostock

gerade erstaunlicherweise ihren höchsten Chart-Ent-

ry. Die Quintessenz aus dem Erfolg von „Live in Ber-

lin“: Die Band muss wohl dringend wieder auf Tour.

Bevor man sich ins lärmende Kämmerlein zurück-

zieht, um am Material für die neue Platte zu schrau-

ben, gibt es zum Abschied in die Frühjahrspause

noch eine abschließende Klassenfahrt mit Pauken,

Trompeten, Konfetti, jeder Menge Gäste und ganz

bestimmt ohne Lloret de Mar. Doch abgesehen von

Klassikern im neuen Gewand und dem standardgemä-

ßen Entertainmentwahnsinn soll die „*_* Tour 2013“

alles jemals Dargebotente übertreffen. Mit zusätz-

lich zwei glühenden Newcomerbands (Aufbau West

& Heisskalt), die nicht nur das übliche Anheizerpro-

gramm bestreiten werden, und einem DJ (Amokko-

ma), der die sonst so tristen Umbaupausen in tanz-

beinzermarternde Elektrogewitter verwandelt.

FZW, Dortmund, 20 Uhr

DO 24 | 01 | 13

Musik | Herr Meier

Herr Meier singt unter dem hochoffiziellen Siegel „Ruhr-

Rock-Gypsy-Pop“ frisch von der Leber weg über Gott

und die Welt: Ruhrpottcowboys, Telefone, Schwarzfah-

rerinnen, Fußballvereine und auch das miese Wetter.

Die Dortmunder Band experimentiert gern mal mit Pol-

ka, Tango und Gypsy, macht aber vor allem Stücke, die

grooven, mitreißen und ins Blut gehen.

subrosa, Dortmund, 19 Uhr

SA 26 | 01 | 13

BODO VERLOSUNG | Andrea Badey

Andrea Badey, die Kabarett-Lady aus Oberhausen und

kabarettistische Frauenbeauftragte in Sachen Lebens-

komik, zerpflückt in ihrem neuen Pro-

gramm „Wer mit sich selbst fremd geht,

bleibt sich treu“ mit Charme, Witz und

beherzten Liedern die Tiefgründe un-

seres menschlichen und gesellschaftli-

chen Daseins. Kabarettistisch, poetisch

und urkomisch geht Badey mit uns und

mit sich selbst fremd und bleibt sich

doch immer treu. „Wie Andrea Badey ihre Geschichten

erzählt, das ist einfach umwerfend. Frech. Dann wieder

in einem Lied, leise zärtlich. Nur, um im gleichen Moment

wieder die ganz großen Saiten anzuschlagen. Wenn böse

Mädchen in den Himmel und gute nirgendwo hinkommen,

wohin kommt dann eigentlich ,die Badey‘?“ (Westfäli-

sche Rundschau) „Die Lady aus dem Ruhrpott schleift

Kohle zu Diamanten.“ (Süddeutsche Zeitung)

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

Musik | Compania Bataclan

Wer kennt sie mittlerweile nicht, die Compania Bata-

clan aus der Metropole Ruhrgebiet? Über ihr bekanntes

weltmusikalisches Repertoire hinaus wurde ein Hörspiel

namens „Planeta Autonomia“, welches den Focus auf

eine gesellschaftliche Utopie richtet, uraufgeführt.

Tanzeinlagen bei „Sonsonet“, einem afrikanischen,

rhythmusbetonten und percussiven Track, fanden

gleichwohl Zuneigung und Applaus. Die Compania Ba-

taclan ist eine siebenköpfige Band aus Bochum, Witten,

Dortmund, Fröndenberg, Wuppertal. Ihre musikalische

Vielseitigkeit verbindet sich mit politischem Anspruch.

Texte aus eigener Feder oder von Brecht/Weill werden

mit unterschiedlichsten Mixturen unterlegt. Heraus

kommt ein spannender Soundclash; ob Balkan-Klezmer,

französische Musette, Reggae oder Ska – die Compania

tanzt auf vielen musikalischen Hochzeiten - frei nach

dem Motto der amerikanischen Anarchistin Emma Gold-

man „Wenn ich nicht tanzen kann, ist es nicht meine

Revolution.“ Special Guest: Leonie.

Maschinchen Buntes, Witten, 20 Uhr

SO 27 | 01 | 13

Vortrag | György Konrád:

Zum Tag der Befreiung von Auschwitz

Als die Deutschen im März 1944 Ungarn besetzten,

floh der 11jährige György Konrád nach Budapest und

tauchte unter. Aber auch, wer entkam, ist nicht ent-

kommen: „Wichtigster Orientierungspunkt meines

Denkens ist eine polnische Kleinstadt, die das Rei-

seziel meiner Schulkameraden aus der Grundschule

geworden war.“ schreibt Konrád in seinem jüngsten

Werk, 2012 erschienen: „Zufällig bin ich nicht dort-

hin gelangt. Die anderen dagegen entsprechend dem

Lauf der Dinge sehr wohl. In Oswieczim, zu deutsch

Auschwitz, hätte ich vernichtet werden sollen. Das

Unglück, dass meine Eltern vor der Deportation ver-

haftet worden waren, erwies sich als unser lebensret-

tendes Glück. Sie wurden nach Österreich gebracht,

entkamen dem Todeslager, kehrten heim. Wir waren

die einzige intakt gebliebene jüdische Familie der

Kleinstadt. Du lebst statt der anderen, das sagte mir

in meiner Kleinstadt ein Jude, dessen Frau und zwei

Kinder verbrannt worden waren. Im Februar 1945 sag-

te er das, kurz vor meinem zwölften Geburtstag. Diese

Feststellung klang wie ein Urteil.“

Christuskirche, Dortmund, 17 Uhr

Theater | FischBAR – Gib mir das Teil

FischBAR ist ein völlig ungewisser Theaterabend mit

einem gewissen Herrn Hecht. Alles, was er braucht,

ist ein Objekt, ein Gegenstand, welches das Publikum,

mitbringt. Aus dem „Teil“, welches er vor der Vor-

stellung erhält, lässt er etwas ganz Neues entstehen

und es verwandeln. So wird der Gegenstand der Aus-

gangspunkt von plötzlich beginnenden Geschichten,

Situationen und Begegnungen. Niemand weiß, was als

nächstes geschehen wird, wie es enden wird und ob

es gelingen wird.

Theater im Depot, Dortmund, 19 Uhr

MO 28 | 01 | 13

Jugendtheater | Lumpenpott

Herrmann, genannt Lumpenpott, lebt davon, dass er

mit seinem Karren durch s Ruhrgebiet zieht, Lumpen

und Trödel sammelt und verkauft. Manches behält

er aber auch, Stücke mit Geschichte. Geschichten

von denen, die damals mitgemacht, angezettelt,

weggehört, an- und brandgestiftet haben. Aber

auch von denen, die verschwunden sind, verfolgt

26 VERANSTALTUNGEN JANUAR 2013

23 | 01 | 13 Batman hält die Welt in Atem23 | 01 | 13 Jennifer Rostock

Page 27: bodo Januar 2013

27

30 | 01 | 13 Alex Clare27 | 01 | 13 FischBAR

und verschleppt wurden – damals, als die rote Ruhr

kackbraun war. Ausgehend von authentischen Er-

innerungsstücken werden signifikante und ganz

alltägliche Charaktere wieder lebendig, zeigen den

Nationalsozialismus und seine menschenverachten-

den Mechanismen in individuellen Schicksalen. Ein

Theaterstück für Menschen ab 14 Jahren.

KiJuKuMa, Bochum, 10 Uhr (auch 29., 30. & 31.01.)

DI 29 | 01 | 13

BODO VERLOSUNG | The 69 Eyes

The 69 Eyes, „die dunklen Gesellen aus Helsin-

ki“, feiern Jubiläum: Vor 20 Jahren erschien mit

„Bump’n’Grind“ das erste

Album der Finnen, nun er-

scheint das zehnte Studio-

album und trägt mit dem

römischen Zahlzeichen den

standesgemäßen Titel „X“.

Wieder ist es klassischer Goth’n’Roll, den die Helsin-

ki Vampires auf Scheibe gebrannt haben, zehn Stücke

Vollgasrock zwischen Dancefloor, düsteren und lang-

samen Phrasen und wunderbaren Refrains. Wie schon

beim Vorgänger-Album „Back In Blood“ kommen 69

Eyes allerdings deutlich rockiger daher als schon ein-

mal und gehen damit einen Schritt zurück in ihre ei-

gene Vergangenheit. Ein Jubiläum muss man als Band

aber auch auf der Bühne feiern, und so kommen 69

Eyes nun auch ins Ruhrgebiet, um das neue Album und

ihre alten Hits live zu präsentieren. Special Guest an

diesem Abend: die Thüringer Band The Fright, die ih-

ren Sound als „Horrock‘n‘Roll“ betiteln.

Zeche, Bochum, 20 Uhr

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

MI 30 | 01 | 13

Musik | Alex Clare

Alex Clare ist der Mann, der mit dem Dubstep-Soul-

Track „Too Close“ in diesem Jahr einen absoluten

Überraschungs-Hit geliefert und mit „Treading Water“

gleich noch einen fetten zweiten hintergeschoben

hat. Und kein Wunder, dass die Fans nun auch auf

Konzerte von Alex Clare brennen. Im Januar spielt er

insgesamt fünf Shows hierzulande, im Rahmen derer

wird Alex Clare sein Album „The Lateness Of The Hour“

live präsentieren. Der Longplayer beinhaltet eine Mi-

schung aus Blues, Jazz und Soul, gemischt mit Dubs-

tep, und wer das Album einmal gehört hat, wird nur

noch eines wollen: diesen außergewöhnlichen Künst-

ler live auf der Bühne zu erleben.

FZW, Dortmund, 20 Uhr

Theater | Spiel des Lebens

Eine Uhr tickt und begrenzt die Zeit, die sie gemein-

sam im Theater verbringen: Publikum und Schauspie-

ler. Auf der einen Seite die, die etwas sehen wollen für

ihr Geld, auf der anderen die, die auf der Bühne stehen

und eine Mission haben, jung, voller Enthusiasmus.

Sie wollen die geballte Lebenszeit der Zuschauer nicht

vergeuden. Aber was ist eigentlich ein guter Theater-

abend? Die perfekte Show? Katharsis, Erschütterung,

Läuterung? Große Gefühle? Intelligente Analyse? Was

passiert, wenn Realität und Fiktion, Spiel und Ernst

beginnen zu verschwimmen? Autor Lutz Hübner und

Regisseurin Martina van Boxen entwickeln mit zehn

Schauspiel-Studierenden einen Abend, bei dem das

Publikum sich vielleicht bis zum Ende fragt, was

„echt“ ist, und ob die da oben nicht doch nur ver-

dammt gut etwas vorspielen.

Kammerspiele, Bochum, 19.30 Uhr

DO 31 | 01 | 13

Musik | Gefilte Fish

Liebe geht ja bekanntermaßen durch den Magen,

aber manchmal auch durch die Ohren. Und so ist Ge-

filte Fish nicht nur eines der beliebtesten jüdischen

Festtagsgerichte, sondern auch eine internationa-

le Gruppe von engagierten Musikern, die sich den

Liedern und Melodien der europäischen Juden ver-

schrieben haben. Ihr Repertoire erstreckt sich von

alten osteuropäischen Klezmermelodien und Volks-

liedern über sephardische Lieder und chassidische

sowie israelische Songs bis zu Theaterliedern der Off

Broadway Szene der 20er bis 40er Jahre des letzten

Jahrhunderts in New York.

Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund, 20 Uhr

31 | 01 | 13 Gefilte Fish

Adressen | Bochum (0234)Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 687 16 10

Christuskirche, An der Christuskirche 1, 338 74 62

Endstation Kino, Wallbaumweg 108, 687 16 20

Eve Bar, Königsallee 15, 333 354 45

Freilichtbühne Wattenscheid, Parkstraße, 61 03-0

HalloDu-Theater, Lothringer Str. 36c, 87 65 6

Jahrhunderthalle, Gahlensche Str. 15, 369 31 00

Kulturhaus Oskar, Oskar-Hoffmann-Straße 25

Kulturrat Bochum, Lothringer Straße 36, 862 012

Museum Bochum, Kortumstraße 147, 910 42 30

Mus. Zentrum der RUB, Universitätsstr. 150, 322 28 36

Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Str. 50 – 60, 77 11 17

Riff, Konrad-Adenauer-Platz 3, 150 01

RuhrCongress, Stadionring 20, 610 30

Schauspielhaus, Königsallee 15, 333 30

Stadthalle Wattenscheid, Saarlandstraße 40, 610 30

Thealozzi, Pestalozzistraße 21, 175 90

Varieté et Cetera, Herner Straße 299, 130 03

Zauberkasten, Lothringer Straße 36c, 86 62 35

Zeche, Prinz-Regent-Straße 50-60, 977 23 17

Zeche Lothringen, Lothringer Straße 36c, 876 56

Zwischenfall, Alte Bahnhofstraße 214, 28 76 50

Adressen | Dortmund (0231)Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48, 838 00 00

Cabaret Queue, Hermannstraße 74, 41 31 46

DASA, Friedrich-Henkel-Weg 1 – 25, 90 71 24 79

Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstr. 50 – 58, 502 51 45

domicil, Hansastraße 7 – 11, 862 90 30

Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, 14 25 25

F.-Henßler-Haus, Geschw.-Scholl-Str. 33 – 37, 502 34 72

FZW, Ritterstraße 20, 17 78 20

Galerie Torhaus, Haupteingang Rombergpark, 50 23 194

Konzerthaus, Brückstraße 21, 22 69 62 00

Museum f. Kunst u. Kulturgesch., Hansastr. 3, 502 55 22

Piano Musiktheater, Lütgendortmunder Str. 43, 604 206

Rasthaus Fink, Nordmarkt 8, 999 876 25

Reinoldikirche, Ostenhellweg 1, 52 37 33

Schauspielhaus, Hiltropwall, 502 55 47

Sissikingkong, Landwehrstraße 17, 728 25 78

Strobels, Strobelallee 50, 999 50 60

Subrosa, Gneisenaustraße 56, 82 08 07

SweetSixteen Kino im Depot, Immermannstr. 29, 910 66 23

Theater im Depot, Immermannstraße 29, 98 21 20

U, Leonie–Reygers-Terrasse, 50 247 23

Westfallenhallen, Rheinlanddamm 200, 120 40

Westfalenpark, An der Buschmühle 3, 35 02 61 00

Zeche Zollern, Grubenweg 5, 696 12 11

Adressen | Herne (02323)Flottmann-Hallen, Flottmannstr. 94, 16 29 52

Mondpalast, Wilhelmstraße 26, 58 89 99

Adressen | Witten (02302)Saalbau, Bergerstraße 25, 581 24 24

Werkstadt, Mannesmannstraße 2, 94 89 40

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Page 28: bodo Januar 2013

28

28 PORTRÄT | von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski

Johannes Klais ist Kameramann, er ist selbst-ständig und verdient seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit der Produktion von Image-filmen für mittelständische Unternehmen. Um zu entspannen – nach oft anstrengenden Dreharbeiten, welche sich über mehrere Tage erstrecken können – hat er einen eher unge-wöhnlichen Ort und dort eine nicht weniger seltsame Tätigkeit für sich entdeckt. Wir trafen ihn im Dortmunder Stadtarchiv, wo er aktuell eine Unzahl bislang nicht ausgewer-teter Videos der Stadtwerke (DSW) sichtet. Ungeöffnete Kartons türmen sich in den Rega-len, über den Bildschirm flimmert gerade ein BTX-Lehrfilm aus den 80ern. Wir sind neugie-rig und fragen nach, warum er sich das antut.

Zu den bewegten Bildern ist Johannes Klais auf

Umwegen über den Ton gekommen. Denn obwohl

sich der gebürtige Dortmunder bereits früh fürs

Fotografieren begeistern konnte, galt sein Inter-

esse in erster Linie den Spielarten akustischer

Techniken. Nach Abitur und Zivildienst absol-

vierte er deswegen in Köln eine Ausbildung zum

Audio-Engineer. Es folgten drei Jahre Berufstä-

tigkeit in einem Studio für Film-Postproduktion,

Synchronisation und Ton-Nachbearbeitung. Wäh-

rend dieser Arbeit fand er zunehmend Gefallen

am Film an sich, er kehrte nach Dortmund zurück

und begann ein FH-Studium als Kameramann.

Parallel drehte er mit einigen Freunden eigene

Filme. Zunächst „Großes Tennis” (2003) und dann

„Oh Fortuna”, der am 29. Mai 2010 im Westfa-

lenstadion Premiere hatte. Fußball, Feinripp und

Flaschenbier: der schnell zum Kultfilm avancierte

Streifen spielt liebevoll mit Revier-Klischees.

Beim alljährlich im Stadion stattfindenden Open-

Air-Kino wird „Oh Fortuna” seither regelmäßig

gezeigt. Ein Heimatfilm? „In gewisser Weise trifft

das wohl zu”, meint Klais. „Mit gefällt in diesem

Zusammenhang nur nicht, dass der Begriff Hei-

mat, mit irgendetwas drangehängt, inzwischen

inflationär oft gebraucht wird.”

Dass „Oh Fortuna” gut funktioniert, liegt unter an-

derem an der Sprache der Protagonisten. Die Dia-

loge leben von ruhrgebietstypischen Redewendun-

gen, sie wirken nie bemüht oder aufgesetzt. „Die

beiden Drehbücher haben wir im Team geschrieben,

ich selbst bin nämlich gar nicht so aufgewachsen”,

sagt Klais dazu. „Zwar bin ich hier geboren worden,

,datt‘ und ,watt‘ war bei uns zu Hause aber ver-

pönt. Meine Mutter ist Deutschlehrerin, die hat da

sehr drauf geachtet. Meine Freunde dagegen sind

auf dem Terrain zum Teil sehr bewandert. Moritz

Bergmann zum Beispiel. Der lebt inzwischen in

Hamburg und betreibt sehr erfolgreich das Projekt

,dortmunderisch.de‘. Auf dieser Internet-Seite geht

es um Sprache, Bilder und Geschichten der Stadt.”

Gewissermaßen HeimatfilmeWilms, Gorbatschow und Oh Fortuna

Gern würde Johannes Klais einen dritten

abendfüllenden Spielfilm drehen, doch nach

dem Studium, gefordert von Familie und

Beruf, mangelt es ihm und seinen Freunden an

Freiraum, sich solch einem aufwändigen, rein

idealistisch betriebenen Projekt zu widmen.

„Dem extrem kreativen Pool fehlt gerade die

Zeit. Das ist aber kein Problem, das ist das

Leben”, beschreibt er die Situation. Einfacher

schien es dem filmbegeisterten Team, ein

kleines Festival auf die Beine zu stellen. Basis

war die Beliebtheit von „Oh Fortuna”. Der

Streifen flimmert nämlich nicht nur im Stadion

über die Leinwand, er wurde auch mehrmals in

Klais‘ Stammkneipe gezeigt, dem „Balke“ an

der Hohen Straße.

Wie nahezu jede ernstzunehmende Revierkneipe

ist das Balke aus fußballerischen Gründen mit

Leinwand und Beamer ausgestattet. Als Cineast

sieht Klais in jedem dieser Lokale ein Kleinkino,

das außerhalb der Bundesliga Hin- und Rückrun-

den praktisch brach liegt. Als Alternative zur

x-ten „Oh Fortuna”-Aufführung konnte er vor

zwei Jahren seinen Stammkneipenwirt für ein

Kurzfilmprogramm gewinnen. Ebenso hochtra-

bend wie ironisch gebrochen wurde die Veran-

staltung als „1. Dortmunder Tresen-Filmfestival”

angekündigt. Zum bemerkenswerten Niveau

trug bei, dass Klais bestehende Kontakte zur FH

nutzen konnte, wo in jedem Semester Kurzfilme

gedreht werden, die selten oder nie außer-

halb der Lehranstalt gezeigt werden. Nach der

vielversprechenden Premiere wurde eine zweite

Ausgabe im vergangenen Jahr um mehrere Tage

und auf weitere Aufführungsorte ausgedehnt.

„Wir hatten schon beim ersten Mal gemerkt,

dass in dem Rahmen nicht nur die ,auf lustig‘

gemachten Filme funktionieren. Wir waren

selber überrascht, wie konzentriert sich das

Publikum auf schwerere Stoffe einließ. Und

dann hatte ich die Idee, neben aktuellen stu-

dentischen Produktionen auch Archivmaterial

zu zeigen, Imagefilme der Stadt oder ansässiger

Unternehmen und privat Gefilmtes”, erklärt

Klais das im Vergleich zu anderen Festivals

sehr heterogene Programm. Dabei wollte er

unter keinen Umständen auf die Arbeiten einer

ganz bestimmten Filmemacherin verzichten:

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Elisabeth Wilms. Erste Filme drehte die Tochter

eines münsterländischen Wurstfabrikanten

während des Zweiten Weltkriegs, ihre mit dem

Bundesfilmpreis ausgezeichneten Dokumentati-

onen „Dortmund 1947” und „Schaffende in Not”

gelten heute als wertvolle historische Quellen.

Im Handel ist eine DVD mit fünf ihrer insgesamt

etwa zweihundert Werke erhältlich. Klais wollte

Unbekanntes von ihr zeigen und wandte sich an

entsprechende Archive.

„An ihre Arbeiten zu kommen war viel anstren-

gender als ich dachte”, erzählt er. „Dabei haben

wir nicht um die Originale gebeten, sondern

um vorhandene, digitalisierte Kopien. Und

die Filme wurden ja nicht gemacht, um jetzt

in irgendwelchen Schubladen zu lagern. Die

müssen gezeigt werden. Die Archive werden

aus Steuermitteln finanziert, und was dort

liegt, gehört der Bevölkerung. Aber leider ist

es manchmal schwierig, die Verantwortlichen

davon zu überzeugen.”

Als zum Glück ausgesprochen unkompliziert er-

wies sich die Kooperation mit dem Dortmunder

Stadtarchiv. Bei Frau Dr. Andrea Zupancic, der

Leiterin des angeschlossenen Bild-, Film- und

Tonarchivs, fand er offene Ohren, offene Türen

und es ergab sich eine klassische Win-Win-

Situation. Im Stadtarchiv nämlich wartet jede

Menge ungesichtetes Material auf Auswertung.

Wenn Erben nach einem Todesfall auf Kisten

mit Büchern, Filmen oder Fotos stoßen, die zu

schade zum Wegwerfen scheinen, für sie selbst

jedoch keinen Wert zum Behalten besitzen,

werden solche Funde nicht selten dem Stadtar-

chiv überlassen. Ähnliches gilt, wenn Betriebe

ihre firmenhistorischen Sammlungen entrüm-

peln. So gelangten unter anderem die eingangs

erwähnten DSW-Filme in Zupancic´ Obhut. In

diesem konkreten Fall fehlte es nicht nur an

Personal und Zeit, sondern an der entspre-

chenden Technik, das Geschenk in Augenschein

zu nehmen. Sämtliche Aufnahmen waren auf

U-matic gespeichert, einem Videoformat, das

Ende der 1980er Jahre vom Markt verschwand.

Über seine FH-Verbindungen konnte Klais ein

Abspielgerät besorgen.

„Ich bin kein gelernter Archivar”, sagt er. „Aber

Frau Zupancic hat mir erklärt, worauf aus ihrer

Sicht zu achten wäre. Außerdem bin ich hier

aufgewachsen und kann mir schon vorstellen,

was für ein Stadtarchiv von Bedeutung sein

könnte. Auf Einladung des Hoesch-Betriebsrates

kam zum Beispiel Michail Gorbatschow kurz vor

dem Fall der Berliner Mauer nach Dortmund. Auf

den DSW-Bändern gibt es umfangreiche Live-

Aufnahmen seines Besuches.”

Für ihn selbst, sagt er, für ein drittes „Dortmun-

der Tresen-Filmfestival”, wären freilich andere

Sachen interessanter. Begeistert erzählt er von

einem Versuch des Dortmunder Kabelpilotprojek-

tes, unterm Pylon am Stadthaus eine Fernseh-

show im „Wetten, dass...?“-Format zu präsentie-

ren. „Total schräge Nummer! Das kannst du 60

Minuten lang ungeschnitten zeigen! Sehr skurril

sind auch die Lehrfilme. Ich habe kürzlich ein

ernst gemeintes Original zum Trashfilmfestival-

hit „Staplerfahrer Klaus” entdeckt. Ich muss mir

natürlich viel Mist anschauen. Mindestens 80%

kann weg. Doch bislang war an jedem Tag etwas

dabei, was mich entschädigt hat. Wenn ich mit

den DSW-Kisten durch bin, mache ich an einer

anderen Ecke weiter. Hier lagern noch viele

unentdeckte Perlen.”

Für das „3. Dortmunder Tresen-Filmfestival”,

es soll im Frühjahr 2013 stattfinden, sucht

das Team Lustiges, Ehrliches, Herzzerreißen-

des, Existenzielles, Erfundenes, Übertriebe-

nes und wahre Geschichten. Aktuelles oder

Historisches aus dem echten Leben, wobei die

einzelnen Filme nicht länger als 30 Minuten

sein sollten. Das Team freut sich auf Filmvor-

schläge. (wk)

INFO

[email protected]

www.dtff.de

Page 31: bodo Januar 2013

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Seit 18 Jahren gehören das Straßenmagazin und seine

Verkäufer zum Straßenbild in Bochum, Dortmund und

Umgebung. Viele haben feste Verkaufsplätze und einen

eigenen Kundenstamm. Manche sind schon seit Jahren

bei uns, andere nur auf der Durchreise. Für alle jedoch

ist der Verkauf des Straßenmagazins eine Arbeit, die

Halt gibt und Selbstbewusstsein schafft. bodo stellt

regelmäßig einen Verkäufer vor.

bodo-VerkäuferInnen

31VERKÄUFERGESCHICHTEN | protokolliert von Sebastian Sellhorst | Foto: Sebastian Sellhorst

»Nichts ist schlimmer, als nur zu Hause zu sitzen«Sefa aus Dortmund:

Als Kleinkind kommt Sefa mit seiner Mutter nach Dortmund, geht zur Schule, macht eine Lehre. Seit er vor einigen Jahren schwer er-krankt ist, bekommt er eine kleine Rente. Mitte letzten Jahres kommt er über einen Freund zu bodo. Seitdem verkauft er an der Saarlandstra-ße in Dortmund das Straßenmagazin. Immer nur für ein paar Stunden in der Woche, so wie es sei-ne Gesundheit gerade zulässt. Uns hat er seine Geschichte erzählt.

„Geboren bin ich in Bartin. Das ist eine kleine

Stadt am Schwarzen Meer in der Türkei. Dort habe

ich aber nur gelebt, bis ich circa sechs Monate alt

war. Dann bin ich mit meiner Mutter nach Deutsch-

land gegangen. Mein Vater lebte bereits seit ei-

nigen Jahren im Ruhrgebiet, da er hier Arbeit im

Bergbau gefunden hatte.

Hier angekommen bin ich in Lünen zur Grundschule

gegangen. Das lief noch ganz gut. Später auf der

Gesamtschule hatte ich oft Stress mit meinen Leh-

rern, weil ich viel geschwänzt habe. Dort bin ich

dann irgendwann von der Schule geflogen. Danach

habe ich eine Lehre als Informatiker angefangen.

Das hat mir sehr gut gefallen, aber leider habe ich

die Lehre nicht beenden können, weil ich auch dort

zu viele Fehlzeiten hatte. Von da an habe ich mich

mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen. Jobbte im

Bereich Landschaftsbau, Autoverwertung und als

Hausmeister. Mit 19 habe ich geheiratet. 1992 kam

mein Sohn zur Welt, vier Jahre später meine Toch-

ter. Mittlerweile lebe ich von meiner Frau getrennt

und unsere Kinder leben bei ihr, aber ich bekomme

regelmäßig Besuch von den beiden.

2004 bekam ich starke gesundheitliche Probleme.

Eines Morgens konnte ich kaum noch aufstehen

und ging zum Arzt. Der schickte mich sofort ins

Krankenhaus, wo ich wegen einer Herzklappen-

entzündung operiert wurde. Während der Opera-

tion ist einiges schief gelaufen und ich lag für

drei Tage wegen eines Hirninfarktes im Koma. Da-

nach folgte natürlich noch ein sehr langer Kran-

kenhausaufenthalt mit anschließender Kur. Seit

dem habe ich mit erheblichen gesundheitlichen

Problemen zu kämpfen. Anfangs litt ich unter

Gedächtnisverlust, musste mich körperlich sehr

ruhig halten und darf seitdem auch keinen Sport

mehr machen.

Seit 2005 bekomme ich eine Erwerbsminderungs-

rente. Einmal im Jahr muss ich ein gesundheitli-

ches Gutachten machen lassen, dann wird diese

Rente wieder für ein Jahr verlängert. Eine ziemlich

unerträgliche Situation, da ich nicht wirklich viel

mit mir anfangen kann. Das Schlimmste im Moment

sind die Magenprobleme, die ich von den vielen

Medikamenten bekommen habe, die ich für mein

Herz nehmen muss. Meine Magenschleimhaut ist

angegriffen und ich habe fast täglich Schmerzen.

Dadurch habe ich fast 30 Kilo abgenommen.

Bei bodo bin ich jetzt seit einem halben Jahr. Me-

tin, ein bodo-Verkäufer, mit dem ich zusammen

bei ,Crashtest Nordstadt‘ mitgemacht habe, hat

mich auf die Idee gebracht. Jetzt bin ich seit Au-

gust dabei und verkaufe am Rewe in der Saarland-

straße die Zeitung. Am Anfang war es noch etwas

ungewohnt, aber mittlerweile macht es mir richtig

Spaß. Natürlich kann ich immer nur ein für kurze

Zeit an meinem Verkaufsplatz stehen. Mehrere

Stunden am Stück gehen im Moment noch nicht,

aber wenigstens komme ich ab und zu mal raus,

treffe Leute und komme mit Kunden ins Gespräch.

Das hilft mir zurzeit sehr. Nichts ist schlimmer,

als zu Hause zu sitzen und sich zu langweilen.

Und vielleicht bin ich ja bald wieder fit genug für

einen Job.“ (sese)

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32 GESCHICHTE | von Bianka Boyke | Fotos: Bianka Boyke

Die Stadt Dortmund versucht nicht, die Gräueltaten der NS-Zeit zu verheimlichen. So gibt es in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache eine ständige Ausstellung, die auch die Verfolgung ausländischer Zwangsarbeiter, der polnischen Minderheit, von Sinti und Roma sowie von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren zeigt.

Das ehemalige KZ-Außenlager Buchenwald an der Huckarder Straße 111 in

Dortmund taucht dort allerdings nicht auf – zum Zeitpunkt, als die Ausstellung

konzipiert wurde, war von einem Außenlager nicht mehr viel bekannt. Es war

einfach „vergessen“ worden. Eine öffentliche Erinnerung steht bis heute aus.

Das Außenlager gehörte zum Betrieb der Dortmund-Hörder Hüttenunion –

heute befindet sich dort die Außerbetriebliche Ausbildungsstätte der Hand-

werkskammer Dortmund. Von Anfang Oktober 1944 bis Mitte März 1945

mussten hier 650 inhaftierte Frauen unter unmenschlichen Bedingungen

arbeiten. Angemessene Entschädigungen gab es nie, über die Existenz wur-

de lange geschwiegen. Bis sich der Dortmunder Geschichtsverein 1992 der

Aufarbeitung annahm. Andreas Müller, Gründungsmitglied der Geschichts-

werkstatt Dortmund, erinnert sich: „Auch wir hatten schon mal von dem

KZ-Außenlager gehört, haben uns aber zuerst mit den Themen beschäftigt,

denen wir näher standen, bei denen das Recherchieren leichter war. Seit

unserer Gründung 1982 gab es so viel, was es aufzuarbeiten galt.“

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits 1966 sieben Jahre lang ermittelt,

dann wurde das Verfahren eingestellt. An die Öffentlichkeit kam nichts.

1992 überließ die Staatsanwaltschaft ihre Unterlagen schließlich den Mit-

arbeitern der Geschichtswerkstatt. Auch beim Werksarchiv Hoesch fragte

der Geschichtsverein nach. „Es gibt keine Unterlagen mehr“, hieß es von

dort. Trotzdem bekamen die Mitarbeiter von verschiedenen Stellen genug

Material, um ehemalige Inhaftierte ausfindig zu machen. „Wir schrieben

viele Frauen an, vier antworteten uns“, erzählt Andreas Müller. Alle vier

Frauen wollten der Einladung nach Dortmund folgen, aus gesundheitlichen

Gründen kamen nur zwei – Antonia Musial und Maria Lekawska. „Die Kinder

der beiden Frauen haben ihnen davon abgeraten, aber sie wollten unbe-

dingt kommen“, sagt Müller. „So komisch es klingt: Sie haben sich gefreut,

von uns zu hören.“ Sie hatten jahrzehntelang darauf gewartet.

Das Leben im Lager

Im Oktober 1944 wurden mehrere hundert Häftlingsfrauen zwischen 13 und

20 Jahren aus Ravensbrück nach Dortmund verlegt. Mit ihnen trafen auch die

SS-Aufseherinnen ein, die zuvor in Dortmund für diese Tätigkeit geworben

und in Ravensbrück ausgebildet worden waren. Das Lager bestand aus einem

mehrgeschossigen Steingebäude, das durch einen unterirdischen Gang mit der

Fabrik verbunden war. Ein Teil der Gänge existiert auch heute noch unverän-

dert und wird als Lager genutzt. Elektrischen Draht oder Wachtürme gab es

nicht. Das Gebäude war unauffällig, so sollte es sein. Die Frauen durften nie

nach draußen, sollten von der Bevölkerung nicht wahrgenommen werden.

Bei ihrem Besuch in Dortmund 1993 erinnerte sich die damals 14jährige Maria

Lekawska: „Wir waren damals sehr jung und wir hatten furchtbare Angst. Wir

haben einfach die Arbeit gemacht, die gemacht werden musste. Ich wurde

Das ehemalige KZ-Außenlager Buchenwald in Dortmund-Huckarde

Auf den Spuren eines vergessenen Ortes

zusammen mit meiner 13jährigen Cousine gebracht. Ohne sie hätte ich nicht

überlebt.“ Die Häftlingsfrauen erinnerten sich auch an ihre Unterbringung:

„Wir wohnten in den früheren Baderäumen, hatten vierstöckige Betten. Es

gab ein mit Gras ausgestopftes Kopfkissen und eine dünne Decke. „Aus den

vergitterten Fenstern konnten wir die Wohnhäuser gegenüber sehen. Wir

konnten jeden Tag die Familien beim Essen und Spielen mit ihren Kindern

sehen und wir haben sie um ihr Glück beneidet“, so Maria Lekawska bei ihrem

Besuch in Dortmund. „Daran erinnere ich mich noch gut“, sagt Andreas Müller.

„Zeitzeugen haben wir immer befragt, aber in diesem Fall war das eine ganz

andere Nummer. Ich hätte nicht gedacht, dass mich der Besuch so mitnimmt.“

Der Arbeitstag der Häftlingsfrauen

Die Frauen mussten um 5.30 Uhr aufstehen. Dann ging es durch die unterirdi-

schen Gänge zur Fabrik. Bis 10 wurde gearbeitet, dann konnten die Frauen ihr

zurückgelegtes Brot vom Abend – pro Tag gab es einen Viertellaib Brot und ein

kleines Stück Margarine, manchmal eine Pellkartoffel – essen. Gegen 19 Uhr

ging es zurück. Ähnlich war es in der Nachtschicht. Vor und nach der Arbeit

gab es Appelle – sieben Tage die Woche. Überwacht wurden die Frauen von

männlichen SS-Angehörigen und in Dortmund angeworbenen Aufseherinnen.

Page 33: bodo Januar 2013

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In der Fabrik produzierten die Frauen Bomben und Granaten am laufen-

den Band – jeweils 10 bis 13 Kilo schwer. Schutzkleidung gab es nicht.

Bei Antonia Musial führte ein Unfall mit einem Granatsplitter dazu, dass

sie auf dem rechten Auge beinahe erblindete. Ein anderes Mädchen wurde

von einer Maschine mit den Haaren ergriffen und starb an den schweren

Verletzungen, so Musial. Schwerkranke kamen zurück nach Ravensbrück.

Die Inhaftierten ahnten, welches Schicksal ihnen drohte. „Und davor

hatten wir natürlich alle Angst und haben uns trotzdem zur Arbeit ge-

schleppt“, so Antonia Musial.

Es fehlte an Allem

„Wir hatten keine Seife, Zahnbürsten oder Hygieneartikel für die Frau“,

erinnerte sich Maria Lekawska. Noch schlimmer: Es fehlte jegliche warme

Kleidung. So trugen die Frauen im Winter Holzschuhe mit freier Ferse.

Dazu Hosen aus feinem Drillich mit rotem Seitenstreifen und gelbem X

auf dem Rücken. Lekawska: „Unsere eigenen Kleidungsstücke wurden uns

abgenommen. Wenn man Glück hatte und die neue Kleidung zu groß war,

konnte man sich daraus Wäsche oder Socken machen. Im Winter haben

wir unsere Hände in der Fabrik gewärmt, an den Geschossen, die aus der

Maschine herauskamen.“

Ostern 1945 – es war der 1. April – ging es für alle übrig gebliebenen

Häftlinge nach Bergen-Belsen und von dort weiter nach Buchenwald.

Grund: Die zunehmenden Bombenangriffe führten schließlich zur Produk-

tionsstilllegung.

In der „Festschrift zur Hundertjahrfeier der Dortmund-Hörder Hüt-

tenunion AG 1852 bis 1952“ heißt es: „Die Zahl der Werksangehörigen

erfuhr eine dauernde Zunahme. (…) Die Kriegsjahre brachten eine Menge

Schwierigkeiten mit sich (Verdunkelungsübungen, Einberufungen, Einstel-

lung weiblicher Arbeitskräfte und Fremdarbeiter, Material- und Versor-

gungsschwierigkeiten). (…) Dann kam das Furioso furchtbarer Luftangrif-

fe auf das Werk.“ Die Frauen aus dem KZ werden nicht erwähnt.

Wiedergutmachung

Selbst 1993 geschah nichts. „Auf unsere Einladung hin kam von den

Firmen niemand“, sagt Andreas Müller. „Ich habe mich damals vor unseren

Besucherinnen geschämt – geschämt für meine Landsleute. Es war richtig

peinlich.“ Eine Entschuldigung haben Antonia Musial und Maria Lekawska –

die inzwischen beide verstorben sind – nie erwartet. Eine Hand hätte ihnen

gereicht. „Auch wenn ich es nicht nachvollziehen kann, sie hatten ihren

Frieden gemacht und verziehen“, so Andreas Müller.

Eine kleine Ausstellung des Geschichtsvereins und ein von der Castro-

per Künstlerin Annette Seiler gestaltetes Denkmal (Foto links) erinnert

an das Leid der Zwangsarbeiterinnen. Aus Sicherheitsgründen steht das

Denkmal im Inneren des alten Backsteinbaus. Der liegt genau zwischen

der „R135“, dem ehemaligen Stützpunkt des Ende August verbotenen

„Nationalen Widerstands“ Dortmund, Rheinische Straße 135, und der zu-

künftigen Geschäftsstelle der Partei (und Nachfolgeorganisation) „Die

Rechte“ an der Huckarder Straße 336. (bb)

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Interview | von Guido Fahrendholz

bodo Wie haben Sie reagiert, als Sie erlebt haben,

dass innerhalb weniger Wochen dieselben sozia-

len Lebensumstände in der BRD von der Bundes-

regierung auf so unterschiedliche Art und Weise

beschrieben wurden?

Thomas Öchsner Mit Erstaunen. Der große Auf-

wand bei meiner Arbeit ist, die erste Fassung mit

der zweiten Fassung verglichen zu haben, das

sind jeweils rund 500 Seiten. Wenn man genau

hinschaut, stößt man auf geänderte Passagen.

Die Aussage „Die Privatvermögen in Deutschland

sind sehr ungleich verteilt“, wurde beispielsweise

vollständig gestrichen, obwohl kein Mensch dar-

an zweifelt, dass es so ist.

bodo Wie reagierten die Regierungsparteien auf

Ihre Veröffentlichung?

T.Ö. Es gab einige Verärgerung darüber, vor allem

auch in der FDP, zum Beispiel von Rainer Brüderle,

der sich wünschte, der Artikel wäre nicht erschie-

nen. Auch deshalb bleibt es wichtig, Politiker zu

hinterfragen. Das haben wir mit diesem Artikel

gemacht. Direkt bei mir hat sich aber niemand

gemeldet, das wäre auch unprofessionell.

bodo Müssen sie befürchten, nicht mehr an der

Bundespressekonferenz teilnehmen zu dürfen?

T.Ö. Wenn ja, würden wir ja in einer Bananenrepu-

blik leben. Das ist sicherlich nicht der Fall.

bodo Herr Woltering, wie ist die Aussage von

Herrn Rösler zu bewerten, der Armutsbericht in

seiner Erstfassung gebe nicht die Meinung der

Bundesregierung wieder? Ist ein Bericht nicht

eigentlich an Fakten orientiert und weniger an

Meinungen?

Christian Woltering Interessante Frage. Ursula von

der Leyen ist ja ebenfalls Mitglied dieser Bundes-

regierung, was die Aussage noch unverständlicher

macht. Aber es beweist auch, dass die neue Fas-

sung kein objektiver Bericht ist, sondern Opfer

politischer Spiele wurde. Es zeigt, dass wir einen

unabhängig erstellten und objektiven Armuts-

und Reichtumsbericht brauchen.

bodo Wie sieht die Situation in Deutschland tat-

sächlich aus?

Der geschönte Armutsbericht der Bundesregierung

Armut in Deutschland ist keine Meinung – sondern eine Tatsache

34

Als Ende November die endgültige Fassung des 4. Armuts- und Reichtumsberichts vorge-stellt wurde, geriet dies zu einer Blamage der Bundesregierung und zu einem politischen Skandal.

Die erste Fassung war den Ministerien im zurück-

liegenden September zur Abstimmung vorgelegt

worden. Auszüge daraus wurden in der Süddeut-

schen Zeitung (SZ) veröffentlicht und kommen-

tiert. Wirtschaftsminister Phillipp Rösler (FDP)

fuhr Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der

Leyen (CDU), deren Ressort den Bericht erstellt

hatte, mit den Worten in die Parade, dieser Ent-

wurf sei nicht ressortabgestimmt und entspreche

daher nicht der Meinung der Bundesregierung.

Nun liegt die von den Fachministerien überarbei-

tete, zweite Fassung vor.

Thomas Öchsner, Redakteur der SZ, der schon an

der Vorabveröffentlichung der ersten Fassung

beteiligt war, hat erhebliche Veränderungen im

neuen Text entdeckt. In seinem Artikel „Bundes-

regierung schönt den Armutsbericht“ vom 28.

November 2012 informierte er in der SZ darüber.

Gewerkschaften und Sozialverbände reagieren zu

Recht empört. Ein Gespräch mit Thomas Öchsner

und Christian Woltering, Referent für Fachpoliti-

sche Grundsatzfragen beim Paritätischen Wohl-

fahrtsgesamtverband.

Page 35: bodo Januar 2013

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ANZE

IGEN

C.W. Inzwischen befinden sich 60 Prozent der

Vermögen in Deutschland verteilt auf zehn Pro-

zent der Bevölkerung. Noch bedenklicher ist in-

zwischen aber, dass die Hälfte der Bevölkerung

nur ein Prozent des Vermögens unter sich auf-

teilt. Zahlen lügen nicht und sie beweisen, dass

die Vermögen in Deutschland ungemein ungleich

verteilt sind.

bodo Es gibt Wortmeldungen, nach denen das

Aufweichen des Niedriglohnsektors zu mehr Be-

schäftigung geführt habe?

C.W. Das zeigt nur die Ignoranz einiger Mitglieder

der Bundesregierung gegenüber prekär Beschäf-

tigten mit ständig verlängerten Zeitarbeitsver-

trägen, Löhnen, die deutlich unter den Mindest-

löhnen liegen, und der Perspektivlosigkeit in

Leiharbeitsfirmen. In Vollzeit zu arbeiten, ohne

davon eigentlich menschenwürdig leben zu kön-

nen, ist mit Sicherheit keine positive Tendenz!

bodo Die Politik diskutiert oft einen Mindestlohn

in Höhe von sieben Euro in der Stunde. Inzwi-

schen arbeiten aber mehr als vier Millionen Men-

schen unterhalb dieser Grenze!?

C.W. Innerhalb der Wohlfahrts- und Sozialverbän-

de wurde errechnet, dass mindestens ein Lohn in

Höhe von elf Euro notwendig ist, um mit Erreichen

des Renteneintrittsalters nicht in die Grundsiche-

rung zu fallen, also eine Rente zu bekommen, die

oberhalb des Hartz IV-Niveau liegt. Vor diesem

Hintergrund einen Mindestlohn von sieben Euro

zu diskutieren, ist unzeitgemäß und ignorant.

Umso wichtiger ist eine öffentlich geführte, kri-

tische Berichterstattung über den Armutsbericht

der Bundesregierung, wie sie derzeit geführt

wird. Schön ist es in diesem Zusammenhang auch,

unabhängige Armutsberichte zu haben, wie den

Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz,

der als Sonderausgabe des Berliner Straßenzei-

tung „strassenfeger“ veröffentlicht wurde. Er

zeigt die Perspektive der Betroffenen.

INFO

Das Interview führte Guido Fahrendholz vom

Berliner Straßenmagazin „strassenfeger“.

Wir danken der Redaktion.

Auf www.bodoev.de finden Sie den Armuts- und

Reichtumsbericht in seiner Originalfassung vom

17. September 2012 und den Schattenbericht der

nationalen Armutskonferenz (nak), der als Son-

derausgabe des „strassenfeger“ erschienen ist.

www.bundes.blog.de/tags/armut/

schafft Chancenbodo

www.bodoev.de

das straßenmagazin

die besten geschichten auf der straße

ein euro achtzig – neunzig cent für den verkäufer

Page 36: bodo Januar 2013

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LITERATUR | gelesen von Sandro Giuri36

Wer unter „hartz IV moebel .com“

von Van Bo Le-Mentzel einen

Ratgeber zum Erwerb oder Bau

kostengünstiger Möbel für Men-

schen, die auf Hartz-IV ange-

wiesen sind, erwartet, wird nur

teilweise befriedigt. In erster

Linie ist es eine Message, die der

Autor vermitteln will: Konstruie-

ren statt Konsumieren! Wir sol-

len von passiven Konsumenten zu

aktiven Gestaltern werden. Dafür

stellt er Baupläne von Möbeln im

Bauhausstil zum Nachbauen zur

Verfügung: Vom Tisch, über Stuhl

und Hocker, bis hin zum Sofa und Schrank ist alles dabei.

Neben einem Interview mit Le-Mentzel, in dem er über die Hintergründe

seines Projektes spricht, enthält das Buch Bilder und Geschichten von

den Nutzern seines Konzeptes und am Ende die Erklärung des von ihm

geprägten, etwas schrägen Begriffs der „Karma-Economy“.

„Do it yourself“ für heimwerkende Design-Fans statt Hilfe zur Selbsthil-

fe: In erster Linie richtet Le-Mentzel sich an den Typus des kritischen,

design-affinen Heimwerkers, der gerne den Wert eines Konsumgutes hin-

terfragt, indem er es nachbaut.

So ist es fraglich, ob für diejenigen, die wirklich am Rand des Existenz-

minimums leben, das Sofa mit 350 Euro, exklusive Matratze, eine echte

Alternative darstellt. Ebenso wäre es wünschenswert gewesen, bei den

Preisangaben die Lieferanten offen zu legen. Zudem lässt der Teil mit

den Geschichten – jeder, der die Baupläne online anfordert, verpflichtet

sich, als „Bezahlung“ Le-Mentzel seine Geschichte zu erzählen – Bilder

von der im Titel angesprochenen Gesellschaftsgruppe vermissen. Diese

Punkte lassen den Titel irritierend wirken.

Die Leser, die sich für „soziales Design“ interessieren und dabei gerne

einmal ein Designer-Möbelstück in Eigenregie bauen möchten, werden

mit dem Buch allerdings ihre Freude haben. (sg)

Van Bo Le-Mentzel | hartz IV moebel .com

Build More Buy Less! Konstruieren statt konsumieren!

Hatje Cantz Verlag | 144 Seiten | 12,99 Euro

ISBN: 978-3-7757-3395-3

Soziales Design – Konstruieren statt konsumieren?

Stefan Keim und Didi Stahl-

schmidt nehmen mit „Schwin-

gungen” den Leser mit auf

eine musikalische Reise: An-

gefangen im Mittelalter bei

der Zunft der Spielleute über

die ersten Orchester, die An-

fänge der Oper und der Chöre

bis hin zu Gegenwart und Zu-

kunft. Dabei geben sie einen

tiefen Einblick in die musika-

lischen Facetten der Ruhrgebietsstadt. Aber nicht nur klassische Elemen-

te finden sich in diesem Buch wieder. Es greift ebenso Kabarett und Un-

terhaltung, populäre Dortmunder Vertreter verschiedener Musikgenres,

den Jazz, Weltmusik und die Festivals auf.

Auch Ausbildungsmöglichkeiten und die Musikwirtschaft finden einen

Eintrag, sodass dem Leser auch die ökonomische Seite und ihr Stellen-

wert nahegebracht werden. Zudem enthält das Buch interessante Inter-

views mit Musikverbundenen, u.a. mit einem Dortmunder Geigenbauer,

die das Ganze abrunden.

Schwierig dürfte dabei manchem die Einordnung der verschiedenen ge-

nannten Komponisten im Kapitel über Orchester fallen. So dürften bei

den Namen Boris Blacher, Wolfgang Fortner oder Woiciech Kilar nicht

jedem Leser direkt ein Licht aufgehen. Aber mit etwas Neugierde sollte

das nicht wirklich einen Mangel darstellen.

Schön ist, dass die Autoren auf verschiedene Textsorten zurückgreifen,

wie z.B. den Textauszug aus einem Tagebuch eines fiktiven Jazz-Anhän-

gers sowie auf Interviews und Künstlerportraits. Da, wo es nötig ist,

wird auch der geschichtliche Hintergrund erläutert, und gut gewählte

Fotografien gestalten die Texte lebendig. Zitate zur Musikstadt Dort-

mund sind zum Teil durchaus kritisch, wodurch das Buch nicht zu einem

reinen Lobgesang verkommt und sich wirklich ein vielfältiges Bild er-

gibt. Alles in allem ein lesenswerter Überblick, der dem Leser das Bild

einer pulsierenden, lebendigen Musikstadt Dortmund vermittelt. (sg)

Stefan Keim | Didi Stahlschmidt

Schwingungen. Dortmund – Die Musikstadt

Klartext Verlag | 152 Seiten | 11,95 Euro

ISBN: 978-3837506914

bodo verlost drei Exemplare (siehe Seite 21).

Dortmundsfacettenreiches Musikleben

Van Bo Le-Mentzel Stefan Keim, Didi Stahlschmidt

Page 37: bodo Januar 2013

37

Finde die 10 Unterschiede im rechten Bild. Viel Erfolg!

RÄTSEL | von Volker Dornemann

Fehlersuchbild – Lösung:

1) Statt eines Rufzeichens steht

ein Punkt in der Sprechblase, 2) der

Bommel an Pauls Mütze ist kleiner,

3) seine Hose ist rot, 4) der Schnee-

mann hat eine kürzere Nase 5) und

einen „Knopf“ mehr, 6) die Rauch-

fahne ist kürzer, 7) an einem Haus

ist ein Fenster zu wenig 8) und an

einem anderen eins zu viel, 9) an

der Tragetasche ist der andere Hen-

kel zu sehen und 10) ein Baguette

in der Tasche ist länger.

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Rätsel-Lösung: KREISEL

Page 38: bodo Januar 2013

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Mit Eis rechnet man im Dezember eher auf den Straßen als im Waffelhörnchen, doch Ende letzten Jahres gab es im Bochumer Stadtteil Ehrenfeld gleich beides. Mitte Dezember er-öffneten dort Julia Bernecker und Kevin Kuhn ihre Szene-Eisdiele „Kugelpudel“.

„Dann muss ich es halt selber machen!“ An der

Eisfachschule in Werl lernte die Fotografin, die

bereits in Berlin Gastronomieerfahrung gesam-

melt hatte, das Handwerk des Eismachens.

Seit Mai letzten Jahres haben Julia Berne-

cker und Kevin Kuhn, die auch privat ein Paar

sind, renoviert, um aus den dunklen, niedri-

gen Räumen der ehemaligen Gaststätte „Haus

Ehrenfeld“ ein helles und freundliches Café zu

machen. Möbel im „Upcycling“-Design verhel-

fen der Eisdiele zu ihrem unverwechselbaren

Charme. Egal, ob man es sich auf ehemaligen

Turngeräten gemütlich macht oder man seinen

Eisbecher auf einem Tisch aus alten Ofenble-

chen abstellt, klassisches Bistro-Mobiliar sucht

man im „Kugelpudel“ vergebens. Sogar eine

„Kuschelecke“ mit Kissen lädt dazu ein, es sich

gemütlich zu machen.

Schon am Tag der Eröffnung ließen sich reich-

lich interessierte Kunden die ausgefallenen Eis-

Kreationen wie Kürbiskern-Öl oder Winterapfel

schmecken. Mit einem Kugelpreis von einem

Euro liegt man preislich im oberen Mittelfeld

der Eisdielen. Viele der Zutaten für das Eis

kommen von einem befreundeten Bio-Hof. Die

Eistheke ist zwar nicht so bunt, wie man es von

anderen Eisdielen kennt, dafür fehlt aber auch

der Aushang mit den kennzeichnungspflichtigen

Zusatzstoffen.

Doch nicht nur Gaumenfreuden soll es im „Ku-

gelpudel“ geben. Bald sollen auch kleinere

Veranstaltungen stattfinden und jungen Desi-

gnern Raum geboten werden, die eigenen Ex-

ponate auszustellen. Das optimale Netzwerk

dazu bringt Inhaber Kevin Kuhn bereits mit. Mit

seiner Veranstaltungsagentur „feel vergnuegen“

sorgt er bereits seit geraumer Zeit für spannen-

de Events in Bochums Nachtleben.

Auf die Frage, warum man eine Eisdiele im De-

zember eröffnet, habe er zwei Antworten, eine

wahre und eine schöne, so Kevin Kuhn. „Anders

als so manch anderer Eisdielenbetreiber wollen

wir im Sommer statt im Winter Urlaub in Ita-

lien machen“, erzählt er augenzwinkernd, ver-

schweigt aber dann doch nicht, dass es Verzöge-

rungen bei den Renovierungsarbeiten gegeben

habe. Irgendwann sei dann der verrückte Eröff-

nungstermin Mitte Dezember zustandegekom-

men. „Rückblickend gar nicht so schlimm“, freut

sich Kevin Kuhn über die positive Resonanz der

ersten Tage. (sese)

KugelpudelDibergstraße 2 | 44789 Bochum

Mi. bis Do. und So. von 12 bis 22 Uhr

Fr. bis Sa. von 12 bis 2 Uhr

bodo verlost zwei Überraschungs-Eisbecher im Kugelpudel (siehe Seite 21).

Alles ohne Zusätze

Kugelpudel | Bochum

38 BODO GEHT AUS | von Sebastian Sellhorst | Fotos: Daniel Sadrowski

Vom Eis-Cocktail bis zur Rohkost-Torte ist dort al-

les ohne Farb- und Zusatzstoffe und in eigener

Produktion zubereitet. Neben eher ausgefallenen

Eissorten erinnert auch die Ausstattung im „Ku-

gelpudel“ nicht im geringsten an die einer klas-

sischen Eisdiele, sondern überrascht mit vielen

spannenden Design-Experimenten.

Das erste Mal auf die Idee, eine eigene Eisdiele

zu eröffnen, kam Julia Bernecker als sie vor zehn

Jahren ein Buch mit Eisrezepten in Händen hielt,

aber viele der Sorten, die sie darin fand, in Eis-

dielen nicht zu bekommen waren. Den Entschluss,

die eigene Eisdiele zu eröffnen, fasste sie, als sie

aus Berlin nach Bochum kam und merkte, dass es

in Bochum noch keine „gesunde“ Eisdiele gab.

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CARTOON | Idee und Zeichnung: Volker Dornemann

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bodo dankt: Sparkasse Bochum Rainer Wiggeshoff, Charlotte Steinke, Bert Grollmann, Sabi-ne Raddatz, Jochen Otto Ley, Petra Danielsen-Hardt, Petra Schäckermann, Silke Harborth, N. Vach De Lima Pinheiro, Hildegard Reinitz, Dolf Mehring, Timo Zimmermann, Ute Soth-Dykgers, Doris Buderus, Annette Düe, Elisabeth und Herbert Schwittay, Harald Gering, Melanie Rüting, Brigitte und Walter Reusse, Piratenpartei Deutschland, Ursula Höpp-ner, Jutta Grundmann, Oliver Stiller, Gerta Lindner, Reinhard Hachenberger, Ursula Dierschke, Caritas-Konferenz St. Pat-rokli, Thomas Renner, Carsten Piel, Esther Hagemann, Marion und Frank Matzdorff, Andreas Happel, Dr. Rinnert Siemssen, Erika Maletz, Volker Schaika, Henrik Kahrmann, Elsemarie Bork, Peter Lasslop, Jutta und Wido Wagner, Hannerlore Thimm-Rasch, Christina Kolivopoulos, Klara Lehmann, Uwe Falke, Ingolf Joachimsmeier, Carila und Georg Schmidt, Su-sanne Hausdorf, Johannes Artmann, Klaus Heinemann, Triple Crown Gmbh, Horst Werner Wtölzig, Manfred Brehme, Dieter Brinker, Brigitte albach, Martin Iwanetzky, Dietmar Krehl, Armin Rau, Karin Thesing, Heinz-Dieter Höveler, Wouter Willem van Eijden, Annette und Reiner Kraft, Dr. Ilse und Dr. Heinz-Heinrich Sprenger, Ursula Glunz, Kerstom Walger, Ulrike Weinert, Marlies und Holger Firch, Claudia Gröhlich, Heinz Riedl, Liselotte und Gerd Schlitzer, Gertrud Rohrberg, Eva Kutschmann, Christian Ullmann, Claudia Hilt, Gabriele Meschonat, Dipl.-Ing. Eberhard Garburg, Ulrich Schwarz, Angelika Gebel, Margarete Kissing, Waltraud und Elrich Ro-degro, Bärbel Pieper, Maria-Anna und Wolfgang Zepezauer, Olaf Jäkel, Erika Todzy, Martin Krug, Helmut Eder, Meike Mischo, Wilfried Haverkamp, Irene Röbrock, Irmela Witte, Kerstin Hilsmann, Heinz Josef Gockel, Irene Pelzer, Dr. Josef Balzer, Alexander Barbian-Steinfort, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Matthias Grigo, Grünbau GmbH, Britta Richter, Manfred Kater, Almuth Kel-ler, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Birgit Kuehn, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schu-macher, Brigitte Sonntag, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Christoph Roeper, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bongardt, Ralf Finke, Michael Stan-ge, Nicole Goralski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Danie-la Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheuer, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Krtizler, Ursula Machatschek, Lieselotte Markgraf, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Eberhard Garburg, Jut-ta Haring, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Mär-kel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Mey-er, Carsten Klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bo-kel, Sandra Wortmann, Annabell Preusler, Birgitt Kuhlmann, Dieter Zawodniak, Elisabeth Heymann-Roeder, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel, Rita Pi-lenko, Margret und Hansjörg Sellhorst, Elisabeth Heymann-Röder, Christian Bösterling, Linda Wotzlaw, Dagmar Dra-bandt, Christian Müller, Gerd Schlitzer, Johannes Sock

So sehen sie aus, unsere neuen Kapuzenpullover! Dank vieler Einzelspender bekommt jede Verkäuferin und jeder Ver-

käufer des Straßenmagazins einen warmen Pullover für den Winter. Ein weiterer Vorteil: Das leuchtende bodo-rot ist

wohl kaum zu übersehen. Ganz bodo sagt: Danke!

bei meinem nächsten Besuch im Ruhrgebiet ganz sicher

nachholen. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine besinnliche

Weihnachtszeit und einen guten erfolgreichen Start in

das Jahr 2013. Mit den besten Grüßen, Ute Schmidt

Sehr geehrte Redaktion, Ihr Interview mit dem Hinter-

bliebenen Ibrahim Arslan und dem Dortmunder Künst-

ler Murat Kayi zum Jahrestag des Anschlags in Mölln

hat mich sehr beeindruckt. Zu Ihrer Erinnerung: Am 29.

Mai 1993 erfolgte der erste Mordanschlag in Nordrhein-

Westfalen, in Solingen, übrigens drei Tag nach der Ein-

schränkung des Asylrechts. Ich hoffe auch hier auf ein

mutiges, selbstbestimmtes Gedenken, wie es die Hin-

terbliebenen in Mölln erreicht haben. Vielleicht ist das

dann auch noch einmal Thema für Sie.

Mit freundlichen Grüßen, Hartmann

Guten Abend, liebes bodo-Team! Eure Mädels und Jungs

sehen gut in den Jacken aus, finde ich. Und warm schei-

nen sie auch zu sein ;-)) Christian Kure

LESERBRIEFE

Liebe bodo-Redaktion, ich bin 1. regelmäßige bodo-

Käuferin und finde euer Projekt wichtig und gut, 2.

bin ich Abonnentin der „Jungen Welt“. Für mich ist es

wichtig, dass es neben der weitgehend gleichgeschalte-

ten neoliberalen Presse diese linke Tageszeitung gibt.

Das muss man ja nicht so sehen, aber dass Ihr in Eurem

launig-netten Bericht über die Frankfurter Buchmesse

die „Junge Welt“ und die „Junge Freiheit“ gleichsetzt,

hat mich wirklich geärgert. Und dann so nach dem Mot-

to: „Ham‘ wir gelacht über diese Extremisten.“ Ihr zieht

keinen Trennungsstrich zur rechten faschistischen Szene

und Presse. Das finde ich gefährlich und falsch. In dem

Punkt solltet in der bodo-Redaktion pingelig sein – so-

wieso, aber vielleicht besonders bei uns in Dortmund.

Alles Gute Euch, G. Brenner

Hallo bodos, als großer Paulo-Coelho-Fan habe ich mit

Freude Eure Dezemberausgabe gelesen. Was für eine

schöne Geschichte. Besonders das Interview hat mir sehr

gut gefallen. Leider konnte ich als Berlinerin die Zeitung

nicht bei einem Verkäufer auf der Straße kaufen, wie

es ja eigentlich Sinn und Zweck ist. Das werde ich aber

Schreiben Sie uns Ihre Meinung!

bodo e.V. | Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

oder eMail an: [email protected]

Foto: Sebastian Sellhorst

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