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BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Plenarprotokoll 19/41 19. Wahlperiode 19.11.2009 41. Sitzung Donnerstag, 19. November 2009 Vorsitzende: Präsident Berndt Röder, Erste Vizepräsidentin Barbara Duden und Vizepräsident Wolfhard Ploog Inhalt: Mitteilung des Präsidenten Fortsetzung der Tagesordnung 2539, Aktuelle Stunde 2539, Fraktion der SPD: Wersichs Streichliste – Neue Hürden und Sperren in der So- zialpolitik Carola Veit SPD 2539, Stephan Müller CDU 2540, 2548, Christiane Blömeke GAL 2541, 2546, Kersten Artus DIE LINKE 2542, Dietrich Wersich, Senator 2543, Dirk Kienscherf SPD 2544, Egbert von Frankenberg CDU 2545, Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE 2546, Uwe Grund SPD 2547, Antje Möller GAL 2549, Fraktion der CDU: 20 Jahre Mauerfall – Anlass zu Freude und Nachdenklichkeit (nicht behandelt wegen Zeitablaufs) Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksachen 19/1577: Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 2007 (kameral) (Senatsantrag) 19/2153: Jahresbericht 2009 des Rechnungshofs über die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Freien und Hansestadt Hamburg mit Bemerkungen zur Haushalts- rechnung 2007 (Vorlage des Rechnungshofs) 19/3114: Ergänzung zum Jah- resbericht 2009 des Rech- nungshofs hier: Bericht über das zusam- mengefasste Ergebnis seiner Prüfung des Jahresabschlus- ses und des Konzernabschlus- ses der Freien und Hansestadt Hamburg auf den 31. Dezember 2007 (Vorlage des Rechnungs- hofs) 19/3124: Stellungnahme des Senats zum Jahresbericht 2009 des Rechnungshofs über die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Freien und Hansestadt Hamburg mit Bemerkungen zur Haushalts- rechnung 2007 sowie zum Er- gänzungsbericht 2009 des Rechnungshofs "Prüfung des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses der Frei- en und Hansestadt Hamburg 2549,

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BÜRGERSCHAFTDER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Plenarprotokoll 19/4119. Wahlperiode 19.11.2009

41. Sitzung

Donnerstag, 19. November 2009

Vorsitzende: Präsident Berndt Röder, Erste Vizepräsidentin Barbara Duden und Vizepräsident WolfhardPloog

Inhalt:

Mitteilung des PräsidentenFortsetzung der Tagesordnung 2539,

Aktuelle Stunde 2539,

Fraktion der SPD:

Wersichs Streichliste – NeueHürden und Sperren in der So-zialpolitik

Carola Veit SPD 2539,Stephan Müller CDU 2540, 2548,Christiane Blömeke GAL 2541, 2546,Kersten Artus DIE LINKE 2542,Dietrich Wersich, Senator 2543,Dirk Kienscherf SPD 2544,Egbert von Frankenberg CDU 2545,Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE 2546,Uwe Grund SPD 2547,Antje Möller GAL 2549,

Fraktion der CDU:

20 Jahre Mauerfall – Anlass zuFreude und Nachdenklichkeit

(nicht behandelt wegen Zeitablaufs)

Bericht des Haushaltsausschussesüber die Drucksachen19/1577:

Haushaltsrechnung für dasHaushaltsjahr 2007 (kameral)(Senatsantrag)19/2153: Jahresbericht 2009des Rechnungshofs über diePrüfung der Haushalts- undWirtschaftsführung der Freienund Hansestadt Hamburg mitBemerkungen zur Haushalts-rechnung 2007 (Vorlage desRechnungshofs)19/3114: Ergänzung zum Jah-resbericht 2009 des Rech-nungshofshier: Bericht über das zusam-mengefasste Ergebnis seinerPrüfung des Jahresabschlus-ses und des Konzernabschlus-ses der Freien und HansestadtHamburg auf den 31. Dezember2007 (Vorlage des Rechnungs-hofs)19/3124: Stellungnahme desSenats zum Jahresbericht 2009des Rechnungshofs über diePrüfung der Haushalts- undWirtschaftsführung der Freienund Hansestadt Hamburg mitBemerkungen zur Haushalts-rechnung 2007 sowie zum Er-gänzungsbericht 2009 desRechnungshofs "Prüfung desJahresabschlusses und desKonzernabschlusses der Frei-en und Hansestadt Hamburg 2549,

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auf den 31. Dezember 2007"(Senatsmitteilung)19/2154: Prüfung der Haus-halts- und Wirtschaftsführungdes Rechnungshofs im Haus-haltsjahr 2007 (Vorlage desRechnungshofs)– Drs 19/4486 –

Barbara Ahrons CDU 2549,Dr. Monika Schaal SPD 2551,Andreas Waldowsky GAL 2552,Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE 2553,

Beschlüsse 2555,

Antrag der Fraktion der SPD:

Gesundheitsversorgung vonMenschen ohne Aufenthalts-status– Drs 19/4519 – 2555,

Anja Domres SPD 2555, 2561,Harald Krüger CDU 2557,Linda Heitmann GAL 2559,Christiane Schneider DIE LINKE 2560,Mehmet Yildiz DIE LINKE 2561,

Beschlüsse 2562,

Bericht des Rechtsausschussesüber die Drucksache 19/3749:

Bürgerschaftliches Ersuchenvom 23. März 2009"Erweiterung der sozialthera-peutischen Abteilung im Ju-gendstrafvollzug", Drs. 19/2595(Unterrichtung durch den Prä-sidenten der Bürgerschaft)– Drs 19/4517 – 2562,

Kenntnisnahme 2563,

Antrag der Fraktion der SPD:

Erhalt der Lehrschwimm-becken– Drs 19/4521 – 2563,

dazu

Antrag der Fraktionen der GAL undCDU:

Erhalt der Hamburger Lehr-schwimmbecken– Drs 19/4624 – 2563,

Beschluss 2563,

Große Anfrage der Fraktion derGAL:

Aufstieg durch Bildung. Umset-zung der "Qualifizierungsinitia-tive für Deutschland" in Ham-burg– Drs 19/4101 – 2563,

Michael Gwosdz GAL 2563,Egbert von Frankenberg CDU 2565,Ties Rabe SPD 2566,Christa Goetsch, Zweite Bürger-

meisterin 2568,

Kenntnisnahme 2570,

Große Anfrage der Fraktion DIE LIN-KE:

Aktionsplan Frauengesundheit– Drs 19/4262 – 2570,

Kersten Artus DIE LINKE 2570, 2575,Hanna Gienow CDU 2572,Anja Domres SPD 2573,Linda Heitmann GAL 2574,

Beschluss 2576,

Bericht des Eingabenausschusses:

Eingaben– Drs 19/4425 – 2576,

Bericht des Eingabenausschusses:

Eingaben– Drs 19/4426 – 2576,

Bericht des Eingabenausschusses:

Eingaben– Drs 19/4427 – 2576,

Beschlüsse 2576,

Sammelübersicht 2576,

2536 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

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Beschlüsse 2576,

Große Anfrage der Fraktion derSPD:

Rechtliche Betreuung für hilfs-bedürftige Personen– Drs 19/3846 – 2576,

Beschluss, Kenntnisnahme ohne Be-sprechung 2577,

Senatsmitteilung:

Stellungnahme des Senats zudem Ersuchen der Bürger-schaft vom 13. Mai 2009 – Ein-richtung eines Hamburger Ra-tes für nachhaltige Entwick-lungspolitik (Drucksache 19/2896)– Drs 19/4403 – 2577,

Günter Frank SPD 2577,Bettina Machaczek CDU 2577,Andreas Waldowsky GAL 2578,Norbert Hackbusch DIE LINKE 2578,

Kenntnisnahme 2578,

Senatsantrag:

Gesetz zum Staatsvertrag zwi-schen den Ländern Nieder-sachsen, Schleswig-Holstein,Freie Hansestadt Bremen undder Freien und HansestadtHamburg über die Durchfüh-rung des Übertragungsstellen-verfahrens für Milchquoten– Drs 19/4424 – 2578,

Beschlüsse 2578,

Bericht des Haushaltsausschussesüber die Drucksache 19/3989:

Haushaltsplan 2009/2010, Ein-zelplan 6: Behörde für Stadt-entwicklung und UmweltZusammenführung der Arbeits-gemeinschaft zur Reinhaltungder Elbe (ARGE Elbe) und derFlussgebietsgemeinschaft Elbe(FGG Elbe) zur neuen Flussge-bietsgemeinschaft Elbe undAnbindung der Wassergüte-stelle Elbe (WGE) an die Ge-schäftsstelle der Flussgebiets-gemeinschaftEinrichtung des neuen Titels6700.637.03 "Zuweisung Ham-burgs für den Sonderaufgaben-bereich Tideelbe" im Haus-haltsjahr 2010 (Senatsantrag)– Drs 19/4455 – 2579,

Beschlüsse 2579,

Bericht des Haushaltsausschussesüber die Drucksache 19/3443:

Haushaltsjahr 2009, Einwilli-gung zum Eingehen von Ver-pflichtungen in Höhe von41,6 Mio. Euro beim Titel6300.891.27 "Zuwendungenzum Umbau des ZOB Berge-dorf" sowie nachträgliche Ge-nehmigung von über- und au-ßerplanmäßigen Ausgaben undVerpflichtungen nach § 37 Ab-satz 4 LHO (Senatsantrag)– Drs 19/4488 – 2579,

dazu

Antrag der Fraktion der SPD:

Zuwendungen zum Umbau desZOB Bergedorf– Drs 19/4638 – 2579,

Beschlüsse 2579,

Bericht des Stadtentwicklungsaus-schusses über die Drucksache 19/4092:

Gesetz zur Änderung der Ham-burgischen Bauordnung (Se-natsantrag)– Drs 19/4477 – 2579,

Beschlüsse 2579,

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2537

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Bericht des Rechtsausschussesüber die Drucksache 19/3696:

Gesetz zum Staatsvertrag überdie Einrichtung eines nationa-len Mechanismus aller Ländernach Artikel 3 des Fakultativ-protokolls vom 18. Dezem-ber 2002 zu dem Übereinkom-men der Vereinten Nationengegen Folter und andere grau-same, unmenschliche oder er-niedrigende Behandlung oderStrafe (Senatsantrag)– Drs 19/4487 – 2580,

Beschlüsse 2580,

Antrag der Fraktion DIE LINKE:

Amnestie für Menschen ohnePapiere– Drs 19/4515 – 2580,

Antje Möller GAL 2580,Dr. Andreas Dressel SPD 2581,Mehmet Yildiz DIE LINKE 2581,

Beschlüsse 2582,

Antrag der Fraktion der SPD:

Faire Löhne und soziale Stan-dards bei öffentlichen Aufträ-gen – Reform des Hamburgi-schen Vergabegesetzes– Drs 19/4520 – 2582,

Beschlüsse 2582,

2538 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

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Beginn: 15.02 Uhr

Präsident Berndt Röder: Meine Damen und Her-ren, die Sitzung ist eröffnet.

Wir setzen zunächst die

Aktuelle Stunde

von gestern fort.

Ich rufe das dritte Thema auf, das in der gestrigenSitzung wegen Zeitablaufs nicht mehr behandeltwerden konnte. Angemeldet wurde es von derSPD-Fraktion, es lautet:

Wersichs Streichliste – Neue Hürden undSperren in der Sozialpolitik.

Das Wort wird dazu gewünscht. – Die AbgeordneteVeit hat es.

Carola Veit SPD: Herr Präsident, meine sehr ver-ehrten Damen und Herren! Senator Freytag undBürgermeister von Beust teilen Hamburg gerneein: in eine Zeit vor der Finanzkrise und eine Zeitwährend der Krise. Das tun sie, um von ihrenhausgemachten Fehlern abzulenken. Sie möchtendiese Fehler zurücklassen in der alten Zeit undnichts mehr hören von explodierenden Kosten beiPrestigeobjekten, nichts mehr hören vom Glücks-spiel bei der HSH Nordbank, der HafenCity Univer-sität, der Elbphilharmonie oder der U4. Sie redenüber die Krise, um über die eigenen Fehler der ver-gangenen Jahre nicht zu reden. Ich sage Ihnen er-neut: Das läuft mit uns nicht.

(Beifall bei der SPD)

Der Erste Bürgermeister mimt neuerdings den Lan-desvater und beklagt sich, von seiner Bundeskanz-lerin und deren Koalitionspartner zur Kasse gebe-ten zu werden, und der Finanzsenator und Lan-desvorsitzende der CDU klopft zum gleichen The-ma bei der Landespressekonferenz große Sprü-che, kann aber nicht sagen, wie sichSchwarz-Grün dann im Bundesrat verhalten will.

Herr von Beust, das sind doch in Wahrheit Kroko-dilstränen. Die FDP hat doch lange vor der Bun-destagswahl und übrigens während der Finanzkri-se gesagt, was sie will, und dennoch haben Sieund viele andere für eine schwarz-gelbe Koalitiongeworben. Nun haben Sie den Salat und was ma-chen Sie? Wir erleben in diesen beiden Sitzungenwieder, wo Ihre Prioritäten liegen. 3 Millionen Euroals Geschenk für die Tamm-Stiftung, ein Blanko-scheck für die Stadtbahn, 20 Millionen Euro mehrfür den Bergedorfer ZOB.

Soweit zu den Rahmenbedingungen und nun zuSenator Wersich. Senator Wersich beglückt dieStadt mit zehn goldenen Regeln, die für einen Auf-schrei in der Hamburger Sozialpolitik gesorgt ha-

ben, zehn goldene Regeln zum Sparen bei Men-schen, die unsere Hilfe brauchen, bei Kindern, El-tern und Familien. Senator Wersich macht Vor-schläge zum Kürzen von Rechtsansprüchen. Dastut er, ohne über die eigenen Fehler im Sozialbe-reich zu reden.

Zum Beispiel begleitet uns, seit Senator WersichStaatsrat war, aus seinem Hause der Satz, dasses Ziel sei, durch geeignete Maßnahmen im Vor-feld Erziehungshilfen zu vermeiden. Dieses Zielhaben Sie nie erreicht. Seit Jahren erreichen unsjährlich Nachforderungen in zweistelliger Millionen-höhe allein zu diesem Bereich der Erziehungshil-fen. Sie haben das Ziel verfehlt, denn den konse-quenten Schritt zu mehr und noch früherer Präven-tion bei kleinen Kindern und deren Familien habenSie nie gewagt. Flächendeckende Familienhebam-men und Früherkennungsmaßnahmen lehnen Sieab. Sie haben die Kinder von Arbeitslosen vor fünfJahren konsequent aus den Kitas herausgedrängt.Jetzt wundern Sie sich, dass Ihnen das woandersauf die Füße fällt und Sie mehr Erziehungshilfenbrauchen.

(Beifall bei der SPD)

Herr von Beust, für genau diese Mutlosigkeit zah-len wir alle, zahlt Hamburg Ihre ständigen Nachfor-derungen in zweistelliger Millionenhöhe, die bei ei-ner besseren Sozialpolitik vermeidbar wären; zehngoldene Regeln also, die in Wahrheit der politischeOffenbarungseid des Sozialsenators sind. Sie wol-len neue Vorhaben zurückstellen, auf gut Deutsch:Ihre Wahlversprechen aus dem Koalitionsvertragwie bessere Sprachförderung oder ein Rechtsan-spruch für Zweijährige in den Kitas werden kas-siert. Sie wollen Gebühren erhöhen und Beitrags-befreiung zurücknehmen – das bedeutet, dass dieElternbeiträge erhöht werden –, Kitagruppen ver-größern und Standards senken; das sind Ihre Plä-ne. Dann kommt noch der wohl traurigste Satz,den jemals ein Sozialsenator in Hamburg geschrie-ben hat: der Aufbau von Hürden für die Inan-spruchnahme gesetzlicher Leistungen. Der Aufbauvon Hürden für die Inanspruchnahme gesetzlicherLeistungen, darunter steht Ihr Name, Herr SenatorWersich, das bedeutet nichts anderes, als dass SieBerechtigte abhalten wollen, die gesetzlichen Lei-stungen auch in Anspruch zu nehmen.

(Egbert von Frankenberg CDU: Das ist un-seriös, was Sie da machen!)

Herr Senator Wersich, Sie haben hier geschworen,die Gesetze zu beachten und das Wohl Hamburgszu fördern.

(Egbert von Frankenberg CDU: Das ist janoch unseriöser! – Viviane SpethmannCDU: Wie geht das denn jetzt, das ist ja totaldaneben!)

Wenn Sie Ihre Behörde dazu anhalten, Bürgerin-nen und Bürger über ihre gesetzlichen Ansprüche

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zu täuschen, dann ist das der gröbste Verstoß ge-gen die Amtspflicht, den ein Sozialsenator bege-hen kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Berndt Röder: Das Wort erhält der Ab-geordnete Stephan Müller.

Stephan Müller CDU:* Herr Präsident, sehr geehr-te Damen und Herren! Liebe Kollegin Veit, wennSie sprechen, kommt man manchmal aus demKopfschütteln nicht mehr heraus.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Anders als bei der Kollegin Heyenn, die gesternvon 185 000 Einkommensmillionären sprach, diewohl alle an einem Tag im AEZ ihre Unterschriftgegen die Schulreform geleistet hätten – hier binich mir sicher, dass sie das nicht so meinte –,muss ich fürchten, dass Sie inzwischen auch glau-ben, was Sie hier alles sagen.

(Ingo Egloff SPD: Dann holen wir die Vermö-gensteuer!)

Wenn Sie die Vergangenheit schon ansprechen,so ist dieses nicht der erste Senat, der einmal vordieser schwierigen Aufgabe stand, einen Haushaltzu konsolidieren, allerdings nicht in der Größenord-nung und nicht vor dem Hintergrund der Krise, diewir jetzt haben. Ich kann mich noch sehr gut daranerinnern, dass ein SPD-geführter Senat einenHaushalt konsolidiert hat und überall da gekürzthat, wo es richtig weh getan hat, im sozialen Be-reich, im Kita-Bereich und bei der Polizei. Dies al-les ist ihm richtigerweise um die Ohren geflogen.

(Andy Grote SPD: Deshalb machen Sie dasjetzt genauso!)

Sie wollen uns vorwerfen, unsozial zu sein, das istnicht glaubwürdig.

(Beifall bei der CDU)

Sie waren doch diejenigen, die die Menschen indieser Stadt im Stich gelassen haben und ihnendie kalte Schulter gezeigt haben. Nun stellen Siesich hier hin und spielen den Moralapostel; so gehtdas nicht.

(Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Des-halb sind Sie mit der Schill-Partei damalsreingewählt worden!)

Ich sage Ihnen ehrlich, die Wirtschaftskrise und de-ren Auswirkungen, insbesondere für die öffentli-chen Haushalte, ist bei allen angekommen, nur un-erklärlicherweise nicht bei der SPD. Anders ist esnicht zu verstehen, dass Sie die kleinsten Frag-mente, die vielleicht einmal durchsickern mögen,hier sofort aufnehmen und versuchen, sie zu skan-dalisieren. Wie immer machen Sie dann eine Rie-senluftblase daraus und erklären uns, wogegen

Sie sind, aber wofür die SPD eigentlich steht, bleibtwie immer vollkommen im Dunkeln.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wenn Sie einmal die Zeit fänden, sich nicht an ei-genen Leuten abzuarbeiten, machen Sie das vor-zugsweise an Senator Wersich oder Senator Frey-tag.

(Zurufe von der SPD: Oh, oh! – Ingo EgloffSPD: Das ist unsere Aufgabe!)

Dabei ist doch die Notwendigkeit der Haushalts-konsolidierung nicht abzustreiten, Sie scheinendas nur nicht erkennen zu wollen. Wir werden unsheute ganz bestimmt nicht darauf einlassen, mit Ih-nen eine Debatte zu führen und über konkreteMaßnahmen zu sprechen, die noch gar nicht be-schlossen wurden. Deswegen führen Sie aus mei-ner Sicht heute ganz eindeutig eine Scheindebatteund stochern hier einfach im Nebel herum. AlsGrundlage Ihrer Vorwürfe führen Sie dann dasStrategiepapier von Senator Wersich an mit densogenannten zehn goldenen Regeln. Dabei ist die-ses wirklich nur ein Fragment in einer sehr komple-xen Frage der Haushaltskonsolidierung.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Erzählen Siedoch mal was zur Sache!)

Dann lesen Sie natürlich wie immer nur das, wasSie lesen wollen und versuchen, dies zu skandali-sieren. Aber dass dieses Papier auch sehr vielegute, flankierende Maßnahmen und Notwendigkei-ten enthält, ignorieren Sie. Das mag auch daranliegen, dass eine der Überschriften dieses Papiers"Ordnungspolitische Grundlagen" ist. Damit hattenSie schon immer ein kleines Problem. Aber wennSie die Intention des Papiers erkannt hätten,

(Andy Grote SPD: Welche denn!)

wären Ihnen die honorigen Ziele sicherlich nichtentgangen, denn da steht unter anderem: gegenhöhere Neuverschuldung, Gestaltungsspielräumebelassen, Generationengerechtigkeit und keineGefährdung der politisch gestaltbaren, freiwilligenLeistung. Dagegen kann doch niemand etwas ha-ben, dass man sich darüber Gedanken macht. Umdiese Ziele zu gewähren, muss man sich natürlichauch Gedanken machen, wie prognostizierte Kos-tenanstiege vermieden werden. Es geht eben nichtdarum, Hilfen zu verweigern, die Menschen benöti-gen in dieser Stadt, im Gegenteil, sie werden dieauch weiterhin bekommen.

Noch etwas. Gute Politik zeichnet sich auch da-durch aus – ganz besonders in Krisenzeiten –, sichmit Bedacht und Verantwortungsbewusstsein denAufgaben zu widmen. Deswegen gibt es weder beider CDU – ich darf das einmal so sagen – nochbeim Senat irgendwelche Denkverbote, auch wennIhnen das so passen würde.

(Beifall bei der CDU)

2540 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Carola Veit)

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Deshalb finde ich es vollkommen richtig, dass die-ser Senat und auch die Fraktionen alle Möglichkei-ten durchdenken, auch mit dem Ziel, dass kom-mende Generationen noch Gestaltungsspielraumhaben, sich vielleicht noch neuen Aufgaben wid-men können und die Leistungen, die bei den Men-schen ankommen, auch direkt dahin lenken kön-nen, wo sie hin sollen.

(Andy Grote SPD: Das interessiert Sie sonstan keiner Stelle! Das ist Ihre Verantwortungfür die kommende Generation!)

Es ist erkennbar, dass es wieder einmal der Ver-such der SPD ist, ein sozialpolitisches Schreckge-spenst aufzubauen, aber dem ist nicht so. Anson-sten werden wir uns mit Ihnen über dieses Themanoch einmal auseinandersetzen und debattieren,nämlich dann, wenn es soweit ist, wenn Fakten aufdem Tisch sind und nicht vorher. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Präsident Berndt Röder: Das Wort erhält die Ab-geordnete Blömeke.

Christiane Blömeke GAL: Herr Präsident, meineDamen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kol-legen der SPD-Fraktion, dass Sie dieses Themaheute zur Aktuellen Stunde angemeldet haben,zeugt in der Tat einmal mehr davon, dass es sei-tens der SPD-Fraktion wirklich an Willen fehlt, Ver-antwortung für diese Stadt zu übernehmen, beson-ders wenn anstehende Entscheidungen unpopulärund unbequem sind.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei derCDU – Uwe Grund SPD: Das ist peinlich!)

Stattdessen erwecken insbesondere der Redebei-trag der Kollegin Veit in dieser Debatte und auchdie Anmeldung des Themas mehr denn je den Ein-druck, dass es der SPD wirklich darum geht, Ge-rüchte in die Welt zu setzen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Es ist kein Ge-rücht!)

die Gerüchteküche am Kochen zu halten und,noch viel schlimmer, das Gerüchtefeuer einbisschen weiter zu schüren.

Was haben wir an Fakten? Wir haben lediglich ei-ne Handreichung, die den Fraktionen von CDUund GAL vorgestellt wurde.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was ist eineHandreichung?)

Das sind die besagten zehn goldenen Regeln. Ei-ne Handreichung ist noch kein beschlossenes Pa-pier, auch wenn die SPD-Fraktion jetzt krampfhaftversucht, es der Öffentlichkeit, den Medien unddem Parlament deutlich zu machen. Wir alsGAL-Fraktion haben bereits öffentlich deutlich ge-macht, dass wir diesen Katalog nicht zur verbindli-

chen Grundlage für unsere Sparvorschläge ma-chen.

(Wolfgang Rose SPD: Bravo! und Beifall)

Vielmehr haben wir mithilfe von externen Beraternalle Haushaltsposten auf Nachhaltigkeitskriterienabgeklopft und kommen damit zu unseren eigenenBewertungen, die wir aber, und das ist vielleichtwichtig für die SPD-Fraktion, in intensiven Gesprä-chen mit den Koalitionspartnern und auch mit denzuständigen Behörden diskutieren. Wie inzwischenallgemein bekannt ist – es war auch in den Medienund sollte ebenso bei der SPD angekommensein –, wird am 27. November eine Pressekonfe-renz stattfinden, auf der die Senatoren die Sparbe-schlüsse der Öffentlichkeit vorstellen müssen, dieaufgrund der Finanzlage in dieser Stadt leider not-wendig sind.

(Glocke)

Präsident Berndt Röder (unterbrechend): Gestat-ten Sie eine Anmerkung der Abgeordneten Veit?

Christiane Blömeke (fortfahrend): Ich nehme an,dass Frau Veit gleich noch einmal hierherkommt,dann allerdings weniger, um Dialog…

Präsident Berndt Röder (unterbrechend): Ja odernein reicht mir völlig.

Christiane Blömeke (fortfahrend): – Nein.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Frakti-on! Es bietet sich an, nach dieser Pressekonferenzeine inhaltliche Debatte zu führen, der wir uns na-türlich auch nicht verschließen werden. Ich stellemir dafür idealerweise den Ort der Bürgerschafts-sitzung im Dezember vor, nämlich dann, wenn wirkonkrete Maßnahmen vorliegen haben, über diewir auch reden werden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Heute werden und wollen wir mit Ihnen keinePhantomdebatte über Ihre Mutmaßungen oderüber die von Ihnen gestreuten Gerüchte führen.

(Andy Grote SPD: Dann schreiben Sie sol-che Papiere nicht auf!)

Das würde auch der Ernsthaftigkeit des Themaswirklich nicht gerecht werden. Wenn Sie weiterüber Spekulationen diskutieren wollen, dann kön-nen Sie das an dieser Stelle machen. Sie müssenes vermutlich aber allein machen, Ihrer Glaubwür-digkeit jedoch und der der SPD-Fraktion wird dasnichts nützen. Sie wird es auf jeden Fall nicht för-dern und wir werden uns zu dieser Debatte nichthinreißen lassen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2541

(Stephan Müller)

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Präsident Berndt Röder: Das Wort hat die Abge-ordnete Artus.

Kersten Artus DIE LINKE:* Herr Präsident, sehrgeehrte Herren und Damen! Wir befinden uns nichtnur in einer Finanz- und Wirtschafts-, sondernauch in einer Sozialkrise. Auch wenn wir seit Mo-naten ein Wechselbad von schöngefärbten Pro-gnosen selbsternannter Wirtschaftsexperten hörenmüssen, gefährliche Versprechungen von Steuer-senkungsplänen gemacht werden und die Men-schen Umfragen von der Stabilität der Konsumlau-ne präsentiert bekommen, täuscht das alles nichtdarüber hinweg, in welche Situation dieses Landgekommen ist.

Zeuge beziehungsweise Zeugin eines weltweitenEinbruchs von dramatischem Ausmaß zu sein, ei-ner tiefen Rezession, einer finanziellen Kern-schmelze, fortschreitender Umweltzerstörung undsozialer Polarisierung, ruft tiefe Verunsicherunghervor.

So sind die Kollegen von Blohm + Voss derzeitnoch voller Hoffnung, dass der arabische Investoraus Abu Dhabi ihnen ihre Arbeitsplätze sichernwird, obwohl Investoren in der Regel weniger dasWohl der Arbeitsplätze im Blick haben.ALG-II-Empfängerinnen, darüber sprachen wirgestern, klammern sich an ihre Ein-Euro-Jobs, umnicht ganz abzustürzen. Auch Weihnachten dürftebei vielen schillernd und prächtig werden und eswerden Geschenke gekauft, die man sich eigent-lich gar nicht leisten kann, weil man das Trübedraußen vielleicht einfach einmal aussperren will.Selbst die Preiserhöhung bei den Tannen wirdwohl in Kauf genommen werden, in solchen Zeitensetzt man auf das Bewährte, vermeintlich Sichereund steckt den Kopf in den Sand. Ich behaupte,dass die meisten Menschen nicht wissen, was aufsie zukommt und sie werden durch eine massiveDesinformationspolitik auch daran gehindert, Zu-sammenhänge zu erkennen.

In dieser Zeit will der Senat Sozialleistungen kür-zen. Etwas Schlimmeres könnte den Hamburgernund Hamburgerinnen im Moment nicht passieren.Die soziale Lage wird sich in den nächsten Mona-ten wahrscheinlich dramatisch verschlechtern, daswissen doch alle hier. Da darf sich der Staat nichtzurückziehen, was er mit einem Sparprogramm imsozialen Bereich aber tun würde. Er muss genauandersherum gegensteuern.

(Beifall bei der LINKEN)

Was wir jetzt benötigen, ist ein Konjunkturpro-gramm im Sozialbereich.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Staat hat doch nicht die Rolle eines Notarztesoder die des Regulierens widriger Umstände, wennder Kapitalismus mit seiner Ressourcenvergeu-

dung menschlicher Fähigkeiten mit sich bringt,dass er Massenarbeitslosigkeit produziert.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh! – Olaf OhlsenCDU: Heiße Luft!)

– Das ist Ihr Reizwort.

(Beifall bei Arno Münster SPD)

Er hat in der sozialen und ökonomischen Produkti-on eine eigenständige Aufgabe. Deswegen darfder öffentliche Sektor nicht gekürzt werden, im Ge-genteil, er ist auszuweiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie einen Blick auf unsere Nachbarländerwerfen, sehen Sie, dass dort trotz allem Druck einSektor mit qualitativ hochwertigen Sozialleistungenaufrechterhalten und sogar ausgeweitet wird. Ichnenne das in Zahlen: In Dänemark und Schwedenentfallen auf 1000 Einwohner und Einwohnerinnen155 Beschäftigte im öffentlichen Dienst, inDeutschland sind es gerade einmal 68 Beschäftig-te. Deutschland gibt nur 1,9 Prozent seines Brutto-inlandsprodukts für soziale Dienstleistungen aus

(Olaf Ohlsen CDU: Was sagt uns das?)

und bleibt damit unter dem OECD-Durchschnittvon 2,3 Prozent. Frankreich liegt bei 2,7 Prozent,Schweden und Dänemark liegen bei 7,4 bezie-hungsweise 5,9 Prozent. Warum wollen Sie jetztden Sozialetat beschränken, einsparen und kür-zen, Herr Wersich? Sie werden damit eine weitereWelle Niedriglohnbeschäftigter und Kurzzeitbefri-stung schaffen, sie werden weitere Verelendungproduzieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Soziale Dienstleistungen sind nicht nur mehr wert,als sie oftmals dargestellt werden, sie sind auch ei-ne wichtige Investition, die jetzt getätigt werdenmuss.

Die Alternativen zu Ihren zehn goldenen Regelnlauten: erst höhere Verschuldung, dann investierenin den öffentlichen Sektor und dann höhere Steu-ern erheben auf Gewinne und Vermögen. Die un-gerechte Einkommens- und Vermögensverteilunghat die Finanzmärkte doch erst aufgebläht. Außer-dem bedarf es eines konsequenten Vorgehens ge-gen Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminali-tät. Korruption, das hat die Organisation Transpa-rency International, die sich weltweit gegen Korrup-tion einsetzt, gestern noch einmal bestätigt, wirdaufgrund der Konjunkturprogramme vermutlich im-mens zunehmen.

Sicher zwingt der Haushalt zum Sparen, das wol-len wir nicht leugnen,

(Jörn Frommann CDU: Sind die fünf Minutenimmer noch nicht vorbei!)

2542 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

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genauso, wie sich die vielen finanziellen Fehlent-scheidungen, die in der letzten Zeit getroffen wur-den, nicht leugnen lassen oder die für die Finanz-politik getroffene Personalauswahl vonSchwarz-Grün. Aber das jetzt vorliegende Konzeptlässt nur eine Empfehlung zu: Schieben Sie IhreRegeln in den Reißwolf, Herr Senator.

(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Berndt Röder: Das Wort bekommt Se-nator Wersich.

Senator Dietrich Wersich: Herr Präsident, meineDamen und Herren! Das ist viel Ehre – WersichsStreichliste. Welche Streichliste eigentlich? Ichkenne diese Streichliste nicht und insofern könnteich es kurz machen, wenn die Lage nicht so ernstwäre wegen der Finanzwirtschaftskrise und derHaushaltslage.

Frau Artus, im Sozialhaushalt reden wir auch nochnicht einmal über Kürzungen oder Absenkungen,sondern wir sprechen darüber, dass wir nicht nochzusätzliche Steigerungen im Haushalt bekommen.Angesichts der wirklich dramatisch wegbrechen-den Steuereinnahmen darf es bei der Suche nachLösungen keine Denkverbote geben. Die Suchenach Lösungen bedeutet, dass wir genau hinsehenmüssen; das ist unsere politische Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und bei MichaelGwosdz und Andreas Waldowsky, beideGAL)

Die Regeln, die ich dazu aufgeschrieben habe,sind eine Hilfe, sie sind ein Prüf- und Nachden-kensraster, die weder einen Beschluss vorwegneh-men oder einen solchen darstellen. Ich habe auchklare Prioritäten gesetzt, Frau Veit, ich kann Ihnenhier zustimmen. An allerletzter Stelle kommen erstdie Einschränkungen für den Bürger. Das sehenwir hier im Hause, glaube ich, alle so. Wenn wiraber aufhören würden, darüber nachzudenken– so wie Herr Kienscherf das in seiner Pressemit-teilung gefordert hat, er hat gesagt, ziehen Sie dasPapier zurück –, dann kann ich nur sagen, wernicht denkt, findet keine Lösungen, wer wenigdenkt, findet wenige Lösungen. Denkverbote ha-ben uns noch nie in die Zukunft geholfen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei derGAL – Ingo Egloff SPD: Wer falsch denkt,findet falsche Lösungen!)

– Nein.

Tatsächlich versuchen wir erstmalig in einem sehrtransparenten Verfahren zusammen mit den betei-ligten Akteuren und Partnern in der Stadt, mit denWohlfahrtsverbänden, über die bevorstehendeHerausforderung im Sozialhaushalt zu beraten.Das ist nicht einfach und doch haben wir den Mut,das offen zu tun, um gemeinsam zu Lösungen zu

kommen, denn ich will nicht verschweigen, dieHerausforderungen, vor denen wir im Sozialhaus-halt stehen, sind gewaltig. Die SPD dagegen ver-fasst Pressemitteilungen, in denen die Rede davonist, dass man den Menschen den Boden unter denFüßen wegreiße, sie gnadenlos im Stich lasse undsie ausbluten lasse. Diese Wortwahl zeigt deutlich,dass einige in der Opposition komplett die Boden-haftung verloren haben und ich frage mich, wo dassozialdemokratische Verantwortungsgen gebliebenist, das Bürgermeister Ortwin Runde damals nochhatte, das Müntefering und Scholz haben, hier inHamburg sehe ich das nicht.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Sie machen es sich immer sehr leicht, Sie redenvon unserer unseriösen Finanzpolitik. Es ist unseri-ös, wenn Sie die Menschen für dumm verkaufen,wenn Sie immer wieder die mittlerweile fast ver-bauten 300 Millionen Euro für die Elbphilharmonieins Feld führen, um damit den Haushalt zu sanie-ren. Angesichts von Steuereinnahmeausfällen vonjährlich über 1 Milliarde Euro wird das zu nichtsführen und das wissen Sie auch. Meinem Haushaltstehen 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung, im Sozi-albereich bauen wir so gesehen jedes Jahr mehre-re Elbphilharmonien. Das ist nicht zu sanieren,wenn wir auf die Elbphilharmonie verzichten wür-den.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir haben in den Jahren 2007 und 2008 eine Net-tokreditaufnahme von 0 Euro gehabt, das gab eszu Zeiten der SPD nicht,

(Ingo Egloff SPD: Weil Sie 2006 mehr Schul-den aufgenommen haben!)

auch das ist keine unseriöse Haushaltspolitik.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Herr Tschentscher und eben auch Frau Veit sagenimmer, wir hätten jetzt den Betriebshaushalt vonSchwarz-Grün so sehr ausgeweitet. Was Sie ver-schweigen, ist, dass dies auch im Sozialhaushaltstattgefunden hat. Wir haben von 2008 auf 2009den Betriebshaushalt in der Sozialbehörde um300 Millionen Euro gesteigert. Welche dieser Maß-nahmen halten Sie für falsch: den Krippenausbau,die Ausweitung der Rechtsansprüche auf Kinderta-gesbetreuung, die Einrichtung vonEltern-Kind-Zentren, die Verstärkung der Opferbe-ratung? All das sind Maßnahmen, die direkt beiden Menschen ankommen, die aber den Sozial-haushalt in den vergangenen Jahren haben stei-gen lassen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Von Intendanz-kosten wollen wir mal nicht reden!)

Als wir dann diese Punkte hier diskutiert haben,war Ihre Kritik nicht, dass wir den Betriebshaushaltausweiten, sondern da sagten Sie, warum nicht

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2543

(Kersten Artus)

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schon früher und warum nicht mehr. Bei dem kos-tenlosen Kita-Jahr, das wir zu einem Zeitpunkt be-schlossen haben, an dem die Lage noch deutlichbesser war, war die Antwort der SPD, sie wollezwei Jahre kostenlos. Das ist Ihr reales Verhaltengewesen, als es um die Ausweitung des Betriebs-haushalts ging.

Sie haben in Ihrer Pressemitteilung auch gesagt,es sei eine Selbstverständlichkeit, dass wir vorran-gige Kostenträger beteiligen, Herr Kienscherf. Alswir dann durch die Bundesregierung die Auswei-tung der Leistungen in der Pflegeversicherung fürDemenzkrankheiten beschlossen und sagten, wirwollten durch Verhandlungen mit Trägern diesesGeld auf das Hamburger Dementenprogramm an-rechnen lassen, als wir das, was Sie jetzt fürselbstverständlich halten, gemacht haben, da ha-ben Sie von Sozialabbau gesprochen. Das ist nichtglaubwürdig und es geht überhaupt nicht, dass wirjetzt noch Ihren Widerstand gegen einen weiterenAnstieg der Kosten im Sozialhaushalt zu spürenbekommen. Wenn wir das nicht tun, wenn wir denAnstieg nicht in den Griff bekommen, dann führtdies dazu, dass am Ende wirklich jemand blutenmuss, und das ist die zukünftige Generation, dassind die Kinder, die heute in die Kita gehen odernoch gar nicht geboren sind, weil sie unsere Ver-schuldung erben.

Zum Schluss möchte ich auf die Pressemitteilungzu diesem Denkpapier eingehen, Herr Kienscherf.Die strotzt nur so von Entgleisungen: Wersich zün-delt und spielt mit dem sozialen Frieden, spielt denAnwalt der Armen, lässt die Menschen gnadenlosim Stich, lässt Menschen bluten, das ist asozial,Senator Wersich vergreift sich an den Menschen,er reißt den Schwächsten den Boden unter denFüßen weg.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist sein nor-maler Wortschatz!)

Diese Wortwahl spricht nicht für Sie, sondern füreine Verrohung der Sitten.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich will das in ein sportliches Bild kleiden, meineLieblingsportart Fußball. Was ich bei Ihnen vermis-se, ist die gekonnte Ballannahme, der intelligentePass, das schnelle und elegante Spiel, der Spie-laufbau,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Der hat keine Ah-nung von Fußball!)

eigentlich all das, was Fußball sehenswert macht.Stattdessen gibt es Blutgrätsche und grobes Foulam Mann.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Kein Wunder, dass der wohlwollende Teil Ihrer An-hänger auf der Tribüne murrt und die anderen pfei-fen, weil sie den Glauben an die Leistungsfähigkeit

der Mannschaft SPD verloren haben. Mit einemderartigen Stil und Inhalt kommen Sie nicht aus derpolitischen Abstiegszone.

(Carola Veit SPD: Wer hat Ihnen das dennaufgeschrieben?)

Das Wichtigste aber ist, dass wir mit einem derarti-gen Stil und Inhalt nicht die Krise bewältigen kön-nen; das wäre nicht gut für Hamburg.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Präsident Berndt Röder: Jetzt komme ich zu et-was besonders Schönem, ich gratuliere nämlichdem Abgeordneten Hecht zu seinem Geburtstag.Er verbringt ihn hier bei uns, herzlichen Glück-wunsch im Namen des ganzen Hauses.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Jetzt bekommt das Wort der Abgeordnete Kien-scherf.

Dirk Kienscherf SPD:* Herr Präsident, meine Da-men und Herren! Herr Senator, wenn Sie jetzt nichtweiterwissen, die persönliche Nummer spielen undhier von Verrohung der Sitten sprechen,

(Karen Koop CDU: Sie haben doch damitangefangen!)

dann muss ich Ihnen sehr deutlich sagen, dass indieser Stadt noch kein Sozialsenator seine Mitar-beiter aufgefordert hat, Menschen bewusst vonLeistungen fernzuhalten, auf die sie einen An-spruch haben. Das hat noch kein Sozialsenator indieser Stadt gemacht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es ist schon erstaunlich, wenn der Senator davonspricht, es handele sich um Regeln, und wenn Sie,Frau Blömeke, sagen, es sei nur eine Handrei-chung.

(Martina Gregersen GAL: Mehr war es jaauch nicht!)

Es war nur eine Handreichung, in der steht, es sei-en neue Hürden aufzubauen, die die Menschendavon abhalten, gesetzliche Leistungen in An-spruch zu nehmen. Es ist nur eine Handreichunggewesen für Ihre beiden Fraktionen, in der steht,dass bei der Personalbemessung deutlich zusam-mengestrichen werden soll. Es ist auch nur eineHandreichung gewesen, in der steht, dass manletztendlich Löhne absenken soll. Diese Handrei-chung, die Sie bekommen haben, hat man auchden einzelnen Trägern geschickt und sie alle ein-geladen. Was ist denn das für eine Handreichung?Das ist nichts anderes als eine Drohung und alssolche ist sie auch verstanden worden.

(Beifall bei der SPD)

2544 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Senator Dietrich Wersich)

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Herr Sozialsenator, Herr Wersich, es geht bei die-ser Frage eigentlich um eine ganz einfache. Wersoll in dieser Stadt die Zeche dafür zahlen, dassSie eine verfehlte Finanzpolitik in den letzten Jah-ren veranstaltet, Prestigeprojekte durchgeführt undletztendlich die HSH Nordbank mitzuverantwortenhaben. Soll sie der Senat zahlen, sollen sie dieMenschen zahlen, die mehr Vermögen haben,oder sollen es die Menschen zahlen, die in derPflege tätig sind, die bedürftig sind? Das ist dieFrage, die wir heute stellen.

(Beifall bei der SPD – Klaus-Peter HesseCDU: Wir sind hier doch nicht auf demFischmarkt bei den Marktschreiern!)

Sie haben die Frage eben anders beantwortet. Esist doch kein Zufall, dass auf der Pressekonferenzvon Herrn Freytag in dieser Woche explizit der So-zialbereich genannt worden ist und gesagt wurde,dort müsse gespart werden, dort würden Sie ranwollen. Das ist doch Zeichen Ihrer verfehlten Poli-tik.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen müssen wir es zu Recht ernst nehmen.Wir müssen, bevor beschlossen wird, in dieserStadt darüber diskutieren, wie wir es schaffen,Menschen weiterhin die Teilhabe zu ermöglichen.Wir können nicht einfach davon ablassen und sa-gen: Nun lassen Sie uns erst einmal machen, wirreden so nett miteinander und später sehen Siedas Ergebnis. Sie haben als Sozialsenator die Auf-gabe, sich als Anwalt der Armen und Schwächerenzu betätigen, und diese Rolle nehmen Sie derzeitnicht wahr.

(Beifall bei der SPD)

Sie verstehen sich als williger Gehilfe eines ge-scheiterten Finanzsenators; das ist Ihre Rolle. Sieverunsichern die Menschen weiterhin, obwohl esdarum geht, gerade den Menschen, die ohnehinwenig haben, in dieser schweren Zeit ein Signal zugeben, dass sie sich auf den Staat verlassen kön-nen, dass wir bei wachsenden Bedarfen auch wei-terhin für sie sorgen werden und nicht zusammen-streichen. Genau das wollen Sie letztendlich. Dasist doch das Gebot der Stunde und nicht, das allesvom Tisch zu wischen und so weiterzumachen, wieSie es schon immer getan haben, nämlich die In-teressen dieser Menschen nicht ernst zu nehmen.Herr Senator, das ist falsch, was Sie da machen.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack-busch und Kersten Artus, beide DIE LINKE)

Deswegen fordern wir Sie auf, das Papier zurück-zuziehen,

(Roland Heintze CDU: Welches denn?)

einen Kassensturz in der Sozialpolitik zu vollziehenund offenzulegen, wie Sie Sozialleistung zukünftigin Hamburg finanzieren wollen. Wir Sozialdemo-

kraten werden uns dem nicht verschließen, dochwir werden auf keinen Fall zulassen, dass ein Se-nator ungestraft solche Papiere verbreitet. Das istdem gesellschaftlichen Zusammenleben in dieserStadt abträglich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei ChristianeSchneider und Norbert Hackbusch, beideDIE LINKE)

Präsident Berndt Röder: Das Wort erhält der Ab-geordnete von Frankenberg.

Egbert von Frankenberg CDU: Herr Präsident,meine Damen und Herren! Lautstärke und Polemikersetzen keine Argumente und sind der Sache un-angemessen.

(Beifall bei der CDU – Wolfgang Beuß CDU:Richtig!)

Eines möchte ich vorab bemerken: Wir haben einDenkpapier vorliegen und Sie werfen uns reflexar-tig und mit Schaum vor dem Mund vor, es wärenvorformulierte Erklärungen verschickt worden, unddas solle der Stadt weiterhelfen. Das empfinde ichüberhaupt nicht so.

(Beifall bei der CDU)

Was Sie machen,

(Ingo Egloff SPD: Daran hätten Sie sich inhier in Hamburg mal ein Beispiel nehmensollen!)

ist zutiefst unseriös. Im Grunde genommen ent-steht erst daraus eine Drohung. Sie nehmen ir-gendetwas, vermischen es mit etwas anderem underbauen daraus ein Drohszenario. Das halte ichwirklich für unseriös. Sie sollten bemerkt haben,dass wir vor großen Herausforderungen stehen,und zwar nicht nur wir in Hamburg, sondern ganzDeutschland und Europa. Wir befinden uns in einerWeltwirtschaftskrise und müssten uns der Lagestellen und nicht so tun, als wären wir irgendwo imWolkenkuckucksheim für uns allein und könntenda ein bisschen etwas machen. Sie haben imBund auch die Verantwortung mit einem ganz or-dentlichen Bundesfinanzminister mitgetragen. Da-her wundert mich Ihr Rufen nach einem Kassen-sturz. Lesen Sie doch die Zeitung, dann könnenSie die Lage wahrnehmen – das kann doch allesnicht so geheimnisvoll für Sie sein – oder guckenSie in die Haushaltspläne. Das mit dem Kassen-sturz ist doch sowieso ein völlig albernes Argu-ment. Ich kann dem Senat nur danken für die soli-de Finanzpolitik der vergangenen Jahre.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD)

Wenn wir nämlich so weitergemacht hätten, wieSie 2001 aufgehört haben, dann möchte ich nichtwissen, wie wir heute in die Krise gehen würden.

(Beifall bei der CDU)

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2545

(Dirk Kienscherf)

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Auch an dieser Debatte merkt man, dass SPD undSparen nicht zusammenpassen; von Ihnen kommtnur Polemik. Wir sind zurzeit noch in einem inter-nen Diskussionsprozess und werden uns mit Ihnenüber Sparmaßnahmen auseinandersetzen, das istgar keine Frage. Doch Sie haben wieder einmalnicht die Nerven behalten können, haben Ihre bös-artigen vorformulierten Erklärungen gleich auf denMarkt losgeschickt und sobald dann die Erklärun-gen vorliegen, werden die Worte ein bisschen aus-getauscht und die gleiche Erklärung noch einmalabgegeben. Innovativ ist das nicht, die Stadt bringtdas nicht voran.

(Beifall bei der CDU und der GAL – IngoEgloff SPD: Seien Sie doch nicht so zimper-lich, das sind Sie doch sonst auch nicht!)

Präsident Berndt Röder: Das Wort erhält die Ab-geordnete Blömeke.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was ist eineHandreichung?)

Christiane Blömeke GAL: Herr Präsident, meineDamen und Herren! Herr Kienscherf, es ist bedau-erlich. Ich bin entsetzt über das, was hier abgelau-fen ist, denn es ist nicht mehr als eine billige HetzeIhrerseits.

(Glocke)

Präsident Berndt Röder (unterbrechend): FrauAbgeordnete, darf ich Sie bitten, zum parlamentari-schen Sprachgebrauch zurückzukehren?

Christiane Blömeke (fortfahrend): – Das tue ich.

Das kann man Ihren Pressemitteilungen und auchIhren Redebeiträgen entnehmen. Seitens derCDU-Fraktion, der GAL und auch des Senatorswurde vorher klipp und klar ausgeführt, dass die-ses Papier eine Handreichung ist, in der nichts Be-schlossenes steht. Mit einer billigen Polemik ver-breiten Sie hier die zehn darin aufgeführten The-sen als beschlossene Sache. Dazu fällt mir nichtsanderes ein als dieses Wort, das ich eben benutzthabe.

(Ingo Egloff SPD: Das zeugt doch nur da-von, welche Denkrichtung Sie haben!)

Ich halte das für verwerflich und es ist nicht im Sin-ne der Stadt und zeugt nicht von einem verantwor-tungsvollen Umgang mit diesem wirklich ernsthaf-ten Thema, mit dem wir uns auseinandersetzenmüssen. Genauso bedauerlich ist, dass Sie davonsprechen, es würde etwas entschieden. Sie habeneben in den Ausführungen gehört – oder vielleichtauch nicht, weil Ihre Sichtweise da immer sehr ein-gegrenzt ist –, dass der Senator in einen Dialog mitden Trägern geht. Soweit ich weiß, ist so etwaserstmalig vorgekommen und zu den Zeiten, als die

SPD den Sozialsenator oder die Sozialsenatoringestellt hat, noch nie geschehen.

(Ingo Egloff SPD: Da erinnern Sie sich dochgar nicht mehr dran!)

Ich glaube, dass dieser Prozess neu ist, und ichhalte ihn für gut und richtig, weil wir die Träger mit-nehmen müssen in diesem Prozess. Der Dialog,der jetzt zwischen Behörde und den Trägern statt-findet, stellt ein Verhandeln her über die Notwen-digkeiten, die wir in dieser Stadt leisten müssen.Aber Sie verschließen sich all diesen Vorgängenund schüren eine Unsicherheit in dieser Stadt, diewir nicht tolerieren können. Ich fordere Sie auf, zurüblichen politischen Debatte zurückzukehren, diewir führen, nachdem die Sparmaßnahmen verkün-det sind, aber nicht vorher.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Heiter-keit bei der SPD – Ingo Egloff SPD: Daskann doch wohl nicht wahr sein!)

Präsident Berndt Röder: Das Wort erhält der Ab-geordnete Dr. Bischoff.

Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE:* Herr Präsi-dent, meine Damen und Herren! Was Sie zuletztgesagt haben, Frau Blömeke, war wirklich entlar-vend.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Sie und die gesamte GAL sollten sich einmal fra-gen, weshalb Sie einerseits beständig den Dialogbeschwören und andererseits sagen, mit der Op-position würden Sie dann reden, wenn die Spar-maßnahmen verkündet worden seien.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ihre Logik kann ich überhaupt nicht nachvollzie-hen. Sie sagen, man befände sich jetzt plötzlich inder Krise und wir sollten uns zurückhalten, bis wiram 27. die Beschlüsse bekämen; erst dann dürftenwir debattieren. Sie haben ein Kurzzeitgedächtnis,das nicht mehr zu toppen ist. Haben Sie denn ver-gessen, dass wir seit März, seit wir hier über denHaushalt reden, gesagt haben, dass sich die Kriseüberall bemerkbar macht? Wir haben Ihnen ange-boten, gemeinsam darüber zu reden und zu debat-tieren, was machbar ist. Das alles haben Sie da-mals in die Tonne getreten und jetzt fordern Sieuns auf, Ihre Beschlüsse abzuwarten.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich möchte noch zwei Argumente vorbringen. DerFinanzsenator hat am 25. August erklärt, es gingeum ein Sparvolumen von maximal 300 bis 400 Mil-lionen. Weiter sagte er – Herr von Frankenberghört ihm wahrscheinlich nicht mehr zu –, man kön-ne sich aus dieser Krise nicht heraussparen, son-dern müsse die regionale Wirtschaft vernünftig or-ganisieren, um die Krise zu bewältigen. Das waren

2546 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Egbert von Frankenberg)

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die Worte von Senator Freytag im August und wasist heute? Nun ist die Rede von einem Sparvolu-men von weit über 1 Milliarde Euro, die man beimHaushalt einsparen will. Wenn etwas kontrapro-duktiv ist und die Krise verschärfen wird, dann istes diese Maßnahme, die ich für völlig inakzeptabelhalte.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Sie spielen ein billiges Spiel, wenn Sie wieder ein-mal Ursache und Wirkung verkehren. Wir habenIhnen angesichts der schwierigen Situation ange-boten, von Anfang an dabei zu sein, aber Sie ha-ben unser Angebot in den Papierkorb gepackt undjagen seit drei Monaten die Öffentlichkeit mit einerSparoperation nach der anderen. Das ist wirklichnicht zulässig in einer so fragilen Situation und Siewerden die Quittung für diese Entwicklung nochbekommen.

(Christiane Blömeke GAL: Es ist doch nochgar kein Beschluss getroffen!)

– Es geht doch gar nicht um den Beschluss, aberwir alle sind uns der schwierigen Situation be-wusst.

Auch die Frage, wie viel man beim Haushalt ein-sparen könne und ob man den Bürgerinnen undBürgern jetzt zumuten könne, auf ihre Rechtsan-sprüche zu verzichten, steht im Klartext in diesemPapier. Wenn Sie es ernst meinen mit der Be-kämpfung der Krise, dann können Sie nicht nur dieTräger mitnehmen, sondern müssen mit allen re-den

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt beider SPD)

und das Ganze vernünftig organisieren. Wenn Siedas als Ihren neuen großartigen Stil ausgeben, sa-ge ich nur, na dann, gute Nacht.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Präsident Berndt Röder: Trotz dieses freundli-chen Wunsches bekommt der Abgeordnete Grunddas Wort.

Uwe Grund SPD:* Herr Präsident, meine Damenund Herren! Die spannende Frage

(Olaf Ohlsen CDU: Nee!)

ist doch eigentlich, welche Denke hinter demDenkpapier steckt. Ich möchte mich dem Themaeinmal von einer ganz anderen Seite her nähern.Wenn es stimmt, dass das Soziale in der Markt-wirtschaft immer stärker als Last, vielleicht sogarals Ballast empfunden wird und wenn wir erleben,dass ein Politiker vom Rang eines Sozialsenatorsin Hamburg seine eigene Tätigkeit als Belästigungder Bevölkerung empfindet und natürlich so wenigwie möglich Belästigung für die Bevölkerung orga-

nisieren will, dann kommen solche Papiere zustan-de

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist doch dummTüch!)

und man denkt darüber nach, wie man die Lastensenken kann, und nicht darüber, wie die Problemezu lösen sind. Das ist der Hintergrund dieses Pa-piers.

Unternehmen Sie mit mir den Versuch, noch ein-mal anders an das Thema heranzugehen. StellenSie sich vor,

(Egbert von Frankenberg CDU: Das ist wirk-lich Unfug!)

der Wirtschaftssenator würde ein solches Papierveröffentlichen und der Wirtschaft mitteilen, eswürden jetzt mehr Hürden aufgebaut, damit staatli-che Subventionen und Förderbeiträge möglichstnicht mehr in Anspruch genommen werden. Ichglaube, der Aufschrei bei der CDU und der FDPwäre grandios,

(Ingo Egloff SPD: Bei der GAL natürlichnicht!)

sie würden denken, er habe den Verstand verlo-ren. Wer in der Wirtschaft erfolgreich sein will,muss investieren und deshalb muss die Stadt indie Wirtschaft investieren. Im sozialen Bereichaber wird nicht darüber nachgedacht, wie viel inve-stiert werden muss, um die Probleme zu lösen,sondern darüber, wie man die Leute so quälenkann, dass sie möglichst keine Ansprüche mehrstellen. Das ist perfide und falsch.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Stadt Hamburg leistet sich im Wirtschaftsbe-reich den Luxus, Förderlotsen zu beschäftigen.Förderlotsen haben den Auftrag, Unternehmeroder solche, die es werden wollen, möglichst andie Töpfe des Staates zu führen, ihnen also aufzu-zeigen, wo sie mit gutem Recht Geld und aus-drücklich keine Almosen in Anspruch nehmen kön-nen, um damit etwas zu organisieren und in dieStadt zu investieren.

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist doch gut so!)

– Ja, ich finde es gut, Geld dafür auszugeben,dass andere Leute dies erklärt bekommen.

(Olaf Ohlsen CDU: Wo liegt dann Ihr Pro-blem?)

Was allerdings den Sozialbereich betrifft, soschreibt der Senator einen Brief, in dem er die Be-hördenmitarbeiter dazu auffordert, die Leute vonden Leistungen fernzuhalten. Außerdem schlägt ervor, in Berlin mehrheitlich dafür zu sorgen, dassdurch Veränderung der Sozialgesetzgebung einigeLasten möglichst kleiner werden. Das steht in demPapier, das ist die Realität. Der Senator hat ge-sagt, es sei ein Papier zum Nachdenken. Das be-

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2547

(Dr. Joachim Bischoff)

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streite ich, Herr Senator. Sie haben ein Papier ge-macht, das den Behördenmitarbeitern und denEmpfängern von Sozialleistungen ganz klar vor-schreibt, wie sie zu denken haben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Hätten Sie an die Empfänger von Sozialleistungen,an die Träger, die Einrichtungen und alle Parteien,auch an die Opposition, einen Aufruf gemacht,dass man darüber nachdenken müsse, wie mandie Probleme gemeinsam lösen könne, dann könn-te man tatsächlich von einer Aufforderung zumNachdenken sprechen. Wenn Sie aber den Betei-ligten sagen, was sie alles nicht machen sollen unddaraufhin zu überprüfen haben, wo bei den Lei-stungen eingespart werden könne, dann ist das ei-ne andere Intention und genau um diesen Punktgeht es nämlich in diesem Zusammenhang wirk-lich.

Wir wollen intelligentes Sparen. Um nicht nur zumeckern, nenne ich jetzt konkrete Beispiele. Daserste Beispiel hat zwar nichts mit dem Thema Kin-derbetreuung zu tun, das meine Kollegin eben an-gesprochen hat, passt aber auch. Jahr für Jahr er-leben wir, dass eine ganze Reihe sehr junger Men-schen, Kinder, Schulabgänger in die Werkstättenfür Behinderte gesteckt werden. Wir wissen ziem-lich genau, dass dabei häufig die falschen Leute inden zuständigen Stellen, die die Kinder überhauptnicht gut kennen, vorschnelle Entscheidungen imSekundentakt treffen. Sind diese jungen Menschenaber erst einmal in der Werkstatt für Behindertegelandet, so bleiben sie dort meistens lebensläng-lich. Dieser Steuerungseffekt kostet pro Kind glatt1 Million Euro.

(Wolfgang Beuß CDU: Das entscheiden dieSchulen!)

– Nein, es geht um die Frage, wie wir die Einglie-derungshilfe sinnvoll gestalten können.

Ähnliche Beispiele lassen sich an anderen Stellenfinden. Denken Sie an alleinerziehende Frauen.Wenn wir ihnen die Chance auf einen Arbeitsplatzgeben, dann haben auch wir die Chance, Soziallei-stungen für sie einzusparen, weil sie selbst für ihreKinder sorgen können. Das ist intelligentes Spa-ren, Herr Senator, fangen Sie an.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Präsident Berndt Röder: Das Wort bekommt derAbgeordnete Stephan Müller.

Stephan Müller CDU:* Herr Präsident, sehr geehr-te Damen und Herren! Es gibt ein paar Dinge, dienicht unwidersprochen hingenommen werden soll-ten. Ich richte mich an Sie, Herr Kienscherf. Mitdem Zuhören ist es manchmal so eine Sache undhätten Sie genau zugehört, so hätten Sie mitbe-kommen, dass mehrfach von der GAL, der CDU

und vom Senator geäußert wurde, dass es gar kei-ne Streichliste und Sparmaßnahmen gibt.

(Ingo Egloff SPD: Ich höre die Worte wohl,allein mir fehlt der Glaube!)

Der Sozialetat fokussiert insbesondere prognosti-zierte Mehrausgaben und es ist schon ein Unter-schied, ob man versucht, Mehrausgaben in denGriff zu bekommen oder eine Streichliste zusam-menzustellen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Herr Bischoff, ich habe Sie bislang immer für einennahezu genialen Strategen gehalten. Umso ent-täuschter und verwunderter bin ich, wenn Sie jetztsagen, wir sollten in aller Breite, möglichst über dieganze Stadt eine Art Brainstorming veranstaltenund über sämtliche Möglichkeiten einer Haushalts-konsolidierung nachdenken und diskutieren. Dabeivernachlässigen Sie vollkommen, dass dies zu ei-ner noch nie dagewesenen Unruhe und Verunsi-cherung in der Stadt führen würde.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der LIN-KEN – Andy Grote SPD: Das tun Sie dochgerade!)

Das kann also auch nicht der richtige Weg sein.Bei einer Haushaltskonsolidierung gab es noch nieeine so große Beteiligung der Betroffenen wiejetzt, wo sich der Senator mit den Trägern an einenTisch setzt und mit ihnen über das Papier disku-tiert.

(Beifall bei der CDU)

Herr Grund, manchmal empfiehlt es sich, das Pa-pier, über das wir streiten, auch zu lesen, bevorman eine Rede hält, denn wenn Sie es gelesenhätten, dann würden Sie nicht von einer Anwei-sung an die Mitarbeiter der Sozialbehörde undletztendlich auch an die Träger sprechen. Das Pa-pier trägt eindeutig die Überschrift "Vorschlag fürdie Überlegung der goldenen Regeln". Was dortsteht, ist nicht in Stein gemeißelt

(Gabi Dobusch SPD: Aha, ganz unverständ-lich!)

und ich finde es gut, dass es keine Denkverbotegibt und wir eine Diskussionsgrundlage für die Um-setzung dessen haben, was geleistet werdenmuss.

Eines vernachlässigen Sie alle, Sie denken näm-lich nicht im Geringsten darüber nach, dass Lei-stungen, die im Sozialen erbracht werden müssen– das ist völlig unstrittig –, auch erwirtschaftet wer-den müssen. Damit haben Sie schon immer einProblem. Wir können nicht das eine gegen das an-dere ausspielen, so wie es heute mehrfach ge-schehen ist. Ich habe an dieser Stelle schon ein-mal bemerkt, dass nicht der, der die Sozialausga-ben ausgibt, sozial ist, sondern der, der sie erwirt-schaftet.

2548 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Uwe Grund)

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(Beifall bei der CDU und bei Horst Beckerund Michael Gwosdz, beide GAL)

Präsident Berndt Röder: Das Wort erhält für ma-ximal noch zwei Minuten die Abgeordnete Möller.

Antje Möller GAL:* Herr Präsident, meine Damenund Herren! Wahrscheinlich ist es vermessen vonmir, wenn ich versuchen würde, Vertrauen in diePolitik und in die Pläne und die Bemühungen, diewir uns im Rahmen der Haushaltskonsolidierungim Moment machen, zu haben. Ich glaube, es istvermessen,

(Ingo Egloff SPD: Stimmt!)

aber ich tue es trotzdem.

(Beifall bei der GAL)

Anstatt einer hoch emotionalen Diskussion, wie siegerade von der SPD, dem Kollegen von Franken-berg und der Kollegin Blömeke geführt wird, solltenwir sachlich miteinander diskutieren. Deswegenunternehme ich in der Kürze der Zeit den Versuch,zu etwas Sachlichkeit und womöglich auch ein we-nig Vertrauen beizutragen.

Der Sache nach geht es um die Arbeit der Fraktio-nen und des Senats an der Konsolidierung desHaushaltes. Aus den Bereichen Inneres, Sozialesund BSU sind bisher eine Menge Vorschläge – inganz dicken Anführungsstrichen – an die Öffent-lichkeit gelangt, von denen bisher noch kein einzi-ger an irgendeiner Stelle entschieden wurde. DerBereich Sozialpolitik ist vielleicht der emotionalste,weil er die meisten Menschen in dieser Stadt be-trifft, und ich werbe dafür, dass Sie uns zutrauen,dies im Blick zu haben. Wie Frau Blömeke sagte,hat die Fraktion ein eigenes Modell gewählt, nach-haltig an das Thema heranzugehen mit dem Ziel,dass keiner der drei Bereiche Soziales, Ökonomieund Ökologie ein Übergewicht bei den Konsolidie-rungsbemühungen hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei derCDU)

Präsident Berndt Röder: Meine Damen und Her-ren! Die Aktuelle Stunde ist durch Zeitablauf been-det.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf, Drucksache19/4486, Bericht des Haushaltsausschusses überdie Drucksachen 19/1577, 19/2153, 19/3114,19/3124 und 19/2154.

[Bericht des Haushaltsausschusses über dieDrucksachen19/1577:Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 2007(kameral) (Senatsantrag)19/2153: Jahresbericht 2009 des Rechnungs-

hofs über die Prüfung der Haushalts- und Wirt-schaftsführung der Freien und HansestadtHamburg mit Bemerkungen zur Haushaltsrech-nung 2007 (Vorlage des Rechnungshofs)19/3114: Ergänzung zum Jahresbericht 2009des Rechnungshofshier: Bericht über das zusammengefasste Er-gebnis seiner Prüfung des Jahresabschlussesund des Konzernabschlusses der Freien undHansestadt Hamburg auf den 31. Dezember2007 (Vorlage des Rechnungshofs)19/3124: Stellungnahme des Senats zum Jah-resbericht 2009 des Rechnungshofs über diePrüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführungder Freien und Hansestadt Hamburg mit Be-merkungen zur Haushaltsrechnung 2007 sowiezum Ergänzungsbericht 2009 des Rechnungs-hofs "Prüfung des Jahresabschlusses und desKonzernabschlusses der Freien und Hanse-stadt Hamburg auf den 31. Dezember 2007"(Senatsmitteilung)19/2154: Prüfung der Haushalts- und Wirt-schaftsführung des Rechnungshofs im Haus-haltsjahr 2007 (Vorlage des Rechnungshofs)– Drs 19/4486 –]

Wird das Wort gewünscht? – Die AbgeordneteAhrons bekommt es.

Barbara Ahrons CDU: Meine Damen und Herren!Jetzt können wir die Emotionen vielleicht wiederein klein wenig herunterfahren.

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

– Ich habe es gerne sachlich, Herr Kienscherf, dasstimmt schon.

Der Rechnungshof hat uns in diesem Jahr wiederseinen Jahresbericht 2009 vorgelegt und wir ha-ben bereits im Frühjahr vor der Ausschusssitzungdarüber debattiert. Viele Feststellungen, Beanstan-dungen und Vorschläge gibt es in diesem Bericht,knapp 50 an der Zahl, die aufzeigen, dass Ham-burg in vielen Bereichen seine Einnahmen steigernund seine Ausgaben reduzieren kann. Der Rech-nungshof sagt auch konkret, auf welche Weise undmit welchen Maßnahmen das erfolgen kann. Sohaben die Rechnungsprüfer allein im Jahr 2007 einEinsparpotenzial in dreistelliger Millionenhöhe undunnötige Ausgaben von rund 50 Millionen Euroausgemacht. Obwohl diese Summe nur einenBruchteil des Hamburger Haushaltsvolumens aus-macht, dürfen wir nicht einfach darüber hinwegge-hen. Es handelt sich hierbei um eine Summe, derwir in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrise undangesichts einer angespannten Haushaltslagegroße Beachtung schenken sollten. Die aktuelleSteuerschätzung Anfang dieser Woche hat dieEinnahmeerwartung für die Jahre 2009 und 2010für Hamburg noch einmal nach unten korrigiert.Nachdem die Maisteuerschätzung für dieses JahrSteuerausfälle in Höhe von 520 Millionen Euro er-

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(Stephan Müller)

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geben hatte, kommen jetzt für 2009 weitere 90 Mil-lionen Euro Mindereinnahmen hinzu.

Vor diesem Hintergrund muss jeder Spielraum ge-nutzt werden, um neben allen zu diskutierendenund zu beschließenden Sparmaßnahmen weitereMöglichkeiten zu nutzen, um den Haushalt zu sta-bilisieren. Eine wesentliche Maßnahme ist dassparsame Wirtschaften mit den der Stadt zur Ver-fügung stehenden Geldern. Wir haben den verfas-sungsrechtlichen Auftrag, mit den uns zu treuenHänden überlassenen Geldern der Bürger verant-wortungsvoll und vor allen Dingen auch wirtschaft-lich umzugehen. Ob und wie das geschieht, unter-liegt unserer Kontrolle und darum ist der Jahresbe-richt des Rechnungshofes für uns so ein wichtigesInstrument, ohne das wir unserer verfassungs-rechtlichen Aufgabe kaum nachkommen könnten.

(Beifall bei der CDU und bei Andreas Wal-dowsky GAL)

Wer den Rechnungshof kritisiert und findet, dassseine Ermahnung zur sparsamen Haushaltsfüh-rung in seiner Kompetenz zu weit gehe, dem kannich nur sagen, dass es gerade die Aufgabe desRechnungshofes ist, auf diese Dinge hinzuweisen,auch wenn es manchmal unbequem ist und einemnicht passt.

Ich bin, wie in jedem Jahr, daher dem Kollegiumdes Rechnungshofes unter der Leitung des Präsi-denten Dr. Meyer-Abich sehr dankbar für die gelei-stete Arbeit.

(Beifall bei der CDU und bei Andreas Wal-dowsky GAL)

Mit dieser Arbeit wird dafür gesorgt, dass wir imParlament unsere Kontrollfunktion ausüben kön-nen, wobei es nicht nur darum geht, Steuerver-schwendung aufzuspüren und zu verhindern, son-dern auch gemeinsam mit den Verwaltungseinhei-ten Wege zu finden, wie die Steuergelder effektiververwendet werden können.

(Glocke)

Präsident Berndt Röder (unterbrechend): FrauAbgeordnete, darf ich dem Abgeordneten Müllermal eben ins Gewissen reden. – Danke schön.

Barbara Ahrons (fortfahrend): Der Erfolg der Ar-beit des Rechnungshofes liegt vor allem darin,dass er nicht als Ankläger, sondern vielmehr alskollegialer Ratgeber der Verwaltung fungiert undüber ein allseits anerkanntes Maß an hoher Kom-petenz verfügt. Er ist weit mehr als ein stadteige-ner Wirtschaftsprüfer, denn der Rechnungshof hatsich in den Jahrzehnten seiner Tätigkeit zu einemschwergewichtigen Unternehmensberater ent-wickelt. Dr. Meyer-Abich und seine Mitarbeiter sindquasi der stadteigene Roland Berger und McKin-sey. Sie prangern nicht nur an, sie zeigen auch im

Dialog mit den betreffenden VerwaltungseinheitenWege auf, wie die Steuergelder effektiver verwen-det werden können. Sparen und Kosten senken,Einnahmen sichern und wirtschaftlich handeln, dassind die maßgeblichen Vorgaben, die der Rech-nungshof in seinem Jahresbericht 2009 zur Grund-lage seiner Prüfungen, Empfehlungen und Ermah-nungen gemacht hat.

Aber erfreulich ist es auch, wenn die Empfehlun-gen des Rechnungshofes zügig umgesetzt wer-den, so geschehen beispielsweise beim Punkt be-zirkliche Wochenmärkte. Hier gab es seit Länge-rem Mängel bei der Zulassung von Marktbe-schickern und beim Gebühreneinzug vor Ort, diezu Mindereinnahmen führten. Soweit mir bekanntwurde, hat es zum Beispiel im Bezirksamt Eims-büttel daraufhin unverzüglich Veränderungen inder Organisation, bei der technischen Umsetzungund Abrechnung gegeben. Hier zeigen die Emp-fehlungen und Beanstandungen also eine unmittel-bare Wirkung.

Das gelingt uns leider nicht immer beziehungswei-se an mancher Stelle besser und an mancher Stel-le überhaupt nicht. Ein Fall, der mir besonders auf-gefallen ist und den ich beispielhaft nennen möch-te, ist die Verlagerung der Grundschule Chemnitz-straße.

(Olaf Ohlsen CDU: Was ist denn das?)

Die Behörde hat ohne Beleg der Wirtschaftlichkeitanstelle eines 4,8 Millionen Euro teuren Umbauseinen Neubau für 14,6 Millionen Euro realisiert. Siehat Bau- und Kostenvorlagen nicht vorgelegt, dieGesamtkosten im Haushaltsplan unvollständig an-gegeben und zudem noch für die Sporthalle um800 000 Euro überhöhte Baukosten genannt.

(Jan Quast SPD: Weiß Herr Roock davon?)

Mögliche Effizienzvorteile, zum Beispiel durch dieDurchführung eines Architektenwettbewerbes, hatdie Behörde nicht geprüft und somit die Chance füreinen wirtschaftlicheren Entwurf vertan. Damit wur-den in diesem Falle natürlich die Grundsätze derWirtschaftlichkeit und Sparsamkeit deutlich miss-achtet.

Der Rechnungshof macht zudem immer wiederklar, dass es erhebliche Verhaltensmängel derVerwaltung gegenüber der Bürgerschaft gibt, zumBeispiel durch Verstöße gegen das Budgetrechtdes Parlaments, durch unzutreffende oder unge-naue Informationen über Projektkosten sowiedurch nicht eingehaltene Zusagen über Umset-zungsmaßnahmen. Der Rechnungshof hat in meh-reren Einzelfällen festgestellt, dass die Verwaltungdem Gebot, die Rechte des Parlaments zu beach-ten, nicht ausreichend nachgekommen ist.

Ich kann nur erneut daran erinnern, meine Damenund Herren: Das Parlament ist die Inhaberin desBudgetrechtes. Das heißt, das Parlament allein be-

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(Barbara Ahrons)

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willigt die Mittel. Insoweit sind die Rolle und dieRechte des Parlamentes zukünftig stärker zu be-achten.

Im Ausschuss haben die Abgeordneten aller Frak-tionen die Häufigkeit und das Gewicht der in die-sem und in den vorangegangenen Jahresberichtenangesprochenen Mängel bei der Beteiligung derBürgerschaft beanstandet. Der Rechnungshof hatzudem wieder festgestellt, dass Wirtschaftlichkeits-untersuchungen fehlen oder nicht in der sachlichgebotenen Weise durchgeführt oder dokumentiertworden sind.

Ich bedaure diese immer wieder vorkommendenVerstöße gegen das Budgetrecht der Bürgerschaftsehr. Vor dem Hintergrund der Häufigkeit und desGewichts dieser Feststellung hat der Unteraus-schuss darum seinem Bericht eine Liste mit deneinschlägigen Verstößen als Anlage beigefügt.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über-nimmt den Vorsitz.)

Ich möchte eindringlich an die Verwaltung appellie-ren, künftig das Budgetrecht der Bürgerschaftdurchgängig zu beachten.

(Beifall bei der CDU und bei Andreas Wal-dowsky GAL)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Frau Dr. Schaal.

Dr. Monika Schaal SPD:* Frau Präsidentin, meineDamen und Herren! Wie in jedem Jahr mahnt derRechnungshof den Senat zu einem kostenbewus-steren Vorgehen. In diesem Jahr – Frau Ahrons,Sie haben schon darauf hingewiesen – kam es imSommer zu einem Eklat um die HafenCity Univer-sität. Der Rechnungshof mahnte Wirtschaftlichkeitund eine Begründung an, als der Senat darauf be-harrte, die HafenCity Universität in die HafenCityzu verlegen, anstatt sie an ihrem alten Standort ander Hochschule für Architektur zu belassen. We-gen seiner kritischen Einlassungen hat der Rech-nungshof einen Rüffel von Vertretern der Koalitionbekommen und wurde ermahnt, er solle sich nichtin die Politik einmischen. Ich frage mich, wieso ei-gentlich? Mit seinen kritischen Hinweisen in einemlaufenden Entscheidungsverfahren hat der Rech-nungshof weder Neuland betreten noch Grenzenüberschritten; er hat seine Aufgabe erfüllt, dieMaßnahmen der Regierung nach geltenden Vorga-ben und insbesondere auf ihre Wirtschaftlichkeithin zu beurteilen. Der Rechnungshof wachtschließlich darüber, dass kein Geld verschwendetwird und das geschieht natürlich dann am wir-kungsvollsten, wenn noch etwas zu retten ist.

Der Neubau des ZOB Bergedorf ist doppelt so teu-er geworden, als es die zuständige Behörde ur-sprünglich veranschlagt hatte. Der Senat selberhat vor Kurzem die Notbremse gezogen und eine

Ursachenanalyse vom Rechnungshof angefordert.Es geht darum, Wege und Möglichkeiten aufzuzei-gen, wie derartige Kostenexplosionen bei Baupro-jekten künftig verhindert werden können – das istbitter nötig, meine Damen und Herren.

Wir wissen aus unserer Großen Anfrage zum aktu-ellen Kostenstand von Baumaßnahmen, dass von217 Großprojekten 63 teurer geworden sind als ge-plant. Beispiele sind sattsam bekannt: Elbphilhar-monie, U4, Schießanlage der Polizei, Ortsumge-hung Finkenwerder, diverse Schulbauten, die imaktuellen Jahresbericht des Rechnungshofs be-sprochen werden. Insgesamt sind bei diesen63 Projekten Mehrkosten von 800 Millionen Euroentstanden. 800 Millionen Euro Steuergelder wur-den verschwendet; das ist unverantwortlich.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack-busch DIE LINKE)

Mit diesen 800 Millionen Euro müssten wir unsweitaus weniger Gedanken darüber machen, wieauf die gerade bekannt gewordenen Steuerausfäl-le 2009 zu reagieren ist und Sie hätten keine sozi-alpolitischen Denkpapiere nötig, wie Sie künftigSozialleistungen erbringen können.

Wir sollten für alle Hinweise des Rechnungshofesdankbar sein. Er hilft, Verschwendungen zu ver-meiden, wenn er uns rechtzeitig auf überflüssigeMehrausgaben aufmerksam macht. Ich möchtemich darum ganz ausdrücklich beim Rechnungs-hof, seinem Präsidenten, dem Kollegium und allenMitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die jetzt sicher-lich Rathausfernsehen gucken, ganz herzlich fürihre Arbeit bedanken und sie ermutigen, so weiterzu machen.

(Beifall bei der SPD)

Mein Dank gilt auch den Mitgliedern der Fraktionenim Rechnungsprüfungsausschuss für ihre gute,kollegiale und offene Zusammenarbeit. Die guteZusammenarbeit hat sich auch daran gezeigt, dassunsere Beanstandungen und Beschlüsse einstim-mig getroffen wurden.

In seinem Jahresbericht hat der Rechnungshoffestgestellt, dass der Senat siebenmal gegen dieGrundsätze der Wirtschaftlichkeit und gegen dasBudgetrecht der Bürgerschaft verstoßen hat. Inden Jahren 2005 bis 2008 gab es 12 solcher Be-anstandungen. Es gibt aber auch Erfreuliches zuberichten. Durch rechtzeitige Interventionen desRechnungshofes konnten jeweils3,3 Millionen Euro bei der Wegeverbindung zurElbphilharmonie und beim Bau der U4 eingespartwerden. Das ist angesichts der Mehrkosten wenig,aber wir brauchen jeden Pfennig.

Der Rechnungshof mahnt nicht nur zur Sparsam-keit, er rügt auch falsche Sparsamkeit. So sindzum Beispiel an der Universität Schäden von375 Millionen Euro entstanden, weil Jahr für Jahr

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(Barbara Ahrons)

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2,7 Millionen Euro für die notwendige Bauunterhal-tung eingespart wurden. Die Phantasien der Wis-senschaftssenatorin von einer Verlagerung derUniversität werden diesen Instandhaltungsstaunoch vergrößern und die Sanierungskosten weiteranwachsen lassen – ein Grund mehr, diesen un-sinnigen Plan aufzugeben.

Ein weiterer gravierender bilanzwirksamer Wert-verlust droht beim Stadtgrün. Der Rechnungshofkritisiert, dass die Unterhaltung von Grünflächenund Spielplätzen unterfinanziert sei. Die bewilligtenMittel decken nur noch 45 Prozent der notwendi-gen Unterhaltungen und 27 Prozent der Grundin-standsetzungen. Herr Senator Freytag, das ist dieFolge der Umweltpolitik, für die Sie verantwortlichwaren. Wenn Sie jetzt versprechen, nicht sparenzu wollen, wo es um die Lebensqualität der Stadtgeht, dann finde ich das reichlich pharisäerhaft.

(Beifall bei der SPD)

Der Rechnungshof kritisiert immer auch die man-gelhafte Wirkung der eingesetzten Mittel. Wenn diePolizei mehr als 640 Stellen bewilligt, die Schutz-leute aber nicht vor Ort in den Polizeikommissaria-ten und auf der Straße ankommen, sondern in denSchreibstuben der oberen Etagen hocken, gehtdas zu Lasten der Sicherheit. Das Gleiche gilt auchumgekehrt, wenn Stellen nur bei den Indianern,nicht aber bei den Häuptlingen eingespart werden.Unerfreulicherweise geht dieser Prozess aktuellmit der Einsparung von Schutzleuten bei der Zu-sammenlegung von Polizeikommissariaten weiter.Dazu kommt, dass in die aufgegebenen Standorte– zum Beispiel bei uns in Niendorf, Frau Ahrons –zuvor mit Renovierungen und Aufhübschungenkräftig investiert wurde. Ressourceneffizienz siehtanders aus, meine Damen und Herren.

Das Thema Steuerungsmöglichkeit der Politik be-schäftigt uns schon wegen der Einführung desneuen Haushaltswesens im Rechnungsprüfungs-ausschuss. Wir haben uns übrigens auch mit demKonzernabschluss beschäftigt und den Senat ge-beten, uns die Bilanzierungsregelung zur Verfü-gung zu stellen, damit wir künftig dieses schwierigeund für uns neue Thema auf Augenhöhe diskutie-ren können.

Leistungen der öffentlichen Verwaltung dürfen sichnicht nach Wohnorten unterscheiden. Es darf auchnicht dazu kommen, dass Vorgaben des Senatszur Steuerung ins Leere laufen, weil sie nicht um-gesetzt werden. Das ist zum Beispiel beim bezirkli-chen Ordnungsdienst geschehen. In keinem Bezirksind die Wege-, Straßen-, Baum- und Wasserwarteweisungsgemäß mit dem bezirklichen Ordnungs-dienst zusammengefasst worden. Mit dieser Maß-name sollte die uniformierte Präsenz vor Ort ge-stärkt werden, um dem Sicherheitsbedürfnis derBevölkerung nachzukommen. Wenn es Gründegibt, eine Vorgabe nicht umzusetzen, dann mussdies politisch erörtert und gegebenenfalls verän-

dert werden, aber man kann sie nicht einfach igno-rieren.

Unser Fazit: Bereits in seinem Jahresbericht 2008hat der Rechnungshof mehr Ausgabendisziplin an-gemahnt, doch an der Konsolidierung mangelt esnoch immer. Auch in diesem Jahr fordert der Rech-nungshof dazu auf, das Ausgabenniveau zu sen-ken. Die Senatspolitik krankt dessen ungeachtetaber weiterhin am Gegenteil. Zur Besserung ver-ordnet der Rechnungshof, Investitionen wirtschaft-licher zu planen und umzusetzen, Werte durch In-vestitionen zu erhalten, Aufgaben zielgerichtet zuerledigen und Verwaltung besser zu steuern undzu kontrollieren – das ist auch an unsere Adressegerichtet. Darüber hinaus müssen beispielsweisein der Arbeitsmarktpolitik vorrangig externe Finanz-mittel genutzt werden, wenn ein Anspruch auf siebesteht. In den ausgegliederten Bereichen müssenwirtschaftliche Risiken reduziert werden, ein The-ma, das uns zurzeit auch in der aktuellen Diskussi-on um die Ausgliederung des Schulbaus beschäf-tigt. Es gibt viel zu tun, packen wir es an. – VielenDank.

(Beifall bei der SPD)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Herr Waldowsky.

Andreas Waldowsky GAL: Frau Präsidentin, liebeKolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ichdoppelt Dank sagen. Erst einmal Dank an denRechnungshof und an seine Mitarbeiter. Wiedereinmal haben Sie mit Leidenschaft und mit großerKompetenz gearbeitet und einen Rechnungshofs-bericht vorgelegt, der von uns im Ausschuss vollund ganz bestätigt wurde. Die von Ihnen vorge-brachte Kritik hatte Hand und Fuß und wir habenuns dem immer anschließen müssen.

Der zweite Dank ist der Dank, den ich an die Kolle-gen im Rechnungsprüfungsausschuss richtenmöchte. Wir haben dort sehr engagiert und vor al-len Dingen sachlich gearbeitet. Es gab keine klein-liche Parteipolitik, sondern es ging um die Sache,nämlich um die Probleme, die wir ansprechenmussten.

Womit haben wir uns beschäftigt? Wir musstenuns wieder mit einer ganzen Breite der Politik be-schäftigen – das macht die Arbeit in diesem Aus-schuss interessant –, die praktisch alle Behördenbetroffen hat. Wir haben uns mit viel Ärgerlichembeschäftigt, aber zum Teil auch mit Kuriosem.

Ärgerlich waren, wie in den Jahren zuvor auch, dievielen Verstöße gegen das Budgetrecht der Bür-gerschaft, also gegen unser Budgetrecht, und dievielen Verstöße gegen die Wirtschaftlichkeit. Dassind die ärgerlichen Sachen, gegen die wir – dashaben auch meine beiden Vorrednerinnen ge-sagt – immer wieder alle gemeinsam ankämpfen

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(Dr. Monika Schaal)

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müssen. Wir müssen Verwaltungen und Behördenimmer wieder dazu auffordern, unsere Rechte ein-zuhalten.

Es gab auch Kurioses; ich möchte zwei Beispielenennen. So durften wir uns mit der Jugendmusik-schule beschäftigen, die zeitweise nicht in der La-ge war, Mahngebühren und Säumniszuschlägeeinzutreiben, weil sie keine Software dazu hatte.Da wundert man sich schon. Ein anderes Kurio-sum, das vielleicht etwas ernsthafter ist: JedenTag, an dem die Sonne aufgeht, zahlen wir4600 Euro für ein Landespolizeiorchester. Dasdient nicht gerade der Sicherheit und dennoch ha-ben uns die Vertreter der Innenbehörde engagiertdargelegt, warum wir aus ihrer Sicht das Landes-polizeiorchester auf alle Fälle auch in Zukunft brau-chen werden. Auch mit solchen Fällen haben wiruns beschäftigt.

Was habe ich gelernt, was habe ich mitgenommenund meinen Kollegen in der GAL-Fraktion mitgeteiltaus der Arbeit dieser drei Abende? Das sind dreiDinge.

Der Landesrechnungshof hat sich mit dem Kon-zernabschluss beschäftigt und dazu ein Sonder-gutachten vorgelegt, aus dem wir entnehmenkonnten, dass er für mehr Transparenz über dietatsächliche wirtschaftliche Lage sorgt. Vom Rech-nungshof wurde zu Recht gelobt, dass es keineSchattenhaushalte mehr gibt, sondern einen Über-blick über das gesamte Vermögen. Dennoch gibtes noch Mängel hinsichtlich der Transparenz. Derjährliche Konzernabschluss muss noch transparen-ter werden. Wir haben – auch darauf haben meineVorrednerinnen schon hingewiesen – über Bewer-tungsfragen gestritten und den Senat aufgefordert,uns da noch größere Klarheit zu verschaffen. Ichhabe drei Punkte, und zwar unterstützt vom Rech-nungshof, aus diesen Sitzungen mitgenommen.

Erstens ist das neue Steuerungswesen, die Dop-pik, gut und richtig. Wir sollten an diesem neuenRechnungswesen festhalten, auch wenn in dereinen oder anderen Fraktion Politiker im Rahmender aktuellen Sparmaßnahmen darüber nachden-ken, ob man die Umstellung auf das neue Haus-haltswesen nicht ganz aufgeben sollte.

(Beifall bei Barbara Ahrons CDU)

Das darf nicht sein, das haben die Diskussionen imRechnungsprüfungsausschuss gezeigt. Es wurdeaber deutlich, dass wir sehr viel mehr kompetenteBegleitung brauchen. Wir haben alle einen Fortbil-dungsbedarf und müssen sehr ernsthaft die Ein-richtung eines Budgetbüros diskutieren, damit wiralle als Abgeordnete besser mit diesem neuen In-strument der Haushaltsrechnungslegung umgehenkönnen.

Als zweiten Punkt habe ich das Problem der Wirt-schaftlichkeitsprüfung mitgenommen. Wir Politikermüssen diese Wirtschaftlichkeitsprüfungen immer

wieder in unseren Ausschüssen anfordern. In denDiskussionen um die HafenCity Universität habenwir ein langes Hin und Her gehabt, bis uns endlicheine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgelegt wurde.Diese ist allerdings weitgehend formal geblieben.Das muss in der Sache substantiell besser wer-den. Wir haben auch andere Beispiele, wo einesolche Prüfung unterblieben ist oder nicht hinrei-chend war. Deshalb die Aufforderung an alle Kolle-gen, in ihren Ausschüssen immer wieder auchWirtschaftlichkeitsprüfungen einzufordern.

Der dritte problematische Bereich, den ich mitge-nommen habe, ist die Auslagerung von öffentli-chen Aufgaben in Landesbetriebe, Anstalten öf-fentlichen Rechts oder GmbHs, AGs und so weiter.Das Beispiel Planetarium hat gezeigt, wie schweres teilweise möglich ist, dort politische Wirtschaft-lichkeitsvorgaben durchzusetzen. Die Kulturbehör-de hat dort einen mühseligen Kampf führen müs-sen. Wir müssen unseren Blick schärfen und se-hen, dass wir auch in ausgelagerten Betrieben dasSagen haben. Auch da muss die Politik durchgrei-fen können, das ist immer noch ein großes Pro-blem.

Nach der von uns geleisteten Arbeit möchte ich ab-schließend sagen: Es hat sich wieder gezeigt, dasswir gerade in der Haushaltslage, in der wir jetztsind, kritische Haushälter in allen Fraktionen brau-chen. Diese kritischen Haushälter bedürfen einerengagierten und kritischen Begleitung durch denRechnungshof. Dafür möchte ich diesem noch ein-mal danken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Dr. Bischoff.

Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE:* Frau Präsiden-tin, meine Damen und Herren! Ich kann mich demUrteil meiner Vorredner anschließen: Der Rech-nungshof macht eindeutig eine gute Arbeit undauch unsere Arbeit im Ausschuss gehört mit dazu.

Frau Schaal hat darauf hingewiesen, dass es umviel Geld geht. Das mag in diesem Hause keingroßes Interesse erwecken, aber es geht um vielGeld bei diesen Projekten, die Mehrkosten verur-sachen. Eigentlich müsste man wünschen, derRechnungshof könne seine Kräfte noch vervielfälti-gen, denn bei weiteren Prüfungen – das ist meinefeste Überzeugung – wäre sicherlich an vielenPunkten noch eine ganze Menge Geld zugunstender öffentlichen Hand einzusparen und das könntedann für andere Zwecke verwendet werden. So-weit reichen die Gemeinsamkeiten mit meinen Vor-rednern.

Ich habe jetzt drei Punkte, Herr Waldodwsky, aberich möchte das nicht als kleinkariert verstandenwissen. Frau Dr. Schaal hat uns einen recht optimi-

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(Andreas Waldowsky)

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stischen Ausblick gegeben. In der Vergangenheitgab es 12 Beanstandungen in Sachen Wirtschaft-lichkeit, jetzt sind es nur noch sieben, daraus könn-te man schließen, dass wir vielleicht irgendwanneinmal die Null erreichen werden. Ich bin mir danicht so sicher – auch, nachdem ich Ihr Plädoyergehört habe, Herr Waldowsky –, ob das so gehtund ob Ihr Appell an die Ausschüsse die richtigeStelle ist.

Ich möchte, wie meine drei Vorredner, noch einmalauf die HafenCity Universität zu sprechen kom-men. Herr Waldowsky, wir haben wohl eine unter-schiedliche Sichtweise auf dieses Projekt. Wennich Sie richtig verstanden habe, sagen Sie, es seiletztendlich eine Wirtschaftlichkeitsrechnung vor-gelegt worden, die aber formal geblieben sei. Ichhabe mir angesehen, wie der Senat auf die Vorhal-tungen reagiert hat. Das war skandalös, was FrauGundelach gemacht hat, auch dem Parlament ge-genüber.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich möchte das nur als Problemstellung verstan-den wissen, wie nämlich der Senat auf Vorhaltun-gen des Rechnungshofs reagiert. Ich zitiere:

"Die Feststellungen des Rechnungshofs,dass mit der Standortwahl HafenCity Mehr-kosten gegenüber anderen Standorten ent-stehen und eine Wirtschaftlichkeitsberech-nung nicht vorliegt, treffen im Grundsatz zu."

Es ist klar, dass nun das berühmte "Aber" kommenmuss:

"Bezüglich der […] Wirtschaftlichkeitsbe-trachtung der Standortauswahl geht dieBWF inzwischen davon aus, dass eine ver-gleichende Betrachtung der positiven undnegativen Effekte zweier Standorte mitquantitativen Methoden in diesem Fall nichtzu belastbaren Aussagen führt."

Man hätte also mit Annahmen arbeiten müssenund vor diesem Hintergrund hat das BWF aufeinen Wirtschaftlichkeitsvergleich verzichtet. DerSenat sagt hier zu einem Großkonflikt in der Stadtabschließend, er habe keinen Wirtschaftlichkeits-vergleich vorgelegt. Er ist sogar noch stolz daraufund schiebt eine Begründung dafür nach, die indem ganzen Verfahren angegriffen worden ist.

Aus meiner Sicht geht es darum, wie wir so etwasvermeiden oder damit umgehen können. Ich habeimmer betont, dass ich es akzeptieren kann, wenndie Behörde und der Senat hinterher sagen, dassSie sich zugunsten des Projektes entscheiden undvon der Wirtschaftlichkeitsrechnung distanzierenwollen. Aber zuvor muss diese Wirtschaftlichkeits-rechnung vorgelegt werden, sonst geht das nicht.Es kann nicht darum gehen, Wirtschaftlichkeits-rechnungen als Instrument zur Legitimierung ir-gendwelcher Projekte heranzuziehen. Solange wir

es nicht schaffen, diese Haltung zu brechen undsolange das dem Senat nicht beigebracht wird,werden wir, fürchte ich, immer wieder Verstöße ge-gen die Wirtschaftlichkeit zur Kenntnis nehmenmüssen.

Frau Ahrons, Sie haben mein zweites Beispiel, dieSchule Chemnitzstraße, schon angesprochen. Hiersind die Kosten von 4,8 Millionen Euro auf fast15 Millionen Euro angestiegen. Das ist wirklich einSkandal. Rückblickend sagt der Senat:

"Die Feststellung des Rechnungshofs, dasseine vollständige Wirtschaftlichkeitsuntersu-chung nicht vorliegt, trifft zwar zu, die Not-wendigkeit des Neubaus konnte aber nichtausschließlich aus Sicht der zuständigenBehörde begründet werden."

Solange gesagt wird, dass der Rechnungshof undauch die "deppigen" Wirtschaftsprüfer recht haben,wir aber hinterher feststellen müssen, dass dasnichts ändert und Senat und Behörden unbeein-druckt bei ihrer Auffassung bleiben, ist das in mei-nen Augen eine Missachtung des Parlaments. Dasist in diesen beiden Verfahren sichtbar gewordenund das muss geändert werden. Wenn wir dieseHaltung nicht aufbrechen, dann ist zu befürchten,dass irgendwann unsere ganze Arbeit ins Leereläuft.

Ich will noch zwei Punkte ansprechen. Der Rech-nungshof schreibt – der Senat hat es sich auch zuEigen gemacht –:

"Öffentlich Private Partnerschaften […]könnten aus sich heraus nicht die Lösung fi-nanzieller Probleme darstellen …"

Das ist ganz wichtig, weil wir, Stichwort intelligentePrivatisierung, eine ganze Reihe solcher Projektevor uns haben. Wenn das funktionieren soll, dannwäre jetzt der Appell an Ihre eigene Fraktion hilf-reich, Herr Waldowsky. Es muss dem Rechnungs-hof dann auch gefolgt werden; die ÖPP-Projektemüssen im Einzelnen und differenziert betrachtetwerden und es muss für jedes dieser Projekte einNachweis der Wirtschaftlichkeit erfolgen.

Der letzte Punkt. Das war eben eine Hommage andas neue Rechnungswesen von Ihnen. Nach mei-nem Eindruck sind wir noch eine Ecke davon ent-fernt, denn zu der Konzernbilanz stellt der Rech-nungshof fest:

"Aufgrund umfangreicher Vereinfachungen,die im gewählten pragmatischen Projektvor-gehen begründet sind, kann der Konzernab-schluss in Teilen noch nicht als in sinngemä-ßer Anwendung der Grundsätze ordnungs-gemäßer Buchführung aufgestellt gelten.Aufgrund der Vereinfachungen […]"

geht es hier um

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(Dr. Joachim Bischoff)

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"… eine verzerrte Darstellung der Vermö-gens- und Ertragslage".

Im Klartext hätte der Rechnungshof auch sagenkönnen, dass das, was jetzt vorliegt, ein Schritt indie beabsichtigte Richtung sei. Wenn das neueRechnungswesen wirklich zu mehr Transparenzführen soll, dann muss in diesen Bereich noch er-heblich mehr Energie hineingesteckt werden.– Danke.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt beider SPD)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Wenn kei-ne weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommenwir zur Abstimmung.

Wir kommen zunächst zu den Empfehlungen desHaushaltsausschusses aus Teil A IV seines Be-richts. Die unter dem Buchstaben a) erbetenenKenntnisnahmen sind erfolgt.

Wer, wie in b) empfohlen, die in der Haushalts-rechnung 2007 ausgewiesenen Überschreitungengenehmigen möchte, den bitte ich um das Hand-zeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dasist einstimmig angenommen.

Hierzu bedarf es einer zweiten Lesung. Stimmt derSenat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken-nen.)

Das ist der Fall. – Gibt es Widerspruch aus demHause? – Den sehe ich nicht.

Wer den soeben in erster Lesung gefassten Be-schluss in zweiter Lesung fassen will, den bitte ichum das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltun-gen? – Das ist damit in zweiter Lesung und somitendgültig beschlossen.

Wer nun der Ausschussempfehlung aus c) folgenund dem Senat für das Haushaltsjahr 2007 Entla-stung erteilen möchte, den bitte ich um das Hand-zeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dasist mit Mehrheit angenommen.

Wer sich, wie unter d) empfohlen, den unter Teil AAbschnitt II des Ausschussberichtes aufgenommenBeschlussvorschlägen des Unterausschusses Prü-fung der Haushaltsrechnung anschließen möchte,den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe.– Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenom-men.

In Teil B des Haushaltsausschussberichtes wirdempfohlen, den Rechnungshof für dessen Haus-halts- und Wirtschaftsführung imHaushaltsjahr 2007 Entlastung zu erteilen. Wer sobeschließen möchte, den bitte ich um das Hand-zeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dasist einstimmig passiert.

Ich möchte nun die Gelegenheit nutzen, demRechnungshof, der jetzt auch anwesend ist, undseinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für dievon ihnen geleistete Arbeit ausdrücklich den Dankunseres Hauses auszusprechen.

(Beifall bei allen Faktionen)

Wir kommen zu Punkt 34 der Tagesordnung,Drucksache 19/4519, Antrag der SPD-Fraktion:Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Auf-enthaltsstatus.

[Antrag der Fraktion der SPD:Gesundheitsversorgung von Menschen ohneAufenthaltsstatus– Drs 19/4519 –]

Ich möchte, bevor ich Frau Domres das Wort ertei-le, darum bitten, dass die Gespräche auf der zwei-ten Reihe der Senatsbank unterbrochen werden.Die sind so vertieft, dass Frau Blömeke gar nichtmerkt, dass ich mit ihr rede.

(Glocke)

Frau Blömeke, es wäre nett, wenn Sie Ihre Ge-spräche draußen weiterführen oder warten wür-den, bis die Sitzung zu Ende ist.

Wir sind bei Punkt 34 der Tagesordnung, Antragder SPD-Fraktion: Gesundheitsversorgung vonMenschen ohne Aufenthaltsstatus. Diese Drucksa-che möchte die SPD-Fraktion federführend an denAusschuss für Gesundheit und Verbraucherschutzsowie mitberatend an den Sozialausschuss über-weisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Domres, bitte.

Anja Domres SPD:* Frau Präsidentin, meine Da-men und Herren! Eine vom Diakonischen Werk inHamburg in Kooperation mit der Nordelbischen Kir-che und der Gewerkschaft ver.di in Auftrag gege-bene Studie kommt zu dem Ergebnis, dass inHamburg zwischen 6000 und 22 000 Menschenohne gültige Aufenthaltspapiere leben. Zwar hat esim September bereits eine Verbesserung für dieseMenschen gegeben, da eine allgemeine Verwal-tungsvorschrift in Kraft getreten ist, die die soge-nannte Übermittlungssperre, die bisher nur für Ärz-te galt, beispielsweise auch auf die Krankenhaus-verwaltungen ausgedehnt hat. Diese waren zuvorverpflichtet, Menschen, die sich illegal in Deutsch-land aufhalten, an die Ausländerbehörden zu mel-den. Mit der geänderten Verwaltungsvorschrift wur-de eine wesentliche Barriere beseitigt, den im Asyl-bewerberleistungsgesetz verankerten Rechtsan-spruch auf Gesundheitsleistungen für Menschenohne Papiere in Anspruch nehmen zu können.Dennoch existieren weitere finanzielle, rechtlicheund andere Hindernisse, die Ärzte und Kranken-hauspersonal auf der einen Seite und Menschenohne Papiere auf der anderen Seite verunsichern

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2555

(Dr. Joachim Bischoff)

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und den tatsächlichen Zugang zur Gesundheits-versorgung und zu Gesundheitsleistungen prak-tisch verweigern.

In Artikel 12 des UN-Sozialpakts ist das Recht aufhöchstmögliche, körperliche und geistige Gesund-heit sowie das Recht auf medizinische Versorgungfür jeden Menschen festgeschrieben. Es gehört zuden grundlegenden Menschenrechten, die für allein Deutschland lebenden Menschen, unabhängigvon ihrem Aufenthaltsstatus, gelten. Der für dieEinhaltung dieser Konvention zuständige UN-Aus-schuss hat ausdrücklich betont, dass medizinischeEinrichtungen und ärztliche Betreuung für alle, ins-besondere für die besonders Schutzbedürftigenund an den Rand gedrängten Gruppen der Bevöl-kerung, der Zugang de jure und auch de facto oh-ne Verletzung des Diskriminierungsverbots zu-gänglich sein müssen. Hamburg muss klären, wiedieses Recht auf Gesundheit für Menschen ohnePapiere tatsächlich umgesetzt werden kann. DieGesundheitsleistungen müssen für Menschen oh-ne Papiere ohne die Gefahr der Entdeckung zu-gänglich gemacht werden.

Dabei geht es überhaupt nicht darum, diesen Men-schen eine bessere Gesundheitsversorgung zu ge-ben als den Menschen, die in einer privaten odergesetzlichen Krankenkasse versichert sind und da-für ihre Beiträge zahlen. Es geht darum, diesenMenschen überhaupt die Möglichkeit einer gesund-heitlichen Versorgung zu geben.

Bisher gab es in Hamburg Angebote wie zum Bei-spiel die medizinische Beratungsstelle für Flüchtlin-ge und Migranten, das Medibüro in Altona, in derÄrztinnen und Ärzte ehrenamtlich eine Vermittlungin medizinische Behandlung angeboten haben,und auch das Angebot der Malteser Migranten Me-dizin, das sogenannte MMM, auf dem Gelände desMarienkrankenhauses, das Menschen ohne Kran-kenversicherung Beratung und Unterstützungdurch ehrenamtliche, meist pensionierte Ärzte undÄrztinnen angeboten hat. Aber eine funktionieren-de Gesundheitsversorgung für Menschen ohnePapiere kann nicht allein auf Ehrenamtlichkeit,Spenden und Vergütungsverzicht gegründet sein.

(Beifall bei der SPD, der GAL und der LIN-KEN)

Dieses ist unangemessen. Die Gesundheitsversor-gung für Menschen ohne Papiere muss aus derParallelwelt der Ehrenamtlichkeit und der Freiwillig-keit herausgeholt und in die Regelversorgung desGesundheitssystems integriert werden.

Herr Senator Wersich, Sie haben gestern schon inder Aktuellen Stunde, als es um die Menschen oh-ne Papiere ging, in der Debatte gesagt, dass Sieder Meinung sind, dass diese Menschen durch pri-vate Einrichtungen gut versorgt würden, dass diehumanitäre, private Zivilgesellschaft dafür eintretenkönne und der Staat nicht die Aufgabe habe, für Il-

legale zu sorgen. Dies sehe ich anders und wir alsSPD-Fraktion möchten den Senat auffordern,

gemeinsam mit den bisherigen und den potenziel-len Trägern und möglichen Kostenträgern der Ge-sundheitsversorgung für Menschen ohne Papieredie verschiedenen in Deutschland zurzeit prakti-zierten Finanzierungsmodelle zu diskutieren undEntscheidungen zu treffen. Als Finanzierungspart-ner kommen Stiftungen, Fonds, staatliche Teilfi-nanzierung oder auch die Beteiligung der Kranken-kassen infrage, wobei auch Mischmodelle möglichsein werden. Dabei ist auch der Vorschlag desDiakonischen Werks zu diskutieren, in Hamburgdas Konzept des anonymisierten Krankenscheinszu erproben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Natürlich ist dabei auch zu überlegen, ob es Men-schen ohne Papiere möglich gemacht werdenkann und ob es ihnen möglich sein wird, einen an-gemessenen finanziellen Eigenbeitrag zu leisten.Es muss aber geklärt werden, welche Stelle fürden einzelnen Patienten ohne Papiere entscheidensoll, welche Gesundheitsleistungen jeweils bereit-gestellt werden und für die nötigen formalen Abläu-fe gestaltet werden müssen. Diese Aufgabe kannnur von einer Stelle übernommen werden, die beiden Betroffenen und auch von öffentlicher Seiteher volles Vertreten genießt, zugleich aber die vol-le medizinische Fachkompetenz hat und die Kom-petenz im Umgang mit der Zielgruppe aufweist.

Wir fordern den Senat daher auf, einen RundenTisch Gesundheitsversorgung für Papierlose mitVertretern der zuständigen Behörden, der Wohl-fahrtsverbände, der Ärztekammer, der Kranken-kassen und möglichen anderen Kostenträgern so-wie der Kirchen einzurichten und auf Basis desAsylbewerberleistungsgesetzes die Verbesse-rungsmöglichkeiten der medizinischen Versorgungfür Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatuszu erörtern und gegebenenfalls umzusetzen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Es ist kurzfristig zu prüfen, ob bei den Gesund-heitsämtern, den Bezirksämtern oder bei FreienTrägern sogenannte humanitäre Sprechstundeneingerichtet werden können, die die gesundheitli-che Primärversorgung von Menschen ohne gesi-cherten Aufenthaltsstatus, also Menschen ohnePapiere, sicherstellen können. Eine solche huma-nitäre Sprechstunde, zuerst für Roma, später dannauch für Migrantinnen und Migranten aus Afrika,gibt es seit 1997 beim Gesundheitsamt in Frank-furt. Eine internationale Sprechstunde findet dortseit 2009 statt. Diese Sprechstunde bietet Besu-cherinnen und Besuchern kostenlose und anony-me Beratung, medizinische Betreuung im Sinne ei-ner hausärztlichen Sprechstunde und die Nutzungder gemeinsamen und gesamten fachärztlichen In-frastruktur des Gesundheitsamtes. Dabei steht in

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(Anja Domres)

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Frankfurt die humanitäre Sprechstunde als Ange-bot nicht allein da, sondern sie ist mit allen ande-ren möglichen Angeboten vernetzt, wie zum Bei-spiel der kommunalen Ausländerinnenvertretungund Migrantenvereinen in Frankfurt. Es wäreschön, wenn der Senat in Hamburg ebenfalls einsolches Angebot konzipieren könnte.

(Beifall bei der SPD und bei ChristianeSchneider DIE LINKE)

Schließlich fordern wir den Senat auf, eine Bun-desratsinitiative mit dem Ziel zu unterstützen undeinzubringen, den Abschiebeschutz bei Schwan-gerschaft und Geburt auf drei Monate vor und dreiMonate nach der Geburt auszudehnen. Dies istinsbesondere wichtig, um die Ausstellung einerGeburtsurkunde für das geborene Kind zu gewähr-leisten. Bisher gelten die allgemeinen Mutter-schutzfristen, die eine Abschiebung sechs Wochenvor und acht Wochen nach der Geburt vorsehen,aber eine Verlängerung würde für die Mütter ein-fach sicherstellen, dass sie tatsächlich eine Ge-burtsurkunde für das Kind erhalten können.

Herr Senator, es ist einfach unzureichend, wennSie, wie gestern geschehen, diese gesamte Ver-sorgung auf private Träger und Wohlfahrtsverbän-de abschieben wollen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Skandal!)

Der Staat ist durchaus in der Pflicht und so wird esauch in anderen Bundesländern gehandhabt. Ichfrage mich, wieso immer Hamburg eine Ausnahmesein muss bei Dingen, die andere Bundesländerschon längst als ihre Pflicht begreifen. In Hamburgziehen sich Staat und Regierung aus vielen Ange-legenheiten heraus und verlassen sich auf das gu-te Funktionieren der Ehrenamtlichkeit; das kann esnicht sein. Sie haben vorhin noch davon gespro-chen, dass es keine Denkverbote geben dürfe.Wenn Sie von Denkverboten sprechen, müssenSie aber auch davon ausgehen, dass es diese inkeinem Bereich geben darf. Sie müssten sich da-her überlegen, ob es eine Möglichkeit gibt, dassSie als Senat dafür sorgen, dass es eine staatlicheUnterstützung, einen staatlich geförderten Zugangdieser Menschen ohne Papiere in die Gesund-heitsversorgung dieser Stadt gibt. Ich habe heuteerfahren, dass die ursprünglich beantragte undauch einvernehmlich getragene Überweisung desAntrags der SPD-Fraktion an den Gesundheitsaus-schuss inzwischen von der GAL- und derCDU-Fraktion abgelehnt wurde. Ich finde das sehrschade, weil ich denke, dass man kritische The-men oder Themen, für die man ad hoc keine Lö-sungen hat – es gibt viele solcher Themen und eserwartet auch niemand, dass man sie gleich lösenkann –, nicht einfach totschweigen kann, indemman sie nicht an die zuständigen Sach- undFachausschüsse zur fachlichen Diskussion über-weist. Ich halte diesen Schritt für falsch.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Er ist aber auch nur ein erneutes Beispiel, wie derSenat versucht, sich von unliebsamen Themen zutrennen, indem er diese überhaupt nicht erst an dieAusschüsse zur Diskussion überweist.

Wir fordern den Senat auf, bis zum 31. März 2010einen Bericht zu erstellen hinsichtlich der Anstren-gungen, die der Senat bis dahin unternommen hat,die Gesundheitsversorgung von Menschen ohnegültige Papiere zu verbessern, einen Bericht auchdarüber, welche Ergebnisse es bis dahin gebenwird oder ob der Senat dann feststellen wird, dasser sich weiter auf der ehrenamtlichen Arbeit enga-gierter Menschen ausruhen wird und das Problemweiter ignoriert.

(Beifall bei der SPD und bei ChristianeSchneider DIE LINKE)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Herr Krüger.

Harald Krüger CDU: Frau Präsidentin, meine Da-men und Herren! Zunächst einmal eine Bemerkungvorweggeschickt: Bei jedem Hilfeangebot für hierlebende Menschen ohne geklärten Aufenthaltssta-tus, also Menschen, die sich illegal hier aufhalten,besteht natürlich für den Staat ein Dilemma. Aufder einen Seite dürfen und sollen humanitäreGrundsätze auf keinen Fall verletzt werden, auf deranderen Seite sind aber gerade vom Staat Rechtund Gesetz zu beachten. Ein ähnlicher Zielkonfliktbesteht auch für Helfer im nicht-staatlichen Bereichin diesem Fall. Einerseits müssen sie die Unter-stützung geben, die erforderlich und wünschens-wert ist, auf der anderen Seite darf es keine Preis-gabe der Anonymität geben.

Dies einmal vorausgeschickt, muss ich Ihnen sa-gen, liebe Frau Domres, dass es Ihres Antrags garnicht bedurft hätte, denn das Thema ist für dieSPD vielleicht interessant, aber wir alsschwarz-grüne Koalition haben uns dieser Proble-matik längst angenommen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Längst!)

Ein Blick in unseren Koalitionsvertrag hätte Ihnenauch gezeigt, dass dies wirklich kein neues Themaist.

(Beifall bei der CDU und bei Antje MöllerGAL)

Probleme gibt es insbesondere bei der medizini-schen Versorgung in Notfällen. Ob die Zahlen, dieSie hier genannt haben für Menschen ohne Auf-enthaltsstatus, belastbar sind, sei dahingestellt. Je-der einzelne Fall, bei dem es zu einem Problemkommt, erfordert Hilfe. Deshalb will ich mich hierauch gar nicht auf Zahlen einlassen. Grundsätzlichmuss aber festgestellt werden, dass das Asylbe-werberleistungsgesetz sehr wohl eine medizini-

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(Anja Domres)

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sche Versorgung in Notfällen vorsieht. Erfahrungenaus München belegen, dass etwa zwei Drittel allerderartigen Fälle in dieser Form lösbar sind. Dasdürfte vermutlich von den Relationen her auch fürHamburg gelten und ich weise darauf hin, dasssich beispielsweise das UKE in diesem Bereichsehr engagiert.

Soziale und medizinische Hilfe für Menschen in derIllegalität stellen ein sehr komplexes Problem dar.Das Grundsatzproblem der Illegalität ist natürlich,dass die Regelsysteme eben nicht zur Verfügungstehen, und man muss sich unabhängig von derWahl des Lösungswegs klarmachen, dass vermut-lich trotz aller Bemühungen nicht in jedem Fall dieerforderliche und von uns allen sicherlich ge-wünschte Hilfe möglich sein wird.

Der Deutsche Städtetag hat sich wiederholt mitdiesem Problem befasst. Es liegen Erfahrungenaus anderen Städten vor und Hannover, meinesWissens von einem SPD-Oberbürgermeister re-giert, hat im letzten Jahr formuliert, dass für Staatund Kommunen Illegalität nicht hinnehmbar sei.Das heißt, das erste Ziel – das gilt auch für die me-dizinische Versorgung – muss sein, dass wir Men-schen, die ohne geklärten Aufenthaltsstatus hierleben, wieder in die Legalität bringen, in die Regel-systeme einführen und nicht etwa Parallelsystemeaufbauen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: In dasRegelsystem der Abschiebung!)

Alle Maßnahmen müssen also zunächst einmaldarauf hinauslaufen, Illegalität möglichst zu verhin-dern und neue Systeme auch im Gesundheitsbe-reich zu erleichtern. Der Weg zu einer Normalisie-rung der Parallelgesellschaft kann wirklich nichtunser Ziel sein.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Da sind dieja bei Ihnen in guten Händen!)

Neben den rechtlichen Problemen, die ich ebennur kurz angerissen habe, gibt es natürlich auchpraktische. Es ist ein wenig lebensfremd zu glau-ben, dass Sprechstunden in Bezirksämtern fürMenschen ohne Aufenthaltsstatus, die natürlichAngst haben, sich hier aufzuhalten, wirklich dierichtige Anlaufstelle sind für eine Sprechstunde. Sosouverän werden die meisten Menschen, die hierin einer Schatten- und Parallelwelt leben, vermut-lich nicht sein.

Bei Freien Trägern – auch die gibt es in Hamburg,Frau Domres hat darauf hingewiesen, die Malteserim Marienkrankenhaus wurden genannt – gibt esnach den Gesprächen, die ich mit ihnen geführthabe, durchaus zwiespältige Gefühle beim ThemaFinanzierung. Auf der einen Seite wird sich jederTräger, der in diesem Bereich tätig ist und vonSpenden und ehrenamtlichem Engagement lebt,natürlich über finanzielle Hilfe freuen. Auf der an-deren Seite wurde mir sehr plausibel deutlich ge-

macht, dass jede Form von staatlicher Hilfe dazuführt, dass man als Träger eine rechtliche oder zu-mindest moralische Verpflichtung gegenüber demStaat hat, wenn man diese Hilfe annimmt. Geradedie Glaubwürdigkeit eines freien Trägers im Um-gang mit Illegalen besteht darin, deutlich zu ma-chen, dass man überhaupt keine Verpflichtung ge-genüber dem Staat hat, dass, wer sich an diesenTräger wendet, keine Angst haben muss, in irgend-einer Form dann doch einem staatlichen Zugriffausgesetzt zu sein. Auch das bitte ich einmal zubedenken, das ist meiner Meinung nach ein wichti-ges Argument.

Es gibt auch andere praktische Fragen, die manklären muss. Wie beweist man eigentlich, dassman keine Papiere hat? Es wäre für mich absolutinakzeptabel, dass Menschen, die eine Kranken-kassenkarte in der Tasche haben, aus eventuellnachvollziehbaren Gründen die Behandlung in derAnonymität vorziehen würden und sich deshalbnicht offenbaren. Das kann nicht unser Ziel sein.Ich will es nicht überbetonen, ich will damit nur an-deuten, dass dies auch ein Aspekt ist, den manberücksichtigen muss. Schließlich wäre es unge-recht, wenn Menschen in der Illegalität Leistungenbekämen, bei denen sie von Zuzahlungen befreitwären, während andere, besonders mit geringemEinkommen, eigene Zuzahlungen leisten müssen.Dass der legal hier lebende Mensch mehr zahlt alsder illegal hier Lebende, kann nicht unser Ziel sein.

(Beifall bei der CDU)

Dann gibt es ethische Probleme. Bei jeder Art vonLeistung muss einem klar sein, dass sie vermutlichendlich ist. Wir können jedoch unmöglich an ir-gendeinem Tag des Jahres, an dem dieser Topferschöpft ist, denjenigen plötzlich nicht mehr be-handeln. Man muss sich also Gedanken machen,wenn man so ein Angebot macht, dass es verläs-slich ist nicht nur für die Helfer, sondern insbeson-dere für die Patienten, die wir nicht wieder weg-schicken wollen. Diese Liste ließe sich lange fort-führen.

Genau über solche Themen, liebe Frau Domres,sind wir seit langer Zeit in der Koalition im Ge-spräch und deshalb müssen diese Fragen poli-tisch, ethisch und rechtlich zunächst einmal geklärtsein. So eine Klärung wird nun gewiss nicht durcheinen Runden Tisch ersetzt, Politik wird immernoch im Parlament gemacht und nicht an RundenTischen.

(Jan Quast SPD: Oder im Ausschuss!)

Nachdem diese Klärung erfolgt ist, kann man gernwieder mit den Betroffenen an einem RundenTisch zusammenkommen, um Detailfragen für dieAusgestaltung zu klären. Aber Ihr Vorschlag, mitVerlaub, bringt da wirklich keine Lösungsvorschlä-ge und deshalb hat es auch wenig Sinn, ihn im

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(Harald Krüger)

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Ausschuss zu diskutieren und wir werden ihn auchablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Frau Heitmann.

Linda Heitmann GAL:* Frau Präsidentin, meineDamen und Herren! Auch wenn immer wieder da-von die Rede ist, dass Menschen, die illegal in die-ses Land einreisen, die sich hier ohne gültigenAufenthaltsstatus aufhalten, Gesetze gebrochenhaben, so ist es dennoch so, dass sie häufig auseiner Notlage heraus gekommen sind. Fakt ist,dass diese Menschen hier sind und wir haben dieVerantwortung, mit diesen Menschen umzugehen.

(Beifall bei der GAL)

Gestern in der Debatte wurde bereits mehrfach be-tont, welche grundlegenden Rechte auch Men-schen ohne Papiere in dieser Stadt haben. Sie ha-ben das Recht auf Bildung, das Recht auf Schutzvor Ausbeutung. Hierzu war ein schöner Artikel inder "ZEIT" letzte Woche, den ich gerne empfehle.Diese Menschen haben auch ein Recht auf Ge-sundheitsversorgung. Diese Rechte sind geschütztdurch den UN-Sozialpakt, durch die UN-Kinder-rechtskonvention, durch die Wanderarbeiter-Kon-vention und einige mehr.

Ich gehe jetzt direkt zum SPD-Antrag über: LiebeSPD, ich habe mich gefreut, dass ein Antrag kam,dass Sie sich wieder einmal zum Hüter unseresKoalitionsvertrags gemacht haben, in dem ganzklar verankert ist, dass wir uns dieses Themas an-nehmen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei derCDU)

Ihr Antrag enthält sehr viele wichtige und richtigePunkte. Wir lehnen ihn deshalb heute ab, weil wirin der Koalition schon sehr viel weiter sind, als Siees in Ihrem Antrag wollen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Dann kön-nen Sie das ja im Ausschuss erklären!)

Sie fordern in Ihrem Antrag einen Runden Tischmit allen Akteuren der Stadt. Es gab bereits meh-rere Gespräche, mit dem Medibüro, mit der Ärzte-kammer und mit dem UKE, weil auch uns derenEinbeziehung in eine Konzeption wichtig ist und wireinen regen Austausch pflegen.

Dann haben Sie in Ihrem Antrag geschrieben,dass Sie gern die Überprüfung verschiedener, inanderen Städten praktizierter Modelle anstoßenwürden. Auch das ist bereits geschehen. Sowohldie Behörde als auch Antje Möller und ich habendie verschiedenen Modelle sehr genau angesehenund wir diskutieren innerhalb der Koalition derzeit,welches Modell oder welche neue Konzeption

möglicherweise auch auf Hamburg zugeschnittensein könnte.

Ich erzähle Ihnen vermutlich nichts Neues, wennich sage, dass unsere beiden Parteien bei diesemThema nicht immer ganz dieselben Auffassungenvertreten und auch von sehr unterschiedlichen Po-len kommen, was die Diskussion teilweise nichtganz einfach macht. Aber ich glaube, dass wir eineKoalition sind, die sehr gut und sehr pragmatischzu Lösungen kommen wird.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

So sind wir uns weitgehend einig in der Frage,dass eine Clearingstelle, wie sie in München prak-tiziert wird, auch für Hamburg ein Bestandteil seinkönnte. Wie das in der weiteren Ausgestaltungdann aussehen soll, darüber sind wir im Aus-tausch. Es ist mir sehr wichtig, dass bei dem Um-gang mit Menschen im illegalen Aufenthaltsstatusohne den Druck zur Aufdeckung der Identität gear-beitet wird.

(Beifall bei der GAL und bei Norbert Hack-busch DIE LINKE)

Ich persönlich finde es etwas zynisch, wenn immerwieder betont wird, Menschen im illegalen Aufent-haltsstatus hätten die Möglichkeit, Leistungen nachdem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch zunehmen,

(Ingo Egloff SPD: Das hat der Senatorgestern aber gesagt!)

denn genau dafür müssen sie ihren Aufenthaltssta-tus aufdecken. Und das ist die Zwickmühle, die eshäufig verhindert, dass schwerwiegende Krankhei-ten viel zu spät behandelt werden, fachlich unzu-reichend oder sogar gar nicht. Auch schwangereFrauen haben kaum Möglichkeiten, ihr Kind in die-ser Stadt unter sicheren Bedingungen zur Welt zubringen.

Es ist, wie Herr Wersich gestern in der Debatteschon betont hat, ein kleiner Fortschritt, dass nunim Bundesrat die verlängerte Schweigepflicht desSozialamts erreicht wurde, die es möglich macht,auch in akuten Notfällen die Kosten einer Kranken-hausbehandlung zu übernehmen, ohne dass eineAufdeckung der Identität notwendig ist. Aber manmuss leider auch konstatieren, dass Menschen imillegalen Aufenthalt häufig sehr schlecht über ihreRechte informiert werden und es eine sehr großeHürde für diese Menschen darstellt, überhaupt anInstitutionen heranzutreten, die in irgendeiner Formmit dem Staat assoziiert werden. Da bestehtgroßes Misstrauen und große Skepsis, weshalb ei-ne staatsferne und unabhängige Organisation alsAnlaufstelle sehr wichtig ist.

(Beifall bei Antje Möller GAL – Glocke)

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(Harald Krüger)

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Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre-chend): Frau Heitmann, gestatten Sie eine Zwi-schenfrage des Abgeordneten Yildiz?

Linda Heitmann (fortfahrend): – Nein, er redetgleich noch.

Ich komme jetzt auch zum Schluss meiner Rede.Es gibt Gespräche mit den Akteuren, die Koalitionarbeitet an diesem Thema und ich freue mich, Ih-nen hier hoffentlich bald konkretere Planungenvorstellen zu können, über die wir dann gern wie-der diskutieren können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Frau Schneider.

Christiane Schneider DIE LINKE: Frau Präsiden-tin, meine Damen und Herren! Es ist in der gestri-gen Debatte deutlich geworden – Frau Heitmann,Sie haben es auch angesprochen –, dass die Fra-ge der Anonymität und ihrer Akzeptanz in gewisserWeise auf allen diesen Handlungsfeldern im Mittel-punkt steht. Das gilt auch für das HandlungsfeldGesundheitsversorgung. Herr von Frankenberg,Sie haben gestern klipp und klar gesagt, es sollegesundheitliche Versorgung geben, aber keinenAnspruch auf Anonymität.

Herr Senator Wersich, Sie haben gestern völlig zuRecht darauf hingewiesen, dass jahrzehntelangeIllegalität – ich bitte Sie, bei diesem Wort die An-führungszeichen mitzudenken, denn kein Menschist illegal – unerträglich für alle mittelbar und unmit-telbar Beteiligten ist, hier stimme ich Ihnen voll zu.Aber die Perspektive der Rückführung – dieser Be-griff ist wirklich ein Euphemismus – und der Ab-schiebung fesselt Menschen im Schattendaseinder Illegalität. Die politische Situation in vielen Län-dern, die tiefe Spaltung der Welt und übrigens zu-nehmend auch die Klimakatastrophe führen in Zu-kunft zu großen und wahrscheinlich ziemlich rasantwachsenden Wanderungsbewegungen und Flücht-lingsströmen in aller Welt. Das kann man sich weg-wünschen, davor kann man die Augen verschlie-ßen, aber damit schafft man diese Tatsache nichtaus der Welt. Die Flüchtlingsbekämpfungspolitikder EU und der Bundesrepublik Deutschland ver-hindert diese Flüchtlingsströme nicht. Sie verhin-dert auch nicht, dass es Menschen gelingt, sichhierher durchzuschlagen. Aber sie führt dazu, dassMenschen hier in die Illegalität gezwungen werden,sie produziert die Illegalität dieser Menschen. Eswird bei Aufrechterhaltung dieser restriktivenFlüchtlingspolitik deshalb keine Lösung der Proble-matik geben, dass Menschen in der Illegalität le-ben müssen. Diesem Umstand muss Rechnunggetragen werden, und das bedeutet zweierlei.

Erstens muss es unserer Meinung nach eineAmnestie für die jetzt hier lebenden Illegalisiertengeben.

Zweitens, da dies so schnell nicht erreichbar istund auch nicht prophylaktisch gilt, denn es werdenimmer weitere Leute kommen, müssen Rege-lungen gefunden werden, die von dieser massen-haften Tatsache illegalisierter Menschen auch hierin Hamburg ausgehen.

Da Senator Wersich weder das eine noch das an-dere will, also weder Amnestie

(Olaf Ohlsen CDU: Darf er ja nicht!)

noch die Anerkennung der Tatsache, dass es Il-legalität zwangsläufig geben wird, ist sein Verweisauf den unerträglichen Zustand jahre- oder jahr-zehntelanger Illegalität in letzter Instanz zynisch.Sie bieten für wenige Fälle die vage Chance einerLegalisierung und für die große Zahl der Betroffe-nen die Abschiebung in Zustände, aus denen sieoft unter Lebensgefahr geflüchtet sind. Unter sol-chen Umständen ist doch selbstverständlich, dassBetroffene die trostlose Situation der Illegalität derAbschiebung vorziehen.

Was heißt das jetzt für die Frage der Gesundheits-versorgung? Wir müssen weiter davon ausgehen,dass eine große Zahl von Menschen ohne Aufent-haltstitel in dieser Stadt lebt. Wir stimmen dem An-trag der SPD zu, weil er einige wichtige Anliegenaufnimmt und Vorschläge macht, die wir unterstüt-zen. Aber ich sage ganz offen, dass wir dieseSchritte nicht für ausreichend halten. Ich habe gernvernommen, Frau Domres, dass Sie über weiter-gehende Schritte nachdenken und darüber amRunden Tisch sprechen möchten. Trotzdem ist IhrVorschlag unserer Ansicht nach nicht ausreichend.

Senator Wersich, Sie haben gestern ausdrücklichgesagt, es könne nicht das Ziel sein, Anonymitätzu normalisieren und diese Menschen mit Gedul-deten gleichzustellen. Ich habe zweimal nachge-schaut, aber Sie haben tatsächlich gesagt, siedürften nicht einmal mit Geduldeten gleichgestelltwerden. Sie haben dann das hehre Wort der Ge-rechtigkeit verwendet, es würde den Gerechtig-keitsgrundsatz eklatant verletzen. Mir hat da derAtem gestockt.

(Olaf Ohlsen CDU: Der hätte noch längerstocken sollen!)

Ihr Gerechtigkeitsgrundsatz scheint darin zu beste-hen, im Hinblick auf die Menschenrechte einedeutliche Abstufung auf der alleruntersten Ebene,auf der Ebene der am meisten Ausgegrenzten undEntrechteten, aufrechtzuerhalten. Diese weitereKlassifizierung von Leistungsberechtigungen mö-gen die für gut halten, die das Prinzip der Klassen-medizin verfolgen und in die Tat umsetzen. DemGrundgedanken einer solidarischen und gerechtenGesellschaft widerspricht dies total.

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(Beifall bei der LINKEN)

Diese Herabsetzung auf der untersten Stufe, dieSie wollen, macht die SPD nicht in ihrem Antragund dafür bin ich außerordentlich dankbar. Sie tra-gen der Tatsache, dass unter uns illegalisierteMenschen leben, wirklich Rechnung. Das hat IhreRede, Frau Domres, auch bestätigt und darüberhabe ich mich gefreut.

Jetzt kommt mein Aber: Sie treten für die Gleich-stellung der Illegalisierten mit den Geduldeten ein.So habe ich die Begründung verstanden, wenn Sieausdrücklich sagen, Grundlage der Gesundheits-leistungen kann nur Paragraf 1a Asybewerberlei-stungsgesetz sein, denn eine Besserstellung vonMenschen ohne Papiere gegenüber Asylsuchen-den oder geduldeten Menschen sei nicht vermittel-bar. Doch die Gesundheitsversorgung der Gedul-deten kann nach unserer Auffassung nicht derMaßstab sein; das ist für uns das Problem IhresAntrags. Das Asylbewerberleistungsgesetz ge-währleistet lediglich einen reduzierten Leistungsan-spruch bei akuten Erkrankungen und Schmerzzu-ständen. Ich weise darauf hin, dass auch die Ärz-teorganisationen diesen reduzierten Leistungsan-spruch seit vielen Jahren kritisieren, und zwar mitBegründungen wie der, die Abgrenzung sei beivielen Krankheitsbildern und Verläufen nicht mög-lich, Paragraf 4 des Asylbewerberleistungsge-setzes widerspreche dem Präventionsgedankenund sei ethisch bedenklich. Dieser ohnehin schoneingeschränkte Rechtsanspruch auf Sozialleistun-gen wird durch Paragraf 1a Asylbewerberleistungs-gesetz noch weiter eingeschränkt für geduldeteund vollziehbar ausreisepflichtige Migrantinnen, in-dem diese Leistungen nach dem Asylbewerberlei-stungsgesetz nur noch erhalten, – Zitat – :

"… soweit dies im Einzelfall nach den Um-ständen unabweisbar geboten ist."

– Zitatende. –

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmtden Vorsitz.)

Die SPD hat bisher die in den Fachkreisen unter-stützte Forderung nach einem anonymisiertenKrankenschein, die wir unterstützen, nicht aufge-griffen. Sie argumentiert, dass eine Besserstellungvon Menschen ohne Papiere gegenüber Asylsu-chenden oder geduldeten Menschen nicht vermit-telbar sei; ich hatte das Zitat vorgelesen. Wir wol-len natürlich nicht die Besserstellung der illegali-sierten Menschen, weil wir nämlich die Schlechter-stellung der Geduldeten und Asylsuchenden nichtwollen. Wir wollen überhaupt keine Aufteilung desGrundrechts auf Gesundheitsversorgung nach ex-zellent, gut, ausreichend, notdürftig und knapp not-dürftig.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sagen wir, wir wollen den anonymisiertenKrankenschein, wir wollen die Diskussionen dar-über, wie die Staaten, wie die BundesrepublikDeutschland, wie Hamburg in Zeiten einer globali-sierten Welt grundlegende Menschenrechte für allegewährleisten. Wir sehen deshalb auch die Not-wendigkeit, die im Asylbewerberleistungsgesetzzementierte Vielklassen-Gesundheitsversorgungabzuschaffen.

Es ist in dieser Debatte deutlich geworden, dasseine Menge Fragen noch nicht geklärt sind, dassDiskussionsbedarf besteht über einzelne Rege-lungen. Wir sehen den Ausschuss als den Ort an,an dem diese Debatte weitergeführt werden kann,und es ist mir sehr erklärlich, warum Sie diese De-batte nicht führen wollen, weil nämlich die erhebli-chen Differenzen zwischen der CDU und der GALdann auf den Tisch kämen. Aber da opfern Siewichtige Anliegen der Koalitionsräson und daskann nicht sein. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Wolfhard Ploog: Das Wort be-kommt Frau Domres.

Anja Domres SPD:* Herr Präsident, meine Damenund Herren! Wenn ich mir die Redebeiträge derCDU- und der GAL-Fraktion anhöre, dann stellendie einen den Missbrauchstatbestand in den Vor-dergrund, verweisen auf den Koalitionsvertrag undsagen, es habe Gespräche mit den Trägern gege-ben, es sei aber alles schwierig, während die an-deren darlegen, sie hätten die Modelle geprüft,verschiedene Gespräche geführt und wüssten ei-gentlich schon, wofür sie sich entscheiden. Da ge-hen die beiden Meinungen doch sehr weit ausein-ander und ich hoffe, dass wir auf ein gemeinsamesErgebnis der Koalition zur Versorgung von Men-schen ohne Papiere nicht so lange warten müssenwie auf den Gesetzentwurf für den Nichtraucher-schutz, der uns auch seit mehreren Monaten ver-folgt.

Trotz alledem möchte ich insbesondere dieGAL-Fraktion noch einmal auffordern, der Über-weisung unseres Antrags an den Ausschuss zuzu-stimmen. Sie sagen selbst, Sie hätten die Gesprä-che geführt und seien eigentlich schon sehr weit.Dann frage ich mich natürlich, warum man es nichtgemeinsam im zuständigen Ausschuss diskutierenkann.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artusund Norbert Hackbusch, beide DIE LINKE)

Vizepräsident Wolfhard Ploog: Das Wort be-kommt der Abgeordnete Yildiz.

Mehmet Yildiz DIE LINKE: Herr Präsident, meineDamen und Herren! Unsere Stellungnahme hat

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2561

(Christiane Schneider)

Page 28: BÜRGERSCHAFT 19/41 DER FREIEN UND HANSESTADT …€¦ · – Drs 19/3846 – 2576, Beschluss, Kenntnisnahme ohne Be-sprechung 2577, Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu

Kollegin Schneider dargestellt. Ich möchte mit ei-nem konkreten Beispiel erläutern, warum gesund-heitliche Versorgung wichtig ist. Ich kenne eine Fa-milie,

(Olaf Ohlsen CDU: Ich kenne auch eine Fa-milie!)

die zufällig auch aus der Stadt kommt, in der ichgeboren bin. Sie lebt schon seit 1980 in Deutsch-land, aber im Sommer dieses Jahres habe ich lei-der erfahren müssen, dass diese Familie illegalhier lebt. Ich dachte, sie hätte eine Aufenthaltsge-nehmigung. Die Familie wandte sich an mich, weilsie Probleme hatte. Ich wunderte mich, als sie er-zählten, ihr Vater sei krank. Ich meinte, er könnedoch zum Arzt gehen. Dann sagte der Sohn zumir, sein Vater lebe seit 1980 hier, er habe zehnJahre erfolglos ein Asylverfahren betrieben und seiseit 1990, also seit 19 Jahren, ohne Aufenthaltsge-nehmigung in Deutschland,

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist schlimm genug!)

ohne irgendeine gesundheitliche Versorgung undRechte. Dieser Mann arbeitete schon seit 1980 inein und demselben Unternehmen bis zum Som-mer, als er schwer erkrankte. Bis dahin hat die Fa-milie die Kosten selbst übernommen, aber weil derVater so schwer erkrankt war, war das nicht mehrmöglich. Sie waren bei mir im Büro und am Endemussten sie einen Asylantrag stellen, damit dieKosten vom Sozialamt übernommen werden. DasErgebnis ist, dass die Familie durch die Verteilungnach Ostdeutschland geschickt wurde. Ich habeleider letzte Woche bei einer Hochzeit erfahren,dass die Mutter – sie war ebenfalls illegalisiert undauch krank – seitdem im Krankenhaus liegt. Daszeigt, in welcher Situation diese Menschen leben.

Zu Punkt 2 Asylbewerberleistungsgesetz hat mei-ne Kollegin Schneider gesprochen, ich möchte dasauch an einem Beispiel verdeutlichen. Ein Mensch,der aus der Türkei kam, Folter erlebt hat und hieruntersucht werden sollte, wurde durch dieses Asyl-bewerberleistungsgesetz, Paragraf 1, ständig aus-gegrenzt und diskriminiert. Die Folge ist, dass sei-ne Krankheit nicht behandelt werden konnte. Siesollten diesen Menschen jetzt sehen, er läuft mit35 Jahren völlig krumm, weil unsere Gesundheits-versorgung unmenschlich ist. Ich bin der Meinung,dass jeder Mensch in dieser Stadt das Recht ha-ben sollte, gesundheitlich versorgt zu werden.

Die Wirtschaft und das Kapital nutzen unsere Stadtund unsere Möglichkeiten hier sehr gut und wir de-battieren ständig darüber – wie auch in der vorigenDebatte –, wie wir die Wirtschaft fördern können.Dann sollten wir doch auch den Menschen, die kei-ne Möglichkeiten haben, das Recht auf eine ge-sundheitliche Versorgung geben.

(Beifall bei der LINKEN und bei WolfgangRose SPD)

Frau Heitmann, zu der Bundesratsinitiative derBerliner LINKEN und der SPD: Das ist eine Ver-waltungsvorschrift, in der nicht geregelt ist, wer dieKosten übernimmt. Das ist jetzt das Problem.Wenn der Senat sich hinstellt und sagt, wir über-nehmen die Kosten nicht, dann müssen die Men-schen sich illegalisieren. Das führt nur dazu, dasssie weiterhin schweigen; das muss man einmalklarstellen. Es werden salopp Dinge gesagt und al-le denken, der Bundesrat hat doch etwas getanund einen Schritt unternommen. Aber das ist nichtdie Lösung. Jetzt hängt alles von den Ländern ab,damit sie sich bewegen. Gesundheitssenator Wer-sich überlegt immer noch, wie er Menschen ab-schieben kann, statt denen, die seit zig Jahren indiesem Land leben und sich als ein Teil diesesLandes fühlen, die Möglichkeit zu geben, auch inder Praxis gesetzlich gleichgestellt zu werden.– Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Wolfhard Ploog: Meine Damenund Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mirjetzt nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.Ich darf Sie vorab darüber in Kenntnis setzen,dass der Abgeordnete Jens Grapengeter hat mit-teilen lassen, dass er an der Abstimmung nicht teil-nehmen werde.

Wer stimmt nun einer Überweisung der Drucksa-che 19/4519 federführend an den Ausschuss fürGesundheit und Verbraucherschutz sowie mitbera-tend an den Sozialausschuss zu? – Gegenprobe.– Stimmenthaltungen? – Das ist dann mehrheitlichabgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Wermöchte dem Antrag der SPD-Fraktion aus derDrucksache 19/4519 zustimmen? – Gegenprobe.– Stimmenthaltungen? – Das ist dann mehrheitlichabgelehnt worden.

Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf, Drucksa-che 19/4517, Bericht des Rechtsausschusses: Bür-gerschaftliches Ersuchen vom 23. März 2009, "Er-weiterung der sozialtherapeutischen Abteilung imJugendstrafvollzug".

[Bericht des Rechtsausschusses über dieDrucksache 19/3749:Bürgerschaftliches Ersuchen vom 23. März2009"Erweiterung der sozialtherapeutischen Abtei-lung im Jugendstrafvollzug", Drs. 19/2595 (Un-terrichtung durch den Präsidenten der Bürger-schaft)– Drs 19/4517 –]

Die Fraktionen haben einvernehmlich auf eineAussprache verzichtet.

2562 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Mehmet Yildiz)

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Ich stelle fest, dass die Bürgerschaft von derDrucksache 19/4517 ohne Aussprache Kenntnisgenommen hat.

Ich rufe Punkt 36 der Tagesordnung auf, Drucksa-che 19/4521, Antrag der SPD-Fraktion: Erhalt derLehrschwimmbecken.

[Antrag der Fraktion der SPD:Erhalt der Lehrschwimmbecken– Drs 19/4521 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/4624 ein ge-meinsamer Antrag der GAL- und der CDU-Fraktionvor.

[Antrag der Fraktionen der GAL und CDU:Erhalt der Hamburger Lehrschwimmbecken– Drs 19/4624 –]

Beide Drucksachen möchte die SPD-Fraktion anden Sportausschuss überweisen. Die Fraktionenhaben einvernehmlich auf eine Aussprache ver-zichtet. Wir kommen deshalb sofort zur Abstim-mung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksachen19/4521 und 19/4624 an den Sportausschuss zu?– Gegenprobe. – Stimmenthaltungen. – Das istdann einvernehmlich so geschehen. Beide Druck-sachen sind an den Sportausschuss überwiesenworden.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf, Drucksa-che 19/4101, Große Anfrage der GAL-Fraktion:Aufstieg durch Bildung, Umsetzung der "Qualifizie-rungsinitiative für Deutschland" in Hamburg.

[Große Anfrage der Fraktion der GAL:Aufstieg durch Bildung. Umsetzung der "Quali-fizierungsinitiative für Deutschland" in Ham-burg– Drs 19/4101 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Gwosdz bitte.

Michael Gwosdz GAL: Herr Präsident, meine Da-men und Herren! Im Oktober 2008 haben Bundund Länder beim Bildungsgipfel in Dresden mit derErklärung "Qualifizierungsinitiative für Deutsch-land, Aufstieg durch Bildung" Ziele vereinbart, in-dem sie festgelegt haben, dass Bildung die höch-ste Priorität verliehen werden soll. Sie haben best-mögliche Startbedingungen für alle Kinder be-schlossen. Sie haben beschlossen, dass es Schul-und Berufsabschlüsse für jeden und jede gebensoll und sie haben in diesem Dokument festge-schrieben, dass alle die Chance auf einen Aufstiegdurch Bildung erhalten werden. Das sind an sichZiele, denen sich keiner verweigern kann, die abernatürlich Binsenweisheiten aus der bisherigen bil-dungspolitischen Debatte sind.

Trotz alledem gibt es nun dieses Dokument, einJahr ist seitdem vergangen. Es ist vereinbart wor-den durch die Exekutiven der Bundesländer. Eslegt Ziele und Maßnahmen fest, denen wir in denLändern folgen sollen, auch als Parlamentarier, oh-ne bislang daran beteiligt gewesen zu sein. Des-halb hatten wir als Fraktion beschlossen, wenig-stens ein Jahr später einmal nachzufragen, wieweit wir eigentlich mit der Umsetzung der Ziele die-ser Dresdener Beschlüsse sind, und diese Zieleund Beschlüsse sowie ihre Umsetzung wollten wirauch einmal in die parlamentarische Debatte ein-speisen.

Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage hatergeben, dass Hamburg bei vielen dieser Punkte,die letzten Endes in großen Teilen qualitativer Artsind, gute Arbeit geleistet hat und bereits gut da-steht oder auf einem guten Weg ist. Ich möchte ei-nige Beispiele aufgreifen.

Die Bundesländer haben sich in Dresden vor ei-nem Jahr verpflichtet, die Sprachförderung in derVorschulzeit auszubauen. Da kann man für Ham-burg festhalten, dass sie bereits auf einem gutenStand ist. Durch das Sprachförderkonzept hatHamburg hier einen guten Standard gesetzt unddie verbindliche Schulvoruntersuchung aller Vier-einhalbjährigen ist ein wichtiges Element der Früh-förderung. Der Förderbedarf wird sehr früh erkanntund es wird entsprechend gegengesteuert. So stel-len wir in Hamburg sicher, dass jedes Kind zumin-dest in diesem Punkt gut gerüstet seine Schullauf-bahn beginnen kann. Das Personal dafür ist be-reits bereitgestellt und Hamburg baut noch weiteraus. Es gibt neue Sprachkurse für Mütter von Vor-schulkindern und neue Family-Literacy-Kurse, indenen die Eltern gestärkt werden, ihre Kinder imSpracherwerb daheim zu unterstützen; das Pro-gramm wird ausgeweitet. Es kommt vor allem Kin-dern mit Migrationshintergrund zugute, denn dieMitwirkung der Eltern im Bereich der vorschuli-schen Förderung ist unabdingbar für den späterenSchulerfolg der Kinder.

Auch ein anderes Ziel möchte ich aufgreifen, undzwar die Erhöhung des Anteils an Personal mit Mi-grationshintergrund an den Schulen und natürlichauch die Erhöhung des Anteils von Männern imLehrberuf. Wir hatten die Diskussion schon häufi-ger in dieser Legislaturperiode und auch hier zeigtsich, dass Hamburg bei den Zielsetzungen, die inDresden vereinbart wurden, auf einem guten Wegist. Der Anteil an Lehrerinnen und Lehrern mit Mi-grationshintergrund wird stetig erhöht. Im Novem-ber 2009 weisen 19,1 Prozent aller neuen Refe-rendare einen Migrationshintergrund auf; im ver-gangenen Jahr, zum Zeitpunkt der Dresdener Be-schlüsse, waren es noch 12,6 Prozent. Auch derAnstieg beim männlichen Anteil ist beachtenswert.In diesem Jahr sind 37,8 Prozent der Referendaremännlich, 2008 waren es noch 27,8 Prozent. Ins-besondere im Primarbereich ist ein Anstieg erreicht

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2563

(Vizepräsident Wolfhard Ploog)

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worden; gegenüber 13 Prozent im Vorjahr sind es2009 bereits 21,6 Prozent. Das zeigt, dass die ver-einbarten Ziele erfüllbar sind und auch erreichtwerden.

Bei der Schulabbrecherquote haben sich die Bun-desländer gemeinsam das Ziel gesetzt, sie zu hal-bieren – in Hamburg bis 2015. In Hamburg hattenwir im Ausgangsjahr 2008 eine Quote von 8,2 Pro-zent. Dass das zu viel ist, wissen wir. Mit der neu-en Schulstruktur in Verbindung mit stärkerem indi-vidualisiertem Lernen ab dem kommenden Schul-jahr werden die Voraussetzungen für Schülerinnenund Schüler, erfolgreich in eine berufliche Ausbil-dung oder ins Studium überzugehen, erheblichverbessert. Auch in Bezug auf Jugendliche ohneBerufsabschluss gibt es eine Reihe von Maßnah-men, um ihre Quote zu reduzieren. Es gab in derVergangenheit Maßnahmen wie die Reform derteilqualifizierten Berufsfachschule. Es wurden Pro-gramme gestartet wie SELKO, das selbstverant-wortete individualisierte Lernen mit Kompetenzra-stern und individueller Lernberatung, oder Kom-Lern. Das alles hat bereits zur Reduktion der Ab-brecherquote beigetragen, sie ist aber noch zuhoch. Deshalb haben CDU und GAL, natürlichauch mit Unterstützung von SPD und Linksfraktion,beschlossen, das Übergangssystem von Schule inBeruf noch einmal systematisch zu überarbeiten,um die Abbrecherquote weiter zu senken und ihrentgegenzusteuern. Nennenswert sind hier vor al-lem die intensive Berufsorientierung ab Jahrgangs-stufe 8, die Klärung der individuellen Interessensowie die Erstellung eines Kompetenzprofils für al-le Schülerinnen und Schüler, die Vorbereitung aufdie duale Ausbildung oder die Aufnahme einer Be-rufstätigkeit für benachteiligte und beeinträchtigteJugendliche.

Jugendliche, die trotz Ausbildungsreife keinen Aus-bildungsplatz finden, werden künftig im Rahmendes Hamburger Ausbildungsmodells eine Chancebekommen, tatsächlich einen Ausbildungsab-schluss zu erwerben. Für Jugendliche ohne Schul-abschluss haben wir mit dem Ausbau der Produkti-onsschulen wichtige Weichen gestellt, durch prakti-sches Lernen ihre Chancen, eine Ausbildung undeine Beschäftigung zu bekommen, zu erhöhen.Die Maßnahmen im Zuge der Schulreform werdenauch hier wirken und die Schulabbrecherquote unddie Quote derjenigen ohne Berufsabschluss weiterzu reduzieren.

Dem Ziel der Integration von Kindern mit sonder-pädagogischem Förderbedarf und damit der Redu-zierung der Schüler, die auf Sonderschulen gehenund diese meistens ohne Abschluss verlassen, ha-ben wir uns gemeinsam mit der Umsetzung derUN-Behindertenrechtskonvention im neuen Para-graf 12 des Schulgesetzes gewidmet. Das will ichjetzt nicht weiter ausführen, weil wir das auch imSchulausschuss auf der Tagesordnung haben und

uns mit diesem Thema noch intensiver beschäfti-gen werden.

Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, dassHamburg sich auf den Weg gemacht hat, die Zieleder Qualifizierungsinitiative umzusetzen. Hierkommt vor allem die Schulreform zum Tragen. Wirhaben auf Grundlage der bisherigen Bildungsdis-kussion, die auch zu den Dresdener Beschlüssengeführt hat, eine umfassende Reform der Bildungs-landschaft eingeleitet und wir werden mit dieserReform den qualitativen Zielen von Dresden ge-recht. Kein Abschluss ohne Anschluss, keine Hür-den für einen Aufstieg durch Bildung. Doch alleMaßnahmen, die wir ergreifen, können nur dann zupositiven Ergebnissen führen, wenn auch alle dieBereitschaft aufbringen, gesetzte Ziele zu verwirkli-chen. Im Kontext der Qualifizierungsinitiative sagtBundesbildungsministerin Schavan Folgendes– ich zitiere –:

"Bildung und Qualifizierung sind die Voraus-setzung für individuelle Lebenschancen undgesellschaftliche Teilhabe. Gut ausgebildete[…] junge Frauen und Männer sind gleich-zeitig auch der Schlüssel für Wachstum,Wohlstand und Fortschritt einer Gesell-schaft. Wir müssen alles dafür tun, dass alleMenschen in unserem Land ihre Talenteund Fähigkeiten unabhängig von ihrer Her-kunft oder ihrem sozialen Status voll entfal-ten können."

– Zitatende. –

Wir sind mit unseren Maßnahmen in Hamburg aufdem Weg, deutschlandweit vereinbarte bildungs-politische Ziele zu erreichen. Die Frage ist aller-dings, welchen Beitrag der Bund zur Verwirkli-chung dieser Ziele leistet. Bildungsfinanzierungwar einmal eine gemeinsame Aufgabe von Bundund Ländern. Es ist auch immer noch die gemein-same Verantwortung von Bund und Ländern, dashaben die Ministerpräsidenten und die Bundesre-gierung erkannt. Im Dezember möchten sich Bundund Länder einigen, wie das Ziel, 10 Prozent desBruttoinlandsproduktes für Bildung und Forschungauszugeben, erreicht werden kann. Meine Hoff-nung ist heute, dass diese Einigung im Dezembernicht in der Feststellung bestehen wird, das Ziel seilängst erreicht, wenn man nur richtig rechnet. DieLänderfinanzminister haben ein Papier vorgelegt,in dem sie nachgewiesen haben, dass dieses10-Prozent-Ziel eigentlich schon seit Jahren er-reicht sei, wenn man nur die Pensionsrückstellun-gen für Lehrerinnen und Lehrer mit berücksichtige.Da stellt sich natürlich die Frage, ob Rechentricksdie angemessene Antwort auf die Zielvorgabesind, Bildung besser zu finanzieren. Das sind sienatürlich nicht. Immerhin haben die Landesfinanz-minister das auch erkannt. Sie haben in dem Pa-pier alternative Vorschläge gemacht und zum Bei-spiel vorgeschlagen, ob es nicht angemessener

2564 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Michael Gwosdz)

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wäre, die Pro-Kopf-Ausgaben zu berücksichtigen.Aus der Debatte gerade gestern wissen wir, dassHamburg bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Bildunggemessen an allen Bundesländern weit vorne liegt.Auch das muss nicht zwangsläufig der richtigeMaßstab sein, aber es ist sicherlich ein bessererMaßstab als eine bestimmte Quote des Bruttoin-landsprodukts, denn diese führt natürlich dazu,dass man Bildungsausgaben abhängig macht vonkonjunkturellen Schwankungen. Gerade in der jet-zigen Phase kann es nicht sein, dass man sagt,10 Prozent Ausgabenquote sind erreicht, weil ins-gesamt das BIP schrumpft, und dann ist alles gutund am Ende kürzt man eventuell Bildungsausga-ben, weil die 10 Prozent überschritten werden. Diegeeignete Antwort wäre, sich auf Bildungsstan-dards zu einigen und auf ein bestimmtes Niveauvon Bildung, das nicht unterschritten werden darf,unabhängig von konjunkturellen Schwankungen,von prozentualen Quoten oder von unterschiedli-chen Berechnungsarten für Pro-Kopf-Ausgaben.

Interessant ist bei der Frage natürlich sowieso, werhier mit wem verhandelt. Der Bund hat sich zuerstmit der Föderalismusreform aus der Bildungsfinan-zierung zurückgezogen und diese den Ländernüberlassen. Die Länder leisten momentan 85 Pro-zent aller Ausgaben für Bildung, Wissenschaft undForschung. Für den neuen Bildungsgipfel im De-zember erhalten die Länder nun eine doch bemer-kenswerte Vorlage der neuen Bundesregierungaus Berlin, nämlich den Vorschlag, die Einnahmenin den Ländern in vielen Bereichen weiter zu kür-zen. Statt in eine hochwertige Bildungsinfrastrukturzu investieren, die der Schlüssel zu mehr Bildungs-gerechtigkeit ist, investiert man in Berlin nun zumBeispiel in Erhöhungen des Kindergeldes bezie-hungsweise des Kinderfreibetrages. 4,6 Milliar-den Euro wird diese Maßnahme pro Jahr kosten.Am meisten werden davon Familien mit einkom-mensstarkem Hintergrund profitieren. Familien, dieauf Hartz IV oder auf Transferleistungen angewie-sen sind, werden davon überhaupt nicht profitie-ren, da das Ganze damit verrechnet wird. Die Er-höhung des Kindergeldes oder des Kinderfreibe-trages ist also kein Weg, der zu mehr Bildungsge-rechtigkeit führt. Stattdessen hätte man mit nur10 Prozent dieser Summe beispielsweise jedemKind in Deutschland ein Jahr kostenlose Kita be-zahlen können.

Meine Hoffnung ist, dass die Bilanz des Bildungs-gipfels nach einem Jahr Bund und Länder zusam-menbringt und sie erkennen, dass Bildung ihre ge-meinsame Aufgabe ist. Bildungsfinanzierung mussvon Bund und Ländern getragen werden, mankann ihr nicht mit Rechentricks entgegentreten undman muss auch begreifen, dass Bildung tatsäch-lich nicht mit Transferleistungen gewährleistet wer-den kann, sondern mit starken Investitionen in Bil-dungsinfrastruktur unterstützt werden muss, wie eszuletzt noch mit dem Programm zum Ausbau von

Ganztagsschulen durch die vorletzte Bundesregie-rung geschehen ist.

Auf diesen Weg sollten wir als Landesparlamenta-rier auch weiter drängen und unseren Ministernund Ministerpräsidenten, unserer Senatorin unddem Regierenden Bürgermeister für die Nachfolge-verhandlungen von Dresden diesen Auftrag mitge-ben, sich nicht auf das Spiel einzulassen und zusagen, die Mission sei erfüllt, nur weil man neu ge-rechnet hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Vizepräsident Wolfhard Ploog: Das Wort be-kommt der Abgeordnete von Frankenberg.

Egbert von Frankenberg CDU: Herr Präsident,meine Damen und Herren! Herr Gwosdz hat schonviel genannt und gut in das Thema eingeführt. Ichwill das nicht noch einmal in meinen Worten be-leuchten, sondern nur noch einige Sachen ergän-zen.

Nach Durchsicht der Großen Anfrage kann ichfeststellen, dass Hamburg auf einem guten Wegist, wobei man feststellen muss, dass die Heraus-forderungen bei uns auch besonders groß sind. Ichdarf im Übrigen daran erinnern, dass wir nach demBildungsgipfel in Hamburg nicht bei null anfangenmussten, sondern es gab schon eine ganze Men-ge, worauf wir aufbauen konnten. Ich erinnere nuran Leistungen der vorherigen Legislaturperiode,wo wir bereits in sozialen Brennpunkten die Klas-sen an Grundschulen klein gehalten haben. Es istdurchaus ein großer Schritt nach vorne, dass wir inStadtgebieten mit besonderen Bedarfen, die wirgenau kennen, jetzt Schulklassen mit 18 Kindernhaben. Das ist eine große Leistung und auch dieEinführung der Viereinhalbjährigen-Untersuchungin Hamburg, die wir seit dem Schuljahr 2003/2004durchführen und bei der über mehrere Jahre im-mer ein ganzer Jahrgang durch qualifiziertes Per-sonal in Augenschein genommen wird, zeigt, dasswir dort schon viel erreicht haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich will auch die Reform der gymnasialen Oberstu-fe und die stärkere Berufsorientierung nennen.Das sind alles Sachen, die wir in der vergangenenLegislaturperiode erfolgreich umgesetzt haben. Ander Uni hat sich auch viel getan.

Diesen Weg gehen wir jetzt gemeinsam mit unse-rem Koalitionspartner weiter. Wir haben die Haupt-schule schon abgeschafft, die Stadtteilschulekommt und die Primarschule haben wir auf denWeg gebracht. Hier hat sich die Lage sicherlichseit gestern etwas geändert, das hat mich schonüberrascht. Ich will gar nicht drumherum reden,aber ich betrachte das auch als Chance, den Dia-log mit den Menschen aufzunehmen. Wenn ich je-doch heute die Presse durchsehe, dann träumt die

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2565

(Michael Gwosdz)

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FDP schon von Neuwahlen und es ist von Krisedie Rede. Das sehe ich allerdings gerade nicht,

(Andy Grote SPD: Sie dürfen sich bestätigtfühlen!)

denn es ist die besondere Stärke dieser Koalition,dass wir eine Gesprächskultur entwickelt habenund in der Lage sind, auch mit solchen Dingen um-zugehen. Insofern ist es eher so, dass wir dadurchenger zusammenrücken, als dass sich da eine Kri-se anbahnt.

(Beifall bei der CDU und bei MichaelGwosdz GAL)

Ein paar Dinge möchte ich noch ansprechen. DieFrühförderung ist mittlerweile in aller Munde, dasist eine gute Sache. Wir begreifen die Kita als Bil-dungseinrichtung und werden das weiter ausbau-en.

Was den Anteil der Jugendlichen ohne Schulab-schluss angeht, sehe ich die Situation vielleicht einkleines bisschen anders. Wir haben einen Wertvon 8,2 Prozent und sicherlich ist jeder einer zuviel. Auf der anderen Seite ist der Wert von8,2 Prozent, den wir letztes Jahr hatten, eigentlichschon recht gut gewesen. Wir hatten uns vorhermit leicht sinkender Tendenz in der Größenord-nung von 12 Prozent bewegt und ich kann nur hof-fen und wünschen, dass wir weiterhin in der Grö-ßenordnung bleiben, weil das durchaus schon einMeilenstein ist. Das heißt nicht, dass man sich dajetzt ausruhen soll, aber ein Wert von unter 10 Pro-zent ist zumindest für den großstädtischen Bereichganz ordentlich. Unser Ziel ist es, dass alle, die inHamburg eine Schule besuchen, sie auch mit ei-nem Abschluss und möglichst mit einem hohenAbschluss verlassen.

(Beifall bei der CDU)

Die Produktionsschule ist in dem Zusammenhangein weiterer wichtiger Bereich. Eine Produktions-schule pro Bezirk halten wir für eine gute Sache,somit ist man dort also auch auf dem Weg.

Wir haben uns viel vorgenommen, wir sind auf ei-nem guten Weg und ich möchte mit einem Zitat un-serer Bundeskanzlerin Angela Merkel enden. Siehat gesagt:

"Wohlstand für alle heißt heute Bildung füralle."

(Beifall bei der CDU und bei MichaelGwosdz GAL)

Vizepräsident Wolfhard Ploog: Das Wort be-kommt der Abgeordnete Rabe.

Ties Rabe SPD:* Herr Präsident, meine sehr ver-ehrten Damen und Herren! Unter dem Titel "Auf-stieg durch Bildung" beschlossen Bund und Länder2008, Bildung solle in Deutschland höchste Priori-

tät haben, jedes Kind solle bestmögliche Startbe-dingungen erhalten und einen Schul- oder Berufs-abschluss schaffen. Jetzt ist die Frage, wie weit wirdamit gekommen sind. Die Grünen haben in einerGroßen Anfrage gefragt, was die Senatorin denn ineinem Jahr geschafft habe. Auf 40 Seiten wird nunaufgelistet, was in Hamburg alles passiert. Wir le-sen staunend von MINT-Schulen, von der WI-SY-Weiterbildungsdatenbank, von SINUS-Transferund dem Programm PriMA, von Kontexteffizienz-steigerung und so weiter. Ich erspare Ihnen weite-re wunderbare Wortschöpfungen.

Aber haben wir wirklich genug getan? Ich will aufvier Punkte eingehen, bei denen aus meiner Sichtdringend etwas geschehen müsste und wir bishersehr wenig gemacht haben.

Erstens: Die schöne Formulierung "Bildung sollPriorität haben" heißt nichts anderes, als dass hiermöglichst viel Geld hineingesteckt werden soll. Tunwir das eigentlich in Hamburg? Es ist richtig, dasswir neue Maßnahmen beschlossen haben und dasdazu geführt hat, dass wir 100 Lehrerinnen undLehrer mehr eingestellt haben. Das erkennen wireindeutig an. Aber in Wahrheit haben Sie mit die-ser Maßnahme noch nicht einmal die Personalkür-zungen der CDU wettgemacht, die in den letztenJahren im Bereich der Lehrer durchgeführt wurden.Insofern ist Ihre angebliche Priorität in Wahrheiteher eine Schadensbegrenzung.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Frage, wie es denn nun mit den Finanzenweitergehen soll, hat die GAL ihre Große Anfragevorher wohl nicht richtig kommuniziert. Da mussdie Schulbehörde nämlich immer sagen, dass siedas zurzeit noch nicht wisse. Dauernd taucht dieschöne Formulierung auf, dass man die Haushalts-beratungen abwarten müsse, auf gut Deutsch: Wirwissen gar nicht, ob und wie viel Geld denn mehrin die Bildung hineingesteckt werden soll. Aller-dings fragt man sich schon, wie es in Hamburgüberhaupt mit der Priorität Bildung beim Geldaus-geben steht. Die Schulsenatorin hat im Sommereinen ersten Bildungsbericht vorgelegt, den Bil-dungsbericht für 2009. Er sieht Zahlen vor und be-legt, dass Hamburg keineswegs besonders vielGeld für seine Schulen ausgibt. Ganz im Gegenteilzeigt sich, dass zwölf von 16 Bundesländern einenhöheren Anteil des Haushalts für ihre Schulen aus-geben, als Hamburg es tut. Wir liegen als Viertletz-ter auf Platz 13 und jetzt diskutieren Sie noch hin-ter verschlossenen Türen, mit dem doppelten Ab-iturjahrgang 340 Lehrer wegzusparen. Wir sagen,Finger weg von solchen Einsparungsideen. Höch-ste Priorität für Bildung in Hamburg sieht andersaus.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack-busch DIE LINKE)

2566 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Egbert von Frankenberg)

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Zweitens: Es heißt, jedes Kind soll die bestenStartbedingungen haben. Herr Gwosdz, Sie habenzu Recht auf die Sprachförderung verwiesen. Hiermuss man zugestehen, dass wir sie haben. Aberdie Frage ist wohl erlaubt, ob sie auch funktioniert.Wir müssen immerhin sehen, dass 30 Prozent derSchüler eines Jahrgangs nicht ordentlich sprechenkönnen. 3500 Schüler sprechen so schlecht, dassman sie vor der Einschulung besonders fördernmuss. Dafür sind 400 Lehrerinnen und Lehrer tätig,das ist gut. Aber im Bildungsbericht steht auch,dass das allenfalls dazu führt, dass diese Schülergegenüber früher einen leichten Vorteil haben. Siehaben nach wie vor bis zu eineinhalb Jahre Rück-stand in der sprachlichen Entwicklung und damitkönnen sie in der weiteren Schullaufbahn nicht be-stehen. Der Bildungsbericht zeigt auch ganz er-schreckend, dass Kinder, die nur einmal kurz ge-fördert worden sind, die deutsche Sprache sofortwieder verlernen, sobald die Förderung eingestelltwird. Dieser sogenannte Drehtüreffekt zeigt nocheinmal die Brisanz dieses Themas. Die Sprachför-derung erkennen wir an, aber wir müssen eindeu-tig feststellen, dass sie noch nicht richtig funktio-niert und sicherlich mit Wucht ausgebaut werdenmüsste. An der Stelle, Herr Gwosdz, steht in denAntworten der Senatorin auf die Große Anfrageverdammt wenig drin. Da die Sprachförderung inWahrheit noch nicht gut funktioniert, muss sieenergisch ausgebaut werden. Das wäre wirklichein entscheidender Beitrag zur Chancengleichheit.

(Beifall bei der SPD)

Dann heißt es, jeder soll einen Schul- und Berufs-abschluss schaffen. Wir wissen alle, dass das nichtfunktioniert. 10 Prozent – jetzt sind es gerade8 Prozent, vorher waren es 11 Prozent – schaffennicht einmal den Schulabschluss und ich darf auchauf die PISA-Studie hinweisen, die besagt, dassein Viertel der Hamburger Schüler im Alter von15 Jahren so schlecht liest, schreibt und rechnetwie ein Viertklässler. Auch diese Schüler werdenein Jahr später aus der Schule entlassen. Vielleichtschaffen sie noch den Hauptschulabschluss, aberwas für einer ist das dann?

Ob Ihre Strukturmaßnahmen langfristig Linderungschaffen, bleibt abzuwarten, aber alle wissen undauch Sie selbst sagen, dass es ohne besseren Un-terricht nichts wird. Auch da ist der Bildungsberichteine spannende Lektüre.

Es gibt eine Hamburger Schulinspektion, die prüft,wie gut der Unterricht funktioniert, und im Bildungs-bericht stellt sie fest, dass drei von vier HamburgerUnterrichtsstunden nicht gut sind. Wenn man sichdas berühmte Kriterium des individualisierten Ler-nens ganz genau ansieht und sich fragt, wann esin der Schule tatsächlich praktiziert wird, dann istdie Antwort, dass nur in jeder 25. Unterrichtstundeauf einem wünschenswerten Niveau unterrichtetwird. Genau dort, wo es gilt, den größten Schatz

zu heben, nämlich im Unterrichtsbereich, geht ammeisten daneben.

Was tun Sie? Sie haben in der Tat 1 Million Eurofür Fortbildungsmaßnahmen bewilligt. Nun warenwir gerade in der Universität und mussten stau-nend hören, dass über 1 Million Euro bei der Leh-rerausbildung gestrichen werden sollen und auchdie Zahl der Fortbildungsstunden für Lehrer kei-neswegs erhöht wird. Unterm Strich bleibt allesbeim Alten und finanziell sogar ein leichtes Minus.So kann man wirklich keinen Unterricht verbes-sern. Es ist eben nicht nur wichtig, über Strukturenund Gebäude zu streiten, sondern man muss sichvor allem damit auseinandersetzen, was in diesenGebäuden passiert. Besserer Unterricht darf nichtlänger Stiefkind der Reform sein, sondern gehört inden Mittelpunkt aller Reformanstrengungen.

(Beifall bei der SPD)

Will man gegen Schulabbrecher etwas tun, somuss man sich um eine Schulform kümmern, dieuns besondere Sorgen bereitet, nämlich die För-derschulen. Dort schaffen 80 Prozent der Kindergar keinen Schulabschluss, weshalb ganzDeutschland über neue Konzepte für die Förder-schulen diskutiert. In jedem Bundesland gibt esneue Initiativen, nur in Hamburg nicht. Hamburgwar einmal Spitzenreiter, als es darum ging, För-derschüler in die Allgemeinbildenden Schulen zuintegrieren, doch jetzt lesen wir im Bildungsberichtder Schulsenatorin auf Seite 153:

"Auffällig ist, dass der Anteil der integrativGeförderten seit 2003 kontinuierlich sinkt."

Das heißt, genau das, was uns früher stark ge-macht hat, geht jetzt ständig zurück und Hamburghat seine Vorreiterposition verloren und ist auf dieAbstiegsplätze gerutscht. Was tut die BSB für dieKinder an den Förderschulen? Seit anderthalbJahren werden wir von den Sonderschullehrern be-stürmt, die uns fragen, was die Behörde in dieserHinsicht mache – mit Herrn Gwosdz und HerrnFreistedt war ich vor Kurzem in einer Diskussionzu diesem Thema –, und wahrheitsgemäß antwor-ten wir ihnen, dass zurzeit gar nichts geschehe.Man kann lange darüber diskutieren, woran dasliegt, ob möglicherweise daran, dass man seineganze Energie in andere Projekte steckt, aberSchule findet im Hier und Jetzt statt. Jedes Jahrentlassen wir 3 500 Schüler, die praktisch ohne gu-te Schulbildung ihren Weg gehen müssen. Des-halb erwarten wir von Ihnen als vierten entschei-denden Punkt für bessere Schulabschlüsse Maß-nahmen, die den Förderschülern helfen und ihneneine neue Perspektive aufzeigen.

(Beifall bei der SPD)

Damit komme ich zum Schluss. "Aufstieg durchBildung" heißt das Motto. Jawohl und ganz drin-gend, sagen wir. Deshalb sollten Sie sich überle-gen, ob Sie statt Glaubenskämpfe auszutragen

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2567

(Ties Rabe)

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und Werbekampagnen durchzuführen nicht lieberdie Menschen durch konkretes Handeln überzeu-gen wollen. Wir fordern erstens keine neuen Spar-runden, zweitens bessere Sprachförderung, drit-tens mehr Lehrer und besseren Unterricht undviertens ein inklusives Schulsystem, das diesenNamen auch verdient. Sonst lautet das Motto die-ser Diskussion und dieser Regierung am Ende:Nicht Aufstieg, sondern Abstieg durch Bildung.– Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Wolfhard Ploog: Meine Damenund Herren! Die Fraktion DIE LINKE verzichtet zu-nächst auf einen Debattenbeitrag, weil Frau Hey-enn, die hierzu sprechen wollte, sich krankgemel-det hat. Ich darf ihr von hier aus im Namen desganzen Hauses gute Besserung wünschen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort bekommt Frau Senatorin Goetsch.

Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch: HerrPräsident, meine Damen und Herren! Die Erwar-tungen an den Dresdner Bildungsgipfel vor einemJahr waren sehr groß. Der Bildungsföderalismusinsgesamt steht unter einem hohen Erfolgsdruckund wir können uns nicht immer nur mit pastoralenAppellen abgeben. Es ist häufig die Rede von dernationalen Gesamtaufgabe Bildung, aber daran zuappellieren, hat eine gewisse Sättigungsgrenze er-reicht und wir brauchen konkretes Handeln, wie esmein Vorredner eingefordert hat. Wenn man sichall die Unterlagen zur Schulreform ansieht, dannkönnte man denken, es sei überall der bildungspo-litische Frühling ausgebrochen. Sieht man sich dieverschiedenen Koalitionsverträge in der Republikan, so hat Bildung immer höchste Priorität und ge-rade weil jedes Bundesland seine eigenen Prioritä-ten setzt, ist es sinnvoll, sich auf gemeinsameStandards und auch auf finanzielle Grundlagen zuverständigen. Misst man den Bildungsgipfel an denhohen Erwartungen, so ist es verständlich, dass erin der Wahrnehmung vieler zu einer bildungspoliti-schen Trockenschwimmübung geworden ist. In-haltlich vollzieht zwar der Beschluss weitgehenddie Ziele nach, die wir auch in Hamburg mit Hoch-druck verfolgen, aber die Bildungsausgaben müs-sen um einen Anteil von zehn Prozent des Brutto-inlandsprodukts gesteigert werden, wovon wir al-lerdings noch weit entfernt sind.

Es stellt sich immer wieder die Gretchenfrage, wiedie Kosten zwischen Bund und Ländern aufgeteiltwerden. Wie Herr Gwosdz bereits erwähnt hat,kann man nicht einerseits ständig die Kultushoheithochhalten und andererseits aber die Länder nichtin die Lage versetzen, sie dann auch tatsächlichauszufüllen. Deshalb habe ich mit Interesse denneuen Koalitionsvertrag in Berlin gelesen, in demzumindest ganz zart das Wort Bildungspartner-

schaften steht und auch, dass der Bund Maßnah-men ergreifen will, um die Länder beim Erreichender Zehnprozentmarke bis 2015 zu unterstützen.Insofern erwarte ich hoffnungsfroh die Konkretisie-rung dieser Absicht, damit auch wir in Hamburg,salopp gesagt, eine Schippe drauflegen können.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei derCDU)

Hamburg beteiligt sich an den zentralen Ver-gleichsstudien – was uns eine Menge Geld kos-tet –, um die gemeinsamen Bildungsstandards imRahmen des Instituts, das die Kultusministerkonfe-renz in Berlin zur Qualitätsentwicklung gegründethat, zu erarbeiten.

Der Bildungsbericht ist ein Novum; bisher gab es inHamburg keinen und nun wird er künftig jährlich er-scheinen. Er ist ein absolut wichtiges Monitoring-Instrument und in ihm sind Dinge festgehalten, diesicherlich noch nicht alle auf dem wünschenswer-ten Stand sind. Insofern ist es wichtig, dass wir dieAnstrengung auf uns nehmen, die Situation an denSchulen jährlich zu überprüfen.

Vieles ist schon gesagt worden, aber ich möchtenoch einmal auf die drei entscheidenden Wegga-belungen zu sprechen kommen, nämlich die früh-kindliche Bildung, den Wechsel auf die weiterfüh-rende Schule und den Übergang von der Schule indas Studium oder in den Beruf.

Zur Thematik der frühkindlichen Bildung habenHerr Gwosdz und Herr Rabe die Sprachförderungangesprochen. Auch wenn in dieser Hinsicht eineMenge passiert ist, gibt es allerdings tatsächlichdas Problem, dass die Sprachförderung in derGrundschule nicht irgendwann aufhören darf, son-dern verstetigt werden muss, weil jedes Kind einenanderen Sprachförderungsbedarf hat. Deshalbwird die Sprachförderung – so ist es auch im Koali-tionsvertrag festgehalten – bis einschließlich Klas-se 6 verstetigt und gegebenenfalls bis in die Se-kundarstufe I verlängert.

Wie unsere Evaluation gezeigt hat, ist richtig, wasSie, Herr Rabe, ansprachen, nämlich dass die Kin-der nur ein bisschen Kompensation bekommen.Sie können zum Beispiel mit einem Vorschuljahrein wenig kompensieren, werden aber niemals dasaufholen können, was ein Kind erlebt und lernt,wenn es mit drei Jahren in die Kita kommt. Mitdrei Jahren in die Kita zu kommen bedeutet,900 Stunden länger in der deutschen Sprache zubaden – so heißt es im Fachjargon –, und in derVorschule können die Kinder gerade einmal100 Stunden nachholen. Insofern ist die Kita uner-lässlich, um die Sprache zu lernen, und zwar so-wohl für die Kinder mit Migrationshintergrund undeiner anderen Herkunftssprache als auch für dieinzwischen vielen deutschen Kinder, die aufgrundverschiedener problematischer Situationen zu

2568 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Ties Rabe)

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Hause, wo keine Förderung stattfindet, ihre Spra-che nicht ordentlich beherrschen.

Ich möchte jetzt aus Herrn Wersichs Bereich er-zählen, um zu untermauern, dass bereits eineMenge getan wurde. 2009/2010 werden 15 Eltern-Kind-Zentren zuzüglich zu den 22 bestehendeneingerichtet. Die Kinder in die Kita zu geben istgut, aber auch die Eltern müssen unterstützt und indie Lage versetzt werden, die Situation zu Hauselernförderlich und anregungsreich zu gestalten,wofür im Haushaltsjahr 2009/2010 übrigens die er-hebliche Summe von 4,7 Millionen Euro zur Verfü-gung gestellt wurde. Programme wie HIPPY undOpstapje, die ich persönlich sehr gut kenne, kon-zentrieren sich ebenfalls auf Familien mit Einwan-derungshintergrund und Kindern im Vorschulalter.Wir müssen die ebenfalls wirksamen Family-Litera-cy-Kurse und die Müttersprachkurse immer andem Punkt Eltern mit Kind ansetzen, was vor allenDingen bei den beiden eben genannten Kursensehr wichtig ist, um den Schriftsprachenerwerb derKinder zu unterstützen.

Auch bei der Frühförderung von Kindern mit Behin-derungen, für die im Sommer 2009 ein flächen-deckendes Angebot interdisziplinärer Frühförder-stellen eingerichtet wurde, ist ein sichtbarer Erfolgzu verzeichnen. Zu den derzeit 12 Standortenkommen noch zwei hinzu und auch im Bereich derEingliederungshilfe in Kindertagesstätten zeichnetsich eine gute Entwicklung ab.

Ein wichtiger Punkt, den Sie, Herr Rabe, angespro-chen und sich dabei ein wenig in Widersprücheverwickelt haben, betrifft die Förderschulen. WollenSie die Förderschulen oder wollen Sie sie abschaf-fen oder wollen Sie eine integrative Beschulung?

(Ties Rabe SPD: Das wissen Sie doch, waswir wollen!)

Es stellt sich die Frage, ob wir an einem Systemherumdoktern, das nicht wirksam ist, wie wir wis-sen – sogar mehr als 80 Prozent verlassen dieseSchulform ohne einen Abschluss – oder ob wir denWeg gehen, den wir letzthin beschlossen habenund der meines Wissens auch von Ihrer Fraktionunterstützt wird. Wir haben gerade den Para-graf 12 im Hamburger Schulgesetz beschlossenund damit ist der Weg vorgegeben.

(Ties Rabe SPD: Es gibt keinen Weg, esgibt nur Ziele!)

Wir werden ab nächstem Jahr nicht nur das Rechtauf integrative Beschulung in AllgemeinbildendenSchulen haben, sondern jetzt auch intensiv mitBremen zusammenarbeiten, weil Bremen von derKMK beauftragt wurde, Konzepte zur schrittweisenUmsetzung der integrativen Beschulung für dienorddeutschen Länder zu erarbeiten. Insofern sindalle Förderschulen mit einbezogen und es findenregelmäßig Treffen mit deren Schulleitern statt.

Wir haben also eine Menge vor, wobei wir die ein-zelnen Maßnahmen, wie gesagt, Schritt für Schrittumsetzen. Wir sind froh, dass uns dieser Durch-bruch für die vielen Eltern gelungen ist, die schonseit Jahren dafür kämpfen, dass ihre Kinder nichtdurch die ganze Stadt fahren müssen, um integra-tiv beschult zu werden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Dann kommt die zweite Weggabelung, der Wech-sel auf die weiterführende Schulform. Dass hierbeiföderal die Wege weit auseinandergehen, braucheich nicht zu betonen, aber viele Ziele des DresdnerBildungsgipfels, wie zum Beispiel Verringerung derAbbrecherquote, Steigerung der höheren Bildungs-abschlüsse oder Verbesserung der Durchlässigkeitkönnen wir nur erreichen, wenn wir die Unterrichts-qualität, die Reform des Unterrichts und die Struk-tur verbinden und vor allen Dingen die sozialenDisparitäten abbauen.

Gestern war ich positiv überrascht von einem Bei-trag im "Hamburg Journal" zum Thema Lehrerfort-bildung, als eine Schulleiterin berichtete, dass anihrer Schule bereits alle Lehrerinnen und Lehrer inder Fortbildung seien. Das ist ein gutes Zeichen,weil sie dort nicht etwas über Strukturen lernen,sondern über individualisierten Unterricht, der zuRecht von der Schulinspektion angemahnt wurde.Genau darauf wurde in den letzten Jahren undJahrzehnten nicht geachtet, nämlich dass der Un-terricht individuell gestaltet, also gezielt an denStärken und Schwächen der Schülerinnen undSchüler ausgerichtet werden muss.

Ich komme zur dritten Weggabelung, zum Über-gang von der Schule in den Beruf. Dieses Themaliegt uns allen am Herzen, an ihm arbeiten wir undhaben es in der Enquete-Kommission auch behan-delt. Lieber Herr Rabe, vor zehn Jahren, als Sienoch nicht in der Bürgerschaft waren – ich habevon 1997 bis 2001 auch mit Ihrer Partei gerne ko-aliert –, hatten wir 13 Prozent Abbrecher. Jetzt ha-ben wir über 8 Prozent, weil dieses Drama seit PI-SA bekannt ist und etwas dagegen unternommenwurde, um diese hohe Risikogruppe einzuschrän-ken. 8 Prozent sind immer noch zu viel, das istvollkommen klar; deshalb sind wir dabei, mehrereDinge gezielter, strukturierter und aufeinander ab-gestimmter zu machen.

Auch bei dem Thema Übergang von Schule in denBeruf möchte ich die Elternaktivitäten ansprechen.Maßnahmen wie "ElternAktiv" in Altona, Hammund Bergedorf, "Brücken bauen" in Billstedt undMümmelmannsberg, "Eltern ins Boot holen" aufden Elbinseln und in Wilhelmsburg dienen dazu,Eltern für die Phase der Berufsorientierung zu ge-winnen und zu beraten, und natürlich auch die vonIhnen allen unterstützte Reform des Übergangs-systems Schule in den Beruf, einen Bereich, denendlich die verschiedenen Kooperationspartner

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2569

(Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch)

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von Verbänden, Gewerkschaften, Wirtschaft undso weiter gemeinsam gestalten.

Da Sie, Herr Rabe, despektierlich über die ver-schiedenen Abkürzungen gesprochen haben, sageich Ihnen: Seien Sie doch froh, dass wir bereits imGrundschulbereich Programme wie Probex, NA-TEX, die Kinderforscher TU Hamburg-Harburg undNaT-Working haben, um die Kinder für naturwis-senschaftliches Arbeiten und Technik zu interes-sieren, oder unser neu aufgelegtes, wirklich vor-bildliches MINT-Projekt mit der gymnasialen Ober-stufe, bei dem die Firmen, die Hochschulen unddie gymnasialen Oberstufen miteinander kooperie-ren, um diesen Bereich für den entsprechendenNachwuchs zu stärken. Ich will jetzt gar nicht überdie Berufswegebegleitung und die vielen anderenPunkte beim Übergang von Schule in den Berufsprechen, bei dem der Grundsatz kein Abschlussohne Anschluss gilt. Morgen haben wir ein kleinesJubiläum zu verzeichnen, nämlich zehn Jahre Pro-duktionsschule in Altona. Vier weitere Produktions-schulen sind in diesem Jahr in Gründung, dann fol-gen noch drei, sodass wir sie in allen Bezirken an-bieten können; nur so viel noch ergänzend zumThema Übergang von Schule in den Beruf.

Es steckt also eine ganze Menge in dieser GroßenAnfrage und auch wenn ich nur einige Dinge an-sprechen konnte, freue ich mich auf die nächsteGroße Anfrage in vielleicht zwei Jahren, mit der wirdem Ziel Aufstieg durch Bildung noch gerechterwerden können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Vizepräsident Wolfhard Ploog: Weitere Wortmel-dungen sehe ich nicht.

Ich stelle fest, dass die Bürgerschaft von derGroßen Anfrage, Drucksache 19/4101, Kenntnisgenommen hat.

Meine Damen und Herren! Die Renaissance unse-rer Speaker's Corner ist immer wieder sehr bewun-dernswert.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf, Drucksa-che 19/4262, Große Anfrage der Fraktion DIE LIN-KE: Aktionsplan Frauengesundheit.

[Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE:Aktionsplan Frauengesundheit– Drs 19/4262 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion anden Ausschuss für Gesundheit und Verbraucher-schutz überweisen. Wer wünscht das Wort? – FrauArtus, bitte.

Kersten Artus DIE LINKE:* Herr Präsident, sehrgeehrte Herren und Damen! Warum haben wir sogezielt nach Frauen als Patientinnen, Beschäftigteim Gesundheitswesen oder Forscherinnen ge-

fragt? Frauen und Männer unterscheiden sich hin-sichtlich ihrer Krankheiten und gesundheitlichenEinschränkungen. Sie unterscheiden sich hinsicht-lich ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen, die Ge-sundheit und Krankheit beeinflussen. Sie unter-scheiden sich im Umgang mit unterschiedlichengesundheitlichen Belastungen sowie mit der Inan-spruchnahme von gesundheitlichen Vorsorgelei-stungen. Die Gesundheitsprobleme und Ressour-cen von Frauen sind bisher nur unzureichend un-tersucht worden. Auch die Antwort auf die GroßeAnfrage der Linksfraktion bestätigt, dass Frauenanders krank sind als Männer. Sie haben in jederLebensphase und in den verschiedenen Sozial-schichten und Milieus, in denen sie leben, andereAnsprüche und Bedarfe an das Gesundheitswe-sen.

2001 wurden zwei wichtige Schriften von der Frei-en und Hansestadt Hamburg herausgegeben,nämlich der "Bericht zur gesundheitlichen Situationvon Frauen in Deutschland" vom Bundesministeri-um für Familie, Senioren, Frauen und Jugend so-wie die "Empfehlungen für die Verbesserung derFrauengesundheit in Hamburg".

(Glocke)

Vizepräsident Wolfhard Ploog (unterbrechend):Frau Artus, entschuldigen Sie bitte. Meine Damenund Herren! Ich hatte auf eine etwas elegantereArt und Weise versucht, es Ihnen noch einmal inErinnerung zu rufen. Ich kann es auch etwas deut-licher sagen, merke aber, dass es jetzt doch wirkt.

Frau Artus, Sie haben das Wort und ich hoffe,dass Sie sich nun ungestört mitteilen können.

Kersten Artus (fortfahrend): – Vielen Dank, HerrPräsident.

Die Dokumente sind aufschlussreich und gebenviele Ansatzpunkte für eine gendergerechte Ge-sundheitsvorsorge. Es war dringend notwendig,nach inzwischen acht Jahren abzufragen, wie esum die geschlechtersensible Gesundheitspolitik inHamburg bestellt ist, und diese Lücke hat dieLinksfraktion mit ihrer Großen Anfrage geschlos-sen. Auch die Antworten auf die Große Anfragehaben ergeben, dass es höchste Zeit dafür war.Wir drücken als LINKE unsere Hoffnung aus, dassdie von den Behördenbeschäftigten und den ver-schiedenen Institutionen, die bei der Beantwortungunterstützend tätig geworden sind, gelieferten In-formationen vom Senat weitgehend vollständigübernommen und veröffentlicht wurden, und möch-ten uns ausdrücklich bei allen Stellen bedanken,die an der Erarbeitung der Antworten mitgewirkthaben.

Mein Eindruck ist allerdings, dass das nicht allesgewesen sein kann. Wieso fehlen wichtige Infor-mationen, die sich jede Verbraucherin aus dem In-

2570 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch)

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ternet holen kann? Das Pflegetelefon beispielswei-se wird gar nicht erwähnt. Außerdem muss ichfeststellen, dass sich die Senate seit 2001 nicht anden Empfehlungen der Expertenkommission orien-tiert haben, sonst wären ganz andere Erfolge undganz andere Antworten zustande gekommen. Lei-der wird dadurch ein Klischee bestätigt, das dazubeiträgt, dass die Politik und ihre handelnden Per-sonen immer weniger ernst genommen werden.Kurzsichtige Planungen über nur eine Wahlperiodehinweg sind nicht im Sinne der Menschen, für diewir im Parlament und Sie auf der Senatsbank sit-zen und unseren Job zu tun haben.

Viele Gesundheitsmaßnahmen in Hamburg wer-den nicht geschlechtsspezifisch konzipiert bezie-hungsweise angeboten. Als Beispiel nenne ich dieMaßnahmen gegen Medikamentenabhängigkeit.Obwohl bekannt ist, dass Frauen ab Mitte vierzigein erhöhtes Risiko zur Tablettenabhängigkeit ha-ben, gibt es in Hamburg hierzu keine Empfehlungoder ein spezifisches Konzept. Auch die Empfeh-lungen für Frauen in der Psychiatrie sind so gutwie gar nicht umgesetzt worden. Dies ist umsoskandalöser, als die Geschlechtsspezifik nachAussage des Senats durchaus erkannt wird und esin der Ärztekammer sogar eine Arbeitsgruppe Gen-der Mainstreaming gibt. Hoffentlich erbarmt sicheinmal eine Doktorandin, als Abschlussarbeit eineEvaluation durchzuführen, denn ich suche Daten-material und finde nichts. Eigentlich ist dies auchdie Aufgabe des Senats.

Positiv möchte ich hervorheben, dass der Senatbenennt, inwieweit Frauen mit Migrationshinter-grund besonderen Gesundheitsrisiken ausgesetztsind und im fortgeschrittenen Alter überproportio-nal an Adipositas und Tuberkulose leiden. Lö-sungsansätze suchen wir aber vergeblich und esgab bis heute nur fünf Einsätze aus dem MiMi-Pro-jekt heraus, was angesichts der Defizite, die wir beiden Dolmetscherdiensten sehen, jedoch nur einschlechter Scherz sein kann. Andere Projekte wer-den schon bei Erfolgsquoten von 50 Prozent ein-gedampft. Wir finden MiMi gut, aber anscheinendist das Konzept noch nicht zu Ende gedacht.

Geradezu unglaublich finde ich, dass der Senatnicht weiß, welchen Belastungen Frauen ohne Pa-piere ausgesetzt sind. Die Debatte darüber hattenwir vorhin und auch gestern. Der anonyme Kran-kenschein muss aus unserer Sicht dringend einge-führt werden, denn kein Mensch ist illegal.

(Beifall bei der LINKEN und bei Uwe GrundSPD)

Beim Thema Sucht weicht der Senat aus. Sucht-prävention wäre zwar ein Teil der Bildungsempfeh-lungen für Kitas, sagt er, aber evaluiert wird nicht,weil, so die Antwort, die Kita-Träger in ihrer Ent-scheidung und Schwerpunktsetzung autonom sei-en. Hier lässt die Privatisierung grüßen. Privatisie-rung schützt den Senat vor der Verantwortung,

sich um die Bürger und Bürgerinnen zu sorgen.Was in den Kitas passiert, wird ominös in Lei-stungsvereinbarungen festgeschrieben oder ganzaus der Hand gegeben. Viel zu oft wird Sucht undDrogenabhängigkeit mit Repression begegnet.

Beim Thema Brustkrebs umgehen Sie die unum-stößliche Tatsache, dass es sich bei der Mammo-graphie in Hamburg gar nicht um ein Screeninghandelt, weil die Fallzahlen nicht annähernd er-reicht werden. Dass die Jubelberichte über den Er-folg der Mammographie unkommentiert veröffent-licht werden, verstehe ich überhaupt nicht. Das istnichts anderes als der Versuch der Verschleierung.Es ist immer noch nicht bewiesen, dass dieseFrüherkennungsmethode Leben rettet. Leider, sa-ge ich ausdrücklich dazu, denn viele Frauen wie-gen sich in Sicherheit, wenn sie an der Mammo-graphie teilnehmen. Die Alternativen hingegenkommen viel zu kurz, weil sie wahrscheinlich nichtlukrativ genug sind.

Ein Teil der Großen Anfrage ist der Situation in derPflege gewidmet, denn dies ist durch und durchein frauenpolitisches Thema. Ich finde es er-schreckend, dass der Senat die Pflegeversiche-rung für ausreichend hält, und frage mich, warumwir im Sozialausschuss das Thema rauf und runterdiskutieren, warum wir Experten und Expertinnenanhören, die genau das Gegenteil sagen. Ist dasalles nur Beschäftigungsklimbim für die Bürger-schaft? Wir wissen heute, dass der Pflegebegriffeindimensional auf die rein körperliche Verwah-rung des Menschen abzielt, und nicht einmal dasist mit den Pflegesätzen gewährleistet. Geradegestern Mittag erzählte mir eine Kollegin, dass ihre87-jährige Mutter im Pflegeheim von einer völligüberforderten Aushilfe angeschrien wurde, nur weilsie darum bat, ihr das Bett zu machen. Die Damehat Pflegestufe II und gilt im ganzen Heim als um-gänglich und bescheiden. Es ist sicherlich kein Ein-zelfall, dass es zu solchen Ausfällen kommt, undzeigt, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Wie kannder Senat angesichts solcher Zustände behaupten,dass die Pflegeversicherung ausreicht? Mir fehltdafür jegliches Verständnis. Dass ältere Menschenin Hamburg bei Ihnen nicht in guten Händen sind,haben Sie damit auch noch einmal zum Ausdruckgebracht, sehr geehrte Herren und Damen des Se-nats.

Wir haben die Große Anfrage dem Landesfrauen-rat zu seinem 60. Geburtstag gewidmet und sieheute zur Debatte angemeldet, weil in der kom-menden Woche der Internationale Tag gegen Ge-walt an Frauen und Mädchen stattfindet. Ich wie-derhole nicht, was in der letzten Bürgerschaftssit-zung dazu gesagt wurde, möchte allerdings kom-mentieren, wie sich der Senat in dieser Drucksa-che mit dem Thema auseinandersetzt. Angeblichgibt es keine Vakanzen bezüglich der Sensibilisie-rung und Schulung von medizinischem Personal,Polizei und Beschäftigten der Justiz. Warum aber

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2571

(Kersten Artus)

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berichten mir Fachberater, die direkten Kontakt zumisshandelten Frauen haben, dass es bei der Poli-zei immer noch Beamte und Beamtinnen gibt, dieder häuslichen Gewalt nach dem Motto "Packschlägt sich, Pack verträgt sich" begegnen? WennSie keine internen Kontrollmechanismen haben,um eine derartige Berufsauffassung zu korrigieren,dann halte ich Ihre gesamten schönen Schriften zudiesem Thema inhaltlich für wenig glaubwürdig.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Große Anfrage wäre eine gute Gelegenheit ge-wesen, sich grundsätzlich zum Thema häuslicheGewalt zu positionieren. Ich habe aber den Ein-druck, als würde man nur sehr ungern auf unseresehr sorgfältig ausgearbeiteten Fragen antworten.Die Linksfraktion sieht häusliche Gewalt als Aus-druck patriarchalischer Machtverhältnisse, weshalbes eine systemimmanente Aufgabe ist, sie zu be-kämpfen. Wer schweigt, stimmt zu. Wer häuslicheGewalt verharmlost oder gar Gleichmacherei zwi-schen Frauen und Männern betreibt, übersieht dieWurzeln und die Ausmaße dieser wohl größtenGesundheitsgefährdung für Frauen.

Wozu hat der Senat im letzten Jahr beim Empfangzum 25. November Vorträge zum Thema Gewaltgegen ältere Frauen gehört? Auch das heiße Ei-sen Gewalt in der Pflege fasse ich an und weisedarauf hin, dass Frauen pflegen und Gepflegtesind, und schon bin ich wieder beim Pflegegesetz,durch das Überforderung der Pflegekräfte undmangelhafte psychosoziale Betreuung vorprogram-miert sind. Wie Sie sehen, findet Gewalt nicht imluftleeren Raum statt, sondern unter den Maßga-ben von Politik und Wirtschaft.

Dass der Senat neben etablierten Einrichtungen,Fortbildungen und einer Fülle von Fachleuten vorallem auf die Freiwilligkeit und die Eigeninitiativevon Sozialpädagogen und –pädagoginnen, Leh-rern und Lehrerinnen und Beschäftigten der Justizsetzt, ist aus meiner Sicht unzureichend. Außer-dem erleben wir den Bereich als chronisch unterfi-nanziert. Initiativen wie die Bäckertüten-Aktion"Gewalt kommt nicht in die Tüte" sind gut und rich-tig, waren aber nur mit einem immensen Kraftauf-wand zu leisten und bieten leider keine Nachhaltig-keit.

Die Große Anfrage hat die dringend nötige Trans-parenz hergestellt und gibt einen Überblick überdie frauengesundheitspolitischen Aktivitäten derSenate seit 2001. Sie zeigt aber auch, dass nochviel zu tun ist und die Gleichstellung gesundheits-politisch nicht sehr weit vorangekommen ist, weilder feministische Blickwinkel in der Gesundheits-politik verloren gegangen ist. Schwarz-Grün hatsich mit diesen Antworten nicht mit Ruhm be-kleckert und es wäre ein großer Akt der Selbstver-leugnung, sich dafür irgendeine Form von Selbst-lob auszusprechen. Der schwarz-grüne Senat hatsich das Leitbild "Wachsen mit Weitsicht" gegeben.

Wenn das auch für die Frauengesundheit geltensoll, dann nehmen Sie unsere Große Anfrage zumAnlass, Ihr Weitwinkelobjektiv neu zu justieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Wolfhard Ploog: Das Wort be-kommt Frau Gienow.

Hanna Gienow CDU: Herr Präsident, meine Da-men und Herren! Frau Artus, ich bin Ihnen für IhreGroße Anfrage dankbar und freue mich, dass wirdazu Stellung nehmen können, muss Ihnen abersagen, dass Sie nach meinem Dafürhalten zumSchluss so vom Thema abgeschweift sind, dassich es nicht mehr gutheißen kann. Pflege allein istzum Beispiel kein reines Frauenthema.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Mit dem Thema Frauengesundheit

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über-nimmt den Vorsitz.)

hat sich die Bürgerschaft in den drei letzten Legis-laturperioden mehrfach beschäftigt. Ich erinneremich an einige Große Anfragen der GAL, aberauch an Anträge von SPD und CDU und einigeSchriftliche Kleine Anfragen. Wir haben das ThemaFrauengesundheit sehr wohl auch im Gesundheits-ausschuss behandelt. Frauengesundheit istdurchaus ein sehr breit gefächertes und viele Le-benslagen tangierendes Thema. Man sieht es andem breiten Fragenkatalog aus Ihrer Großen An-frage.

Gestatten Sie mir einige allgemeine Bemerkungenzur Frauengesundheit, bevor ich zu der GroßenAnfrage komme. Einiges klang bei Ihnen ebenschon an. Untersuchungen in den letzten Jahrenhaben gezeigt, dass Männer und Frauen sich hin-sichtlich ihrer Krankheiten, ihrer gesundheitlichenBelastungen, der Arbeits- und Lebensbedingungen– die sehr wohl einen großen Einfluss auf die Ge-sundheit haben können – und auch bei der Inan-spruchnahme gesundheitlicher Vorsorgeleistungendoch sehr unterscheiden.

Von daher ist eine geschlechterspezifische Be-trachtung von Gesundheitsaspekten durchaus ge-boten. Dass Hamburg ein gutes medizinischesVersorgungssystem hat, möchte ich ausdrücklich– im Gegensatz zu Frau Artus – unterstreichen. ImHinblick auf die Frauengesundheit ist das Hambur-ger Versorgungssystem vielseitig in seinen Ange-boten und zum Teil auch recht spezialisiert aufge-stellt.

Nun zu einigen Aspekten Ihrer Großen Anfrage.Sie beginnen mit den Selbsthilfegruppen, die heuteaus unserem Gesundheitssystem überhaupt nichtmehr wegzudenken sind. Sie unterstützen durchihre Hilfe zur Selbsthilfe chronisch kranke Men-schen und werden besonders von Frauen sehr gut

2572 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Kersten Artus)

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angenommen. In Hamburg gibt es speziell über20 Frauen-Selbsthilfegruppen und gerade vor kurz-em hat sich eine neue etabliert, die Gruppe Kaiser-schnitt-Mütter. Erfreulich ist – dafür möchte ichdem Senat noch einmal ganz besonders danken –,dass es gelungen ist, über Jahre und auch für dieZukunft die Finanzierung des Selbsthilfegrup-pentopfes sicherzustellen. Aus diesem Topf wer-den die Selbsthilfegruppen finanziert. Dort hineinkommen Gelder der Krankenkassen, anteilig nachihrer Mitgliederzahl, und es gibt sogar einige Kran-kenkassen, die mehr einzahlen als sie müssen.Über 90 000 Euro kommen auch vom Senat.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei derGAL)

Frau Artus, Sie sprachen vom Defizit bei den Dol-metscherdiensten. Beim Thema Frauen und Migra-tion ist Hamburg sehr gut aufgestellt. Nach Aussa-gen des Robert-Koch-Instituts sind Frauen mit Mi-grationshintergrund oftmals Mehrfachbelastungenausgesetzt, die sich sehr wohl ungünstig auf dieFrauengesundheit auswirken können. Im Krank-heitsfall stehen für Migrantinnen allerdings zumBeispiel im UKE Dolmetscherdienste in 16 ver-schiedenen Sprachen zur Verfügung; das ist schongewaltig. Es gibt auch in allen KrankenhäusernAufklärungs- und Faltblätter, die den Migrantenhelfen. Ein Beispiel in puncto Vernetzung ist, dassauch die Selbsthilfegruppen sich geöffnet haben.Mit der Unterstützung einer Krankenkasse gibt esjetzt das Projekt "Weiterentwicklung der Selbsthil-fegruppen", eine Unterstützung speziell für Migran-tinnen und Migranten.

Im Rahmen einer Parlamentsdebatte ist es über-haupt nicht möglich, eine so umfangreiche GroßeAnfrage seriös zu beantworten und sich damit aus-einanderzusetzen. An dieser Stelle, und zum Teilim Unterschied zu Ihren Ausführungen, seien nureinige Highlights im Versorgungssystem der Frau-engesundheit genannt. In Hamburg haben wir eineSpitzenmedizin im Bereich der Gynäkologie undder Geburtshilfe. Zu diesem Thema wird im näch-sten Jahr der Gesundheitsbericht "Gesundheitrund um die Geburt" veröffentlicht. Es gibt Angebo-te im Bereich der Vor- und der Nachsorge und beider Behandlung von Brustkrebs. Das Thema Mam-mographie-Screening sollten wir noch einmal aus-führlich im Gesundheitsausschuss bewegen, damitwir vielleicht auf einen Konsens kommen.

Um den durchaus wichtigen Fragen zur Frauenge-sundheit gerecht zu werden und vielleicht auch,weil dieses Thema es wirklich verdient, möchtenwir die Anfrage an den Gesundheitsausschussüberweisen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Frau Domres.

Anja Domres SPD:* Frau Präsidentin, meine Da-men und Herren! Frau Gienow, diese Anfrage hates also verdient. Das ist sehr schön, darüber freutsich auch die SPD-Fraktion. Leider hat es der An-trag der SPD-Fraktion zu den papierlosen Men-schen nicht verdient. Das kann man werten, daserspare ich mir jetzt aber.

(Jörn Frommann CDU: Das liegt an derQualität des Antrags!)

Es ist in der Debatte um Frauengesundheit schonmehrfach gesagt worden: Männer und Frauen un-terscheiden sich hinsichtlich ihrer Krankheiten undgesundheitlichen Einschränkungen, der Arbeits-und Lebensbedingungen, die Gesundheit undKrankheit beeinflussen, ihres Umgangs mit ge-sundheitlichen Belastungen sowie der Inanspruch-nahme von gesundheitlichen Versorgungsleistun-gen. Die Gesundheitsprobleme und Ressourcenvon Frauen sind bisher nur unzureichend unter-sucht worden. Dies stellte die Bundesregierung imJahre 1996 fest.

Um einen Überblick über die gesundheitliche Si-tuation von Frauen in Deutschland zu erhalten,gab das Bundesministerium für Familie, Senioren,Frauen und Jugend 1996 einen Bericht in Auftrag,in dem die Aussagen zum Gesundheitsstatus vonFrauen in Ost und West gebündelt werden sollten.Dieser Bericht geht auf die Initiative des Regional-büros Europa der WHO zurück. In der Wiener Er-klärung "Women's Health Counts" von 1994 wur-den erstmals Grundsätze zur Weiterentwicklungder weiblichen Gesundheit in der europäischenRegion der WHO formuliert. Alle Mitgliedsstaatenwurden damals aufgefordert, Frauengesundheits-berichte zu erstellen. Mit dem Bericht zur gesund-heitlichen Situation von Frauen in Deutschland lag2001 die erste geschlechtersensible Berichterstat-tung in Deutschland vor. Im gleichen Jahr wurde inHamburg das Aktionsprogramm Frauen und Ge-sundheit, das von der damaligen Behörde für Ar-beit, Gesundheit und Soziales zusammen mit Ex-pertinnen erarbeitet wurde, veröffentlicht. Das Akti-onsprogramm untersuchte verschiedene Hand-lungsfelder, wie "Frauengesundheit braucht unab-hängige Forschung" oder "Frauengesundheitbraucht geschultes Fachpersonal", befasste sichmit Qualität, Leitbildern und der Frauengesund-heitsberichterstattung.

In diesem Aktionsprogramm wurde dargestellt,dass sich medizinische und pharmakologische For-schung, Beratung und Behandlung vorwiegend anden Bedürfnissen des Mannes und seiner gesell-schaftlichen Identität orientierten. Dies hatte gra-vierende Folgen für die Frauengesundheit undkonnte zu Fehldiagnosen, zu Über- oder Unterver-sorgung führen. Die Gesundheitsversorgung nahmspezifisch weibliche Bedürfnisse nicht wahr. Frau-en haben oft andersartige Beschwerden undKrankheiten als Männer, auch im Verlauf von Er-

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2573

(Hanna Gienow)

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krankungen und in den Wirkungen von Arzneimit-teln können sich geschlechtsspezifische Besonder-heiten zeigen. Leistungen und Angebote im Ge-sundheitsbereich müssen sich deshalb daran mes-sen lassen, ob und wie sie diese Unterschiede er-kennen und berücksichtigen.

Krankheitsbilder, die früher klassische Männerer-krankungen waren wie beispielsweise Herzinfarkteund nur Männern zugeordnet wurden, erstreckensich heute geschlechtsneutral auf Männer undFrauen. Heute ist der Herzinfarkt bei Frauen dieTodesursache Nummer eins und sie erleiden ihn inimmer jüngerem Alter.

Eine differenzierte Betrachtung der Frauengesund-heit braucht aber auch geschultes Personal im Be-reich der Mediziner, der Pflegenden und der Bera-tungsstellen. Insbesondere Frauen müssen gleich-berechtigt in diesen Bereichen arbeiten. So gab esbeispielsweise in den Neunzigerjahren keine einzi-ge Kardiologin in Deutschlands Universitäten. Imerweiterten Vorstand der Deutschen Gesellschaftfür Herz-Kreislauf-Forschung mit über 50 Men-schen saß nur eine Frau. Gleichzeitig waren nuretwa 20 Prozent der im Herzzentrum Berlin behan-delten Patienten Frauen. Dieser Umstand führtenatürlich zu der Frage, ob es vielleicht einen Zu-sammenhang gäbe zwischen der rein männlichenBesetzung der leitenden Positionen und der Tatsa-che, dass offensichtlich weniger Frauen behandeltwurden. Diese Fragestellung führte zu ersten For-schungen und Bewertungen beim Thema Frauen-gesundheit und letztendlich auch zu der Gründungdes bisher einzigen Instituts für Geschlechterfor-schung in der Medizin in Berlin.

Trotzdem muss man sich fragen, was sich in die-sem Bereich bis heute verändert hat. Aus derGroßen Anfrage der LINKEN ergibt sich, dass zur-zeit nur 10 Prozent der Professorenstellen am UKEmit Frauen besetzt sind. Zwar gibt es Ziel- und Lei-stungsvereinbarungen und andere Maßnahmenzur Erhöhung des Frauenanteils, aber diese schei-nen nicht sehr wirkungsvoll zu sein, wenn man be-denkt, dass sich seit Anfang der Neunzigerjahrekaum etwas verändert hat. Auch die Zahl der inden Krankenhäusern beschäftigten Chefärztinnenliegt mit 0 bis 20 Prozent deutlich unter demDurchschnitt. An dieser Stelle ist die Freie undHansestadt Hamburg aufgefordert, das bisherigeEngagement deutlich zu verstärken und den Anteilvon Frauen in Professorinnenstellen und auch beiChefärztinnen deutlich zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der Senat ist ebenfalls aufgefordert, entsprechen-de Studienschwerpunkte zum Thema Frauenge-sundheit an den Hamburger Universitäten auszu-bauen. Das Aktionsprogramm Frauen und Ge-sundheit aus dem Jahre 2001 gibt verschiedeneHandlungsempfehlungen, von denen einige umge-setzt sind. Meine Vorrednerinnen haben bereits

Beispiele genannt, ich will eines hinzufügen. DieAusweitung der Familienhebammenprojekte, diedamals noch gefordert wurde, ist inzwischen reali-siert. Vieles wurde aber nicht umgesetzt, wie dieErhöhung des Frauenanteils in Wissenschaft undForschung oder die geforderte Frauengesundheits-berichterstattung in Hamburg.

Eine Maßnahme, mit der die Weltgesundheitsorga-nisation das Thema Gesundheit voranbringen will,ist der Weltfrauengesundheitsbericht, der am9. November dieses Jahres vorgelegt wurde. Mitdiesem Bericht zur Gesundheit von Frauen legt dieWHO erstmals eine weltweite Bestandsaufnahmedes gesundheitlichen Status und der gesundheitli-chen Situation von Frauen und Mädchen vor. Ob-wohl die Datenlage in einigen Bereichen nicht voll-ständig ist, werden insbesondere Gesundheitsrisi-ken bei Frauen aufgrund sozialer, kultureller undgeschlechtsbedingter Benachteiligungen deutlich.Viele Erkrankungen, Behinderungen und Todesfäl-le wären vermeidbar, wenn auch für Frauen derZugang zu einer angemessenen Gesundheitsver-sorgung sichergestellt würde.

Der Bericht zeigt auf, dass sich seit den ersten An-sätzen einer Frauengesundheitsberichterstattungim Jahre 2001 insgesamt bis heute nicht viel ver-ändert hat. Dabei hat auch Ban Ki-Moon, der Ge-neralsekretär der Weltgesundheitsorganisation, zurBedeutung der Frauengesundheit festgestellt:

"Wenn es darum geht, gemeinsame Zusam-menhänge zu finden, gibt es wohl kein Ein-zelthema, das stärker mit der Sicherheit,dem Wohlergehen und dem Fortschritt unse-rer Welt verknüpft ist als die Frauengesund-heit. Sie reicht in den Kern jedes Themasund berührt die Seele jeder Gesellschaft."

In diesem Sinne fordere ich den Senat auf, die imRahmen des Aktionsplans Frauengesundheit be-reits im Jahre 2001 festgelegten Handlungsemp-fehlungen und Vorschläge endlich umfassend um-zusetzen. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Frau Heitmann.

Linda Heitmann GAL:* Frau Präsidentin, meineDamen und Herren! Es ist vielleicht aus unsererPosition heraus etwas ungewöhnlich, aber ichmöchte zu Beginn meiner Rede erst einmal derLINKEN für diese Anfrage danken, denn sie gibteinen sehr guten Überblick darüber, welche ge-sundheits- und suchtpolitischen Projekte in Ham-burg vorhanden sind.

(Beifall bei Antje Möller GAL und ChristianeSchneider DIE LINKE)

2574 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Anja Domres)

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Dabei tauchen nicht nur Projekte und Faltblättervon der Behörde, der HAG oder der HLS auf, son-dern auch Maßnahmen und Initiativen, die vonKrankenkassen, Krankenhäusern, einzelnen Ärz-ten und anderen ausgehen. Es ist wichtig, dass wirauch diese Initiativen in der Stadt haben, denn dassind die Fachleute mit Know-how, die in den ein-zelnen Fachgebieten sicher sehr viel kompetentersind als wir als Politiker. Gerade die Krankenkas-sen profitieren, das haben mehrere Studien bewie-sen, von Präventionsprojekten. Diese zahlen sichspeziell für Krankenkassen häufig doppelt aus.

Es gibt noch einen anderen Punkt, der in Ihrer An-frage sehr deutlich wird, nämlich der, dass Ge-sundheit ein Querschnittsthema ist, das die Berei-che Justiz, Inneres, Soziales und auch Wissen-schaft berührt. Gleichzeitig möchte ich aber auchmeine Kritik loswerden, denn beim Lesen dieserAnfrage hat mir ein bisschen der rote Faden ge-fehlt. Sie geben in der Einleitung den Hinweis,dass Medizin sehr häufig zu sehr auf den männli-chen Körper fixiert ist, dass die spezifischen An-sprüche und Bedürfnisse, die Frauen an das medi-zinische System haben, häufig nur unzureichendberücksichtigt werden. Damit haben Sie ein sehrwichtiges Problem am Anfang angesprochen, dasauch an einigen Stellen in der Anfrage wieder auf-taucht. Es wird sehr deutlich, dass Forschung anProjekten und Einrichtungen, die speziell auf Frau-en ausgerichtet sind, noch ausgebaut werdenkann. Zudem muss es stärkere Überlegungen ge-ben, in welchen Bereichen – gerade neben derpsychotherapeutischen Behandlung, die in der An-frage auch angesprochen ist – andere Behand-lungsmöglichkeiten speziell für Frauen eventuellnoch sinnvoll wären.

Andererseits tauchen in der Anfrage sehr viele aufGesundheitsthemen bezogene Bereiche auf, diesowieso nur Frauen betreffen. Gerade das ThemaBrustkrebs, Informationen rund um Schwanger-schaft, Geburt und Hebammen, sind solche Berei-che, in denen die medizinische Versorgung spezi-ell auf Frauen ausgerichtet ist, weil nur diese auchdie Patientinnen sind. An anderer Stelle wird in derAnfrage zudem das Thema Frauen und Gewaltaufgegriffen, das in anderen Anfragen in der Ver-gangenheit schon deutlich ausführlicher und diffe-renzierter beleuchtet wurde. Wenn Sie dem Senatvorwerfen, er würde sich in dieser Anfrage nichtdeutlich positionieren, dann muss ich doch sagen,dass das in der Vergangenheit schon häufiger ge-schehen ist und auch dadurch geschieht, dass eseine Reihe von Projekten und Angeboten gibt, wiemeine Kollegin Nebahat Güclü und ich schon häu-figer betont haben.

Insgesamt fehlte mir der rote Faden in der Anfrage,die fehlende übergeordnete Fragestellung und da-her gibt es auch leider keine Gesamterkenntnis.Ich habe circa drei bis vier Stunden zum Lesen ge-braucht, das heißt, ich kann dem Senat keinen

mangelnden Fleiß unterstellen und ich sehe auchin der Anfrage durchaus viele Ansatzpunkte zurDiskussion.

Da ist zum einen die Frage, wie wir in Zukunft Mi-grantinnen mit gesundheitlichen Angeboten bessererreichen können und wie wir gerade Suchtmittel-prävention besser und spezieller auf Frauen aus-richten können. Wie können wir die Förderung vonFrauen in Spitzenpositionen in Krankenhäusernund auch in Forschungseinrichtungen vorantrei-ben? Wie können wir in Zukunft die Teilnahmeratean Präventionsprogrammen erhöhen? Dies sind ei-nige Vorschläge, um Ziele und Fragestellungen fürden Ausschuss zu definieren, wo wir diese GroßeAnfrage ausführlich diskutieren werden. Wenn wiruns vorher nicht gewisse Fragestellungen überle-gen, dann werden wir uns verzetteln. Deshalb plä-diere ich dafür, dies zu tun und freue mich auf dieAusschussdiskussion. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Frau Artus.

(Olaf Ohlsen CDU: Es ist doch alles gesagt!– Harald Krüger CDU: Es geht doch in denGesundheitsausschuss!)

Kersten Artus DIE LINKE:* – Da irren Sie sich,das ist es bei dem Thema nicht. Ich will aber auchkeine lange Rede mehr halten, sondern nur auf einpaar Punkte eingehen. Ich freue mich auf die Dis-kussion im Gesundheitsausschuss und würde mirfast noch wünschen, dass der Sozialausschussmitberatend dazukommt.

Zum Thema Brustkrebs möchte ich nur kurz er-wähnen, dass es leider nicht ausschließlich einFrauenthema ist. Es ist ein großes Tabu in der Ge-sundheit, dass Brustkrebs auch Männer bekom-men können. Soweit zum Hinweis, dass es sichnicht immer als Entweder-Oder darstellen lässt,Frau Gienow.

Dies ist natürlich auch bei der Pflege so, wo ichdas explizit herausgegriffen habe, weil es um über-proportionale Situationen geht. Das Thema Frau-engesundheit steckt – das zeigt zum Beispiel dasThema Gewalt – in einer Vielzahl von Anfragen,aber ausgehend von den Empfehlungen von2001 fehlt eben der Gesamtüberblick und das istdas Problem. In der Anfrage sieht man auch, aufwie viele Kleine und Große Anfragen bis zurück indie 17. Legislaturperiode verwiesen wird. Wennman sich das alles ausdruckt, dann hat man einendicken Ordner. Insofern war das genau unser An-satz und die Empfehlung ist der rote Faden. Ichstelle der GAL die Broschüre gerne noch einmalzur Verfügung, aber weil wir schon geahnt haben,dass es in einigen Bereichen vielleicht in Verges-senheit geraten ist, haben wir den Link zu diesen

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2575

(Linda Heitmann)

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Empfehlungen auf den Hamburg-Seiten im Internetmit in die Große Anfrage hineingenommen.

Zu den Selbsthilfegruppen möchte ich kurz Folgen-des anmerken: Frau Gienow, Frau Heitmann, FrauSchaal und ich sitzen in diesem Vergabeaus-schuss für den Selbsthilfegruppentopf und meinEindruck von drei, vier Sitzungen ist, dass es wirk-lich der sehr großen und fürsorglichen Arbeit desParitätischen Wohlfahrtsverbandes zu verdankenist, der die Gelder verteilt, dass auch jeder irgend-wie zu seinem Recht kommt. Das funktioniert sehrgut. Es ist aber trotzdem eine Mangelverwaltung,weil maximal 650 Euro pro Selbsthilfegruppe aus-geschüttet werden.

Zur Mammographie freue ich mich auch auf einespezielle Anhörung. Ich gebe Ihnen recht, dassdieses Thema intensiv behandelt werden muss,weil damit wirklich Politik gemacht wird und, wieich finde, nicht zugunsten der Frauen.

Es fehlt – das planen wir auch bereits, das hat sichbei uns bei der Ausarbeitung dieser Großen Anfra-ge ergeben – eine Große Anfrage zur Männerge-sundheit. Diese wird von uns demnächst kommen.– Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Arno Mün-ster SPD)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Ich sehekeine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann kön-nen wir zur Abstimmung kommen.

Wer einer Überweisung der Drucksache 19/4262an den Ausschuss für Gesundheit und Verbrau-cherschutz zustimmt, den bitte ich um das Hand-zeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dannist das Überweisungsbegehren einstimmig ange-nommen.

Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung, dieDrucksachen 19/4425, 19/4426, 19/4427, Berichtedes Eingabenausschusses.

[Bericht des Eingabenausschusses:Eingaben– Drs 19/4425 –]

[Bericht des Eingabenausschusses:Eingaben– Drs 19/4426 –]

[Bericht des Eingabenausschusses:Eingaben– Drs 19/4427 –]

Ich beginne mit dem Bericht 19/4425 und dort zu-nächst mit der Ziffer 1.

Hierin sind nur einstimmige Empfehlungen enthal-ten. Wer diesen folgen möchte, den bitte ich umdas Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen?

– Das ist bei nicht vollständiger Teilnahme einstim-mig angenommen.

Die in Ziffer 2 erbetene Kenntnisnahme ist erfolgt.

Nun kommen wir zum Bericht 19/4426, auch hierzunächst zu Ziffer 1.

Wer der Empfehlung folgen möchte, die der Einga-benausschuss zu der Eingabe 553/09 abgegebenhat, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegen-probe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig beiwenigen Enthaltungen angenommen.

Wer sich den Empfehlungen zu den übrigen Einga-ben anschließt, den bitte ich um das Handzeichen.– Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstim-mig angenommen.

Von den Ziffern 2 bis 4 hat die Bürgerschaft Kennt-nis genommen.

Wir kommen zum Bericht 19/4427, hier zunächstzu Ziffer 1. Herr Hamann hat mir mitgeteilt, dass eran der Abstimmung nicht teilnehmen werde.

Hierin sind nur einstimmige Empfehlungen enthal-ten. Wer diesen folgen möchte, den bitte ich umdas Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen?– Das ist einstimmig angenommen.

Die in Ziffer 2 erbetene Kenntnisnahme ist erfolgt.

Die in der Geschäftsordnung für bestimmte Punktein der Tagesordnung vorgesehene

Sammelübersicht*

haben sie in der zweiten Neufassung erhalten.

Ich stelle fest, dass die Bürgerschaft die unterA aufgeführten Drucksachen zur Kenntnis genom-men hat.

Wer den Überweisungsbegehren unter B zustimmt,den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe.– Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenom-men.

Wer sich der Ausschussempfehlung unter C an-schließt, den bitte ich um das Handzeichen. – Ge-genprobe. – Enthaltungen? – Das ist auch einstim-mig angenommen.

Punkt 4 der Tagesordnung, Drucksache 19/3846,Große Anfrage der SPD-Fraktion: Rechtliche Be-treuung für hilfsbedürftige Personen.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD:Rechtliche Betreuung für hilfsbedürftige Perso-nen– Drs 19/3846 –]

2576 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Kersten Artus)

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Textfeld
* Siehe Anlage, Seite 2583
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Die SPD-Fraktion möchte diese Drucksache anden Sozialausschuss überweisen.

Wer dem Überweisungsbegehren zustimmt, denbitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe.– Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren istabgelehnt.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von derGroßen Anfrage, Drucksache 19/3846, ohne Be-sprechung Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung,Drucksache 19/4403, Senatsmitteilung: Stellung-nahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürger-schaft vom 13. Mai 2009 – Einrichtung eines Ham-burger Rates für nachhaltige Entwicklungspolitik.

[Senatsmitteilung:Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchender Bürgerschaft vom 13. Mai 2009 – Einrich-tung eines Hamburger Rates für nachhaltigeEntwicklungspolitik (Drucksache 19/2896)– Drs 19/4403 –]

Mir ist mitgeteilt worden, dass aus den Reihen derSPD-Fraktion gemäß Paragraf 26, Absatz 6 unse-rer Geschäftsordnung das Wort begehrt wird. HerrFrank, bitte, für maximal fünf Minuten.

(Hans-Detlef Roock CDU: Günter, mach'skurz!)

Günter Frank SPD:* So viel Zeit brauche ich garnicht, aber ich muss noch einmal auf diesen ent-wicklungspolitischen Beirat zu sprechen kommen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! MeineFraktion hatte in einem Antrag die Wiedereinrich-tung dieses Beirats gefordert, den die CDU freund-licherweise relativ schnell abgeschafft hat. Die Bür-gerschaft hat in einem einstimmigen Beschlussden Senat ersucht, dieses zu tun – was jetzt aucherfolgt –, aber meine Fraktion übte schon damalsKritik, weil der Senat diesen Beirat nach dem da-maligen Antrag am Gängelband hielt.

Der Beirat darf nur Themen begutachten, die derSenat vorgibt, mehr ist nicht vorgesehen. Eigen-ständiges Denken und Handeln, selbstgestelltenThemen nachzugehen, das ist auch nach der jetzi-gen Senatsmitteilung nicht erlaubt. Im Ergebnisläuft es also auf eine für den Senat unbezahlteGutachtertätigkeit hoch kompetenter Leute hinaus,das ist alles.

Die einzige eigenständige Tätigkeit, die man demBeirat zugestanden hatte, war die Erstellung ent-wicklungspolitischer Leitlinien. Das war wohl auchein Zugeständnis der CDU an die GAL. Genau die-

ser eine Punkt taucht in dieser Drucksache nichtmehr auf, er ist einfach herausgeflogen. Andere In-stitutionen, zum Beispiel "Das Netzwerk" in Ham-burg, haben schon darauf hingewiesen, dass dieCDU die GAL in diesem Punkt nicht ganz ernst zunehmen scheint. Es ist doch das Mindeste, demBeirat einzig und allein die Entwicklung der Leitlini-en zuzugestehen. Lassen Sie sich das, liebe GA-Lier, nicht gefallen. Wir fordern auf jeden Fall eineKorrektur und Sie hoffentlich auch. – SchönenDank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Frau Machaczek.

Bettina Machaczek CDU: Meine Damen und Her-ren! Ich habe überlegt, ob ich jetzt antworte. Aber,Herr Frank, vielleicht erinnern Sie sich daran, wasnach den langen Diskussionen in der Bürgerschaftpassierte, als man versucht hat, eine Leitlinie zurIntegration in Hamburg zu erstellen. Jahrelang hatman an irgendwelchen Papieren gesessen, hatsich am Ende nicht geeinigt, hat sich mit viel Theo-rie auseinandergesetzt, ist aber nicht zur prakti-schen Arbeit übergegangen.

Diesen neuen Rat für nachhaltige Entwicklungspo-litik werden wir einsetzen und dann wird er Arbeits-aufträge bekommen. Aber diese werden natürlichauch mit Leuten, die wir dort benennen werden,besprochen. Es werden nicht irgendwelche Leutegeholt, sondern Experten. Wenn es darunter je-manden gibt, der vorschlägt, hier oder da Schwer-punkte zu setzen, werden wir bestimmt darübernachdenken. Aber ein Gremium zunächst einmaldrei Jahre lang lahmzulegen, indem es sich über ir-gendwelche Leitlinien verständigen muss, das hal-te ich für wirklich falsch. Dies ist ein neuer Rat undnicht das, was wir früher hatten, und ich bin froh,dass wir bald anfangen. Jeder, der damit ein Pro-blem hat, sollte doch einfach einmal abwarten, werin diesem Rat arbeitet und welche Ergebnisse er-zielt werden. Es gibt viel zu tun, zum Beispiel wol-len wir über eine Städtepartnerschaft mit Afrikaentscheiden.

(Zurufe von der SPD)

Wir müssen gleich damit anfangen, anstatt solcheTheoriediskussionen zu führen. Liebe SPD, Sie ha-ben keinen Antrag gestellt, Sie haben der Sachezugestimmt und wollen heute Abend im Grundenur irgendwelcher Klientel zeigen, dass Sie nichtso ganz zufrieden sind. Das ist keine Kritik, die wirernst nehmen können. – Danke.

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2577

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden)

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(Beifall bei der CDU und bei Antje MöllerGAL)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Herr Waldowsky.

Andreas Waldowsky GAL: Frau Präsidentin, lie-ber Kollege Frank! Frau Machaczek hat eben ganzrichtig gesagt, dass der Beirat für nachhaltige Ent-wicklungspolitik Arbeitsaufträge bekommt.

(Dirk Kienscherf SPD: Abwarten!)

Einen Arbeitsauftrag hat er durch einen einstimmi-gen Beschluss der Bürgerschaft bekommen. ImBeschluss heißt es, der Beirat erarbeite entwick-lungspolitische Leitlinien. Das wird er auch tun, dasist Stand der Kunst in vielen Kommunen und Bun-desländern und damit wird sich der Beirat für nach-haltige Entwicklungspolitik beschäftigen, mit vielenanderen Dingen zwar auch, aber sicherlich wirddas eine seiner ersten Aufgaben sein. Auch wenndieser Punkt in der Senatsdrucksache verloren-ging, ist der einstimmige Beschluss der Bürger-schaft erst einmal bindend für das, was in dennächsten Jahren von diesem Beirat geleistet wird.– Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Herr Hackbusch.

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Frau Präsidentin,meine Damen und Herren! Zuerst einmal ist festzu-stellen, dass sich diese zwei Aussagen von CDUund GAL diametral widersprachen. Frau Machac-zek fragt sich, was das Gelabere um diesen Punktsoll, und Sie, Herr Waldowsky, sagen, es sei eineder wichtigsten Aufgaben, die dort zu erfüllen sei.

Der zweite Punkt ist ganz einfach und seriös. Ichbin es seit Monaten gewohnt, dass der Senat nichtdas macht, was ich will.

(Jens Kerstan GAL: Das wird auch so blei-ben!)

Ich bin es aber nicht gewohnt, dass in dem Augen-blick, wo die gesamte Bürgerschaft einem Satz un-ter Punkt 2 einstimmig zustimmt, dass dieser Ratentwicklungspolitische Leitlinien formuliert, der Se-nat eine Drucksache aufsetzt, in der eindeutigsteht, dass dieser Rat diese Leitlinien nicht ent-wickele.

Das gehört sich nicht. Das lässt sich auch mit demSelbstbewusstsein dieses Parlaments nicht verein-baren.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wenn ein einstimmiger Beschluss – Herr Waldow-sky, da müssten Sie doch auf unserer Seite sein –irgendwo auf der Strecke geblieben ist und jetzt

nicht mehr in der Drucksache auftaucht, dann müs-sen wir gemeinsam auf einem Nachsatz bestehen.Es muss eine neue Drucksache geben, in der die-ser einstimmig gefällte Beschluss steht; soviel zudiesem Punkt.

Ich möchte inhaltlich noch eines anmerken. Wirmachen hier nur sehr wenig Entwicklungspolitik.Von staatlicher Seite aus gibt es nur sehr wenigAktivität. Das, was in diesem Bereich geschieht, istzivilgesellschaftlichen Ursprungs und es ist beacht-lich, was in dieser Stadt gemacht wird. Deshalb dieBitte an diesen Senat: Geben Sie diesen zivilge-sellschaftlichen Initiativen etwas mehr Rechte,mehr Einflussmöglichkeiten; das sind die wichtig-sten Akteure in diesem Bereich. Trauen Sie dochder Zivilgesellschaft in dieser Stadt mehr zu undgängeln Sie sie nicht so. – Danke.

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Mir liegenkeine weiteren Wortmeldungen vor.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft Kennt-nis genommen hat.

Sobald mir die Vorschläge der Fraktionen für dievon der Bürgerschaft zu entsendenden Mitgliederdes Rates vorliegen, werde ich diese dem Senatübermitteln.

Punkt 13 der Tagesordnung, Drucksache 19/4424,Senatsantrag: Gesetz zum Staatsvertrag zwischenden Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein,Bremen und Hamburg über die Durchführung desÜbertragungsstellenverfahrens für Milchquoten.

[Senatsantrag:Gesetz zum Staatsvertrag zwischen den Län-dern Niedersachsen, Schleswig-Holstein, FreieHansestadt Bremen und der Freien und Hanse-stadt Hamburg über die Durchführung desÜbertragungsstellenverfahrens für Milchquoten– Drs 19/4424 –]

Wer das Gesetz zum Staatsvertrag zwischen denLändern Niedersachsen, Schleswig-Holstein, FreieHansestadt Bremen und der Freien und Hanse-stadt Hamburg über die Durchführung des Übertra-gungsstellenverfahrens für Milchquoten aus derDrucksache 19/4424 beschließen möchte, den bit-te ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Ent-haltungen? – Das ist einstimmig beschlossen.

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senateiner sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken-nen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus demHause? – Den sehe ich nicht.

Wer das soeben in erster Lesung beschlosseneGesetz in zweiter Lesung beschließen will, den bit-te ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Ent-

2578 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Bettina Machaczek)

Page 45: BÜRGERSCHAFT 19/41 DER FREIEN UND HANSESTADT …€¦ · – Drs 19/3846 – 2576, Beschluss, Kenntnisnahme ohne Be-sprechung 2577, Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu

haltungen? – Das Gesetz ist damit auch in zweiterLesung und somit endgültig beschlossen worden.

Punkt 16 der Tagesordnung, Drucksache 19/4455,Bericht des Haushaltsausschusses: Haushaltsplan2009/2010, Einzelplan 6: Behörde für Stadtent-wicklung und Umwelt, Zusammenführung der Ar-beitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Elbe undder Flussgebietsgemeinschaft Elbe zur neuenFlussgebietsgemeinschaft Elbe und Anbindung derWassergütestelle Elbe an die Geschäftsstelle derFlussgebietsgemeinschaft; Einrichtung des neuenTitels 6700.637.03 "Zuweisung Hamburgs für denSonderaufgabenbereich Tideelbe" im Haushalts-jahr 2010.

[Bericht des Haushaltsausschusses über dieDrucksache 19/3989:Haushaltsplan 2009/2010, Einzelplan 6: Behör-de für Stadtentwicklung und UmweltZusammenführung der Arbeitsgemeinschaftzur Reinhaltung der Elbe (ARGE Elbe) und derFlussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe) zurneuen Flussgebietsgemeinschaft Elbe und An-bindung der Wassergütestelle Elbe (WGE) andie Geschäftsstelle der Flussgebietsgemein-schaftEinrichtung des neuen Titels 6700.637.03 "Zu-weisung Hamburgs für den Sonderaufgabenbe-reich Tideelbe" im Haushaltsjahr 2010 (Senats-antrag)– Drs 19/4455 –]

Wer sich der Ausschussempfehlung anschließenmöchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Ge-genprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmigangenommen.

Es bedarf auch hier einer zweiten Lesung. Stimmtder Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken-nen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus demHause? – Den sehe ich nicht.

Wer den soeben in erster Lesung gefassten Be-schluss in zweiter Lesung fassen will, den bitte ichum das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltun-gen? – Das ist damit auch in zweiter Lesung undsomit endgültig beschlossen worden.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 18, Drucksa-che 19/4488, Bericht des Haushaltsausschusses:Haushaltsjahr 2009, Einwilligung zum Eingehenvon Verpflichtungen in Höhe von 41,6 MillionenEuro beim Titel 6300.891.27 "Zuwendungen zumUmbau des ZOB Bergedorf" sowie nachträglicheGenehmigung von über- und außerplanmäßigenAusgaben und Verpflichtungen nach § 37 Absatz 4LHO.

[Bericht des Haushaltsausschusses über dieDrucksache 19/3443:Haushaltsjahr 2009, Einwilligung zum Eingehenvon Verpflichtungen in Höhe von 41,6 Mio.Euro beim Titel 6300.891.27 "Zuwendungenzum Umbau des ZOB Bergedorf" sowie nach-trägliche Genehmigung von über- und außer-planmäßigen Ausgaben und Verpflichtungennach § 37 Absatz 4 LHO (Senatsantrag)– Drs 19/4488 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/4638 ein An-trag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD:Zuwendungen zum Umbau des ZOB Bergedorf– Drs 19/4638 –]

Wer diesen Antrag annehmen möchte, den bitteich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthal-tungen? – Das ist einstimmig angenommen.

Nun kommen wir zum Bericht des Haushaltsaus-schusses aus Drucksache 19/4488.

Wer der Ausschussempfehlung folgen möchte, denbitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe.– Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit angenom-men.

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senateiner sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken-nen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus demHause? – Den sehe ich nicht.

Wer den soeben in erster Lesung gefassten Be-schluss in zweiter Lesung fassen will, den bitte ichum das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltun-gen? - Das ist damit auch in zweiter Lesung undsomit endgültig beschlossen worden.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 23, Drucksa-che 19/4477, Bericht des Stadtentwicklungsaus-schusses: Gesetz zur Änderung der Hamburgi-schen Bauordnung.

[Bericht des Stadtentwicklungsausschussesüber die Drucksache 19/4092:Gesetz zur Änderung der Hamburgischen Bau-ordnung (Senatsantrag)– Drs 19/4477 –]

Wer der Ausschussempfehlung folgen und das Ge-setz zur Änderung der Hamburgischen Bauord-nung aus der Drucksache 19/4092 beschließenmöchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Ge-genprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmigangenommen.

Es bedarf auch hier einer zweiten Lesung. Stimmtder Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2579

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden)

Page 46: BÜRGERSCHAFT 19/41 DER FREIEN UND HANSESTADT …€¦ · – Drs 19/3846 – 2576, Beschluss, Kenntnisnahme ohne Be-sprechung 2577, Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken-nen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus demHause? – Den sehe ich nicht.

Wer das soeben in erster Lesung beschlosseneGesetz in zweiter Lesung beschließen will, den bit-te ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Ent-haltungen? – Das Gesetz ist damit auch in zweiterLesung und somit endgültig beschlossen worden.

Wir kommen zu Punkt 27 der Tagesordnung,Drucksache 19/4487, Bericht des Rechtsausschus-ses: Gesetz zum Staatsvertrag über die Einrich-tung eines nationalen Mechanismus aller Ländernach Artikel 3 des Fakultativprotokolls vom 18. De-zember 2002 zu dem Übereinkommen der Verein-ten Nationen gegen Folter und andere grausame,unmenschliche oder erniedrigende Behandlungoder Strafe.

[Bericht des Rechtsausschusses über dieDrucksache 19/3696:Gesetz zum Staatsvertrag über die Einrichtungeines nationalen Mechanismus aller Ländernach Artikel 3 des Fakultativprotokolls vom18. Dezember 2002 zu dem Übereinkommen derVereinten Nationen gegen Folter und anderegrausame, unmenschliche oder erniedrigendeBehandlung oder Strafe (Senatsantrag)– Drs 19/4487 –]

Wer der Ausschussempfehlung folgen und das Ge-setz zum Staatsvertrag über die Einrichtung einesnationalen Mechanismus aller Länder nach Arti-kel 3 des Fakultativprotokolls vom 18. Dezem-ber 2002 zu dem Übereinkommen der VereintenNationen gegen Folter und andere grausame, un-menschliche oder erniedrigende Behandlung oderStrafe aus Drucksache 19/3696 beschließenmöchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Beifall bei der SPD, der GAL und der LIN-KEN)

Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war einstim-mig.

Es bedarf auch hier einer zweiten Lesung. Stimmtder Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken-nen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus demHause? – Den sehe ich nicht.

Wer das soeben in erster Lesung beschlosseneGesetz in zweiter Lesung beschließen will, den bit-te ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Ent-haltungen? – Das ist damit auch in zweiter Lesungund somit endgültig beschlossen worden.

Punkt 31 der Tagesordnung, Drucksache 19/4515,Antrag der Fraktion DIE LINKE: Amnestie für Men-schen ohne Papiere.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE:Amnestie für Menschen ohne Papiere– Drs 19/4515 –]

Diese Drucksache möchte die Fraktion DIE LINKEan den Innenausschuss überweisen.

Wer dem Überweisungsbegehren zustimmt, denbitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe.– Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren istabgelehnt worden.

Mir ist mitgeteilt worden, dass aus den Reihen derGAL-Fraktion hierzu gemäß Paragraf 26 Absatz 6unserer Geschäftsordnung das Wort begehrt wird.

Frau Möller bekommt es für maximal fünf Minuten.

Antje Möller GAL:* Frau Präsidentin, meine Da-men und Herren! Da wir nun schon zwei Tage überillegalisierte Menschen und ihren Aufenthalt ge-sprochen haben, sollten wir auch ein paar Sätzeüber diesen Antrag verlieren, auch wenn wir ihmals GAL-Fraktion nicht zustimmen können. Dasletzte Element, das uns in dieser Debatte bishergefehlt hat, ist tatsächlich die Frage, ob es Mög-lichkeiten gibt, den Aufenthalt von Menschen ohnePapiere und damit im nicht legalen Aufenthalt zulegalisieren. Die LINKE hat sich dieses Themas imGrunde mit einer einzigen Forderung entledigenwollen, indem Sie vorschlagen, im Rahmen einerBundesratsinitiative solle die Legalisierung vonMenschen, die sich ohne gültige Papiere inDeutschland aufhalten, initiiert werden, damit diesenicht länger rechtlos gestellt seien. Wir habenschon darüber gesprochen, welche Rechte dieseMenschen haben. Wir konnten oder werden fürSchulpflicht und ein Recht auf Bildung sorgen undwerden auch noch für bessere Gesundheitsversor-gung sorgen.

Man muss aber deutlich sagen, dass Ihr Vorschlagschlicht und einfach nicht umzusetzen ist. Sie be-schreiben die Situation der Menschen, die ohnePapiere in Europa leben, überzeugend und zutref-fend. Sie sagen, in anderen Ländern der Europäi-schen Union würde auf die dargestellte Problemla-ge erfolgreich mit Amnestieregelungen reagiert.Das stimmt so einfach nicht. Die europäische De-batte zu diesem Thema wird seit Mitte der Neunzi-gerjahre geführt, wurde Anfang 2000 dann konkre-ter. Es gibt mehrere Länder, die Regelungen ge-funden haben, aber diese umfassen in keinem Falleine generelle Amnestie oder eine generelle Lega-lisierung.

Ich möchte kurz drei Beispiele anführen. Belgienhat ein sogenanntes Regularisierungsprogramm,um Menschen, deren Asylantragsverfahren über

2580 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden)

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mehr als drei Jahre läuft, eine Perspektive zu bie-ten und eine Legalisierung zu ermöglichen. Ange-wandt wurde dies einmal im Jahr 1974 und einmalim Jahr 1999, das waren die letzten aktuellen Pha-sen.

Mein zweites Beispiel ist Italien. Italien hat Quotenmit Drittländern vereinbart und legalisiert in diesemZusammenhang 3000 Arbeitnehmer pro Jahr. Vor-aussetzung ist, dass diese Menschen integriertsind, vor allem integriert in den Arbeitsmarkt. Ausunserer Sicht ist es für Hamburg, aber auch aufBundesebene das Wichtigste, eine Regelung zufinden, wie Arbeitsmigration in Zukunft gestaltetwerden kann. Über diesen Weg wollen wir gehen.

In Griechenland und Spanien sind die Gewerk-schaften in diesem Punkt sehr engagiert, andersals in Deutschland. Aber auch in Deutschlandnimmt sich ver.di seit zwei Jahren der Menschenohne Papiere an, ohne Berührungsängste etwader Art, dass diese Menschen Arbeitsplätze beset-zen könnten, die auch andere dringend bräuchten.

Wir sollten politisch vorangehen. Diese schlichteForderung ist richtig, bildet aber nicht die Gesamt-breite der Debatte ab und stellt auch nicht dasganze Problem dar. Wir Grüne wollen bundesweit,aber auch in Hamburg, nach unseren Möglichkei-ten über temporäre Arbeitsmigration reden und na-türlich auch an der Bleiberechtsregelung die not-wendigen Veränderungen vornehmen. Das wirdvielen Menschen – beispielsweise der Familie, dieHerr Yildiz vorhin erwähnt hat – ein Bleiberechtaufgrund der rechtlichen Regelungen ermöglichen.

(Beifall bei der GAL)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Herr Dr. Dressel für fünf Minuten.

Dr. Andreas Dressel SPD: Sehr geehrte Präsi-dentin, meine Damen und Herren! Wir sind heuteso früh fertig, dass wir es noch ertragen sollten,fünf Minuten über dieses Thema zu reden.

(Beifall bei Antje Möller GAL)

– Danke, Frau Möller, da sind wir uns einig.

Im Ergebnis sind wir uns nicht einig. Wir haben vonIhnen eine Rechtfertigungsrede gehört, warum derAntrag nicht an den Ausschuss überwiesen wer-den solle. In der Sache sind wir in Bezug auf dieLegalisierungsregelungen einer Meinung. Ich habeschon gestern gesagt, dass diese pauschaleAmnestie nicht funktioniert, weil sie unser Auslän-derrecht komplett aus den Angeln hebt. Diese Po-sition haben wir gestern vertreten und das ist auchheute unsere Position.

Der Antrag der LINKEN geht aber durchaus dar-über hinaus und spricht auch die Frage an, wie an-dere Grundrechte praktiziert, geschützt und ge-währleistet werden. Insofern hätten wir uns sehr

gewünscht, wenn für diesen Antrag – ebenso wiefür den Antrag zur Gesundheitsversorgung – eineÜberweisung an den Ausschuss möglich gewesenwäre. Es ist nicht ausreichend, wenn Sie 20 Minu-ten vor sieben ausführen, warum eine Umsetzungaus Sicht der Grünen so nicht möglich sei. Um Pround Kontra zu diskutieren und Sach- und Fachver-stand einzuholen ist die Arbeit in den Ausschüssenda.

Ich nehme Ihnen durchaus ab, dass dies ein Her-zensthema für Sie als Grüne ist. Sie tun aber we-der sich noch der Sache einen Gefallen, wenn dasmit Fünf-Minuten-Beiträgen unter Verschiedenesabgefrühstückt wird. Sie müssten da schon IhrenRücken ein wenig gerade machen und bei IhremKoalitionspartner dafür sorgen, dass diese Fragezumindest im Ausschuss landet, damit sie dort or-dentlich besprochen werden kann.

(Beifall bei der SPD und bei ChristianeSchneider DIE LINKE

Das gehört dazu. Wir können aber leider viele Bei-spiele nennen, wo das nicht passiert ist.

Ein anderes Beispiel ist der Optionszwang imStaatsbürgerschaftsrecht. Ich habe schon gesterndarauf hingewiesen, dass es aufgrund dieser Re-gelung in den nächsten Jahren zu Ausbürgerun-gen von in diesem Land geborenen und integrier-ten Bürgerinnen und Bürgern kommen wird.Schwarz-Grün nimmt gern für sich in Anspruch,dass Hamburg weltoffen und tolerant sei,

(Wolfgang Beuß CDU: Ist es auch, HerrDressel!)

dann muss aber auch so im Innenausschuss überdieses Thema gesprochen werden können undHamburg hier Flagge zeigen, aber Sie ziehen denSchwanz ein. So zeigt Hamburg hier nicht Flagge.– Danke.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Das Wortbekommt Herr Yildiz.

Mehmet Yildiz DIE LINKE: Frau Präsidentin, mei-ne Damen und Herren! Frau Möller, gerade IhreAusführungen machen deutlich, dass dieser An-trag eigentlich an den Innenausschuss überwiesengehört. Man kann das Problem auf Bundesebenelösen. Sie haben das Ausländergesetz angespro-chen. Wenn unser Ausländergesetz Menschen, diein dieser Gesellschaft leben, ausschließt, dannmuss man darüber diskutieren, ob das nicht geän-dert werden muss,

(Beifall bei der LINKEN)

auch im Hinblick auf die Optionspflicht. Es kannnicht sein, dass Sie diesen Antrag einfach ableh-nen, Ihre Augen verschließen und sagen, dieses

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(Antje Möller)

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geht nicht, jenes geht nicht. Man kann sehr wohlvieles machen, der Wille ist entscheidend. Gesetzewerden von der Politik gemacht und nicht von ir-gendwelchen Menschen aus dem All. Die Politikbestimmt über die Gesetze und wenn der Wille daist, kann man auch über das Ausländergesetz re-den, um Ausnahmeregelungen herbeizuführen.– Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt beider SPD)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden: Ich sehekeine weiteren Wortmeldungen mehr, dann könnenwir zur Abstimmung in der Sache kommen.

Wer sich dem Antrag der Fraktion DIE LINKE ausDrucksache 19/4515 anschließen möchte, den bit-te ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Ent-haltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Punkt 35 der Tagesordnung, Drucksache 19/4520,Antrag der SPD-Fraktion: Faire Löhne und sozialeStandards bei öffentlichen Aufträgen, Reform desHamburgischen Vergabegesetzes.

[Antrag der Fraktion der SPD:

Faire Löhne und soziale Standards bei öffentli-chen Aufträgen – Reform des HamburgischenVergabegesetzes– Drs 19/4520 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion anden Wirtschaftsausschuss überweisen.

Wer dem Überweisungsbegehren zustimmt, denbitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe.– Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren istabgelehnt worden.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Wer sichdem Antrag der SPD-Fraktion aus Drucksache19/4520 anschließen möchte, den bitte ich um dasHandzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen?– Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

Ich weiß, dass Sie das traurig macht, aber die Sit-zung ist zu Ende.

Ende: 18.45 Uhr

Hinweis: Die mit * gekennzeichneten Redebeiträge wurden in der von der Rednerin beziehungsweise vomRedner nicht korrigierten Fassung aufgenommen.

In dieser Sitzung waren nicht anwesend: die Abgeordneten Elke Badde, Wilfried Buss, Lydia Fischer, Ne-bahat Güclü, Wolfgang Joithe - von Krosigk, Michael Neumann, Stefan Schmitt und Karin Timmermann

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(Mehmet Yildiz)

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Anlage

2. N E U F A S S U N G

Sammelübersicht gemäß § 26 Absatz 5 GO

für die Sitzung der Bürgerschaft am 18. und 19. November 2009

A. Kenntnisnahmen

TOP Drs-Nr.

Gegenstand

11 4401 Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 19./20. November 2008„Neuprogrammierung von Lichtsignalanlagen“ – Drucksache 19/1472 –

14 4449 Bürgerschaftliches Ersuchen vom 24. März 2009„Geplante Umsetzung einer Justizvollzugsbeamtin“ Drs. 19/2459

21 4435 Bericht des Kultur-, Kreativwirtschafts- und Tourismusausschusses

22 4456 Bericht des Wirtschaftsausschusses

25 4481 Bericht des Umweltausschusses

26 4482 Bericht des Umweltausschusses

B. Einvernehmliche Ausschussüberweisungen

TOP Drs-Nr.

Gegenstand auf An-trag der

Überweisung an

5 4058 Situation der Bildenden Kunst in Hamburg SPD Kultur-, Kreativ-wirtschafts- undTourismusaus-schuss

10 4289 Nahversorgung in Hamburg – Stärkung der Bezirks- undStadtteilzentren

SPD Stadtentwick-lungsausschuss

C. Einvernehmliche Ausschussempfehlung

TOP Drs-Nr.

Ausschuss Gegenstand

20 4513 Haushaltsausschuss undWirtschaftsausschuss

Neustrukturierung der Frühphasenfinanzierung von technolo-gieorientierten Unternehmensgründungen in Hamburg durch– Einrichtung eines Beteiligungsfonds zur Förderung junger, in-novativer Unternehmen– Bereitstellung des erforderlichen Know-hows für das Fonds-management durch vollständige Überführung der MAZ levelone GmbH (MAZ) in städtisches Eigentum– Verwaltung des Fondsvermögens durch die MAZ Beteili-gungsfonds GmbH als zu gründendes 100%iges Tochterunter-nehmen der MAZ

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 19. Wahlperiode - 41. Sitzung am 19. November 2009 2583