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BOHNEN DER STADT BIELEFELD· INTENDANT HEINER BRUNS

Die AfrikanerinOper in 5 Akten von Eugene Scribe

Deutsch von Manfred Haedler(Bielefelder Fassung von A. Gruber und F. Harders-Wuthenow)

Musik von Giacomo Meyerbeer

Musikalische Leitung Rainer KochInszenierung John Dew

Btihnenbild Andrea AupersKosttime Jose Manuel Vazquez

Choreinstudierung Ewald HesseRegieassistenz Frank Sarnowski

Thomas M. Zipf

Pause nach dem 3. Akt

BUhnenrechte, Bote und Bock, Berlin

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Don Pedro,Prosident des portugiesischenStaatsrats . . . . . . . . . .

Don Diego, Admiral . . . . . . .

Ines, seine Tochter .

Anna, ihre Dienerin

Vasco da Gama. . .

Don Alvaro .....

Der GroBinquisitorvon Lissabon/der Oberpriester Brahmas .

Selica, indische Fiirstin,in Sklaverei geraten

Nelusco, ihr Gefolgsmann

Martin Eichwalder

Nikolaus Bergmann

Sharon Markovich

Evelina Quilichini

Zachos Terzakis

Ulrich Neuweiler

Ee1co von Jordis

Susan Maclean

Michael Vier

Chor und Extrachor der Biihnen der Stadt BielefeldPhilharmonisches Orchester der Stadt Bielefeld

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Technische Direktion "

Technische Einrichtung .

Beleuchtung

Inspektion

Ton ....

Souffleuse .

Masken und Frisuren .

Schneiderei

Requisite .

Vorstand des Malersaals .

BiihnenbiIdassistenz

Kostiimassistenz

Regiehospitanz . . .

Eberhard BotheFerdinand Brazda

Herbert Scholz

Heinz Thoms

Michael Eichler

Thomas Noack,Thomas Pottkamp

Susanne Planitz

Walter Foerder,Reinhild Speckmann

Stefanie Richter,Elfriede Ferch

Jens Korth

Friedheim Spork

Daniel Walton

Judith Steinfeld

Stefanie Bertram,Julia Bollhoff,

Axel Kresin

Wir bitten unsere Besucher urn Verstandnis,daB Zuspatkommende nur nach der Pause

eingelassen werden konnen.

Fotografieren und Tonaufnahmen sind nicht gestattet.

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Die deutsche Joumalistik hat Meyerbeer unausgesetzt mit gehassigem Eiferverfolgt; das Publikum aber ist ihm treu geblieben, tiberall, in allen Uindern.Er brauchte keine Meyerbeer-Vereine zu grtinden, kein eigenes Meyerbeer­Theater zu erbauen; das ganze Publikum war sein Verein und Europa seinBayreuth.

Eduard HanslickZur 100. Wiederkehr von Meyerbeers Geburtstag

Respektvoll hatte man der Leistung des verewigten Meisters applaudiert,ohne daB das II. Kaiserreich dieses Werk im ideologischen Sinne ftir sichreklamieren konnte. Auch die frtiheren Werke paBten schlecht in die neue,pragmatische Anschauung, wie sich auch spater keines der Werke in eineherrschende Ideologie einpassen lieJS. Das war einer der Hauptgrtinde ftir dasVerstummen der Stticke nach 1914. Bezeichnenderweise hat es niemals»Meyerbeer-Vereine« oder ahnliche ideologiebildende Institutionen gege­ben. Meyerbeers Werk ist daftir ungeeignet. Die »Afrikanerin« im besonderenwar ein Bekenntnis zur Menschlichkeit, vermittelt durch die Musik, und standauf ihre Art quer zum sich entfaltenden Imperialismus.

Reiner ZimmermannAnlafllich der 200. Wiederkehr von Meyerbeers Geburtstag

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1991/92, HEFT 2

Die Hanns-Bisegger-Stiftung unterstiitztedurch eine groBztigige Zuwendungdie Auffiihrung der Oper »Die Afrikanerin«von Giacomo Meyerbeer.

BUHNENERSTADTBIELEFELD

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Was geschieht:

1. Akt

Lissabon, 1497. Ines, Tochter desAdmirals Don Diego, wurde von ih­rem Vater angewiesen, sich vor derSitzung des Staatsrates in der Ad­miralitiit einzufmden, nod teilt ihr,die sich wehmtitig an iliren Jugend­freund Vasco da Gama erinnert,mit, sie werde dem Prasidenten desStaatsrates, Don Pedro, vermahlt.Don Pedro erscheint. Er bringtNachricht yom Scheitern der Expe­dition ans Kap der Guten Hoffnung.Auch der Seeoffizier Vasco sei urnsLeben gekommen. Argwohnischwird Pedro durch Ines' Reaktion,aber »ein toter Nebenbuhler isteuch kein Rivale«, beruhigt ihnDiego.

Der Hohe Rat tritt ein, an der Spitzeder Gro8inquisitor. Seit Kolumbusden Spaniern eine Neue Welt ent­deckte, gelte es, dem spanischenKonkurrenten gleichzuziehen, ar­gumentiert der Prasident gegen dieEinwande des Gro8inquisitors, derdie Suche nach fremden LandernfUr Ketzerei halt. Die Debattenimmt eine tiberraschende Wen­dung, als Don Alvar den einzigenUberlebenden der untergegange­nen Expedition ankiindigt. Es istder totgeglaubte Vasco. Stiirmischfordert dieser neue SchifIe fUr denSeeweg nach Indien, behauptet, ei­nen Wegdurch die gefahrlichenKlippen und Stromungen am Kapzu kennen, und fUhrt zum Beweis,daB es tiberdies Lander gebe, aufdie

noch kein Europaer seinen Fu6 ge­setzt habe, zwei Sklaven vor, die erauf seinem Rtickweg in Mrika ge­kauft hat. Es sind die InderftirstinSelica nod ihr Gefolgsmann Nelus­co. Stolz verweigern sie jede Aussa­ge tiber ihre Herkunft. Vasco pole­misiert offen gegen den Gro8inqui­sitor. Dieser 138t ibn mit den heidenSklaven in den Kerker der Inquisi­tion weRen.

2.Akt

Vasco sch]aft im Kerker. Selica be­klagt ihr hartes Los. Sie liebt denPortugiesen. Ftir ibn wiirde sie ihreHeimat und ihr Konigtum verleug­nen. Aber Vasco hat kein Auge ftirsie. Nelusco, der Selica liebt, wiDVasco tOten. Selica weckt ihnjedochrechtzeitig.

Vasco sinniert tiber einen Weg anden gefahrlichen Klippen vorbei,denen die Expedition unter Diazzum Opfer gefaUen war. Selica, diedie Gewasser kennt, gibt ihm einenHinweis. PlOtzlich wird ihm derWeg klar. Freudetrunken urnarmter Selica, in diesem Augenblick trittInes in Begleitung Don Pedros, AI­vars und ihrer Zofe in das Verlie8.Vasco ftihlt sich von seiner Gelieb­ten ertappt nod schenkt ihr dieSklavin, der er gerade noch versi­chert hat: »Wie du mir geholfenhast, will ich niemals vergessen«.Ines ist gekommen, urn von VascoAbschied zu nehmen. Sie hat in dieVernunftehe mit Don Pedro einge­willigt unter der Bedingung, da8Vasco freigelassen wird.

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Don Pedro hatschon in der Ratsver­sammlung erkannt, wie wertvoll diePlane Vascos fUr die Umschiffungdes Kaps sind, diese an sich ge­bracht und mit Genehmigung desKonigs alles fUr eine eigene Expe­dition gerustet. Die beiden Sklavenwill er als Lotsen mitnehmen. Vascosieht sich nicht nur urn Ines, son­dern auch urn den Ruhm betrogen.

3.Akt

Don Pedro wird an Bord seinesSchiffes von Don Alvar, der als Of­fizier zur Besatzung gehort, zurRede gestellt. Alvarmi6trautNelus­co, dem Lotsen. Zwei Schiffe sindschon verloren gegangen. Er machtPedro auf ein Schiff aufmerksam,das sie uberholt habe; dieses Schiffscheine die richtige Route zu ken­nen. Doch Pedro sChlagt seine War­nungen in den Wind.

Nelusco, der einen Orkan heranna­hen sieht, herrscht die Besatzungan, den Kurs zu wechseln. Er singtibnen die Ballade von Adamastor,dem Herrscher der Stiirme. Dasfremde Schiff kreuzt den Kurs, seinKapitan wird am Bug sichtbar: esist Vasco da Gama, der Pedros Flot­te auf Geheill des Konigs nl)chgeeiltist, urn diesen vor einem Hinterhaltzu warnen. Pedro will Vasco als Re­bellen niederschie6en, da brichtderSturm los. Pedros Schiff zerschellt.

4.Akt

Die in Lissabon zuruckgebliebeneInes bangt urn Vasco. Ungewill ist

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sein Schicksal. Kehrt er zu ihr zu­ruck, OOer wird er nur ihr Grabvorfinden? Sie betet zu Gott, ermoge Vasco beistehen.

Vasco, ebenfalls gestrandet, betrittdas neue, unbekannte Land. Er be­staunt die uppige Vegetation undnimmt dies Paradies, den »Gartenreich und schon«, fur Portugal inBesitz. Indische Krieger entdeckenibn aber und fordern seinen Opfer­too. Selica, die Herrscherin der In­sel, tritt dazwischen und rettet Vas­co durch die Behauptung, sie seiseine Gemahlin. Er habe sie aus derSklaverei befreit und ihre Ehregerettet,was Nelusco nur ihr zuliebebesllitigt. Nun soli die Hochzeitnachindischem Ritus wiederholt wer­den. Selica beruhigt Vasco, das Ge­setz binde nur sie, nicht ihn. Sie willihm bei giinstiger Gelegenheit zurFlucht aufsein Schiff verhelfen, dasunweit auf ihn wartet. Vasco er­kennt ihre Liebe und Opferbereit­schaft. Er selbst schwort Selica nunseine Liebe, will Ines vergessen, dahort er ihre Stimme wie von fern.Selica erkennt an seiner Reaktion,da6 sie ihn nicht an sich bindenkann und la6t ihn durch Neluscoauf sein Schiff bringen.

S.Akt

Unter den giftigen Bluten des Man­zanillobaumes, eines Wolfsmilchge­wachses mit apfelahnlichen Fruch­ten, erwartet Selica den Too, dieVereinigung mit Vasco selig trau­mend.

Archetyp des Konquistadors ~

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Kulturund Vernichtung

John Dew zur»Afrikanerin«

Giacomo Meyerbeer hat in seinengroBen Opern nicht nur bewegen­de Spektakel vera;staltet, er hat imKern, auf realen geschichtlichenVorgangen fuBend, zu gesell­schaftlichen Problemen Stellunggenommen: gegen religiose Into­leranz in den »Hugenotten«, ge­gen charismatische FUhrer-An­spruche und daraus folgende Kon­sequenzen im »Propheten«. In der»Afrikanerin« ist es der Kolonia­lismus, gegen den er sich wendel.Immerhin hat es seither 150 Jahregedauert, bis man anrangt, darubernachzudenken, ob die Neuen Wel­ten entdeckt oder vergewaltigtwurden.

Die Figuren der Oper besitzen in­nerhalb dieses Rahmens eine be­stimmte Bedeutung: Nelusco re­prasentiert die Haltung derjeni­gen, die versuchen, ihre eigeneKultur zu schUtzen, indem sie dieEuropaer am Vordringen hindern,auch wenn sie sie umbringen mUs­sen. Selica dagegen zeigt eine Hal­tung, die Zuwendung, Vertrauenund Offenheit bedeutet, was aber

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zur Zerstorung fUhrt. An die Stelleder Vielfalt und FUlle der Naturtritt jeweils die Monokultur derAusbeutung, seien es Kaffee-,Bananen-, oder Baumwollplanta­gen. Selica, die als Priester-Koni­gin die Seele ihres Landes verkor­pert, verkorpert durch ihr Opferauch dessen Vernichtung. Darintrifft Meyerbeer das Wesen desKolonialismus, das darin liegt, daBdie Kultur, die erobert wird, zureigenen Rechtfertigung vernichtetoder erniedrigt und zur Barbareierklart werden muB. Denn selbst­verstandlich war Afrika, ge­schweige denn Indien, ohne dieWeiBen nicht ohne Kultur, nichtohne Kunst und ohne Religion.

Da die »Afrikanerin« am Anfangunserer »Trilogie der Entdeckun­gen« in dieser Spielzeit steht (ihrfolgen »Fremde Erde« am 30.November 1991 und »Armer Col­umbus« am II. lanuar 1992), muBmit aller Deutlichkeit gesagt wer­den, daB diese Entdeckungennicht-eurozentrisch besser Inva­sionen hieBen. Heute zum Beispielbeklagen wir uns in allen europai­schen Landern darUber, daB Aus­lander zuhauf kommen, aber wie­so haben wir so lange geglaubt,daB wir allen anderen unsereKultur mit Gewalt aufzwingenkonnen? Wir ernten jetzt die»FrUchte des weiBen Mannes«.

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Anmerkungen zur»Bielefelder Fassung«der »Afrikanerin«

28 Jahre sollte es dauem, bis Meyer­beers »Afrikanerin«, 1837 zusammenmit dem Erfolgslibrenisten EugeneScribe konzipiert, im April 1865 ander Pariser graBen Oper zur Uraufftih­rung gelangte. Da Meyerbeer noch bisin die Endpraben zu experimentierenpflegte, yerschiedene Fassungen aus­prabieren lieB, ganze Szenen umstell­te und noch in letzter Minute tiber dasSchicksal wichtiger Arien entschied,hat das Werk trotz seiner wohl einma­Jig langen Entstehungszeit keine end­gtiltige, yom Komponisten autorisier­te Gestaltung erfahren konnen, dennMeyerbeer starb wahrend der Probenam 2. Mai 1864.

Schwachen in der Dramaturgie derHandlung, die immer wieder geltendgemacht wurden, erschweren eineschltissige Inszenierung der Afrikane­rin in der heutigen Zeit. Also haben wirzwei Eingriffe Yorgenommen, die ei­ner schltissigen Konzeption dienlichwaren. Dies betrifft die Arie der Inesaus dem 5. Akt (die im Notenmaterialdes deutschen Verlegers leider fehlt)und den Chor der Frauen aus demSchiff im 3. Akt.

Ines, die ihren Gatten, den Prasidentendes Staatsrates Don Pedro, ursprting­lich auf der gefahrlichen Fahrt nachIndien begleitet, wird im 3. Akt yonden Indem gefangengenommen undsoli zusammen mit den anderen Frau-

en unter den giftigen Bltiten des Man­zanillobaumes geopfert werden. AI­lein, sie ist die einzige, die entfliehenkann. Injener Arie zu Beginn des 5.Aktes besingt sie die Wunder derexotischen Landschaft und dankt GottfUr ihre Errenung.

In der Bielefelder Inszenierung neh­men Ines unddieanderen Frauen nichtan der Expedition tei!. Die Arie muBtealso an einer anderen Stelle in dieHandlung eingeflochten und dahertextJich umgearbeitet werden, undzwar am Beginn des 4. Aktes. Wie ineiner filmischen Einblende erscheintInes, die allein in Lissabon zurtickge­blieben ist, und erklart zunachst ineinem Rezitatiy, wie und warum esVasco, der ja eigentlich in Ungnadegefallen war, gelungen ist, yom Konigein Schiff zu erhalten, mit dem er derFlotte Don Pedras nacheilt. Sie bangturn Vasco, den sieja immer noch liebt,und bittet Gott, diesen sicher nachHause zurtickzugeleiten.

Wie lang, wie lange schon warte ich aufein Zeichen!

Mein Geliebter verioren vielleichtauf der See, ertrunken im Meer!

Der Konig gab ihm die Erlaubnis, und ereilte aufs Meer,

folgle dem Admiral, meinem Mann undGemahl.

Vor Verrat durch Nelusco wollie er ihnwamen.

0, meine Seele bangt, voll Sorge iSImein Herz!

Bleibe ich einsam und verlassen zuruck?Ohne Hoffnung bis zum Tod?

BIUtendUfte atme ich mild.Der Wind tragt sie zu mir heruberaus FrUhlingsganen fern am Meer.

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Jeh fUhl es in meinem Herzen,ja, ich fUhl es, mein Vasco lebt!Er hat sie gefunden, die wunderbaren

Lander!Ach' Aber wird er wiederkehren?Werd ich ihn sehn im Glanze seines

Ruhms?

o Gatt, den ich verehre' 0 Gatt, zu demich flehe,

erhtire mein Gebet! Sieh, ich bitte nichtfUr mich'

Jeh bitte allein fUr ihn, dem ichverbunden.

o fUhre ihn in die Heimat zurUck'Geleite ihn sicher und schenke ihm

GlUck!

Jeh wUnsche mir einzig, daB erwiederkehrt

und meiner gedenkt mit Tranen anmeinem Grab!

Eine Umgestaltung erfuhr auch derChor der Frauen im 3. Akt. An derurprUnglichen Stelle verblieben, istaus dem unbeschwerten Lied auf demUber die Wellen dahingleitendenSchiff ein Abschiedslied geworden:

Die Segel regen sich im Winde,zu neuen Ufern geht die Fahrt.Das GlUck geleite euch gelinde,die Heimat bleibt euch hier bewahrt.GUnstigcr.Wind,gUnstigc, (iIUck,bring euch zurUck!Was ihr beginnt,mtige euch glUcken!

EineTextrevision anderer Art taBt sichbei der Begegnung der beiden Schjffeim 3. Akt demonstrieren. Da Vascosich nicht mehr, wie ursprUnglich, zudem Schiff Don Pedros UbersetzenHiBt, sondern die beiden Kapitane von

... Archetyp des Missionars

Schiff ZU Schiff kommunizieren,muBte der Text Don Alvars, der dieseSituation ankUndigt, der neuen ange­paBt werden. So wurde aus:

Ein Schiff, das Portugais Farbengeflaggt' Ein leichtes Boot legt abund kommt ZlI uns gerudert; augenblick­lich geht es langsseits.

Ein Sc~iff, das Portugais Farbengeflaggt! Am Heck ein Offizier; mitder Hand gibt er Zeichen; er hat sichereine Nachricht.

Erwahnt sei noch eine Episode vor derberUhmten Balladedes Nelusco, eben­falls im 3. Akt. Zum Vergleich die dreiVersionen: die alte Gumbert-Fassung,die Obersetzung Manfred Haedlersund die Bielefelder Fassung:

Gumbert:Hisset die Segel' Aile an Bard! Seht wieder Wind sich dreht, wendet nach Nord!Am Horizont dart seh ich Zeichenschon, 's naht der Sturmwind Typhon.Wendet nach Nord. Sonst droht euchUntergang.

Haedler:Lauft zu den Segeln, Eile tut Not' Jetztwechselt der Wind, wendet nach ord.Seht dart am Horizont, so seht dieVorboten eines furchtbaren Sturms!Wendet nach ord' Sonst droht unsUntergang!

Bielefeld:Gebt acht! Gebt acht' Der Wind dreht!Los, an die Segel, hoch auf die Rah,denn der Wind dreht sich! Wendet nachLuv! Seht dart am Horizont: die Zeichenstehen auf Sturm! Das ist ein btiserTaifun! Wendet nach Luv' Sonst drohtuns Untergang!

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DerSeewegnach Indien

Nach der Umseglung desKaps der Guten Hoff­nung kiindigt sich Indienzorn ersten Mal an:

Wenige Tage nachdem die Flotte An­ker geworfen hatte, kamen zweiHliuptlinge aus dem Landesinnerenden FluB hinabgepaddelt, urn sich dieAnkommlinge anzusehen. Die Nach­richt von der Ankunft der Portugiesenhatte sich schnell durch den Urwaldverbreitet. Obwohl diese Hliuptlingehochmtitig waren und geringschlitzigauf die ihnen angebotenen Geschen­ke herabsahen, war ihre Ankunft ftirGama sehr wichtig. Er bemerkte, daBeiner von ihnen eine Kappe mit einemseidenbestickten Rand trug und derandere einen Kopfschmuck von grti­ner Seide besaB. AuBerdem machteeiner ihrer Begleiter den Portugiesendurch Zeichen begreiflich, daB er auseinem femen Lande komme und gro­Be Schiffe wie die der Portugiesenschon frtiher gesehen habe. Sowohldie Seide als auch die Bemerkungendes Begleiters der Hliuptlinge erfreu­ten Gama, weil er damit zum ersten­mal seit der Umseglung des Kaps derGuten Hoffnung eindeutige Anzei­chen daftir bekam, daB er sich endlichIndien genlihert hatte und daB Hlind­ler aus dem Osten die afrikanische

.... Die I. Flotte Vasco da Gamas

Ktiste an der Stelle, wo er sich befand,besuchten.

Schwarzes Gold ­Afrikas wichtigstesHandelsgut furMohammedanerundChristen:

Die Sklaverei hatte in Ostafrika seitlanger Zeit bestanden und wurde vonden Arabem sehr frtih nach ihrer An­kunft weiterentwickelt und systema­tisch ausgebaut. Sie bezogen ihreSklaven aus dem Landesinneren, unddie herzlosesten und ttickischstenSklavenhlindler waren die Halbbltiti­gen und die Eingeborenen selbst. Sieschreckten vor keiner Grausamkeitzurtick, wenn sie Sklaven fUr ihreKarawanen einfingen und diese dannin grausamen Marschen in die arabi­schen Ktistenstlidte ftihrten. Es ist un­moglich, die Zahl eingeborener Afri­kaner, die von den Niederlassungenaus verschleppt wurden, auch nur zuschlitzen. Die meisten von ihnen wur­den nach Arabien, der Ttirkei undnach Persien transportiert. Noch imJahre 1853 bestand ein Drittel derEinwohner des arabischen StaatesOman aus Sklaven, und wer dieStaaten des stidlichen Arabien be­sucht hat, kann bezeugen, daB vieleihrer Einwohner deutlich erkennbarNegerblut besitzen. Der mohamme­danische Konig von Gaur in Indien(1459-1474) besaB achttausend Ne-

Il

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gersklaven. Neben dem gewohnli­chen Sklavenhandel verbreitete sichdie barbarische Praxis, Sklaven zuEunuchen zu verschneiden und sie zuverkaufen. Jahrhundertelang wurdendie Hofe und Harems der mohamme­danischen Welt Nordafrikas, Agyp­tens und Asiens mit diesen hilflosen,grausam verstUmmelten Geschopfenversorgt, urn die Handler zu berei­chern. Obwohl eine groBe Zahl hUb­scher Sklaven infolge der primitivenOperationstechnik verlorenging, wardieser Handel der ertragreichste langsder OstkUste Afrikas und der ostli­chen MeereskUsten.

Calicot

Aufden Miirkten drangten sich eben­so wie in den engen StraBen yomTagesanbruch bis zur Damrnerung,wenn die Luft etwas kUhler wurde,groBe Menschenmengen, Hindus,Nairs, Araber, Perser, Syrer, TUrken,groBe, schlanke, tiefschwarze Soma­lineger in weiBer Kleidung, ihr Haarin dUnne, glanzende ZOpfe gefloch­ten, schlitzaugige Chinesen und Man­ner aus Annarn und Cochinchina,Malaien aus Malakka und Hinterindi­en, Hadjis aus Mekka in flieBendenBurnussen und grUnen Turbanen,Halbwilde aus dem Bergland, hoch­mUtige Brahrninen mit ihrer dreifa­chen Schnur, eingeborene Christenund luden von der KUste, Neger,Sklaven und freie Manner, und hierund da ein brUnetter Italiener - aile

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diese schoben sich durch die Bazareund StraBen von Calicut. Dutzendevon Sprachen und Hunderte von Dia­lekten waren aufjeder Seite zu horen- doch herrschten immer Friede undOrdnung in den StraBen der Stadt.

Die Tragekasten, Korbe und BUndelder Kaufleute waren zum Uberflie­Ben voll, denn Calicut wareine reicheStadt, und die Leute mit ihrem Geldfreigebig. Auf dem Obstmarkt gab esgroBe Berge Mombinpflaumen undrote Brindas, hUhnereigroBe gelbeBaumstachelbeeren, Kamaubabee­ren, grUn und groB wie HaselnUsse,Gurken, Sacke von Reis und NUssenund Korbe mit KUmmelsamen, diemit gemahlener BetelnuB gewUrztwaren, schmackhafte Palmherzen fUrkUhlende Salate, Zimt, ganz und ge­mahlen, und die dunkelroten Mango­frUchte, die sUBeste aller Obstarten.AufTafeln waren Limonen, Orangenund MangofrUchte zu Pyramiden ge­schichtet. Daneben lange BUschelvon Bananen jeder GroBe und Farbe,Scheiben von Palmzucker waren aufVerkaufstischen neben SchUsseln mitweiBem Rohrzuckerund langen BUn­deln Zuckersorgho aufgereiht. IngroBen KrUgen stand Arrak, der ausPalmsaft hergestellte Branntwein, fUrdiejenigen bereit, die Alkohol genie­Ben durften. BrotfrUchte und starkduftende malaiische Eugenia-Apfelwaren ebenfalls vorhanden und auchdie fingerahnlichen Tamarinden­frUchte, in Zucker oder in Salz kon­serviert. Ingwer konnte frisch, in Si­rup oder in trockenen Zucker einge-

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legt gekauft werden, ebenso Kokos­nusse, entweder jung oder vollerMilch oder reifere Nusse mit starke­rem Fleisch, das sich besser lOrnSchnitzeln und Schaben eignete.

Neben den Obststanden waren dieTische der Fischhandler. Auf ihrePlatten waren die Fange geschuttet,die jeden Tag nur wenige Meilen vorder Stadt erbeutet wurden. Auf dieFischhandler folgten die Drogen­handler.

Man konnte die olivenahnlichenFri.ichte des grazibsen Nimbubaumskaufen, deren Fettes Samenbl, dasMargosabl, lOr Hautpflege diente.Die Pflanze Hundstod wurde als Mit­tel gegen Diarrhoe gehandelt. Es gabAloe aus Socotra und in kleinen Pack­chen pulverisiertes Rhinozeroshom,ein Allheilmittel von groBem Ruf.Getrocknete und frische Galanga l

diente lOr Nervenberuhigung, wah­rend Kataplasmen aus NelkenpulverKopfschmerzen kurieren sollten. Fin­gerdicke Scheiben von chinesischemRhabarber waren das rechte Mittel fureinen verdorbenen Magen, Asa foeti­da ein gebrauchliches Hausmittel undseltsamerweise auch Gewurz. Femergab es groBe Berge Nusse der Areca­oder BetelnuBpalme, die mit Kalkvon gebrannten Austemschalen inBlatter gewickelt waren und uberallim sudlichen Asien gekaut wurde ­das rasche Yerschwinden dieser NuB­berge, die immer wieder erganzt wur­den, zeugte von der BeliebtheitdiesesGenuBmittels. Die Drogenhandler

hielten auch IndigobIatter, in der Son­ne getrocknet, lOrn Farben fei!. Nardegab es, die Baldrianwurzel, die ausNepal, am FuBedes femen Himalaya­gebirges, kam, und die duftende Put­chock-Weihrauchwurzel aus dem ge­schichtenreichen Tale von Kaschmir,Myrobalan (Jammosa), Myrrhen undGummi arabicum. Auf den Tischenstanden Kasten mit gelber CurcumalOrn Aromatisieren und Farben derCurry-Gewurzmischungen. Sandel­holz gab es ebenfalls, zwischen Stei­nen zerschlagen und mit 01 gemischt,lOrn Salben und Parfumieren ge­schmeidiger junger Kbrper, denn dieBewohner des dri.ickend heiBenCalicut schatzten Wohlgeruche aufihren Kbrpem und in ihrer Umge­bung. StraBenhandler boten Blumenarmeweise feil, Champac und Rosen,deren Blutenblatter in dicker Schichtauf die FuBbbden der Hauser gestreutwurden. Der Araber Abd-er-Razzakschreibt in dieser Zeit: »Diese Men­schen konnten ohne Rosen nicht le­ben und hielten sie fUr ebenso not­wendig wie NahrungsmitteI 2.«

Eineandere, wegen ihresanhaltendenund bezaubemden Duftes sehr belieb­te Blute war die Hursinghar' - »dieBlume der Traurigkeit«. Die altenLeute von Calicut wurden nichtmude, die Geschichte lo erzahlen,warum sie nur in der Nacht bluhte:Yor vielen, vielen Jahren lebte einFurst, dessen Tochter die schbnste imganzen Lande war. Ihre hinreiBendeSchbnheit zag Freier aus dem ganzenLande Ind an. Sie kehrte sich aber von

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ihren irdischen Anbetem ab undwandte ihre ganze Zuneigung demstolzen und femen Gott der Sonne zu.Er lieB sich endlich herab, ihr immerwiederholtes, femes Gebet zu erho­ren und warf seinen Schein auf ihrGesicht. Sie war so schon an Korperund Geist, daB er mit unwiderstehli­cher Kraft von ihr angezogen wurde.In jener Nacht stieg er zur Erde hinabund lag ihr bei und nahm ihr das, wasein Madchen nureinmal verschenkenkann und das sie in ihrer groBen LiebebegHickt verschenkte. Ais der Mor­gen dammerte, lieB er sie aber allein­er verschmahte sie, die sich so leichthatte erobem lassen, und kam nichtzurUck. In ihrer Verlassenheit undVerzweitlung nahm sie sich schamer­fUllt das Leben. In ihrer ganzen ein­zigartigen Schonheit, im Tode nunkalt wie ein Steinbild, wurde sie aufeinen Scheiterhaufen gelegt, und baldverzehrten sie die gierigen Flammen.

Nach kurzer Zeit war von dem Wun­der ihrer Schonheit nichts gebliebenals ein Haufchen weiBer Asche. Ausdieser entsprang, als die ausgetrock­nete Erde durstig den ersten zartenRegen aufsog, ein grazioser Baumvoll groBer weiBer und goldgelberBlUten, der immer, wenn 'sich dieRegenzeit naht, die Luft weithin mitseinem kostbaren Duft erfUIlt. Aberdie BHiten bffnen ihre wei Ben Herzennur in der Stunde der Abenddamme­rung, wenn der verhaBte Gott insMeer hinabgestiegen ist, und schlie­Ben rasch wieder ihre BIUtenblatter,wenn die Morgendammerung naht.

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Der Oberherr von Calicut

warder Samorin4, ein Hindu der Nai r­Gruppe. Wegen seines Ansehens, sei­nes Reichtums und seiner Macht warer der machtigste Herrscher an derMalabarkUste - und der Gegenstanddes Hasses und der Eifersucht alleranderen Herrscher. Indem sie ihreNair-Bruder protegierten, den Mo­hammedanem spezielle Privilegiengewahrten unddenSchiffsbau fbrder­ten, war es den Samorins von Calicutmit der Zeit gelungen, ihre Stadt zumgrbBten Ausfuhr- und Umschlags­zentrum der MalabarkUste zu ma­chen, und die Gewinne und Reichtii­mer, die ihnen zutlossen, waren rie­sig.

Die Thronfolge war an die weiblicheLinie gebunden, und »der erste Sohn,welcher der a1testen Schwester desKbnigs geboren wird, ist Erbe desThrones, und so erben aile Brudereiner nach dem anderen, und wenn eskeine Bruder gibt, die Neffen«. Wenndie Schwestem keine Sohne hatten,wahlte der Familienrat einen nahenVerwandten zum Samorin. Dieserseltsame Brauch hatte gewbhnlichzur Folge, daB der Herrscher ein alterMann war - ein Zustand, der sich inCalicut noch erhalten hat.

Der Palast wurde von Frauen reinge­halten, die einer hohen Kaste ange­hbrten. Die Reinigung hatte rituelleGrUnde. Sie bestand darin, daB nachdem Sprengen und Kehren jede derFrauen ein Messingbecken herein-

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brachte, das feuchten Kuhdung ent­hielt, den sie in dunner Schicht aufden Boden und uberall dort, wo derSamorin zu gehen ptlegte, ausbreite­teo Die Obertlache wurde dann ge­glattet und mit der Hand poliert, undsie hielt etwa eine Woche. Nachdemder Oberzug, der in Indien fUr dasGesundeste gehalten wird, das es gibt,getrocknet war, wurden die Bliiten­blatter von Champac und Rosen aus­gestreut, die den ganzen Palast mitihrem suBen Duft erfullten.

Neben den Brahminen, die das religi­ose Leben in Calicut beherrschten,bildeten die Nairs oder die Krieger­klasse die machtigste Gruppe. Viel istschon uber die Naris geschriebenworden, so daB es genugen wird, hiereinige ihrer ~igentiimlichkeiten undihrer vielfach noch bis heute fortbe­stehenden Gebrauche anzudeuten, ihrgesellschaftliches System war dasMatriarchat, wobei sich die rechtli­chen Beziehungen ausschlieBlichnach der mutterlichen Linie ausrich­teten. Die Familieneinheit hieB»Tha­rawad«.

Die EheschlieBung erfolgte, sobalddie Partner die Pubertat erreicht hat­ten. Der Knabe band ein »Tali« (Pu­bertatsschnur) urn den Hals des Mad­chens, gab ihr Geschenke und verlieBes dann. Die Vollziehung der Eheerfolgte viel spater. Die Jungfem­schaft galt bei den Nairs als lastig, undes war ubI ich, daB die Eltern des Mad­chens einen Fremden (einen Nicht­Nair aus dem anderen Teil Indiens)

bezahlten, urn ihre Tochter entjung­fern zu lassen, wenn sie zehn Jahre altgeworden war. Danach wurde eingroBes Fest veranstaltet, »und siehangten ihr einen Schmuck urn denHals, der ihr das ganze Leben Ach­tung verschaffte als ein Zeichen derFreiheit, welche ihr darnit gegebenwurde, zu tun, was ihr beliebt, dennohne diese Zeremonie kann sie kei­nem Mann beiliegen«. Die Frauenwaren es, die ihren Mann wahlten.Das Hochzeitsgeschenk des Manneswar gewohnlich sehr einfach - einStiick Tuch. Die Scheidung war ein­fach und wurde vollzogen, indem dieFrau das Tuch dem Manne zurUck­gab.

1m Jahre des Hells 1502kehrte Vasco da Gamamit dem Titel »Admiralder ostindischen Meere«und einer Flotte von21 Schitl'en wieder nachCalicot zoriick:

Als die Flotte auf der Reede erschie­nen war, hatte sich eine Anzahl Fi­scher in ihren Booten hinausbegeben,urn ihren Fang an die Besatzung zuverkaufen. Gama lieB achtunddreiBigdieser bedauernswerten und ganzlichunschuldigen Manner ergreifen.Trotz ihres Widerstandes und Ge­schreis wurden sie an Bord gezerrtund an den Rahen gehenkt. Zur glei­chen Zeit befahl Gama, die Stadt zubombardieren, die nur wenige oder

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gar keine GeschUtze besaB, urn sichzu wehren.

Bei Anbruch der Nacht befahl Gama,die Leichen der Gehenkten abzuneh­men. Ihre Kapfe, Hande und FUBewurden abgehackt und in ein Bootgeladen. Die versttimrnelten Leichenwarf man Uber Bard, so daB die Flutsie an den Strand trieb. Zu dem Bergvon Handen, FUBen und Kapfen wur­de eine Mitteilung in arabischerSchriftgelegt, welchedaraufhinwies,daB dies nur zur Wamung dienen undder Stadt einen Begriff davon gebensalle, was sie erwarte, wenn sie Wi­derstand leiste. Correa ftigt hinzu, indem Brief sei dem Samarin, demHerrscher Calicuts, vorgeschlagenworden, sich ein schanes Curryge­richt aus diesen Zutaten bereiten zulassen. Das Boot wurde dann losge­macht, damit die Flutes an den Strandtriebe.

Das Schreckensbild des folgendenAbends malte Lopes mit gespensti­schen Farben. Die EinwohnerCalicuts sammelten sich in graBenScharen am Strande und stamen demGrauenhaften entgegen, das die stei­gende Flut auf den Strand warf: ent­hauptete und verstUmrnelte RUmpferollten aufden Sand, und sie versuch­ten, im Licht rauchender Fackeln ander Kleidung oder anderen Merkma­len zu erkennen, ob es Angeharigewaren. Wurden welche entdeckt,dann trugen die Verwandten sie fort,und man harte die eintanigen Toten­klagen der Hindus die ganze Nachthindurch.

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Vasco da Gama nach einem historischenPortrlit

1Alpinia officinal is

'Es heiBt, in den groBen Rosengarten vonGhazipursei »das Gerausch des Aufspringensder zahllosen Knospen deutlich in der Stilleder Nacht zu horen«.

.1 Nyctanthes arbortrisitis ( achljasmin)

'Samorin: ein Malayalam-Wort nach demSanskrit-Ausdruck »samundra« (Herr desMeeres).

In Ausziigen zitiert aus: Henry H. Hart, Vascoda Gama und der Seeweg nach Indien, Bre­men 1965.

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»Fiir onsdiese bliihendenGeert 'a en ....«

Die Entdeekung An/erikas und die Entdek­kung eines Weges nach OSlindien um dasKap der Guten Hoffnung sind die beidenwiehligslen und grofJlen Begebenheilen,welche die Geschichle der Mensehheil auf­gezeichnel hat(Adam Smith, Der Reichtum der Nationen1776)

Diese Einschatzung entstammt nicht zufal­lig der Feder eines Okonomen. AdamSmith, Begriinderder klassischen National­okonomie und friiher Verfechter der freienMarktwirtschaft, erkannte die Bedeutungdieser Entdeckungen gerade in merkantilerHinsicht, denn jene beiden »Begebenhei­ten«, fUr die die Namen Christoph Kolum­bus und Vasco da Gama stehen, begriinde­ten den »Reichtum der Nationen« der west­lichen Welt, den Wohlstand der Kolonial­machte Spanien und Portugal, spater Eng­land, Frankreich, Holland. 170 Jahre spater- die expansionistischen Bestrebungen derGroBmachte im Wettlauf um begehrteRohstoffe waren in eine neue, aggressivePhase getreten - prazisierten andere Oko­nomen den namlichen Tatbestand: »DieEl1/deckung Amerikas. die UmschiffungAfrikas sehufen der aujkommendenBourgeoisie einneues Terrain. Deroslindi­sche Markl, die Kolonialisierung von Ame­rika. der Austauseh mil den Kolonien, dieVermehrung der Tausehmittel und derWaren iiberhaupl gaben dem Handel, derSchilfahrl. der Induslrie einennie gekann­ten Aufschwung und damil dem revolutio­ndren Elemenl in der zerfallendenfeudalenGesellschaft eine rasche Entwicklung.«(Karl Marx/Friedrich Engels, Manifest derkommunistischen Partei, 1848).AufderOpernbiihne hatte das reizvoll Exo­tische jedoch langst seinen Platz: Nicht erst

Handel vertonte die dramatisierten Episo­den aus Ariosts »Rasendem Roland«, worindie Begegnung europaischer Ritterwelt mitorientalisch-fremdlandischem Leben sozu­sagen geschichtlich beglaubigt erschien. InAriost hatte die Biihne, die das antike Dra­ma wiederbeleben wollte, gleichsam ihrenHomergefunden. Aberder griechischeMy­thos selbst konnte am Anfang der GattungOper die Denk-Struktur der Fiktion offen­baren: Monteverdi legte in seinem »Orfeo«schon den Weg ins ganz Andere, ins To­tenland offen, das den hochsten Reichtumdes Lebens birgt: Eurydike, ihn gewahrtund zuriickzieht. 1m fremden, geheimnis­vollen Land jenseits des Wassers liegenalso die Schatze, die nicht nur aus Gold undGewiirzen bestehen, sondern hoheres um­fassen: Unschuld, Liebe, Treue, Tugend.A.-E.-M. Gretrys »Hurone« zeigt das schla­gend, indem er den Parisern satirisch dasGegenbild vorfiihrt. Heroisch tun es Fried­rich II. von Preul3en und sein KomponistGraun in ihrer Oper »Montezuma«. Mythi­sches Begreifen und real-faktisches Erle­ben gehoren dialektisch in eins. In der ro­mantischen Oper nimmt die Wirklichkeitdes anderen als »couleur locale«, fuBendauf der spielerischen »Entfiihrung«Mozarts mit ihrer Janitscharen-Musik,mehr und mehr Platz ein.

Spohr thematisierte in seinerOper »Jesson­da« die Begegnung der portugiesischenKolonisatoren mit den Indern. Doch wah­rend bei ihm die Vertreter der westlichenWelt noch als Befreier auftreten, die dieAngehorige einer adligen Kaste - Jessonda- in letzter Minute vor der Witwenverbren­nung bewahren (Triumph der christlicheniiber die barbarische Kultur), wird die mo­ralische Bewertung der aufeinandertreffen­den Kulturen in spateren Werken die­ses Genres zunehmend problematisiert.Meyerbeers "Afrikanerin« macht hierwahrscheinlich den Anfang, vor Delibes,>Lakme« und lange vor Puccinis »MadameButterfly« oder gar Schonbergs »MissSaigon«. Die Lust am Exotischen wurde

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gelriibt durch das Wissen, wie es bei derEroberung neuer Markte und der Ausbeu­tung der mit wertvollen Rohstoffen gese­gneten »paradiesischen Garten« tatsachlichzuging. Die Erkenntnis Charles Darwinskonnte auf Dauer auch denen nicht mehrverborgen bleiben, die es nicht mit eigenenAugen gesehen hatten: »Wo nur immer derEuropiier seinen Fuji hingesetzt hat.scheint der Tod den Eingeborenen zu ver­folgen. Wir konnen auf die grojie Fliichevon Amerika, nach Polynesien, dem Vorge­birge der Guten Hoffnung (sic!) und Au­stralien hinblicken, wir jinden das selbeResultat.« (Reisen eines Naturforschers urn'die Welt, 1839).

sem Zeitpunkt befand. Bei dem Versuch,das Kap der Guten Hoffnung zu umschif­fen, verior die portugiesische Flolle wegenUnkenntnis der gefahrlichen Stromungenund Untiefen zahlreiche Schiffe. Orkanarti­ge Unweller, wie sie in der »AdamaSlor«­Ballade des Nelusco beschrieben werden,taten ihr iibriges.

Bartolomeo Diaz hatte zu Beginn des Jahres1488 das Kap der Guten Hoffnung umse­gelt, konnte aber wegen einer ganzlich ge­schwachten Mannschaft die Reise nichtfortsetzen. Diaz iiberwachte selbst den Bauder Flotte, die Konig Joao II. von Portugalin Auftrag gab, damit endlich die letzteHiirde, die Oberquerung des IndischenOzeans, genommen werden konnte.

Alte und neue Konzeption durchdringensich, aber die Beziehungen der Protagoni­sten zueinanderstehen fest. An Scribe lag esnun, den alten Handlungsstrang mit derschwarzen Sklavin Gunima - aus der spaterdie Inderfiirstin Selica werden sollte - mitdem neuen der Indienfahrt zu verkniipfen.MeyerbeersiScribes Zeichnung der Figurdes Vasco ist dem historischen ni\:ht unahn­lich. Meyerbeer hatte die ihm zuganglichenQuellen studiert, - dazu gehorte auch dasportugiesische Nationalepos »Die Lusia­den« von Luis de Cam5es (1571), in der dieTaten des Vasco nach antiker Manier gefei­ert werden.

Was die Ideologen der Heldenverehrungimmer wieder verdrangten, war der realpo­litische Hintergrund der Entdeckungsfahr­ten. In der »Afrikanerin« wird dies prazi­siert. Natiirlich, Vasco nimmt die Strapazender Fahrt auf sich, urn als Held in die Ge­schichte einzugehen und den »Ruhm desVaterlandes« zu mehren (GroBinquisitor:»Und was ist euer Lohn?« - Vasco: »DieUnsterblichkeit!«), aber er formuliert auchden politischen Hintergrund des Untemeh­mens: »Wir beherrschen dann allein denHandel und die Meere. und ihr beherrschtdas Lond. nur euch gehort die Macht. nureuch das viele Gold!« (I. Akt, 2. Szene)Gold' Das wares, wonach die katholischenKonige Ferdinand und Isabella den Genue­ser Christoph Kolumbus ausschickten, urnihre bankrotte Staatskasse zu sanieren. Zielder portugiesischen Untemehmungen wares. das arabische Handelsmonopol fiir Ge­wiirze, Edelholzer, Schellack usw. in Afri­ka, im Nahen und Femen Osten zu zersto­reno Da die Araber die GewiirzstraBe vonCalicut, dem Hauptumschlagsplatz fUrPfeffer und Zimt aus Ceylon und Gewiirz-

DerSchiffbruch des Bartolomeo Diaz, The- nelken aus Malakka, bis nach Alexandrien,rna der Ratsszene des ersten Aktes, ist zwar wo venezianische und genuesische Kauf-fiktiv, erfaBt aber sehr gut die Situation, in leutedie Waren fiirden europaischen Marktder sich die portugiesische Seefahrt zu die- iibemahmen, kontrollierten, wurden die

Der Regenwald heute: StraBenbau - Rodung - Monokultur ~

Meyerbeers »Afrikanerin« ist eine gro13eromantische Oper, die auf Fiktion und Ge­schichte gleichermaBen fuBt. Die Entdek­kung des Seeweges nach Indien durch Vas­ca da Gama fehlt noch in Eugene Scribeserster Konzeption des Werkes von 1837, inderdie Handlung in Schwarzafrika angesie­delt ist - daher allerdings der auch spaterbeibehaltenen Titel der Oper. Die neueKonzeption geht aufeine Anregung Meyer­beers zurUck, die er in einem Briefan Scribeyom 27. Oktober 185 I formulierte.

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begehrten LuxusgUter fUr die europaischenAbnehmer durch betrachtliche Zolle zu­nehmend unerschwinglich. Weniger dieInder waren es, die zunachst unter der por­tugiesischen Expansion zu leiden hatten,als die Mauren, denen offen der Krieg er­kim wurde. Was ein Pizzaro und Cortez fUrdie indianischen Kulturen in Lateinameri­ka, das bedeuteten Vasco da Gama und nachihm der blutrUnstige Alfonso de Albuquer­que fUr die islamische Zivilisation an derOstkUste Afrikas, in Goa. Malakka, Ceylon,am Persischen Golf und Arabischen Meer.»Seine ZlVeite Reise hinterliejJ eine breiteSpur von nttlzlos vergossenem Bittl. fastunvorstellbarer Grausamkeit, die nul'durch die Schreckensherrschaft eines Albu­querque iibertroffen werden sollte. SeineSam ging auf in Kriegs- und Rachefeld:ii­gen, denen sich seine Nachfolger ausge­setzt sahen. Seine Beispiele willkiirlichen,kaltbliitigen Mordens mac/lIen Schule undwaren ebenso Ursache schneller Eljolgewie des Verlustes del' wertvollsten Besit­zungen, die Portugal je halle. Nach weni­gen Jahrzel1l1ten spielten die Portugiesen inIndien iiberhaupt keine Rolle mehr. AndereNationen traten ihre Nachfolge an.« (Ger­not Giertz, Vasco da Gama, 1980)

Vasco da Gama in den Mund gelegt, bringtMeyerbeer in seiner berUhmten Arie »Paysmerveilleux« (Wunderbares Land) den im­perialistischen Grundgedanken auf denPunkt: »Fiir uns diese bliihenden Garten,fiir UIlS dieses Paradies.«Ais Meyerbeers »Afrikanerin« zur Urauf­fUhrung gelangte, war die franzosischeOkkupation Indochinas in vollem Gange.»Im Jahre 1861 errichteten fran:osischeMarinetruppen durch die Erobel1l/1g desostlichen Mekongdeltas den ersten Koloni­alstiitzpunkt Frankreichs in Indochina. Del'sich daraujl1in verstiindlichenveise ver­stiirkende Widerstand del' Vietnamesen ge­gen die Okkupanten wurde demagogisch ineine >Velfolgung' katholischer Christenumgefiilscht und als Vorwandfiir grauswneStrq!expeditionen . mifJbraucht. Unter

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solch massivem Druck . .. kam 1862 del'>Vertrag von Saigon, zustande, derdreisiidviemamesische Provinzen um Sai-gon :u einer franzosischen Kolonie er-kliirte Ais del' viemamesische Unter-handler Phan Tanh Giang ilber den genau­enlnlwlt dieses Vertrages und iiber dessenIlIIerpretation durch Napoleon III., den erin Paris besucht halle, Bericht erstallete,resiimierte del' vielllamesische Kaiser:>Der weifJe Mann ist gleich dem Krokodil:Reichst du ihm einen Finger, so beifJt erdirdie Hand ab.'« (GUnther Fuchs, Hans Hen­seke, Das franzosische Kolonialreich, Ber­lin, 1988)

Meyerbeer beabsichtigte in seiner »Afrika­nerin« eine Kritik an der imperialistischenExpansionspolitik des Zweiten Kaiser­reichs unter Napoleon III. »In einer Zeit, dadie europaischen GrojJmachte mit del' Ko­lonialisierung ganzer Kontinente began­nen, schriebel1 Scribe und Meyerbeer eineOpel' iiber den Opfermttl eines Menschen,del' einer ulllerdriickten, als moralischminderwertig angesehenen Rasse ange­hort. In del' Figur del' Selica sind nocheinmal aile Probleme vereint, die Meyer­beer in del' weiblichen Hauptperson :u be­waltigen halle: eine il1/egre Frauenjigur zuschajJen, die gleichwohl in einer AujJensei­terrolle zur Gesellschaft steht ... Die >Afri­kanerin' im besonderen warein Bekenn/l1is:urMenschlichkeit, vermillelt durch Musik,und stand aufihre Art que I' zum sich entfal­tenden Imperialismus.« (Reiner Zimmer­mann, Giacomo Meyerbeer, 1991)

Selicas Tad unter dem Manzanillobaum,eine Szene von hoher theatralischer Wirk­samkeit, die Nachahmer genug fand, hatauch eine symbolische Bedeutung: »Woimmer del' Europaer seinen FujJ hingesetzthat, scheint del' Tod den Eingeborenen zufolgen«. Selicas Tod ist Opfertod, gleich­nishaft fUr den Untergang der anderen Kul­turen in der Konfrontalion mil der euro­paischen.

Gruber/Harders-WUlhenow

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Zeittafel 1826 Meyerbeer heiratet seine Cou-sine Minna Mosson.

1791 Jakob Meyer Beer (Zusam- 1827 Beginn der Zusammenarbeit

menziehung des Namens zu mit Eugene Scribe (»Robert Ie

Meyerbeer 1810, Italienisie- Diable«, »Hugenotten«,

rung des Vomamens zu Gia- »Prophet«, »Etoile du nord«,

como nach seinem Italienau f- »Afrikanerin«).

enthalt 1816-1824) wird am 1831 Uraufftihrung des »Robert Ie

5. September 1791 in Vogel- Diable« in Paris.

dorf bei Berlin geboren. 1832 Ernennung zum Hofkapell-

1798 Erster Klavierunterricht. Drei meister durch Friedrich

Jahre spater Debtit als Pianist Wilhelm III. von Preul3en.

mit Mozarts d-Moll KJavier- 1836 Uraufftihrung der »Hugenot-

Konzert KV 466. ten« in Paris.

1803 Eintritt in die Berliner Sing- 1837 Beginn der Komposition an

akademie. Kompositionsun- der »Afrikanerin«.

terricht bei C. F. Zeiter. 1838 Beginn der Komposition am

1807 Beginn des Kompositionsun- »Propheten«.

terrichts bei B. A. Weber. 1842 Berufung zum Preu13ischen

1810-1812 Kompositionsunterricht Generalmusikdirektor.

bei Abbe Vogler zusammen 1844 Uraufftihrung von »Ein Feld-

mit Carl Maria von Weber. lager in Schlesien« anla13lich

1813 Ernennung zum Hofkomposi- des IOOjahrigen Bestehens des

teur des Gro13herzogs von Koniglichen Opemhauses in

Hessen-Darrnstadt. Berlin.

1813-1815 Aufenthalte und Aufftih- 1849 Uraufftihrung des »Prophe-

rungen seiner Werke in Wien, ten« in Paris.

Paris, London. 1854 Uraufftihrung des »Etoile du

1816 Von Paris aus nach Italien, wo Nord« (»Nordstem«) in Paris.

er sich bis 1824 aufhalt und 1859 Uraufftihrung von »Dinorah«

zahlreiche Opern zur Aufftih- in Paris.

rung bringt; nach wechseln- 1861 Tod Eugene Scribes.dem Wohnsitz am haufigsten 1863 Meyerbeer komponiert die

in Venedig. »Ouverttire im Marschstil«

1824 Die Uraufftihrung des »Crociato fUr die Weltausstellung inin Egitto« bringt einen London.durchschlagenden Erfolg. 1863 Beginn der Vorbereitungen

1825 Meyerbeer siedelt auf Ver- zur Uraufftihrung dermittlung Rossinis, der 1824 »Afrikanerin«.Leiter der italienischen Oper 1864 Meyerbeer stirbt am 2. Mai inin Paris wurde, nach Paris Paris. Beisetzung am 9. Mai intiber. Aufftihrungen des Berlin.»Crociato« in Paris und Lon- 1865 Uraufftihrung der »Afrikane-don. rin« am 28. April in Paris.

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An dieser Stelle sei auf die Meyer­beer-Biographie des DresdenerMusikwissenschaftlers Reiner Zim­mermann hingewiesen, die in die­sem Jahr im Henschel Verlag Berlinerschienen ist.

Anhand einer Fiille von zeitgenossi­schen Dokumenten geiingt Zim­mermann ein lebendiges Portraitvon Leben und Werk Meyerbeersvor dem Hintergrund der politi­schen und kulturgeschichtlichenEntwicklungen Europas im 19. Jh.Der Entstehung, stilistischen Ein­ordnung und Rezeptionsgeschichteder wichtigsten Werke sind aus­fiihrliche Einzeldarstellungen ge­widmet. Auch findet sich bei Zim­mermann zum ersten mal eine zu­sammenfassende Darstellung undAnalyse der Meyerbeer-Kritik, diedurch Fehleinschatzungen und

Vorurteile vor allem von deutscherSeite (Wagner, Schumann, Heineetc.) bis heute fiir ein verzerrtesMeyerbeer-Bild gesorgt haben.

Eine Neuorientierung am WerkMeyerbeers, wie sie die aktuellenInszenierungen seiner groBenOpern leisten, erfahrt durch Zim­mermanns Biographie ihre literari­sche Erganzung. Das sorgfaltigzusammengestellte Literaturver­zeichnis - wertvolle Hilfe fiir einentieferes Eindringen in einzelne The­mengebiete - runden das Bild aboNach wie vor zu empfehlen sind dierororo Bildmonographie des ver­dienten Meyerbeer-Forschers HeinzBecker sowie die sehr lebendig ge­schriebene Biographie von BerndtW. Wessling»Meyerbeer, WagnersBeute - Heines Geisel«, erschienenim Droste Verlag Dusseldorf.

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Nachweise:Texte: S. 1-2; 4; 7-9; 17-20; 22-24 sind Originalbeitrage.

Abbildungen: S. 3, 8 Abbildungen von Teilen des Chorgestiihls im Hieronymus-Kloster,Lissabon, der Grablege Manuels I. und Vasco da Gamas. S. 10: Die Abbildung zeigt dieFlotte Vasco da Gamas von 1497. Aus: Gemot Giertz, Vasco da Gama, TUbingen undBasel, 1986. S. 16: Reproduktion eines Portrats Vasco da Gamas aus dem Marinemuseumin Lissabon. S. 19 und Umschlag: Aus: Josef H. Reichholt, Der unersetzbare Dschungel,Leben, Gefahrdung und Rettung des Regenwaldes, MUnchen, Wien, ZUrich, 1990. DieAbbildung auf S. 23 zeigt eine photographie Meyerbeers von Nadar, nach 1850.

Herausgeber: Intendant Heiner Bruns. BOhnen der Stadt BielefeldRedaktion undGestaltung: Alexander Gruber. Frank J. Harders-WuthenowVerlag, Anzeigen undGes'amtherstellung: Kramer-Druck, Bielefeld

Dieses Heft ist erschienen Zll »Die Afrikanerin«, Oper in 5 Akten von Eugene Scribe, Deutsch von ManfredHaedler (Bielefelder Fassung von A. Gruberund F. Harders-Wllthenow), Musik von Giacomo Meyerbeeram14. September 1991 im Stadttheater.