Boleros großes Erbe - zuechterforum.com · 6/2016 ZÜCHTER FORUM 59 Hengstportrait rigen Deutschen...
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58 ZÜCHTER FORUM 6/2016
Hengstportrait
Der elfjährige bunte Dunkelfuchs
Benicio (v. Belissimo M-Velten
Third-Wanderkönig; Z.: Wilhelm
Stadtlander, Lilienthal) von der Station
Beckmann im westfälischen Wettringen
lässt es rauschen im hippologischen Blät-
terwald. Sportlich und züchterisch setzt er
große Akzente. Und das, obwohl er eine
Art „Späteinsteiger“ ist, denn der bisherige
Werdegang war nicht ganz geradlinig:
Benicio war 2007 zur hannoverschen Kö-
rung zugelassen und wurde dort über den
Hengstmarkt als „gekört“ an das Gestüt Cal-
laho nach Südafrika verkauft. Er blieb dann
noch bis Jahresende in Lilienthal, ehe er die
Reise auf den fernen Kontinent antrat. Wil-
helm Stadtlander hatte sich etwas Tiefge-
friersperma für den Eigenbedarf behalten,
und so entstand 2008 der bisher einzige
sportlich aktive Benicio-Nachkomme Bo-
naparte 117 (M. v. Sunlight xx-Von Velten-
Trapper). In Südafrika hat Benicio in den
Folgejahren einige Nachkommen gezeugt.
Nach Deutschland zurückgekehrt, gelangte
Benicio unter den Sattel von Anna-Sophie
Fiebelkorn, die ihn 2011 in Elmlohe auf An-
hieb zum Bundeschampionat qualifizieren
konnte und wenig später souverän zum Ti-
tel des Bundeschampions bei den sechsjäh-
Callahos Benicio unter der Schwedin Jessica Lynn Andersson
Boleros großes ErbeBenicio überzeugt in Zucht und Sport
Bellisimo M
Valencia
BoleroGaenselieselRomadour IILadyBenicio
Velten Third
Wanja
Beltain
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Velten SohnWunderwaldWanderkönigWahona
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Hengstportrait
rigen Deutschen Dressurpferden ritt. Nach
dem Sieg im Warendorfer Championats-
viereck war eine starke züchterische Be-
gehrlichkeit entstanden. Der Dunkelfuchs
hatte zu dem Zeitpunkt noch keine Hengst-
leistungsprüfung, die dann im November
2011 per 30-Tage-Test in Schlieckau nach-
geholt wurde. Die dressurbetonte Endnote
von 9,88, die springbetonte Endnote 8,43
und gewichtete Gesamtnote von 9,14 be-
dürfen keiner weiteren Interpretation und
spiegeln die guten Gene des Hengstes
überdeutlich wider.
Vier auffallende Söhne
2012 ging Benicio als bereits Siebenjähriger
erstmals offiziell in den Deckeinsatz, und
zwar im Gestüt Famos unweit von Bremen,
und lieferte 2013 einen aussagekräftigen
und farbenfrohen ersten Fohlenjahrgang
ab. Im Mai 2016 kamen die ersten in
Deutschland gezeugten Dreijährigen zu Er-
folgen in Reitpferdeprüfungen.
Die Nachkommen gefielen durch ihre oft
farbenfrohe Aufmachung, den großen Rah-
men und viel Bewegung. Vier Söhne aus
dem Jahrgang 2013 erhielten 2015 ein posi-
tives Körurteil: So stellte er den Oldenbur-
ger Siegerhengst Bonds (M. v. Sir Donner-
hall I-Rubinstein I-Democraat-Frühlings-
rausch-Bariton; Z.: Dr. Katharina Paschertz,
Cloppenburg), der sich an allen Körtagen
zu steigern vermochte. Der fein linierte und
überaus antrittsstarke Dunkelfuchs ging für
den Auktionsspitzenpreis in belgischen Be-
sitz über und wurde zunächst auf dem Ge-
stüt Famos stationiert, wechselte jedoch im
April nach Dänemark über auf die Station
von Andreas Helgstrand.
Der sehr maskulin und energisch auftre-
tende Dunkelfuchs Ben Benicio (M. v.
Hochadel-Fidermark-Brentano II-Matcho
AA-Bariton-Ehrensold; Z.: Karl Rohleder,
Dortmund) war Prämienhengst der Westfa-
lenkörung, wo er gemeinschaftlich von den
Landgestüten aus Brandenburg, Sachsen
und Sachsen-Anhalt erworben wurde. 2016
war er der beste Hengst im 14-Tage-Test in
Adelheidsdorf und bezog anschließend
seine erste Station in Krumke (Altmark).
Auf dem Körplatz Verden wurde der dritte
(namenlose) Benicio- Sohn (M. v. Stedin-
ger-Wolkenstein II-Lauries Crusador xx-
Perfekt I; Z.: Fun Dressage GbR, Bad Hom-
burg) gekört. Nummer vier kam auf der
dänischen Körung in Herning im März 2016
zum Kör-Plazet: der geschmackvoll aufge-
machte und sich sehr gut bewegende Ba-
ron (M. v. Sir Donnerhall I-Friedensfürst/T.-
Grund stein I-Black Sky xx; Z.: Albrecht
Middelkampf, Badbergen-Grönloh).
2013 war Benicio dann wiederum nicht im
Deckeinsatz, lediglich per TG-Sperma nutz-
bar, und war auch nicht auf Turnieren zu
sehen. 2014 startete er dann unter Jessica
Lynn Andersson, damals Bereiterin im Ge-
stüt Famos, siegreich in M-Dressur und
holte erste Platzierungen in Prix St. Geor-
ges. 2015 zogen Benicio und seine Reiterin
gemeinsam um auf die Station Beckmann
in Wettringen. Benicio startete im Deckge-
schäft ebenso durch wie im Sport: Inzwi-
schen war er achtmal siegreich in Prix St.
Oldenburger Siegerhengst von 2015:Bonds aus einer Mutter von Sir Donnerhall I
Erst Prämienhengst der Westfalenkörung, jetzt auch Prüfungssieger: Ben Benicio
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Georges und Intermédiaire I sowie hoch
platziert in Intermédiaire II. Anfang 2016
war er mehrfach siegreich in Intermédiaire
II und hat S-Dressur sowie den Kurz-
Grand-Prix in Unna- Massen gewonnen.
Berühmte Eltern
Der Vater Belissimo M reihte in seiner Kar-
riere Höhepunkt an Höhepunkt. Er war
Spitzenauktionspferd in Münster-Handorf,
Bundeschampion des Deutschen Reitpfer-
des sowie WM-Fünfter und Vize-Bundes-
champion der Dressurpferde. Später war er
unter Hayley Beresford für Australien inter-
national im Grand Prix-Viereck erfolgreich.
Inzwischen ist er selbst Vater mehrerer
Bundeschampions, rund 60 gekörter Söhne
und über 30 S-erfolgreichen Dressurpfer-
den. Mit Belissimos Schaffenskraft erhielt
die für die Dressurpferdezucht so unge-
mein bedeutsame Bolero-Linie wichtige
neue Impulse. Zunächst lange Jahre auf der
Station Sportpferde Schmidt (Lippetal-Lipp-
borg) eingesetzt, steht er heute im Gestüt
Westfalenhof (Steinhagen) auf Station.
Die Mutter Valencia war Schausiegerin und
Teilnehmerin der Bundesstutenschau in
Neustadt/Dosse. Sie lieferte neben Benicio
noch den zwei Jahre jüngeren Vollbruder
Bombastic, der 2007 das Deutsche Fohlen-
championat in Lienen gewann und noch
vor Ort verkauft wurde. Benicio hat darü-
ber hinaus einen gekörten Halbbruder, den
2008 geborenen Sunciro (v. Sunlight xx),
mehrfach siegreich in Reitpferdeprüfungen.
Als Muttervater firmiert der Fuchs Velten
Third. Er war 1992 und 1993 jeweils Reit-
pferdechampion beim Landesturnier in
Hannover und 1993 platzierter Bundes-
championats-Finalist in Mannheim. Er war
seinerzeit stationiert in der Wingst und hat
sich gut vererbt. Auch wurde Velten Third
Muttervater des Celler Landbeschälers
Rascalino und des gleichfalls gekörten Ro-
yal Belvedere. Seine hengstige Art stand im
Widerspruch zu den dressurmäßigen Ambi-
tionen, die man mit ihm hatte. Schließlich
wurde er kastriert, um ihn besser fördern
zu können, doch das Gegenteil war der
Fall: Er war auf einmal zu nervlos für den
Sport. Valencias Mutter und somit Benicios
Großmutter Wanja (v. Wanderkönig-Wre-
de-Weiler-Lugano I) hatte Wilhelm Stadt-
lander als junges Pferd von Friedrich Pein
aus der Nachbarschaft gekauft.
Vielseitiger Wanderkönig
Wanjas Vater Wanderkönig war einer von
seinerzeit zahlreichen Wanderer-Söhnen
im Landgestüt Celle, und mit Sicherheit
nicht der schlechteste, doch die recht infla-
tionäre Bestückung der Landgestütsstatio-
nen mit diesem Blut ließ die Begehrlichkeit
sinken. Wanderkönig ist in seinem Leben
viel herumgekommen, was eine gewisse
Doppeldeutigkeit des Namens assoziiert. Er
stand u. a. in Frankenburg (1990–1992),
Dorum (1993–1999), Wittingen (2000–
2005), Farven (2008–2010) und zuletzt
2011 in Hepstedt auf Station. 2006 und
2007 war er leihweise in Hessen als Dillen-
burger Landbeschäler im Deckeinsatz. Er
hat sowohl Spring- als auch Dressurpferde
für höheres Niveau gezeugt. 13 von 140
Nachkommen waren in Klasse S erfolg-
reich, das entspricht rückblickend dem gu-
ten Durchschnitt deutscher Hengste.
In vierter Generation folgt der noch deut-
lich im Wirtschaftstyp stehende Rappe
Wrede, der in Badbergen, Frankenburg
und Hänigsen gestanden hat und sich trotz
gleichbleibend schwacher Vererbung über
Jahrzehnte im Celler Hengstbestand halten
konnte. Er lieferte nervlose, brave, vor al-
lem aber unmoderne und wenig elastische
Pferde, das fasst es am besten zusammen,
und zumindest in Hänigsen profitierte
Wrede nicht unwesentlich von der Begehr-
lichkeit seiner Boxennachbarn Gotthard,
Graphit und später auch Werther. Wer zu
diesen Paschas wollte, der musste auch
dem braven Probierhengst, der über Jahre
in den Rapp-Mehrspännern der Celler
Hengstparaden eine starke Stütze war, pro
Saison eine Stute geben.
Dahinter erscheint dann der Springpferde-
macher Weiler, der über seinen Sohn
Weingau bzw. den Enkel Watzmann her-
ausragende Springvererber zu liefern ver-
mochte. Der braune Weiler hat auf sechs
bedeutenden Stationen des Landgestüts
Celle gewirkt, u. a. Oberndorf (1952–1959),
Altenbruch (1960/1961), Badbergen (1962/
1963), Cappel-Strich (1964–1966), Nesse
(1967) und Hänigsen (1968). Die hier rele-
Er überzeugte in Verden: Benicio-Sohn aus der Stellarina von Stedinger-Wolkenstein II Ebenfalls ein Enkel von Sir Donnerhall I: der in Dänemark gekörte Junghengst Baron
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Hengstportrait
vante braune Tochter Weilermode ent-
stammt dem einzigen Deckjahr in Nesse
und hatte die 1963 geborene Lugano
I-Tochter Lünenixe zur Mutter.
Die World-Cup-Brüder
Diese wiederum war über ihre gleichfalls
braune Tochter Sendernixe (geb. 1967, v.
Sender) Großmutter zu den vier gekörten
Woermann-Söhnen World Cup I, II, III und
IV (Z.: Hans-Eduard Börger, Loxstedt), die
alle im Gestüt Hunnesrück aufgezogen
wurden. Von diesen wurde der großrah-
mige Dunkelfuchs World Cup I der bedeu-
tendste. Er begann seine Beschälerlaufbahn
als Körsieger der Hunnesrücker Hengste
und HLP-Sieger, was ihm den Titel „Bester
Hengst des Jahrgangs“ einbrachte. 1996
war er auch „Hannoveraner Hengst des
Jahres“. Der drei Jahre jüngere Rappe
World Cup II hatte in Ostfriesland nicht un-
bedingt den leichtesten Karrierestart,
konnte aber mit der groß dimensionierten
Gangqualität des älteren nicht mithalten.
Er hat dennoch respektable Vererbungser-
gebnisse abgeliefert. Der ebenfalls rappfar-
bene World Cup III, der in Hoyerhagen
deckte, galt als nicht sonderlich fruchtbar.
Er hatte einige Chancen, hat aber kaum
nachhaltig vererbt und ging Anfang der
1990er-Jahre gemeinsam mit einigen ande-
ren in Celle entbehrlichen Kandidaten als
Grundstock für der Landgestüt Sachsen-An-
halt nach Prussendorf, wo er auch nicht
mehr viel verändern konnte. Der vierte
Ebenfalls ein Enkel von Sir Donnerhall I: der in Dänemark gekörte Junghengst Baron
Vollbruder, ein patenter bunter Fuchs, ging
nach der HLP nach Kanada. Lünenixes Va-
ter war der hochklassige Fuchs Lugano I,
der in Nesse (1958–1971) und Altenbruch
(1973–1979) deckte. Er lieferte sehr rittige,
gelehrige und harte Dressur- und Spring-
pferde für höchste internationale Klassen,
wobei seine Nachkommen mitunter ein un-
schönes Gesicht hatten (was auch Luganos
Vater Der Löwe xx vielfach vererbt hatte)
und vorne bügelten. Das hinderte sie je-
doch nicht daran, Spitzenleistungen in al-
len Disziplinen zu vollbringen. Primär wa-
ren es sicherlich Dressurpferde (u. a. Lido 6/
Harry Boldt), aber auch Springpferde geho-
bener Klasse zählten zu den Lugano I-
Nachkommen, z. B. Lisander/Hermann
Schridde oder Loredo/Gerd Wehlau. Aus
der großen Zahl gekörter Lugano I- Söhne
ist es keinem so recht gelungen, als Haupt-
vererber diese Linie weiterzuführen. Heute
lebt das Lugano I-Blut fort über die „belgi-
sche Verlängerungsschnur“ des Darco, des-
sen Söhne und Enkel gefragte Springpfer-
demacher sind. Auch der nächstfolgende
Frustra II hat sich vor allem als Leistungs-
träger auf der Mutterseite vieler bedeuten-
der Hengste verdienst gemacht. Benicios
Mutterstamm 454/Fliedernixe (v. Frustra
II-Feldmann-Helgoland II-Honorat-Hen-
gist) kommt ursprünglich aus dem Gebiet
der Station Achim. Claus Schridde
Herausragender Auftritt von Benicio und Anna-Sophie Fiebelkorn in Warendorf
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