Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L....

19
Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit einem Beitrag von Andreas Emmerling-Skala Taxonomie und Morphologie Die Bayerische Rübe ist ein Abkömmling des Rübsen (Brassica rapa L.) und eng verwandt mit der Herbst-, Wasser- Halm- oder Stoppel- rübe (Brassica rapa ssp. rapa). Die folgende Abbildung gibt einen Vergleich von Größe, Wuchsform und Rübenkörper für die Wasser- rübe, Bayerische Rübe, Teltower Rübe und das Rübstiel (von links nach rechts) (nach Quelle 34). Im Gegensatz zur Stoppelrübe wird die Bayeri- sche Rübe nur gut fingerlang (um 10-15 cm) und nur etwa 3-5 cm dick. Im Aussehen der Blätter hat sie eine große Ähnlichkeit mit dem Teltower Rübchen und dem Rübstiel (Blatt- gemüse). Während es für diese Rübenarten Saatgut im Handel zu kaufen gibt, trifft das für die Bayerische Rübe nicht zu. Die Samen sind kleine (0,3 mm) große rot- braune bis schwarze Kügelchen, die in Schoten heranreifen. Im Keimblattstadium ist sie nicht von den anderen Rüben zu unterscheiden. Die Wuchsform ist aufrecht und das Blatt ist stark zerteilt. Rüben, die nicht geerntet werden er- fahren im Winter einen Kältereiz (Vernalisa- tion). Dieser führt dazu, dass die Rübe im fol- genden Frühjahr schosst und gelbe Blüten- stände ausbildet, an denen dann die Samen reifen. Die erntereife Rübe ist in der Farbe der Schale weiß, beige, braun bis schwarz. Samensurium 12/2001 - 35 -

Transcript of Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L....

Page 1: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fastausgestorbene Speiserübe

Ludwig Reiner, Harry Amon,mit einem Beitrag von Andreas Emmerling-Skala

Taxonomie und MorphologieDie Bayerische Rübe ist ein Abkömmling desRübsen (Brassica rapa L.) und eng verwandtmit der Herbst-, Wasser- Halm- oder Stoppel-rübe (Brassica rapa ssp. rapa). Die folgendeAbbildung gibt einen Vergleich von Größe,Wuchsform und Rübenkörper für die Wasser-rübe, Bayerische Rübe, Teltower Rübe unddas Rübstiel (von links nach rechts) (nachQuelle 34).

Im Gegensatz zur Stoppelrübe wird die Bayeri-sche Rübe nur gut fingerlang (um 10-15 cm)und nur etwa 3-5 cm dick. Im Aussehen derBlätter hat sie eine große Ähnlichkeit mit demTeltower Rübchen und dem Rübstiel (Blatt-gemüse). Während es für diese RübenartenSaatgut im Handel zu kaufen gibt, trifft das fürdie Bayerische Rübe nicht zu.Die Samen sind kleine (0,3 mm) große rot-braune bis schwarze Kügelchen, die in Schotenheranreifen. Im Keimblattstadium ist sie nichtvon den anderen Rüben zu unterscheiden. DieWuchsform ist aufrecht und das Blatt ist starkzerteilt. Rüben, die nicht geerntet werden er-fahren im Winter einen Kältereiz (Vernalisa-tion). Dieser führt dazu, dass die Rübe im fol-genden Frühjahr schosst und gelbe Blüten-stände ausbildet, an denen dann die Samenreifen. Die erntereife Rübe ist in der Farbe derSchale weiß, beige, braun bis schwarz.

Samensurium 12/2001 - 35 -

Page 2: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

Anbaugebiete, Aussaat und ErnteNoch zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheintdie Bayerische Rübe über ganz Bayern verbrei-tet gewesen zu sein. Die Daten, die uns JOSEF

DENZ von der Kommission für Mundart-forschung bei der Bayerischen Akademie derWissenschaften in einem Brief vom 3.12.2001freundlicher Weise zur Verfügung stellte,

stammen vornehmlich aus mundart-geographischen Befragungen, die eine derGrundlagen für die Neubearbeitung des Bayeri-schen Wörterbuchs (BWB) von SCHMELLER bil-den (dabei bedeutet:* Befragung im Mundart-geographischen

Fragebogen 24 aus dem Jahr 1928** Befragung in Wörterliste 8 um 1960).

Regierungsbezirk (RB) OberbayernBad Tölz - Wolfratshausen: Ascholding*, Endlhausen*, Königsdorf*Dachau: Dachau**, Röhrmoos*, Walkertshofen*Ebersberg: Anzing*, Grafing*, Loitersdorf*Erding: Erding*, Frauenberg**, Hohenpolding**, Langenpreising**, Wörth*Freising: Allershausen**, Fürholzen*, Haag**, Hohenkammer*, Moosinning**Fürstenfeldbruck: Maisach*Garmischen-Partenkirchen: Ohlstadt*Landsberg: Landsberg (1808)Miesbach: ehem. Kloster Tegernsee (15./16. Jhd.)München: Ismaning**, München*, Moosach*, Taufkirchen*, Untermenzing*Rosenheim: Bad Aibling*, Hohentann*, Vogtareuth*Starnberg: Perchting**Wasserburg: Mittbach*, Rechtsmehring**, Wasserburg*

RB SchwabenAichach - Friedberg: Derching*, Haunswies*, Iggenhausen*Augsburg: Jettingen (1924), Leipheim 1818Memmingen: Steinheim (1860)

RB MittelfrankenAnsbach: Ansbach (1708)Nürnberg: Nürnberg (1543; 1691; 1716; 1929)

RB OberfrankenBamberg: Bamberg (1805)

RB OberpfalzRegensburg: Pfatter; Bayerische Rübe im Gemeinde-Wappen; (1805; 1808)

RB NiederbayernLandshut: Landshut*Rottal-Inn: Haarbach**, Pfarrkirchen (BWB)Deggendorf: Deggendorf (1871, 1883), Metten (1883)Passau: Passau

Heute (Stand Juni 2001) wird sie nur noch vonwenigen (4) Bäuerinnen im Dachauer Landangebaut und vermehrt.Die Saatzeit ist ähnlich wie bei der Stoppelrübenach der Getreideernte. Bauernregel: “St.Os-wald (5. August) - wachsen die Rüben bald“.Nachdem das Stoppelfeld umgebrochen war,wurde sie von Hand, wegen der kleinen Samenoft mit Sand vermischt, ausgesät. Die Bei-mischung von Sand ist nötig, um einen sehrdünnen Bestand zu erhalten, da dicht neben-einanderstehende Rüben nur sehr kleine Rü-benkörper ausbilden. Geerntet wird sie Aller-heiligen. Zur Ernte wird eine Grabgabel benö-tigt, da der Rübenkörper so tief in der Erdesteckt, dass er ausgegraben werden muss. Für

den Bedarf im Winter werden Rüben im Rü-benkeller mit Sand bedeckt konserviert.

- 36 - Samensurium 12/2001

Page 3: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

VerwertungDie Bayerische Rübe ist eine gut haltbareSpeiserübe mit weißem Fleisch, nicht zerko-chend und sehr würzig. Es gibt kein bayeri-sches Kochbuch vor 1900, das kein Gericht mitder Bayerischen Rübe mitteilt. Das älteste unsbekannte Rezept stammt aus dem NürnbergerKochbuch von 1691 (s.u. Quelle 10).Das wichtigste Gericht im Dachauer und Frei-singer Land war der Bayerische Rübentauch,eine Soße (Suppe) mit brauner Einbrenn, inder Schmalznudeln eingetaucht wurden. DasGericht war eine Fastenspeise und stand als“Essen der armen Leute” jeden Samstag aufden Tisch.

In der Küche werden nach Aussagen derBäuerin PAULA HARTL in Oberndorf imDachauer Land, nach altem Herkommen nurdie schwarz-schaligen Formen verwertet.Durch die “Dachauer Rübenwochen” vomKirchweihmontag bis Allerheiligen, vom Bayeri-schen Hotel- und Gaststätten Verband,Dachau, veranstaltet, wird versucht, die Baye-rische Rübe und den Rübentauch in den Land-gasthäusern wieder anzubieten und bekannt zumachen1.

Quellen zur Geschichte der BayerischenRübeAls ALPHONSE DE CANDOLLE 1883 in Paris dieerste monographische Darstellung über denUrsprung der Kulturpflanze veröffentlichte, er-klärte er "Europa, Westsibirien (?)" zum Ur-sprungsgebiet der Speiserübe. Die Anfängeihrer Nutzung verlegte er in seine älteste Zeit-kategorie A: "eine seit mehr als 4000 Jahrenangebaute Art (den alten Geschichtsschrei-bern, den Denkmälern des alten Aegypten, denchinesischen Werken und den botanischenoder linguistischen Angaben zufolge"2. NochZEVEN & DE WET folgten in ihrem Nachschla-gewerk zu den Kulturpflanzen und ihren Diver-

sitätszentren 1982 dieser Zuordnung: Europä-isch-Sibirische Region, die Europa mit Aus-schluss des mediterranen Raums bis nachSibirien bis hinter den Baikal-See umfasst3. Siemussten dabei - wie schon DE CANDOLLE - denFormenreichtum in Süd-, Süd-Ost- und Ost-Asien für sekundär erklären. HANELT war sich1986 in diesem Punkt nicht mehr so sicher,sondern wies darauf hin, dass Primitivformeninsbesondere aus Asien (Afghanistan u.a.) be-kannt seien und dass es zwei Zentren der For-menvielfalt gibt, Westeuropa und Asien4; undes ist diese Formenvielfalt, die aus der Doppel-nutzung von Rübe und Blatt in Ostasien (eben-so geübt in Nordafrika und früher auch inMiteleuropa) resultiert, die zu besonderenSchwierigkeiten der infraspezifischen Gliede-rung führt5. Mit einem verstärkten Blick auf dieGesamtart Brassica rapa L. sprechen sichZOHARY & HOPF jetzt dafür aus, dass diesezweimal unabhängig voneinander in Kultur ge-nommen wurde: im mediterranen Raum und inChina6. Dabei muss immer die Nutzung derHypokotyl-Knolle und der Blätter im Vorder-grund des Interesses gestanden haben, nichtdie der ölreichen Samen.Für eine Quellengeschichte der Nutz- und Kul-turpflanzen stehen zwei Quellengruppen zurVerfügung: archaeologische Funde und alteTexte. Diese beiden Quellengruppen wollenbeim Rübsen Brassica rapa irgendwie nichtzusammenpassen. Die bei Ausgrabungen ge-borgenen Samen selbst können nicht weiternach Unterarten - und damit Nutzungstypen -differenziert werden. Es sind vielmehr dieFundumstände der ältesten archaeobotani-schen Funde des Rübsens in jungneolithischenMoor- und Seeufersiedlungen der Schweiz(zwischen 3000 und 2100 v. Chr.), die auf eineNutzung des ölreichen Samens hinweisen; undzwar von Samen der Unkrautformen des Rüb-sens7. Im Unterschied dazu sprechen dieSchriftquellen des klassischen Altertums voneinem Wurzelgemüse, genauer: die römischenLandwirtschaftsautoren sprechen von drei Wur-zelgemüsen: beta, napus und rapum.COLUMELLA (er schrieb seinen Traktat wohl um60/65 n.Chr.) berichtete von einer Rübe

3 ZEVEN - DE WET 1982: 150.4 HANELT 1986: 303.5 GLADIS - HAMMER 1992: 494.6 ZOHARY - HOPF 2000: 199f.7 KÖRBER-GROHNE 1988: 165ff; ZOHARY - HOPF

2000: 199f.

1 s. dazu auch den Vortrag von REINER 2001(erscheint 2002).2 CANDOLLE 1884: 554.

Samensurium 12/2001 - 37 -

Page 4: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

(rapum), die dem Menschen und dem ViehNahrung gebe und die besonders in Gallien inbedeutender Menge angebaut werde. Ausge-sät wurde sie zwei Mal im Jahr und zwar zudenselben Zeiten wie der Rettich, am bestenaber im August (II 10, 22-24); und dem Einma-chen der Rübe mit Salz hat er ein eigenes Ka-pitel gewidmet (XII 56). Wahrscheinlich ist hierunsere Speiserübe/Herbstrübe gemeint, ziem-lich sicher aber kann man sich sein bei demBild aus der berühmten Wiener DIOSKURIDES-Handschrift aus dem Jahr 512 n.Chr8: SolcheFormen der Speiserübe werden noch heuteangebaut.

(aus: KÖRBER-GROHNE 1988, Taf. 47)

Man könnte nun weiter die Geschichte derSpeiserübe durchs Mittelalter in die Neuzeithinein verfolgen - aber: Welche Quellen gibt esfür die Geschichte dieser einen speziellen

Sippe der Speiserübe, der Bayerischen Rübenämlich?Ob sie im Augsburger Stadtbuch von 1276schon genannt ist? Dort steht:

“Rübe unde [und] obez [Obst]. Bringetein uzman [Auswärtiger] Rübe her.”

Weil sie im Zusammenhang mit Obst erwähntwird, muss es sich um eine Herbstrübe, eineSpeiserübe handeln. Diese Rübe(n) bringt einuzmann, ein Ausmann, ein Mann von außer-halb der Stadt, ein Auswärtiger, wohl ein Baueraus der näheren Umgebung, in die Stadt. DasGegenteil von uzmann wäre der (mhd.) in-mann, ein Bürger der Stadt. Durch diese Um-stände kann angenommen werden, dass hiervielleicht die Bayerische Rübe (in dieser Zeitnoch nicht so genannt) gemeint sein könnte9.Steht sie um 1425 auf dem Speisezettel der"Mendelschen 12 Brüder-Stiftung"? (KonradMendel hatte sie 1397 gegründet, zur Aufnah-me verarmter, ausgedienter Handwerker, Ge-sellen und Bauern.)

“Sonntags und alle Feiertage: Frühmahl:1 Stück Fleisch in einer Brühe... dazuKraut oder Rüben oder Gemüse... Mon-tag: Frühmahl: 1 Stück Fleisch (Speck)mit Kraut... Nachtmahl: 1 Stück Fleischmit Kraut oder Rüben... Dienstag:...Nachtmahl: 1 Stück Fleisch mit Krautoder Rüben... Mittwoch: Frühmahl: Krautoder Rüben und ein Gemüse... Donners-tag: Frühmahl: Gerste und Kraut oderRüben... Nachtmahl: 1 Stück Fleisch mitKraut und Roggenbrot... [Freitag war dereinziger Tag ohne Kraut und Rüben.]Samstag: Frühmahl: Gerste undKraut...”10

Soviel jedenfalls ist klar: Dass abwechselnd zurMittags- und Abendkost Kraut oder Rüben aufden Tisch kamen. Bei der Rübe handelte essich vielleicht um die Bayerische Rübe, die indieser Gegend "Nürnberger Rübe" genanntwurde. Mit Ausnahme des Freitags standenKraut und Rüben täglich auf dem Speiseplan.Kraut und Rüben waren vor der Einführung derKartoffel die Sattmacher. Zur Vorratshaltungwurden im Oktober 2 Tonnen Weißkraut ein-gehobelt (gehackt) und die großen Kufen damit

8 Es handelt sich um eine alphabetische Re-zension des DIOSKURIDES-Textes (verfasst um77/78 n.Chr.), die zurückgeht auf ein altesSammelherbarium (nach 200 n.Chr.) (und eini-ge ergänzende Bilder), in das De materia me-dica von DIOSKURIDES (und einige anderePflanzenbeschreibungen) sowie das Lexiconsynonymorum des PAMPHILOS VON ALE-XANDREIA (2. Hälfte 1. Jhd. n.Chr.) eingearbei-tet wurden; der Archetyp dieses alphabetischenDIOSKURIDES-Herbariums muss im 3./4. Jahr-hundert entstanden sein (MAZAL 1981: 18f).

9 SCHMELLER 1827: II.11 (Ausgabe des Stadt-buchs von MAYER 1872); Die Auslegung derTextstellen verdanken wir Dr. JOSEF DENZ,Kommission für Mundartforschung, BayerischeAkademie der Wissenschaften, München.10 HORN 1980: 243.

- 38 - Samensurium 12/2001

Page 5: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

gefüllt. Das Sauerkrautfass durfte bei diesemSpeiseplan das ganze Jahr über nicht leerwerden.

Der einzige Wegweiser, mit dem wir uns durchdie Geschichte der Bayerischen Rübe hangelnkönnen, ist ihr Name. Ab der Wende des15./16. Jahrhunderts beginnen die Quellen mitdiesem Namen zu fließen. Wir wollten darauskeine Geschichte zusammenschreiben, die dieLücken und Brüche kaschiert oder den Inter-

pretationsbedarf herunterspielt. Wir haben des-halb die Form eines kommentierten Quellen-verzeichnisses gewählt. Die folgende Tabellesoll eine Übersicht geben, die Kürzel in derletzten Spalte verweisen dann auf die eigent-lichen Quellenzitate und unsere Kommentie-rung (Bitte beachten: Aus Gründen des Text-flusses werden die Quellen später nicht zwin-gend in der Reihenfolge ihrer Nummerierungaufgeführt).

um 1475 Chronik des Matthias von Kemnat SCHMELLER 1827: II.11 Q1(15.)16. Jhd. Tegernseer Klosterliteralien BIRLINGER 1864 Q21546 pharmakologisches Rezeptbuch CORDUS 1546: Sp. 73 Q31561 Beschreibung "botanischer Gärten" GESSNER 1561: fol. 250r Q41575 Archivalie Monumenta Boica XXII (1814): 698 Q51584 Küchenzettel ANONYMUS 1892: 322 Q61588 Kochbuch "Fastenlob" HORN 1980: 232 Q71633 Haushaltsbuch HORN 1980: 176 Q81634/35 Archivalie SCHMELLER 1827: II.11 Q91691 Kochbuch ENDTER 1691 Q101708 Ansbacher Tax-Ordnung SCHMELLER 1827-37 Q181716 Kochbuch MARPERGER 1716: 971 Q111719 Kochbuch HAGGER 1719 Q12um 1800 Kochrezept HORN 1980: 233 Q131805 Kochbuch KLIETSCH - SIEBELL 1805 Q141808 Physikatsberichts Landsberg BECK 1986: 168 n. 126 Q151818 Reisebeschreibung ANONYMUS 1818: 43f u. 72f Q161824 Kochbuch ANONYMA 1824: 50 Q171827-1837 Wörterbuch SCHMELLER 1827-37 Q181833 Sortenkunde REUM 1833: 273 Q191836-1839 Sortenkunde DIERBACH 1836-1839: 421 Q201841 Sortenkunde METZGER 1841: 1033 Q211856 Sortenkatalog KÖLLE 1856: 101 Q221860 Lokalflora HUBER u.a. 1860: xxxi Q231866 Sortenkunde ALEFELD 1866: 249 Q241871 landw. Gebietsbeschreibung LIDL 1871: 49 Q251883 Lokalflora HOFMANN 1883: 25 Q261883-1885 Lokalflora FISCHER 1883-85: 35 Q271898 Lokalflora WEINHART u.a. 1898: 274 Q281907 Kochbuch HUBER 1907 Q29um 1920 Kochbuch ANONYMA UM 1920 Q301924 Sortenkunde BECKER-DILLINGEN 1924: 409 Q311929 Sortenkunde BECKER-DILLINGEN 1929: 352 Q321950 Sortenkunde BECKER-DILLINGEN 1950: 388 Q331958 Flora von Mitteleuropa HEGI 1958: 4.1:457 Q34

Samensurium 12/2001 - 39 -

Page 6: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

QUELLE 1MATTHIAS VON KEMNAT, alias MATTHIAS

WIDMANN, humanstistisch gebildeter Hofkaplanund Historiograph des Pfalzgrafen FRIEDRICH I.DES SIEGREICHEN (reg. bis 1476) in Heidelberg.In seiner Chronik über FRIEDRICH I. notierteer11:

"Dem Kunig Laslo wurden [am Tag vorseinem Tode] gesendet bayerischeRüblein, ...sind fast süße und lieblich zuessen mit Salz. Der Kunig aßegeitzigklich die Ruben und dranck daruffBier."

QUELLE 2Diese Handschrift aus Tegernsee (zwei Drittelin deutscher, ein Drittel in lateinischer Spra-che), in der Sauerkraut und die BayerischeRübe oft erwähnt werden, beweist die alteSpruchweisheit: “Kraut und Rüben sind Bau-ern- und Klosterkost”. Die Handschrift ist in vierAbteilungen gegliedert, wovon hier drei inter-essieren: Sie gliedern sich in eine Art Ein-schreibkalender (datiert 1534), einen Teil mitder Speiseordnung und das eigentliche Koch-büchlein. Diese Aufzeichnungen aus Tegern-see können stellvertretend für die bayerischeKlosterkost dieser Zeit angesehen werden12.Im Anfangstext zu Fastenspeisen, "vermerktdas eßen, so man das jar [über] gibt dem Con-vent in das refectori ze Tegernsee”:“I.) In adventu Domini; Dominica ad cenam: ...fer. IV: zizersuppen [Kichererbsen] oder milch-suppen, umboden [?] oder epfelmueß, krautoder eßen visch oder bayrisch rueben, pälgtarbaiß [gepalte Erbsen]... Offe: Zwiflsuppen[Zwiebelsuppe], Krautsuppen, Ruebensuppen...13

Unter Kraut:” rubenis, gehacktz, eingstoßens,durchdribens kraut, gabassens [kabas, Weiß-kraut], gehackts, zotls, gespaltens, gepaißtsund saueres kraut, bayrisch, scherrübenkraut

[Bayerisch Rüben - Kraut], gelb ruebenkraut,gruens Kraut, pießen [Mangold; hier wohl imSinn von Spinat aus] von Nessel und Salat”.Unter Gebackenes: “Pachens (das letzt eßen)"[Nachspeise], unter vielen Anderem:“smolznudl” [Schmalznudel]. Gehörten hiervielleicht schon die Schmalznudeln aus Rog-genmehl, die Schuchsen, gegessen zumBayerisch Rüben-Dauch (Soße, Suppe) zurKlosterkost, wie es heute noch in der DachauerGegend eine traditionelle Eßgewohnheit ist?Besonders interessant ist der Küchen - undMerkkalender des Klosters Tegernsee [1534]:Da heißt es im Juli über die Zeit der Aussaat:“...die bayrisch rueben sol man pauen[aussäen] umb Margarithe [Margarete, 13. Juli],sunst werden sie hendig [bitter] und saur, soman lenger verzeucht”. Zu diesem frühen Zeit-punkt ist sie sicher nach dem frühreifendenWinterroggen ausgesät worden.Im September wird vermerkt: “ ... also jetzt istes etwa Zeit, sich Kraut, Rettiche, Scherrüben[Bayerische Rüben] und Hanfsamen [Saatgut]zu besorgen”14. Offensichtlich ist mit diesemEintrag gemeint, sich Samen, Saatgut, dieserFruchtarten zur Aussaat im folgendem Jahr zubesorgen.Im Oktober: “circa dedicationis tempus hacktman [mit dem Krauthobel] das kabas[Weißkraut] und ruebes kraut ein [Rübenkrautaus Stoppel-Rüben]”.Im November ist Erntezeit für die BayerischenRüben. Der Bedarf für den Winter ist einzukau-fen: “kauffen guet bairisch rueben pro conventu[Klostergemeinschaft] pei 16 oder 17 metzen”[Hohlmaß: 1 Metzen = 37 Liter, zusammen 61/3 hl].Die Handschrift beweist: Kraut und Rüben,Stoppelrüben und Bayerische Rüben, frischund eingesäuert, waren die Grundnahrungsmit-tel zum Sattessen für das Klostergesinde.

QUELLE 3CORDUS, VALERIUS: Das Dispensatorium des Valeri-us Cordus. Faksimile des im Jahre 1546 erschiene-nen ersten Druckes durch Joh. Petreium in Nürn-berg, Geleitwort von Ludwig Winkler, hrsg. von derGesellschaft für die Geschichte der Pharmazie,Mittenwald (Nemayer) 1934

VALERIUS CORDUS (1515-1544) hat sein Dis-pensatorium (eine Sammlung von Vorschriftenzur Zubereitung zusammengesetzter Arzneimit-

11 zitiert nach SCHMELLER 1827: II.11 aus derMünchener HS der Chronik Cgm. 1642; s. z.HS SCHNEIDER 1991: 284f.12 ed. BIRLINGER 1864: 198, 200, 201; die An-bauhinweise finden sich auf den S. 195-197;auch zitiert in HORN 1980: 224-225.13 Die Stelle findet sich noch ein zweites Mal indem Kochbüchlein (S.205): "zisersuppen odermilchsuppen, umedümb oder öpflmueß, krautoder eßen, visch oder payrisch rueben; pälgtarbeis oder eingesnitten piren".

14 196: "circa illud tempus procurentur novicaules, rappe, scherrueben, hanifsam."

- 40 - Samensurium 12/2001

Page 7: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

tel) der Stadt Nürnberg zur amtlichen Einfüh-rung angeboten, 1543 hatte man sich mit denÄrzten über den Text geeinigt, 1547 wurdedann das Dispensatorium nun als erste deut-sche Pharmakopoë (d.h. nun als amtlich einge-führtes Arzneibuch) in Kraft gesetzt.

Eines dieser zusammengesetzten Arz-neimittel ist: Theriaca Andromache Se-nioris, e carmine eiusdem Elegiacotranslata, einer der Bestandteile ist:"Seminis Buniadis, idest napi, uulgoBeyerische rublein"15.

Diese Zuordnung zu napus ist auf den erstenBlick verwirrend, denn wir vermuten dahinterschnell eine Beziehung zu Brassica napus L.,dem Raps, genauer dann zur Unterart Brassicanapus L. ssp. rapifera METZG., der Kohlrübe.Doch die ältere Botanik hat bis zum 17. Jahr-hundert die Rübenformen des Rapses nichtvon denen des Rübsens Brassica rapa L. ssp.rapa unterschieden; ja diese Klassifikations-probleme setzten sich bis ins 19. Jahrhundertfort, so dass man bei der Suche von Brassica-Rüben immer gut daran tut, beide Arten imBlick zu halten (und selbst den GemüsekohlBrassica oleracea, denn schließlich hatte LINNÉ

die Kohlrübe als var. κ Brassica oleraceanapobrassica L. klassifiziert). Aber die Verwir-rung reicht noch weiter:

QUELLE 4Conradi Gesneri De Hortis Germanicae Liberrecens. - In: CORDUS, VALERIUS: Annotationes inPedacii Dioscoridis Anazarbei De Medica materialibros V, Zürich 1561, hier fol. 236r-300r.

Oben wurde das Buch kurz "Beschreibung'botanischer Gärten'" genannt, genauer müssteman sagen, dass es eine Aufzählung all derGewächse ist, die GESNER in seinem eigenenGarten in Zürich kultiviert hat, bzw. in berühm-

ten Gärten am Rhein bis Holland, in Bayern,Württemberg, Schlesien, Sachsen und im Harz,meist aus eigener Anschauung, kennen gelernthat. Selbst Unkräuter werden angeführt, insge-samt 1106 Arten16.

Betae quatuor species. nimirum alba,nigra, seu rubra duplex & flaua: qui colo-res ad radices praecipue pertinent. O.[Garten des Georg Oellinger] G. [Gartendes Conrad Gesner] Roter / weisser /vnnd gälber Mangolt / vnnd Beyerscherüble / oder rote Salat wurtzen..." 17

CONRAD GESNER weist also zuerst auf dieFarbvarianten bei den Beta-Sippen hin undführt dann aus dem Nürnberger Garten desGEORG OELLINGER18 und seinem eigenen Züri-cher Garten verschiedenfarbige Mangolde auf,dann das "Beyersche rüble" und schließlich dierote Bete. Hier wird die Bayrische Rübe alsounter beta eingeordnet, wieder ist offenbar dieRübe das entscheidende Gruppierungsmerk-mal19. 16 Rytz 1933: 52; zur Typologie der Gartenfor-men und zu einigen berühmten Gärten des 16.Jhds. s. BAUMANN et. al. 2001: 167-173.WEIN 1914 - im Prinzip eine Arbeit überGESNERs Horti Germanicae - geht auf die fol-gende Stelle nicht ein.17 GESNER 1561: fol. 250r (vollständiges Zitat):Betae quatuor species. nimirum alba, nigra,seu rubra duplex & flaua: qui colores adradices praecipue pertinent. O. [Garten desGeorg Oellinger] G. [Garten des Conrad Ges-ner] Roter / weisser / vnnd gälber Mangolt /vnnd Beyersche rüble / oder rote Salat wurt-zen. Postremam hanc Seutlostaphylinum dixe-rim, Rübenmangolt. In Syriae hortis appellaturSuandar: & ab Ebenbitar [ibn al-Beithar] nume-ratur in specie raporum, &c: Eadem, sicut rela-tum est a fide dignis, oritur in Macedonia circaciuitates Durachii & Alexii, in locis campestri-bus, &c. Bellunensis in glossis Auicennae inSiclae nigrae mentionem facit.18 1553 ließ OELLINGER die Pflanzen seinenGartens auf insgesamt 741 großformatigenSeiten als Vorlagen für ein von ihm geplantesbotanisches Werk zeichnen, das aber nie imDruck erschien. Das Werk ist nie im Druckerschienen, liegt aber jetzt in einer Mikrofiche-Edition vor: SCHOFER - DRESSENDÖRFER 199619 LIPPMANN 1925 hat in seiner Arbeit über dieBeta-Rübe an vielen Stellen darauf hingewie-sen, dass eine saubere Aufteilung der Rübendie Errungenschaft der sich erst allmählich aus

15 CORDUS 1546: Sp. 72-76; mit Erläuterungen,hier Sp. 73. Da die Qualität eines zusammen-gesetzten Arzneimittels von der Qualität dereinfachen Arzneimittel (Simplicia) und derenbotanisch korrekter Bestimmung abhängt, hatCordus in vielen Fällen Kommentare zu denSimplicia geschrieben (sie sind das für denBotaniker Wichtige am Dispensatorium desValerius Cordus). Hier nun heißt es in der Er-läuterung des Cordus zu Theriaca secundumdescrip. Andromachi im selben Sinn (Sp. 70):"Bunias .i. Napus, quid uero sit Napus dictumest in Diasatyrio Mesuae et ante etiam."

Samensurium 12/2001 - 41 -

Page 8: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

QUELLE 5In einem Protokoll über einen Gütertausch inUntergriesbach (Landgericht Aichach) aus demJahr 1575 wird als Naturalzins erwähnt20:

"Bayrisch Rieb zwen metzen" (Metzen istein Hohlmaß; 1 Metzen = ca. 37 Liter).

QUELLE 6Küchenzettel für eine Hochzeit in der ResidenzAlter Hof des bayerischen Herzogs WILHELM V.in München:Als Herzog WILHELM V. von Bayern seinemKämmerer HORTENSIUS TJRIACH im Jahre 1584Hochzeit halten wollte, wurde der Küchenbe-darf folgendermaßen angeschlagen:

"a) Ein Überschlag der Kuchennotdurft[Bedarf] auf 6 rund und 16 Gesindtische:[Obst und Gemüse]: 3 Metzen21. schönAuflegäpfel und Birn; 1 Bantzen Koch-birn und Äpfel; 1 Metzen große Flach-äpfel; 1 Metzen Zwiebel 40 Kreuzer; 25gute harte kleine Gebißköpfl[Krautköpfe], bajrisch Rüben bei dreiMetzen: Wirsching, Kohl, Salat, Petersil,Rannen [rote Rüben], Krenn[Meerrettich], Salbei, Kümmel undKhrönpar [Wacholderbeeren]...”

QUELLE 7ANONYMUS: Kochbuch “Fastenlob” (zitiert bei HORN

1980: 232).Im Jahre 1588 erschien in München das Koch-buch für Fastenspeisen “Fastenlob”. Im ein-prägsamen Titelholzschnitt werden die Zutatenfür einen fleischlosen Speisezettel im Bild ver-ständlich dargestellt. Unter diesen Zutaten be-findet sich auch die Speiserübe. Dieses Koch-buch mit Fastenspeisen konnte leider nochnicht eingesehen werden.

QUELLE 8In "Der Frawen Einnamb und Ausgab zueRegensburg Anno 1633" wird notiert, dass eineRegensburger Hausfrau am "27. NovembrisAnno 1633... 33 Kreuzer für Bayrisch Rüben"ausgab22.

QUELLE 9"Während der Blockierung [Belagerung im30jährigen Krieg] Augsburgs 1634-1635kostete daselbst, nach einem fliegenden Blatt,der Metzen [37 l] der Bayrischen Rüb 18Kreutzer, der schabischen Rüb 6 Kreuzer.Nach Cgm 4905, f.313 aber zur selben Zeit[auch] 1 Metzen bayrisch Rieb 1 Gulden 25Kreuzer, 1 Metzen schwäbisch Rieb 1 Gulden4 Kreuzer. Die Wiener-Rueben sind demZillerthaler [soviel wert wie die] Kartoffel":SCHMELLER 1827: II.11.

QUELLE 10ENDTER, SUSANNA MARIA [anonym]: VollständigesNürnbergisches Koch-Buch (Nürnberg (Endter)1691), mit einem Nachwort von Ingeborg Spriewald(Tafelfreuden vergangener Zeiten), Hildesheim -New York (Olms Presse) 1979, 1018 S.

S.124: [Num.] 50. Ein Hecht in Bayerischen=oder Pfetter=Rüblein.

Schabe die Rüblein / schneide Plätzleindaraus / und wasche sie schön; darnachthue ein klein wenig Schmaltz in einePfannen / shütte die Rüblein darein / undlaß so lang schweissen biß sie etwasweich werden; alsdann thue sie in einenHafen / gieß warme Fleisch=Brühedaran / pfeffers / und laß sieden biß sierecht seyn; thue zuletzt ein wenig Buttermit hinein / den Hecht aber siede undblättere / wie oben gemeldet / lege dannauch eine Lag Rüblein in eine Schüssel /mache wieder eine andere Lage vondem Hecht: alsdann Muscatblühe undButter / und so immer fort / gieß ein we-nig Fleischbrühe daran / und laß es aufeiner Kohlen aufsieden.

S.140: [Num.] 88. Ein gesaltzener hecht inBayrischen= oder Pfetter=Rüblein.

Die Rüblein werden eben auf diese Artzubereitet / wie schon allbereit Num. 50bey dem brischen Hecht gelehret wor-den; doch darff man selbige nicht allezeitin Butter oder Schmaltz schweiffen / son-dern nur gleich alsobald in der Fleisch-brüh zusetzen / und mit Butter ferneraufkochen lassen / der Hecht aber wirdim Wasser gesotten / die Rübleindarüber angerichtet / die Schüssel aufeine Glut gesetzet / damit es nochmalaufsiede / und dann also zu Tisch getra-gen.

der Pharmakognosie verselbstständigendenBotanik ist; s. auch die wichtigen Ergänzungenin LIPPMANN 1934.20 Nr.251: Permutatio Curiae in Vntergries-bach. Anno 1575: Monumenta Boica Bd. 22(1814): 698-70021 Hohlmaß: 1 Metzen = 37 l; hier 111 Liter.22 nach HORN 1980: 176; KAMMERMEIER 2001.

- 42 - Samensurium 12/2001

Page 9: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

S.581: [Num.] 188. Bäyerische= oderPfetter=Rüblein zu kochen.

Schabet die Rüblein / legets in ein Was-ser / daß sie schön weiß bleiben; last ineiner Pfannen ein frisches Schmaltz heißwerden / thut die Rüblein dazu hinein /und last sie wohl darinnen schwaissen:schüttets dann in einen Hafen / giesstein siedend Wasser / oder / wann mansgar gut will machen / Fleischbrüh / oderaber halb Wasser und halb Fleischbrühdaran / mischet ein geriebenes rockenBrod darunter / pfefferts wohl / und las-sets also mit einander sieden / daß esein dicklichtes Brühlein bekomme: Wannsie aber im Wasser zugesetzt werden /muß mans ein wenig saltzen; auch kanman / so es beliebig / an statt deß Brods/ ein Mehl daran brennen / aber von demBrod werden sie noch besser: Wann sienun fertig / pflegt mans über ein Fleisch /oder aber besonders in eine Schüsselanzurichten.

S. 582 [Num.] 189. Bäyerische= oderPfetter=Rüblein auf andere Art.

Wann die Bäyerischen= oder Pfetter-Rüblein geschabet und gewaschen / le-get sie in einen Hafen / giesset halbFleischbrüh und halb Wasser daran /daß der Hafen voll wird; reibet hernachein rocken Brod / thut es / nebenst ei-nem Bach= oder Brat=Schmaltz / darain/ pfettert und setzets auf eine Kohlen /lasst es starck sieden / daß es ein dick-lichtes Brühlein werde: dann kan manetwan eine Stund vor dem Essen / einFleisch / so schon zuvor gesotten hat /darunter legen / und noch ein wenig mitsieden lassen. Absonderlich aber ist dasSchweinene Fleisch hiezu am besten.

S.699 [Num.] 127. Pfetter=Rüblein von Man-deln. [ein Mandelgericht, bei dem die Form derPfetter-Rüblein das Vorbild abgibt]

Ziehet ein Vierding Mandeln ab / giessetein Rosenwasser daran / lassets zweyStunden lang stehen / seihet das Wasserherab; stossets mit einer Semmel-Bro-sam / so zuvor mit denen Mandel in dasRosenwasser eingeweicht worden / ab /zuckerts nach belieben / schlaget dreyoder vier Eyerdottern daran / und ma-chet davon einen Teig / welcher / so erzu lind oder dinn ist / kan gar leicht mitein wenig geriebenen Semmel=Mehl ge-holffen werden; Die Prob ist diese / daß

er nicht mehr an den Händen klebet;formiret so dann kleine Rüblein / denenPfetter= oder Bäyerischen gleich / dar-aus / bachets etwas kühl aus Schmaltz /daß sie nicht gar braun werden: Wannsie dann kalt sind / stecket einen frisch=oder dürren Rosmarin / oder auch etwassonst beliebiges grünes darain / und le-gets auf eine Schüssel.

QUELLE 11MARPERGER, PAUL JACOB: Vollständiges Küch- undKeller-Dictionarium, Hamburg (Schiller) 1716, 1352S.; Reprint mit Kommentar [48 S.] von Julius Arndt(Historische Kochbücher in Faksimile-Ausgaben)München (Heimeran) 197823

S.971: Rüben / weisse / rothe / gelbe / undStech-Rüben.

Die erste Sorte bauet man bey uns aufden Acker / und können selbige füglichgetheilet werden: (1) Ihrer Gestalt nach /in runde Rüben / welche Rapa sativa ro-tunda, sive Mas, und in lange / welcheRapa sativa oblonga, seu Foemina,heissen. (2) Nach ihrer Farbe / da dannihre inwendige Substanz hier zu Landeallein weiß; Wiewohl nach BauhiniZeugniß / eine Art derselben im Elsaßgefunden wird / welche in- und auswen-dig gelb sind. (3) Ihrer Grösse nach / indie allergrößten / wie die von 40. Pfun-den bey dem Plinio lib. 18.c.13. Darnachdie mittelmäßigen / wie die Knollen / undunsere also genannte Wasser-Rüben /weil ihr Geschmack wässrig oder stumpfist; Und in die kleinen / welche einenlieblichen und würzhafftigen Geschmackhaben / darunter dann die Teltowischen /Mörseburgischen und Nürnberger / auchneben ihnen die Frisackischen denRuhm behalten.

Der Hinweis auf den "würzhafftigen Ge-schmack" und der Vergleich mit der TeltowerRübe legen es nahe, dass mit der "Nürnberger"hier die Bayerische Rübe gemeint ist. 23 zur Person von MARPERGER (1656-1730):Kgl.-polnisch und chur-sächs. Hof- und Com-mercien-Rath, in Nürnberg aufgewachsen,studierte in Altdorf Jura, später als Handlungs-gehilfe in Lyon, dann an vielen Orten, ab 1724in Dresden. Sein Dictionarium ist eines derersten alphabetisch geordneten Werke derdamals überaus beliebten Hausväterliteraturmit überwiegendem Kochbuchanteil.

Samensurium 12/2001 - 43 -

Page 10: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

QUELLE 12HAGGER, CONRAD: Neues Saltzburgisches Koch-Buch, Augsburg 1719; Reprint München (Heimeran)1977

Dritter Theil, 2. Buch: Von allerhand Geflügel-SpeisenNo. 52 [S.110] Wachteln in Scher-Ruben zukochen.

Nimm die Scher-Ruben / melbige sie ein/ und bache sie aus heissem Schmaltzschön braun; röste die Wachteln mit[S.111] wenig Meel im Butter und klei-nem Speck / lege die Ruben letzlichauch darzu / gib Fleischbrühe / Zimmetund wenig Zucker darain / laß zugedecktwohl kochen / und gibs warm.

Vierdter Theil. Anderes Buch [separat pagi-niert], handelt von allerhand Meel-Speisen /von glaten und ausgeloffenen Müssern / vonSchmaltz- und Ofen-Gebäch / von Kräuter-Speisen und Saläten / wie von allerhand Früch-ten / kalten / oder gesulzten MilchenDas Siebende Capitel: Von allerhand Kräutern /Ruben / Wurtzen / Zwibel / Schwammen / undandern Erd-Gewächsen / auch von Erbsen /Bohnen / und andern Hülsen-Früchten / mitangehengten Saläten.No. 109 [S.199]. Scherr-Rüblein zu kochen.

Rüblein / die Bayerische / oder Scherr-Rüblein genannt: Diese werden gebutzt /ein wenig gesaltzen und eingemeelbt /und Liecht-gelb braun aus Schmalz ge-bachen / dann mit Wasser / Fleisch-oder andrer Brühe / wenig Pfeffer /Zucker und Zimmet gar gekoch / gibs mitkurtzer Brühe.

No. 110. Scherr-Rüblein anderst zu kochen.Dito gebutzt / und mit Wasser / oderFleischbrüh zugesetzt / dann mit Zwibel /wenig Pfeffer / und geriebnen schwart-zen Brod eingebrennt / und kurz einge-sotten / so seynd sie auch gut.

No. 111. Dito gebräunter.Dito / dergleichen Rüblein gebutzt / ein-gemeelbt und gebachen / seyn köstlich /gekocht mit guter brauner Jus, aber gibacht / daß sie nicht versaltzen werden.

QUELLE 13ERNA HORN: Bayern tafelt, 1980: 233, teilt imKapitel “Armenküche” ein Rezept mit Bayeri-schen Rüben aus der Zeit um 1800 mit, ohnedas Kochbuch zu nennen, aus dem das Rezeptentnommen wurde:

“Schmalzet”: Das sind bayrische Rüben,auch Stoppelrüben oder Teltower Rüb-chen genannt. Für etwa 500 g geschälteund in Stifte geschnittene Rübchenschmort man 2 Eßlöffel Zucker mit Fettgoldbraun, gibt die Rüben dazu, gießtmit etwas Wasser auf und würzt mitSalz, ein wenig Senf und Pfeffer undschmort die Rübchen darin weich. DieSauce soll braun und gut süß sein. Manstreut zuletzt noch Petersilie darüber”.

QUELLE 14Neben den Zubereitungsvorschriften ist an die-ser Quelle besonders interessant, dass hierfestgehalten wird, dass die Bayerische Rübeoffenbar auch in Bamberg angebaut wurde, dieüber Nürnberg gehandelte Ware aus dem Re-gensburger Raum aber von besserer Qualitätist.KLIETSCH, HEINRICH - SIEBELL, JOHANN HERMANN:Vollständiges und allgemeinnützliches BambergerKochbuch, worin mannichfaltige Speise-Zubereitungvorkommt immer für zwölf Personen und zwar fürherrschaftliche und bürgerliche Tische, fernerbesonderer Anhang von dem Wichtigsten undNützlichsten der Conditorey, mit einem Wörterbuchüber die Kochkunstausdrücke (Bamberg 1805),Nachdruck (= Klassische Kochkunst, 5), München(Richter) 1983, (2 Teile) 376 + 307 S.

VII. Art und Weise die Gemüse gut zu zurichtenNro. 29 [Teil 1: 199] Baierische Rüben aufhutenische Manier.

Von den Regensburger-Rüben, welcheauch in Nürnberg zu haben sind (dieeinheimischen kochen sich nicht so gut)putze 6 starke Hände voll sauber, undwasche sie im frischen Wasser aus;dann schneide sie länglich in der Mittevoneinander. Nimm 2 Loth Zucker und 4Loth Schmalz in einen Tiegel oder einKastrol, laß den Zucker etwas braunwerden, lege die Rüben hinein, undrühre sie ein Paarmal herum; dannschütte die Rüben sammt dem Saft ineinen Hafen, und gieß 3 Viertelmaß fetteBouillon daran; gieb auch 6 Nägeleindarein, laß sie ganz weich kochen, nimmdas Fett ab, lege in einen Tiegel 3 LothButter und 1 Loth Zucker, laß denZucker gelb werden, gieb einen Kochlöf-fel voll Mehl darein, röste aber das Mehlso braun, als wolltest du eine schwarzeKarpfensauçe machen, gieb die Rüben

- 44 - Samensurium 12/2001

Page 11: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

sammt dem Saft hinein, und laß sie nocheine Viertelstunde lang kochen.

Nro. 217 [Teil 1: 217] Baierische Rüben nachhiesiger Art, bürgerlich.

Schäle oder schabe 24 oder baierischeRüben ab, schneide sie einen guten hal-ben Fingers lang und eines halben Fin-gers dick, und wasche sie aus. Dann le-ge in einen Tiegel oder ein Kastrol 6Loth Schmalz und 3 Loth Zucker, laßden Zucker etwas gelb werden, legedann die Rüben darein, und gieb etwasSalz und eine halbe Maß fette Bouillondazu.Macht man sie auf einen Fasttag, sonimmt man Statt der Bouillon Erbsen-brühe, und noch 2 Loth Schmalz mehr,als zuvor. Sind die Rüben weich undkurz (so daß nicht viel Saft mehr daranist) gedämpfet, so stäube einen Koch-löffel voll Mehl daran, und mache eswohl untereinander. Gieb noch eine Vier-telmaß Schü oder Bouillon dazu, und laßes noch ein wenig einkochen. Statt desMehles kann man von der angesetztenCoulis daran geben, so werden die Rü-ben noch besser. Zu dem Gemüse kannman Schinken als Beylage geben, auchSchweinskarbonnade, wie auch halbge-räuchertes Hammelfleisch.

Nro. 89 [1. Teil: 245f] Baier'sche Rüben mitKastanien.

Schneide die Rüben, wenn sie saubergeputzet sind, in eine Form schön gleich,z.B. eines halben Fingers lang und eineskleinen Fingers dick. Laß 3 Loth Zuckermit 3 Loth Butter zergehen, und gieb dieRüben hinein, hernach lege ein Halb-pfund Kastanien, welche zuvor gesotten[S.246] und abgeschälet sind, dazu, giebauch ein Halbmaß fette Bouillon daran,wie auch 2 Schweinsfüße und 2 Ohrendazu, welche aber erst im Salzwasserhalb abgesotten, und in kleine Stückegeschnitten werden; brate 6 Bratwürste,schneide sie hernach in kleine Stück-chen, und gieb sie auch darunter. Nimmdas Fett wohl davon, und richte sie in ei-nen Topf oder in eine Schüssel sammtdem Fleisch an.

QUELLE 15Zur Beobachtung der Lebensverhältnisse derUntertanen mussten, durch entsprechende Er-lasse aufgefordert, die Amtsärzte an die Zen-

tralregierungen Bericht erstatten. 1808 äußertesich der Landsberger LandgerichtsphysikusWINTERHOLLER in seinem Bericht24:

"Von Gemüsearten wird nichts gebautaußer Kopfkraut, weiße- und bayerischeRüben."

QUELLE 17ANONYMA: Baierisches National-Kochbuch, oder diegesammte Kochkunst, wie sie in Baiern ausgeübtwird, für herrschaftliche und bürgerliche Kücheneingerichtet, und so deutlich und faßlich beschrie-ben, daß Jedermann dieselbe in kurzer Zeit gründ-lich erlernen kann. Ein nothwendiges Handbuch fürFamilien, insbesondere für Hausfreuen, Töchter undKöchinnen, München 1824; Reprint Pfaffenhofen(Ludwig) 1980, 468 S.

[S. 50f; Nr.] 117. Baierische Ruben.Man schabet die Ruben, wäscht sie ab,setzt sie mit [S.51] guter Fleischsuppe,einer schwarzen Brodrinde, etwas Salzund allenfalls mit ein paar Schweins-füßen zum Feuer, und läßt sie sieden bissie weich sind. Jezt thue man einen hal-ben Vierling Butter oder besser Gansfettin einen Tiegel, röstet damit einen Löffelvoll Mehl braun, thut eine Handvollschwarzes geriebenes Brod dazu, undläßt es mitrösten, schüttet die Rubensammt der Brühe darein, läßt es aufko-chen und giebt es auf den Tisch.

Es gibt Hinweise in den Quellen, dass es einenAnbau der Bayerischen Rübe vielleicht im El-sass und in der Gegend von Tübingen gab,insbesondere aber in Bayern: Augsburg (Jettin-gen), Nürnberg, Dachau, Regensburg (Pfatter)und Deggendorf gegeben hat. Aber zu Beginndes 19. Jahrhunderts, wenn die Literaturlagedichtere Informationen erwarten lässt, fehlendiese. Es scheint zwei Interpretationen dafür zugeben:− Entweder war der Anbau auch in der Ver-

gangenheit immer nur ein lokaler; und mankönnte in diese Interpretation die Tatsachehereinziehen, dass die Bayerische Rübenur auf leichteren Böden, vornehmlich inFlußniederungen angebaut wurde, nichtaber auf den bindigen Lössböden.

24 BayHStA, GL 2043, Topographie LG LL,1808, zitiert nach BECK 1986: 168 n. 126; s.auch KAMMERMEIER 2001 (im Erscheinen).

Samensurium 12/2001 - 45 -

Page 12: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

− Oder aber man begründet dies mit einenrücklaufigen Anbau ab dem Ausgang des18. Jahrhunderts.

Ob man sich zwischen einer dieser Variantenüberhaupt entscheiden muss? Tatsache jeden-falls ist, dass im frühen 19. Jahrhundert einer-seits die Bayerische Rübe an bestimmten Or-ten unzweifelhaft angebaut worden sein muss,sie jedoch andererseits auch bei systemati-schen Nachforschungen nicht aufgefundenwurde:− In der KRÜNITZschen Ökonomischen En-

cyklopädie (292 Bände, 1773-1885, fortge-führt von J. W. D. KORTH) werden 1820 fürdie Gliederung der Speiserüben drei Grup-pen gebildet: die runden Rüben, die langenRüben, die Märkschen Rüben. In der letz-ten Gruppe findet sich dann eine schwarz-häutige Form: "a) Die Steckrübe, Stickel-rübe, Brassica rapa napus sativa radicenigra". Weitere Angaben folgen nicht (auchnicht im Kapitel über den Anbau), währendbei den eigentlichen Märkschen Rüben dreiweitere Sippen unterschieden werden undausführliche Informationen über Anbau undVermarktung folgen: "α) Die Teltower Rü-ben, β) Die Freyensteinischen Rüben[Freienstein in der Priegnitz], γ) Die Carbi-schen Rüben. [Carbe in der Neumark]. Vondiesen drei Sorten sind die Teltower diebesten und wohlschmeckendsten"25. - DieBayerische Rübe fehlt.

− Auch AUGUSTIN PYRAMUS DE CANDOLLE,der die erste botanische Monographie überden Kohl und die Rettiche schrieb (Paris1822; deutsche Übersetzung 1824), kanntesie nicht. Unter Brassica rapa notierte er,dass er weder unter den abgeplattetennoch unter den längliche Rüben jeschwärzliche Formen gesehen habe, hältaber längliche schwärzliche Formen alsParallelvariation zu den bei älteren Schrift-stellen erwähnten abgeplatteten Formenfür möglich26.

− Der Großherzoglich Badische Garten-inspektor JOHANN METZGER, der 1833seine Monographie der kultivierten Kohl-arten publizierte, hat die Bayerische Rübeebenfalls nicht gekannt, obwohl er sich

durchaus um die schwarzen Formen derSpeiserübe bemühte27.

− Bis zur Publikation seiner Landwirtschaft-lichen Pflanzenkunde 1841 war ihm aberoffenbar doch wenigstens der Name derBayerischen Rübe bekannt geworden. Beiseiner Gliederung der Speiserüben (Bras-sica rapa esculenta D.C. mit den Haupt-gruppen: A Lange Rüben, B Runde Rüben,C Teltowerrübe) führt er als Synonyme zurTeltowerrübe an: "Berliner, Märkische,Baierische Rübe in Deutschland; Stickel-rübe bei Erfurt"28. METZGER kennt aberoffenbar nur die Teltower, denn alle Infor-mationen, die er zu Aussehen und Anbaudieser Gruppe der Speiserüben bietet,handeln nur von ihr [= QUELLE 21].

− Auch FRIEDRICH ALEFELD steht mit seinerLandwirthschaftlichen Flora von 1866 indieser Tradition: "Brassica rapa teltovien-sis, n. Teltower Weisserübe. (Kleine Berli-ner Rübe, Nois[ette]. Märkische Rübe,Whistling. Baierische Rübe, in Franken;Teltower Rübe in Berlin &c.)"; und auchseine Angaben zu Aussehen, Geschmackund Anbau beziehen sich nur auf die Tel-tower Rübe29 [= QUELLE 24]

27 METZGER 1833: 55f. Dritte Art. Brassica rapaLinn. Rübe. Zweite Unterart: Brassica raparapifera. Rübe. Erste Spielart. Lange RübeRothschwarze lange Rübe.Schwarze Elsäßer Rübe. [Noisette: Vollständi-ges Handbuch der Gartenkunst, übersetzt vonSigwart, pag. 141.c]Schwarze Winterrübe. [Verhandlungen desVereins zur Beförderung des Gartenbaues5/1928: 72]Schwarze wurzliche Rübe. [Miller: Gärtner-Lexicon, III.772]Diese Spielart, die ich unter dem Namenschwarze französische Rübe von Tübingen be-zogen habe, ist wenig bekannt und soll nachder Angabe Millers in England angebaut wor-den seyn. In Berlin hat man kürzlich Anbauver-suche mit dieser Rübe gemacht und deren Ge-schmack sehr gut gefunden.Als Dritte Spielart wird S.56 die Kleine länglicheRübe (Teltowerrübe) aufgeführt.28 METZGER 1841: 1033.29 ALEFELD 1866: 249. "Wurzel oft nur dau-mendick, fingerlang, gelblichroth, mit hartemfeinem süssem Fleische. - Der Name nachdem Dorfe Teltow bei Berlin; diese artet an je-

25 KRÜNITZ 1820: 128: 158ff (Stichwort Rübe);Klassifikation S. 160-162; Anbauinformationenüber die Märkschen Rüben S. 175ff.26 CANDOLLE 1824: 31-34.

- 46 - Samensurium 12/2001

Page 13: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

− DIERBACH gibt in seiner 1836-1839 er-schienen ökonomischen Botanik reichereInformationen, aber auch er hat die vonihm "Kern-Rübe" genannte Bayerische Rü-be offenbar selbst nicht gesehen. Für dieseInterpretation jedenfalls spricht, dass er zuihrer Beschreibung zwei Quellen zusam-menklittert (s. Quelle 20).

QUELLE 20DIERBACH, JOHANN HEINRICH: Grundriss der allge-meinen ökonomisch-technischen Botanik, odersystematische Beschreibung der nutzbarstenGewächse aller Himmelsstriche. Ein Handbuch füralle Freunde des Pflanzenreichs, 2 Bde. [mehr nichterschienen], Heidelberg (Gros) 1836-1839

Brassica Rapa Schübler & Martens...zweite Gruppe: Brassica rapa, radicefusiformi [S.419-423][S.421] Man kann zwei Hauptformen derSteckrübe unterscheiden:a) Weisse oder gelbliche...b) Braune oder schwärzliche. Dahin ge-hört die Rübe von Saulieu, die sehr langund dünne ist, die von Baubry, von derDicke eines Federkiels, lang und braun,die von Cherouble, der vorigen ähnlichaber etwas dicker, sie werden besondersin der Gegend von Lyon sehr ge-schätzt30.Dahin gehört die Kern-Rübe, nach REUM

so gross wie kleine Möhren, bräunlich,sehr wohlschmeckend und süss, wennsie in sandigem Boden gezogen werden.Diese braune Rübchen baut man auchum das Städtchen Leipheim an der Do-nau und bei Pfätter [Pfatter bei Regens-burg].

QUELLE 16Der letzte Satz über den Anbau bei Leipheimund Pfätter stammt aus einer anonymen Rei-sebeschreibung von 1818:ANONYMUS: Reise auf der Donau von Ulm bis Wien,mit genauer Angabe sowohl aller Städte, Flecken,Dörfer und Schlösser, die an beiden Ufern liegen,als auch aller Flüsse, die sich mit der Donau verei-nigen, nebst den vorzüglichsten Merkwürdigkeitender einzelnen Orte und Gegenden, Zweite ver-mehrte und verbesserte Ausgabe, Ulm (Ebner)1818, 142 S.

[S.43f] ...und diesem Orte gegenüber istauf einer Höhe das Städtchen Leipheimmit 1250 Einwohnern, die einen gutenFeldbau haben, und sich besondersauch von der Weberei und vom Hopfen-bau nähren [S.44]... Auch baut man hiereine kleine Gattung Rüben, Steckrüben,die eine kleine, derb fleischige, brauneund gewürzhafte Wurzel haben, und un-ter dem Namen Bayerrüben verkauftwerden.[S.72f] 6 Stunden östlich von Regens-burg ist der Marktflecken Pfätter, beiwelchem das Flüßchen gleiches Namensin die Donau fällt. Der Ort hat gegen 700Einwohner und berühmte Bierbrauerei-en; auch baut man hier schmackhafte[S.73] Steckrüben, die unter dem NamenBayerrüben bekannt sind (s. Leipheim).

QUELLE 19Die andere Hälfte der Informationen zur "Kern-Rübe" bezog DIERBACH ausREUM, JOH. AD.: Oekonomische Botanik, oder Dar-stellung der haus- und landwirthschaflichen Pflan-zen, zum Unterrichte junger Landwirthe, Dresden -Leipzig (Arnoldi) 1833, 356 S.

Hier findet sich die Kern-Rübe unter Brassicanapus.

10. Brassica napus L. Rübsen-Kohl(Räps)Die Blüthen ebenfalls in aufrechten Trau-ben, aber mit goldgelben Blumen. DieSchoten walzenförmig und sehr glatt, mitbraunen etwas kleineren Samen. [S.272]Die Blätter glatt, bereift; am Stockleierförmig; oben herzförmig, umfassendund lanzettlich. Der Stengel ästig, grün,öfters röthlich und 2-3' hoch. Die Wurzeldünn und gleichförmig zulaufend.[Hauptsorten]a. Winter-Rübsenb. Sommer-Rübsenc. Kern-Rübe, mit rübenartigen Wurzelwie kleine Möhren, aber bräunlich. DieRübchen sind sehr wohlschmeckend undsüß, wenn sie in sandigem Boden gezo-gen werden. - Einige rechnen auch dieTeltauer Rüben hieher.

QUELLE 18JOHANN ANDREAS SCHMELLER teilt in seinemBayerischen Wörterbuch (2 Bände in 4 Teilen,München 1827-1837; Bd. I: Spalte 280, 443,500, 530, 763; Bd. II: Spalte 11) viele synony-

dem anderen Orte aus, selbst wenn der Bodengleiche Eigenschaften zu haben scheint."30 Keine der erwähnten französischen Sortenfindet sich bei VILMORIN-ANDRIEUX 1925.

Samensurium 12/2001 - 47 -

Page 14: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

me Bezeichnungen für die Bayerische Rübeaus der Zeit um 1827 mit. Leider war zu seinerZeit die taxonomische Zuordnung zwischenden Raps-Rüben (Brassica napus L. ssp. rapi-fera METZG.; Syn. var. napobrassica (L.)RCHB.) und den Rübsen-Rüben (Brassica rapaL. ssp. rapa) in der botanischen Literatur nichteinheitlich. So wird von ihm die Zuordnung zwi-schen ssp. rapa und ssp. rapifera oft vermengt.Er ist unsicher und schreibt II.11:

“Hie und da wird die Rueb, der Räben(brassica rapa) entgegengesetzt und zu-nächst für brassica napus gebraucht, imDurchschnitt aber ist jenes [er meintwohl Brassica napus!] der allgemeineName, der durch Beisätze näher be-stimmt wird: die bayerische, die Fäsel-,die klaine, die lange Rueben - oder dasDarr-, das Dilen-, das Pfätter- oderPfäter- Rueblein, die Scher - Rübe,Steckrübe, brassica napus" [Irrtum !].Weiter unten, II.11: “Die Schwaben-Rueben in einer Anspacher Tax Ordungvon 1708 sind vielleicht brassica rapa,da die bayrischen brassica napus sind"[Irrtum !].

SCHMELLER hat sich bei er Zugehörigkeit derBayerischen Rübe irrtümlich für Brassica napus(Raps) entschieden. Die Schwaben-Rübe inder Ansbacher Tax-Ordnung ist in Form undAussehen wohl eine Bayerische Rübe. Damitwäre der Anbau auch in der Gegend um Ans-bach in Mittelfranken belegt.Die Fäsel-Rübe wird noch einmal erwähnt (Bd.I, Spalte 763):

“Die Fäslein - Rueben, Fasl - Rueben,die Steck - Rübe (Gfatta R. = Pfatter -R., baierische R.), brassica napus L.[Irrtum!]. Wahrscheinlich von den vielenWurzelfasern also genannt. Nach eineralten Bauernregel wird der Winter um sostrenger, je mehr Fäserchen im vorher-gehenden Herbste diese Rüben haben”.

Die Bayerische Rübe fand also Eingang in dieBauernregeln der Gegend zur Vorhersage derStrenge des Winters. Ein weiterer Beweis, dassder Anbau sehr verbreitet gewesen sein muss!

“Die Barschen, die Steckrübe, brassicanapus [Irrtum !], auch Bayerische Rübegenannt” (Bd. I, Spalte 280).

Steckrübe ist heute eine Bezeichnung für dieKohlrübe (Brassica napus L. ssp. rapiferaMETZG.). Sie wird im Garten vorgezogen undgesteckt, in das Feld ausgepflanzt. Damals

wurde Steckrübe auch für Bayerische Rübengebraucht.Leider wird auch in der Überarbeitung des Bei-trags "Barsche, Basche" in der Neuauflage vonSCHMELLER 1827 durch JOSEF DENZ (Kom-mission für Mundartforschung, München) dieBayerische Rübe Brassica napus zugeordnet:

“Barsche, Basche: 1. Rübe. - 1a). Stop-pelrübe (Brassica rapa) °OB (Ober-bayern) (v. a. FS (Freising), EBE (Ebers-berg), ED (Erding) mehrfach: °Baschn,weißfleischige Rüben mit schwarzerHaut; Anzing EBE. - Ra.: “°do kannt maBaschn obaun, wenn einer schmutzigeOhren hat” 1b) Kohlrübe (Brassicanapus) °NB vereinz.: °göstan hama döBarschn geschtöckt Wimm PAN (Pfarr-kirchen); Die Barsche(n), Steckrübe ...auch bayerische Rueben genannnt,Schmeller I, 280; Barsche(n) L. Zehet-ner, Bair. Deutsch, München 1997, 56.”

SCHMELLER 1827: Bd. I, 443: “Die Pfoschen(Nürnberg, Hsl.) 1) die Scherrübe, Steck-rübe, brassica napus (nach Dr. Kittel inErlangen: Erddotschen (= Kohlrübe), s.d. W.). Aus der Vergleichung mit Bar-schen und bayrische Rueben möchteman hier eigentlich Pforschen und eineVerwandtschaft aller drey Ausdrückevermuthen...“Die Pfäter, Flüßchen, das unter (östlich)Regensburg in die Donau fällt; Ortschaftan dieser Mündung. ... Die Pfäter - Rue-ben, Steckrübe, brassica napus (Irrtum!).Diese Art Rüben sollen in dieser Gegendanfangs am häufigsten gebaut und, ge-trocknet, von da verführt worden sein”.

Hier berichtet SCHMELLER erstmals, dass dieBayerische (Pfatter) Rübe, wohl wegenschlechter Haltbarkeit im Winter, auch getrock-net wurde. Im Bd. I, 500, erfahren wir darübermehr:

“Diln - Batzln, (Baur) Schnittchen vonStoppel - Rüben, auf dem (Dach)- Bodenüber einer geheizten Stube getrocknet”.Bd. I, 530: “Därr - Rüeblen, gedörrteSteckrüben” [Der Ausdruck Steckrübenwurde auch für Bayerische Rüben ge-braucht, s.o.].

Diese Mitteilungen von SCHMELLER erhärteneinen Archivbeleg bei der Kommission fürMundartforschung in München (Brief von Dr. J.DENZ vom 6.9.1999) in einem Austragbrief,

- 48 - Samensurium 12/2001

Page 15: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

mitgeteilt von einem Mundartsammler aus demAmtsbezirk Erding (östlich von München):

“3 Schilling Air [Eier], jährlich 1/2 Metzengedärte [getrocknete] Parschen[Bayerische Rüben], der dritte TheilObst”.Der Archivar hat damals vermerkt:"Barschen bedeute zwar Bayerische Rü-ben, doch die könnten nicht gedörrt wer-den!"

Mit diesem Hinweis ist auch gleichzeitig derAnbau der Bayerischen Rübe in der Gegendum Erding belegt.SCHMELLER 1827-37, Bd. II, 11: In der Küchewurden die kleinen Rübchen nicht geschält,sondern nur geschabt. Dieser Arbeitsvorgangdes Schabens wurde mit den beiden Zeigefin-gern nachgeahmt um einen Franken zu ver-spotten, wie Schmeller, 1827, mitteilt:

“Ein Rüeblein schaben Einem (Franken)ihm zum Spott den Zeigefinger der lin-ken mit dem der rechten Hand streichen.Zeitschr. VI, 469,77"

Weitere Details über die Anbaugebiete derBayerischen Rübe erfährt man aus der lokalengartenbaulichen Literatur und der Lokal-Flo-ristik; auch in LIDLs Beschreibung der "land-wirthschaftlichen Zustände der fruchtbaren Do-nauebene Niederbayerns" von 1871 wird dieBayerische Rübe für Deggendorf erwähnt (=QUELLE 25).

QUELLE 22KÖLLE, Gebrüder (Hrsg.): Der Ulmer Gemüsegärt-ner. Eine genaue Anweisung, alle Gemüse, Salate,Gewürz- und Küchenkräuter zu ziehen; nebst An-hang über Samenzucht, Stuttgart (Hoffmann) 1856,260 S.

[S.99-102]: Rübe (Brassica rapa rapi-fera)Die üblichsten und besten Sorten sind: ...[S.101] Die Regensburger Pfätten,schwarz, klein, länglich

QUELLE 23HUBER, J. CH. - REHM, J.: Übersicht der Flora vonMemmingen, Memmingen 1860, 80 S.

[S. xxi] [als] ''weisse Rübe'' (rapiferaoblonga), vielfach gebaut, ''theils in daszubereitete Brachfeld, theils und zwarhauptsächlich in die Stoppel breitwürfiggesäet und geegget'' (Wachtl.); [als] Tel-tower Rübe, ''baierische Rüble'', hie undda gebaut, z.B. bei Steinheim, jedoch

weniger geschätzt als die oberbayeri-schen.

QUELLE 26HOFMANN, JOSEPH: Flora des Isar-Gebietes vonWolfratshausen bis Deggendorf, enthaltend eineAufzählung und Beschreibung der in diesemGebiete vorkommenden wild wachsenden undallgemein kultivierten Gefässpflanzen, Landshut(Selbstverlag Botanischer Verein) 1883, 377 S.

[S. 25] [gebaut]; Weisse Rübe, von wel-cher wieder zahlreiche Abarten unter-schieden werden: lange und runde;Zwergrübe; Teltower oder bayerischeRübe

QUELLE 27FISCHER, FELICIAN: Flora Mettenensis, 3 Teile (=Beilage zum Jahres-Bericht der Studien-AnstaltMetten für 1882/83, 1883/84 und 1884/85), Lands-hut (Thomann) 1883, 1884, 1885, 202 S.(zusammenhängend paginiert)FISCHER 1883-85: 35

[S. 35; angeführt] und zwar α communisgemeine Rübe, Weißrübe, Wasserrübe,Tellerrübe, Ackerrübe, Brach-, Stoppel-,Herbst-Futterrübe und β Steckrübe,Stickelrübe, märkische und bayrischeRübe (Die Wurzel der gemeinen Rübeist officinell und wird äußerlich beiBrandschäden, innerlich als Absud oderSaft bei Halsentzündungen, Husten u.dgl. gebraucht.)

QUELLE 28WEINHART, MAX - LUTZENBERGER, HEINRICH: Flora vonAugsburg. Übersicht über die in der Umgebung vonAugsburg wildwachsenden und allgemein kultivier-ten Phanerogamen nebst den Gefäßkryptogamen. -33. Bericht des naturwissenschaftlichen Vereins fürSchwaben und Neuburg (a. V.), Augsburg(Pfeiffer)1898, S.241-381

[S. 274] angebaut [als] Stoppel-, Was-ser- oder weisse Rübe und [var.] telto-viensis ALF., bayerische oder Teltower-rübe

QUELLE 31Die sortenkundliche Literatur des 20. Jahrhun-derts setzte die von METZGER und ALEFELD be-gonnene Tradition fort: Notieren des Namens,Einordnung unter die Teltower Rübe, keinedirekte Kenntnis der Sippe.BECKER-DILLINGEN, J.: Handbuch des GesamtenGemüsebaues einschließlich des Gemüsesamen-baues, der Gewürz-, Arznei- und Küchenkräuter.

Samensurium 12/2001 - 49 -

Page 16: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

Auf praktisch-wissenschaftl. Grundlage unter bes.Berücksichtigung exakter Pflanzenzüchtung, 1.Aufl., Berlin (Parey) 1924, 1065 S., 263 Abb.

[S. 409] Lange nach unten in den Bodenwachsende Sorten. Brassica rapaoblonga.[Gruppe] Weißfleischige HerbstrübenTeltower (Bayerische Rübe, Ittinger Rü-be, märkische Rübe), gedeihen nur insandigen Böden. Die Rüben sind klein,langestreckt und sehr früh.

QUELLE 32In der zweiten Auflage von 1929 (S. 352)rückte BECKER-DILLINGEN von dieser einfachenSynonymisierung ab:

Herbstrüben, lange SortenÄhnlich [der Teltower Rübe] sind dieIttinger-, die Nürnberger-, die BayerischeRübe (schwarzrindig).

QUELLE 33Dann aber muss er bei seinen Nachforschun-gen auch auf lebende Exemplare gestoßensein.BECKER-DILLINGEN, J.: Handbuch des gesamtenGemüsebaues einschließlich der Gewürz- undKüchenkräuter, Berlin - Hamburg (Parey), 5. Aufl.,1950, 856 S.

[S. 388] Bayerische Rübe (NürnbergerRübe, Itlinger Rübe), wohl verwandt deralten französischen Sorte Navet gris deMorigny31, navet Mannetot, n. Mallot.32

Wenn Herkunft gut, eine ganz ausge-zeichnete und sehr haltbare Speiserübefür Winterbedarf, die die Teltower über-trifft. Wuchsform aufrecht. Blatt stark zer-teilt, Blattmasse reichlich, Blattrand ge-kerbt. Rübe halblang, 15-18 cm lang, 5cm im Durchmesser; Fleisch weiß, nichtzerkochend, sehr würzig. Rinde grau.

QUELLE 34HEGI, GUSTAV (Hrsg.): Illustrierte Flora von Mittel-Europa, 2. Aufl., Bd. 4, 1.Teil: Dicotyledones, Mün-chen (Carl Hanser) 1958.

BILD (s. oben S.35)(S. 455, Fig. 264) Vergleichende Gegenüber-stellung der Bayerischen und Teltower Rübe: d= Jettinger (= Bayerische) Rübe, e = TeltowerRübe.

[S. 457] “Besondere Rassen von kleinenRüben mit geringen Wassergehalt, aberviel Stickstoff und Stärke mit ausgepräg-tem Geschmack werden als Wurzelge-müse kultiviert. Etwa zylindrische Gestalthat die braune Jettinger Rübe (= Baye-rische Rübe), benannt nach Jettingen ander Mindel. Schlank spindelförmig ist dasbraune Teltower Rübchen, benannt nachder Stadt Teltow, südlich von Berlin, aufdem Teltow, einer diluvialen Hochflächeaus Geschiebemergel, Geschiebelehmund Sand, deren Boden sich für diegleichmäßige Beschaffenheit dieserSorte als besonders geeignet erwiesenhat. Angeblich ist auch die SellrainerRübe aus Sellrain- und Gschnitz-Tal inTirol dasselbe."

Dann verschwindet die Bayerische Rübe ausder Kulturpflanzenkunde, aus der sortenkund-lichen und gartenbaulichen Literatur.Aber auch aus der Kochbuch-Literatur wird sieverabschiedet. Um 1900 war sie noch präsent:QUELLE 29HUBER, JOSEFINE: Neues illustriertes Universal-Kochbuch für bürgerliche und herrschaftliche Haus-haltungen mit besonderer Berücksichtigung deraltbayerischen und österreichischen Küche. 2280Orginal - Rezepte nach vieljährigen praktischenErfahrungen, Straubing (Cl. Attenkofer) 1907

S. 148, Nr. 487: “Bayerische Rüben:Man schabt die Rüben rein, schneidetdie größeren entzwei, die kleineren aberwerden ganz gelassen, dann macht manin einem Tiegel Schmalz heiß, bräuntdarin gestoßenen Zucker, gibt die Rü-

31 ALEFELD 1866: 248: Brassica rapa mo-rignyana, n. Morigny-Weisserübe. (Graue vonMorigny, Nois[ette]. Grauhäutig, beim Kochenhalb zerfallend, also die Mitte haltend zwischenden hart- und weichfleischigen.32 BECKER-DILLINGEN bezieht sich hier offen-sichtlich auf VILMORIN-ANDRIEUX 1925: 455:Navet gris de Morigny. Synonymes: Navet deMaratot, N. Mannetot, N. Maltot.Racine très longuement ovoïde, sortant deterre de 0m2 à 0m03 seulement, langue de 0m5à 0m18 sur 0m05 de diamètre à l'endroit le plusrenflé, vers le quart ou le tiers de la longueur;peau assez lisse, gris de fer ou ardoisée. Chairblanche, assez tendre et sucrée. Feuillagemoyen, demi-dressé, d'un vert franc.Le Navet gris de Morigny assez précoce, estune bonne variété potagére. Fait un peu tardi-vement, il peut se conserver en terre assezavant dans l'hiver au moyen d'une couverturede paille ou de feuilles sèches.

- 50 - Samensurium 12/2001

Page 17: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

ben, welche man zuvor aus warmemWasser gewaschen hat, hinein, gießtetwas Suppe hinzu und dämpft selbeweich, röstet ein wenig Mehl mit einemStück Butter gelb, gibt dieses an die Rü-ben und kocht sie, bis sie wenig Brühemehr haben, ein, oder man staubt sieund läßt sie anziehen und füllt Fleisch-suppe hinzu. Noch besser sind sie, wennman Schwein- oder Schaffleisch mitdenselben dünstet”.S. 149, Nr. 488: “Bayerische Rüben inBier gekocht: Man schabt die Rübenrein, wäscht sie, legt sie in einen Tiegel,der mit diesen Rüben bis an den Randvoll wird, gießt dann braunes Bier, inwelches noch kein Hopfen gekommenist, dazu, setzt es zum Feuer und schüt-tet beim Einsieden wieder Bier nach.Wenn sie weich gesotten sind, legt manFett und ein Stück Zucker dazu unddünstet sie auf die nämliche Art braunwie die weißen Rüben. Sehr gut!”.

In diesem Rezept wird erstmals erwähnt, dassfür das Gericht auch Bier verwendet wordenist.

QUELLE 30ANONYMA UM 1920: Kochbuch der Haushaltungs-Kursistinnen von den Dominikanerinnen im KlosterSchlehdorf (Selbstverlag: Schlehdorf Postf. 8118)um 1920

S.27; Nr. 116 “Bayerische Rüben: Diekleinen, festen Rübchen werden abge-schabt, gewaschen und mit etwas Fettoder Butter und Fleischbrühe weich ge-dünstet. Hin und wieder kann man stattFleischbrühe etwas Bier nachgießen.Sind sie gut weich, so gibt man sie inbraune Soße und läßt sie gut aufko-chen.”

Das in Bayern auch heute noch am weitestenverbreitete Kochbuch von MARIA HOFFMANN

enthält in der 43. Auflage von 1974 kein Ge-richt mehr zur Bayerischen Rübe. Das sehrähnliche Teltower Rübchen erschien dem Be-arbeitet jedoch mitteilenswert, in Beispiel nurdafür, dass das Teltower Rübchen überlebt hatwährend die Bayerische Rübe in Vergessenheitgeriet.

“Teltower Rübchen: Teltower Rübchenwaschen, putzen, nochmal kurz wa-schen, kleine ganz belassen, größerehalbieren. Zucker in Fett bräunen wie zu

Karamel, Rübchen zugeben, darin wen-den, mit wenig Brühe ablöschen, salzen,Rübchen zugedeckt bei mäßiger Hitzegar dünsten, bei Bedarf wenig Flüssig-keit zugeben, zuletzt abschmecken.Rübchen sollen zuletzt ohne Brühe seinund wie glasiert aussehen. Garzeit jenach Größe der Rübchen 30 - 45 Minu-ten. Beliebt zu Hammelbraten. Zutaten:3/4 - 1 kg Teltower Rübchen; zum Dün-sten: 30-40 g Fett; 2 Eßlöffel Zucker, et-wa 1/4 l Brühe, Salz”33.

Literatur:ALEFELD, FRIEDRICH: Landwirthschaftliche Flora oderdie nutzbaren kultivirten Garten- und FeldgewächseMitteleuropa's... [Berlin (Wiegandt & Hempel) 1866],unveränderter Nachdruck mit einer Einführung vonJohannes Helm, Königstein (Koeltz) 1966, 363 S.

ANONYMUS: Kleine Mitteilungen: Küchenzettel zueiner Hochzeit im Jahre 1584. - Bayerland, Heft 3,1892, S. 322.

BAUMANN, BRIGITTE - BAUMANN, HELMUT - BAUMANN-SCHLEIHAUF, SUSANNE: Die Kräuterbuchhandschriftdes Leonhart Fuchs, Stuttgart (Ulmer) 2001, 504 S.

BECK, RAINER: Naturale Ökonomie: Unterfinning.Bäuerliche Wirtschaft in einem oberbayerischenDorf des frühen 18. Jahrhunderts (= BayerischesNationalmuseums München, Forschungshefte, 11),München - Berlin (Deutscher Kunstverlag) 1986,260 S.

BECKER-DILLINGEN, J.: Handbuch des gesamtenGemüsebaues einschließlich des Gemüsesamen-baues, der Gewürz-, Arznei und Küchenkräuter. Aufpraktisch-wissenschaftlicher Grundlage unterbesonderer Berücksichtigung der Pflanzenzüch-tung, 2. Aufl., Berlin (Parey) 1929, 829 S.

BIRLINGER, ANTON: Kalender und Kochbüchlein ausTegernsee. - Germania 9/1864: 192-207

CANDOLLE, [AUGUSTIN PYRAMUS DE]: Die verschiede-nen Arten, Unterarten und Spielarten des Kohls undder Rettige, welche in Europa erbauet werden. Ausdem Französischen, von C[arl] F[riedrich] W[ilhelm]Berg, Leipzig (Baumgärtner) 1824, 52 S. [frz. Origi-nalausgabe: Mémoire sur les différentes espèces,races et variétés de choux et de raiforts cultivés enEurope, par M. de Candolle, Paris (Huzard) 1822]

CANDOLLE, ALPHONSE DE: Der Ursprung der Kultur-pflanzen [frz. Paris 1883], dt. von E .Goeze (= Inter-nationale wissenschaftliche Bibliothek, 64), Leipzig(Brockhaus) 1884, 590 S. 33 HOFFMANN - LYDTIN 1974: Nr. 757.

Samensurium 12/2001 - 51 -

Page 18: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

COLUMELLA, Lucius Iunius Moderatus: Zwölf Bücherüber Landwirtschaft. Buch eines Unbekannten überBaumzüchtung, lat. u. dt. von WILL RICHTER, Na-mens- und Wortregister von Rolf Heine (SammlungTusculum), 3 Bde., München - Zürich (Artemis)1983

GLADIS, THOMAS - HAMMER, KARL: Die GaterslebenerBrassica-Kollektion. Brassica juncea, B. napus, B.nigra und B. rapa. - Feddes Repertorium 103/1992,S.469-507

HANELT, PETER: Cruciferae. - In: SCHULTZE-MOTEL,JÜRGEN (Hrsg.): Rudolf Mansfelds Verzeichnislandwirtschaftlicher und gärtnerischer Kulturpflan-zen (ohne Zierpflanzen), 2. erw. Aufl., 4 Bde., Berlin(Akademie-Verlag) 1986, hier Bd.1: 272-332

HOFFMANN, MARIA - LYDTIN, HELMUT: BayerischesKochbuch, 43. Aufl., München (Birken - Verlag)1974, 928 S.

HORN, ERNA: Bayern tafelt. Vom Essen und Trinkenin Altbayern, Franken und Schwaben, München(Prestel) 1980, 295 S.

KAMMERMEIER, A.: Von Kraut und Rüben; Amper-land; erscheint Ende 2001 (s. vorläufig seinenAufsatz: Wissenswertes rund um die Rüben;Dachauer Nachrichten, Sonderbeilage, 13.10.1999,Nr. 237: 4-5)

KÖRBER-GROHNE, UDELGARD: Nutzpflanzen inDeutschland. Kulturgeschichte und Biologie, 2.Aufl., Stuttgart (Theiss) 1988, 490 S.

KRÜNITZ, JOHANN GEORG: Ökonomische Encyklopä-die oder allgemeines System der Land-, Haus- undStaatswirtschaft in alphabetischer Ordnung, fortge-führt von J. W. D. KORTH, 292 Bände, Berlin 1773-1885, hier Bd. 128 (1820): 160-162

LIDL, M.: Die landwirthschaftlichen Zustände derfruchtbaren Donauebene Niederbayerns; Straubing,1871

LIPPMANN, EDMUND O. VON: Geschichte der Rübe(Beta) als Kulturpflanze, von den ältesten Zeiten anbis zum Erscheinen von Achard's Hauptwerk(1809). Festschrift zur 75jährigen Bestande desVereins der deutschen Zuckerindustrie, Berlin(Springer) 1925, 184 S. [Reprint Vaduz, mit demNachtrag von 1934, 235 S.]

LIPPMANN, EDMUND O. VON: Nachträge und Ergän-zungen zu der Festschrift: Geschichte der Rübe[Beta] als Kulturpflanze. - Zeitschrift des Vereins derDeutschen Zucker-Industrie 84(technischerTeil)/1934: 15-67

MAYER, CHRISTIAN (ed.): Das Stadtbuch von Augs-burg, insbesondere das Stadtrecht vom Jahre 1276,

Nach der Originalhandschrift zum ersten Male hrsg.u. erl., Augsburg (Butsch) 1872, 363 S.

MAZAL, OTTO: Pflanzen, Wurzeln, Säfte, Samen.Antike Heilkunst in Miniaturen des Wiener Dioskuri-des, Graz (Akademische Druck- und Verlagsanstalt)1981, 103 S.

METZGER, J[OHANN]: Systematische Beschreibungder Kultivirten Kohlarten mit ihren zahlreichenSpielarten, ihrer Kultur und ökonomischen Benut-zung, nach mehrjärigen Anbauungs-Versuchenbearbeitet, Heidelberg (Oßwald) 1833, 65 S. + 1.Tafel

METZGER, J[OHANN]: Landwirtschaftliche Pflanzen-kunde, oder praktische Anleitung zur Kenntniß undzum Anbau der für Oekonomie und Handel wichti-gen Gewächse, 2 Bde., Heidelberg (Winter) 1841,1153 S. (zusammenhängend paginiert)

Monumenta Boica, hrsg. v. der Kgl. BayerischenAkademie der Wissenschaften, Bd. 22, München1814, 773 S.

REINER, LUDWIG: Markenschutz für die BayerischeRübe? Voraussetzungen und Möglichkeiten; Vor-trag: Symposium “Vielfalt auf dem Markt”, 5.-6.November 2001 in Sulingen, Niedersachsen; Infor-mationszentrum Genetische Ressourcen der ZADI,Bonn (erscheint voraussichtlich 2002 in der Schrif-tenreihe des IGR)

RYTZ, WALTHER: Das Herbarium Felix Platters. EinBeitrag zur Geschichte der Botanik des XVI. Jahr-hunderts. - Verhandlungen der naturforschendenGesellschaft zu Basel 44(1)/1933: 1-222

SCHMELLER, JOHANN ANDREAS: Bayerisches Wörter-buch, 4 Teile, München (R. Oldenbourg) 1827-37;Nachdruck München 1983

SCHNEIDER, KARIN: Die deutschen Handschriften derBayerischen Staatsbibliothek München: Diemittelalterlichen Handschriften aus Cgm 888-4000,ed. altera, Wiesbaden (Harrassowitz) 1991

SCHOFER, ULRIKE - DRESSENDÖRFER, WERNER

(Hrsg.): GEORG OELLINGER, Magnarum medicinepartium herbariae et zoographiae imagines: Farb-mikrofiche-Edition des Medizinalkräuterbuchs Ms.2362 der Universitäts-Bibliothek Erlangen-Nürnberg(= Codices figurati - libri picturati, 4), München(Lengenfelder) 1996

VILMORIN-ANDRIEUX et Cie. [ed.]: Les plantes po-tagères. Description et culture des principaux légu-mes des climats tempérés, 4. Aufl. Paris (Vilmorin-Andrieux et Cie) 1925

WEIN, KURT: Deutschlands Gartenpflanzen um dieMitte des 16. Jahrhunderts. - Botanisches Zentral-blatt, Beihefte, Abt. 2, Bd. 31/1914: 463-555

- 52 - Samensurium 12/2001

Page 19: Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene ... · Die Bayerische Rübe (Brassica rapa L. ssp. rapa) - eine fast ausgestorbene Speiserübe Ludwig Reiner, Harry Amon, mit

ZEVEN, A.C. - DE WET, J.M.J: Dictionary of cultivatedPlants and their Regions of Diversity. Excludingmost ornamentals, forest trees and lower plants,Wageningen (Pudoc. Centre for Agricultural Pub-lishing and Documentation) 1982, 259 S.

ZOHARY, DANIEL - HOPF, MARIA: Domestication ofPlants in the Old World. The origin and spread ofcultivated plants in West Asia, Europe, and the NileValley. Third edition. Oxford (UK) Clarendon Press,2000, 316 p.

Internetadressen:http://www.bayerische-ruebe.de

http://www.afg-teltow.de/vereine/afg/ (zum TeltowerRübchen)

Rimmington, G., Porcher, M. H.: Multilingual Multi-script Plant Name Database, 2000;http://gmr.landfood.unimelb.edu.au/Plantnames/Sorting/Brassica_rapa.html; Univ. of Melbourne,Australia

Prof. Dr. Ludwig ReinerDr. Harald Amon

Technische Universität MünchenLehreinheit Ackerbau undInformatik im Pflanzenbau

Lange Piont 5185350 Freising-Weihenstephan

e-mail: [email protected]

Dr. Andreas Emmerling-SkalaOlper Straße 40

57368 Lennestadt

Samensurium 12/2001 - 53 -