Bregenzerwald Spektrum VI

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LÜT & VEAH Wie die Wälder ihre Bauern und ihr Vieh heute sehen Zugestellt durch Post.at ANSICHTEN ZWISCHEN BESTÄNDIGKEIT UND NEULAND #6.10 spektrum bregenzerwald

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regio . tourismus . werkraum . käses trasse . offene jugendarbeit: ansichten zwischen beständigkeit und neuland.

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LÜT & VEAHWie die Wälder ihre Bauern und ihr Vieh heute sehen

Zugestellt durch Post.at

ANSICHTEN Z WISCHEN BES TÄNDIGKEIT UND NEUL AND#6 .10

spektrumbregenzerwald

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2 Bregenzerwald Spektrum

In den bisherigen Ausgaben des „Bregenzerwald Spektrum“ be handelten KäseStrasse, Offene Jugendarbeit, Werkraum, Bregenzerwald Tourismus und die REGIO viele Lebensbereiche des Bregenzerwaldes. Die sechste Ausgabe ist die erste, zu der ich als neue Geschäfts führerin der REGIO Bregenzerwald meinen Beitrag leisten darf. Sie beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen „Lüt & Veah“.

Die Zahl der Landwirte hat in den letzten Jahren auch im Bregenzerwald stark abgenommen. Noch zu Beginn des 20. Jahr­hunderts war Landwirtschaft der Haupterwerb für die meisten Familien. Inzwischen haben Tourismus, Handel und Handwerk mindestens denselben Stellenwert. Auch ich bin nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen. Aller­dings führten meine Großeltern eine Landwirtschaft. So war es mir vergönnt, im Frühjahr jeweils ein oder zwei Wochenenden am Vorsäß zu verbringen. Neben Riebl und Milchmus, das uns Oma gekocht hat, ist mir besonders die Nähe zur Natur und zum Vieh in Erinnerung geblieben. Wir Kinder durften im Stall mithelfen und uns im Melken versuchen und in mir entstand der Eindruck, dass Landwirtschaft

EditorialDaniela Kohler, Geschäftsführerin Regionalplanungsgemeinschaft Bregenzerwald

Herlinde Moosbrugger, Bregenzerwald Tourismus

Renate Breuss, Werkraum Bregenzerwald

Michael Moosbrugger, KäseStrasse Bregenzerwald

Daniela Kohler, REGIO Bregenzerwald

Sarah Berchtold, Offene Jugendarbeit

Bregenzerwald

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3Bregenzerwald Spektrum

Aus dem Wald 4

Titelstory

Nicht rosig, aber aussichtsreich 6

REGIO Bregenzerwald

Turbokuh und Weltkulturerbe 12

Bregenzerwald Tourismus

Schweine aus Amerika 16

Werkraum Bregenzerwald

Der Architekt und die Kuh 18

KäseStrasse Bregenzerwald

Braucht ein guter Käse Hörner? 20

Offene Jugendarbeit Bregenzerwald

Hölzlar oder Nicht-Hölzlar, das ist die Frage 22

F. M. Felder Winkel

Der erste Vieh-Versicherungs-Verein 24

Ziegenzucht

Hier gibt’s nichts zu meckern! 26

Kommentare

Kaspanaze Simma und Thomas C. Jutz 28

Tierbilder

Wie die Kunst auf die Kuh kommt 32

Auf dem Pferd zur kranken Kuh

Ein neunzigjähriger Tierarzt erinnert sich 34

„Wir arbeiten mit bewährten Hausmitteln“

Eine junge Tierärztin erzählt 36

Impressum 38

Inhaltmit viel Mühe verbunden ist. Die tägliche Arbeit mit den Tieren hat aber auch eine ganz besondere Qualität, die für vieles entschädigt.

Gehen die Berührungspunkte der Menschen zum Vieh heutzutage mehr und mehr verloren? Welches Ansehen genießt ein Bauer in unserer Region? Hat Landwirtschaft im Bregenzerwald noch Zukunft? Auf den folgenden Seiten möchten wir dazu anregen, sich zum Thema „Lüt & Veah“ Gedanken zu machen.

Auch wir machen uns Gedanken. Nämlich darüber, ob Ihnen unser Spektrum gefällt, das Sie zweimal jährlich zugeschickt bekommen. Wir freuen uns, wenn wir auf die Leserbefra­g ung, die hinten im Heft zu finden ist, viele Rückmeldungen erhalten. Anregungen und Verbesserungsvorschläge nehmen wir auch unter [email protected] gerne entgegen.

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4 Bregenzerwald Spektrum

REGIO Bregenzerwald

Bregenzerwald Tourismus

Werkraum

Infoabend24 Gemeinden, eine REGIOSeit über 40 Jahren arbeiten die 24 Gemeinden in der Regionalplanungs-

gemeinschaft Bregenzerwald erfolgreich zusammen. Doch was sind die

Themen und Aufgaben heute? Womit setzen sich die Gemeinden in der

REGIO auseinander und wie arbeiten sie zusammen?

Raum für Antworten auf diese und andere Fragen und für Impulse und

Anregungen gibt es beim REGIO-Infoabend am Freitag, 21. Jänner 2011

um 19.19 Uhr im Wäldersaal in Lingenau.

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Hof 800, 6866 Andelsbuch, T +43 5512 26386, F +43 5512 26387

Öffnungszeiten im Werkraum Depot:Jeden Donnerstag von 17.00 – 19.30 Uhr

Aus dem Wald

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5Bregenzerwald Spektrum

Offene Jugendarbeit Bregenzerwald

KäseStrasse Bregenzerwald

Die besten GenussPakete ÖsterreichsMit dem GenussPaket „Echter Bregenzerwälder NaturGenuss“ erreichte die

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Im Wold nix los?… denn zog ös uf am bsundrigo Foto eatz andors!So lautete das Motto des Fotowettbewerbes, den die OJB im Oktober

ausgeschrieben hatte. Gesucht wurden Bilder, welche die Besonderheit des

Bregenzerwaldes zum Ausdruck bringen. Zahlreiche junge Wälder folgten

dem Aufruf und reichten überaus kreative Lichtbilder ein. Es konnte in

fünf verschiedenen Kategorien eingereicht werden: „Foat go“, „Äktschon“,

„Schaffo“, „Typisch Wold“ und „dussa sin“. Je Kategoriesieg konnten

€ 100 – zur Verfügung gestellt von der Hypo Landesbank Vorarlberg, Filiale

Egg – abgesahnt werden. Die Siegerbilder sowie alle weiteren Einreichungen

können auf www.ojb.at betrachtet werden – viel Spaß!

Alberschwende3.098 2.165 Einwohner Rinder

Die Zeichnungen im Heft zeigen das zahlenmäßige Verhältnis von Bewohnern zu Rindern in den einzelnen Gemeinden des Bregenzerwaldes

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Nicht rosig, aber aussichtsreichWie junge Bauern im Bregenzerwald ihre Zukunft sehen. Und was ihre Lehrer dazu sagen. Text: Martin Hartmann

„Der ideale Jungbauer ist der, der positiv in die Zukunft blickt, der neue Perspektiven aufgreift, der innovativ ist, der Freude hat am Arbeiten in der Natur.“ Markus Schwärzler, Direktor des Bäuerlichen Schul­ und Bildungszentrums BSBZ in Hohenems weiß, wie er sich den bäuerlichen Nachwuchs vorstellt. Ebenso Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger: „Jung, dynamisch, unternehmerisch denkend.“ Um gleich zu sagen, dass „unternehmerisch“ nichts mit der Art des Wirtschaftens zu tun habe – ob biologisch oder herkömmlich: „Ein landwirtschaftlicher Betrieb ist für mich ein wirtschaftender Unternehmer. Jeder muss sich selbst Gedanken machen, das ist meine Ideologie: Welche Pro­duktionsweise ist die Richtige, was will ich überhaupt produzieren?“

Mehr Respekt für die Landwirtschaft. „A Momentle no, as wearand glei d’Küah prämiert“ – Theresia Schneider, Gebietsbäuerin Hinterbregenzerwald, ist mittendrin bei der Viehprämierung in Egg. Es gilt, Euter, Milchleistung, Wuchs zu beurteilen. Dicht an dicht stehen die Kühe unter dem blauen Himmel – fein säuberlich nach verschiedenen Kategorien sortiert: Erstmelken, Kalbinnen, Jungkühe … Thomas Troy, Landesobmann der Bauernbund­Jugend Vorarl­berg, hat ihr geholfen, ihre eigenen Kühe zum Festplatz zu bringen. Er ist 21, seine Eltern in Egg betreiben, wie 80 Prozent der Bauern in Vorarlberg, die Landwirtschaft als Nebenerwerb. „Derzeit haben wir sieben Kühe – bald sollen noch zwei Kälber dazukommen“, meint Troy mit sichtlicher Vorfreude. Er glaubt, dass der Beruf Landwirt in der Gesellschaft mehr wertgeschätzt wird als früher, das Ansehen sei gestiegen. Für Josef Moosbrugger, selbst Vollerwerbsbauer, ist das nicht ganz so eindeutig: „Dass Kühe mit Glocken auf der Weide stehen, hat man nicht so gern – die sollen doch bitte still sein. Oder wenn Gülle ausgebracht wird, ist die Beschwerde wegen Geruchsbelästi­gung nicht weit.“

Direktor Markus Schwärzler sieht in Vorarlberg eine Sondersitua­tion: „Obwohl die wirtschaftliche Lage nicht so rosig ist, sind die Jugendlichen der Landwirtschaft gegenüber sehr positiv eingestellt.“ Er ist sichtlich zufrieden, dass sich seine Schüler nicht mehr dafür rechtfertigen müssen, seine Schule zu besuchen und dass der wenig schmeichelhafte Spitzname „Baumschule“ auch ausgedient hat. Mittlerweile kommen auch zahlreiche Kinder mit nicht bäuerlichem

Andelsbuch2.312 1.725 Einwohner Rinder

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Nicht rosig, aber aussichtsreich

Hintergrund nach Hohenems – „sogar zwei Gemeindeärzte haben ihre Kinder zu uns geschickt – das hebt das Ansehen in der Bevölke­rung. Heutzutage ist zudem klar, dass jeder Jungbauer einen zweiten Beruf erlernt. Das hat dem Selbstvertrauen viel gebracht, dass der Bauer abseits der Landwirtschaft nicht ein Hilfsarbeiter ist, sondern fachlich kompetent einen Beruf ausüben kann.“ Am BSBZ kommen 33 Prozent der Schüler der Fachrichtung Landwirtschaft aus dem Vollerwerb, 46 Prozent aus einem Nebener­werb, bei 21 Prozent haben die Eltern mit Landwirtschaft gar nichts zu tun. 219 Burschen stehen in der Fachrichtung Landwirtschaft 35 Mädchen gegenüber. Bei der ländlichen Hauswirtschaft sind es 88 Mädchen, keine Burschen.

Frauen als Betriebsführerinnen. So wie die Stellung der Frau in der Gesellschaft sich verändert habe, sei es auch bei den Bäuerinnen, meint Theresia Schneider. Sie hat eine Vollerwerbslandwirtschaft in Egg – zwei Töchter, drei Söhne (der jüngste 12 Jahre alt), einen Ehemann und 37 Kühe. „Früher war die Bäuerin einfach die, die zu Hause gearbeitet hat. Heute ist sie Unternehmerin und Managerin, muss sehr vielseitig sein. Muss den Haushalt schaukeln, im Stall helfen, heuen – eventuell die Direktvermarktung organisieren oder im Zweitberuf Geld dazuverdienen. Auf vielen Höfen ist auch bereits die Frau die Betriebsführerin.“

Rechts außen: „Schüsslars“ Theresia Schneider bei der Viehausstellung in Egg 2010

Au1.692 1.196 Einwohner Rinder

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Bei der Viehausstellung in Egg sind nun die Kleinsten an der Reihe – wahrhaftige Jungbauern – manche kaum so groß wie die Kälber, die sie am Strick führen. Stolz präsentieren sie die Tiere, die nicht immer so wollen wie der junge Mensch, der sie hält. Wie beim Rodeo bockt manches Kalb – der Jungbauer stemmt sich dagegen, zerrt mit kindlichem Übermut am Strick und muss einsehen, dass er der Sache noch nicht Herr ist. Nachwuchssorgen gibt es keine.

Kreative Landwirtschaft? Simon Vetter aus Lustenau (mit Mutter aus Schwarzenberg) kommt aus einem Bio­Landwirtschaftsbetrieb, hat das BSBZ absolviert, war im afrikanischen Sierra Leone bei einem Entwicklungszusammenarbeitsprojekt und studiert derzeit Natural Resources Management and Ecological Engineering an der Wiener Universität für Bodenkultur. Ob er einmal den Hof seiner Eltern übernehmen will, ist für ihn noch nicht entschieden, aber „ich kann mir das gut vorstellen. Ich glaube, es gibt wenige Arbeitsplätze die soviel Kreativität zulassen wie die Landwirtschaft, die Arbeit wird nie monoton, weil sie sich über das Jahr permanent ändert und vor allem bietet sie einen Raum, um seine eigenen Ideen umzusetzen.“ Mit den eigenen Ideen ist das so eine Sache – Thomas Troy ist überzeugt, dass es nur ein Stück weit jedem selbst überlassen ist, was er tut.

Oder zu strenge Auflagen? „Auflagen und Vorschriften sind so straff, dass nur ein kleiner Spielraum bleibt zwischen dem, was ich will, und dem, was ich muss. Bauern werden schon von oben her, von der Wirtschaft gelenkt. Gerade beim Milchpreis haben die Bauern für

„Schüsslars“ Stefan Schneider (einer der Söhne von Theresia) bei der Viehausstellung in Egg 2010

Bezau1.963 1.020 Einwohner Rinder

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mein Verständnis zu wenig mitzureden. Brot etwa wird jetzt wieder empfindlich teurer – das ist genauso ein Grundnahrungsmittel wie Milch.“ Theresia Schneider schlägt in die gleiche Kerbe: „Das Verhältnis passt nicht mehr, das, was wir kaufen müssen, und das, was wir für unsere Produkte bekommen.“ Würde das bezahlt, was das Produkt wert ist, bräuchte man keine Subventionen, sind sich beide einig. Ein wunder Punkt – ansonsten eher bedächtig, folgen die Worte nun schneller. Es gebe zwei Gruppen unter den Nichtbauern, sagt Troy: „Die einen sehen ein, dass es Förderungen braucht, damit Landwirtschaft in dieser Form weiter bestehen kann. Die anderen sehen nicht, dass man 365 Tage im Jahr in aller Frühe aufstehen muss, in den Stall zum Vieh – unter Anführungszeichen immer angebunden ist. Für den Bauern, der von Herzen Bauer ist, ist es eine schöne Arbeit, aber man darf sie nicht unterschätzen. Am Sonntag nicht aufstehen, geht einfach nicht. Man sieht nicht, was hinter einem Liter Milch für Arbeit steckt.“

Der Bauer und der Konsument. Simon Vetter hält die Zeit überreif für Diskussionen bezüglich Subventionen: „Das Problem ist nur, dass das fast unmöglich ist, weil jeder gleich das Gefühl hat, ihm werde etwas weggenommen. Wird etwa kritisiert, dass der Fürst von Liechtenstein, der ja immer noch über beachtliche Ländereien in Österreich verfügt, enorme Summen an öffentlichen Geldern erhält, fühlt sich der Schoppernauer Bergbauer auch gleich angegriffen, weil er scheinbar das Gefühl hat, mit diesen Großen im selben Boot zu sitzen.“ Auf der einen Seite ideologischer Schulterschluss, auf der anderen fehlende Solidarität, wenn es darum geht, an der eigenen Situation etwas zu verändern. „Wir sitzen als Produzenten zwar irgendwie schon auf dem längeren Ast, aber das auszunützen ist schwer“, meint Troy. „Milch­lieferboykotte kommen beim Konsumenten schlecht an, das ist ein gefundenes Fressen für die Presse, dann steht in den Schlagzeilen: ‚Bauern schütten Milch in den Kanal.‘ Wenn genügend Bauern in eine Richtung zögen, würde es gehen. Aber ich glaube nicht, dass man das im Moment riskieren darf, dass man sagt, so, jetzt machen wir einen Lieferstopp.“

Und wie ist das mit Bio? Landesveterinär Erik Schmid hat bei einem Diskussionsabend über Hans Weiss’ Buch „Schwarzbuch Landwirtschaft“ gefordert, dass alle Vorarlberger Bauern bis 2050 auf biologische Landwirtschaft umgestellt haben sollen. „Das zahlt niemand. Bio ist empfindlich teurer – für die Bauern wäre nicht die Umstellung das Problem.“ Damit ist Troy der

Bizau1.019 535 Einwohner Rinder

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gleichen Meinung wie sein Präsident in der Landwirtschaftskammer: „Der Markt macht den Preis – wenn der Mehrpreis gezahlt wird, mache ich sofort alles Bio, aber der Mehraufwand für Bio soll nicht subventioniert werden. Und das BSBZ in Hohenems möchte für beide – für Biolandwirte und konventionell wirtschaftende Bauern eine Heimat sein.“ Thomas Troy erzählt von einem Jungbauern, zu dem der Vater gesagt habe: „Du bringst zwar viele Ideen aus der Landwirtschafts­schule mit nach Hause – jetzt müssen sie nur noch funktionieren.“ Es brauche beides – die Erfahrung des Vaters und das Innovative der jungen Generation, meint Direktor Markus Schwärzler. „Da wäre mein Wunsch an die Väter, dass sie Mut haben für Neues und nicht blocken. Wenngleich Väter und Mütter wesentlich offener sind als vor 20, 30 Jahren. Dadurch haben es die Jugendlichen heute leichter.“

Der Bauer und der Politiker. Simon Vetter hat seine fachliche Ausbildung am BSBZ sehr geschätzt. Er tut das auch heute noch – aber wenn er zurückdenkt, fühlt er sich von der Politik vereinnahmt: „Man schaut schon recht früh dazu, dass die Jungen in das System eingegliedert werden. Wir bekamen etwa auf unserer Schiwoche Besuch von Lokalpolitikern, die bewaffnet mit mehreren Kisten Bier und Antragsformularen, für den Bauernbund Stimmung gemacht haben. Man stelle sich mal die Reaktionen vor, wenn so was mit Gewerkschaftern in einer Berufsschule passieren würde.“ Dem entgegnet BSBZ­Direktor Markus Schwärzler: „Schiwoche ist bei uns auch Bildungswoche – halber Tag Schifahren, dann laden wir verschiedene Institutionen ein: Landwirtschaftskammer, Maschi­nenring, Landjugend, Bergrettung. Es gibt Gespräche in lockerer

Buch549 238 Einwohner Rinder

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11Bregenzerwald Spektrum

Atmosphäre – das ist so geplant. Das ist eine großartige Sache, dass die Funktionäre nach Damüls kommen und sich einen Tag für unsere Schüler Zeit nehmen. Da geht es darum, dass man sich identifiziert mit der Sache. Da geht’s nicht um die Bierkiste.“

Kein „Bauer sucht Frau“. Dem Fernsehformat „Bauer sucht Frau“ stehen die befragten Bäuerinnen und Bauern distanziert gegenüber. Josef Moosbrugger findet, es werde dabei manches ins Lächerliche gezogen: „Man sollte das, was über den Fernseher flimmert, nicht überbewerten. Ich behaupte, dass wir keine Sendung brauchen, damit unsere jungen Bauern zu einer Bäuerin kommen. Unsere Jungbauern treten niveauvoll auf – da trägt die Schule einiges dazu bei, vor allem aber auch das Elternhaus.“ Bei „Bauer sucht Frau“ muss jeder Einzelne selbst wissen, mache ich mit oder nicht. Thomas Troy hat – wenn Zeit dazu da ist – lieber mit Freunden ein Fest, statt vor dem Fernseher zu sitzen, kennt die Sendung aber: „Jene, die mitmachen, müssen sich teilweise schämen, aber nicht die Landwirte allgemein.“ „Ich habe eine Ausgabe aus dem Bregenzerwald gesehen, da hat sich das Ganze überhaupt nicht dort abgespielt, wo die Bäuerin hergekommen ist. Das war alles ein Schmarren. Ich schau es sicher nicht mehr an.“ Die Realität ist eine andere. „Es gab bessere und es gab schlechtere Zeiten“, sagt Thomas Troy – zufrieden mit sich und seinen Zukunftsaussichten. „Wir müssen wieder – sonst meint man, wir würden nicht arbeiten“, lacht Theresia Schneider. In Egg wiederholt der Platzsprecher: „Die Bauern bitte endlich zu den Kühen! Die Prämierung beginnt. Bitte zu den Kühen!“

Damüls321 95 Einwohner Rinder

Links: Thomas Troy beim Alpab­trieb in Alberschwende, 2008

Rechts: Der Onkel Ludwig Metzler aus Andelsbuch bei der Jubiläumsausstellung 1969

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Turbokuh und WeltkulturerbeWir wollten wissen, wie das Bild des Bauern im heutigen Bregenzerwald aussieht. Offenbar spielt es sogar im Verkehr eine jahreszeitlich bedingte Rolle. Text: Georg Sutterlüty

„Das Bild des Bauern? Hier im Bregenzerwald? Weiß nicht. Darüber habe ich mir noch nie recht Gedanken gemacht“. Der 25­jährige Josef S. aus dem Mittelwald zeigt sich im ersten Moment über­rascht, als er gefragt wird, was ihm zum Wort „Bauer“ einfalle. Er grübelt eine Weile nach, um dann doch noch mit einer Pointe aufzuwarten.

Bauern im Verkehr. Er habe festgestellt, im Bregenzerwald ließen sich die Jahreszeiten anhand des bäuerlichen Verkehrsverhaltens bestimmen. Im Winter sei es totenstill, da sei weit und breit kein landwirt­schaftliches Gefährt unterwegs. Doch wisse man, sobald der erste Traktor auf der Straße zu sichten sei, dass der Frühling beginne. Der Sommer setze dann ein, wenn die ersten Viehtransporter auftauchten und Kühe wie Rinder auf die Alpen chauffierten. Der Herbst kündige sich an, wenn die Tiere von der Alpe herunter­getrieben, dabei die Straßen verstopft und mit Kot der Rinder zugepflastert würden. Schließlich würden die Traktoren wieder in den Abstellplätzen der Anwesen verschwinden – ein Signal, dass die ruhige Zeit des Winters anbreche.

Einst fest in Bauernhand. Das, was sich hier wie ein Witz mit leicht zynischem Unterton liest, kann für die Stellung des Bauernstandes in der Gesellschaft des Tales gelten. Es sind keine sechzig Jahre her, dass der Bregenzerwald noch fest in Bauernhand war. In den 1950er­Jahren lebten über 60 Prozent der hiesigen Bevölkerung von der Landwirtschaft. Danach kam im Zuge des Wirtschaftswunders der wirtschaftliche und gesellschaftliche Umwälzungsprozess ins Rollen. Bis heute ist der bäuerliche Anteil auf sieben Prozent geschrumpft. Noch ist nicht erkennbar, ob die Talfahrt weiter anhalten wird. Doch steht fest: Die Bauern sind in der modernen Dienstleistungs­gesellschaft zu einer Randerscheinung geworden. So wundert es nicht, dass immer weniger Personen Rundum­einblick in den bäuerlichen Alltag haben. Die Innenräume sind für viele gänzlich unbekannte Orte. Aber auch die Außenwelten (so beispielsweise die vom Landwirt im Freien verrichteten Tätigkeiten) werden oft nur noch beiläufig mitverfolgt.

BregenzerwaldRegionalplanungsgemeins�a�

Doren

1.025 874 Einwohner Rinder

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13Bregenzerwald Spektrum

Turbokuh und Weltkulturerbe

Spannendes Thema: Landwirtschaft. Doch lässt sich nicht abstrei­ten: Das Thema Landwirtschaft steht hier in der Talschaft unter Spannung wie kaum ein anderes. Das Reden darüber artet allzu oft in Diskussionen aus und berührt selten den Kern der Sache. Hinweise dafür liefern Internetforen. So erschien etwa im Mai 2010 auf www.egg­news.at ein Artikel über das in den letzten Monaten zunehmende Bauernsterben in Vorarlberg infolge der fallenden Milchpreise. Bereits der Verfasser der zweiten Antwort wich vom Thema ab und stellte pauschal fest, es gebe im Wald überhaupt keine Vollerwerbsbauern mehr. Jeder Landwirt würde „schwarz“ eine zusätzliche Tätigkeit ausüben. Der nächste Schreiber fügte hinzu, die Bauern zahlten zudem auch für ihre offiziellen Tätigkeiten keine Steuern, weder für den Ab­Hof­Verkauf noch für die Bewirtung auf den Alpen. Und der dritte Kritiker beklagte sich über Turbokühe und „Größtbetriebe“ – seiner Ansicht nach das Ergebnis der EU­Politik, die wenig für kleinstrukturiertes Wirtschaften übrig habe. Die Antwort auf die Anschuldigungen kam postwendend. Nicht nur Bauern würden pfuschen, sondern vor allem Handwerker, schrieb einer. Und ein Bauer klagte, er finde es schade, dass die Bevölkerung nicht hinter den Landwirten stehe. Die Fördergelder würden ja nicht gehortet, sondern flössen in die lokale Wirtschaft. Kein Bauer verschleudere Geld durch Luxusartikel oder Urlaubs­reisen in den Süden.

Egg3.387 2.391Einwohner Rinder

Johann Jakob Greuß, Fotograf aus Egg: 1876 – 1956

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Der Wald als Weltkulturerbe. Die Landwirtschaft war nach Einset­zen der Modernisierung bis vor etwa zehn Jahren kein wichtiges Thema im Tal. Dies habe sich mit den Bestrebungen geändert, den Bregenzerwald für das Weltkulturerbe­Programm der UNESCO zu gewinnen, sagt ein Kulturschaffender. Der Wald wurde in den offi­ziellen Ansuchen als eine außergewöhnliche, auf der bäuerlichen Kultur der Drei­Stufen­Wirtschaft fußende Talschaft präsentiert. Darauf fragten kritische Stimmen, welche Bedeutung die her­kömmliche Wirtschaftsform überhaupt noch hat. Darüber hinaus wurden die Blicke gezielter in die Kuhställe gerichtet. Das Ergebnis war für viele ernüchternd. Von der ehemaligen Wirtschaftsweise mit fünf Kühen, ein paar Stück Galtvieh, Schweinen und Hühnern zeugen höchstens noch alte Ställe unbewohnter Bauernhäuser.

Eine Liste an Kritikpunkten. Die Liste der Kritikpunkte ist lang: Von hornlosen, überzüchteten Kühen ist die Rede. Sie würden immer schwerer und seien nicht mehr alptauglich. Es ist von einem sorglosen Umgang mit den Böden durch übertriebene Düngung und Verwendung von Chemikalien zur Unkrautbekämpfung die Rede. Auch vom Einsatz von Kraftfutter auf den Alpen, von übergroßen landwirtschaftlichen Bauten, etwa bei Laufställen und Alphütten.

Hittisau1.825 1.878Einwohner Rinder

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Die Bauern als Spiegel der neuen Zeit. Wie sehen sich die Bauern selbst in diesem Prozess? Ganz unrichtig seien die Anschuldigungen nicht, sagt ein Bauer aus Bezau. Es werde nicht mehr so sorgfältig gewirtschaftet wie vor fünfzig Jahren. Der Produktionsprozess habe sich beschleunigt. Der Bezug zur Natur sowie zum Tier sei gewiss in den letzten Jahren kleiner geworden. Doch habe dies mit der gesamtgesell­schaftlichen Entwicklung zu tun. Die Bauern seien lediglich ein Spiegel davon. Auch der Nicht­Bauer trage durch seine Lebensweise zu dieser Entwicklung, die er kritisiere, bei. Außerdem helfe es nicht, alle Landwirte in einen Topf zu werfen und zum Sündenbock zu erklären. Es gebe wie überall das eine wie das andere Extrem. Ein Bauer aus dem Vorderwald meint, auf die Fördergelder angesprochen, dass diese schon eine Wirkung auf Erweiterungsab­sichten, verbunden mit einer Intensivierung der Bewirtschaftung haben können. Er selbst sei auch größer geworden, will aber wieder, vor allem bei der Zucht, zurückstecken. Dazu trage der fallende Milchpreis bei und die stets steigenden Nebenkosten. Irgendwann, das müsse er zugeben, verliere man ein wenig die Freude, wenn man in immer kürzeren Abständen den Tierarzt rufen müsse.

Links: „Schüsslars“ Georg Schneider, aus Egg, ca. 1970

Krumbach984 799Einwohner Rinder

Rechts: „Verolars“ Xaver Felder aus Schoppernau auf der Alpe Felle, ca. 1982

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Schweine aus Amerika

Es suhlt sich vortrefflich im Schlamm am Fuß eines Hanges in Krumbach. Bis zum Bauch stehen manche Schweine im Morast. Und grunzen zufrieden. Andere genießen die warme Herbstsonne.

Eine alte Schweinerasse. Rot­braun, stämmig und mit Hängeohren – so sind sie, die Duroc: Schweine einer alten Rasse aus den USA. Die Moorwirte Krumbach haben sie hierher gebracht. Die Moorwirte sind die Familie Hirschbühl mit dem Gasthof Adler, die Familie Straham­mer mit dem Restaurant s’ Schulhus, die Familie Schwärzler mit dem Kurhotel Rossbad und die Familie Mennel von der Krumbacher Stuba.

Auszeichnung für die Moorwirte. Vergangenes Jahr wurden die Wirte von Vorarlberg Tourismus für nachhaltige und innovative Ideen rund um die Krumbacher Moore ausgezeichnet. Statt mit dem Preisgeld in den Urlaub zu fahren, haben sie Schweine gekauft. Dass es ausgerechnet Duroc­Schweine geworden sind, war ein Zufall. Man sprach mit Züchtern, suchte im Internet und stieß dann auf diese alte Rasse aus den USA. Robust und langsam wachsend. „Ideal für Freilandhaltung“, sagt Jürgen Hirschbühl. „Bei einem herkömmlichen Mastschwein sagt man, 100 Tage sind gleich 100 Kilo. Die Duroc brauchen doppelt so lange, um auf das gleiche Gewicht zu kommen. Aber die Qualität ist wesentlich besser – vor allem durch die feine Marmorierung.“ Herbert Strahammer erklärt: „Wir hatten zehn Jahre lang kein Schweinefleisch mehr auf der Karte. Die Qualität, die man bekommt, stimmt einfach nicht. Das Messer quietscht richtig beim Schneiden, weil durch die schnelle Mästung zu viel Wasser im Fleisch eingelagert wird. Der Geschmack des Duroc ist nicht zu vergleichen mit gewöhn­lichem Schweinefleisch. Es liegt irgendwo zwischen Kalb und Rind – ist zart wie Kalb, aber saftiger.“

Was die Duroc mögen. Selbst verspeisen die Durocs viel Gerstenstroh und sonstiges Getreide. Es kommt aus einer heimischen Mühle. Sie schätzen auch ab und zu Karottenschalen oder einen Salatkopf. Und Eicheln lieben sie. Tiermehl kommt nicht in den Trog. „Nach dem Füttern massieren sie sich. Ein Schwein geht zum anderen und massiert ihm mit dem Rüssel den Bauch – regelmäßig“, beschreibt Hirschbühl ihr Verdauungsritual. Frisches Wasser kommt von der eigenen Quelle auf seinem Grund.

Die Krumbacher Moorwirte haben US-amerikanische Duroc-Schweine ins Krumbacher Moor gebracht – eigentlich aus Zufall. Text: Martin Hartmann

bregenzerwald

Langen1.312 1.447Einwohner Rinder

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17Bregenzerwald Spektrum

Als Behausung haben sie einen Baucontainer bekommen: „Regen mögen sie nicht, da gehen sie hinein. Auch nachts schlafen sie immer in ihrem Container.“ Wenn die elf Duroc das Gelände umgegraben haben, werden Zaun und Container versetzt. Damit es wieder Frisches zu wühlen gibt.

Robust wie sonst was. Anfangs wurden die vier Wirte belächelt: „Schwierig, hat man gesagt, Schweine sind andauernd krank, sind empfindlich, verrecken, sind kompliziert beim Füttern“, erzählt Hirschbühl. „Im Gegenteil, sie sind robust wie sonst was. Wir haben noch nie den Tierarzt gebraucht.“ Mittlerweile fragt mancher Bauer nach, wie das denn so ist mit den Duroc. Die Duroc haben ein gutes Leben, aber sie bilden keinen Streichelzoo. Am Ende wartet der Metzger. Ihr Fleisch ist zum Verkauf bestimmt. Man bekommt es nur bei den vier Moorwirten. Namen haben die Schweine auch keine – bis auf das kleinste: Hugo.

Erträgliches Ende. Ab etwa Ende August wird alle zwei bis drei Wochen eines der Duroc geschlachtet. „Ich bringe es dann selbst die paar hundert Meter zum Metzger ins Dorf“, erklärt Hirschbühl. „Ohne Hektik, ohne Elektroschock. Man muss sich selbst und dem Tier Zeit lassen. Nur mit dem Futterkübel wird gelockt.“ Beim Töten selbst ist er nicht mehr dabei – „das muss nicht unbedingt sein.“ Das Fleisch hängt etwa eine Woche lang ab. „So verliert es zwar etwa fünf Prozent vom Gewicht, wird aber besser. Großschlachtereien wollen keinen Gewichtsverlust und verschweißen darum das Fleisch sofort. Sie verkaufen quasi den Leichensaft mit.“ Den wollen die Gäste der vier Krumbacher Moorwirte gewiss nicht auf dem Teller. So bringen die Duroc viel Vergnügen: den amüsierten Wanderern ebenso wie den Wirten und ihren Gästen. Und selbst fühlen sie sich offenbar auch ganz wohl hier.

Langenegg1.065 1.215Einwohner Rinder

Duroc­Schweine in Krumbach

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Der Architekt und die Kuh

Hier im Ort grüßt ihn jeder mit Namen, hier hat er gebaut, hier fühlt er sich wohl. Man kennt dieses Gesicht mit dem kräftigen Kinn, Haar und Bart sind ergraut, ruhelos und wach die grau grünen Augen – das ist Leopold Kaufmann, eine Legende des „Neuen Bauens“. Er hat seinen Teil zur Blüte der Bregenzerwälder Archi­tektur beigetragen. Die, meint er, hätte auch woanders stattfinden können. „Mit Holz umgehen, das können sie hier schon besonders. Aber sonst: ein bisschen viel Theater!“

Der gelernte Zimmermann. Ständig sei von neuen Entwicklungen die Rede. Doch als Zimmerer, der Bauen von Grund auf verstehe, sehe er nichts, was die Alten nicht schon gekonnt hätten. Oft sogar besser. Man sollte mehr von dem gelten lassen, was vor uns einen Wert hatte. Etwa beim Mond: Beweisen könne niemand, dass die Verarbeitung nach dem Mondkalender etwas nütze, aber aus seiner Erfahrung wisse er es. Mit solcher Erfahrung im Kreuz fällt ihm der Wechsel in den Ingenieurbau, in die neue Holztechnik und zurück ganz leicht.

Kuh statt Architekturzirkus. Vom Architektenzirkus hat er sich zurückgezogen. Das bekommt ihm gut. Bauen hat ihn immer in Anspruch genommen, mitunter total. Heute hält er Abstand. Nun, da er Zeit hat, sich umzuschauen, entdeckt er – die Kuh. „Wie die mich einfältig anschaut und mich einfältig macht, weil ich nicht weiß, was dahinter steckt!“ Als gäbe es keine Zeit, stehe sie da, mit offenen Augen, aufmerksam. Schauend erwidert er ihr Schauen und fragt, was sie fühlt, was sie denkt. Eine Beziehung, die ihn gar nicht mehr loslässt. Welche Masse! Und doch so feingliedrig, so logisch gebaut. Feines Fell, helle Nüstern, tiefe Augen – und wenn man sie kitzelt, kommt sie näher oder wendet sich ab.

Groß in der Form, fein im Detail. Ist diese Betrachtung einer Kuh auch seinen Bauten anzusehen? Da steht eine Dorfhalle: wuchtig in ihrer Gesamtfigur und doch fein gegliedert in einem Rhythmus von Sparrenköpfen, Deckleisten, wohlproportionierten Fenstern – kontrastiert durch das Firsttragwerk. Das gibt die Richtung vor. Von ihm geht das feine Gerippe des offenen Dachs ab. Ihm folgt das Raumgefüge. Die Sache auf den Punkt gebracht. Groß in der Form, fein im Detail – ein Glück, wenn das gelingt.

Leopold Kaufmann, der gelernte Zimmermann, ist eine Legende des Bauens im Bregenzerwald und Förderer des neuenHandwerks. Jetzt entdeckt er die Kuh. Text: Florian Aicher

Rudolf Denz, Elmar Natter und Leopold Kaufmann um 1970 auf der Jagdhütte Alpe Falz

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19Bregenzerwald Spektrum

Der „alte Zimmermann“ war noch nie mit bloßer Pflichterfüllung zufrieden. Versah die Holzverkleidungen zusätzlich mit Verzierun­gen, duldete keinen schiefen Nagel. Dem Auftrag verpflichtet, hat er liebenswürdig den eigenen Dreh gesucht. Bei den Kühen gleicht auch keine der andern. Und doch sind sie einander ähnlich. Jede ein Kunstwerk.

Lasst dem Bauen seine Zeit! So sieht Kaufmann auch den Bau: immer einleuchtend, nie ganz gleich, stets im Wandel. Natürlich war die Kuh vor 500 Jahren anders. Aber wie sie sich Zeit nimmt, die Natur! Wir erfinden ja auch nicht jeden Montag eine neue Archi­tektur. Wandel und Beständigkeit, das weiß er als Handwerker, sind Bedingungen der Qualität – bei der Gestalt wie bei der Ausführung. Viele wissen das nicht mehr. Umso mehr begeistert ihn, was den „Werkraum“ umtreibt: Die handwerkliche Qualität kann sich gelassen große Schritte ins Neuland erlauben, weil sie auf sicherem Grund steht.

Am Ende die Kuh. „Was steckt dahinter, dass sie mich so anschaut? Ihr kann ich stundenlang zusehen, gerade beim Wiederkäuen. Viele Dinge haben immer großartig funktioniert und werden weiter funktionieren, wenn wir sie lassen. Die Kuh ist das Tier, das mich heute am meisten fasziniert. Am schönsten ist die Braune – wie sie breitbeinig dasteht, bei Regen oben nass und unten trocken, und wohl ist ihr dabei. Ich schaue sie an, und nichts wird mir klar, und ich habe eine Freude.“

Leopold Kaufmann, der Zweite von rechts, war als Pfister auf der Alpe Auenfeld am Hochtann­berg, 1946

Lingenau1.330 1.489Einwohner Rinder

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Braucht ein guter Käse Hörner?Hängt die Qualität des Käses davon ab, ob eine Kuh Hörner hat oder nicht? Text: Peter Natter

Gestern bin ich auf der Straße übers Bödele an einer schönen Kuhweide vorübergefahren. Es war keine kleine Herde und die Tiere standen recht dicht gedrängt am Zaun; vielleicht hat sie der dichte Sonntagsverkehr angelockt. „Was haben denn die?“ schoss es mir durch den Kopf, als mich mein Hintermann durch unsanftes Hupen schon längst zu schneidigerer Fahrt in Richtung Passhöhe ermahnt hatte.

Kühe mit Hörnern. „Die haben ja alle noch ihre Hörner!“, ging es mir plötzlich auf. Eine ganze Herde Kühe mit Hörnern, schönen geschwungenen Hörnern auf dem Kopf. Der Losenpass und die Abfahrt in den Wald lagen noch vor mir. Mit abnehmenden Chancen auf den Anblick einer behornten Herde allerdings. Womöglich erst drüben in Andelsbuch wäre ich wieder fündig geworden. Bei einem, der da und dort als Fundi verschrien ist, als einer, der ja eh vom Fortschritt nichts versteht. Da ist sie wieder: die fatale Verwechslung von „nichts verstehen“ und „nicht wollen“! Liegt es etwa an der Beziehung, an der Liebe gar des Bauern zu seinen Kühen, ob er ihnen die Hörner lässt oder nimmt? Muss einer wirklich so geartet sein, dass er sogar Gedichte auf seine Lieblingskühe schreibt, um zur Hörner­Fraktion zu gehören? Ob die Hörner gar etwas mit der Qualität der Milch zu tun haben? Ob die Gleichung „Kuh mit Hörnern = bessere Milch“ sich als haltbar erweist? In dieses Horn möchte er nicht leichtfertig blasen.

Jakob Lingg, Schoppernau, mit der Kuh Helma, 1993

Mellau1.310 410Einwohner Rinder

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Kühe von Jakob Lingg, Schoppernau

Kühe ohne Hörner. Wann ist eine Kuh eine Kuh? Braucht eine Kuh unbedingt ihre Hörner? „Mit den heutigen Laufstallhaltungen sind Kühe mit Horn fast unmöglich“, stellt ein Altbauer aus dem Vorderwald mit leisem Bedauern und einer großen Portion Realismus nüchtern fest. Sie sind im Großen und Ganzen gründlich aus der Mode gekommen, die Hörner. Immer mehr Tiere werden auch hier­zulande ihrer beraubt. Der Blick auf die Kuh ist ein anderer geworden. So wie der auf den Bauern. Aus dem Landwirt ist ein Milchproduzent geworden. Ein Jungbauer aus dem Wald erklärt, warum seine 35 Kühe keine Hörner haben. „Das kann ich mir nicht leisten! In meinem neuen Stall tut das nicht recht mit den Hörnern. Sie sind den Kühen im Weg und mir sowieso.“

Mehr Käse ohne Hörner. Ob die Milch und mit ihr der Käse da­durch besser werden? „Was heißt schon besser? Gut genug und vor allem: mehr!“ Hier scheint ein Schlüssel zur Hornfrage zu liegen: Der Umgang mit dem Vieh gehorcht mehr und mehr Regeln und Gesetzen, die immer weniger von der Kuh selbst diktiert werden. Die fehlenden Hörner sind nicht zuletzt ein Zeichen dafür, was sie und was sie nicht zu sagen hat. „Natürlich behalten meine Kühe ihre Hörner!“, erklärt denn auch der Andelsbucher Vorzeigebauer aus tiefster Überzeugung. Es ist doch so: Die Hörner sind es nicht, worum der Streit wogt. Es geht um mehr.

Reuthe633 358Einwohner Rinder

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Hölzlar oder Nicht-Hölzlar, das ist die Frage

Die Jugendszene im Wald ist bunt. Selten einig, aber bunt. Ein Bild fast wie anderswo auch – wenn da nicht die Hölzlar wären … Text: Carina Jielg

Lärm machen sie alle, die Jungen. Die einen in eigens hergerich­teten Kellern zu Hause, in „Clubs“ oder in Jugendlokalen. Mit Plattenspielern und viel digitalem Zubehör. Die anderen „skaten“ im Sommer, „boarden“ und „freestylen“ im Winter. Immer dabei: „satte Beats“ und „schnelle Raps“. Andere stehen auf Volksschla­ger (möglichst live) und auf Open­Air­Dorffeste mit sportlichen Herausforderungen wie Seilziehen. Dabei haben sie meist Hölzlar an – ohne Socken, natürlich. Man muss zwischen dem Ab­und­zu­Hölzlar­Träger aus modischen Gründen und dem nahezu politisch motivierten Immer­Hölzlar­Träger unterscheiden.

Vom Bauernschuh zur Mode. Einst waren Hölzlar das Schuhwerk der landwirtschaftlich tätigen Bevölkerung. Vor hundert Jahren hatte jedes Dorf noch seinen eigenen Schuhmacher. Warum das traditionelle Schuhwerk des Tales vor ein paar Jahren Mode geworden ist, weiß selbst der Holzschuhmacher in 3. Generation, Anton Devich, nicht. Es ist halt so. „Der absolute Renner dieser Tage ist das Modell mit den schwarzen langen Locken. Die trägt der Wälder Jugendliche – eher der arbeitende, weniger der geschniegelte Typ. Anzugträger tun sich mit Hölzlar eher schwer“, sagt Devich. Modische Eleganz interessiert den Hölzlar­Täger nicht. Und der HipHopper interessiert sich nicht für Hölzlar. HipHopper­Sein und Hölzlar­Tragen schließen sich sozusagen aus. Im Alltag konnte ein Hölzlar früher anstößig wirken. „Zu den Zeiten, als es die Tenne in Mellau – das war das Ausgehlokal für alle Wälder Jugendlichen – noch gab, waren die Szene­Unter­schiede noch offensichtlich. Da kam es zu Reibereien zwischen HipHopper und Hölzlar“, erzählt Sarah Berchtold von der Offenen Jugendarbeit Bregenzerwald (OJB). Dem einen missfiel die Kappe des anderen, der andere mochte die Hölzlar nicht. Ein guter Grund für Prügel.

Reibereien im Internet. Heute, im Post­Tenne­Zeitalter, gehen alle ihrer Wege – getrennt. Die einen fahren „as Land usse“, die anderen zum nächsten Zeltfest. Reibereien werden jetzt im Internet ausgetragen. Da schreibt etwa „KnightIsFunky“ in einem Internet­Forum: „ich kenne ein paar wälder und die sind alles hopper, ich würd die nie mit hölzlar in der öffentlichkeit sehen – nicht mal für geld.“

Riefensberg995 1.189Einwohner Rinder

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Eine Dame namens „Xxhoernlexx“ schreibt im Internet: „vor ein paar tagen mussten ein paar hiphopper in ihrer hopperkleidung und in hölzlar durch die stadt gehen und am abend noch in die disco ... und das nur wegen einer verlorenen wette.“ Eine junge Frau „a körige wäldare“ schreibt ebenda: „i stell mine hölzlar seachar nüd ina regal ie … dio gsündoschto Schuo wo as git, sand do zum allega!“

Die Zeit des friedlichen Nebeneinanders. Ein Tag­und­Nacht­Hölzlar­Träger, leidenschaftlicher Tauzieher, Zeltfestbesucher und Fan der Musikgruppe „Alpenflitzer“ ist Christian Troy. Für ihn sind Hölzlar ein Stück Heimat, das man immer mit sich herumtragen kann. „Ich bin Wälder und zeige das. Insofern ist das Hölzlar­Tragen eine klare Aussage.“ Von Streitereien mit anderen Jugendlichen weiß er nichts zu berichten. Ebenso wenig wie der Obmann der Landjugend Thomas Troy. „Dazu ist heute alles viel zu verwaschen. Früher waren die Hölzlar ein Wäldarmerkmal. Heute tragen auch Ländlar und Montafoner Hölzlar. Es ist wie im Winter: Früher gab es Snowboarder oder Schifahrer und dazwischen nichts. Heute, mit dem Freestyle­Skiing, ist alles gleich cool.“ Klingt da Wehmut an? Vielleicht gibt es ja wieder einmal ein Lokal im Wald, in dem die Unterschiede zwischen Hölzlar und Nicht­Hölzlar gemeinsam gefeiert werden können.

Ist das Hölzlar­Tragen noch ein Merkmal der Wälder?

Schnepfau488 400Einwohner Rinder

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F. M. Felder Winkel

Betreut und gepflegt von Birgit Feierl-Giedenbacher

Maul- und Klauenseuche und der Vieh- Versicherungs-Verein des Innern Bregenzerwaldes (1865)

„Gegenwärtig beschäftigt mich die Errichtung einer Viehversicherungsge-sellschaft“, schreibt Franz Michael Felder 1866 an den Leipziger Freund Rudolf Hildebrand. Laut § 7 der von Felder selbst verfassten Statuten konnte „Jeder, den ständigen Aufenthalt im innern Bregenzerwald nehmende Viehbesitzer [...] sein Vieh in dieser Assekuranz ver-sichern“, „notorische Thierquäler“ sind (§ 8) ausgeschlossen. § 6 regelt, dass der Verein eine Versicherung leistet „für Viehverluste, welche durch nothwendig erkannte Tödtung, oder durch Abstehen des Viehes a) bei Krankheiten b) bei Unglücksfällen“ entstehen. Es wird zwar für „bei Seuchen gefallene Stücke [...] keine Entschädigung geleistet“, die Ausnahme bildet allerdings die „Klauenseuche [...], bei welcher für jedes gefallene Stück des versicherten Werthes Vergütung geleistet wird.“ Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche galt damals als eine die eigene Existenz bedrohende Katastrophe für die Menschen. In „Aus meinem Leben“ ist zu lesen: „Der Senn [...] öffnete nun mehreren Tieren das Maul, und der Rachen war voll kleiner Bläschen. ,Tausendmal in Gottes Namen!‘, rief er aus: ,Nun haben wir gar auch noch die Klauenkrankheit!‘ [...] Ich eilte sofort ins Dorf, um die Sache vorschriftsmäßig anzuzeigen. Die Nachricht, der Feind sei im Lande, hätte kaum mehr Bestürzung und Schreck in der Gegend verbreiten können.“ Die Errichtung dieses Vereins war für damalige Verhältnisse ein überaus modernes Unterfangen.

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Gerhard Egender, Au

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Hier gibt’s nichts zu meckern!

Ob mit Haar oder Wolle – 1.329 Ziegen und 2.121 Schafe sind als Haus- und Nutztiere im Bregenzerwald mehr als nur eine Alternative. Text: Urs Schwarz

Ziegen und Schafe begleiten uns Menschen schon seit Jahrtausen­den. In vielen Weltreligionen spielen diese Säugetiere tragende Rollen. Sie waren die ersten Haustiere der Menschen, welche auch wirtschaftlich genutzt wurden. Vielerorts galt die mystisch, kraftvolle Ziege als medizinisches Heiltier und wurde mitsamt Innereien, Knochen, Haut, Horn und Haar verwertet. Auch heute sind die neugierigen, kontaktfreudigen Vierbeiner vielerorts anzutreffen und das nicht nur zum Streicheln oder in der Hobbylandwirtschaft. Die Geiß beispielsweise wird gerne im Kuh­ oder Pferdestall untergebracht, um Krankheiten anzuzeigen, die Ruhe der Tiere und das Herdenverhalten zu unterstützen. Dies hat auch Auswirkungen auf uns Menschen. Mit ein Grund, warum Ziegen auch in der modernen Tiertherapie eingesetzt werden.

Die Kuh des kleinen Mannes. Frech, dickköpfig, intelligent, robust – perfekt an karge Lebensräume angepasst und trotzdem Feinschmecker! Ausgerechnet die Kuh des kleinen Mannes wird heute zum Segen, ja zum Trendprodukt für viele Männer und Frauen. Nicht nur Allergiker, sondern auch viele Feinschmecker haben Ziegen­ und Schafprodukte wieder für sich entdeckt. Milch, Joghurt, Käse, Fleisch, Wurst, Schinken und Anderes kommen direkt vom Erzeuger. Kleine alternative Betriebe und Alpen experimentie­ren mit neuen Käsesorten. Unterstützt durch Ländle­Marketing und

Ziegenzuchtrassen in Vorarlberg:

Milchrassen: Saanenziege, bunte Edelziege, gämsfarbene Gebirgs­ziege und Toggenburgziege

Gebirgsrassen: Tauernschecke, Pfauenziege, Walliser Schwarz­halsziege, Pinzgauerziege

Fleischrassen: Burenziege (im Bild)

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den Schaf­ bzw. Ziegenzuchtverein Bregenzerwald werden jährlich verschiedene Vermarktungsaktionen durchgeführt (Kitzwochen, Osterkitz, Kitzgourmetwochen). Diese ermöglichen für rund 250 Vorarlberger Ziegenbauern eine Produktionsalternative, die eine zusätzliche Einkommensquelle bedeutet.

Erhaltung der Kulturlandschaft. Vorarlberg ist beim Schaf­ und Ziegenfleisch importunabhängig. Der Bestand ist höher als die Schlachtrate. Die Anzahl der Schlachtungen nahm in Vorarlberg in den letzten Jahren zu. Wurden im Jahr 2000 noch 5.488 Schafe und 297 Ziegen geschlachtet, so waren es im Jahr 2008 bereits 8.816 Schafe und 328 Ziegen. Im Jahr 2007 wurden in Vorarlberg 62.862 Rinder gehalten, darunter 22.857 Milchkühe. Dazu kamen etwa 12.300 Schweine, 12.400 Schafe und 3.200 Ziegen. Die Schaf­ und Ziegenhaltung wird für die Erhaltung der Kulturlandschaft immer bedeutsamer. Ein wachsender Anteil der Schafe wird auf den Hochalpen gesömmert. Im Jahr 2007 waren dies in Vorarlberg 3.981 Schafe und 731 Ziegen. Österreichweit werden jährlich rund 80.000 Schafe und 6.000 Ziegen gealpt. Der Vorarlberger Ziegenzuchtverband betreut 245 Mitglieder in vier Vereinen. Die gezüchteten neun Ziegenrassen gliedern sich in Milch­, Gebirgs­ und Fleischrassen. Der Vorarlberger Schafzuchtverband hat 253 Mitglieder, welche derzeit 890 Zucht­ und 11.100 Nutzschafe halten. Die Hauptschafrassen der 14 vom Verband betreuten Zuchtschafrassen sind das Tiroler Bergschaf, das Monta­foner Steinschaf, das Juraschaf sowie das Weiße Alpenschaf. Also in diesem Punkt gibt es wohl wirklich nichts zu meckern!

Urs Schwarz mit seinen Ziegen auf der Alpe Gsäß in Hittisau, 2009

Schoppernau

919 460Einwohner Rinder

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Unser Vieh hat Hörner und viel an Geldwert verloren

Der in Andelsbuch lebende und tätige Bauer Kaspanaze Simma über die Situation der Landwirtschaft im Bregenzerwald

Einleitend muss ich zwei erklärende Anmerkungen machen. „Vieh“ steht in diesem Text als Synonym für landwirtschaftliche Produkte und Natur bzw. Rohstoffe überhaupt. Den Begriff „Geld­Wert“ verwende ich in einem möglichst wörtlichen Sinn, und in Kauf nehmend, dass der wirtschaftliche Wert von „Vieh“ natürlich weit über den in Geld abgebildeten Wert hinausreicht. Dass „Vieh … und seine Geschwister, Töchter und Söhne (Holz, Milch …)“ in den letzten Jahrzehnten massiv an Potenz zur Erwirtschaftung eines Geldeinkommens verlieren, spüren wir Bauern und Bäuerinnen schon seit Längerem. Um das tatsächliche Ausmaß zu ergründen, habe ich anhand der Unterlagen des ÖSTAT nachrecherchiert und bin auf nahezu unglaubliche Veränderungen gestoßen!

­ Im Jahre 1958 kostete ein Zuchtrind umgerechnet 407 Euro, der Nettostundenlohn betrug 0,5 Euro. Der Verkauf einer Kuh erbrachte damit gleich viel Einkommen wie rund 800 Arbeits­stunden. 1980 war nach dieser Rechnung eine Kuh noch 360 Arbeitsstunden und 2009 noch 110 Arbeitsstunden wert.

­ Mitte der 1950er­Jahre lag laut ÖSTAT der Erzeugerpreis für 1 Kilogramm Milch bei 13 Cent, 1980 bei 27 Cent und 2009 bei 26 Cent. Umgelegt auf die durchschnittlichen österreichischen Netto­Stundenlöhne heißt das: 1955 waren 4 Kilogramm Milch gleich viel einer Arbeitsstunde. 1980 war der Tauschwert 14 Kilogramm. 2009 entsprachen 43 Kilogramm Milch einer Arbeitsstunde.

­ Die dargelegte Tauschwertverringerung lässt die massive Erhö­hung der Produktionskosten noch außer Acht. Diesbezügliche Berechnungen zeigen, dass ein Bauer heute etwa 30 Mal so viel produzieren müsste wie in den 1950er­Jahren, um ein Durch­schnittseinkommen zu erzielen. Vor diesem Hintergrund werden die teilweise starke Vergrößerung unserer landwirtschaftlichen Betriebe und die enormen öffentlichen Zuschüsse – bei all ihrer Fragwürdigkeit im Detail – doch auch grundsätzlich erklärbar!

­ Auch im viel diskutierten Zusammenhang mit den sogenann­ten „Turbokühen“ ist die Entwicklung des Erzeugerpreises für

„Landwirtschaftliche Rohstoffe: Verminderung seit Mitte der 1950er­Jahre um den Faktor 10. Bei fossilen Rohstoffen verhält es sich gleich.“

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Getreide interessant. 1965 waren 5 Kilogramm Weizen gleich viel wert wie eine Arbeitsstunde. 1980 sind 16 Kilogramm gleich einer Arbeitsstunde. 2005 muss ein Getreidebauer ganze 130 Kilogramm (!) liefern, um den Gegenwert einer Arbeitsstunde zu erhalten.

­ Auch unser Holz hat einen dramatischen geldwirtschaftlichen Entwertungsprozess hinter sich. Die Umlegung entsprechender Zahlen auf unsere Gemeinde Andelsbuch zeigt, dass vor gut 50 Jahren die 500 Hektar Wald in unserer Gemeinde über Holz und Aufbringungsarbeiten etwa 32 durchschnittliche Jahreseinkom­men in unsere Gemeinde brachten, 1980 sind es immerhin noch 16. Und 2005 nur mehr 2 bis 3 Jahreseinkommen.

Resümierend deuten diese Zahlen auf eine wirtschaftliche Ent­wicklung hin, die die natürliche wirtschaftliche Potenz unserer (und anderer ländlicher) Region(en) radikal vermindert hat. Wo liegen die Ursachen für diese doch dramatische Veränderung, die uns Bauern geradezu „den Boden unter den Füßen wegzieht“? Die nunmehr „zur Entwicklung“ in die Region fließenden öffentlichen Förderungen sind kein hinreichender Ausgleich für die nach wie vor fortschreitende dramatische „Rohstoffausbeutung“. Darüber hinaus tragen sie in zumindest manchen Fällen das Potenzial in sich, die Situation zu verschleiern oder gar zu verschärfen. Müsste sich unsere Politik, die die regionalen Potenziale und unseren natürlichen Reichtum für wertvoll hält, nicht vielmehr diesen grundlegenden Fragen zuwenden …?

Kaspanaze Simma mit seinem Zugpferd „Leila“

Schröcken229 79Einwohner Rinder

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Thomas C. Jutz, Geschäftsführer des Vorarlberger Braunviehzuchtverbandes, über das Viehzüchten im Wald

Der Bregenzerwald ist die viehstärkste Region in Vorarlberg. Knapp die Hälfte der Kühe und der Züchter ist hier zu Hause. Der Beginn der gemeinschaftlichen Viehzucht liegt noch nicht so lange zurück. Ab 1869 setzte sich das Montafoner Braunvieh als „milchergiebigster“ Rinderschlag in Vorarlberg durch. 1894 wurden die ersten Viehzuchtvereine im Bregenzerwald gegründet. Sie bestehen bis heute und bilden die Grundlage der Vorarlberger Braunviehzucht. „Eine problemlose Kuh mit viel Milch und einem schönen Euter“ – den Wunsch höre ich von vielen Züchtern. Ein allgemeines Zuchtziel für eine ganze Region gibt es heute nicht mehr. Jeder Züchter muss selbst entscheiden, wo er die Schwerpunkte setzt: Milchmenge oder „Exterieur“ (Aussehen) oder Fitness (Gesund-heit). Selbstverständlich soll eine schöne Ausstellungskuh auch Milch geben. Aber wenn der Betrieb nicht richtig geführt wird, kann die Fitness der Leistungskuh Probleme machen. Alle meine Kühe werden im Sommer gealpt. Doch muss ich als Nebenerwerbslandwirt bei der Leistung gewisse Abstriche in Kauf nehmen. Sonst müsste ich meine Arbeit den Kühen anpassen. Zum Glück ist das Angebot an Genetik breit gefächert. Der Züchter hat es in der Hand, die richtige Entscheidung für seinen Betrieb zu treffen. Die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg bildet die Milchleistung der Kühe – neben dem Leistungsentgelt. Für einige Betriebe ist auch die Haltung von Zweinutzungsrassen oder Mutterkühen zur Fleischerzeugung sinnvoll. Hier ist zu überlegen, ob nicht das heimische Vieh wie Original Braunvieh oder Grauvieh besser ist als „exotische“ Tiere aus anderen Ländern. Letztlich ist aber für die Wirtschaftlichkeit des Betriebes und die persönliche Zufriedenheit des Züchters das Können des Betriebsleiters entscheidend. Dazu gehören die richtige Einschätzung der eigenen Stärken und die Begeisterung für eine schöne Kuh.

Züchter aus Leidenschaft

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Viehausstellung Egg, 2010

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Wie Kunst auf die Kuh kommt

Die Künstler Harald Schwarz aus Sulzberg und Leopold Fetz zeigen in ihren Werken auch Kühe. Text: Peter Natter

Zum Thema Tiere in der Kunst gibt es zahllose Ideen und Techniken, zum Thema Kuh in der Kunst auch eine ganze Menge. Eine grafisch vertiefte und zugleich philosophisch erhöhte künstlerische Auseinandersetzung mit den Kühen wählt Harald Schwarz aus Sulzberg.

Kühe als Kunst riskieren, zu Kitsch zu ver­kommen. Besonders die mehr oder weniger schokolila bemalten Figuren, die auch im Bregenzerwald gelegentlich anzutreffen sind. Sie befinden sich auf bestem Weg, Gartenzwerg­Niveau zu erreichen. Stellt sich die Frage, warum in den künstlerischen Arbeiten des Grafikers Harald Schwarz immer wieder die Kuh auftaucht. Meist in einer Gestalt, die sie in abstrakten, vielsagenden Zusammenhän­gen zeigt. „Die Kuh ist eben eine wichtige Figur im Bregenzerwald, ein nicht nur traditioneller Teil der Wälderwelt“, erklärt Harald Schwarz. „Und leider verschwindet das ursprüngliche, so harmonisch die Landschaft bereichernde Braunvieh aus Gründen der Wirtschaftlichkeit mehr und mehr von den Wiesen. Doch Kühe werden auch noch in Zukunft grasen.“

So entreißt Schwarz die Kuh gelegentlich nicht nur ihrem an gestammten Platz, sondern fast mehr noch dem drohenden Vergessen. Dies haben vor ihm auch andere versucht. Nicht zuletzt der Maler Leopold Fetz, einer der bedeutendsten Maler des Bregenzerwaldes, in faszinierenden Bildern. Eine aktuelle Arbeit von Harald Schwarz befindet sich in der Pension Bals in Hittisau. Hier ist das fast lebensgroße Abbild der Kuh aufgeschlüsselt in einzelne Teile. Er hat den Kühen Buchstaben form gegeben. Aneinandergereihte Buchstaben bilden einen Code. Er dient den Menschen zur Verständigung. Dass die

Der Kuh widmen sich im Bregenzer-

wald nicht wenige: An erster Stelle

die Bauern und Bäuerinnen, dann

Älpler, Tierärzte, Landwirtschafts-

kammer, Zuchtvereine u. a. Sie alle

können fast nicht anders, als sich

der Kuh anzunehmen: Was ist ein

Bauer ohne Kühe? Kaum mehr als

ein Tankwart ohne Benzin, oder?

Ganz anders schaut es aus mit einem,

dessen Berufsleben sich um Grafik,

Fotografie, Animation, Webdesign

und Videos dreht! Wie kommt so

einer auf die Kuh? Was fängt er an

mit dem Hornvieh? Wie verträgt sich

überhaupt die Kuh mit der Kunst?

Schwarzenberg1.799 1.750Einwohner Rinder

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33Bregenzerwald Spektrum

„Typoveah“, entwickelt von Harald Schwarz und Michael Fetz (fetzcolor, Alberschwende) fürHandwerk+Form 2009

Buchstaben, die Textfragmente, aus denen die Kühe entstehen, Gedichten des Mundartdichters Othmar Mennel entnommen sind, gibt ihnen den vielleicht entscheidenden Kick, den entscheidenden Identitätsschub! Die Kuh wird so bei Harald Schwarz zu einem lesbaren Text, zu einem Reden über die Region. Unterschiedliche Färbungen führen zur bildlichen Aussage. Harald Schwarz verleiht dem Text eine zweite, bildliche Ebene. Er überlässt es dem Betrach­ter, auf welcher Ebene er sich aufhalten möchte. „Bodenständiges – und eben hierfür steht für mich (noch) die Kuh – wird aufgelöst und in Verbindung mit der Ebene Text in ein neues Spannungsfeld gepflanzt“, sagt der Künstler über seine Begegnung mit der Kuh.

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Auf dem Pferd zur kranken Kuh

„Das Becken der Kühe haben sie beim Züchten vergessen: Es wurde kleiner und kleiner.“

Der neunzigjährige ehemalige Tierarzt Anton Stöckler über seine Erfahrungen mit dem Vieh und seinen Bauern im Wald. Text: Martin Hartmann

Ein fester Händedruck, wache Augen, schlohweißes Haar, Jahrgang 1920. Mit kleinen Schritten steuert Anton Stöckler auf den dun­kelgrünen Sessel im Wohnzimmer zu. Entschuldigt sich für seine etwas undeutliche Aussprache: „Ich bin kein großer Erzähler – nie gewesen.“ Und beginnt doch zu erzählen. Bedächtig antwortet er auf die Fragen – wägt seine Worte ab. Gymnasialzeit in Bregenz, Krieg, Verwundung, Genesung, Ostfront, abenteuerliche Rückkehr in die Heimat Lingenau. Studium in Innsbruck und in Wien.

Wer traut schon dem Jungen?1951 ergibt sich eine einmalige Chance für Stöckler. Der langjährige Tierarzt in Hittisau wird nach Bregenz ins „Tierzuchtamt“ berufen. Mit offenen Armen wird der Neue, der „Junge“ nicht empfangen. Lange habe man noch nach dem ehemaligen Tierarzt geschickt und nicht verstehen können, dass er nicht komme. Nur langsam bemer­ken die Bauern, dass auch der junge Stöckler seine Sache gut macht.Zu seinen tierischen Patienten – und das meint ausschließlich Pferd, Rind, Schwein – gelangt Stöckler sommers auf einem Motorrad und winters auf dem Rücken eines Norikers, die Instrumente in einem Rucksack und zwei Satteltaschen verstaut. Etwas später wurde das NSU­Motorrad durch einen umgebauten Schwimmwagen der Wehrmacht ersetzt. Oft wird er gerufen, um Kühen verschluckte Gegenstände, meist Nägel oder Ähnliches, aus dem Magen zu holen. „Da war das aufkommende Penicillin ein Segen. Nun konnte ich im Stall unter nicht­sterilen Bedingungen operieren, das wäre früher nie gegan­gen.“ Stöckler wird zum Spezialisten für solche Eingriffe.

Kühe mit zu kleinem BeckenJahrzehntelang war das Vieh in Vorarlberg auf Geländegängigkeit gezüchtet worden. „Niedrig, breitschultrig, dickfüßig – und natürlich schöne Hörner“, lacht Stöckler. „Aber auf das Becken haben sie vergessen. Das wurde kleiner und kleiner.“ Schließlich so klein, dass fast die Hälfte der Kalbungen Problemgeburten waren. „Viele haben verworfen. Dann musste man das ungeborene Kalb im Leib der Kuh auseinandersägen. Eine strapaziöse Arbeit. Kopf und Beine vom Körper abtrennen und einzeln herausnehmen.“ Mitte der Siebziger­jahre wurde der Kaiserschnitt entwickelt. „Aber mit der Zeit ist man draufgekommen, dass mehrere Kaiserschnitte oft Unfruchtbarkeit zur Folge hatten. Es lag beim Bauern zu entscheiden, welche Behandlung er wollte.“

Sibratsgfäll391 444Einwohner Rinder

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35Bregenzerwald Spektrum

Die Einsicht, dass in eine andere Richtung gezüchtet werden musste, fiel zusammen mit einer Revolution in der Tierzucht: 1966 wurde die Besamung in Vorarlberg erlaubt. Stöckler war ein Anhänger der neuen Technik: „Die Zucht ging viel schneller, das Risiko für die Züchter wurde geringer. Und es war bequemer für die Bauern. Früher haben sie ihre Kühe zum Dorfstier getrieben – einzeln und immer nach der Arbeit am Abend in der Dunkelheit auf der Straße. Mit dem zunehmenden Autoverkehr wurde das auch immer gefährlicher.“

Kleintiere kamen erst spätKleintiere hatte Anton Stöckler lange Zeit gar keine in Behandlung. Erst in den späten Sechziger­Jahren kamen die ersten Hunde und Katzen: „Ich mag Tiere gern. Aber das Verhältnis eines Tierarztes zum Nutzvieh ist ein anderes als das einer Hausfrau zur Katze. Ich war immer rücksichtsvoll, menschlich, ärztlich genau. Aber es geht einem nicht an die Seele, wenn man täglich damit konfrontiert ist.“ Es ging oft nicht nur darum, den Tieren, sondern auch den Menschen zu helfen – deren Existenz an den Tieren hing: „Armen Bauern habe ich viele Dinge kostenlos gemacht, oder auch, wenn am Hof der Bauer plötzlich gestorben ist.“ Die „atemberaubende Schnelligkeit des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts“ sieht Stöckler mit der Gelassenheit eines langen Lebens: „Früher war eine Kuh einfach viel mehr wert als heute. Aber auch damals war die Frage, rentiert sich die Behandlung oder rentiert sie sich nicht mehr, im Mittelpunkt der Behandlung. Ich würde diesen Beruf wieder ergreifen.“

„Verolars“ Wilhelm Felder mit dem Pferd in Schoppernau, 1992

Sulzberg1.750 2.678Einwohner Rinder

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36 Bregenzerwald Spektrum

„Kühe im Wald heißen sehr häufig so wie ich. Da wird dann immer wieder gewitzelt, Lisa hat gerade Lisa besamt oder Ähnliches.“

Lisa Elsässer ist seit vier Jahren Tierärztin in Hittisau. Text: Carina Jielg

Schon als Kind hat Lisa Elsässer jedem Tier, das sie auf der Straße gefunden hat, zu helfen versucht. Später arbeitete sie als begeisterte Reiterin mit Pferden in Schweden, absolvierte ein Studium der Veterinärmedizin in Wien und verbrachte drei Winter bei Bauern in Südafrika. Seit vier Jahren praktiziert die 30­Jährige als Tierärztin in Hittisau und kennt viele Kühe mit Namen.

Welche Tiere begegnen dir in der Tierarztpraxis Dr. Stöckler? Lisa Elsässer: In erster Linie behandeln wir, was sich auf einem Vorarlberger Bauernhof so findet, also Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen. Für Kleintiere haben wir zwar eigene Sprechstunden, Wel­lensittiche und Meerschweinchen kreuzen aber eher selten meinen Weg. Hauptsächlich mache ich Hofbesuche. Dort besteht meine Arbeit aus allem, was anfällt: Geburten, Besamungen, Behandlung von Euterkrankheiten, Verdauungsstörungen, Lungenproblemen etc. Am liebsten helfe ich bei Problemen rund um die Geburt.

Begleitest du das eine oder andere Tier durchs Leben?Nicht bis zum Schluss – ich bin kein Schlachttierarzt, obwohl ich während des Studiums ein Praktikum auf einem Schlachthof machen musste. Aber es gibt schon zahlreiche Kühe, denen ich immer wieder begegne, die mir sogar namentlich bekannt sind.

Wie heißen denn die Kühe heutzutage?Erstaunlicherweise sehr häufig so wie ich. Da wird dann immer wieder gewitzelt „Lisa hat gerade Lisa besamt oder Ähnliches.“ Weitere beliebte Namen: Frida, Resi, Rosina. Die meisten Kälber kriegen Namen mit dem Anfangsbuchstaben des Namens der Mutter. Überhaupt tickt da der Bregenzerwald noch anders – in den Großbauernhöfen im Osten Österreichs oder in Deutschland sind die Tiere meist nur noch Nummern. Die Beziehung zwischen Bauer und Vieh ist generell bei uns noch sehr eng.

„Wir arbeiten mit bewährten Hausmitteln“

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37Bregenzerwald Spektrum

Unterscheidet sich euer Praxisalltag von dem eines Tierarztes in der Stadt? Wir haben sicher deutlich weniger Kleintierpatienten, sind bei jedem Wetter bzw. zu jeder Jahreszeit und Uhrzeit auf Abruf bereit und viel in der Natur. Bei uns gibt es kaum exotische Tiere und wir arbeiten täglich mit altbewährten Hausmitteln, mit pflanzlichen Medikamenten und Homöopathie. Es gibt im Bregenzerwald sehr viele Bauern, die sich diesbezüglich selbst weiterhelfen, die sich auch selbst weiterbilden. Da ist eine ganz hohe Bereitschaft spürbar.

Gab es früher weniger Seuchen?Früher gab es wohl eher mehr Seuchen, schon aufgrund der schlechteren hygienischen Zustände. Mit Seuchen hat man schon immer leben müssen – aber was heute dazukommt, ist die mediale Berichterstattung, da ist so ein Thema dann plötzlich allen bekannt.

Du hast auch in Afrika gearbeitet. Was unterscheidet einen afrika­nischen Bauern von einem im Bregenzerwald?Fast alles. Wenn ein afrikanischer Kleinbauer eine Kuh oder selten zwei Kühe besitzt, dann ist er enorm reich und diese eine Kuh, die sichert dort das Überleben.

„Verolars“ Germana Felder aus Schoppernau auf dem Weg zur Jubiläumsausstellung 1962

Warth189 70Einwohner Rinder

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KäseStrasse Bregenzerwald Verein zur Förderung der Bregenzerwälder Käsekultur

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BregenzerwaldRegionalplanungsgemeins�a�

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ImpressumHerausgeber und Medieninhaber: Regionalentwicklung Bregenzerwald GmbH, 6863 Egg AuflAge: 13.000 Exemplare Für den Inhalt verantwortliche Projektleitung: Daniela Kohler; namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht mit

der Meinung der Redaktion übereinstimmen Redaktion: Fuchs & Partner, Wien Bildnachweis: Hubert Cernenschek (Titel, Seite 2, 7, 8, 29, 30), Thomas Troy (Seite 10, 11), Bregenzerwaldarchiv,

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Leopold Kaufmann (Seite 18, 19), Jakob Lingg (Seite 20, 21), REGIO Bregenzerwald (Seite 23), Ludwig Berchtold (Seite 24),

Urs Schwarz (Seite 26, 27), Ludwig Berchtold (Seite 25), Adolf Bereuter (Seite 33), Sandra Pöltl (Seite 34, 36) Quellen Datenmaterial für Grafiken Einwohner-Rinder-Vergleich: Amt der Landesregierung, Landesstelle für Statistik

und Landwirtschaftskammer Vorarlberg

Gestaltung: broger grafik, 6866 Andelsbuch, www.broger.at Druck: Druckhaus Gössler GmbH, 6870 Bezau

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ist nur eine Bank meine Bank.

Wenn’s um den Bregenzerwald geht,

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Mit dem Ausfüllen dieses Fragebogens helfen Sie uns, das Spektrum zu verbessern, es noch interessanter und spannender zu gestalten. Die Karten können bei den Raiffeisenbanken und Gemeindeämtern im Bregenzerwald abgegeben werden. Oder Sie schicken es an REGIO Bregenzerwald, Impulszentrum 1135, 6863 Egg. Weitere Anregungen nehmen wir unter [email protected] gerne entgegen. Vielen Dank für Ihr Feedback!

1. Wie oft lesen Sie das Spektrum? jedes Mal, wenn es erscheint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gelegentlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eher selten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Können Sie sich an bisher erschienene Spektrum- Ausgaben (Titelbild, Thema usw.) erinnern?

an mehrere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . an eine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . an keine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3. Das Spektrum erscheint derzeit zweimal pro Jahr. es sollte öfter erscheinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . zweimal pro Jahr ist gerade richtig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . es sollte seltener erscheinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4. Wer, außer Ihnen, liest das Spektrum noch (Mehrfachantworten möglich)?

KollegInnen und/oder MitarbeiterInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . Bekannte, Freunde, Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spektrum wird nur von mir gelesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5. Wie oft nehmen Sie eine Ausgabe des Spektrums zur Hand? einmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . zwei­ bis dreimal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . öfter als dreimal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6. Wie lesen Sie das Spektrum? ich lese (fast) die gesamte Ausgabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ich blättere das Spektrum durch/ich überfliege die Inhalte . . . ich blättere das Spektrum durch und lese jene Artikel, die mich interessieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ich lese das Inhaltsverzeichnis und blättere gezielt zu den Themen, die mich interessieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ich lese das Spektrum nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Leserbefragung

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7. Wie beurteilen Sie das Spektrum ganz allgemein? (Gesamteindruck)

sehr hohe Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . mittelmäßige Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . schlechte Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Wie beurteilen Sie die Gestaltung des Spektrums?

(Design) sehr gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . mittelmäßig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . schlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Wie beurteilen Sie den Inhalt des Spektrums?

(Geschichten) sehr interessant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . teils interessant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nicht interessant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10. Alter bis 19 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 bis 29 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 bis 39 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 bis 49 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 bis 59 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . über 60 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11. Geschlecht männlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . weiblich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12. Beruf

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Raum für Anmerkungen, Lob, Kritik, ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Leserbefragung

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Von Links nach Rechts: Franz Felder, Josef Felder, Leopold Wirth auf der Alpe Bühlen in Egg, ca. 1930