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Große Brennnessel Kulturanleitung für den kontrollierten Anbau Brennnessel Urtica dioica L. (Urticaceae) Geschichte Die Brennnessel wird seit Urzeiten medizinisch genutzt – so fand man z.B. Überreste in neolithischen Pfahlbauten in der Schweiz aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. Auch das Wort „Nessel“ ist sehr alt und geht auf das althochdeutsche „nezzila“ zurück, das mit dem Wort „Netz“ in Zusammenhang steht. Dieses weist auf die frühere Fasergewinnung zur Herstellung von Nesseltuch hin. Schon Dioskurides schätzte die Brennnessel und beschrieb ihre Anwendung bei Rheuma, Blutarmut und Durchfall. Der römische Dichter Catull (57 n. Chr.) schrieb eine Lobeshymne auf die Brennnessel, die ihn von Husten und Schnupfen geheilt hatte. Bei den Griechen nannte man die Nessel „acalyphe“. Der lateinische Name „urticaist von úrere (= „brennen“) abgeleitet. Der Artname „dioica“ bedeutet zweihäusig. Auch Hildegard von Bingen wusste um die Wirkung der Brennnessel und empfahl die frische, gekochte Brennnessel für die Reinigung des Magens und als schleimlösendes Mittel. Paracelsus (1493 bis 1541) kurierte die Gelbsucht mit einem Gemisch aus Brenn- nesselsaft und Ziegenmolke.

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Große Brennnessel

Kulturanleitung für den kontrollierten Anbau

Brennnessel Urtica dioica L. (Urticaceae)

Geschichte Die Brennnessel wird seit Urzeiten medizinisch genutzt – so fand man z.B. Überreste in neolithischen Pfahlbauten in der Schweiz aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. Auch das Wort „Nessel“ ist sehr alt und geht auf das althochdeutsche „nezzila“ zurück, das mit dem Wort „Netz“ in Zusammenhang steht. Dieses weist auf die frühere Fasergewinnung zur Herstellung von Nesseltuch hin. Schon Dioskurides schätzte die Brennnessel und beschrieb ihre Anwendung bei Rheuma, Blutarmut und Durchfall. Der römische Dichter Catull (57 n. Chr.) schrieb eine Lobeshymne auf die Brennnessel, die ihn von Husten und Schnupfen geheilt hatte. Bei den Griechen nannte man die Nessel „acalyphe“. Der lateinische Name „urtica“ ist von úrere (= „brennen“) abgeleitet. Der Artname „dioica“ bedeutet zweihäusig. Auch Hildegard von Bingen wusste um die Wirkung der Brennnessel und empfahl die frische, gekochte Brennnessel für die Reinigung des Magens und als schleimlösendes Mittel. Paracelsus (1493 bis 1541) kurierte die Gelbsucht mit einem Gemisch aus Brenn-nesselsaft und Ziegenmolke.

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Blatt der Brennnessel

Brennhaare

Der Arzt und Botaniker Otto Brunfels schrieb 1532 in seinem „Contrafayt Kreuterbuch“: “Was ist nichtigeres und verächtlicher oder auch verhasster dann eine Nessel. Was ist holdseliger dann eine Hyacynthus, ein Narcissus, ein Gilgen (Lilie), doch dann übertrifft die Nessel alle samt.“ Der deutsche Arzt, Philosoph und Mathematiker Lonicerus (Adam Lonitzer) schrieb, sie sei „hitzig im Anfang des ersten Grades und trocken im anderen“. Sie wirke „erweichend, wind-, stein- und harntreibend, aphrodisisch“ und werde „gegen krebsartige Geschwüre, brandige Wunden, Furunkeln, Geschwülste, Drüsenanschwellungen, Verrenkungen, Nasenbluten, Milzerkrankungen, Brustfell- und Lungenentzündung, Asthma, Hautgrind, Munderkrankungen und Epilepsie eingesetzt“.

Im 18. Jahrhundert wurde sie erfolgreich bei Wassersucht, allen Arten von Hämorrhagien sowie bei Hautausschlägen verwendet. Die Brennnessel spielte auch als „Sympathiemittel“ eine große Rolle. Eine beliebte Anwendung war die Flagellation rheumatischer oder gelähmter Glieder mit Brennnesseln, wobei durch das Gift der Nesselhaare eine Hautreizung mit nachfolgendem Erythem und Blasenbildung auftrat.

Pflanze

Die Brennnessel ist eine mehrjährige, aufrecht wachsende, wenig verzweigte Staude. Sie besiedelt bevorzugt stickstoffhaltige Plätze in der Nähe menschlicher Siedlungen und bildet dort mit ihren starken weißen Wurzeln ein dichtes Geflecht, mit dem sie sich horstartig ausbreitet. Ihre 4-kantigen grünen Stängel können bis über 2 Meter hoch werden. An ihnen sitzen die herzförmig – lanzettlichen Blätter in gegenständiger Anordnung. Die Blätter haben 3-5 gut sichtbare Adern und einen grob gesägten (häufig auch doppelt gesägten) Blattrand. Blätter und Stängel sind grün und stark mit nach außen gerichteten Brennhaaren, Borsten- und Drüsenhaaren besetzt.

Die Brennhaare bestehen aus Kieselsäurekristallen und sind mit einem Köpfchen versehen, das bei Berührung abbricht. Das restliche Haar sieht nun aus wie eine Injektionsnadel, die sich in die oberen Hautschichten bohrt. Der darin enthaltene ameisensäurehaltige Brennsaft wird durch die kapillare Sogwirkung in die Haut injiziert und kann dort zu langanhaltenden Rötungen, Quaddeln und Juckreiz führen.

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Brennnessel mit Blütenrispen

Die Große Brennnessel ist zweihäusig, daher findet man entweder männliche oder weibliche Pflanzen, die man nur schwer unterscheiden kann. Die Blüten der Brennnesseln sind in 5-10cm langen Rispen angeordnet, die den Blattachseln im oberen Drittel der Pflanze entspringen. Die Einzelblüte ist nur 1mm groß und gelblich weiß. Männliche Blüten produzieren enorme Mengen von Pollen, die vom Wind verfrachtet werden und so Allergikern große Probleme bereiten. Die weibliche Blüten bringen später 1-2mm lange, braunschwarze Samen hervor. Es heißt, dass die männlichen Blütenrispen aufrechter stehen sollen, während die weiblichen eher hängen. Die Blütezeit der Brennnessel liegt im Juni – Oktober, bei Rückschnitt kommt sie mehrmals im Jahr zur Blüte.

Vorkommen

Die Brennnessel bevorzugt humose, kalkhaltige, nährstoffreiche Böden, verträgt aber keine Staunässe; sie gilt allgemein als Stickstoffzeigerpflanze. Die Pflanze ist sehr frosthart. Bei mehrjährigem Anbau muss unbedingt ein unkrautarmer, insbesondere wurzelunkrautfreier Standort gewählt werden.

Inhaltsstoffe

Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben dass die Brennnessel beachtliche Wirkstoffe in sich birgt: als wichtigste Skopoletin und β-Sitosterin 1 bis 2% Flavonoide (Quercetin-, Kämpferolglykoside,) Carotinoide und Chlorophyll 1 bis 4% Silikate Verschiedenen Säuren wie: Gallus-, Gerb- und Ameisensäure Mineralsalze wie Eisen, Magnesium, Silizium, Natrium, Kalzium, und Phosphor weitere Stoffe wie Glukokinin Vitamin C, A und E Die Wurzel enthält zusätzlich 0,1% eines spezifischen Lektins, des so genannten „Urtica dioica Agglutins“ Hinzu kommen pflanzliche Hormone als Phyto- oder Biostimulantien, sowie viele Enzyme. Der Brennsaft enthält Histamin, Acetylcholin und Serotonin

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Verwendung, Wirkung und Anwendung

Magische Eigenschaften und Verwendung

Die beschützenden Eigenschaften der Brennnessel wurden schon lange in der Magie verwendet. Um einen Fluch abzuwenden oder ihn zurück zu senden, soll man Brennnesseln in eine Puppe stopfen oder sie in einem Säckchen mit nach Hause nehmen. Böses hält man vom Haus fern, wenn dieses mit Brennnesselwasser besprengt wurde oder das Kraut verbrannt wurde. Böse Geister oder Gefahren ließen sich aber auch abwehren, indem man Brennnesselkraut in der Hand hielt. Gemeinsam mit der Schafgarbe als Amulett um den Hals getragen, wirkte sie gegen die Angst und konnte Negatives bannen. Eine frisch geschnittene Brennnessel unter das Bett einer kranken Person gelegt unterstützte die Heilung. Die Kelten betrachteten Brennnesseln als „Schutzschild“ gegen böse Flüche und pflanzten sie daher häufig rund um ihre Behausungen. Wo sie natürlich wachsen, befinden sich häufig Wasserkreuzungen im Untergrund – diese Plätze waren den Kelten heilig. Noch heute wird die Brennnessel auch als Lust förderndes Kraut verwendet. Mexikanische Heiler empfehlen, sie in Reinigungsbädern zu verwenden, weil sie "mehr Fleisch fressend" ist als die anderer Kräuter und sie so eine viel effizientere Wirkung hat. Besonders liebesfördernd wirken dabei Brennnesselsamen. Aus diesem Grund war es im Mittelalter Mönchen und Nonnen verboten, diese zu essen. Aber auch „Auspeitschungen – sogenannte Urtikationen“ wenn das müde Glied „hanget“ mit frischen Brennnesseltrieben wirken hier – nach Otto Brunfels – Wunder. In einem der traditionellen Segnungsrituale für das Athame (Kultmesser) wird die Brennnessel für das Reinigungsbad verwendet, in dem die erhitzte Klinge geschwungen wird.

Fasergewinnung Stoffe aus Brennnesseln gab es bereits vor Jahrtausenden. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts lebte das Interesse an der heimischen Faserpflanze aufgrund einer Baumwollknappheit wieder auf. Um 1900 galt die Brennnessel als das „Leinen der armen Leute“. Zuletzt wurde sie im Zweiten Weltkrieg verstärkt in Deutschland für Armee-Bekleidung verwendet. Nachdem man im 12. Jahrhundert Brennnesselfasern dazu nutzte, Segel und Fischernetze zu produzieren, versuchte man ab dem 15. Jahrhundert, die Pflanze zu kultivieren, bis schließlich die Baumwolle aufkam. Dennoch gewann der Nesselstoff immer dann an Bedeutung, wenn Baumwolle knapp wurde - zuletzt nach den beiden Weltkriegen. Die Kelten stellten aus Nesselfasern Stricke, Säcke und Hemdenstoffe her. Schon in der Altsteinzeit wurden aus der Pflanze Netze, Reusen, Tragtaschen und Fallstricke produziert.

Färberpflanze Lange Zeit gehörte die Brennnessel zu den Färberkräutern. Wolle kann man mit ihrer Wurzel, nach Vorbeizen mit Alaun, wachsgelb färben. Mit einer Zinnvorbeize,

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Kupfernachbeize und einem Ammoniak-Entwicklungsbad erzielt man mit dem Kraut ein kräftiges Graugrün. Man benötigt etwa 600 Gramm Brennnessel pro 100 Gramm Wolle; besonders bei der Brennnessel kann der Farbton vom Zeitpunkt des Pflückens und Färbens abhängen, deshalb ist die Technik bei Massenproduktion von Kollektionen in Vergessenheit geraten.

Verwendung in der Heilkunde

Zubereitungen aus dem Brennnesselkraut oder den Brennnesselblättern wirken bei Rheuma. Brennnesseln wirken außerdem adstringierend, Blut reinigend, Harn treibend, Schmerz lindernd und Entzündung hemmend. Sie helfen darüber hinaus bei entzündlichen Harnwegserkrankungen, aber auch bei der Behandlung und Vorbeugung von Nierengrieß und bei Prostatabeschwerden. Da bei der Einnahme von Brennnesseln mehr Flüssigkeit eingenommen werden soll, ist dies jedoch nicht bei Erkrankungen zu empfehlen, bei denen die vermehrte Flüssigkeitszufuhr vermieden werden soll. Der in der Volksmedizin empfohlene Diabetikeraufguss hat hingegen keinen Einfluss auf die Erkrankung selbst. Allerdings wirkt sich die Brennnessel positiv auf die Funktion der Bauchspeicheldrüse aus. Empfohlen wird die Brennnessel auch als blutbildendes Gemüse anämischer Personen. Die blutbildenden Substanzen liegen in wesentlich höheren Gehalten als Spinat vor und können zudem vom Körper aufgenommen werden.

Anwendung in der Volksmedizin

In der Volksheilkund werden Brennnesseln zur Anregung des Milchflusses bei stillenden Müttern, gegen Haarausfall, bei Hautausschlägen, Allergien, Osteoporose, Anämie und Wechseljahresbeschwerden verwendet. Kocht man die Brennnessel in Milch, hilft dies gegen Durchfall. Außerdem soll das "Auspeitschen" mit Brennnesseln gegen Rheuma, Hexenschuss, Ischias und Gicht helfen, da dies die Durchblutung anregt.

Kulinarisches

Die jungen Blätter der Brennnessel besitzen noch keine Brennhärchen, so dass man aus ihnen einen schmackhaften Salat zaubern kann. Darüber hinaus gibt es den Brennnesselspinat, Brennnesselnudeln, Brennnesselschlutzer, Brennnesselknödel oder –nocken machen oder auch die Brennnesselsuppe. Blätter und Samen können auch zu einem Brennnesselbrot verarbeitet werden. Köstlich sind auch frittierte und leicht gesalzene Brennnesselblätter. Am besten schmecken die noch ganz jungen Triebspitzen der Pflanzen, die im Frühjahr wachsen. Wenn man ganzjährig nur junge Blätter verwenden will, sollte man die Brennnesseln regelmäßig bis auf 2cm über dem Boden zurückschneiden. Nach kurzer Zeit treiben die Brennnesseln wieder aus der Wurzel aus, so dass man wieder junge

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Blätter hat. Auf diese Art und Weise kann man von April bis September, manchmal auch Oktober, junge hellgrüne Brennnesselblätter ernten. Wen bei etwas älteren Blättern die Brennhaare stören, der kann diese auch unschädlich machen, indem die Brennnesseln in ein Tuch gewickelt und dieses stark gewrungen und sie anschließend kurz blanchiert werden. Alternativ dazu kann man sie auch kräftig duschen. Durch das Vermischen mit der Marinade verlieren die Härchen im Salat ihre Brennwirkung. Ganz neu ist noch eine weitere Verarbeitungsvariante: Brennnessel als „Smoothie“. Hierzu werden frische Brennnesselblätter/Triebspitzen zusammen mit z.B. Apfel oder anderen Gemüsen/Kräutern zu einem belebenden und reinigendem Getränk – besonders im Frühjahr - verarbeitet. Äußerliche Anwendungen Haarspülung Wer besonders glänzendes und kräftiges Haar haben möchte, nutzt die Kieselsäure der Brennnessel: dazu werden Stängel und Blätter mindestens 20 Minuten gekocht, um die Kristalle zu lösen. Anschließend spült man mit dem erhaltenen Absud die Haare. Eine Haarspülung wirkt auch gegen fettes Haar und Schuppen. Stickstoffdünger Als stickstoffsammelnde Pflanze besitzt die Brennnessel sehr hohe Düngeranteile. Wer diese hohen Stickstoffanteile der Pflanze als Dünger im Gemüsegarten nützen möchte, stellt aus frischen Trieben mit Wasser über mehrere Wochen eine Brennnesseljauche her, die anschließend in verdünnter Form als hervorragender Stickstoffdünger flüssig ausgebracht werden kann. Läusevertreiber Das Wasser aus einem Kaltauszug kann Läuse vertreiben. Dazu setzt man frische Brennnesselstängel über Nacht in kaltem Wasser an und spritzt dieses Wasser dann täglich und mehrere Tage hintereinander auf die befallenen Pflanzen. Aber Achtung: die Läuse werden nur vertrieben, nicht getötet!

Wichtige Hinweise

Fruchtfolge

Die Brennnessel ist weitgehend selbstverträglich, Anbaupausen von 3-4 Jahren sind aber empfehlenswert. Als Vorfrucht sind N- liefernde Kulturen z.B. Leguminosen günstig. Die Brennnessel hat einen guten Vorfruchtwert, da sie eine große Bodendurchwurzelungskraft hat. Nachteilig wirkt sich diese starke Durchwuchskraft allerdings auf die Nachfrucht aus.

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Anbau

Jungpflanzenaufzucht

� Aussaat Die bewährteste Methode zum Brennnesselanbau ist die Jungpflanzenaufzucht. Die Jungpflanzen werden aus Brennnesselsamen im Gewächshaus gezogen. Die Aussaat erfolgt Mitte Februar in Saatkisten, die Samen dürfen nur leicht abgedeckt werden (Lichtkeimer). Die aufgehenden Pflänzchen werden ab Mitte März in Anzuchtplatten (54 Loch) in Pflanzenhorsten pikiert (3 bis 5 Pflänzchen). Als Substrat dient Einheitserde.

� Wurzelausläufer Die Brennnessel besitzt einen bis zu 17 cm langen Wurzelstock mit dem sie den Winter überdauert. Daneben entwickelt sie flache Wurzelausläufer (Stolonen). Sie können ab Mitte April in kleinen Parzellen (70 x 20 cm) ausgelegt werden, wobei die Wurzelausläufer eine Länge von etwa 10 cm besitzen sollen. Zwar ist diese Methode relativ aufwändig und kann lückenhafte Bestände hervorbringen, dafür ist sie Erfolg versprechender als die Direktsaat, weil die kleinen Brennnesselsamen im Freiland ein schlechtes Auflaufverhalten besitzen.

Direktsaat Aussaattermin: April; Aussaatstärke: 40-60 g/Aa; Reihenabstand: 45 cm, TKG 0,14 Problem: geringe und ungleichmäßige Auflaufrate bei gedrillten Beständen. Pflanzung von Jungpflanzen Pflanztermin: Frühjahr (Mitte April); Reihenabstand: 70 cm, Pflanzabstand in der Reihe: 20 – 30 cm Pflanzenanzahl: 800 Pflanzen/Ar Bei mehrjährigem Anbau muss die Kultur ausreichend beregnet und reichlich mit Stickstoff versorgt werden. Wichtig ist eine Nachdüngung nach jedem Schnitt.

Düngung Brennnessel ist ein Stickstoff- Zehrer. Wegen der hohen Keimzahl darf kein frischer Stallmist oder Gülle auf die Brennnesselkultur ausgebracht werden; Phosphor (P), Kalium (K) und Magnesium (Mg) gibt man am besten bereits zur Vorkultur in ausreichendem Maße. Auf hohe N-Gaben reagieren Brennnesseln zwar mit hohen Blatt- und Chlorophyllgehalten aber auch hohen Nitratwerten.

Durchschnittlicher Nährstoffbedarf/Ar

N P2O5 K2O 1,50 0,80 0,30

Zusätzlich 0,30 kg N nach jedem Schnitt.

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Nährstoffentzüge bei Brennnessel kg/Ar

Pflanzenteil N P2O5 K20 Mg O Nicht blühendes Kraut 2,34 0,63 2,75 0,37 Wurzeln 0,80 0,16 0,41 0,08 Pflege Wichtig ist eine regelmäßige Bestandskontrolle. In jedem Fall müssen vor einem Schnitt unbedingt Unkräuter entfernt werden.

Krankheiten und Schädlinge

Pilzliche Schaderreger

Besonders gefürchtet ist ein Befall mit Fusarien (Pilzen). Sie können durch Fäulnis nicht nur zu Ernteausfällen führen, sondern bilden zudem Gifte, die bei Einnahme durch den Mund (oral) beim Menschen zu akutem Erbrechen führen können.

Braune Blattflecken Septoria urticae

dunkle, unregelmäßige Flecken auf den unteren Blättern beginnend, führt zu Ertragseinbußen

trockene Kulturführung, stark befallene Pflanzen entfernen

Brennnessel - Rost Puccinea urticae-caricis

Kreisrunde aufgewölbte Pusteln auf der Blattoberseite, unterseits warzenartig und mit rostroten Sporen, von unteren Blättern ausgehend Trockene Kulturführung, Blätter entfernen, evtl. ein Sanierungsschnitt und befallenes Erntegut vernichten

Tierische Schädlinge Für die Raupen von rund 50 Schmetterlingsarten sind bestimmte Brennnessel-Arten eine wichtige Futterpflanze. Die Schmetterlingsarten Admiral, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs (auch als Nesselfalter bekannt), Silbergraue Nessel-Höckereule, Dunkelgraue Nessel-Höckereule,

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Brennnessel-Zünslereule (Hypena obesalis). Sie sollten möglichst ökologieverträglich entfernt werden, z.B. durch das Absammeln oder durch zurückschneiden des Bestandes. Die auf Brennnesseln zahlreich zu findenden Marienkäfer sollten nicht als Schädlinge betrachtet werden, da besonders deren Larven zur wesentlichen Bekämpfung von Blattläusen beitragen

Kleiner Fuchs Aglais urticae

Tagpfauenauge

Aglais io

Landkärtchen Araschnia levana

Schäden nur bei massenhaftem Auftreten der Raupen Kalfraß der Pflanze von der Triebspitze her

Brennnessel – Blattlaus Aphis urticata

Laus dunkelgrün bis blattgelb In großen Kolonien Schäden bei übermäßigem Befall durch starke Saugtätigkeit an jungen Triebspitzen Blätter verkrüppelt

Gemüseeule Lacanobia oleracea

Raupen im Endstadium mit großen Schäden Schäden durch Loch- bis Skelettierfraß

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Brennnessel-Blattfloh Trioza urticae

Schäden bei starker Saugtätigkeit, dann Spitzen verbogen, verkrüppelt, teilweise mit Gallenbildung Pflanze nicht mehr vermarktbar

Brennnessel - Wiesen -Erd-Zikade Aphrodes makarovi

untergeordnete Bedeutung Schäden durch Saugtätigkeit der 5 Larvenstadien auf der Blattunterseite vom Boden ausgehend Blattoberseits erscheint das Blatt weiß gesprenkelt

Brennnessel -Gallmücke Dasineura urticae

Sehr kleine, gelblich-grüne Gallmücken legen mit ihrem Legestachel Eier ins Blattgewebe, das mit Gallenbildung reagiert. Symptome ab Juli bis September Wirtschaftliche Schäden nur sehr selten

Distelfalter Vanessa cardui

Schäden durch Frass der Raupen nur bei massenhaftem Auftreten

Brennnessel -Spitzmaul -Rüssler Taeniapion urticarum

sehr kleiner, schwarzer und behaarter Rüsselkäfer (ca 2mm) mit orangefarbenen Beinen frisst an Stängel – besonders beim Blattstielansatz kaum wirtschaftliche Schäden

Ernte/Aufbereitung

Im 1. Anbaujahr kann man mit 3 Krauternten rechnen (Ende Juni, Ende Juli, Ende August/Anfang September). Ab dem 2. Standjahr sind bis zu 5 Schnitte möglich, beginnend im Mai. Erntezeitpunkt: wenn die Basalblätter anfangen zu vergilben, bzw. bei Ansatz von Blütenknospen. Häufige Schnitte reduzieren den Stängelanteil im Erntegut. Ernte und Trocknung

� Kraut: Schnitthöhe: 8 - 10 cm über Boden.

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Für den optimalen Erhalt der Inhaltsstoffe muss eine rasche Trocknung (Trockenanlage) der Krautware bei ca. 35°C erfolgen , bis das Erntegut rascheltrocken ist. Restfeuchte 6 - 10 %

� Wurzeln:

Die Wurzelernte ist nach mehrjährigem Anbau Ende Oktober/Anfang November möglich. Rodetiefe: ca. 30 cm, mit Kartoffel- oder Rübenroder. Vor der Ernte muss das Kraut abgeerntet werden; Wurzelstöcke in 5-10 cm große Stücke zerteilen und waschen Trocknen bei 60°C

Erträge: Folgende Erträge sind bei Brennnesselkulturen zu erwarten:

Krauterträge im Pflanzjahr 30 - 45 kg/Ar TM In den Folgejahren 40 - 65 kg/Ar TM Bei Direktsaat: insgesamt 15 – 25 kg/Ar TM In weiteren Standjahren 40 - 60 kg/ha TM Wurzel 24 - 30 kg/Ar TM

Literaturnachweise Eva Hanke, Ernst Wegner: Die Heilkraft der Brennnessel. Droemer Knaur, München 2000 Heidelore Kluge: Brennnessel: Heilpflanze und mehr. Haug, Heidelberg 1999 Renate Spannagel: Heilkraut Brennnessel: Gesundheitspflege, Teezubereitung, kosmetische Anwendung. Weltbild, Augsburg 1998 Wolf-Dieter Storl: Heilkräuter und Zauberpflanzen zwischen Haustür und Gartentor. AT Verlag, Aarau/Baden 2000 Wolf-Dieter Storl: Die Pflanzen der Kelten Knaur Taschenbuchverlag, September 2010 Gustav Bredemann: Die Große Brennessel Urtica dioica L. – Forschungen über ihren Anbau zur Fasergewinnung Eigene Erfahrungen im Brennnesselanbau am Kräuterhof „Gachhof“ Meran des Versuchszentrum Laimburg 1995 – 2000 Bildnachweis Brennhaar: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Urtica_dioica_stinging_hair.jpg#/media/File:Urtica_dioica_stinging_hair.jpg, 11.11.2015

__________________________________________________________ Kulturanleitungen im Kräuteranbau Cav. Heinrich Abraham 2015/16

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