Bringt Grundlagenwissen in Pharmakologie & Toxikologie ... · 2. Mehrwert: Blackbox...

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Bringt Grundlagenwissen in Pharmakologie & Toxikologie einen spürbaren Mehrwert für die Ernährungsberatung ? [email protected] Prof. Dr. pharm. Helena Jenzer, Spitalapothekerin / Pharmacienne d’Hôpital / Hospital Pharmacist FPH Dozentin Leiterin aF&E Ernährung & Diätetik / Docent Directrice R&Da Nutrition & Diététique / Reader Head aR&D Nutrition and Dietetics WGS - FBG - aF&E Ernährung und Diätetik 26.-28.06.2014

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Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences

Bringt Grundlagenwissen in Pharmakologie & Toxikologie einen spürbaren Mehrwert für die Ernährungsberatung ?

[email protected] Prof. Dr. pharm. Helena Jenzer, Spitalapothekerin / Pharmacienne d’Hôpital / Hospital Pharmacist FPH

Dozentin – Leiterin aF&E Ernährung & Diätetik / Docent – Directrice R&Da Nutrition & Diététique / Reader – Head aR&D Nutrition and Dietetics

▶ WGS - FBG - aF&E Ernährung und Diätetik

26.-28.06.2014

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences

Inhalt ▶ Woher?

▶ Minder- bzw. Mehrwerte der Ernährungsberatung

▶ Diskrepanz zwischen Ausbildung und Anwendung

▶ Wohin? ▶ Task Shifting und Nischenfüllung durch die Ernährungsberatung

▶ Wie? ▶ Synergien suchen und “vom Markt verlangte” Mehrwerte schaffen

▶ mit Biochemie, Pharmakologie, Toxikologie (unique selling points des Berufes)

▶ mit individuellen Skills (unique selling points der Person)

Ernährung 2014 / [email protected]

Generalisten oder Spezialisten? Kunden oder Patienten?

▶ (gesunde) Kunden brauchen Lebensmittel als

▶ Betriebsstoffe

▶ Baustoffe

▶ Genussmittel

▶ komplexe Matrix

▶ Patienten brauchen Nahrung im

therapeutischen Sinn als

▶ Therapeutika

▶ Supplemente

▶ v.a. Reine Stoffe

Bedingt mehr als Laienkenntnisse,

nämlich Kenntnisse in Physiologie,

Biochemie, Psychologie, … und

Pharmakologie

▶ Die Ernährungsberatung deckt (noch) die gesamte Kette der

Ernährungstherapie von der Selektion über die Zubereitung bis zum

sinnvollen Einsatz ab

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▶ Grundlagen ▶ Lebensmittelwissenschaften

▶ Human- und Naturwissenschaften ▶ Anatomie

▶ Physiologie

▶ Biochemie

▶ Soziologie / Psychologie

▶ Ernährungswissenschaften ▶ Gesundheitsförderung

▶ Prävention

▶ Krankheitslehre (der Erwachsenen und der Kinder) ▶ Komplexe Diagnosen

▶ Pathologie / Pathobiochemie

▶ Klinische Ernährung

▶ Praktisch ▶ Beratung / Kommunikation

▶ Wissenschaftliches Arbeiten ▶ Forschungsmethoden

▶ Statistik

▶ Evidence-based Practise

• BFH - einziger Ausbildungsort für BSc in

E&D in dt. CH - bietet Pharmakologie-

und Toxikologie- Elemente im SG und in

WB-Kursen an!

• Zweck: Bessere Leistungserbringung

durch Pharmakologieausbildung

• Diese Kenntnisse sollen vermehrt

angewandt werden!

• Analogie in D:

Mathias Hochschule Rheine

Für Ernährungsmedizin relevante Module in der

Ausbildung von ErnährungsberaterInnen BSc und FH

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http://www.gesundheit.bfh.ch/de/bachelor/ernaehrung_und_diaetetik

In der Ausbildungsdarstellung fehlt die

Patientenorientierung und klinische Ernährung

sowie die interdisziplinäre Prozessabbildung

Miteinander und Nebeneinander von Ernährungsmedizin

und Nahrungsmittelherstellung

http://www.geskes.ch

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http://www.hochdorf.com/de/unternehmen/ueber-uns/facts-figures/geschichte/

Kompatibilität Ernährung - LM-Technologie?

Interdisziplinäre gemeinsame Sprache sprechen

(Beispiel: Glykämischer Index und Blutspiegelkurve)

in der Ernährung: Glykämischer Index

Blutspiegelkurve nach Bateman

=

Absorption (abhängig von Dosis und Invasionsgeschwidigkeit)

-

Elimination (abhängig von der Eliminationsgeschwindigkeit)

AUC = Are under the curve (entspricht der verabreichten Menge)

in der Pharmakologie: Bioverfügbarkeit

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Mehrwert der Ernährungsberatung (wie auch Pharmazie)

nach DRG tief angesetzt (Swiss DRG, german extension, v 3.0 / 2014)

• Tatsächlicher Ressourcenverbrauch einer Fallgruppe bestimmt

Kostengewicht bezogen auf Vollkosten

• Malnutrition braucht i.A. wenig Ressourcen im Vgl. zur Intensivbehandlung

• Zusatzentgelt nur für Medikamente/Blutprodukte/Medizinprodukte/Apheresen

(sehr hoher Ec-Konzentrat-Verbrauch ab 15. Konzentrat, Caspofungin, Bevacizumab, lipos. Amphotericin, Posaconazol,

Voriconazol, einige monoklonale Antikörper, Kunstherz, selbstexpandierende Stents im GI-Trakt)

• Mehraufwand für Beschaffung, z.B. in Kombination mit Malnutrition, kaum möglich (wird i.A. als falsche Lagerhaltung

interpretiert)

• Sonder- und Innovationsentgelte nur restriktiv gewährt

• 18 / 988 (seit Einführung)

• Für ERB gibt es kaum Sonderentgelte für Leistungen der Ernährungsberatung, da fehlender Mehrwert ausserhalb der

Kostenstreuung der DRG

• Konsequenz für Leistungsverrechnung: Hochpreise werden wenn

möglich in ambulanten Bereich verlagert, wenn nicht privat versichert

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NL: Kosten-Nutzen Analyse der Ernährungsberatung:

Multiplikator von bis zu 63!

Marloes Lammers, Lucy Kok. Cost - Benefit Analysis of Dietary Treatment. SEO Economisch Onderzoek, SEO

Economic Research, SEO-Report nr. 2012-76A, ISBN 978-90-6733-688-0. V. vom 22.11.2012. Commissioned by the Dutch

Association of Dieticians.

Kohorte

Patienten in den Niederlanden, mit Übergewicht bzw. Adipositas und den damit zusammenhängenden Erkrankungen

(Diabetes Typ 2 und/oder Hypertonie und/oder Hyperlipidämie und/oder Hypercholesterolämie), N = 116’000 / 360’000

Qualitative und quantitative Mehrwerte / Gesellschaftlicher und volkswirtschaftlicher Nutzen / Return on Investment

• “Intensivtherapie”: 30’640 € “Erlös” (bzw. Minderaufwand) bei 490 € Aufwand entspricht einem Multiplikator von 63

• “Standardtherapie”: 16’310 € “Erlös” (bzw. Minderaufwand) bei 260 € Aufwand entspricht einem Multiplikator 63

• 116’000 Patienten à 16’310 € ergibt einen Minderaufwand von mindestens 1’900’000’000 €

Viele Studien zum Mehrwert der klinischen Ernährung allgemein, jedoch wenig in

Bezug auf den Mehrwert durch die Leistung der Ernährungs- und Diät-Therapeuten.

Netto-“Erlös”

Intensivtherapie Patient Familie Therapeut Versicherer Arbeitgeber Prämienzahler TOTAL

Therapiekosten (8.5h/yr) -490 -490

Therapiepreis -230 490 -260 0

gewonnene QALY 27270 nicht geschätzt mind. 27270

andere

Krankheitskosten mind. 2’140 mind. 2140

Vers. Prämien -1880 1880 0

Produktivität 1720 1720

TOTAL 27040 nicht geschätzt 0 0 1720 1880 mind. 30640

es liegt noch mehr drin!

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Klinisches Outcome

(Interesse der behandelnden Fachleute)

Resourcenverbrauch /

Ökonomisches Outcome

(Interesse der Steuerzahler und

der Administratoren)

Humanistisches Outcome: Lebensqualität

(Interesse des Patienten)

1. Mehrwert: Public Health und Prävention -

Mustererkennung in der Ernährung Forschungsfrage:

Gibt es bestimmte “Patterns”, welche “Volkskrankheiten”, Ernährungsverhalten und Lebensstil verbinden?

Methodik:

Data Mining (früher übliche Food Frequency Questionnaires sind unzuverlässig)

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2. Mehrwert: Blackbox Wirkungsmechanismen

Wissen, was man tut und warum man es genau so tut, wie man entschieden hat es zu tun, und eben nicht anders

“My doctor gave me six months to live. But when I couldn’t pay the bill, he gave me six months more.” (Walter Matthau)

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3. Mehrwert: Interdisziplinäre individualisierte

Ernährungstherapie (Synergien im KET)

Support enterale

und parenterale

Ernährung

ausbaubar

Wundheilung

gefördert durch

Energie und

die richtigen

Aminosäuren

Kachexie: Mit

Ernährung allein

nicht beherrschbar

Hungermetabolismus mit

aufbauender Energiezufuhr gut

behandelbar

Erklärung für Arrhytmien beim

Refeeding Syndrom:

Aktivitätserhöhung der Na+ - K+ -

ATPase durch Energiezufuhr

Anpassung

der

Kostformen

(Rezeptur) bei

Dysphagie-

Patienten

hemmende

Wirkung von

Progesteron auf

Motilität Sekretion bei

Frauen stärker

bedarfsabhängig

5mal höhere

Säureaktivität beim

Mann

PPI Therapien und

Auswirkungen auf

die Verdauung

Therapie mit

Pankreasenzymen

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4. Mehrwert: Nutrigenomics und Food-Drug-Interactions

Kompetitiver

Antagonismus des

Iodid-Trapping durch

Brassica-Faktoren

• total 57 humanen CYP450 Isoenzym Subfamilien bekannt

• nur 10 davon sind in der Flockhart Tabelle aufgeführt (orange hinterlegt)

• Substratspezifität z.T. hoch

1A1 2A6 3A4 4A11 5A1 7A1 8A1 11A1 17A1 19A1 20A1 21A2 24A1 26A1 27A1 39A1 46A1 51A1

1A2 2A7 3A5 4A22 7B1 8B1 11B1 26B1 27B1

1B1 2A13 3A7 4B1 11B2 26C1

2B6 3A43 4F2

2C8 4F3

2C9 4F8

2C11 4F11

2C18 4F12

2C19 4F22

2D6 4X1

2E1 4V2

2F1 4Z1

2J2

2R1

2S1

2U1

2W1

Referenzen:

• Flockhart Interaktionentabelle ( http://medicine.iupui.edu/clinpharm/ddis/ )

• Drugbank ( http://www.drugbank.ca/ )

• SuperCYP ( http://bioinformatics.charite.de/supercyp/ )

Spezifische Isoenzyme zu hemmen oder

zu induzieren bedeutet gravierende

Konsequenzen auf den Metabolismus, da

die Katalyse nicht durch ein polyvalentes

alternatives Isoenzym übernommen

werden kann

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5. Mehrwert: Screening von unerwünschten Wirkungen

• UW Screening im selben Umfang zu verstehen, wie das Malnutrition

Screening

• Gewichtszunahme bei sedierenden ZNS-Wirkstoffen:

• α-Blocker und β-Blocker

• GABAA -erge Stoffe wie Barbiturate, Benzodiazepine (Diazepam etc.)

• GABAB, -erge Muskelrelaxantien wie Baclofen

• Acetylcholinwirkung an muskarinischen M1 Rezeptoren (Hemmung von K+-Kanälen), = gefährliche unerwünschte

Wirkung der Neuroleptika!

• Acetylcholinwirkung an nikotinischen Rezeptoren: Antagonismus durch Muskelrelaxantien

• D1-antidopaminerge Neuroleptika: L-Dopa (Anti-Parkinsonikum)

• D2-, D3- und D4-antidopaminerge Neuroleptika: neben Striatum-Wirkung L-Dopa (Anti-Parkinsonikum) auch

Wirkung auf limbisches System: Verhalten, hemmende Wirkung durch Neuroleptika der Gruppen Phenothiazine

(Fluphenazin), Butyrophenone (Haloperidol) (antipsychotische Wirkung), Thioxanthen-Typ (Clozapin)

(antipsychotische and antischizophrenische-Wirkung)

• Gewichtsreduktion bei serotoninergen, antriebssteigernden Antidepressiva:

• Serotonin-Reuptake-Hemmer (Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin, Citalopram, Escitalopram, Fluvoxamin, Trazodon)

• Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Hemmer (Venlafaxin, Mirtazepin)

kompliziert:

5 Dopamin

Rezeptoren

kompliziert:

15 Serotonin

Rezeptoren

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5. Mehrwert (Forts.): Screening von unerwünschten Wirkungen

• wenige UW bei Vitamin K

• Ausser bei Neugeborenen gibt es keine Vit-K-Hypervitaminose!

• Lipase-Hemmstoff Orlistat (Xenical®): senkt Vit. K Absorption)

• Rhabdomyolyse einiger Statine

• dosisabhängige Lebertoxizität: Transaminasen und CK-Erhöhung (Myopathien, Myalgien bis zu Rhabdomyolyse

(= Auflösung der quergestreiften Skelettmuskulatur): vgl. Cerivastatin Rückruf wegen tödlichen Rhabdomyolysen

(etwa 58 weltweit, vermutlich infolge einer pharmakokinetischen Interaktion mit Gemfibrozil auf Stufe CYP2C8)

• Elektrolyt- und Wasserhaushaltsstörungen bei Antihypertonika / Diuretika

• Wasserretention / Knöchelödeme bei Calcium-Antagonisten

• alle Diuretika mit Elektrolytverlusten (Hyponatriämie, Hypokaliämie (K+ - Zufuhr sichern!)

• Schleifendiuretika: metabolische Alkalose, Innenohrirritationen, Exantheme

• Thiazide: metabolische Alkalose

• Spironolacton: Gynäkomastie, Impotenz

• Husten und Geschmacksstörungen durch ACE-Hemmer

diese UW sollten auch

Physiotherapeuten kennen

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Summary und Conclusions (SWOT)

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Strengths

• Wissenschaftliche Kompetenz

• Gelebte Interdiziplinarität

• Belegte Mehrwerte für Public Health

Weaknesses

• Wissenschaftliche Tiefe

• Wahrnehmung (v.a. Medien)

• Intransparente Gewichtung der Module

• Wille zur Offenheit (sich dem Wettbewerb stellen)

Opportunities

• Task Shifting

• Offene Nischen

• Gemeinsamkeiten zu Nachbardisziplinen

(Biochemie, Pharmakologie, Toxikologie)

• Neue Mehrwerte (Voraussetzung dazu: Aus- und

Weiterbildung in Biochemie, Pharmakologie &

Toxikologie)

Threats

• Gewichtung Klin. Ernährung in Ausbildung

• Abgeltung: Versicherer, Tarife

• Zu viel Gewicht: Evidenz

Zu wenig Gewicht: Wirkungsmechanismen

• sinnvoller Gebrauch von Decision Support Systems

Aus Opportunities Stärken kreieren!

Take Home Message

▶ Den Begriff “Evidence-Based Practice / Nutrition” hinterfragen, dazu

den eigenen Kopf wieder mehr brauchen!

▶ Smollich M. Pharmaz Zeitung online 11/2014.

“Die Klinische Ernährung ist essenzieller Bestandteil eines umfassenden Therapiekonzeptes aus den

Bereichen Medizin, Pflege, Pharmakologie und Ernährungstherapie… Auch die beste Ernährungstherapie kann

die optimale Arzneimitteltherapie nicht ersetzen… Erst im Zusammenspiel von Ernährungs- und

Arzneimitteltherapie, wird das für den individuellen Patienten optimale Therapieergebnis erzielt.”

▶ Wiffen P. No evidence or evidence of no effect? Eur J Hosp Pharm 2014;21:71.

Methodologie von Studien durchschauen!

▶ Des Spence. Evidence based medicine is broken. BMJ 2014;348:g22.

“Today EBM is a loaded gun at clinicians’ heads. “You better do as the evidence says,” it hisses, leaving no

room for discretion or judgment. EBM is now the problem, fueling overdiagnosis and overtreatment. How many

people care that the research pond is polluted, with fraud, sham diagnosis, short term data, poor regulation,

surrogate ends, questionnaires that can’t be validated, and statistically significant but clinically irrelevant

outcomes?”

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Thanks for your time!