Broschuere_NRW_im_Herzen

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NRW im Herzen Hannelore Kraft

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NRW im HerzenHannelore Kraft

Herausgeber:SPD Landesverband NRW Kavalleriestraße 16 40213 Düsseldorf Tel.: (0211) 13622-0 Mail: [email protected] www.nrwspd.de

Fotos:Uta Wagner Frank Ossenbrink Privatfotos

Konzept und Gestaltung:BUTTER. Agentur für Werbung GmbH www.butter.de

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Mein Vater war gelernter Schuhmacher. Doch davon konnte man nicht wirklich leben. Er nahm dann eine andere Arbeit an – als Gleis-bauer. Das brachte ihn zur Straßenbahn, wo er bis zu seinem viel zu frühen Tod zunächst als Straßenbahnfahrer und später als Verkehrsmeis-ter arbeitete. Meine Mutter Anni war Verkäuferin und arbeitete später bei der Bahn als Schaffnerin. Ich erinnere mich, dass es damals noch diese Schaffnertaschen mit Wechselgeld-Kassetten zum Umhängen gab. Da waren die Fahrkar-ten und die Münzen drin, die auf Knopfdruck

rausploppten. Ich habe es geliebt, wenn ich meine Mutter auf ihre Schicht begleiten durfte. Abends zu Hause wurde dann das Geld gezählt, ich durfte immer die Münzhäufchen machen – und natürlich wurde ordentlich abgerechnet.

Da die Bahnen sieben Tage die Woche fahren, arbeiteten meine Eltern in Wechselschicht. Dass die Familie Külzhammer zusammen mit der Oma mal zu fünft am Sonntagstisch saß, war die Ausnahme. Für mich sind gemeinsame Sonntage mit der Familie auch deshalb sehr wichtig.

Eine Geschichte aus NRW.

NRW liegt mir am Herzen. Hier bin ich geboren. Hier bin ich aufgewachsen, habe meinen Schulabschluss gemacht und später auch hier studiert. Mein Leben ist eine Geschichte aus NRW – die in einer ganz normalen Arbeiterfamilie aus dem Ruhrgebiet begann.

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Die Tür öffnete sich zum Saal der Landespres-sekonferenz. Vor mir eine Mauer aus Fernseh-kameras und Foto-Objektiven. Ein Blitzlicht-gewitter setzte ein, und alles, was ich in dieser Sekunde dachte und leider auch sagte, war: „Ach du Sch...!“ Das wurde dann natürlich auch sofort fürs Radio aufgezeichnet. Es war der 24. April 2001, und nur wenige Stunden zuvor hatte mich der Anruf aus der Staatskanzlei in Düsseldorf erreicht, ich solle zum Minister-präsidenten kommen. Wolfgang Clement und ich führten ein langes und gutes Gespräch. Danach sagte er: „Ich möchte, dass du Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten wirst.“ Und er bat mich: „Bitte sprich mit niemandem von der Presse darüber, zuerst soll die Fraktion informiert wer-den.“ Ich telefonierte sofort mit meinem Mann Udo und sagte: „Aber sag keinem was!“ Eine halbe Stunde später rief er mich zurück: „Muss ich nicht, kam ja gerade im Radio.“ So viel zur Geheimhaltung in der Politik.

Zwei, drei Tage zuvor war ich das erste Mal mit der Möglichkeit konfrontiert worden, Ministerin werden zu können. Ich saß beim Spargelschälen zu Hause in Mülheim und schaute ein Glad-bach-Spiel, als ein Journalist anrief: „Es heißt, Sie seien in der engeren Wahl für den Ministerpos-ten.“ Ich bat ihn nur scherzhaft, diese Idee doch Wolfgang Clement nahezubringen, und schälte weiter Spargel. Zu dem Zeitpunkt war ich noch nicht einmal ein Jahr im Landtag. Aber wie wird denn die Tochter zweier Straßen-bahner überhaupt Ministerin im größten Bundesland Deutschlands? In die Wiege gelegt war es jedenfalls nicht.

Bei der Vereidigung zur

Ministerin für Bundes-

und Europaangelegenheiten

im Landtag.

Im Garten auf meiner Lieblingsschaukel.

Mit meinen Eltern Anni und Manfred.

Mein Vater hatte acht Geschwister, und irgendwann habe ich mal 36 Cousins und Cousinen gezählt. Mit meinen Eltern war ich fast jede Woche auf einer anderen Familien-feier irgendwo im Ruhrgebiet. Viel weiter sind wir nicht gekommen. Aber als Kind war das auch nicht so wichtig. Wenn ich das so Revue passieren lasse, klingt das, als wäre es 100 Jahre her. Aber ich beschreibe hier die 60er und 70er Jahre und nicht irgendeine sehr ferne Vergangenheit. Auch wenn seitdem so viel geschehen ist in meinem Leben.

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Beim Studienaufenthalt

in London: Die Neue

Deutsche Welle lässt grüßen.

Mit meiner Freundin Doris

vor dem Mülheimer Rathaus.

„Wenn du aufs Gymnasium gehst, können wir dir nicht helfen. Da musst du alleine durch.“

Der Vater Manfred zur Tochter Hannelore, 1971

Meine Eltern konnten mir wenig Bildung bieten, dafür umso mehr Liebe und Zuneigung. Sie arbeiteten hart, kamen aus einfachen Verhältnissen. Heute würde man das ein „bildungsfernes Elternhaus“ nennen. Da lagen wenige Bücher herum, da gab es auch keine Gespräche über Literatur, Kunst und Kultur. Aber als Kind vermisst man das ja auch nicht. Nach der Grundschule wollte ich in eine nagelneue Gesamtschule in Mülheim-Dümpten, direkt in unserer Nähe. Das war eine wirkliche Vorzeigeschule und ein Pilotprojekt. Da wollten natürlich viele hin. Für mich war dann leider kein Platz und die einzige Alternative ein Gymnasium, zu dem ich 45 Minuten fahren musste. Egal. Ich wollte da hin. Und damit habe ich zum ersten Mal meinen Dickkopf in einer wirklich wichtigen Angelegenheit durchgesetzt. Mein Vater meinte nur: „Wenn du das willst, dann muss dir klar sein: Wenn du aufs Gymnasium gehst, können wir dir nicht helfen.“ Und er meinte damit: bei den Hausaufgaben oder bei Problemen mit den Lehrern. Und so war es auch.

Wenn ich später mit unserem Sohn Jan über einer Hausarbeit gesessen habe, musste ich oft daran denken, wie sehr ich das manchmal auch gebraucht hätte. Das ist überhaupt kein Vorwurf an meine Eltern. Aber wenn es das Angebot einer Ganztagsbetreuung damals gegeben hätte – ich hätte es gerne angenommen. Es hätte vieles in der Schule leichter gemacht.

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Das Gymnasium lag nicht nur weit weg, es war auch eine „bessere Gegend“. Wir waren nur eine Hand voll Arbeiterkinder in einer Klasse von 40. Von meinen Mitschülerinnen oder Mitschülern fühlte ich mich überhaupt nicht herablassend behandelt. Aber bei manchem Lehrer hat man klar gespürt, dass der Sohn von Herrn Doktor oder die Tochter von Herrn Professor einfach keine schlechtere Note bekommen konnte als die Hannelore aus Dümpten. Mir wurde zum ersten Mal bewusst, wie wenig Geld wir eigentlich hatten. Denn natürlich musste ich die Kleider meiner älteren Schwester auftragen. Ich hatte die „Jinglers“-Jeans, während die anderen in den teureren „Wrangler“ und „Levi’s“ rumliefen. Außerdem verspürte ich zum ersten Mal einen fehlenden Zugang zur Kultur. Viele meiner Mitschüler lasen schon sehr früh und wie selbstverständlich den SPIEGEL – zu Hause hatten wir keinen.

Und deshalb wurde ich auch etwas ruhiger als in der Grundschule, denn an Redefertigkeit hatten mir die anderen was voraus. Aber unterkriegen lassen war natürlich auch nicht. Also biss ich mich durch. Nicht brillant. Aber immerhin. 1980 machte ich Abitur, und ich war das erste Mäd-chen in unserer großen Familie mit einer „Hoch-schulzugangsberechtigung“ in der Tasche.

„Handball – das war mal mein Leben.“

Während meiner Schulzeit war ich noch nicht politisch engagiert. Das kam erst später. Zwar verfolgte ich mit Interesse, was sich in Deutsch-land abspielte, trotzdem interessierte ich mich mehr für Sport. Es gab da eine Zeit, da war Handball wirklich mein Leben. Wir trainierten 4- bis 5-mal die Woche und waren richtig gut. Mit perfekten Spielzügen und technisch ganz weit vorne. Ich spielte im Rückraum und verteilte die Bälle – da braucht man einen guten Überblick. Wir wurden 1979 mit der A-Jugend Westdeutscher Meister und später sogar Dritte bei der Deutschen Meister-schaft. Eigentlich hatten wir uns alle geschwo-ren: Wir bleiben auch nach der A-Jugend als

Mannschaft zusammen. Doch dann „warb“ die erste Damenmannschaft zwei ganz wichtige Spielerinnen ab. Der Traum von der eingeschwo-renen Gemeinschaft war ausgeträumt. Für mich brach erst einmal eine kleine Welt zusammen. Ich weiß nicht, ob das viele verstehen können: Aber wenn man so engagiert ist, fast täglich mit dem Team trainiert und dann von einem Tag auf den anderen alles vorbei ist, das ist hart. Für mich begann danach ein völlig neuer Abschnitt – mit einer ganz entscheidenden Frage: Geh ich studieren oder mach ich eine Ausbildung?

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Mein Wunschstudium war Jura. Aber man hörte überall von den hohen Abbruch- und Durchfal-ler-Quoten. Davor hatte ich Angst. Das konnte ich mir nicht leisten, am Ende ohne Abschluss dazustehen! Ich entschied mich dann für Wirt-schaftswissenschaften. Und ich muss sagen: Ich habe die Wahl bis heute nicht bereut. Das Studium entsprach absolut meinen Vorstellun-gen und Fähigkeiten, und ich bin froh, dass das alles so gut geklappt hat. Auch wegen meiner eigenen Geschichte bin ich heute eine energische Gegnerin der Studien-gebühren. Ich weiß wirklich nicht, wie ich das damals hätte bezahlen sollen. Das war alles so schon schwer genug. Nochmals 500 Euro pro Semester dazu, also mindestens 4.000–5.000 Euro insgesamt zuzüglich Zinsen – unmöglich! Wer behauptet, Studiengebühren halten nie-manden aus ärmeren Familien vom Studium ab, ist absolut fern von aller Realität! So kann man nur reden, wenn man selbst nicht in dieser Situ-ation war. Ich sage das aus voller Überzeugung: Ohne die SPD hätte ich weder Abitur gemacht noch studiert. Es war ihre Politik der Durchläs-sigkeit im Bildungssystem, die mich gefördert hat. Dies müssen wir wieder erreichen.

Mitten im Studium starb mein Vater an Krebs. Das war für mich und die Familie natürlich ein schwerer Schlag. Wenig später hatte ich auch noch Probleme mit meinem damaligen Freund. Das waren privat die schwierigsten Jahre meines Lebens. Heute weiß ich, dass ich aus solchen schwieri-gen Situationen herauskomme. Das gibt mir Mut und Zuversicht, dass wir die Dinge stets zum Besseren wenden können – sowohl im Privaten als auch im Politischen. Man darf nie aufgeben. Gemeinsam etwas bewegen und das Streben nach Gerechtig-keit treiben mich an. Und bei allem, was ich tue, habe ich die Menschen vor Augen, die mich auf meinem Weg begleitet haben. Ich gebe mir immer Mühe, im direkten Kontakt zu bleiben, um so ein Gespür dafür zu bekommen, wo die Sorgen und Probleme der Bürgerinnen und Bürger liegen. Auf dem Teppich bleiben und wissen, wo der Schuh drückt. Dann weiß man, wie es ihnen geht, warum es ihnen nicht gut geht. Und dass wir mit unserer Politik vieles besser machen müssen.

„Wenn es damals schon Gebühren gegeben hätte – ich hätte es mir nicht leisten können zu studieren. Obwohl ich immer gearbeitet habe.“

Mit dem Abitur im Gepäck fühlte ich mich gerüstet für die Zukunft. Allein vom Abitur konnte ich aber nicht leben und dachte: „Ich kann doch meinen Eltern jetzt nicht wieder auf der Tasche liegen.“ Ein Studium kam daher erst einmal für mich nicht in Frage. Meine Eltern haben beide gearbeitet, deshalb hätte ich damals auch kein Bafög bekommen. Außerdem war ich unsicher, ob ich nach dem Studium auch einen guten Job bekommen würde. Das Risiko war mir einfach zu groß.

Also bewarb ich mich im öffentlichen Dienst und bei verschiedenen Banken für eine kauf- männische Ausbildung. Und ich bekam zahl-reiche Absagen. Ich verstehe also sehr gut, wenn viele junge Menschen das Gefühl haben, erst gar keine Chance zu bekommen. Es klappte

dann schließlich doch bei einer Bank. Und in der Filiale in Oberhausen und den Hauptstellen in Mönchengladbach und Düsseldorf stellte ich rasch fest: Die wirklich interessanten Jobs in der Bank gibt es nur mit Studium. Also entschied ich mit meinem Kaufmannsgehilfenbrief in der Tasche: Auf an die Uni!

Das ging aber nur mit vielen Nebenjobs, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Bafög bekam ich ja keins. Also habe ich in vielen klei-nen und großen Unternehmen als Aushilfs-sekretärin gejobbt und einen guten Einblick in die Arbeitswelt bekommen. So wie auch schon zur Schulzeit – da hatte ich mal einen Job in einer Lederfabrik, wo wir im Akkord die Taschen mit Papier ausschlugen und man sich ständig in die Finger schnitt.

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ins Ausland. Ich studierte am King’s College in London, ging für Auslandspraktika nach Frank-reich und in die Schweiz und versuchte immer, mir ein paar Mark beiseitezulegen. Dafür arbeitete ich hart. Wirklich immer. Zusätzlich zur Schule und zu meiner Ausbildung, zum Studium und während der Praktika noch oben-drauf. Dass ich dabei auch Englisch, Französisch und auch ein bisschen Spanisch lernte, hat mir später sehr geholfen. Besonders in der Zeit als Europaministerin.

Ein ganz besonders herzliches Verhältnis habe ich bis heute noch zu meinen Freunden und Gasteltern in Frankreich. Als die Franzosen 2006 im WM-Finale standen, sind mein Sohn und ich spontan mit dem Auto die acht Stunden hinge-fahren, um gemeinsam mit ihnen das Endspiel im Fernsehen zu sehen. Das Spiel war dann nicht so toll, die „Blauen“ haben verloren – aber der Abend war wunderbar. Manchmal muss man einfach machen, was einem gerade einfällt. Und Freundschaften zu erhalten ist wichtig.

„Reisen bildet – wenn man etwas lernen will.“

Mit meinen Eltern war das weiteste Reiseziel einmal Rimini in Italien. Und als Schülerin habe ich beim ersten Austausch mit Mülheims Partnerstadt Tours Frankreich besucht. Das war etwas ganz Besonderes. Reisen und Menschen aus anderen Kulturkreisen kennen zu lernen, wurde meine Leidenschaft. Reisen bildet – aber nur wenn man es will. Und ich wollte meinen Horizont erweitern. Lange bevor es berühmtes Ziel des Massen-tourismus wurde, stand ich im Jahr 1981 am Flughafen von Colombo in Sri Lanka. Es war mein erster Flug. Zuvor hatte ich meinen alten Audi 60L verkauft, um mir das Ticket leisten zu können. Ein Bekannter meiner Freundin sollte mich abholen. Doch er kam nicht. Ich war völlig aufgelöst, denn das Dorf, in das ich musste, lag weit außerhalb. Und natürlich stand auch

niemand mit einem „TUI“-Schild da rum, der auf mich wartete. Handys gab es damals noch nicht. Und auch sonst keine Kommunikation. Die Frage war: Soll ich wieder in den nächs-ten Flieger einsteigen und zurückfliegen oder alleine weiter? Eine Tagesreise später stand ich mit meinem völlig unpraktischen Koffer und meinem dämlichen Wintermantel auf einem staubigen Weg vor drei Lehmhütten. „Here, here, exit“, hatte der Busfahrer gesagt – es war der dritte Bus nach stundenlanger Überlandfahrt. Und da stand ich dann. Als 19-jähriges blondes Mädchen alleine in der „Pampa“ von Sri Lanka. Aber ich war stolz auf mich. Ich hatte mich nicht unterkriegen lassen und war – wenn auch nach ein paar Umwegen – am Ziel. Das war für mich ein wichtiges Schlüsselerlebnis und gab mir das nötige Selbstbewusstsein für mein wei-teres Leben. Später zog es mich immer wieder

Lost in Fernost: ein Schlüsselerlebnis in meinem Leben.

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„Wir dürfen kein Kind zurücklassen, keinem die Chance nehmen auf eine gute Bildung.“

Rund elf Jahre lang arbeitete ich als Unterneh-mensberaterin und Projektleiterin bei ZENIT, dem Zentrum für Innovation und Technik in NRW. Wir berieten vor allem mittelständische Unterneh-men im Bereich Neue Technologien, Marketing und Vertrieb und bei der Expansion nach Europa. Das waren sehr, sehr spannende Jahre. Ich beschäftigte mich mit den unterschiedlichsten Branchen und Unternehmen und lernte die Prob-leme des Mittelstandes, aber auch des Handwerks aus erster Hand kennen. Mit dem aufkommen-den Internet erarbeiteten wir auch E-Commerce- Strategien und neue Vertriebswege. Für mich war es ganz selbstverständlich, Familie und Beruf irgendwie unter einen Hut zu bekom-men. Meine Eltern mussten ja beide arbeiten, daher passte meine Oma zu Hause immer auf

uns auf. Aber was wären sie froh gewesen, wenn es damals schon kostenlose Kitas gegeben hätte.

Kostenlose Bildung von der Kita bis zur Uni – das ist mein Programm. Das ist mir eine Herzensangelegenheit. Wir dürfen kein Kind zurücklassen, keinem die Chance nehmen auf eine gute Bildung. Schon im Studium habe ich mich mit dem The-ma „Frauen im Management“ beschäftigt. Dabei kam ich mit der Arbeitsgemeinschaft Sozialde-mokratischer Frauen in Kontakt. Eingetreten in die SPD bin ich dann 1994. Die Partei stand mir grundsätzlich schon nahe, aber ich kann nicht behaupten, eine politisch engagierte Jugend verbracht zu haben. Ich war einfach auch zu beschäftigt: mit studieren, nebenbei Geld

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„Ich heirate mal einen Mann mit nicht mehr als 5 Buchstaben im Namen.“

Mein Mann Udo wuchs in der Nachbarschaft von uns auf, aber so richtig gekannt haben wir uns damals nicht. Ich bin mir recht sicher, dass er mir damals auf dem Schulweg immer Juckpulver in den Rücken gesteckt hat. Er dementiert das aber oder spricht von „Gedächtnislücken“. Wir haben uns ausgerechnet an Altweiber 1992 in einem Weinlokal wiedergetroffen und Hals über Kopf ineinander verliebt. Dass eine Karnevals- beziehung so lange hält – wer hätte das gedacht. Da ich beruflich oft im Ausland war oder durch meine Arbeit häufig mit dem Ausland telefonier-te, hat es mich irgendwann genervt, immer den Namen „Hannelore Külzhammer“ auf Englisch oder Französisch zu buchstabieren. Da habe ich einmal im Scherz gesagt: „Ich heirate mal einen Mann mit nicht mehr als 5 Buchstaben im Namen.“ Das hat ja dann geklappt.

Mein Mann Udo und ich

nach der Trauung.

verdienen und Sport. Doch jetzt war ich dabei! Und wenn ich dabei bin, dann mit Haut und Haaren. Ehrlich gesagt: Ich war damals auch jun-ge Mutter und wollte auch mal über was anderes reden als über Babynahrung und die perfekte Windel. Ich sehnte mich zur Abwechslung gera-dezu nach politischen Gesprächen, und in der SPD konnte ich sie führen. Gleich 1995 kandidierte ich für den Vorstand der SPD Mülheim und wurde auch gewählt – was nicht unbedingt den Vorstellungen von Teilen der damaligen Parteiführung entsprach. Aber mit Hinter zimmer-Politik hatte ich nie viel am Hut. Für mich gilt immer: Visier hoch, sagen, was Sache ist, und dann durchhalten. So war das dann auch bei der Wahl der Kandidaten für die Landtagswahl im Jahr 2000. Es ging bei der SPD in Mülheim um eine so genannte „Kampf-kandidatur“. Ich habe das Wort nie verstanden. Entweder es ist eine Demokratie oder nicht. Und eine Demokratie wird doch erst zur Demokratie, wenn man zwischen mindestens zwei Alter-nativen wählen kann.

Ich rechnete mir aber als Neueinsteigerin nicht allzu große Chancen aus. Doch zur Überra-schung vieler wurde ich dennoch gewählt. Ab diesem Zeitpunkt ging es ja dann Schlag auf Schlag weiter. Transparenz ist mir immer ganz wichtig. Auf mei-ner Homepage konnte von Anfang an jeder sehen, was ich verdiene und wie sich dieses Einkommen zusammensetzt. Bis vor wenigen Monaten war auch mein Terminkalender dort nachzulesen, so dass alle sehen konnten, was „ihre“ Landtagsab-geordnete heute macht. Ich denke, die Bürgerin-nen und Bürger haben ein Recht darauf. Leider kann ich den Kalender aus Sicherheitsgründen nicht mehr veröffentlichen.

Straßenwahlkampf mit

Sohn Jan in Mülheim.

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1993 kam unser Sohn Jan zur Welt. Er war jetzt gerade für ein Jahr in den USA und hat defini-tiv meine Reisefreude geerbt. Wir waren eine junge Familie und keineswegs immer sorgenfrei. Udo und ich haben einige „Aufs und Abs“ erlebt. Er ist Elektroinstallationsmeister, und mal lief es sehr gut, mal sehr schlecht.

Es gab berufliche Rückschläge, auch Arbeitslosig-keit. Die Zukunft war plötzlich ungewiss, unser Lebensstandard, für den wir hart gearbeitet hatten, bedroht. Ich weiß schon, wie es ist, wenn man sich an einen gewissen Standard gewöhnt hat und er plötzlich wegbricht oder bedroht ist. Auch wir haben das schon einmal durchgemacht.

Sicherheit vor dem finanziellen Absturz ist ein hohes Gut. Deshalb habe ich Verständnis dafür, dass viele Menschen auch einzelne Maßnah-men der früheren SPD-Bundesregierung heute kritisch sehen. Ich spreche dabei niemandem den guten Willen ab, dass die von der Kohl- Regierung verschleppten Reformen eine Verbes-serung bringen sollten, doch nicht alle Maß-nahmen haben sich im Nachhinein bewährt. „Dass ausgerechnet ihr das macht“, habe ich häufig gehört. Ganz klar: Es wurden von uns

Fehler gemacht. Aber wer handelt, macht auch Fehler. Wichtig ist mir: Aus Fehlern muss man lernen!

Was gar nicht geht, ist sehenden Auges in Probleme zu laufen und nicht zu handeln – und das wider besseres Wissen. So wie es die schwarz-gelbe Koalition in Berlin gerade gemacht hat: Gegen alle Expertenmeinungen wurden Steuersenkungen für Hoteliers und Erben durchgedrückt, während den Kommunen das Wasser bis zum Halse steht und Milliarden Euro für die Bildung unser Kinder benötigt werden. Hier in NRW regiert Schwarz-Gelb schon seit fast fünf Jahren. Und es ist für die Mehrheit der Menschen bestimmt nicht besser geworden. Die Mitbestimmung wurde geschleift, die Studiengebühren eingeführt und an den Schulen herrschen viel Frust, Ärger und ein Druck, der allen schadet – den Kindern, den Eltern und den Lehrerinnen und Lehrern. Mir ist wichtig: Die NRWSPD hat aus ihren Fehlern gelernt. Wir können es besser als die heutige Regierung, denn ich bin davon überzeugt, dass unser Land menschlicher, gerechter und erfolgreicher regiert werden kann.

Unser Sohn Jan kam 1993

zu Welt.

Die Krafts mit Hund Sandy

im Winterurlaub.

Die ersten

Gehversuche

von Jan.

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Meine Politik setzt da an, wo wir sein möchten: bei den Menschen. Wir machen ja Politik für die Bürgerinnen und Bürger. Darum müssen wir auf Augenhöhe bleiben. TatKraft für NRW – das ist mein Motto, unter dem ich gemeinsam mit den Landtagskandidatinnen und -kandidaten der SPD mehrere Wochen durch NRW getourt bin, um verschiedene Unternehmen und Einrich-tungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Arbeit hautnah zu erleben. Denn nur wer tatkräftig mit anpackt, weiß auch, worum es geht und worüber er redet. Nur so können wir unsere Politik „erden“.

Wenn Nordrhein-Westfalen ein starkes Land bleiben will, müssen wir uns wieder auf unsere Traditionen besinnen. Wir müssen wieder zu einer Gesellschaft werden, in der Gerechtigkeit und Gemeinschaft zählen. Wir müssen raus aus der „Ich-Gesellschaft“, zurück zum „Wir“. Wir möchten, dass die Bürgerinnen und Bürger mit

Stolz sagen können, unser Nordrhein-Westfalen ist das soziale Herz Deutschlands. Sie sollen mit Freude auf ein Land schauen, in das sie Vertrauen haben und in dem die Menschen füreinander einstehen und sich gegenseitig unterstützen. Nordrhein-Westfalen hat schwierige Zeiten durchgemacht. Dennoch beweist der in vielen Teilen erfolgreiche Strukturwandel, wie viel Stärke und Schaffenskraft in den Bürgerinnen und Bürgern von NRW steckt.

NRW stand schon immer für seinen Zusammen-halt und eine soziale Politik. Wir haben den Mut, die notwendigen Weichen in die richtige Rich-tung zu stellen, vor allem in der Bildungspolitik – vom Kleinkind in der Kita bis zur Seniorenbil-dung. Für uns ist klar, dass eine gute Zukunft für NRW auch bedeutet: Wir dürfen kein Kind mehr verlieren! Deshalb werden wir Eltern von Anfang an die Unterstützung und Hilfe anbieten, die sie brauchen.

TatKraft für NRW.

Raus aus der „Ich-Gesellschaft“. Zurück zum „Wir“.

Arbeitseinsatz in einem Essener AWO-Altenheim.

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Doch Kreativität und Innovationsfähigkeit ent- wickeln sich nur in einem Umfeld, in dem die Menschen keine Angst und Sorgen vor der Zukunft haben müssen. Wir müssen den Weg in die Dumpinglohn-Gesellschaft stoppen. Wir brauchen einen flächendeckenden Mindestlohn. Dem ausufernden Missbrauch in der Leih- und Zeitarbeit muss ein Riegel vorgeschoben wer-den. Auch die Ausweitung von Minijobs oder die Bedingungen der Generation Praktikum schaf-fen für unsere jungen Menschen keine sicheren Perspektiven. Und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich darauf verlassen: Wir machen Nordrhein-Westfalen wieder zum Mit-bestimmungsland Nummer 1 in Deutschland.Um weiterhin wirtschaftlich erfolgreich zu blei-ben, müssen wir die Chancen für NRW konse-quent nutzen. Wir sehen Nordrhein-Westfalen als Technologieherz für umwelt- und klima-

freundliche Produkte und Dienstleistungen. Nut-zen wir die Zukunftspotenziale, die hierin liegen. Mit unserem Konzept „Fortschrittsmotor Klima-schutz“ entwickeln wir Nordrhein-Westfalen zur ökologischen Industriegesellschaft weiter. Denn die Technologien der Zukunft schaffen die Jobs von morgen. Mittelstand und Handwerk werden wir dabei durch eine gezielte Förderung unter-stützen. Wir geben heimischen und erneuerba-ren Energien den Vorrang. Und mit uns bleibt es dabei: Atomkraft nein danke! Wir können nicht zulassen, dass die Mitte in unserem Land wegbricht und wir in eine Gesellschaft der Gewinner und Verlierer zer- fallen. Deshalb kämpfen wir für eine gerechte Gesellschaft. Voraussetzung dafür ist ein hand-lungsfähiger Staat, der über ausreichende Mittel verfügen muss, um seiner Verantwortung gegenüber

Unsere Kitas müssen so ausgestattet werden, dass sie unseren Kindern die Betreuung und Förderung bieten, die sie benötigen. Nur so ermöglichen wir allen Mädchen und Jungen die gleichen Voraussetzungen für einen erfolg-reichen Schulstart. Wir wollen, wie die Mehrheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen, dass unsere Kinder länger gemeinsam lernen. Mit der Gemeinschaftsschule setzen wir auf die Schule der Zukunft, die Durch-lässigkeit und individuelle Förderung für die schwächeren, aber auch für die besseren Schüle-rinnen und Schüler garantiert. Wir werden dafür sorgen, dass es in Zukunft kleinere Klassen mit höchstens 25 Schülerinnen und Schülern gibt. Und wir werden das bestehende Schulsystem der

Auslese beenden, in dem auf neun Absteiger nur ein Aufsteiger kommt. Beste Bildung für alle bedeutet aber auch: Wir werden die Gebühren von der Kita bis zur Hochschule schrittweise abschaffen. Denn ich weiß aus eigener Erfahrung: Gute Bildung ermöglicht Aufstiegschancen! Mit den schwarz-gelben marktradikalen Konzep-ten wird der Standort NRW keine gute Zukunft haben. Sie haben sich als falscher Weg erwie-sen. Das Motto der nordrhein-westfälischen Wirtschaft muss im globalen Wettbewerb „Besser statt billiger!“ lauten. Wer besser sein will, muss kreativ und innovativ sein. Dafür muss er auch die bestmögliche Ausbildung erhalten. Daher werden wir eine Ausbildungs-garantie durchsetzen.

Mit Tatkraft in einem

Detmolder Handwerksbetrieb.

Tatkräftig in einer

AWO-Kita in Hagen.

Ein Tag als Nanoforscherin in Münster.

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den Bürgerinnen und Bürgern gerecht zu werden. Die Menschen in NRW brauchen ein sicheres und intaktes Umfeld mit einer modernen Infrastruk-tur. Damit ihnen diese Lebensqualität erhalten bleibt, setzen wir uns für starke Kommunen ein. Die kommunalfeindliche Politik der schwarz-gelben Landesregierung muss beendet werden. Insbesondere bei der erdrückenden Schuldenlast benötigen Städte und Gemeinden die Unter-stützung des Landes. Wir haben dazu einen Ret-tungsschirm vorgeschlagen – den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“. Wir müssen wieder zur Politik von Johannes Rau zurückkehren, bei der galt: „Stadt und Land – Hand in Hand“!

Leider hat sich daran in den letzten knapp fünf Jahren einiges geändert. Die marktradikalen Maßnahmen der schwarz-gelben Regierung haben es für viele Menschen in unserem Land nicht einfacher gemacht. Speziell Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer sowie junge Leute sind betroffen – z. B. durch das Schleifen der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst und natürlich durch die Einführung der Studi-engebühren. Ich bin davon überzeugt, dass unser NRW eine menschlichere Politik braucht. Eine Politik, die allen eine Chance gibt, und zwar von Anfang an. Darum wollen wir ab 2010 die vollstän-dige Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Hochschule schrittweise umsetzen. Denn nur eine gute Bildung kann Aufstiegschancen ermöglichen. Am 9. Mai möchten wir den Menschen zeigen, dass wir mutig und entschlossen sind, die Zukunft dieses Landes zu gestalten. Dafür brauchen wir keine Steuergeschenke für diejenigen, denen es ohnehin gut geht. Wir brauchen klare Konzepte, die niemanden benachteiligen und alle mit-nehmen.

n Beste Bildung für alle: Wir wollen kein Kind mehr verlieren. Das Schulsystem muss durch-lässiger werden und Aufstieg wieder möglich machen. Wir stehen für längeres gemeinsa-mes Lernen und kleinere Klassen in Gemein-schaftsschulen. Wir wollen Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Hochschule.

n Gute Arbeit für alle: Wir brauchen endlich flächendeckende Mindestlöhne, es muss Schluss sein mit dem Missbrauch bei der Leih- und Zeitarbeit. Gute Arbeit bedeutet für uns auch eine Ausbildungsgarantie. NRW muss wieder zum Land der Mitbestimmung und der starken Arbeitnehmerrechte werden.

n Städte und Gemeinden stärken: Wir stehen für lebenswerte Kommunen. Unser „Stär-kungspakt Stadtfinanzen“ soll den klammen Städten und Gemeinden mehr finanzielle Spielräume eröffnen. Unsere Politik steht für den Grundsatz: „Stadt und Land – Hand in Hand“.

n Klimaschutz ist unser Fortschrittsmotor: Wir machen unseren Industriestandort fit für die Zukunft. Wir nutzen die ökologischen Her-ausforderungen für eine neue wirtschaftliche Dynamik. Arbeit und Umwelt gehören für uns zusammen. Wir setzen auf unsere heimischen Energierohstoffe: auf immer mehr erneuerbare Energien und auf unsere Kohle. Wir stehen zum Atomausstieg.

n Zusammenhalt schaffen: Wir wollen Sicherheit

und Teilhabe auch und gerade für Menschen im hohen Alter. Die Qualität der Gesundheits-versorgung darf nicht vom Alter oder vom Geldbeutel abhängen. Wir brauchen klare Pers-pektiven für ein gleichberechtigtes Zusammen-leben von Menschen unterschiedlicher Religion und Kultur.

Für ein gerechtes NRW.Unsere wichtigsten Ziele:

Gute Arbeitsgespräche bei einem

Jugendprojekt in Mönchengladbach.

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Mein Name ist Hannelore Kraft. Mein Leben ist eine Geschichte aus NRW.Und ich bitte Sie um Ihre Stimme, um für Sie als Ministerpräsidentin unseres großartigen Landes arbeiten zu dürfen.

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NRW im HerzenHannelore Kraft

Herausgeber:SPD Landesverband NRW Kavalleriestraße 16 40213 Düsseldorf Tel.: (0211) 13622-0 Mail: [email protected] www.nrwspd.de

Fotos:Uta Wagner Frank Ossenbrink Privatfotos

Konzept und Gestaltung:BUTTER. Agentur für Werbung GmbH www.butter.de