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Bruder Paulus sprach beim Unternehmertag im Schwalm-Eder-Kreis „Keiner ist vom Teilen arm geworden“ Erfolgsweg Ethik? Um das wirtschaftliche Handeln auf bleibenden Fun- damenten hat sich der Unternehmertag des Zentrums der Wirtschaft (ZWS) im Schwalm-Eder-Kreis Anfang Oktober gedreht. Zu Gast war der Kapuzinermönch Bruder Paulus aus Frankfurt, der den Unterbau ethischen Handelns beleuchtete. W o fängt Ethik an, wo hört sie auf? Was ist moralisch, was unmoralisch? Reicht wirtschaftlicher Erfolg als primäres Ziel aus? Geht das Streben nach Gewinn und Erfolg zu- lasten der Moral? Welche Werte zählen? Fra- gen, die in der heutigen Gesellschaft, die auf Erfolg ausgerichtet ist, nicht leicht zu beant- worten sind. Bruder Paulus, Leiter des Kapuzinerklosters Liebfrauen in Frankfurt, versuchte während des Unternehmertags in der Homberger Stadt- halle seinen Zuhörern Antworten zu geben. Er beleuchtete aus der Tradition seines Ordensle- bens – aber auch aus der Erfahrung heraus, in einem Kaufmannshaushalt groß geworden zu sein –, die Fundamente des menschlichen Da- seins und Miteinanders. Ohne diese, wie er sagt, kann niemand erfolgreich sein. Eine Kartoffel mehr als bestellt Seinem tüchtigen Vater, dessen Geschäft Obst und Gemüse waren, hat Bruder Paulus viele Jahre über die Schulter blicken und dabei lernen dürfen, dass erfolgreiches Wirtschaften auf Werten basiert. So galt im Kaufmannsla- den Terwitte die Maxime: „Was auf der Tüte draufsteht, muss auch in der Tüte drin sein.“ Wenn früher ein Kunde zehn Apfelsinen be- stellt habe, so Bruder Paulus, dann habe er auch zehn gute bekommen und nicht neun- einhalb. „Darauf konnte sich jeder verlassen.“ Ein Ja müsse ein Ja sein und ein Nein ein Nein: „Wir müssen einander glauben können.“ Und damit legt der Kapuzinermönch zwei Grund- steine ethischen Handels dar: Ehrlichkeit und Vertrauen. Bruder Paulus verdeutlicht auch, dass Geiz eben nicht geil ist: „Was du auf der Erde mehr abwiegst, das wird dir auch im Himmel mehr abgewogen“, pflegte sein Vater zu sagen und legte meist eine Kartoffel mehr in die Tüte als er musste. „Es ist uns alles geschenkt, verdient haben wir nichts, sagte einst Franz von Assisi. Und ich ergänze: Vom Teilen ist noch keiner arm geworden.“ Und damit offeriert er seinen Zu- hörern einen zweiten Grundstein Großzügigkeit. Er propagiert auch, dass immer mehr zu wollen, nicht immer gut ist. Eine Philosophie, die er auch von zu Hause kennt. Wenn man seinen Vater fragte, warum er nicht ein zweites Geschäft aufmache, antwortete dieser: „Ich verdiene doch genug, ich will gesund bleiben. Ich habe noch ein anderes Leben.“ Andere sei- en weniger vorausschauend und bescheiden gewesen: Sie hätten zwar drei Filialen gehabt, aber eben auch einen Herzinfarkt. Und hier tritt ein anderer Grundstein ethischen Han- delns zutage – Genügsamkeit. Er spricht auch von Aufrichtigkeit, Boden- ständigkeit, Freundlichkeit und Offenheit im Umgang der Menschen miteinander. Men- schen seien in ihren Beziehungen füreinander in den Dienst gestellt. „Ethik“, sagt Bruder Paulus, „ist das Pünktchen im Leben, das sich Sinn nennt. Was tue ich wie und warum? Wie gehen wir miteinander um?“ Seine Sicht der Dinge ist einfach: „Ich mache es nicht für mich, ich mache es für dich.“ Das schöne Brot zum Beispiel, an dem sich andere laben. Er rät, eine Balance zu schaffen zwischen sich selbst und den anderen. „Die Beziehungen der Menschen zueinander sind das tragende Netz der Gesellschaft. Zerbeißt eine schwarze Spinne im Netz einen Faden, ist das nicht schlimm. Tun es viele, reißt auch ein tragfähiges Netz.“ Bruder Paulus „Die Beziehungen der Menschen zueinander sind das tragende Netz der Gesellschaft. Zer- beißt eine schwarze Spinne im Netz einen Fa- den, ist das nicht schlimm. Tun es viele, reißt auch ein tragfähiges Netz“, sagt Bruder Paulus mit Blick auf jene, die nicht ethisch handeln. Je mehr es seien, desto mehr verliere die Ge- sellschaft ihre tragende Basis. In der Wirtschaft gehe es stets um Gewinn- margen. Doch: „Zahlen sind nicht die Welt“, sagt er, schaut in die Runde und fragt: „Was ist Ihr Unternehmen wert? Ich hoffe, als Ant- wort können Sie die Namen all Ihrer Mitarbei- ter aufzählen.“ Das Wertvollste stecke nicht in Zahlen, sondern in den Herzen. Er empfiehlt, „nicht nur über Preise nachzudenken, sondern mit den Menschen zu reden“. Der Vortrag bot spannende Thesen, über die Bruder Paulus im Anschluss mit Martin Kuge (Druckerei Faubel), Manfred Freidhof (Alten- und Pflegeheim Blumenhain), Ralf Eh- ring (Ehring GmbH), Günter Schwarz (Backhaus Schwarz) und TV-Mode- ratorin Claudia Schick diskutierte. Das Gespräch mit den Unterneh- mern machte deutlich: Gelebte Werte und ökonomischer Erfolg sind kein Widerspruch. Klare Wert- vorstellungen sind heutzutage mehr denn je die Basis eines guten Mitei- nanders in Betrieben, wenn alle Sei- ten sie ohne Vorteilsnahme leben. Ein gutes Miteinander motiviert zu Leistung und Erfolg. Wenngleich man sich bisweilen auch ein Stück weit von reinen Nutzenerwägungen frei machen muss, wenn es um Antworten auf ethische Fragen geht. Helga Kristina Kothe Tauschten sich auf dem Podium aus: (von links) Martin Kuge (Druckerei Faubel, Melsungen), Manfred Freidhof (Alten- und Pflegeheim Blumenhain, Borken), Ralf Ehring (Ehring GmbH, Homberg) und Günter Schwarz (Backhaus Schwarz, Gudensberg). In ihrer Mitte: TV-Moderatorin Claudia Schick, die das Gespräch leitete. (Fotos: Kothe) Bruder Paulus Wirtschaft 32 Wirtschaft Nordhessen 11.2015

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Bruder Paulus sprach beim Unternehmertag im Schwalm-Eder-Kreis

„Keiner ist vom Teilen arm geworden“

Erfolgsweg Ethik? Um das wirtschaftliche Handeln auf bleibenden Fun-damenten hat sich der Unternehmertag des Zentrums der Wirtschaft(ZWS) im Schwalm-Eder-Kreis Anfang Oktober gedreht. Zu Gast war derKapuzinermönch Bruder Paulus aus Frankfurt, der den Unterbau ethischenHandelns beleuchtete.

W o fängt Ethik an, wo hört sie auf? Wasist moralisch, was unmoralisch? Reicht

wirtschaftlicher Erfolg als primäres Ziel aus?Geht das Streben nach Gewinn und Erfolg zu-lasten der Moral? Welche Werte zählen? Fra-gen, die in der heutigen Gesellschaft, die aufErfolg ausgerichtet ist, nicht leicht zu beant-worten sind.

Bruder Paulus, Leiter des KapuzinerklostersLiebfrauen in Frankfurt, versuchte währenddes Unternehmertags in der Homberger Stadt-halle seinen Zuhörern Antworten zu geben. Erbeleuchtete aus der Tradition seines Ordensle-bens – aber auch aus der Erfahrung heraus, ineinem Kaufmannshaushalt groß geworden zusein –, die Fundamente des menschlichen Da-seins und Miteinanders. Ohne diese, wie ersagt, kann niemand erfolgreich sein.

Eine Kartoffel mehr als bestelltSeinem tüchtigen Vater, dessen Geschäft

Obst und Gemüse waren, hat Bruder Paulusviele Jahre über die Schulter blicken und dabeilernen dürfen, dass erfolgreiches Wirtschaftenauf Werten basiert. So galt im Kaufmannsla-den Terwitte die Maxime: „Was auf der Tütedraufsteht, muss auch in der Tüte drin sein.“Wenn früher ein Kunde zehn Apfelsinen be-stellt habe, so Bruder Paulus, dann habe er

auch zehn gute bekommen und nicht neun-einhalb. „Darauf konnte sich jeder verlassen.“Ein Ja müsse ein Ja sein und ein Nein ein Nein:„Wir müssen einander glauben können.“ Unddamit legt der Kapuzinermönch zwei Grund-steine ethischen Handels dar: Ehrlichkeit undVertrauen.

Bruder Paulus verdeutlicht auch, dass Geizeben nicht geil ist: „Was du auf der Erde mehrabwiegst, das wird dir auch im Himmel mehrabgewogen“, pflegte sein Vater zu sagen undlegte meist eine Kartoffel mehr in die Tüte alser musste. „Es ist uns alles geschenkt, verdienthaben wir nichts, sagte einst Franz vonAssisi. Und ich ergänze: Vom Teilenist noch keiner arm geworden.“Und damit offeriert er seinen Zu-hörern einen zweiten Grundstein– Großzügigkeit.

Er propagiert auch, dass immermehr zu wollen, nicht immer gut ist.Eine Philosophie, die er auch von zuHause kennt. Wenn man seinen Vaterfragte, warum er nicht ein zweitesGeschäft aufmache, antwortete dieser: „Ichverdiene doch genug, ich will gesund bleiben.Ich habe noch ein anderes Leben.“ Andere sei-en weniger vorausschauend und bescheidengewesen: Sie hätten zwar drei Filialen gehabt,aber eben auch einen Herzinfarkt. Und hier

tritt ein anderer Grundstein ethischen Han-delns zutage – Genügsamkeit.

Er spricht auch von Aufrichtigkeit, Boden-ständigkeit, Freundlichkeit und Offenheit imUmgang der Menschen miteinander. Men-schen seien in ihren Beziehungen füreinanderin den Dienst gestellt. „Ethik“, sagt BruderPaulus, „ist das Pünktchen im Leben, das sichSinn nennt. Was tue ich wie und warum? Wiegehen wir miteinander um?“ Seine Sicht derDinge ist einfach: „Ich mache es nicht fürmich, ich mache es für dich.“ Das schöne Brotzum Beispiel, an dem sich andere laben. Er rät,eine Balance zu schaffen zwischen sich selbstund den anderen.

„Die Beziehungen der Menschenzueinander sind das tragende Netzder Gesellschaft. Zerbeißt eine schwarzeSpinne im Netz einen Faden,ist das nicht schlimm. Tun es viele,reißt auch ein tragfähiges Netz.“

Bruder Paulus

„Die Beziehungen der Menschen zueinandersind das tragende Netz der Gesellschaft. Zer-beißt eine schwarze Spinne im Netz einen Fa-den, ist das nicht schlimm. Tun es viele, reißtauch ein tragfähiges Netz“, sagt Bruder Paulusmit Blick auf jene, die nicht ethisch handeln.Je mehr es seien, desto mehr verliere die Ge-sellschaft ihre tragende Basis.

In der Wirtschaft gehe es stets um Gewinn-margen. Doch: „Zahlen sind nicht die Welt“,sagt er, schaut in die Runde und fragt: „Wasist Ihr Unternehmen wert? Ich hoffe, als Ant-wort können Sie die Namen all Ihrer Mitarbei-ter aufzählen.“ Das Wertvollste stecke nicht inZahlen, sondern in den Herzen. Er empfiehlt,„nicht nur über Preise nachzudenken, sondernmit den Menschen zu reden“.

Der Vortrag bot spannende Thesen, über dieBruder Paulus im Anschluss mit Martin Kuge(Druckerei Faubel), Manfred Freidhof (Alten-

und Pflegeheim Blumenhain), Ralf Eh-ring (Ehring GmbH), Günter Schwarz

(Backhaus Schwarz) und TV-Mode-ratorin Claudia Schick diskutierte.Das Gespräch mit den Unterneh-mern machte deutlich: GelebteWerte und ökonomischer Erfolg

sind kein Widerspruch. Klare Wert-vorstellungen sind heutzutage mehrdenn je die Basis eines guten Mitei-nanders in Betrieben, wenn alle Sei-

ten sie ohne Vorteilsnahme leben. Ein gutesMiteinander motiviert zu Leistung und Erfolg.Wenngleich man sich bisweilen auch einStück weit von reinen Nutzenerwägungen freimachen muss, wenn es um Antworten aufethische Fragen geht. Helga Kristina Kothe �

Tauschten sich auf dem Podium aus:(von links) Martin Kuge (Druckerei Faubel, Melsungen), Manfred Freidhof (Alten- und

Pflegeheim Blumenhain, Borken), Ralf Ehring (Ehring GmbH, Homberg)und Günter Schwarz (Backhaus Schwarz, Gudensberg).

In ihrer Mitte: TV-Moderatorin Claudia Schick, die das Gespräch leitete. (Fotos: Kothe)

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