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89 LUFT- UND RAUMFAHRT INDUSTRIE COMPOSITE Eigentlich ist die Idee nicht neu, denn schon 3400 v.Chr. klebten Mesopotamier Holzstreifen unter verschiedenen Winkeln zusam- men und schufen so Sperrholz. Um 1500 v.Chr. nahmen Ägypter und Mesopotamier Stroh, um Lehmziegel, Töpferwaren und Boote zu verstärken. Die «10 Bücher der Architektur» des römischen Militärtechnikers Vitruvius beschreiben Beton und Arten von Kalk und Mörtel, die in vieler Hinsicht heutigem Portland-Zement überlegen sind. Mit Formel 1-Know-how zu neuen Horizonten Verbundwerkstoffe bestehen aus zwei oder mehr Materialien, die dank dieser Kombination zusätzliche Eigenschaften erhalten. Dazu gehören massive Gewichtsreduktion, hohe Festigkeit, Desi- gnfreiheit, nicht leitend und nicht magnetisch, radartransparent, geringe Wärmeleitfähigkeit und Langlebigkeit. Dies waren die Herausforderungen, mit denen sich Dominik Scheurer bei Sau- ber F1 als Composite Engineer konfrontiert sah. Die Ansprüche Brutstätte für exklusive Composite Scheurer Swiss GmbH ELSBETH HEINZELMANN, FACHJOURNALIST Jede technische Struktur besteht aus mehreren Werkstoffen. Es ist das Verhalten dieser Materialien, welches die mechanische Leistung des Formel 1 Rennwagens bewirkt. Wieso solche Hochleistungsmaterialien nicht auch für andere Bereiche wie die Aviatik nutzen? Das sagten sich Dominik Scheurer und sein Team, als sie diverse Satelliten- Projekte von RUAG und AIRBUS in Angriff nahmen. ESA Das Scheurer Team ist engagiert in der Konstruktion des MetOp-B Wettersatelliten, der durch EUMETSAT betrieben wird. Die Projektkosten belaufen sich voraussichtlich auf 2.5 Mrd EURO.

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89LUFT- UND RAUMFAHRT INDUSTRIE Composite

Eigentlich ist die Idee nicht neu, denn schon 3400 v.Chr. klebten

Mesopotamier Holzstreifen unter verschiedenen Winkeln zusam-

men und schufen so Sperrholz. Um 1500 v.Chr. nahmen Ägypter

und Mesopotamier Stroh, um Lehmziegel, Töpferwaren und

Boote zu verstärken. Die «10 Bücher der Architektur» des

römischen Militärtechnikers Vitruvius beschreiben Beton und

Arten von Kalk und Mörtel, die in vieler Hinsicht heutigem

Portland-Zement überlegen sind.

Mit Formel 1-Know-how zu neuen HorizontenVerbundwerkstoffe bestehen aus zwei oder mehr Materialien,

die dank dieser Kombination zusätzliche Eigenschaften erhalten.

Dazu gehören massive Gewichtsreduktion, hohe Festigkeit, Desi-

gnfreiheit, nicht leitend und nicht magnetisch, radartransparent,

geringe Wärmeleitfähigkeit und Langlebigkeit. Dies waren die

Herausforderungen, mit denen sich Dominik Scheurer bei Sau-

ber F1 als Composite Engineer konfrontiert sah. Die Ansprüche

Brutstätte für exklusive CompositeScheurer Swiss GmbH

eLsBetH HeiNZeLmANN, FACHJoURNAList

Jede technische Struktur besteht aus mehreren Werkstoffen. Es ist das Verhalten dieser Materialien, welches die mechanische Leistung des Formel 1 Rennwagens bewirkt. Wieso solche Hochleistungsmaterialien nicht auch für andere Bereiche wie die Aviatik nutzen? Das sagten sich Dominik Scheurer und sein Team, als sie diverse Satelliten-Projekte von RUAG und AIRBUS in Angriff nahmen.

ESA

Das Scheurer Team ist engagiert in der Konstruktion des MetOp-B Wettersatelliten, der durch EUMETSAT betrieben wird. Die

Projektkosten belaufen sich voraussichtlich auf 2.5 Mrd EURO.

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au wurden nicht geringer bei Toyota Motorsport GmbH in Köln, wo er

das Composite Engineering anpackte. «Aber der Fokus auf den

F1 Motorsport verschafft einem Engineering-Team etliche Ent-

wicklungsarbeit im Winter und geringe Auslastung im Sommer.

Dies wollte ich ändern», so Dominik Scheurer. «Meine Vision

war, dem Kunden alle Dienstleistungen von der Beratung bis

zu allen nötigen Produktionsdaten inklusive Lebenszyklus und

Kostenanalyse zu bieten.»

Die neue Aufgabe forderte ein Höchstmass an Kompetenz

und Erfahrung: Es galt, in der Hochhausgruppe Abraj Al Bait

Towers in Saudi-Arabien, den Makkah Royal Clock Tower mit

der goldenen Mondsichel des Islam – dem «hilal» – zu schmü-

cken. Der von Dominik Scheurer aus ultraleichten und stabilen

Kohlefaser-Bauteilen konstruierte goldene Halbmond mit einem

Durchmesser von 23 m beherbergt Observatorium, Wetterstation

und einen Gebetsraum. Er gilt als der höchste, vom Menschen

geschaffene Raum. Der Glockenturm ist mit 601 m momentan

das zweithöchste Gebäude rund um den Globus. Die grösste und

solargetriebene Uhr der Welt hat auf ihren vier Seiten Zifferblät-

ter mit einem Durchmesser von 43 m, die von zwei Millionen

Led-Leuchten erhellt werden. Die Uhrzeit ist deshalb auch bei

Dunkelheit noch in acht Kilometern Entfernung ablesbar. Jeweils

zu Beginn der fünf täglichen Gebetszeiten schicken zusätzlich

21 000 weisse und grüne LED-Lämpchen einen Lichtstrahl zum

Himmel. Die Minutenzeiger sind aus Kohlenstofffaser verstär-

ktem Kunststoff, je 23 m lang und 7,5 Tonnen schwer – natürlich

auch ein Konzept von Dominik Scheurer, der als Nichtmuslim

die Arbeiten von der Ferne aus leiten musste.

Und nun durchstarten…Nach diesem Challenge wirkte er als Head of Engineering für

Composite-Innovation bei Huber und Suhner. Hier traf er einen

Bekannten von früher, Robert James Tween, der den Produk-

tionssupport betreute. Als die Firma 2015 an die Connova AG

verkauft wurde, beschlossen er und sein Freund gemeinsame

Sache. Heute hat Dominik Scheurer in seiner eigenen Firma

10 spezialisierte Ingenieure und Handwerker, die wissen, wie

man vor Ort die Engineering-Daten in die Praxis umsetzt. «Das

heisst: Beratung, Engineering und Produktionssupport on-site.

Ich kann nun die in der Formel 1 erarbeitete Erfahrung mit

Kompositen für andere Objekte nutzen.» So beispielsweise für

18 Rotorblätter von 2,50 m Höhe für Strassenfahrzeuge im Wind-

kanal bei HONDA. «Mit unserer Technologie konnten wir das

Gewicht gegenüber andere Hersteller um 40 % senken», freut

sich Dominik Scheurer. «Wir sind frei, können für jeden Kunden

die passende Herstellfirma suchen. Genau diese Verbindung zur

Produktion fehlt den meisten Ingenieurbüros.»

Das Know-how der Scheurer-Crew spricht sich herum. So kon-

taktierte die ETH Zürich den innovativen Ingenieur, als sie ihren

SCUBO Unterwasserroboter mit einer Box mit Carbon-Struktur

ausrüsten wollte. Der rund 27 Kilo schwere, mit Arduino aus-

gerüstete Geselle ist mit sechs Webcams wirkungsvoll und soll

Mit von der Partie ist die Scheurer Crew auch im Euclid-Projekt,

benannt nach dem Mathematiker Euklid von Alexandria.

Das Weltraumteleskop der ESA ist im Programm Cosmic Vision

2015–2026 geplant und soll sechs Jahre lang die dunkle Materie

im Weltraum ergründen.

Für 2020 plant die ESA die Mission ExoMars Rover in

Zusammenarbeit mit der russischen Raumfahrtagentur

Roskosmos. Der ESA-Rover soll mit einer russischen Proton-

Rakete gestartet und auf dem Mars mit einer russischen

Landeplattform landen. Auf der Marsoberfläche wird der

Rover Anzeichen biologischer Aktivität untersuchen und

Bohrungen vornehmen. Auf der Erde mit dem Bau des Rovers

beschäftigt ist die Equipe von Dominik Scheurer.

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INFORMATIONSCHEURER SWISS GmbH

Dominik Scheurer

Industriestrasse 27

8604 Volketswil

www.scheurer.swiss, [email protected]

Tel. +41 (0)52 202 26 00, Mobile +41 (0)76 329 90 00

so Meereswissenschaftlern lebende Organismen rund um die

Korallenriffe näher bringen.

ACUTRONIC, Weltführer für Bewegungssimulatoren höchster

Präzision für Luftfahrt, Weltraum, Verteidigung und die Automo-

bilindustrie, wollte von Scheurer Simulatoren, die Trägheitssen-

soren testen und kalibrieren. Im Fokus standen Gyroskope und

Beschleunigungsmesser, sowie Navigations- und optronische

Systeme.

Weg frei in den WeltraumDer Weg ist nun auch offen für Luft- und Raumfahrt. Als der

Raumfahrtbereich der RUAG mit der zentralen Struktur für Exo-

Mars, dem nächsten Mars-Rover, beauftragt wurde – entworfen

von Airbus Defence and Space – kam der Fachmann erneut

zum Zug. Mit dem Team entwickelte er die Daten für die Mars

Rover «Badewanne», die Teil des Fahrgestells des ExoMars ist.

Er soll Proben von Marsgestein nehmen und die Instrumente für

optische und chemische Analyse transportieren. Das Trägermo-

dul transportiert den Mars Rover, der sich auf die Suche nach

Spuren vergangenen Lebens auf dem Roten Planeten machen

wird. Im Jahr 2020 startet die Mission in den Weltraum. Und

wiederum ist es Scheurer, welche die Daten für das Chassis aus

Kohlefaser-Verbundwerkstoff liefert.

Die Zukunfts-Strategie ist klar: «Es ist wichtig, unseren Kunden

ausgebildete Mitarbeiter zu vermitteln, die vor Ort meine Daten

umsetzen. Zudem wollen wir eine kundenspezifische Schulung

beim Kunden aufbauen.» Damit dürfte das weitere Programm

reichlich gepackt sein!

Mit dem Team entwickelte er die Daten für die Mars Rover «Badewanne», die Teil des Fahrgestells des ExoMars ist

Als in Makkah 2012 der Royal Clock Tower fertiggestellt wurde,

war es erneut die Gruppe von Dominik Scheurer, welche die

ultraleichten und ultrastabilen Kohlefaser-Bauteile für den

«Hilal» konstruiert hatte, den goldenen Halbmond mit einem

Durchmesser von 23 m, welcher nun die Spitze des zweithöch-

sten Gebäudes der Welt ziert. Im Bild die Vormontage in Dubai.

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mbH

In der Rekordzeit von nur fünf Monaten entwickelten Dominik

Scheurer und sein Team im Jahr 2009 einen kompletten Formel

1-Flitzer, den Lotus.

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