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Workshop 6: Brutto und netto. Alltagsökonomische Zugänge zum Thema Steuern Kajo Burkard/Ludger Hillmann

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Workshop 6:

Brutto und netto. Alltagsökonomische Zugänge zum Thema

Steuern

Kajo Burkard/Ludger Hillmann

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Brutto und netto. Alltagsökonomische

Zugänge zum Thema Steuern

1. Das Thema im Unterricht

2. Steuern im Wirtschaftskreislauf

3. Kleine Steuerkunde

4. Das Mysterium des Kassenbons. Die Mehrwertsteuer (Kl.8)

5. Vom Brutto zum Netto. Betrachtungen einer

Gehaltsabrechnung (Klasse 8)

6. Ist unsere Einkommensteuer fair? Progressive Besteuerung

und kalte Progression - mit einem Exkurs in die

Mathematik (Klasse 10)

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Die fachliche Relevanz des Themas “Steuern“

Dimensionen der Politik Dimensionen der Ökonomie

Polity: z.B. Vorgaben des GG zu

Steuerbewilligung, Bund-Länder-

Beziehungen Kreditaufnahme

Makroökonomie: Einfluss auf

Gesamtnachfrage und –angebot,

BIP, Konjunktur

Policy: Ziele der Finanzpolitik Mikroökonomie: v.a.

Anreizwirkungen auf private

Haushalte und Unternehmen

Politics: Aufstellung und Abstim-

mung der Haushalte im födera-

len System

Betriebswirtschaft: Auswirkun-

gen auf Standortentscheidungen

oder die betriebliche Kosten- und

Ergebnisrechnung

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Basiskenntnisse im Themenfeld „Steuern“

• Ansatzpunkte und Arten der Besteuerung

• Einnahmenseite und Ausgabenseite der

öffentlichen Haushalte

• Weg des Staatshaushalts vom

Regierungsentwurf bis zur Verabschiedung

• Finanzbeziehungen im politischen Mehr-

ebenensystem

• Ursachen, Formen und Folgen der

Staatsverschuldung

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Einsichten in grundlegende Zusammenhänge

• Der moderne Sozial- und Wohlfahrtsstaat bedarf zur Erfüllung seiner Aufgaben einer angemessenen finanziellen Ausstattung bedarf.

• Finanzpolitische Entscheidungen haben teils beabsichtigte, teils nicht intendierte Folgen sowohl für Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt als auch für das Leben eines jeden Einzelnen.

• Unter den Bedingungen der europäischen Integration müssen neue Formen gefunden werden, um das Prinzip „no taxation withoutrepresentation“ sicherzustellen.

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Steuern im Wirtschaftskreislauf

Tran

sfer

s an

die U

nter

nehm

en

Konsu

mau

sgab

en d

es

Staat

es

BruttoinvestitionenAbschreibungen

Staat

PrivateHaushalteUnternehmen

Vermögens-änderungs-

kontoAusland

Forderungen

Löhne und Gewinne

Konsumausgaben der Privaten Haushalte

ExporteImporte

Sparen derPrivaten

Haushalte

Steue

rn d

er

Unt

erne

hmen

Verbindlichkeiten

Transfers an die Privaten Haushalte

Löhne des Staates

Steuern der

Privaten Haushalte

Tr

SH

CH

Ibr

DM X

TU

C STZ

YST

H

Y UH

T

H

KST

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Konto des Staates

Soll = Ausgaben, Abflüsse

Z = Subventionen (an

Unternehmen)

Tr = Transferzahlungen

CST = Staatskonsum

YST, H= Löhne und Gehäl-

ter der Staatsbe-

diensteten

Haben = Einnahmen, Zuflüsse

TH = direkte Steuern der priv. H

TU = direkte und indi-rekte Steuern d. U

BzSV = Beiträge zur So-zialversicherung

-------------------------Saldo = Kreditaufnahme des

Staates

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Kleine Steuerkunde: 1. Begriffliches

• Steuern = öffentlich-rechtliche Abgaben, deren Aufkommen nicht zweckgebunden ist und die zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs alle zahlen müssen, die den Tatbestand der Steuerpflicht erfüllen

• Gebühren und Beiträge = aufgabenbezogene und zweckgebunden verwendete öffentlich-rechtliche Abgaben

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Kleine Steuerkunde: 2. Steuersystematik

1. Wirtschaftliche Belastung direkte und indirekte

Steuern; Steuerträger und

Steuerschuldner

2. Bemessungsgrundlagen Besitz-, Verkehrs- und

Verbrauchssteuern

3. Verwaltungshoheit (Steuer-

beitreibung) und

Ertragshoheit (Verwendung)

Bund, Länder, Gemeinden

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Steuersystematik: wirtschaftliche Belastung

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„Steuerspirale“ 2012: Der Beitrag der Steuerarten zu den

Steuereinnahmen des Gesamtstaats in Höhe von 552 Mrd. €

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Steuersystematik: Verwaltungs- und Ertragshoheit

Verwaltungshoheit:

Steuerbeitreibung

Ertragshoheit:

Steuerverwendung

Bundessteuern

(z.B. Tabaksteuer)werden von den Haupt-zollämtern erhoben

Erträge stehen aus-schließlich dem Bund zu

Gemeinschafts-

steuern (z.B. Ein-kommensteuer)

werden im Bundes-auftrag von den Finanzämtern erhoben

Erträge fließen Bund und Ländern zu

Ländersteuern (z.

B. Erbschaftsteuer)

werden von den Finanzämtern erhoben

Erträge stehen exklusiv den Ländern zu

Gemeindesteuern

(z.B. Gewerbesteuer)

Festsetzung durch die Gemeinden

Erträge stehen exklusiv den Kommunen zu

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Einnahmen des öffentlichen Gesamthaushalts 2012 (in Mio. €)

Öffentlicher Gesamthaushalt 1 171 701

- Bund 337 915

- EU-Anteile 25 251

- Länder 316 559

- Gemeinden/Gemeindeverbände 197 770

- Sozialversicherung 536 541

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„Steuern im Wirtschaftsunterricht der Sek. I“

Aus der Arbeit des WPK Wirtschaft + Informatik

am Alten Gymnasium Oldenburg I

Jahrgang 8

Birgit Lau:Das Mysterium des Kassenbons.

Die Mehrwertsteuer

veröffentlicht in: UWP 6 / 2012

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EXTRO

Fruchtjoghurt 0,49 A

Smarties 1,79 A

Halbfettmargarine 1,69 A

Zeitung 1,10 A

Shampoo 2,22 B

Active Sport Duschgel 0,88 B

SUMME EUR 8,17

BAR EUR 10,00

Rückgeld EUR 1,83

MwSt % MwSt ohne MwSt mit MwSt

A 7% 0,33 4,74 5,07

B 16% 0,43 2,67 3,10

06.12.06

EXTRO

Fruchtjoghurt 0,49 A

Smarties 1,79 A

Halbfettmargarine 1,69 A

Zeitung 1,10 A

Shampoo 2,28 B

Active Sport Duschgel 0,90 B

SUMME EUR 8,25

BAR EUR 10,00

Rückgeld EUR 1,75

MwSt MwSt ohne MwSt mit MwSt

A 7% 0,33 4,74 5,07

B 19% 0,51 2,67 3,18

06.01.07

Kassenbon 1 Kassenbon 2

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EXTRO

Kaffee 3,79 A

Katzenfutter 1,20 A

Mineralwasser 4,99 B

Seife 0,65 B

SUMME EUR 10,63

BAR EUR 11,00

Rückgeld EUR 0,37

MwSt % MwSt ohne MwSt mit MwSt

A 7%

B 19%

08.01.2007

Auf den dritten Kassenbon hat

Leonie Kakao verschüttet, so

dass man einige Zahlen nicht

mehr erkennen kann.

Berechne die fehlenden Werte!

Kassenbon 3

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MwSt

%

Preis mit MwSt

(Bruttopreis = 100

% + Mehrwert-

steuersatz)

Preis ohne MwSt

(Nettopreis = 100%)

MwSt

A 7%

4,99 €

(100 % + 7%)

4,66 €

(= 4,99 : 107) x 100

0,33 €

B 19% 5,64 €

(100 % + 19 %)

4,74 €

(= 5,64: 119) x 100

0,90 €

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MwSt

Steuerschuldner Steuerträger

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Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug

von� an Preis in €(Brutto-preis)

Entgelt in €(Netto-preis)

MwSt(19%)

Vor-steuer in €

an das Finanzamt abzuführender Betrag (in €)

Sägewerk-Möbelfabrik

1500,- 1260,50 239,50 0,00 239,50

Möbelfabrik-Großhändler

2100,- 1764,71 335,29 239,50 95,79

Großhändler-Einzelhändler

2400,- 2016,81 383,19 335,29 47,90

Einzelhändler -Endverbraucher

2800,- 2352,94 447,06 383,19 63,87

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„Steuern im Wirtschaftsunterricht der Sek. I“

Aus der Arbeit des WPK Wirtschaft + Informatik

am Alten Gymnasium Oldenburg II

Jahrgang 8

Birgit Lau:Vom Brutto zum Netto.

Betrachtungen einer Gehaltsabrechnung

veröffentlicht in: UW 41 / 2010

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Anna Schmidts Gehaltsabrechnung

Daten, die für die Berechnung des Nettogehalts von Bedeutung sind (Stand 2010):

• Bruttolohn 3004,- €• unverheiratet, keine Kinder (Steuerklasse 1)• Kirchenmitglied• 19,9% Rentenversicherung, davon 50 %

Arbeitnehmeranteil• 2,8% Arbeitslosenversicherung, davon 50 %

Arbeitnehmeranteil• 1,95% Pflegeversicherung (Beitragszuschlag für

Kinderlose, die mindestens 23 Jahre alt und nach dem 31. Dezember 1939 geboren sind, von 0,25 Prozent)

• 14,0 % Krankenversicherung, davon 50 % Arbeitnehmeranteil (zusätzlich 0,9% für Arbeitnehmer!)

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Ausschnitt aus der Lohnsteuertabelle 2010

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Lohnsteuerklasse I (ledig, keine Kinder)

Bruttolohn 3004,- €

- Lohnsteuer 484,25 €

- Solidaritätszuschlag 26,63 €

- Kirchensteuer 43,58 €

- Rentenversicherung 298,90 €

- Krankenversicherung 237,32 €

- Pflegeversicherung 36,80 €

- Arbeitslosenversicherung 42,06 €

Summe der Abzüge:

1169,54 €

Nettolohn = Auszahlungsbetrag 1834,46 €

Anna Schmidts Gehaltsabrechnung

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Gesine Meyers Gehaltsabrechnung

Daten, die für die Berechnung des Nettogehalts von Bedeutung sind (Stand 2010):

• Bruttolohn: 3004,- €• einzige Verdienerin einer Familie mit zwei kleinen

Kindern (eine zweijährige Tochter und ein 6 Monate alter Sohn, ihr Mann studiert noch und betreut die Kinder)

• Steuerklasse 3, Kinderfreibetrag 2• 184 € Kindergeld pro Kind -> kein Bestandteil des

Nettolohns, sondern ein Transfereinkommen

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Gesine Meyers Gehaltsabrechnung

Lohnsteuerklasse III/2 (verheiratet, 2 Kinder)

Bruttolohn 3004,- €

- Lohnsteuer 247,- €

- Solidaritätszuschlag 0,00 €

- Kirchensteuer 0,60 €

- Rentenversicherung 298,90 €

- Krankenversicherung 237,32 €

- Pflegeversicherung 29,29 €

- Arbeitslosenversicherung 42,06 €

Summe der Abzüge: 855,17 €

Nettolohn 2148,83 €

Auszahlungsbetrag = 2516,83 €+ Kindergeld 368,- €

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Quelle: www.destatis.de

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„Steuern im Wirtschaftsunterricht der Sek. I“

Aus der Arbeit des WPK Wirtschaft + Informatik

am Alten Gymnasium Oldenburg III

Jahrgang 9 / 10

Ludger Hillmann:Ist unsere Einkommensteuer fair?

Eine Wirtschaftsnachricht wird entschlüsselt

veröffentlicht in: UWP 2 / 2012

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„Steuern im Wirtschaftsunterricht der Sek. I“

Aus der Arbeit des WPK Wirtschaft + Informatik

am Alten Gymnasium Oldenburg III

Jahrgang 9 / 10

Ludger Hillmann:Ist unsere Einkommensteuer fair?

Eine Wirtschaftsnachricht wird entschlüsselt

veröffentlicht in: UWP 6 / 2012

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Moderne Besteuerungsprinzipien

(nach dem Gabler Wirtschaftslexikon)

1) fiskalisch-budgetäre Prinzipien zielen auf eine ausreichende

finanzielle Bedarfsdeckung und deckungspolitische Anpassungs-

fähigkeit des Steuersystems

2) ethisch-soziale Prinzipien zielen auf eine sozial gerechte Steuer-

erhebung, insbesondere durch das Leistungsfähigkeitsprinzip

(Besteuerung entsprechend Einkommen, Vermögen etc.):

3) wirtschaftspolitische Prinzipien zielen auf Vermeidung gesamt-

wirtschaftlicher Wohlfahrtsverluste durch steuerbedingte Fehl-

allokationen, aber auch auf die konjunktur- und wachstums-

politische Flexibilität des Steuersystems

4) steuertechnische Prinzipien zielen auf die Systemhaftigkeit,

Transparenz, Praktikabilität, Stetigkeit und Bequemlichkeit der

Besteuerung (vgl. A. Smith)

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Klassische Besteuerungsprinzipien nach Adam Smith

Adam Smith stellte 1776 vier Grundsätze auf, nach denen Steuern erhoben werden sollten:

Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Proportionalität): Die Bürger sollen Steuern im Verhältnis zu den Fähigkeiten und insbesondere zu den Einkommensverhältnissen zahlen. Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen

Bestimmtheit der Besteuerung: Zahlungstermin, -art und –betrag sollen jedermann klar und deutlich sein, Vermeidung von Willkür bei der Steuererhebung

Bequemlichkeit der Besteuerung hinsichtlich der Steuerzahlungstermine und Steuerzahlungsmodalitäten. Die Steuer soll zu der Zeit und in der Weise erhoben werden, die dem Bürger am bequemsten ist.

Billigkeit der Besteuerung (Wohlfeilheit der Steuererhebung): Minimierung der Steuererhebungskosten, die Kosten der Steuererhebung sollen möglichst gering sein.

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Steuerarten

1. Flat Tax

Mit Flat Tax (kurz für Flat-Rate Tax) oder Einheitssteuer = einstufiger

Einkommensteuertarif. Der Grenzsteuersatz ist konstant, wodurch Eingangs- und

Spitzensteuersatz identisch sind.

Das Konzept der flat-rate tax wurde 1920 von Dennis Milner vorgeschlagen. In unserer

Zeit haben Robert Hall und Alvin Rabushka wieder eine flat tax ins Gespräch gebracht.

Die Einheitssteuer ist in der Regel konzeptionell mit dem weitgehenden Wegfall von

Subventionen und Steuervergünstigungen verbunden, um auch bei einem niedrigen

Steuersatz ausreichende Steuereinnahmen zu erzielen.

Der mittelalterliche „Zehnt“ kann als Flat Tax angesehen werden.

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Zehntabgabe von Bauern bei einem Grundherren http://de.wikipedia.org/wiki/Zehnt, 15.04.12

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Steuerarten

2. Drei-Stufen-Modell (Kirchhof-Modell)

Kirchhof empfiehlt in seinem Modell eine pauschale Besteuerung von 25 % auf alle

Arbeitseinkommen, Unternehmensgewinne und Kapitalerträge wie Zinsen, Mieten, Dividenden. Als

steuerfreies Existenzminimum sollen 10.000 Euro pro Kopf und Jahr angesetzt werden, dazu je 8.000

Euro Kinderfreibetrag. Für kleinere Einkommen zwischen 10.000 und 15.000 Euro soll der Steuersatz

als Ausnahme von der Regel bei 15 % liegen, für die nächsten 5.000 Euro gelten 20 %.

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Vgl.: http://www.allmystery.de/i/t3f6f4b_kirchhof-modell.gif, Stand: 19.03.2014

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Beispielrechnung:

Wie hoch liegt die Einkommensteuer bei

einem zu versteuernden Einkommen (zvE)

von 40.000 €?

zvE(40.000) = 10.000 € * 0 % +

(15.000 € – 10.000 €) * 15 % +

(20.000 € – 15.000 €) * 20 % +

(40.000 € – 20.000 €) * 25 % =

6.750 €

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http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Arten_der_Steuerprogression.jpg, Stand: 17.03.2014

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Steuerarten

3. Progressive Besteuerung

Die Einkommensteuer wird nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit erhoben.

Das bedeutet: Wer mehr verdient, muss auch einen größeren Teil seines

Einkommens als Steuer abgeben, weil er als „leistungsfähiger“ gilt.

Bei der Einkommensteuer hat sich der Gesetzgeber für einen progressiven Steuertarif entschieden: Mit steigendem Einkommen nimmt der Durchschnitts-

steuersatz zu. Als Bemessungsgrundlage dient das „zu versteuernde Einkommen“. Es errechnet sich aus dem Bruttoeinkommen abzüglich von

Freibeträgen, Sonderausgaben und Werbungskosten.

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Nach § 32 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gilt für das Jahr 2012 folgender

Einkommensteuertarif für Ledige:

Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach dem zu versteuernden Einkommen. Sie beträgt

jeweils in Euro für zu versteuernde Einkommen (zvE)

1. bis 8.004 Euro (Grundfreibetrag): 0;

2. von 8.005 Euro bis 13.469 Euro: (912,17 * y + 1.400) * y;

3. von 13.470 Euro bis 52.881 Euro: (228,74 * z + 2.397) * z + 1.038;

4. von 52.882 Euro bis 250.730 Euro: 0,42 * x – 8.172;

5. von 250.731 Euro an: 0,45 * x – 15.694. [„Reichensteuer“]

"y" ist ein Zehntausendstel des 8.004 Euro übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag

abgerundeten zu versteuernden Einkommens.

"z" ist ein Zehntausendstel des 13.469 Euro übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag

abgerundeten zu versteuernden Einkommens.

"x" ist das auf einen vollen Euro-Betrag abgerundete zu versteuernde Einkommen. Der sich

ergebende Steuerbetrag ist auf den nächsten vollen Euro-Betrag abzurunden.

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Formel für die Berechnung der Einkommensteuer

≤−

≤≤−

≤≤+−

+

−⋅

≤≤−

+

−⋅

=

x 250.731für 694.1545,0

730.250 52.882für 172.842,0

881.52 13.470für 038.1000.10

469.13397.2

000.10

469.1374,228

469.138005für 000.10

8004400.1

000.10

800417,912

004.8für ,0

)(

x

xx

xxx

xxx

x

xESt

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Ab welchem Einkommen muss der erste Euro als Steuer an das Finanzamt abgeführt werden?

zvE: Einkommensteuer8.005 € 0,1400091217 € (Eingangssteuersatz: 14 %)

8.006 € 0,2800364868 €

8.007 € 0,4200820953 €

8.008 € 0,5601459472 €

8.009 € 0,7002280425 €

8.010 € 0,8403283812 €

8.011 € 0,9804469633 €

8.012 € 1,1205837890 €

Ein Euro ist auf das ganze Einkommen von 8.012 € bezogen ergibt aber nur einen

persönlichen Steuersatz von 0,0125 % (gerundet). Das ist der so genannte

Durchschnittssteuersatz, der auch als effektiver Steuersatz bezeichnet wird

1

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Folie 40

1 ; 20.03.2014

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Durch Einsetzen lässt sich die Einkommensteuer so für jedes zu versteuernde

Einkommen x genau berechnen:

≤−

≤≤−

≤≤+−

+

−⋅

≤≤−

+

−⋅

=

x 250.001für 694.1545,0

730.250 52.882für 172.842,0

881.52 13.470für 038.1000.10

469.13397.2

000.10

469.1374,228

469.138005für 000.10

8004400.1

000.10

800417,912

004.8für ,0

)(

x

xx

xxx

xxx

x

xESt

Beispiel: Steuerbelastung bei einem zu versteuerndem Einkommen von 40.000 €:

ESt (40.000) = 038.1000.10

469.13000.40397.2

000.10

469.13000.4074,228 +

−⋅

+

−⋅ ≈ 9.007,57

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Durch Einsetzen lässt sich die Einkommensteuer so für jedes zu versteuernde

Einkommen x genau berechnen:

≤−

≤≤−

≤≤+−

+

−⋅

≤≤−

+

−⋅

=

x 250.001für 694.1545,0

730.250 52.882für 172.842,0

881.52 13.470für 038.1000.10

469.13397.2

000.10

469.1374,228

469.138005für 000.10

8004400.1

000.10

800417,912

004.8für ,0

)(

x

xx

xxx

xxx

x

xESt

Beispiel: Steuerbelastung bei einem zu versteuerndem Einkommen von 40.000 €:

ESt (40.000) = 038.1000.10

469.13000.40397.2

000.10

469.13000.4074,228 +

−⋅

+

−⋅ ≈ 9.007,57

Da der fällige Steuerbetrag auf den nächsten vollen Euro-Betrag abzurunden ist, hat

eine Einkommensteuer in Höhe von 9.007 Euro zu zahlen.

Die Steuerschuld liegt 2.257 € höher als im Kirchhof-Modell

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Ermittlung der persönlichen Steuersätze(für Ledige, Steuerklasse 1)

Jahreseinkommen (in €) Fälliger Steuerbetrag (in €) Persönlicher Steuersatz (in %)

7.500

12.000

50.000

75.000

150.000

300.000

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Ermittlung der persönlichen Steuersätze(für Ledige, Steuerklasse 1)

Jahreseinkommen (in €) Fälliger Steuerbetrag (in €) Persönlicher Steuersatz (in %)

7.500 0 0,00

12.000 750 5,88

50.000 12.738 25,48

75.000 23.328 31,10

150.000 54.828 36,55

300.000 119.306 39,77

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http://www.kleeberg-online.de/images/steuerkurve-2013.png, Stand: 24.02.2014

Der Durchschnittssteuersatz gibt das Verhältnis des zu zahlenden Steuerbetrags zum

insgesamt zu versteuernden Einkommen an.

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Der Grenzsteuersatz gibt an, mit welchem Prozentsatz ein

zusätzlich verdienter Euro besteuert wird.

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Wie wirkt die „kalte Progression“?

Dazu ein Beispiel:

Ein Alleinstehender mit einem zu versteuernden Einkommen von 30.000 € zahlt eine

Einkommensteuer von 5.558 €. Das entspricht einer Durchschnittsbelastung von 18,53 %.

Netto verbleiben 24.442 €

Bei einem Einkommenszuwachs von 3 % erhöht sich das zu versteuernde Einkommen auf

30.900 €. Es wird eine Einkommensteuer in Höhe von 5.844 Euro (entspricht einer Durch-

schnittsbelastung von 18,91 %) fällig. Netto verbleiben ihm 25.056 €.

Von den 900 €, die er also mehr erhält, werden 286 € Steuern einbehalten, sodass sich der

Lohn nur um 614 € erhöht hat. Dies entspricht aber einem Einkommenszuwachs in Höhe von

2,51 %

Wenn das Preisniveau auch um 3 Prozent steigt (Inflation), gleicht der Einkommenszuwachs

die Inflation nur nominal aus. Da aber ein höheres Einkommen erzielt wurde, steigt die

Durchschnittssteuerbelastung (progressiver Tarif). Damit sinkt das real verfügbare

Einkommen.

Liegt die Inflationsrate über 2,51%, sinkt der Reallohn.

Liegt die Inflationsrate unter 2,51%, steigt der Reallohn.

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http://www.welt.de/politik/deutschland/article125274709/Kalte-Progression-schroepft-Buerger-um-56-Milliarden.html, Stand: 27.02.2014

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Wie lässt sich die „kalte Progression“ vermeiden?

Der 2012 im Bundesrat an der Frage der Gegenfinanzierung gescheiterte Gesetzentwurf der Bundesregierung sah vor:

- Anhebung des Grundfreibetrags in den Jahren 2013 und

2014 um insgesamt 350 Euro auf dann 8.354 Euro pro

Jahr

- Änderung des Tarifverlaufs der Einkommensteuer in der

Weise, dass die Steuersätze künftig erst bei einem

höheren Einkommen greifen (Ausnahme: „Reichensteuer“)

Auch die Koalitionsvereinbarung der Großen Koalition 2013 brachte keine Einigung.