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ABSTRACT ZU DER UNTERRICHTSEINHEIT PHÈDRE AN DER GELEHRTENSCHULE KIEL

von Carina Ebner, Romanistikstudentin der Universität zu Kiel

Neben Umfrageergebnissen und Statistiken sind vor allem praktische Erfahrungen in Form von z.B

Stundensimulationen wichtig zur Erstellung eines Literaturkanons. Auf diesem Weg eröffnet sich

die Möglichkeit mit den Lehrern und Schülern zu diskutieren, wodurch deutlich wird, wie Literatur

wirklich empfunden wird, wo es eventuelle Problemstellen gibt und wie man damit umgehen kann.

Im Rahmen des Hauptseminars Literaturwissenschaft „Konzepte zu einem Kanon europäischer

Literatur aus der Perspektive der Romanistik“ am Romanischen Seminar der CAU Kiel im

Sommersemester 2011 wurde das Projekt einer Unterrichtseinheit an der Gelehrtenschule Kiel zu

dem Werk Phèdre von Jean Racine konzipiert. Mein Kommilitone Broder Hansen und ich stellten

als ersten Schritt den Kontakt zur Schule her und wurden der für die Profilstufe Französisch des 13.

Jahrgangs verantwortlichen Lehrerin vermittelt. Interessanterweise reagierte diese Lehrerin

überrascht von unserm Vorhaben und ebenfalls bei Gesprächen mit weiteren

Fremdsprachenlehrern der Gelehrtenschule bekamen wir ähnliche Reaktionen. Als Erklärung

hierfür ergab sich, dass sie klassische Literatur wie Werke von Cervantes oder Molière als zu

anspruchsvoll für Schüler empfinden und es daher nicht im Unterricht behandeln würden. Mein

Kommilitone und ich waren da anderer Meinung und haben uns vorgenommen mit unserer

Stundeneinheit das Interesse der Schüler an antiker Literatur wecken.

Das Ziel unseres Projektes bestand darin, ein Werk der französischen Klassik des 17. Jahrhunderts

so aufzubereiten, dass die Schüler den Inhalt und das grobe Konzept nachvollziehen können. Wir

wollten den Schülern einen möglichst nahen Bezug zum Text geben. Da wir nur eine Doppelstunde

zur Verfügung hatten, erschien es uns sinnvoll, einen möglichst einfachen Einstieg in die Lektüre zu

ermöglichen. Eine gute Lösung erschien es uns, den Schülern Material zur Vorbereitung mit dem

kurz zusammengefassten deutschen Inhalt sowie Hintergrundinformationen des klassischen

Dramas und der Tragödie zukommen zu lassen. Dabei war uns vor allem die Kenntnisnahme über

die doctrine classique von Aristoteles wichtig, da diese den Grundstein zur Dramentheorie der

Klassik darstellt und wir in unserer Unterrichtseinheit vor allem auf das Thema „Emotionen“

eingehen wollten.

Zum Konzept: Zunächst haben wir uns entschieden, die Unterrichtseinheit komplett auf

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Französisch zu halten. Zum Stundenaufbau waren eine kurze Einführung zum Thema, drei

Erarbeitungsphasen, in denen die Schüler in Partner-/ Gruppenarbeit arbeiten sollten und eine

Abschlussdiskussion vorgesehen.

Den Einstieg bildete der kurze Lehrervortrag zum Autor Racine und seinen bedeutendsten Werken

sowie einer kurzen Einordung der tragédie. Hierzu haben wir einen Zettel mit einem Auszug aus

der doctrine classique mit den Begriffen mimesis und katharsis ausgeteilt und diese von den

Schülern in eigenen Worten erläutern lassen.

In der Erarbeitung Ι haben wir ein französisches Résumé in stichpunkthafter Form ausgeteilt,

welches wir im Anschluss von den Schülern vorlesen lassen haben und im Zuge Vokabel-und

Verständnisfragen klären konnten. Diese Arbeitsphase gestaltete sich insofern als vorteilhaft, als

dass der Inhalt Phèdres durch den Vorbereitungszettel bereits bekannt war. Dennoch tat sich in

der Tat eine Reihe unbekannter Wörter auf, was den angehenden Abiturienten nicht zu verdenken

ist, lernen sie doch erst die Fremdsprache ab der neunten Klasse.

Anhand dieser Zusammenfassung sind wir dann auch direkt zur Erarbeitung ΙΙ gelangt: dem

Dramenaufbau nach Aristoteles. Die Begrifflichkeiten sollten erst in Muttersprache eingeführt

werden und anschließend in die Zielsprache übersetzt werden. Hierbei konnten wir

fächerübergreifend arbeiten: Die fünf Phasen Exposition, erregendes Moment, Peripetie,

retardierendes Moment und Katastrophe waren den Schülern bereits aus dem Deutschunterricht

hinreichend bekannt, so dass sie sich die Übersetzungen selbstständig herleiten konnten. Mithilfe

des zuvor ausgeteilten Résumés hatten die Schüler zur Aufgabe in Partnerarbeit die einzelnen

Phasen des Dramenaufbaus dem Inhalt zuzuordnen. Bei der anschließenden Ergebnispräsentation

gab es verschiedene Ansichten zur Zuordnung, wodurch eine angeregte Diskussion entstand, bei

der wir mit Zufriedenheit feststellten, dass der Inhalt des Werkes sowie die erste Dramentheorie

den Schülern sehr verständlich geworden zu sein schien.

Die erste Begegnung mit Racines Originalliteratur fand in Erarbeitung ΙΙΙ statt. Die Schüler erhielten

einen Textausschnitt, auf dem weder Akt noch Szene vermerkt waren und ordneten ihn nach

dessen Lektüre sehr schnell richtig zu. Hierbei war es von Vorteil, dass die Schüler dank des

französischen Résumés schon eine Vorstellung vom Verlauf der Szene hatten und sich daher die

Vokabeln leichter erschlossen. Der genaue Inhalt der Szene war aufgrund der altertümlichen

Sprache dennoch schwierig für die Schüler zu verstehen. Mit gezielten Fragen gelangen wir

schlussendlich jedoch zum allgemeinen Verständnis. Im Anschluss wollten wir nochmal Bezug auf

den Anfang der Stunde nehmen und uns den Gefühlen, die in der Tragödie relevant sind, widmen.

Hierfür teilten wir die Schüler in Gruppen ein und formulierten die Fragen, inwieweit Gefühle

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deutlich würden und ob sich der Leser in die Rolle der Figuren hineinversetzen könne. Zu unserer

Überraschung stellten wir erneut die schnelle Aufnahmefähigkeit der Schüler fest und hörten uns

bei der Ergebnisvorstellung mit Bewunderung die einzelnen Interpretationsansätze an. Alle

Gruppen gemeinsam haben unsern Erwartungshorizont an die Aufgabe voll und ganz erfüllt.

„Inwieweit empfindet ihr das Werk Phèdre als zeitlos?“ lautete unsere Frage für die

Abschlussdiskussion. Hierbei entstand eine angeregte Unterhaltung, in der die Schüler kollektiv

äußerten, dass obwohl das Werk in einer anderen Zeit spiele, es eine unterschiedliche Kultur sowie

politische Hintergründe gäbe , die Gefühle und Probleme der Gesellschaft stetig bleiben und man

sich daher sehr gut in die Figuren hineinversetzen könne.

Zusammengefasst war die Unterrichtseinheit in unserem Ermessen ein voller Erfolg. Diese

Beurteilung teilte auch später die Lehrerin nach Gesprächen mit dem Kurs. Die Schüler haben aktiv

und motiviert mitgearbeitet. Sie schienen interessiert zu sein an Literatur und heißen auch

klassische Werke mit Vorbildern aus der Antike im Unterricht willkommen, sofern eine interessante

Unterrichtsgestaltung, wie z.B. Rollenspielen und Theaterbezug mit einbegriffen sei.

Im Hinblick auf den Einwand, klassische Literatur sei zu anspruchsvoll, hat unsere Erfahrung

gezeigt, dass mit guter Vorbereitung, Hilfestellungen und interessanter Unterrichtsgestaltung

Schüler durchaus für klassische Literatur zu begeistern sind. Ich persönlich empfinde, dass

klassische Literatur zur Kultur des Landes dazugehören und daher im Fremdsprachenunterricht

unumgänglich sind. Sowie Goethe fester Bestandteil des Deutschunterrichts ist, sollte

beispielsweise Molière dies auch für den Französischunterricht sein. Darüber hinaus wird durch

anspruchsvolle Literatur das Gefühl für die Sprache gefördert und gleichzeitig auf das

Universitätsniveau vorbereitet, was der Unterricht der Oberstufe als oberstes Ziel anstreben sollte.