BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte...

24
BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant * Überblick zu den Transformationsprozessen in Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, China, Indien, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Nepal, Nordkorea, Pakistan, Papua-Neugui- nea, den Philippinen, Singapur, Sri Lanka, Südkorea, Taiwan, Thailand und Vietnam Dieser Regionalbericht analysiert die Ergebnisse des Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung (BTI) 2018 im Untersuchungszeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Januar 2017. Weitere Informationen fin- den Sie unter www.bti-project.de. Zitiervorschlag: Aurel Croissant, Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — BTI-Regionalbe- richt Asien und Ozeanien, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung 2018. Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz. * Prof. Dr. Aurel Croissant ist Professor für Politische Wissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Hei- delberg und BTI-Regionalkoordinator für Asien und Ozeanien.

Transcript of BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte...

Page 1: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und

gestärkte Autokratien?

Regionalbericht Asien und Ozeanien

Von Aurel Croissant*

Überblick zu den Transformationsprozessen in Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, China, Indien,

Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Nepal, Nordkorea, Pakistan, Papua-Neugui-

nea, den Philippinen, Singapur, Sri Lanka, Südkorea, Taiwan, Thailand und Vietnam

Dieser Regionalbericht analysiert die Ergebnisse des Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung (BTI)

2018 im Untersuchungszeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Januar 2017. Weitere Informationen fin-

den Sie unter www.bti-project.de.

Zitiervorschlag: Aurel Croissant, Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — BTI-Regionalbe-

richt Asien und Ozeanien, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung 2018.

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

* Prof. Dr. Aurel Croissant ist Professor für Politische Wissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Hei-

delberg und BTI-Regionalkoordinator für Asien und Ozeanien.

Page 2: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 2

Einleitung

Asien und Ozeanien ist die größte und heterogenste Untersuchungsregion im BTI. In keiner anderen

Region variieren historisch und aktuell die demokratischen Qualitäten der politischen Systeme, der

Entwicklungsstand der Volkswirtschaften, die Lebensbedingungen der Bürger sowie die Manage-

ment-Performanz der relevanten Transformationsakteure so stark wie hier. Unter den 21 Staaten fin-

den sich hochentwickelte Volkswirtschaften mit einem hohen BIP pro Kopf, wie Singapur, Südkorea

und Taiwan, aber auch Länder wie Afghanistan, Bangladesch und Nepal, wo dieses immer noch bei

unter 4.000 US-Dollar im Jahr liegt. Während Taiwan und Südkorea allgemein als zwei der weltweit

erfolgreichsten Fälle demokratischer Transformation in der sogenannten Dritten Demokratisierungs-

welle gelten, beherbergt die Region mit Nordkorea auch eines der repressivsten Regime weltweit.

Die Anzahl der Demokratien und Autokratien in Asien und Ozeanien und der regionale Durch-

schnittswert des Demokratiestatus im Transformationsindex 2018 sind gegenüber dem BTI 2016

unverändert geblieben. Das bedeutet, dass es im Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis 31. Januar 2017

nicht gelungen ist, den in den Jahren zuvor verzeichneten Trend der Erosion der im BTI 2014 bereits

erreichten Demokratieniveaus umzukehren. Trotz einzelner Gegenbeispiele, wie Bhutan und Sri

Lanka, wird diese schleichende Entwicklung in Asien, ähnlich wie in anderen Regionen, vor allem

von gewählten Regierungen selbst vorangetrieben. Militärputsche, die der Demokratie (vorüberge-

hend) ein Ende setzten, gab es im Untersuchungszeitraum nicht.

Im Unterschied zur kritischen Lage einiger Demokratien ist die große Mehrzahl der Autokratien

persistent und verfügt über eine beachtliche Stabilität. Das gilt nicht nur für jene Nicht-Demokratien,

die auf eine gute bis sehr gute sozioökonomische Performanz verweisen können (z.B. China, Malay-

sia, Singapur und Vietnam), sondern auch für sozioökonomisch schwache Autokratien wie Kambod-

scha und Nordkorea, die deutlich schlechtere Regierungsleistungen abliefern, deren Führungen aber

bereit sind, das eigene politische Überleben ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Belange zu

sichern.

Im Bereich der wirtschaftlichen Transformation war im BTI 2018 für die Gesamtregion ein im his-

torischen Vergleich mäßiges, im weltweiten Maßstab aber beachtliches Wirtschaftswachstum zu

konstatieren. Insbesondere kleinere und weniger entwickelte Ökonomien in Süd- und Südostasien

konnten die Stabilisierungs- und Wachstumsdynamik der vorangegangenen Berichtsperiode fortfüh-

ren. Die exportorientierte Wachstumsstrategie der asiatischen Volkswirtschaften bleibt aber auf-

grund der fortgesetzten Schwäche der ausländischen Nachfrage und des globalen Handels latent kri-

senanfällig. China ist dabei sowohl Transmitter als auch Quelle der anhaltenden ökonomischen Ab-

schwächung. Während Chinas Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung von 2006 bis 2016 von

knapp 6% auf 14% gestiegen ist, hat das gewachsene welt- und regionalwirtschaftliche Gewicht des

Landes die Abhängigkeit vieler Ökonomien in der Region von der binnenwirtschaftlichen Entwick-

lung Chinas erhöht. Dabei profitieren einige Ökonomien wie Bangladesch, Kambodscha oder Laos

von der Verlagerung von Industriebereichen aufgrund der gestiegenen Produktionskosten in China.

Hingegen zeigt sich für andere Volkswirtschaften wie Südkorea und Taiwan, dass die zunehmende

Verflechtung ihrer Ökonomien mit dem chinesischen Festland zwar wirtschaftliche Vorteile bietet,

Page 3: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 3

aber mit politischen Vulnerabilitäten einhergeht. Weiterhin ist die Entwicklung in den meisten Öko-

nomien wenig inklusiv und nicht auf ökologische Nachhaltigkeit ausgelegt, was sich in wachsender

wirtschaftlicher Ungleichheit, ungleicher Verteilung von Lebenschancen, der Verdrängung großer

Bevölkerungsschichten, insbesondere in Südasien und Teilen Südostasiens, in den informellen Sek-

tor und Beschäftigungsverhältnisse mit geringen Einkommenschancen, sowie strukturell verfestigter

Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen (Frauen, ethnische Minderheiten), widerspiegelt.

Im Governance-Bereich gibt es mit Bhutan, Sri Lanka und Taiwan Beispiele für erfolgreiches Trans-

formationsmanagement. Genauso finden sich jedoch auch Fälle mit anhaltend schwacher Manage-

ment-Performanz, wie Afghanistan, Bangladesch oder Nordkorea. Die latenten Schwächen im

Transformationsmanagement vieler Staaten, vor allem in den Bereichen Ressourceneffizienz und

Konsensbildung, markieren auch im Untersuchungszeitraum des Transformationsindex 2018 ein

großes Manko. Immer deutlicher wird zudem, dass in Staaten wie Afghanistan, Myanmar, Nepal und

Pakistan trotz demokratischer Reformen seit Beginn des Jahrzehnts die Überwindung von Reform-

blockaden, wenn überhaupt, nur sehr langsam vorankommt.

Schließlich zeichnet sich im Beobachtungszeitraum des BTI 2018 eine Verschlechterung der inter-

nationalen und vor allem regionalen Kooperation ab, die im Zusammenhang steht mit der Auseinan-

dersetzung um das nordkoreanische Atomwaffen- und Raketenprogramm, der von vielen Nachbar-

staaten als bedrohlich wahrgenommenen Militärpolitik Chinas im Südchinesischen Meer und zwi-

schenstaatlichen Konflikten in Südasien.

Unvermindert gilt für Asien und Ozeanien, dass ein anderes Muster der Transformation vorherrscht

als in anderen Weltregionen. Die partielle ökonomische Modernisierung verläuft oftmals ohne de-

mokratische Transformation, oder auf Kosten derselben. In vielen Ländern teilen die politischen Ge-

stalter und Bevölkerungsmehrheiten nicht das im Transformationsindex normativ begründete Leit-

bild der Gleichrangigkeit von demokratischen, marktwirtschaftlichen und sozialen Transformations-

zielen. Vielmehr ist die Vision einer konsekutiven Transformation, welche aktuell und mittelfristig

die soziale und ökonomische Transformation favorisiert und die repräsentative Demokratie nach

westlichem Vorbild gegenwärtig – mitunter auch explizit – als Transformationsziel ablehnt, durchaus

legitimationsfähig in der Region.

Wie in den Jahren zuvor bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen und innerhalb der einzelnen

Teilregionen in Asien und Ozeanien. So sind Nord- und Südostasien weiter fortgeschritten bei der

Transformation zur sozialpolitisch flankierten Marktwirtschaft als Südasien. Allerdings bestehen in-

nerhalb der Teilregionen gleichfalls große Unterschiede. In Nordostasien zeigt dies anschaulich die

Gegenüberstellung von Nord- und Südkorea. In Südostasien ist zu differenzieren zwischen Singapur,

Malaysia, Indonesien, den Philippinen und Thailand auf der einen Seite, sowie Vietnam, Kambod-

scha, Laos und Myanmar auf der anderen. In Südasien bestehen bei der politischen Transformation

und im Transformationsmanagement beträchtliche Unterschiede zwischen Bhutan, Indien und Sri

Lanka einerseits, sowie Afghanistan, Bangladesch, Nepal und Pakistan andererseits. In diesen beiden

Dimensionen des BTI schneidet Südostasien, gemessen an den Durchschnittswerten, am schlechtes-

ten ab.

Page 4: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 4

Politische Transformation

Der BTI 2018 zählt für Asien und Ozeanien neun Demokratien und zwölf Autokratien. Zwischen

2015 und 2017 gab es je eine autokratische Reversion (Bangladesch) und einen Fall der Re-Demo-

kratisierung (Sri Lanka), so dass der Anteil der Demokratien an allen Staaten der Region (43%)

gleich blieb. Ferner entspricht der regionale Durchschnittswert des Demokratieindex (5.08) exakt

dem Ergebnis des BTI 2016. Damit liegt die Region Asien und Ozeanien erstmals im Mittelfeld des

BTI: deutlich hinter Ostmittel- und Südosteuropa, Lateinamerika und der Karibik sowie West- und

Zentralafrika, aber vor dem postsowjetischen Eurasien sowie dem Nahen Osten und Nordafrika und

gleichauf mit dem östlichen und südlichen Afrika, da hier die demokratische Transformation seit

dem BTI 2016 am stärksten gelitten hat.

Im Vergleich zum BTI 2016 ist der Demokratie-Wert in Sri Lanka, Papua-Neuguinea und Myanmar

gestiegen. In Bangladesch, den Philippinen, Indonesien und Nepal war hingegen eine Verschlechte-

rung zu erkennen. Weiterhin sind Taiwan und Südkorea die einzigen Demokratien in der Region

ohne gravierende Einschränkungen, während alle anderen Demokratien defekt oder stark defekt sind.

Hinzu kommt, dass viele der jungen Demokratien strukturell schwach sowie verletzlich sind. Solche

schwachen Demokratien sind gekennzeichnet durch einflussreiche semi- oder anti-demokratische

Vetoakteure, eine geringe Stabilität der demokratischen Institutionen sowie manifeste Elitenkon-

flikte. Die Legitimität der Demokratie ist umstritten, und sie ist anfällig für den Machtmissbrauch

der gewählten Regierungen.

Tab. 1: Entwicklungsstand der politischen Transformation

Bei den Autokratien lässt sich zwischen drei gemäßigten und neun harten Autokratien unterscheiden.

Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass diese Unterscheidung sich am Gesamtwert der politi-

schen Transformation orientiert, hier also auch unterschiedliche Grade der Staatlichkeit einfließen.

Auf der Grundlage einer in der politikwissenschaftlichen Regimeforschung geläufigeren Einteilung

lässt sich zwischen Militärregimen (Thailand) und Einparteiensystemen (China, Laos, Nordkorea,

Page 5: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 5

Vietnam) einerseits sowie elektoralen Autokratien andererseits unterscheiden. In elektoralen Auto-

kratien wie Afghanistan, Bangladesch, Kambodscha, Malaysia, Myanmar, Pakistan und Singapur

existieren formaldemokratische repräsentative Institutionen, Mehrparteienwahlen unter Beteiligung

genuiner Oppositionsparteien und zivile (gewählte) Regierungen. Zugleich sind jedoch Freiheit, In-

tegrität und Fairness der Wahlen, die bürgerlichen Freiheitsrechte sowie die politischen Partizipati-

onsmöglichkeiten der Bürger und unter Umständen auch die effektive Regierungsgewalt der gewähl-

ten Institutionen und Autoritäten soweit eingeschränkt, dass nicht von einem demokratischen System

gesprochen werden kann.

Die Daten des BTI 2018 belegen erneut große Unterschiede zwischen den verschiedenen Teilberei-

chen der politischen Transformation. Generell sind Staatlichkeit und politische Partizipation – wie

in den Jahren zuvor – deutlich stärker als die Rechtsstaatlichkeit, die Stabilität demokratischer Insti-

tutionen und die politisch-gesellschaftliche Integrationsfähigkeit der politischen Systeme. Die Streu-

ung der Werte ist in allen fünf Kriterien sehr groß. Mit Ausnahme von Staatlichkeit, sowie der poli-

tisch-gesellschaftlichen Integrationsfähigkeit der politischen Systeme, wird nahezu die gesamte Be-

wertungsskala abgedeckt.

Abb. 1: Verteilung der Werte in fünf Kriterien politischer Transformation

In den dargestellten Boxplots befinden sich die mittleren 50% der Länder innerhalb der Box. Der Strich innerhalb der Box markiert den Medianwert, also bei 21 untersuchten Ländern in Asien und Ozeanien den Wert des Landes an elfter Stelle.

Anfang und Ende der Linie entsprechen dem kleinsten und dem größten Wert innerhalb der Ländergruppe.

Während der aktuelle Untersuchungszeitraum einen Eindruck von Kontinuität und Stabilität im Be-

reich der politischen Transformation erweckt, wird die eigentliche Entwicklungsdynamik erst durch

den Vergleich des BTI 2018 mit den Ausgangswerten des BTI 2006 deutlich. So zeigt Tabelle 2,

dass insbesondere Thailand, Bangladesch und die Philippinen bis Januar 2017 große bis sehr große

Page 6: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 6

Einbußen im Demokratieniveau erlebten. Im Bereich der Staatlichkeit haben sich fünf Staaten zwi-

schen 2005 und 2017 um mindestens 0.3 Punkte verbessert, darunter mit Sri Lanka aber lediglich

eine Demokratie. Verschlechterungen sind in neun Ländern zu verzeichnen und stehen jeweils im

Zusammenhang mit der Intensivierung ethno-religiöser Konflikte und des islamistischen Extremis-

mus, sowie anhaltenden Problemen im Bereich der administrativen (und fiskalischen) Staatskapazi-

tät.

Tab. 2: Vergleich der Kriterien der politischen Transformation BTI 2006-2018

Staatlichkeit Politische

Partizipation Rechts-

staatlichkeit

Stabilität demokratischer

Institutionen

Politische und gesellschaftliche

Integration

2006 2018 2006 2018 2006 2018 2006 2018 2006 2018

Im BTI 2006 als Demokratien klassifiziert

Bangladesch 7,3 6,8 7,0 4,3 6,3 3,8 7,0 3,0 5,3 5,3

Indien 8,3 7,3 8,8 8,0 7,5 7,0 8,5 8,5 6,8 7,3

Indonesien 6,5 6,5 7,5 7,0 5,5 6,3 6,5 6,0 5,5 6,8

Papua-Neugui-nea

6,5 6,5 8,0 7,8 6,3 5,8 4,5 6,5 4,8 5,0

Philippinen 6,8 6,5 8,0 6,8 6,5 5,5 7,5 7,0 6,0 5,8

Sri Lanka 5,3 7,3 6,8 7,3 6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 6,3

Südkorea 10,0 10,0 9,3 8,3 8,5 8,3 8,5 8,5 8,3 7,3

Taiwan 10,0 10,0 10,0 9,8 9,8 10,0 8,5 9,5 8,5 8,5

Thailand 7,3 6,8 7,3 1,5 6,5 3,0 7,0 1,0 6,3 4,0

Im BTI 2006 als Autokratie klassifiziert

Afghanistan 3,0 3,8 4,3 3,5 2,3 2,5 3,0 3,0 2,3 2,3

China 8,5 8,8 1,5 1,8 2,3 2,3 1,0 1,0 2,0 2,7

Kambodscha 7,5 7,8 4,5 2,8 3,0 2,0 2,0 2,0 3,0 3,3

Laos 8,3 8,3 1,0 1,0 2,3 2,0 1,0 1,0 1,7 2,3

Malaysia 8,5 8,0 4,3 3,8 5,3 4,0 2,0 2,5 5,3 5,7

Myanmar 4,3 4,0 1,0 5,0 1,0 3,0 1,0 2,5 1,0 3,0

Nepal 5,3 5,0 3,5 6,3 3,8 4,3 2,0 5,0 4,0 4,0

Nordkorea 9,3 9,0 1,0 1,0 1,3 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0

Pakistan 4,8 4,3 4,0 4,0 4,0 3,3 1,5 3,0 3,7 4,0

Singapur 10,0 10,0 3,8 3,5 6,0 5,8 2,0 2,5 5,0 5,3

Vietnam 8,3 8,8 1,5 1,8 2,3 2,8 1,5 1,5 2,0 2,0

Bhutan* 6,5 7,3 2,8 7,0 5,0 7,3 1,5 7,0 3,0 4,3

* Bhutan wird erst seit 2008 vom BTI untersucht. Die angegebenen Vergleichswerte beziehen sich auf den BTI 2008. Kursiv

gesetzt sind jene Transformationsstaaten, die auch aktuell als Demokratie eingeordnet werden.

Page 7: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 7

Ein besonders ernüchterndes Beispiel ist diesbezüglich Afghanistan. Dem Land fehlt es weiterhin an

einer grundlegenden Infrastruktur, während endemische Korruption und allgegenwärtige Sicher-

heitsprobleme ausländische Investoren und einheimische Unternehmer abschrecken. Die Taliban

kontrollieren inzwischen etwa 40 Prozent aller Distrikte im Land. Während alleine 2016 mehr als

600 afghanische Zivilisten von NATO-Truppen oder Regierungseinheiten getötet wurden, erhöhte

sich die Verluste unter den afghanischen Sicherheitskräften nach Angaben der amerikanischen

SIGAR-Institution um 35%, auf 6.800 Soldaten und Polizisten in 2016.

Im Bereich der politischen Partizipation haben insbesondere Myanmar und Nepal seit 2006 eine

deutliche Verbesserung erlebt. In Myanmar ist dies eine Folge der von den Militärs ab 2010 einge-

leiteten Liberalisierung, die im November 2015 in freien Wahlen mündete, welche von der oppositi-

onellen Nationalen Liga für Demokratie (NLD) unter der Führung der Friedensnobelpreisträgerin

Aung San Suu Kyi gewonnen wurden. Für Nepal bleibt abzuwarten, wie nachhaltig die im BTI 2018

gegenüber dem BTI 2006 ausgewiesenen Verbesserungen sein werden. Denn zum einen gehört Ne-

pal zu einer kleinen Gruppe von Staaten im BTI, die seit 2006 mehrfach zwischen Demokratie und

Autokratie gewechselt haben; zum anderen ist ein Teil der Fortschritte bei der effektiven Regierungs-

gewalt der demokratisch legitimierten Autoritäten sowie bei der Vereinigungs- und Versammlungs-

freiheit in jüngerer Vergangenheit wieder kassiert worden. Die geringfügigen Verbesserungen für

China und Vietnam bewegen sich auf einem sehr niedrigen Ausgangsniveau und reflektieren eher

kurzfristig erweiterte Freiräume auf nationaler bzw. lokaler Ebene, die jederzeit von den politischen

Autoritäten wieder eingeschränkt werden können. Negativ zu Buche schlagen hingegen Veränderun-

gen in Thailand und Bangladesch, aber auch auf den Philippinen, in Südkorea, Kambodscha, Indien

und Malaysia.

Besonders deutlich ist die Verschlechterung vieler Staaten im Bereich der Stabilität demokratischer

Institutionen. Das gilt insbesondere für Bangladesch und Thailand. Demgegenüber fallen Verbesse-

rungen wie in Nepal, Papua-Neuguinea, Pakistan und Myanmar deutlich geringer aus. Zudem han-

delt es sich durchweg um Fortschritte auf niedrigem Niveau, d.h. hier existieren zwar demokratische

Institutionen, diese sind aber instabil und nicht effektiv.

Markant ist auch der Rückgang der materiellen Rechtsstaatlichkeit in der Region. Hier weisen die

Daten des BTI zum 31. Januar 2017 für zwölf Staaten ein geringeres Niveau aus als noch im Januar

2005. Lediglich Afghanistan, Indonesien, Myanmar, Nepal, Taiwan und Vietnam haben die Funkti-

onsfähigkeit ihrer Rechtsstaaten verbessert, wobei zu beachten ist, dass lediglich Indonesien deutli-

che Fortschritte auf hohem Ausgangsniveau gemacht hat.

Ein positiver Trend für die Region ist hingegen im Bereich der politischen und gesellschaftlichen

Integration zu verzeichnen. Hier weist der BTI 2018 für zwölf Länder einen höheren Transformati-

onsstand gegenüber dem Ausgangswert des BTI 2006 aus, lediglich drei Länder zeigen eine Ver-

schlechterung. Hierin zeigt sich häufig eine Neubewertung des Niveaus an Sozialkapital, d.h. die

Stärke des interpersonellen Vertrauens und der sozialen Netzwerke in diesen Gesellschaften. Sozial-

kapital erleichtert soziale Kooperation und ist für die Stärke und Stabilität politischer wie wirtschaft-

licher Institutionen fundamental, steht aber, wie die empirisch vergleichende Sozialkapitalforschung

Page 8: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 8

nachdrücklich zeigt, nicht notwendigerweise in einer positiven Beziehung mit dem Demokratiegrad

eines politischen Systems (Roßteutscher 2010).

Insgesamt sind die geringe materielle Rechtsstaatlichkeit und die Schwäche der demokratischen In-

stitutionen, welche häufig instabil sowie in ihrer Effektivität stark eingeschränkt sind und den poli-

tischen Akteuren nur ein geringes Maß an Erwartungssicherheit bieten, die größten Schwachpunkte

der politischen Transformation in Asien. Das Gros der Demokratien in Asien und Ozeanien ist illi-

beral und institutionell schwach. Diese Transformationsdefizite haben in den vergangenen zwölf

Jahren eher noch zugenommen. Ein genauerer Blick auf die Demokratieentwicklung in der Region

im Bewertungszeitraum des BTI 2018 legt drei analytisch distinkte, in der politischen Realität aber

auch miteinander verbundene Facetten der Demokratieschwächung offen.

Erstens ist das Absinken des bereits erreichten Anspruchsniveaus der demokratischen Transforma-

tion (democratic backsliding; Lust und Waldner 2015) zu nennen. Dieses betrifft Bangladesch, Ne-

pal, Papua-Neuguinea und die Philippinen, in schwächerem Maße auch Indonesien. Hier betreiben

demokratisch legitimierte Regierungen Machtarrondierung, verfolgen eigene politische oder auch

wirtschaftliche Interessen oder reagieren auf den Druck gesellschaftlicher Interessengruppen in einer

Art und Weise, die eindeutig auf Kosten der Qualität der Demokratie geht.

Zweitens ist auch in Demokratien, die nicht unmittelbar von der autokratischen Reversion bedroht

werden, ein Trend zur „Dekonsolidierung“ (Foa und Mounk 2016) erkennbar, da die Demokratie

von einer wachsenden Zahl der Bürger nicht mehr als die für ihre Gesellschaft beste aller möglichen

Herrschaftsformen anerkannt wird. In Indien, Südkorea und Taiwan hat die Zufriedenheit der Bürger

mit dem Funktionieren der Demokratie, ihr Vertrauen in die demokratischen Institutionen und ihre

Wertschätzung für die Demokratie als für die eigene Gesellschaft am besten geeignete Herrschafts-

form laut aktuellen Umfragen in den letzten Jahren nachgelassen (Shin 2017a). Generell scheint die

Verankerung der Demokratie auf der Ebene der politischen Einstellungen und Werte der Bürger in

den meisten Demokratien Asiens schwach zu sein. Die Bürger in vielen Demokratien und Autokra-

tien teilen mehrheitlich illiberale oder gar autoritäre Vorstellungen von Demokratie (Shin 2017b).

Drittens ist die Blockade weitergehender demokratischer Reformen in einer Reihe von konfliktbe-

lasteten Ländern zu nennen, die in der Grauzone von Demokratie und Autokratie liegen. Das betrifft

in erster Linie Afghanistan, Nepal, Myanmar und Pakistan. Diese Länder haben in den letzten fünf

Jahren durchaus substantielle politische Reformen erlebt. In den zuletzt genannten zwei Fällen ist

dabei an die Stelle einer Militärregierung eine gewählte zivile Regierung getreten, während in Af-

ghanistan und Nepal versuchte wurde, die Mechanismen der Machtteilung zwischen konkurrieren-

den Elitengruppen und Parteien zu stärken. Obgleich die gewählten Regierungen über einigen poli-

tischen Gestaltungsspielraum verfügen, wird ihre Autorität aber weiterhin durch weitreichende poli-

tische Vorrechte der Streitkräfte und anderer Vetoakteure (Großgrundbesitzer, Warlords, lokale eth-

nische Unternehmer), der chronischen Staatsschwäche in mehr oder weniger großen Gebieten des

Landes sowie einem starken politischen Extremismus eingeschränkt.

Der Eindruck einer stagnierenden, wenn nicht gar negativen Dynamik der demokratischen Transfor-

mation verstärkt sich noch in der Betrachtung der Entwicklung der Autokratien. Im Unterschied zu

Page 9: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 9

Myanmar und Pakistan, wo der Transformationstrend in den letzten Jahren in eine eher positive

Richtung weist, zeigen sich in Kambodscha und Malaysia Verhärtungstendenzen, z.B. der Anstieg

von Repression gegenüber Oppositionellen, Journalisten und Zivilgesellschaftsaktivsten in Kambod-

scha sowie das Ende der jahrzehntelangen Tradition multiethnischer Kompromisse in Malaysia. In

Singapur haben die Parlamentswahlen vom September 2015 die Stellung der seit 1963 alleine regie-

renden People’s Action Party (PAP) gestärkt. In den Einparteienstaaten der Region waren auch im

BTI 2018 keine substanziellen politischen Liberalisierungsschritte zu erkennen. Natürlich bestehen

zwischen Nordkorea, Laos, China und Vietnam zahlreiche politische Unterschiede. Was diese Sys-

teme aber eint, ist eine bislang ungebrochene Fähigkeit, den Herrschaftsanspruch der regierenden

„kommunistischen“ Partei gegen jedwede Form der Kritik oder Herausforderung zu verteidigen.

Dies gelingt durch eine Mischung aus Instrumenten der weichen oder harten Repression, der auf

ideologischen oder ökonomischen Performanz-Kriterien basierenden Legitimation und der Koopta-

tion herrschaftsrelevanter Eliten. Allerdings ist Nordkorea hier sicherlich noch einmal besonders: So

charakterisiert der BTI-Länderbericht das politische System des Landes als „eine personalistische

Diktatur, gelenkt durch Parteiorganisationen, interne Sicherheitsdienste und die brutale Macht des

Militärs“, deren Zusammenhalt aus „der Abhängigkeit der Elite und Machtträger des Regimes von

der Delegation von Einfluss und der Zuteilung von Privilegien durch den obersten Führer resultiert.

… Soweit es die Wohlfahrt der Bevölkerung betrifft, ist die Erfahrung mit dem Regime die eines

chronischen Politikversagens und der permanenten Krise“ (eigene Übersetzung). Ein solch harsches

Urteil wäre für China, Laos und Vietnam unangebracht.

Schließlich findet sich mit Thailand in der Region auch eine von gegenwärtig lediglich drei aktiven

Militärdiktaturen. Während das Königreich seit 2006 zwischen krisengeschüttelter defekter Demo-

kratie und militärisch dominierter Herrschaft oszillierte, verfolgen die reaktionären Eliten in Militär,

Monarchie und Verwaltung inzwischen einen Kurs, der auf die Institutionalisierung einer von Militär

und Monarchie kontrollierten politischen Ordnung abzielt, die nur jene politischen und gesellschaft-

lichen Kräfte als legitim anerkennt, welche die politische Vorherrschaft des militärisch-royalistisch

dominierten Machtkomplexes nicht herausfordern.

Allerdings gibt es auch aktuelle Beispiele dafür, dass backsliding kein irreversibler Prozess ist. Hier

ist etwa die für viele Beobachter überraschende Abwahl des autokratisch regierenden Präsidenten

Mahinda Rajapaksa (2005-2015) in Sri Lanka zu nennen. Unter der neuen Regierung von Präsident

Maithripala Sirisena (seit 15. Januar 2015) wurden viele demokratische Reformen verabschiedet und

implementiert. So hat die Regierung von Präsident Sirisena die autokratischen Machtpraktiken seines

Amtsvorgängers zurückgenommen und verfassungsrechtliche Neuerungen verabschiedet, die es zu-

künftigen Regierungen erschweren sollen, einen ähnlichen Kurs wie Rajapaksa zu verfolgen. Und

obgleich die Amtszeit der letzten beiden konservativen Präsidenten in Südkorea, Lee Myung-bak

(2008-2013) und Park Geun-hye (2013-2017), von Erosionstendenzen der Demokratie in drei der

fünf Kriterien des BTI begleitet war, hat die politische Kontroverse um die Korruptionsvorwürfe an

die Präsidentin als ein neues „Mobilisierungsnarrativ“ gewirkt. So hat eine Koalition verschiedener

politischer und gesellschaftlicher Kräfte den Kandidaten der liberalen Opposition, Moon Jae-in, zum

Wahlsieg und in das Präsidentenamt getragen.

Page 10: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 10

Wirtschaftliche Transformation

In keiner Region ist der Stand der wirtschaftlichen Transformation heterogener als in Asien und

Ozeanien. Auf Basis der BTI-Kriterien lassen sich fünf Systemgruppen erkennen. Eine entwickelte

Marktwirtschaft mit funktionierender Ordnungspolitik existiert in Singapur, Südkorea und Taiwan.

Diese drei Staaten belegen auch im Gesamtranking des BTI Spitzenplätze. Hier hat die wirtschaftli-

che Transformation ein Niveau erreicht, das mit dem der Kerngruppe der etablierten OECD-Staaten

vergleichbar ist und es in einigen Bereichen übersteigt. Eine funktionsfähige Marktwirtschaft mit

schwächer verankerter Wettbewerbs- und Marktordnung findet sich trotz leichter Verschlechterun-

gen gegenüber dem BTI 2016 bei der Antiinflations- und Wechselkurspolitik, der Chancengleichheit

und der Umweltpolitik in Malaysia. Am größten ist die Gruppe der Marktwirtschaften mit Funkti-

onsdefiziten (neun Länder), wobei die Volksrepublik China mit einem Statuswert von 6,75 mittler-

weile nahe an die Schwelle zur funktionsfähigen Marktwirtschaft herangerückt ist. Es folgen sechs

Länder mit schlecht funktionierenden Marktwirtschaften, zu denen erstmals auch Myanmar aufge-

schlossen hat. In diesen Ländern sind Armut und soziale Exklusion weit verbreitet, soziale Siche-

rungssysteme und zukunftssichernde Bildungseinrichtungen existieren allenfalls auf niedrigem Ni-

veau. Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist unzureichend, Infektionskrankheiten und ver-

steckte Epidemien wie HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose sowie immer wieder auch Naturkatastro-

phen bedrohen Leib und Leben vieler Menschen. Die Volkswirtschaften in Papua-Neuguinea, Laos

und Myanmar sind zudem stark abhängig von den Exporten von Bodenschätzen, was sie anfällig

macht für negative weltwirtschaftliche Entwicklungen. Schlusslichter sind, wie bereits in den Vor-

jahren, Afghanistan und Nordkorea.

Tab. 3: Entwicklungsstand der wirtschaftlichen Transformation

Es sind kaum wesentliche Veränderungen gegenüber dem BTI 2016 zu beobachten, wenn die Region

als Ganzes betrachtet wird. Die durchschnittliche Veränderung beträgt lediglich +0,03 Bewertungs-

punkte. Für Einzelfälle lassen mitunter bedeutende Entwicklungen feststellen, welche allerdings

meist schwach ausgeprägt sind. Es gibt lediglich drei Länder, in denen das marktwirtschaftliche

Transformationsniveau um mindestens 0,30 Bewertungspunkte nach oben (Bhutan, Myanmar) oder

Page 11: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 11

unten (Vietnam) von dem Wert im BTI 2016 abweicht. Der Grund für die starke Verbesserung in

Myanmar liegt in der ökonomischen Öffnung des Landes, dem Ende der ausländischen Wirtschafts-

sanktionen und den seit 2010 eingeleiteten demokratischen Reformen, die unter anderem einen In-

vestitions- und Tourismusboom sowie einen massiven Anstieg der Entwicklungshilfe zur Folge hat-

ten. Zudem profitierte die myanmarische Wirtschaft in den letzten Jahren auch von rechtlichen und

ordnungspolitischen Reformen sowie der (vorübergehenden) Beruhigung der gewaltsamen inner-

staatlichen Auseinandersetzungen. Der Aufschwung bedeutet freilich nicht, dass in der wirtschaftli-

chen Transformation ein absolut hohes Niveau erreicht wurde. Im Falle von Bhutan gab es Verbes-

serungen bei der Markt- und Wettbewerbsordnung sowie der Stärkung des Privatsektors und des

Schutzes von Eigentumsrechten. Für die leichte Abschwächung in Vietnam zeichnet hingegen das

Zusammenwirken von schwächerer Fiskal- bzw. Umweltpolitik, nachlassender Leistungsstärke der

Volkswirtschaft sowie verringerte Chancengleichheit verantwortlich.

Der Vergleich der aktuellen Transformationsniveaus mit den Ausgangswerten des BTI 2006 (vgl.

Abb. 2) bietet einen guten Eindruck über die mittelfristige Transformationsdynamik der Wirtschafts-

systeme in Asien und Ozeanien. So ist in den vergangenen zwölf Jahren in zehn Ländern das Trans-

formationsniveau gestiegen, davon in sechs Staaten um mindestens einen halben Bewertungspunkt.

In elf Ländern hat sich das Transformationsniveau verschlechtert, davon in fünf Ländern um min-

destens 0,50 Bewertungspunkte.

Abb. 2: Veränderung des Statuswerts der marktwirtschaftlichen Transformation, BTI 2006 – BTI 2018

Page 12: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 12

Die geringeren Werte für Volkswirtschaften wie Singapur und Südkorea sind vor allem Ausdruck

einer leicht nachlassenden wirtschaftlichen Leistungsstärke. Auffällig ist der Unterschied zwischen

den leicht negativen Entwicklungen in Vietnam und Indien sowie der sehr positiven Entwicklung in

China. Das bestätigt einmal mehr die besondere Leistungs- und Innovationskraft des chinesischen

Modells der wirtschaftlichen Transformation. Bedenklich sind hingegen die Stagnation in Afghanis-

tan, Bangladesch und Kambodscha sowie die rückläufige Entwicklung in Sri Lanka, Nordkorea, Pa-

kistan, Nepal und – angesichts der politischen Dauerkrise seit 2006 allerdings wenig überraschend –

in Thailand. Diese Volkswirtschaften drohen von der regionalen Transformationsdynamik abgehängt

zu werden. Einen gewissen Sonderfall bildet Papua-Neuguinea, da es sich hierbei um eine der, wenn

nicht die, am stärksten vom Rohstoffexport abhängige Volkswirtschaft in der Region handelt, die

zudem durch sehr starke sozioökonomische Entwicklungsgefälle zwischen Stadt und Land bzw.

Hauptstadtregion und Hochland geprägt ist und im Bereich der menschlichen Entwicklung gemein-

sam mit Afghanistan das Schlusslicht in Asien und Ozeanien bildet.

Ähnlich wie bei der politischen Transformation verdecken die aggregierten Daten die recht große

Spannbreite der Transformationsniveaus in den einzelnen Teilbereichen der marktwirtschaftlichen

Transformation (vgl. Abb. 3) Am höchsten ist das mittlere Transformationsniveau im BTI 2018 im

Bereich der Leistungsstärke der Volkswirtschaften, gefolgt von der Währungs- und Preisstabilität.

Die exportorientierten Wirtschaftswachstumsstrategien in der Region stehen weiterhin aufgrund der

anhaltenden Schwäche der Auslandsnachfrage und des Welthandels unter Druck. Der schwache Han-

del und die volatilen Kapitalströme stellen für die regionalen Volkswirtschaften eine externe Er-

schwernis dar. Exporte aus der Region wurden in den letzten Jahren sowohl durch zyklische als auch

strukturelle Faktoren belastet. Das nominale Exportwachstum war 2015 aufgrund der niedrigeren

weltweiten Ölpreise besonders schwach, was wiederum die inländischen Erzeugerpreise beein-

flusste. Eine teilweise Erholung kam 2016 in Gang. Angesichts der anhaltenden Schwäche der Aus-

landsnachfrage und des Welthandels hat sich das Wirtschaftswachstum in Asien im Beobachtungs-

zeitraum des BTI 2018 stärker als in der Vergangenheit auf die Binnennachfrage gestützt. Aufgrund

seiner herausgehobenen Rolle als Drehscheibe in globalen Wertschöpfungsketten und der partiellen

Neuausrichtung seines Wachstumsmodells auf binnenstaatlichen Konsum und Dienstleistungen, ist

die Volksrepublik China sowohl Transmitter als auch eine Quelle der aktuellen Konjunkturabschwä-

chung (vgl. ESCAP 2017: 2). Dementsprechend ist das Wirtschaftswachstum in den asiatisch-pazi-

fischen Volkswirtschaften, im Vergleich zu seinem jüngsten historischen Trend, eher moderat und

lag 2016 in den am wenigsten entwickelten Ländern der Region bei geschätzt sechs Prozent.

Im Hinblick auf die Zuflüsse von ausländischen Direktinvestitionen (FDI) war für die Region 2016

eine Abschwächung gegenüber dem Vorjahr zu beobachten, auf einem im Vergleich zum Trend in

der jüngeren Vergangenheit jedoch weiterhin hohen Niveau. Die absolut größten Zuflüsse waren für

das chinesische Festland (einschließlich Hongkong), Singapur und Indien zu verzeichnen (vgl.

UNCTAD 2017). Insbesondere haben aber auch Bangladesch, Kambodscha und Myanmar von den

gestiegenen FDI-Zuflüssen in den letzten Jahren profitiert, was zum Teil auf die Verlagerung der

Produktion aus China zurückzuführen ist. Die Zuflüsse haben in diesen Volkswirtschaften ein relativ

starkes Produktionswachstum unterstützt. Für die Region bleibt insgesamt festzuhalten, dass sich

Page 13: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 13

private Investitionen in vielen Ländern 2015 und 2016 trotz niedriger Zinsen eher enttäuschend ent-

wickelt haben.

Abb. 3: Kriterien der marktwirtschaftlichen Transformation, BTI 2018

In den dargestellten Boxplots befinden sich die mittleren 50% der Länder innerhalb der Box. Der Strich innerhalb der Box markiert den Medianwert, also bei 21 untersuchten Ländern in Asien und Ozeanien den Wert des Landes an elfter Stelle. Anfang und Ende der Linie entsprechen dem kleinsten und dem größten Wert innerhalb der Ländergruppe.

Ein zweiter Teilbereich der wirtschaftlichen Transformation, in dem die Region auch im Zeitraum

des aktuellen Transformationsindex recht gut abgeschnitten hat, ist die Währungs- und Preisstabili-

tät. Der leichte Anstieg der Inflationsrate im Jahre 2016 in einer recht großen Zahl an Ländern hing

in erster Linie mit der Entwicklung von Rohstoffpreisen und Wechselkursschwankungen bzw. Ab-

wertungen der nationalen Währungen zusammen. Die vielleicht auch über die Region hinaus am

stärksten internationale Aufmerksamkeit erregende Entwicklung im Rahmen der Geldpolitik betraf

Indien. In einer überraschenden Aktion erklärte die Regierung im November 2016, dass die Zentral-

bank alle 500- und 1000-Rupien-Scheine, die gemeinsam mehr als 85 Prozent des nationalen Bar-

geldumlaufs ausmachten, aus dem Verkehr ziehen würde. Regierungschef Narendra Modi begrün-

dete diesen radikalen Schritt mit dem Kampf gegen Schattenwirtschaft, Korruption und Falschgeld-

umlauf. Die Maßnahme hatte größere und länger anhaltende Auswirkungen für Personen mit niedri-

gem Einkommen, Haushalte und Unternehmen. Mittelfristig wird jedoch erwartet, dass die Wäh-

rungsinitiative mehr wirtschaftliche Aktivitäten in den formalen Sektor umlenken, die Digitalisie-

rung von Finanztransaktionen anstoßen und dazu beitragen wird, die Steuerbemessungsgrundlage zu

erweitern und den für die öffentlichen Sozial- und Infrastrukturausgaben benötigten fiskalischen

Spielraum zu sichern.

Bereits schwächer sind hingegen der Schutz von Eigentumsrechten und die Förderung des Privatsek-

tors sowie die Markt- und Wettbewerbsordnungen. Privateigentum ist das einzige Kriterium, in dem

sämtliche Bewertungsniveaus von den Ländern der Region abgedeckt werden. Am unteren Ende der

Page 14: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 14

Bewertungsskala liegt Nordkorea, wo der Privatsektor inzwischen eine der Hauptstützen des Wirt-

schaftssystems darstellt, Privateigentum an Produktionsmitteln aber weiterhin verboten und sämtli-

che Wirtschaftsbetriebe formal im Staatsbesitz sind. Das Fehlen einer gesicherten Eigentums-,

Markt- und Wettbewerbsordnung hat zwar verheerende Auswirkungen auf die Entwicklungs- und

Leistungsfähigkeit der nordkoreanischen Wirtschaft, ist jedoch, wie der Länderbericht ausführt, es-

sentiell für die Kooptations- und Kontrollkapazität des Regimes.

Am schlechtesten schneidet die Region beim sozioökomischen Entwicklungsstand ab, sowie bei der

Sozialordnung und der Nachhaltigkeitspolitik. Für die Gesamtregion lässt sich zunächst die mitunter

geringe soziale Qualität der Wachstumsentwicklung hervorheben. So partizipieren untere Einkom-

mensschichten und Arme in vielen Ländern nur in geringem Maße einen Anteil an den Gewinnen

des Wirtschaftswachstums, was sich auch in der ansteigenden Einkommensungleichheit in der Re-

gion zeigt. Um die zunehmende Ungleichheit und die weiterhin hohe Armut in Südasien und Teilen

Südostasiens zu bewältigen, ist die Verfügbarkeit von menschenwürdigen und produktiven Arbeits-

plätzen ein entscheidender Faktor. Zwar übertraf das Lohnwachstum im asiatischen Raum in den

vergangenen Jahren das im Rest der Welt, dennoch bleibt die Erweiterung der Verfügbarkeit solcher

Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten für die Region insgesamt eine Herausforderung.

Darüber hinaus fehlt in den meisten Staaten ein ausgebautes und robustes System der sozialen Si-

cherung.

Durch extreme Armut sind in vielen Staaten zahlreiche Menschen von der sozialen Teilhabe ausge-

schlossen. So erreichen vier Staaten (Afghanistan, Myanmar, Nepal und Nordkorea) beim Kriterium

„Sozioökonomisches Entwicklungsniveau“ den schlechtesten oder den zweitschlechtesten Wert, Pa-

kistan und Papua-Neuguinea liegen nur knapp darüber. Und doch haben sich wesentliche Elemente

der menschlichen Entwicklung über die letzten fünf Jahre positiv entwickelt, wie der Blick auf die

Daten des vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) erhobenen Index der

Menschlichen Entwicklung (HDI) zeigt. Der HDI misst wesentliche Merkmale „menschlicher Ent-

wicklung“ wie Pro-Kopf-Einkommen, Bildungsstand und Lebenserwartung. Wie Tabelle 4 zeigt,

haben sich in der vergangenen Halbdekade (2010 – 2015) alle Länder, für die Daten vorliegen, in

ihrem Niveau der Menschlichen Entwicklung absolut verbessert; mit Afghanistan und Sri Lanka (je

2 Rangplätze), Taiwan (1 Platz) und den Philippinen (7 Plätze) sind nur vier Länder in der internati-

onalen Vergleichsposition zurückgefallen, während 14 Länder ihre relative Position verbessert ha-

ben.

Besonders markant sind die Verbesserungen in China und Laos. In der Mehrzahl der Länder liegt

das jährliche Wachstum des HDI über dem weltweiten Durchschnitt bzw. über dem durchschnittli-

chen HDI-Wachstum in ihrer Entwicklungsgruppe. Sieben Staaten – darunter auch die Volksrepublik

China – haben ein hohes oder sehr hohes Niveau der menschlichen Entwicklung, weitere elf Länder

ein mittleres Niveau. Lediglich Papua-Neuguinea und Afghanistan gehören zur Gruppe der Länder

mit geringer menschlicher Entwicklung. Das ist ein sehr starker Kontrast beispielsweise zu den bei-

den afrikanischen Teilregionen im BTI, wo jeweils etwa die Hälfte aller Länder in der untersten

Entwicklungskategorie bzw. mit Mauritius nur ein einziges Land in der Gruppe der hohen mensch-

lichen Entwicklung geführt wird.

Page 15: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 15

Tab. 4: Trends der Menschlichen Entwicklung in Asien und Ozeanien, 2010 bis 2015

Land HDI Rang HDI-Wert Durchschnittl. jährliches Wachstum des HDI (%)

2015 2010 2015 2010 2010-2015

Sehr hoch

… … 0.892 0,876 0,35

Singapur 5 5 0,925 0,911 0,30

Südkorea 18 18 0,901 0,884 0,37

Taiwan 27 26 0,885 0,873 …

Hoch … … 0,746 0,716 0,83

Malaysia 59 60 0,789 0,774 0,39

Sri Lanka 73 71 0,766 0,746 0,56

Thailand 87 91 0,740 0,72 0,56

China 90 101 0,738 0,7 1,05

Mittel

… … 0,631 0,598 1,09

Indonesien 113 115 0,689 0,662 0,78

Vietnam 115 117 0,683 0,655 0,85

Philippinen 116 109 0,682 0,669 0,61

Indien 131 135 0,624 0,580 1,46

Bhutan 132 137 0,607 0,572 1,19

Laos 138 143 0,586 0,554 1,59

Bangladesch 139 141 0,579 0,557 1,21

Kambodscha 143 144 0,563 0,533 1,09

Nepal 144 146 0,558 0,529 1,07

Myanmar 145 147 0,556 0,526 1,1

Pakistan 147 149 0,55 0,525 1,24

Gering

… … 0,497 0,475 0,92

Papua-Neuguinea 154 155 0,516 0,494 0,90

Afghanistan 169 167 0,479 0,454 1,08

Welt

… … 0,717 0,696 0,61

Keine Daten für Nordkorea. Quelle: UNDP sowie nationales Statistikamt (Taiwan).

In Bezug auf ökologisch nachhaltige Entwicklung sind für viele Länder die ökologischen Kosten der

Wirtschaftsentwicklung und die Eindämmung teils massiver Verschmutzung der Umwelt ein defizi-

täres Feld der Transformation: Umweltverschmutzung, CO2-Emissionen und Luftverschmutzung

produzieren erhebliche, auch nicht-monetäre Kosten, reduzieren soziale Wohlfahrt und untergraben

die Nachhaltigkeit der Volkswirtschaften. Trotz allmählicher Verbesserungen schneidet die Region

im Hinblick auf die CO2-Intensität deutlich schlechter ab als der Rest der Welt. Dabei entfällt ein

Großteil der Emissionen naturgemäß auf große Ökonomien wie China, Indien und Indonesien. Auch

im Hinblick auf den Pro-Kopf-Verbrauch an Ressourcen bestehen große Unterschiede zwischen den

21 Staaten. Aber im Durchschnitt ist die Ressourceneffizienz in Asien deutlich geringer als im Rest

Page 16: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 16

der Welt, während zugleich der Anteil Asiens an der globalen Rohstoffförderung, der sich zwischen

1985 und 2005 beinahe verdoppelt hat (Giljum et al. 2010), weiter ansteigt. Aber es gibt auch Bei-

spiele für politische Anstrengungen zur Erreichung eines umweltfreundlicheren Wirtschaftswachs-

tums: Nach Jahrzehnten der rapiden Industrialisierung konzentrieren sich Länder wie China, Taiwan

und Südkorea nun auf „green growth“ und die Entwicklung energieeffizienter und erneuerbarer

Technologien. So macht China (mit Japan) nun fast die Hälfte der weltweiten kommerziellen Inves-

titionen in saubere Technologie aus, und ist weltweit führend bei den Patentanmeldungen von Tech-

nologien zur Anpassung an den Klimawandel.

Governance

Im regionalen Durchschnitt liegt die Qualität des Transformationsmanagements in Asien und Ozea-

nien mit 4,73 Punkten etwas niedriger als 2016 (4,78). Allerdings ist der Rückgang moderat im Ver-

gleich zu Ostmittel und Südosteuropa (-0,11), dem östlichen und südlichen Afrika (-0,20) und dem

Nahen Osten und Nordafrika (-0,24). Im interregionalen Vergleich belegt Asien damit erstmals einen

mittleren Rang. Freilich wird der regionale Negativtrend abgefedert von der stark verbesserten

Governance-Leistung Sri Lankas unter dem seit Januar 2015 regierenden Präsident Sirisena. Ohne

den regionalen Ausreißer liegt der Rückgang auf dem Niveau von Ostmittel- und Südosteuropa.

Tab. 5: Qualität der Governance

Wie in den Jahren zuvor ist Taiwan der Top-Performer in der Region. Trotz einer leicht schwächeren

Implementationsleistung zeichnet sich Taiwan durch hohe bis sehr hohe Werte in allen vier Manage-

ment-Kriterien aus. Im Gesamtranking des BTI 2018 belegt das Land erneut den dritten Rang. Bis-

lang erweist sich die taiwanische Politik immun gegen rabiate Kurswechsel, erratischen Populismus

und politischen Extremismus. Im Januar 2016 kam es bereits zum dritten Mal nach 2000 und 2008

zu einem geordneten Regierungswechsel zwischen nationalkonservativer Guomindang (GMD) und

der liberalen Demokratischen Fortschrittspartei (DPP). Zwar spaltet die Frage der Eigenstaatlichkeit

Page 17: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 17

weiterhin die Bevölkerung, wie die Proteste der sogenannten Sonnenblumen-Bewegung, einer vor-

wiegend studentischen Protestbewegung gegen den Abschluss eines Dienstleistungsabkommen mit

der Volksrepublik, gezeigt haben. Gleichwohl beweisen sowohl GMD als auch DPP, wenn sie an der

Regierung sind, eine gute Gestaltungsfähigkeit und Ressourceneffizienz, sowie eine hohe bis sehr

hohe Bereitschaft und Fähigkeit zu innergesellschaftlicher Konsensbildung und internationaler Zu-

sammenarbeit. Letzteres ist besonders hervorzuheben, da die Regierung in Taipeh aufgrund der Ein-

China-Politik der Regierung in Peking unter erschwerten Bedingungen agiert.

Im Unterschied dazu hat sich die Qualität des Transformationsmanagements in Südkorea erneut, und

damit zum vierten Mal in Serie, verschlechtert. Aufgrund der monatelangen Straßenproteste und des

Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsidentin Park, der Amtsmissbrauch und Verletzung der Amts-

pflichten vorgeworfen wurde, war die Regierung ab der zweiten Jahreshälfte 2016 praktisch gelähmt.

Inzwischen wurde die Präsidentin vom Verfassungsgericht ihres Amtes enthoben und die liberale

Opposition gewann die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen im Mai 2017. Ob sich unter Präsident

Moon Jae-in die Governance-Leistung deutlich verbessern wird bleibt jedoch abzuwarten. Zweifel

sind angebracht, da seine Partei noch bis mindestens April 2018 keine Mehrheit im Parlament hat.

Ein insgesamt gutes Transformationsmanagement wird auch – mit gegenläufigen Entwicklungsten-

denzen – in Sri Lanka (stark verbessert), sowie in Bhutan und Indien (leicht verschlechtert), sowie

dem moderat autoritären Regime in Singapur, bescheinigt. Die drei genannten Demokratien in Süd-

asien belegen im Gesamtranking des Transformationsmanagements des BTI 2018 die Plätze 16, 24

und 43. Singapur belegt im regionalen und interregionalen Vergleich die Spitzenposition unter den

Autokratien.

Auch Malaysia als die am vierthöchsten bewertete Autokratie im BTI 2018, China auf Platz 8 unter

den Autokratien und Vietnam (10), erzielen eine gute bis sehr gute und innovative Managementleis-

tung im wirtschaftlichen Bereich, erzielen aber bei der Ressourceneffizienz (Stichwort Korruption)

und bei der Gestaltungsfähigkeit (auch aufgrund des autoritären Charakters des Managements) nur

mittlere oder unterdurchschnittliche Ergebnisse. Papua-Neuguinea, Indonesien und die Philippinen

gehören ebenfalls zu dieser Gruppe, obgleich in den beiden zuletzt genannten Ländern das Transfor-

mationsmanagement nachgelassen hat. Insbesondere der populistische Präsident Rodrigo Duterte auf

den Philippinen legt einen erratischen Regierungsstil an den Tag, welcher Befürchtungen hinsichtlich

der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes in den nächsten Jahren hervorruft. Be-

reits in den ersten sieben Monaten seiner Amtsführung (Juli 2016 – Januar 2017) waren Einbußen

bei der Politikkoordination, der regionalen Kooperation und in vier der fünf Indikatoren der Kon-

sensbildung zu erkennen. Die Entwicklung des Konflikts mit islamistischen Rebellen im muslimisch

geprägten Süden von Mindanao wirkt wie ein Menetekel für die weitere Erosion von Demokratie,

Staatlichkeit und Governance in dem Inselstaat. Die ökonomischen Folgen dieser Entwicklung könn-

ten die ohnehin fragile soziale Situation zusätzlich verschärfen.

Die Gruppe der Länder mit schwachem Transformationsmanagement ist mit acht Staaten, darunter

erstmals Bangladesch, am größten. Bis auf Nepal sind es allesamt Autokratien. Meist handelt es sich

um Länder, in denen der Schwierigkeitsgrad der Transformation besonders hoch ist, was sich unter

anderem in einem vergleichsweise geringen Niveau der menschlichen Entwicklung widerspiegelt.

Page 18: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 18

Eine unrühmliche Ausnahme bildet allerdings Thailand. Obwohl das Land gemessen an den struktu-

rellen Rahmenbedingungen, dem Wohlstandsniveau und Bildungsstand der Gesellschaft, sowie der

Staatlichkeit vergleichsweise positive Rahmenbedingungen aufweist, ist die Qualität des Transfor-

mationsmanagements weit unterdurchschnittlich. Vielmehr hat die Militärregierung seit 2015 ihren

rechtsautoritären Kurs intensiviert. Statt auf Konsensbildung und Versöhnung zwischen den verfein-

deten politischen Lagern setzten die seit Mai 2014 regierenden Generäle auf Repression, ideologi-

sche Indoktrination und Symbolpolitik. Wenig überraschend geht dies nicht, wie von Investoren nach

dem 2014er Putsch erhofft, mit einer verbesserten Gestaltungsfähigkeit, Politikkoordination oder

Antikorruptionspolitik einher. Der per Verfassungsreferendum im Sommer 2016 abgesegnete Ver-

such, zu einem semi-demokratischen System zurückzukehren, wie es in den 1980er Jahren existierte,

weckt beträchtliche Zweifel an der Lernfähigkeit der politisch bestimmenden Akteure in Palast, Ka-

sernen und staatlichen Amtsstuben.

In Bangladesch – mit etwa 163 Millionen Einwohnern immerhin das achtbevölkerungsreichste Land

der Welt – hat sich der Konflikt zwischen der säkularen Awami League (AL) und der religiös-kon-

servativen Bangladesh Nationalist Party (BNP) verschärft. Die beiden Parteien bestimmen die nati-

onale Politik seit der Unabhängigkeit. Nicht zuletzt aufgrund der miteinander verflochtenen Tragö-

dien in ihren Familien, ist das Verhältnis der Parteiführerinnen, Begum Khaleda Zia von der BNP

und Sheikh Hasina Wazed von der AL, auch auf der persönlichen Ebene belastet. Seit den von der

BNP boykottierten Parlamentswahlen vom Januar 2014 verfügt die AL über eine enorme, kaum kon-

trollierte Machtfülle. Restriktive Gesetze zu Medien und Zivilgesellschaft, sowie die Unterordnung

der Richterschaft unter das von der Regierung kontrollierte Parlament, gehen mit einer schwachen

Bereitschaft zur Konsensbildung, ineffizientem Ressourceneinsatz, schwacher Politikkoordination

und einer unzureichenden Korruptionsbekämpfung einher. Als problematisch ist auch die von der

Regierung vorangetriebene juristische Aufarbeitung der Verbrechen im Zusammenhang mit dem

Unabhängigkeitskrieg von 1971 zu sehen. Die Prozesse gegen hochrangige Angeklagte und häufige

Todesurteile haben alte Wunden geöffnet und zur Eskalation der Gewalt zwischen islamistischen

und säkularen Kräften beigetragen. Darüber hinaus ist die Regierung nicht in der Lage, die regelmä-

ßige intra- und interreligiöse Gewalt einzudämmen.

Letzteres gilt auch für die NLD-Regierung in Myanmar. Ähnlich wie in Pakistan erweisen sich die

strukturellen Schwierigkeiten für gute Regierungsleistungen und erfolgreiches Transformationsma-

nagement auch nach dem Übergang von der militärisch beherrschten zur zivilen Regierung als er-

drückend. Es erscheint unklar, wie groß tatsächlich der Gestaltungsspielraum und wie stark weitere

Veränderungen unter der im November 2015 gewählten „demokratischen“ Regierung sein werden,

oder ob eine Entwicklung ähnlich wie in Pakistan droht, wo nach dem Wahlsieg der Opposition unter

dem derzeitigen Premierminister Nawaz Sharif im Mai 2013 ein „Wechsel ohne Wandel“ stattgefun-

den hat.

Das Schlusslicht in der Region und eines der drei Länder mit der weltweit schlechtesten Manage-

mentleistung ist erneut Nordkorea. Das im Westen vorherrschende Bild eines bizarren Landes, in

dem ein irrer Diktator mit einem seltsamen Haarschnitt unberechenbar vor sich hin regiert, ist jedoch

irreführend. Das nordkoreanische Regime besteht seit fast sieben Jahrzehnten. Es hat den Fall der

Page 19: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 19

Sowjetunion und ihrer kommunistischen Satelliten, die Farbenrevolutionen im postsowjetischen Eu-

rasien, die Unruhen des Arabischen Frühlings, den Untergang anderer asiatischer Diktaturen und die

Verwandlung der Volksrepublik China vom ideologischen Seelenverwandten zu einem pragmati-

schen Handelsstaat ebenso überlebt, wie die Machtübergabe vom Vater zum Sohn hin zum Enkel.

Die im BTI konstatierten massiven Governance-Defizite sind integraler Bestandteil dieses Herr-

schaftssystems, dessen oberste Maxime das politische Überleben der Führungselite und der Erhalt

der Familiendynastie ist. Diesem Zweck untergeordnet sind alle anderen möglichen Politikziele, auch

die Bereitstellung eines Mindestmaßes an öffentlichen Gütern und staatlichen Dienstleistungen für

einen größeren Kreis an Herrschaftsunterworfenen. In gewissem Sinne überlebt das Regime nicht

trotz, sondern wegen der aus Warte des BTI schlechten Managementleistungen. Die Konzentration

der eigenen wirtschaftlichen Ressourcen auf die Unterhaltung eines riesigen Militärapparats und sein

Atomwaffen- und Raketenprogramm ist aus der Perspektive Pjöngjangs die einzige wirksame Absi-

cherung in einer Welt voller Feinde.

Über die Zeit betrachtet lassen sich mit Blick auf das Transformationsmanagement drei Ländergrup-

pen bilden (vgl. Tabelle 6). Die erste, drei Demokratien sowie vier Autokratien zählende Gruppe

besteht aus Transformationsländern, in denen sich die Governance-Qualität in den letzten zwölf Jah-

ren deutlich, d.h. um 0,30 oder mehr Punkte, verbessert hat. Allerdings sind dies mit Ausnahme von

Bhutan alles Fälle eines unverändert mäßigen oder schlechten Transformationsmanagements. Mit

Bhutan und Indonesien sind nur zwei Länder darunter, deren Governance über dem aktuellen Durch-

schnittswert (4,80) der 129 Länder des BTI liegt.

Tab. 6: Transformationsmanagement in 21 Staaten in Asien und Ozeanien im interregionalen und inter-

temporalen Vergleich

BTI Rang Veränderung im

BTI-Rang

Land Index-Wert Veränderung des Indexwerts

2018 2016-2018 2018 2016 2006 2006-2018

3 0 Taiwan 7,33 7,48 7,40 -0,07

15 -5 Südkorea 6,51 6,89 7,29 -0,78

16 +1 Bhutan* 6,50 6,55 5,06* +1,44*

24 0 Indien 6,02 6,14 6,09 -0,07

30 +1 Singapur 5,95 5,96 5,79 +0,16

43 +35 Sri Lanka 5,60 4,51 5,34 +0,26

48 -2 Indonesien 5,45 5,54 4,85 +0,60

54 -7 Malaysia 5,20 5,44 5,52 -0,32

69 -12 Philippinen 4,90 5,20 4,73 +0,17

Page 20: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 20

71 +3 China 4,79 4,70 4,47 +0,32

72 +1 Papua NG 4,78 4,77 4,27 +0,51

78 -9 Vietnam 4,47 4,83 4,33 +0,14

83 -1 Bangladesch 4,27 4,36 4,74 -0,47

90 +1 Myanmar 3,96 4,18 2,11 +1,85

91 +8 Afghanistan 4,02 3,88 4,62 +0,60

95 +9 Laos 3,87 3,67 3,42 +0,35

96 -3 Thailand 3,82 3,87 5,27 -1,45

99 -4 Nepal 3,74 4,05 4,12 -0,38

107 +5 Pakistan 3,50 3,31 4,31 -0,81

113 -2 Kambodscha 3,23 3,40 3,54 -0,31

127 0 Nordkorea 1,30 1,22 1,99 -0,66

* Wert für Bhutan entnommen aus dem BTI 2008

Die zweite Gruppe besteht aus vier Demokratien und zwei Autokratien, in denen die Management-

leistung mehr oder weniger stabil geblieben ist. Mit Ausnahme von Vietnam sind es Fälle mit einer

im BTI-Vergleich überdurchschnittlichen Qualität der Governance.

Zahlenmäßig am größten ist jedoch die dritte Gruppe. Sie umfasst Staaten, in denen die Qualität des

Transformationsmanagements sich um mehr als 0,30 Bewertungspunkte verschlechtert hat. Hierzu

zählen mit Südkorea (-0,76 von 2006 bis 2018) und Nepal (-0,38) auch zwei Demokratien.

Natürlich können diese Befunde unterschiedlich betrachtet werden. Ein möglicher Fokus ist die Re-

gimeperspektive. Analysiert man die Entwicklungen und die Niveaus der Governance-Leistung ge-

trennt nach Regimetypen (Demokratie vs. Autokratie) so sind zwei Ergebnisse berichtenswert. Ers-

tens fällt auf, dass einige Autokratien in Asien – Singapur, China, Vietnam – im regionalen Vergleich

durch eine relativ gute Governance herausstechen. Singapur weist unter den aktuell 58 Autokratien

im BTI die mit Abstand beste Governance-Leistung auf und schneidet besser ab als 41 von 71 De-

mokratien. Auch Malaysia und China lassen bei der Managementleistung etliche Demokratien hinter

sich.

Zweitens ist die weiterhin doch deutliche Distanz zwischen Demokratien und Autokratien zu nennen.

Zwar sind im Mittelfeld der Staaten mit gutem bis mäßigem Transformationsmanagement die Un-

terschiede wenig ausgeprägt, aber an der Spitze der Region liegen mit Taiwan, Südkorea und Bhutan

drei Demokratien. In der Gruppe der neun Länder mit schwachem oder nicht vorhandenem Trans-

formationsmanagement hingegen findet sich nur eine (stark defekte) Demokratie.

Page 21: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 21

Abb. 4: Governance-Kriterien in Autokratien und Demokratien, BTI 2018

In den dargestellten Boxplots befinden sich die mittleren 50% der Länder innerhalb der Box. Der Strich innerhalb der Box markiert den Medianwert, also bei 21 untersuchten Ländern in Asien und Ozeanien den Wert des Landes an elfter Stelle. Anfang und Ende der Linie entsprechen dem kleinsten und dem größten Wert innerhalb der Ländergruppe.

Zwar ist die Streuung innerhalb der beiden Regimegruppen massiv (vgl. Abbildung 4), dennoch kann

auch weiterhin und trotz der genannten positiven Beispiele unter den Autokratien gelten: in der Regel

wird Transformation in Demokratien besser gemanagt als in Autokratien. Da aber in den Demokra-

tien der Trend nach unten geht und die Demokratien in Asien – als Gruppe – deutlich schlechter

abschneiden als die Demokratien in Osteuropa und Lateinamerika, sollte es vielleicht treffender lau-

ten: im Durchschnitt wird die Transformation in asiatischen Demokratien weniger schlecht gemanagt

als in Autokratien (mit den genannten positiven Ausnahmen wie Taiwan und Bhutan oder Singapur).

Ausblick

Die Transformationsbilanz in Asien und Ozeanien bleibt im Licht des BTI 2018 zwiespältig. So ist

es sicherlich als Erfolg zu werten, dass inzwischen kaum mehr ein Regime ohne institutionelle Ele-

mente der repräsentativen Demokratie auskommt und seinen Herrschaftsanspruch nicht in der einen

oder anderen Form auch mit der selektiven Aneignung demokratischer Legitimationsgründe zu recht-

fertigen versucht. Ebenso ist es als Fortschritt anzusehen, dass die meisten Länder im Kern stabile

Page 22: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 22

marktwirtschaftliche Ordnungen anstreben. Dennoch ist unverkennbar, dass – von wenigen Ausnah-

men abgesehen – die Transformationsdynamik in den letzten Jahren wenig Anlass zum Optimismus

bietet. Sieht man von Taiwan und Bhutan ab, so ist die Entwicklung der bereits bestehenden Demo-

kratien in der Region eher durch Stagnation oder Erosion als durch Vertiefung der erreichten An-

spruchs- und Qualitätsniveaus geprägt. Trotz vereinzelter Beispiele für die demokratiestärkende

Kraft der Gegenmobilisierung im Angesicht von autoritären Bestrebungen demokratisch gewählter

Machthaber (Sri Lanka), ist das „Abgleiten“ schwacher Demokratien in die Grauzone hybrider Herr-

schaftsordnungen (auch) in Asien und Ozeanien eine vielerorts zu beobachtende Gefahr. Zudem gibt

es einige empirische Hinweise darauf, dass auch in relativ gut etablierten Demokratien, wie Indien

und Südkorea, die „Dekonsolidierung“ der Demokratie droht, da die Bürger zunehmend unzufrieden

mit dem Funktionieren der demokratischen Institutionen sind, andere Herrschaftsalternativen an Un-

terstützung gewinnen und populistische Politiken – wie in den Philippinen, Indonesien und Thailand

– verstärkt Zulauf erhalten.

Die große Mehrzahl der Marktwirtschaften ist weiterhin funktional defizitär oder funktioniert

schlecht, und die Umsetzung von entscheidenden und vor allem dauerhaften Reforminitiativen ist

die Ausnahme. An diesem Gesamtbild ändern bis dato auch Beispiele wie Vietnam und China wenig.

Einen wichtigen Erklärungsfaktor dürfte hier die unterschiedlich gut ausgebildete Staatlichkeit lie-

fern. Das geringe Maß der Staatlichkeit, beziehungsweise die persistente Staatsschwäche in Südasien

einerseits, sowie die gut ausgebildete Staatlichkeit in Nordostasien und, nimmt man Singapur und

Vietnam hinzu, in den stärker durch die chinesische Kultur und Staatstradition beeinflussten Län-

dern, verweisen auf die kulturelle Pfadabhängigkeit der Entwicklung von politisch-administrativen

Kapazitäten und weit in die Geschichte zurückreichende „Hinterlassenschaften“ früher bürokrati-

scher Herrschaft. Mit Blick auf die Perspektiven der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ist

Page 23: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 23

das für Südasien, aber auch andere Länder wie beispielsweise Myanmar, keine gute Nachricht. Doch

es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb kurz- bis mittelfristig nicht allzu große positive Verän-

derungen im Sinne des BTI erwartet werden sollten: weiterhin gibt es in der Mehrzahl der asiatischen

Staaten keinen politischen Konsens darüber, der die Transformation zu sozialstaatlich flankierter

Marktwirtschaft und zu rechtsstaatlicher Demokratie gleichermaßen honorieren würde.

Die politischen Gestalter in Asien und Ozeanien sehen sich also vielfältigen Herausforderungen ge-

genüber. Das größte Risiko für positive Wachstumsaussichten in den nächsten Jahren dürfte die Ge-

fahr eines zunehmenden Handelsprotektionismus in den westlichen Volkswirtschaften und weltweit

darstellen. Zudem gefährden die jüngsten politischen Entwicklungen in den fortgeschrittenen

OECD-Ökonomien den Multilateralismus. Die asiatischen Ökonomien können sich daher nicht mehr

auf traditionelle Exportmärkte verlassen, sondern müssen die inländische und regionale Nachfrage

stärken, um das Wirtschaftswachstum zu fördern. Zudem fehlen weiterhin überzeugende Antworten

für eine nachhaltige Lösung drängender Probleme, wie eine verbesserte Teilhabe der Armen und

wirtschaftlich weniger privilegierten Bevölkerungsgruppen angesichts steigender Einkommensun-

gleichheiten. Darüber hinaus fällt die Region derzeit im Hinblick auf die Finanzierung und Abde-

ckung sozialer Sicherungssysteme weiterhin hinter den Rest der sich entwickelnden Regionen zu-

rück. Zudem wächst auch das wirtschaftliche Entwicklungs- und Transformationsgefälle zwischen

den Teilregionen sowie zwischen Staaten innerhalb der Teilregionen. So ist in Südostasien das durch-

schnittliche Einkommen pro Kopf in den Schwellenländern der Subregion mehr als das Zehnfache

von Kambodscha, der Demokratischen Volksrepublik Laos, Myanmar und Vietnam. Diese Länder

weisen zudem, ähnlich wie die Staaten Südasiens, besonders starke Entwicklungsdefizite im Ge-

sundheits- und Bildungsbereich auf. Die Verringerung dieser Defizite durch Strukturreformen ist

aber mitentscheidend für die zukünftige Absicherung und den Ausbau der bislang erreichten markt-

wirtschaftlichen Transformationserfolge. Schließlich setzten die rapide ansteigenden Umweltkosten

des Wirtschaftswachstums den Gesellschaften zu. Die Entwicklung und Umsetzung von besseren

Nachhaltigkeitspolitiken wird auch weiterhin eine der großen Herausforderungen der Transforma-

tion in Asien und Ozeanien bleiben.

Eine der potentiell größten Gefährdungen der gesamten Transformation in der Region liegt jedoch

in einem Bereich, von dem der BTI in den vergangenen Jahren ein eher positives Bild vermittelt hat:

die regionale und internationale Kooperation. Hier sind vor allem zwei Herausforderungen hervor-

zuheben. Erstens ist die Militarisierung der Gebietsstreitigkeiten im Südchinesischen Meer zu nen-

nen. In der einen oder anderen Art sind hier zahlreiche südostasiatische Staaten, Taiwan, die Volks-

republik China, aber indirekt auch die USA involviert. Der Ausbau der chinesischen Militärpräsenz

und die Weigerung Pekings, die Autorität des Ständigen Schiedshofs in Den Haag anzuerkennen,

bieten ein beträchtliches Potential für Konflikte zwischen den asiatischen Staaten sowie zwischen

den Vereinigten Staaten und China. Mehr noch ist dies allerdings der Fall im Hinblick auf die mög-

liche Eskalation der Spannungen aufgrund des nordkoreanischen Atomwaffen- und Raketenpro-

gramms. Ein militärischer Konflikt auf der koreanischen Halbinsel hätte nicht nur für die beiden

koreanischen Staaten, sondern für den gesamten pazifischen Raum dramatische Folgen.

Page 24: BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? · BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? Regionalbericht Asien und Ozeanien Von Aurel Croissant*

BTI 2018 | Geschwächte Demokratien und gestärkte Autokratien? — Regionalbericht Asien und Ozeanien 24

Literatur

ESCAP (2017). Economic and Social Survey of Asia and the Pacific 2017. Governance and Fiscal

Management. Bangkok: ESCAP

Foa, R. S./Mounk, Y. (2016). The Danger of Deconsolidation. Journal of Democracy, 27(3): 5-17.

Giljum, S./Dittrich, M./Bringezu, S./Polzin, C./Lutter, S., 2010. Resource use and resource produc-

tivity in Asia: Trends over the past 25 years. Sustainable Europe Research Institute Vienna.

Lust, E:/Waldner, D. (2015). Unwelcome Change: Understanding, Evaluating, and Extending Theo-

ries of Democratic Backsliding. Report for US Aid (unpublished).

Roßteutscher, S. (2010). Social capital worldwide: Potential for democratization or stabilizer of au-

thoritarian rule? American Behavioral Scientist, 53(5), 737–757.

Shin, D. C. (2017a). Cultural Legacies, Socioeconomic Modernization, and the Deconsolidation of

Liberal Democracy: the Case of South Korea. Unveröffentlichtes Manuskript.

Shin, D. C. (2017b). Wie der Autoritarismus in einem Zeitalter der Demokratisierung bestehen bleibt.

Zu den kulturellen Wurzeln seines Andauerns im demokratischen Ostasien. In A. Croissant,

S. Kneip, & A. Petring (Eds.), Demokratie, Diktatur und Gerechtigkeit. Festschrift für Wolf-

gang Merkel (pp. 621–646). Wiesbaden: VS Springer.

United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) (2017). Global Investment

Trend Monitor, No. 25. Geneva.