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Buchbesprechungen Prof. M. A. Coppin# La redistribuzione del reddito derivante dalla sicurezza soeiale (Die Umverteilung des Einkommens durch alas System der Sozialen Sieherheit), Verlag Veschi, Rom 1979, 209 S., gebunden, Preis 22000 Lire (rd. 42 DM). Diese Monographie mit dem Untertitel ,,Technik und Mel3verfahren" behandelt in sieben Kapiteln die Gesamtheit tier versieherungsmathematisch-formalen Aspekte des Umverteilungs- vorgangs, der Transferleistungen also, die bekanntlich eine immer st~irker werdende Rolle im modemen Wirtschafts- und Sozialgeffige erlangen. In den beiden ersten Kapiteln werden die bei der Umverteilung auftretenden Begriffe definiert, so z.B. die vertikale, horizontale, eigentliehe, uneigentliehe Umverteilung, die Intensit~it und die Effizienz der Umverteilung, ihre quantitativen Auswirkungen, der mutualistische und der solidaristische Effekt u.v.a.m. Die Definition der zugrunde gelegten Gesamtheiten erfolgt in hierarehischer Weise, beginnend mit der Kategorie fiber die Gruppe etc. bis zum allumfassenden Konzept tier Totalgesamtheit. Zahlreiche Erliiuterungen geben eine Vorstellung von den Bezugsgr66en der Umverteilung, yon den betrachteten Zeitr~iumen, vom Zustand vor und demjenigen naeh der vorgenommenen Umverteilung. Es werden keinerlei Einschriinkungen hinsichtlich der Anwendung gemaeht: die Sozialversicherung unterliegt der Betrachtung genauso wie die Krankenversieherung, die Arbeitslosenversieherung oder die private Lebensversicherung. In den folgenden Kapiteln ffihrt der Verfasser ein regelreehtes mathematisehes ,,Umverteilungs- kalkfil" ein. Hierzu definiert er zwei Operatoren, mit deren Hilfe er die Beitr~ige, Leistungen und die Differenzen zwischen diesen beiden Gr66en formal sehr wirksam summieren, klassifizieren und auswerten kann. Es besteht ein deutlieher Untersehied zur Mengenlehre, und zwar z.B. bei der Bildung einer Vereinigung, bei weleher im Umverteilungsfall jedes Element mehrfaeh erseheint. Drei fundamentale Methoden stehen ffir die Untersuehung bei der Umverteilung zur Verffigung. Die sogenannte Globalmethode vergleicht den Zustand der Gesamtheit zu Beginn des Zeit- raumes, in dem die Beitr~ige und Leistungen den Zustand ver~indern, mit demjenigen am Ende desselben. Die Individualmethode dagegen geht vom Zustand der kleinstm6glichen homogenen Betrachtungseinheit aus. Schlie61ich erl~iutert der Verfasser besonders detailliert die yon ihm entwickelte stoehastische Methode. Hier werden die Beitr~ge, Leistungen, deren Differenzen etc. als Zufallsvariablen betrachtet. Die Vereinigung der dabei vorgenommenen Verteilungen ffihrt erwartungsgem~B auf Faltungsoperationen ~ihnlich denjenigen in der Risikotheorie. Zur Bew~ilti- gung der dabei entstehenden numerisehen Auswertungssehwierigkeiten werden aisdann N~ihe- rungsverfahren betraehtet: die Approximation mit Hilfe der h6heren Momente, die lineare Programmierung, die Simulation und sehliel31ich die Methode der besonders definierten Kommutationswerte. Das letzte Kapitel ist zahlreichen numerisehen Beispielen gewidmet, wobei die Gfite der N~iherungsformeln numerisch belegt wird. Ffir den Lebensversieherungs-Aktuar ist besonders interessant das Beispiel des Umverteilungseffekts bei privaten Lebensversieherungen; hier erkennt man auf eine ganz andere Weise den Unterschied zwisehen den Risikoversieherungen, gemisehten Versieherungen und anderen Versicherungsformen. Das Buch beschlieBt mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis (133 Arbeiten), wobei bedauerlicherweise sofort ins Auge f~illt, wie unterrepr~isentiert die deutschen Arbeiten sind (10 Titel). Zusammenfassend kann man sagen, dab die Arbeit nunmehr ein Standardwerk ffir die Umver- teilungsberechungen nieht nur in der Sozialversieherungsbranehe darstellt. Eine etwas sehwer- fiillige Symbolik und der knappe Darstellungsstil mfissen allerdings beim Lesen zuerst angeeignet werden. In Anbetraeht der steigenden Bedeutung aller Transferleistungen werden sieh die Aktuare auch mit dieser Materie st~irker befassen mfissen. Eine Bewertung des bestehenden Systems oder gar Vorschl~ige ffir seine ~,nderung dfirften kfinftig ohne exakte mathematisch fundierte Aussage, zu weleher das vorliegende Werk das unumgiingliche Rfistzeug liefert, nicht m6glich sein. Daher kann das Buch allen in der Sozialen Sicherheit t~itigen Statistikern, aber auch den in der Privatwirtschaft besch~iftigten Versicherungsmathematikern empfohlen werden. Nikolaus Mfiller (Mfinchen) 515

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Prof. M. A. Coppin# La r e d i s t r i b u z i o n e del r e d d i t o d e r i v a n t e da l la s i cu rezza soeiale (Die Umverteilung des Einkommens durch alas System der Sozialen Sieherheit), Verlag Veschi, Rom 1979, 209 S., gebunden, Preis 22000 Lire (rd. 42 DM). Diese Monographie mit dem Untertitel ,,Technik und Mel3verfahren" behandelt in sieben Kapiteln die Gesamtheit tier versieherungsmathematisch-formalen Aspekte des Umverteilungs- vorgangs, der Transferleistungen also, die bekanntlich eine immer st~irker werdende Rolle im modemen Wirtschafts- und Sozialgeffige erlangen. In den beiden ersten Kapiteln werden die bei der Umverteilung auftretenden Begriffe definiert, so z.B. die vertikale, horizontale, eigentliehe, uneigentliehe Umverteilung, die Intensit~it und die Effizienz der Umverteilung, ihre quantitativen Auswirkungen, der mutualistische und der solidaristische Effekt u.v.a.m. Die Definition der zugrunde gelegten Gesamtheiten erfolgt in hierarehischer Weise, beginnend mit der Kategorie fiber die Gruppe etc. bis zum allumfassenden Konzept tier Totalgesamtheit. Zahlreiche Erliiuterungen geben eine Vorstellung von den Bezugsgr66en der Umverteilung, yon den betrachteten Zeitr~iumen, vom Zustand vor und demjenigen naeh der vorgenommenen Umverteilung. Es werden keinerlei Einschriinkungen hinsichtlich der Anwendung gemaeht: die Sozialversicherung unterliegt der Betrachtung genauso wie die Krankenversieherung, die Arbeitslosenversieherung oder die private Lebensversicherung. In den folgenden Kapiteln ffihrt der Verfasser ein regelreehtes mathematisehes ,,Umverteilungs- kalkfil" ein. Hierzu definiert er zwei Operatoren, mit deren Hilfe er die Beitr~ige, Leistungen und die Differenzen zwischen diesen beiden Gr66en formal sehr wirksam summieren, klassifizieren und auswerten kann. Es besteht ein deutlieher Untersehied zur Mengenlehre, und zwar z.B. bei der Bildung einer Vereinigung, bei weleher im Umverteilungsfall jedes Element mehrfaeh erseheint. Drei fundamentale Methoden stehen ffir die Untersuehung bei der Umverteilung zur Verffigung. Die sogenannte Globalmethode vergleicht den Zustand der Gesamtheit zu Beginn des Zeit- raumes, in dem die Beitr~ige und Leistungen den Zustand ver~indern, mit demjenigen am Ende desselben. Die Individualmethode dagegen geht vom Zustand der kleinstm6glichen homogenen Betrachtungseinheit aus. Schlie61ich erl~iutert der Verfasser besonders detailliert die yon ihm entwickelte stoehastische Methode. Hier werden die Beitr~ge, Leistungen, deren Differenzen etc. als Zufallsvariablen betrachtet. Die Vereinigung der dabei vorgenommenen Verteilungen ffihrt erwartungsgem~B auf Faltungsoperationen ~ihnlich denjenigen in der Risikotheorie. Zur Bew~ilti- gung der dabei entstehenden numerisehen Auswertungssehwierigkeiten werden aisdann N~ihe- rungsverfahren betraehtet: die Approximation mit Hilfe der h6heren Momente, die lineare Programmierung, die Simulation und sehliel31ich die Methode der besonders definierten Kommutationswerte. Das letzte Kapitel ist zahlreichen numerisehen Beispielen gewidmet, wobei die Gfite der N~iherungsformeln numerisch belegt wird. Ffir den Lebensversieherungs-Aktuar ist besonders interessant das Beispiel des Umverteilungseffekts bei privaten Lebensversieherungen; hier erkennt man auf eine ganz andere Weise den Unterschied zwisehen den Risikoversieherungen, gemisehten Versieherungen und anderen Versicherungsformen. Das Buch beschlieBt mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis (133 Arbeiten), wobei bedauerlicherweise sofort ins Auge f~illt, wie unterrepr~isentiert die deutschen Arbeiten sind (10 Titel). Zusammenfassend kann man sagen, dab die Arbeit nunmehr ein Standardwerk ffir die Umver- teilungsberechungen nieht nur in der Sozialversieherungsbranehe darstellt. Eine etwas sehwer- fiillige Symbolik und der knappe Darstellungsstil mfissen allerdings beim Lesen zuerst angeeignet werden. In Anbetraeht der steigenden Bedeutung aller Transferleistungen werden sieh die Aktuare auch mit dieser Materie st~irker befassen mfissen. Eine Bewertung des bestehenden Systems oder gar Vorschl~ige ffir seine ~,nderung dfirften kfinftig ohne exakte mathematisch fundierte Aussage, zu weleher das vorliegende Werk das unumgiingliche Rfistzeug liefert, nicht m6glich sein. Daher kann das Buch allen in der Sozialen Sicherheit t~itigen Statistikern, aber auch den in der Privatwirtschaft besch~iftigten Versicherungsmathematikern empfohlen werden.

Nikolaus Mfiller (Mfinchen)

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Helrnut Kracke: M a t h e - m u s i s c h e K n o b e l i s k e n (Tfifteleien fiir Tfiftler und Laien), Diimmlerbuch 4711, Ferd. Diimmlers Verlag, Bonn 1982; 390 Abb., 444 Seiten, Kart. DM 48,00. Mit diesem Werk spricht Helmut Kracke ,,jene friedlichen K~uze (an), die gem mit farbigen Tinten schreiben, Jean-Paul-Naturen, deren Verstand und deren Geffihl noch nicht erstarrt sind durch stetes Starren auf den Fernsehschirm, Menschen, denen die mathematische Welt nicht ganz kalt und helle ist, sondern voller groger und kleiner Wunder und Wunderlichkeiten". (S. 229). Um dies zu priizesieren, ,,sei die nachstehende additive Reihe priisentiert:

4 4 4 4 4 4 - - + + + + + + . . . = 2 . 1.3 3"5 5 ' 7 7 ' 9 9"11 11.13

In den Nennem kommen alle Zahlen (mit Ausnahme der 1) zweimal vor. Wen dies strrt, der streiche jeden zweiten Bruch weg. Er erh~ilt

4 4 4 n .+ + + . . . = - - .

1"3 5"7 9"11 2

Wie merkwfirdig, wie wunderlich, wie wunderbar ist es, dab wir nur die H~ilfte der Glieder dieser unendlichen Reihe ffir 2 wegzulassen brauchen, um aus der ersten Primzahl eine transzendente Zahl, n~imlich n/2, zu erhalten. Man some fiber dieses fiberraschende Ergebnis nicht so kfihl hinweglesen wie die eingefleischten, eingekfihlfleischten, frostierten Matheprofis." (S. 230). Wer sich also dieses Wundern - auch nach einem langen Berufsweg - bewahrt hat, wird dimes ,,letzte Werk" (S. 440) des Verfassers (sollten wir nicht auf einen Wortbruch hoffen?) so leicht nicht wieder aus der Hand legen kiSnnen, wenn er frier sic erst einmal begonnen hat zu lesen. Sicher wird der Leser - wie auch der Rezensent - staunend vor der Ffille der Gedanken, der Tatsachen - kurz vor der weitausgebreiteten Welt der Mathematik - stehen. Dem Rezensent ist es beinahe unerkl~idich, wie ein einzelner Mensch ein so umfangreiches Material sammeln, sichten, ordnen und in die vorliegende Form bringen kann. Dem Rezensent ist es daher im Rahmen einer Besprechung fast unmrglich, dem Polyhistor Helmut Kraeke gerecht zu werden. Er kann zu den einzelnen Kapiteln nur einige Anmerkungen machen. SchlieBlich soil ja eine Besprechung zum Lesen anregen und nicht das Lesen ersetzen. Nun zum Inhalt. Nach sieben ,,dem Buch und dem Leser vorgesetzten" Lesefriichten beginnt

Kapitel I: Mich diinkt, die Ahe spricht im Fieber. Ausgehend von Johann Wolfgang von Goethes Hexeneinmaleins, das viele ,,Deutobolde" (S. 13) besch~iftigt hat, weist der Autor insbesondere auf die Dissertation von J. Trumpp lain, deren Urfassung fiber 800 Schreibmaschinenseiten stark war und die 1948 mit dem Titel ,,Die Hexenkfiche des ,Faust' im Liehte axiomaler Wissenschaft" auf 248 Seiten verkfirzt zur Promotion ffihrte (S. 32). Dies als Beleg dafiir, dab der Autor sich nicht nur der ,,Leichen- kammem unseres Wissens", n~imlich der Lexika, bedient hat. (Wie der Autor einmal dem Besprecher erz~hlte, gehrrt er zu den wenigen Menschen, die - wenn auch vor langer Zeit - , sich durch alle Kammem einmal durchgelesen haben.)

Kapitel 2: Was ist mit diesem Riitselwort gemeint? Anagramme, Schfittelreime - dazwischen ein Hinweis auf ,,Genickbriiche der Wahrscheinlich- keit" (S. 46) wie LB. auf denjenigen, bei dem ,,1977 die Gewinnzahlen des bundesdeutschen Lottos gleich denen des nieded~indischen eine Woche vorher" waren - ffihren zu Permutationen aus Buchstabenansammlungen. Zu Permutationen des eigenen Namens bemerkt der Verfasser: ,,Sind derartige Anagramme Symbole ffir Spaltungen der Seele, die sich nach neuen Formen sehnt?" und ,,Kann man den Grad der eitlen Selbstbespiegelung an der Anzahl der Pseudonyme messen?" (S. 48). Es ist m.E. unwahrscheinlich, dab hier H. K. an sich selbst gedacht haben krnnte, denn wenn er auch Graf Tacke-Lehmkur (S. 49), Frau Luther-Kamcke (S. 69), Marc Kleuthke (S. 87), Frau Thekla Mucker (S. 87), Elmar Kutchke (S. 294), Cat Kuhmelker, T. Kuechelkram, IC K. Armleuchte (S. 335), Melkart Heuck (S. 391), K. C. Hemtklauer (S. 426), Mr. Keath Mc Klure (S. 443) zitiert (w i r zitieren ohne Anspruch auf Vollst~indigkeit), so handelt es sich hier doch nur um vergleichsweise wenige Permutationen. Leider ist die genaue Zahi der mrglichen Namen nicht angegeben, sic ist auf jeden Fall kleiner als 12! =479001600. Die

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Bevorzugung (diese Anmerkung sei erlaubt) der ersten Buchstaben C und K ffir die Vornamen, ffihrt, und das k6nnte C. IC Mathe-Ulker bemerkt haben, darauf zurfick, dab die Schreibweise Carl oder Karl ffir den Vornamen des prinzeps mathematicorum nicht ganz sicher ist: K: Goldene Copley-Medaille der Royal Society, MDCCCXXXVIII; Walter R. Fuchs, Knaurs Buch der modernen Mathematik 1966, S. 153, 281. C: u.a. Fuchs, a.a.O., S. 210, 235. Das Kapitel schliel3t mit Betrachtungen zum SATOR-AREPO-Quadrat, das als berfihmtestes Vierfach- palindrom gilt und das ,Legionen von Interpreten" kennt.

Kapitel 3: Mathemagie und Mathematik

Magische Quadrate, Leonhard Eulers lateinisch-griechische Quadrate und schliel31ich Gaul3sche Quadrate bilden den Inhalt dieses Kapitels. Wir n~ihem uns mehr und mehr mathematischen Fragestellun~en. Nach der Feststellung des Verfassers ,,Math macht matt" (S. 52) ist dieser allmiihliche ~bergang sicher zweckm~il3ig. In diesem Kapitel begegnen uns auch die Schicksals- zahlen 4, 7, 1, I. ,,Ordnet man n~imlich den 25 Buchstaben des deutschen Alphabets (i = j) die ersten 25 natfirlichen Zahlen zu, so ergibt die Summe der Buchstaben"

H + E + L + M + U + T + K + R + A + C + K + E = 8 + 5 + 11 + 12 + 20 + 19 + 10 + 17 + 1 + 3 + 10 + 5 = 121 = 7 4 + 4 7 = 1 1 . 1 1 .

(Das in diesem Buch so h~iufige Auftreten dieser Zahlen 4, 7, 1, 1 k6nnte zu einem Gesetz von C. K. Mathe-Ulker, wonach es Teilmengen der Menge aller in der Welt vorkommender Zahlen gibt, die nicht gleich verteilt sind, Anlal3 geben.) Wir erwiihnen noch das sogenannte 8-Damen- Problem, n~mlich acht Damen auf einem Schachbrett so aufzustellen, da6 sie sich nicht schlagen. Trotz 92 vorhandener L6sungen ist dies nicht ganz einfach. (Auf die in E. Netto, Combinatorik, 2. Aufl. enthaltenen allgemeinen Ausffihrungen zum n-Damen-Problem auf einem n2-Brett sei verwiesen.)

Kapitel 4.',~'rger mit Fermat

Von den Fermatschen Zahlen Fn = 22* + 1 ausgehend wird die grol3e Entdeckung des jungen Gaul~ im Jahr 1796 beschrieben, der nachwies, da6 das regelm~il$ige Vieleck mit F n Eeken dann mit Zirkel und Lineal kontruierbar ist, wenn Fn eine Primzahl oder Produkt solcher Primzahlen ist. Vor Beweisversuchen zum Grol3en Fermatschen Satz im Zusammenhang mit dem Wolfs- kehlschen Preis yon einstmals 100000 Goldmark wird eindringlich gewamt. Der Kleine Fermatsche Satz, der ffir ungerade Primzahlen p besagt, dab sich 2 p- 1 _ 1 stets ohne Rest durch p teilen l~il~t, bildet den SchluB dieses Kapitels.

Kapitel 5." Alles was lediglieh wahrseheinlich ist, ist wahrscheinlich falseh Kreisteilungsgleichung, Mersennezahlen und die ,,h6chstwahrscheinlich" richtige Goldbachsche Vermutung, wonach jede gerade Zahl auf mindestens eine Weise als Summe zweier Primzahlen darstellbar ist, ffihren zur Betrachtung von nur wahrscheinlich richtigen Aussagen, (z.B zur Frage, ob zwei Dreiecke deckungsgleich sind, wenn sie in zwei Seiten und allen drei Winkeln fibereinstimmen). Vor allem hat den Rezensent das Beispiel auf S. 110 beeindruckt. Dort werden die Gleichungen

2198 x - 2200 y = 1098 2198 x - 2200 y = 1098 2196x-2198y 1097 2196,002x-2198y 1097

einander gegenfibergestellt. Vertraut, seit Jahrzehnten mit Naherungen zu rechnen, h~itte auch der Rezensent auf praktische Gleichheit der L/Ssungen gesetzt. Sie lauten aber

x = 1 x = - 10,00 y 0,5 y = - 1 0 , 4 9 .

Kapitel 6: Achtung - Primzahl. t

Der Wilsonsche Satz, der mit seiner Aussage, dab ((n - 1)! + 1)/n genau dann ohne Rest ist, wenn ne ine Primzahl ist, einen Primzahltest darstellen wfirde, wenn dem nicht das rasche Wachstum von (n -1 ) ! im Wege stfinde, leitet fiber zur Frage nach der Anzahl n(x) der

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Primzahlen bis zur Zahl x. Es werden dann die Primzahlzwillinge betrachtet, wobei dem Sieb des Eratosthenes andere Siebe zur Gewinnung der Primzahlzwillinge gegeniibergestellt werden. Wenn nieht alles t~uscht, war der Veffasser an dieser Aufgabe nieht ganz unbeteiligt, wie der Hinweis ,,wie wohl es tut, sich selbst zitieren zu miissen" auf S. 132 vermuten l~il3t. Um die Ehrfurcht von den Primzahlen etwas zu reduzieren, wird auf die 1956 von St. M. Ulam u.a. entwickelten GliJckszahlen verwiesen. Auch sic kennen Zwillinge und eine ebenfalis nicht bewiesene entsprechende Goldbachsche Vermutung.

Kapitel 7: Dem alten Reich kam keines gleich (?) Mit der Cheops-Pyramide sind bekanntlich viele Wunder verbunden (z.B. Milch soil in pyramidalen Verpaekungen nieht sauer werden, gebrauchte Rasierklingen sollen in nach Norden ausgerichteten Pyramiden wieder scharf werden), so ist es zu begriiBen, dab S. 151 einen Bauplan enth~ilt. Die versehiedenen Theorien fiber die Baumal3e werden besprochen und auf die im Altertum bekannten N~iherungen fiir n eingegangen.

Kapitel 8: (Zwischenspiel) Siebenmal yon der siebenseltsamen Sieben Von den sieben Planeten bis hin zur Sieben in Buchtiteln wird vieles fiber die Sieben gesagt. Wir vermerken besonders, dab der Autor ein Anh~inger von Karl May (7 Buchstaben) gewesen ist (S. 193).

Kapitel 9: Was spinnen und singen sie nicht? Dieses Kapitel ist denjenigen Laien sozusagen gewidmet, die sich immer wieder an der Wiirfel- verdopplung, an der Quadratur des Kreises, an der Circulatur des Quadrats (ein prominenter Versucher vg. S. 427) oder an der Winkeldreiteilung versucht haben. Da 1672 bereits festgestellt wurde, dab bei allen mit Zirkel und Lineal 16sbaren Konstruktionen der Zirkel allein schon geniigt, wundert die auf S. 199 zitierte ,~ul3erung von Hundertwasser nicht. Erstaunlich die Giite der N~iherungswerte fiir n auf S. 220.

Kapite110: Aus der mathematischen Hexenkiiche 13berrasehendes zu unendlichen Reihen, wie einleitend ausgefiihrt, optische Tiiuschungen wie die ,,bezaubemde" Konstruktion (der man auch dann erliegt, wenn man sic selbst gezeichnet hat) auf S. 236, elementare Aufgaben mit Fallstricken, die Konstruktion der Bienenwaben, Exkurs fiber platonische K6rper, das Vierfarbenproblem fi~gen sieh in diesem Kapitel zu einem bunten Reigen, der zu eigenem Tun anregt: fiir ,,alle, die nieht nach dem Zweck, sondern nach dem Sinn fragen, und etwas tun wollen, was zwar einen Sinn hat, aber keinen Zweck" (S. 236).

Kapite111: Welches ist die griJflte Zahl? Dieses Kapitel soil das Bediirfnis erl~iutem, sehr grol3e Zahlen ,,in den GriN' zu bekommen. Bekannt sind jedem die Weizenkfmer auf dem Schachbrett, ihre Verdopplung von Feld zu Feld fiihrt zu 2 u - 1 KSmer insgesamt. Die gr6Bte uns bekannte Primzahl ist 244497 - 1, eine Zahl mit 13395 Stellen (S. 274). Scherzhaft wird als gr6Bte dreistellige Zahi oft 9 (gD) --9357420489 genannt. Wir diirfen auf die Verdeutlichung dieser Zahl durch den Verfasser hinweisen (S. 294). Ein erstes System wird mit der Ackermann-P~ter-Funktion (S. 283) vorgestellt. - Besonders weisen wir auf einen Ausspruch von Wolfgang Sachs (S. 283) und auf eine schon um 650 gestellte Aufgabe (kleinste ganzzahlige L6sung von x 2 - 92 y2 = 1 mit y < 180 als Hilfe; S. 288) hin.

Kapite112: Seid sparsam im Denken Kurd LaBwitz hatte 1904 seine ,,Universalbibliothek" geschildert, die sich aus s~imtlichen Variationen mit Wiederholungen der zugelassenen Buchstaben, Ziffern usw. ergibt, wenn man jeden Band mit 1 Million Buchstaben auf 500 Seiten ausstattet Diese Bibliothek wiirde 102oooooo B~nde umfassen. Der Verfasser nennt die Biieher, deren Inhalt ihn sehr interessieren wiirde (S. 303), leider besitzt auch er keine Methode, die ihn die richtigen Inhalte erkennen l~il3t. An vielen Beispielen aus der Literatur zeigt er, dab manches aus der LaBwitz-Bibliothek stammen k6nnte.

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Kapite113: MeBbare Unendlichkeiten Der Autor schliigt vor, alle Zahlen Z in die Form Z = 10 (l~ zu bringen, dann ist z = lg lg Z. Wir bringen aus der auf S. 327-333 angegebenen Liste einige Beispiele

Gesamtheit der Sterne in der Milchstral3e (10 I1) alle m6glichen Bridgespiele alle m/Sgliehen Skatspiele Sehaehbrett-Weizenk6rner

z = 1,041 1,072 1,189 1,285

2,847 3,410 8,568

70,5

gr6Bte 1979 bekannte Primzahlzwillinge 1000~ 9(99)

mehr m6gliche Schachspiele gibt es vermutlich nicht.

Kapite114." Du kannst nicht bis gig zfihlen Die Menge der natfirlichen Zahlen und die Menge der rationellen Zahlen sind abz~ihlbare Mengen der M~ichtigkeit Aleph O; dagegen ist die Menge der irrationalen Zahlen nicht mehr abz~hlbar, sie ist von der Miichtigkeit Aleph 1 > Aleph O. Der Autor macht den Leser nun mit den Grundzfigen der Theorie yon E. W. Wette bekannt, die als eine Konsequenz zeigt, ,,dab bloB bis zu einer endlichen Grenze (wenn sie auch unvorstellbar weit entfernt liegt) beim Operieren mit Zahlen keine Widersprfiche auftauchen" (S. 354). Eine solche Theorie wiirde u.a. das Prinzip der vollst~indigen Induktion von n auf n + 1 nicht verwenden k6nnen. Sie erfordert weiter ein endliches Weltbild. Wir k6nnen nicht entscheiden, ob die Wettesche Theorie die richtige, allumfassende Theorie ist, wir k6nnen mit dem Autor nur sehen, wie weit mathemati- sche Spekulation tragen kann.

Kapite115." Die Mathematik, dein Feind?

Kapite116." Die Mathematik, dein Freund? Gleichsam zur Erholung, dennoch nicht leichter zu lesen, beschlieBen die beiden letzten Kapitel den Bogen, den der Autor fiber seine Knobelisken gespannt hat. Die Fiille der Gedanken und Gedankensplitter - v o n Thomas Mann bis Oswald Spengler - kann nicht ann~ihemd wiederge- geben werden. So bleibt nur der Bitte des Verfassers auf S. 440, der letzten Seite (die folgenden zwei fibergehen wir, sie sollen vermutlieh nur Widerspruch auslSsen), zu entsprechen - mit einem Dank daffir, dab er seine mathe-musischen Sch~itze vor uns ausgebreitet hat.

Georg Reichel (G6ttingen)

Jean A. Dieudonn~: G r u n d z f i g e de r m o d e r n e n A n a l y s i s , Band 7, Friedrich Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden 1982, 314 S., DM 68,-.

In der mehrbandigen Reihe der deutschen Ubersetzungen des franz6sischen Werks ,,l~16ments d'Analyse" von Jean Dieudonn~ ist nun auch Band 7, der den ersten Teil des sehr umfangreichen 23. Kapitels der franzfsischen Originalausgabe enth~ilt, erschienen. Dieses 23. Kapitel tr~igt die Gesamtfiberschrift ,,Lineare Funktionalgleichungen", wobei in diesem Band nur der Abschnitt ,,Pseudodifferentialoperatoren" behandelt wird. Aufbauend auf den vorangehenden Kapiteln in den friiheren B~inden wird in diesem Band die Theorie der klassischen partiellen linearen Differentialgleichungen durch ihre Verknfipfung mit modernen Begriffen der Funktionalanalysis und der Distributionentheorie auf Mannigfaltigkeiten in einen weit allgemeineren Rahmen gestellt. Die ersten Paragraphen dieses Bandes befassen sich mit dem sehr allgemein gefaBten Begriff der durch Kernfunktionen bzw. -distributionen definierten Integraloperatoren, dabei vor allem den Volterraschen und den Carlemanschen Operatoren. In erster Linie werdefi gewisse ,,Regularitiits- eigenschaften" untersucht; durch die Einffihrung des singul~iren Mikrotr/igers wird auBerdem das Verhalten der Fouriertransformierten der Kerndistribution miteinbezogen.

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Wie durch den Untertitel dieses Buches schon angedeutet, liegt jedoch das Hauptgewicht dieses Bandes bei einer speziellen Klasse von Integraloperatoren, den sogenannten Pseudodifferential- operatoren, die in den anschliel3enden Paragraphen betrachtet werden. Es handelt sich dabei um gewisse Lax-Maslovsche Operatoren, das sind Integraloperatoren, deren Kerndistributionen bzgl. ihrer Fouriertransformierten gewisse Bedingungen erfiillen. Die Klasse der Pseudodifferentialope- ratoren umfaBt die Differentialoperatoren und einige weitere Typen von Integraloperatoren. Durch die Zuordnung eines sogenannten Symbols zu jedem Pseudodifferentialoperator und des- sen Eigenschaften werden besondere Klassen solcher Operatoren unterschieden, vor allem die der regularisierenden und der elliptischen, zu denen beispielsweise der Laplace-Operator geh6rt. Fiir die elliptischen Operatoren wird die Existenz einer ,,angen~iherten Inversen" nachgewiesen, ein sehr wichtiges Hilfsmittel bei der L/Ssung von Pseudodifferentialgleichungen. Den Abschlul3 dieses ersten Teils des 23. Kapitels bildet die spektraltheoretische Untersuchung der hermiteschen elliptischen Pseudodifferentialoperatoren, d.h. die Frage nach verallgemeiner- ten Eigenfunktionen und dem Spektrum, und die Behandlung der invarianten Differentialopera- toren auf homogenen Raumen von Lie-Gruppen, durch die die bzgl. Bewegung invarianten Pro- bleme erfalSt werden. Die hier vorgenommene allgemeine und umfassende Darstellung eines wichtigen Teils der The- matik der partiellen linearen Differentialgleichungen spricht durch ihren teilweise sehr hohen Ab- straktionsgrad sicher vor allem Mathematiker an, die an der exakten Einbettung praktischer Pro- bleme in allgemeine Zusammenh~inge interessiert sind. Da jedoch der Praktiker wegen der Schwierigkeiten bei der L6sung partieller linearer Differentialgleichungen auf die Dauer nicht den klassischen Begriffen allein verhaftet bleiben kann, ist vorstellbar, dab auch ihm durch dieses Buch, das zudem wie alle vorangehenden B~inde eine FiJlle von Beispielen enth~ilt, wertvolle Anre- gungen zuteil werden.

Lilian Asam (Gauting)

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