BUCHBESPRECHUNGEN DER VERKEHRSJURIST ......einschließlich MPU werden ebenfalls behandelt,...

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Gleichwohl muss sich die Rechtsdogmatik weiterhin mit diesem seltsamen Konstrukt eines Einstehenmüssens für fremdes Fehlverhalten beschäftigen, weil über andere EU- Staaten oder eine „deutsche Lösung“ die Gefahr droht, dass deutsche Fahrzeughalter eines Tages vielleicht doch schuldlos zur Kasse gebeten werden. Die gegenwärtige Diskussion erfolgt vor allem unter zwei Aspekten: 1. Lässt das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsge- richts vom 30.06.2009 (NJW 2009, 2067) überhaupt eine von der EU kraft der ihr zugewachsenen Kompetenzen eingeführte europaweite Halterhaftung mit Wirkung auch für deutsche Fahrzeughalter zu oder könnte bzw. müsste sich die deutsche Regierung einem solchen „Übergriff“ in den rechtsstaatlichen Kernbereich des Grundgesetzes verweigern? 2. Ist durch das voraussichtlich zum 01.10.2010 in Kraft tre- tende Geldsanktionsgesetz mit seinen Regeln zur grenz- überschreitenden Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen wirklich sichergestellt, dass ausländische Be- scheide, die Bestimmungen über die Halterhaftung im weitesten Sinne zur Grundlage haben, in Deutschland nicht vollstreckt werden dürfen bzw. können? Auf das Lissabon-Urteil muss nochmals besonders hinge- wiesen werden, weil Gegnern einer Halterhaftung gerne übertriebener Dogmatismus und Festhalten an (überhol- ten?) Rechtsgrundsätzen zum Vorwurf gemacht wird, nach dem Motto, andere europäische Staaten hätten schließlich derartige „Skrupel“ nicht. Solcher augenscheinlichen Gleichgültigkeit gegenüber unserer gewachsenen Rechts- kultur lässt sich mit dem Bundesverfassungsgericht Fol- gendes entgegenhalten: „Die Zuständigkeiten der Europäischen Union im Bereich der Strafrechtspflege müssen zudem in einer Weise ausge- legt werden, die den Anforderungen des Schuldprinzips ge- nügt. Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz. Dieser setzt die Eigenverantwortung des Menschen voraus, der sein Handeln selbst bestimmt und sich kraft seiner Wil- lensfreiheit zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann. Dem Schutz der Menschenwürde liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und zu entfalten. Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege bestimmt Art. 1 I GG die Auffassung vom Wesen der Strafe und das Verhältnis von Schuld und Sühne. Der Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt, hat seine Grundlage damit in der Menschenwürdegarantie des Art. 1 I GG. Das Schuldprin- zip gehört zu der wegen Art. 79 III GG unverfügbaren Verfassungsidentität, die auch vor Eingriffen durch die supranational ausgeübte öffentliche Gewalt ge- schützt ist.“ ACE AUTO CLUB EUROPA AUSGABE 2/2010 DER VERKEHRSJURIST Rechtszeitschrift des ACE in Zusammenarbeit mit Straßenverkehrsrecht (SVR) INHALT Zu aktuellen Themen Halterhaftung und EU-Vollstreckung ................................................................... 1 Rechtsprechung Fluggastrechte .................................................................................................. 4 Reparaturerfordernis bei 130 %-Grenze ............................................................ 5 Unfallersatztarif ................................................................................................ 7 Schätzgrundlage bei Mietwagenkosten ............................................................... 10 Anzeigepflicht gegenüber Kasko-Versicherer ..................................................... 13 Unerwartete Erkrankung .................................................................................. 15 Verwertungsverbot für VZR-Voreintragungen .................................................... 17 Radarmessgerät „Multanova VR 6F“ ................................................................ 19 Verkehrsrecht in Kürze Nutzungswertersatz bei Verbrauchsgüterkauf ................................................... 21 Hinweis auf Zwischenhändler ........................................................................... 21 Sorgfaltspflicht des Einparkers .......................................................................... 21 Lasermessung .................................................................................................. 21 Kreisverkehr ..................................................................................................... 21 Hinweispflicht auf Fahrverbot ........................................................................... 22 Gemeinsamer „Unfallbericht“ .......................................................................... 22 Verletzung der sog. halben Vorfahrt .................................................................. 22 Alleinhaftung des Fußgängers .......................................................................... 22 Kaskoschutz bei Diebstahl ................................................................................ 22 Missachten eines Stoppschildes ........................................................................ 22 Garage und Hausratversicherung ...................................................................... 22 Arglist beim Gebrauchtwagenverkauf ............................................................... 22 Nichtbeachtung der Durchfahrtshöhe ............................................................... 22 Buchbesprechungen Straßenverkehrsrecht ........................................................................................ 23 Die Fahrerlaubnis in der anwaltlichen Beratung ................................................ 23 Versicherungsrecht im Straßenverkehr .............................................................. 23 Berechnung von Personenschäden ................................................................... 24 Halterhaftung und EU-Vollstreckung Die Halterhaftung im fließenden Verkehr, von manchen zum Allheilmittel gegen den Raser- und Drängler- Virus hochstilisiert, hat in Deutschland auch nach dem Verkehrsgerichtstag in Goslar wenig Chancen auf eine Realisierung, jedenfalls, soweit man dabei die verschuldensunabhängige bußgeldrechtliche Verant- wortlichkeit des Fahrzeughalters für die mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstöße im Blick hat. Gute Fahrt. Wir sind dabei.

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den Quotelungsmodellen, nachdem bereits erste einschlä-gige Gerichtsentscheidungen veröffentlicht worden sind.

Ein überaus gelungener Leitfaden für Praktiker jederCouleur, an dem es eigentlich nichts zu verbessern gibt.

Berechnung von Personenschäden von Frank Pardey, 4., völlig neu bearbei-tete und erweiterte Auflage 2010, XXI,720 Seiten, gebunden € 79,95. Erschie-nen im C.F. Müller Verlag, Heidelberg.ISBN: 978-3-8114-3524-7

Bereits in der 4. Auflage erscheintein Grundlagenwerk zur Berech-nung von Personenschäden, selbst-

verständlich überarbeitet und aktualisiert. DasThemenfeld ist entsprechend dem Gegenstand breit ge-streut und beinhaltet insbesondere Mobilität, Pflege, be-rufliche Rehabilitation sowie den Hausarbeits- undHaushaltsführungs- schaden. Der Praktiker findet eine

Fülle von Berechnungsvorschlägen, die es ihm ermögli-chen, die Herausforderungen einer konkreten oder pau-schalierenden Berechnung in den Griff zu bekommen. ImÜbrigen basieren die Ausführungen auf der aktuellen Ge-setzgebung, der relevanten Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs sowie der Obergerichte undEingangsgerichte. Vollständigkeit und Aktualität der Aus-führung zur Schadenermittlung sind damit gewährleistet.

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Niemand sollte auf ein so vorzügliches Werk in so vorzüg-licher Präsentation verzichten, zumal im Bereich der Per-sonenschäden, die der juristischen Kompetenz desbearbeitenden Rechtsanwalts oft alles abverlangen.

Gleichwohl muss sich die Rechtsdogmatik weiterhin mitdiesem seltsamen Konstrukt eines Einstehenmüssens fürfremdes Fehlverhalten beschäftigen, weil über andere EU-Staaten oder eine „deutsche Lösung“ die Gefahr droht,dass deutsche Fahrzeughalter eines Tages vielleicht dochschuldlos zur Kasse gebeten werden.

Die gegenwärtige Diskussion erfolgt vor allem unter zweiAspekten:

1. Lässt das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsge-richts vom 30.06.2009 (NJW 2009, 2067) überhaupt einevon der EU kraft der ihr zugewachsenen Kompetenzeneingeführte europaweite Halterhaftung mit Wirkung

auch für deutsche Fahrzeughalter zu oder könnte bzw.müsste sich die deutsche Regierung einem solchen„Übergriff“ in den rechtsstaatlichen Kernbereich desGrundgesetzes verweigern?

2. Ist durch das voraussichtlich zum 01.10.2010 in Kraft tre-tende Geldsanktionsgesetz mit seinen Regeln zur grenz-überschreitenden Vollstreckung von Geldstrafen undGeldbußen wirklich sichergestellt, dass ausländische Be-scheide, die Bestimmungen über die Halterhaftung imweitesten Sinne zur Grundlage haben, in Deutschlandnicht vollstreckt werden dürfen bzw. können?

Auf das Lissabon-Urteil muss nochmals besonders hinge-wiesen werden, weil Gegnern einer Halterhaftung gerneübertriebener Dogmatismus und Festhalten an (überhol-ten?) Rechtsgrundsätzen zum Vorwurf gemacht wird, nachdem Motto, andere europäische Staaten hätten schließlichderartige „Skrupel“ nicht. Solcher augenscheinlichenGleichgültigkeit gegenüber unserer gewachsenen Rechts-kultur lässt sich mit dem Bundesverfassungsgericht Fol-gendes entgegenhalten:

„Die Zuständigkeiten der Europäischen Union im Bereichder Strafrechtspflege müssen zudem in einer Weise ausge-legt werden, die den Anforderungen des Schuldprinzips ge-nügt. Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz.Dieser setzt die Eigenverantwortung des Menschen voraus,der sein Handeln selbst bestimmt und sich kraft seiner Wil-lensfreiheit zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann.Dem Schutz der Menschenwürde liegt die Vorstellung vomMenschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, dasdarauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen undzu entfalten. Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege bestimmtArt. 1 I GG die Auffassung vom Wesen der Strafe und dasVerhältnis von Schuld und Sühne. Der Grundsatz, dass jedeStrafe Schuld voraussetzt, hat seine Grundlage damit in derMenschenwürdegarantie des Art. 1 I GG. Das Schuldprin-zip gehört zu der wegen Art. 79 III GG unverfügbarenVerfassungsidentität, die auch vor Eingriffen durch diesupranational ausgeübte öffentliche Gewalt ge-schützt ist.“

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ACE AUTO CLUB EUROPA

AUSGABE 2/2010

DER VERKEHRSJURISTRechtszeitschrift des ACE in Zusammenarbeit mit Straßenverkehrsrecht (SVR)

INHALTZu aktuellen ThemenHalterhaftung und EU-Vollstreckung ................................................................... 1

RechtsprechungFluggastrechte .................................................................................................. 4Reparaturerfordernis bei 130 %-Grenze ............................................................ 5Unfallersatztarif ................................................................................................ 7Schätzgrundlage bei Mietwagenkosten ............................................................... 10Anzeigepflicht gegenüber Kasko-Versicherer ..................................................... 13Unerwartete Erkrankung .................................................................................. 15Verwertungsverbot für VZR-Voreintragungen .................................................... 17Radarmessgerät „Multanova VR 6F“ ................................................................ 19

Verkehrsrecht in KürzeNutzungswertersatz bei Verbrauchsgüterkauf ................................................... 21Hinweis auf Zwischenhändler ........................................................................... 21Sorgfaltspflicht des Einparkers .......................................................................... 21Lasermessung .................................................................................................. 21Kreisverkehr ..................................................................................................... 21Hinweispflicht auf Fahrverbot ........................................................................... 22Gemeinsamer „Unfallbericht“ .......................................................................... 22Verletzung der sog. halben Vorfahrt .................................................................. 22Alleinhaftung des Fußgängers .......................................................................... 22Kaskoschutz bei Diebstahl ................................................................................ 22Missachten eines Stoppschildes ........................................................................ 22Garage und Hausratversicherung ...................................................................... 22Arglist beim Gebrauchtwagenverkauf ............................................................... 22Nichtbeachtung der Durchfahrtshöhe ............................................................... 22

BuchbesprechungenStraßenverkehrsrecht ........................................................................................ 23Die Fahrerlaubnis in der anwaltlichen Beratung ................................................ 23Versicherungsrecht im Straßenverkehr .............................................................. 23Berechnung von Personenschäden ................................................................... 24

Postvertriebsstück E 6475 Entgelt bezahlt

Der Verkehrsjurist des ACE erscheint viermal imJahr und berichtet über die verkehrsrechtliche Ent-wicklung und aktuelle Recht sprechung. Der Bezugpreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.Herausgeber: ACE Auto Club Europa e. V., Vorsit-zender: Wolfgang RoseVerlag:ACE-Verlag GmbH, Geschäftsführer: Erwin BraunRedaktion: Rechtsanwalt Volker Lempp (verantwortlich für den Inhalt)Gestaltung: ACE-WerbungAnschrift: Schmidener Straße 227, 70374 Stuttgart, Tel. 0711 5303-185 Internet: www.ace-online.de, E-Mail: [email protected] Nachdrucke mit Quellenangaben sind mit unsererZustimmung gerne gestattet.

IMPRESSUM

BUCHBESPRECHUNGEN

Halterhaftung und EU-VollstreckungDie Halterhaftung im fließenden Verkehr, von manchen zum Allheilmittel gegen den Raser- und Drängler-Virus hochstilisiert, hat in Deutschland auch nach dem Verkehrsgerichtstag in Goslar wenig Chancen aufeine Realisierung, jedenfalls, soweit man dabei die verschuldensunabhängige bußgeld rechtliche Verant-wortlichkeit des Fahrzeughalters für die mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstöße im Blick hat.

Gute Fahrt. Wir sind dabei.

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Damit hat das höchste deutsche Gericht ein weiteres Malklargestellt, dass der Grundsatz „Keine Strafe ohneSchuld“ (Schuldprinzip) zu dem durch Art. 79 III GG ge-schützten grundrechtlichen Mindeststandard gehört undauch nicht auf dem Altar der europäischen Integration ge-opfert werden darf. Rechtsakte der Europäischen Union,die diese wegen Art. 79 III GG unverfügbare Verfas-sungsidentität des Grundgesetzes missachten, können inDeutschland keine Rechtswirksamkeit entfalten (vgl.Brenner, DAR 2010, 127).

Dies erstreckt sich, nach wohl einhelliger Auffassung, auchauf Sanktionen, die nicht im eigentlichen Strafrecht, son-dern im Ordnungswidrigkeitenrecht ihre Grundlagehaben, das ebenfalls dem Rechtsstaatsprinzip unterliegtund insoweit der Identität des Grundgesetzes gem. Art. 19Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 u. 3 GG zuzuordnen ist.

Auch dies entspricht der in der Vergangenheit wiederholtzum Ausdruck gebrachten Auffassung des Bundesverfas-sungsgerichts, das das in Art. 19 III i.V.m. Art. 2 und 3 GGverankerte Rechtsstaatsprinzip mit einem Grundsatz„Keine Strafe ohne Schuld“ als unantastbaren Grundsatzallen Strafens durchgehend gewahrt wissen will, auch voneinem supranationalen Gesetzgeber. Wie immer die Sank-tionen im Ordnungswidrigkeitenrecht ausgestaltet sind –und sie haben in ihren Folgen keineswegs immer „Baga-tellcharakter“ –: Dass es sich dabei um schuldgebundeneStrafen handelt, die sich nicht wesensmäßig von straf-rechtlichen Sanktionen unterscheiden, wird niemandernsthaft bestreiten wollen (vgl. Albrecht, DAR 2010, 188).Trotz dieser eindeutigen Verfassungslage wird auch weiterhin über mittelbare Formen der Halterhaftung dis-kutiert, sei es durch eine Ausweitung der Kostentragungs-pflicht des Halters gem. § 25a StVG, sei es durch einesanktionsbewehrte Auskunftspflicht des Fahrzeughaltersnach österreichischem Muster (die Brenner a.a.O. eben-falls für verfassungswidrig hält, als „mittelbare Ahndung“eines dem Halter nicht zurechenbaren Fehlverhaltens).Mittelbare Auswirkung auf die Rechtsposition des Halterskönnte auch der geplante Halterdatenaustausch bei imautomatisierten Verfahren festgehaltenen Verkehrsver-stößen haben (Albrecht a.a.O. 2010, 188). Während es sichhierbei aber eher um „Zukunftsmusik“ handelt und nichtsdafür spricht, dass der deutsche Gesetzgeber irgendwanneinmal den Grundsatz der Fahrerverantwortlichkeit inFrage stellen könnte, betrifft die Auswirkung der in ande-ren EU-Staaten praktizierten Halterhaftung auf die grenz-überschreitende Vollstreckung nach dem neuenGeldsanktionsgesetz den deutschen Fahrzeughalter un-mittelbar, könnte sich dadurch doch die Hintertür für eineeuropaweite Halterhaftung öffnen.

Wer den vorliegenden Gesetzentwurf zur Einfügung derEU-Vorschriften im Rahmenbeschluss des Rats vom

24.02.2005 (RBGeld) in das Gesetz über die internatio-nale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), das sog. Geldsank-tionsgesetz, durchblättert, wird Mühe haben, auf Anhiebeine Regelung über die Behandlung von Erkenntnissen zufinden, die den Fahrzeughalter betreffen. Dies ist ein un-befriedigender und misslicher Zustand, da das Problemschließlich bekannt und vielfach diskutiert ist. Die Auto-fahrer, die durch das neue Recht ja erst einmal massiv zurKasse gebeten werden sollen, können, jedenfalls aus deut-scher Sicht, eine unmissverständliche Klarstellung ihrerRechtsposition erwarten.

Die Begründung des Gesetzesentwurfs sieht die Lösungdes Problems in dem neuen § 87 d IRG, der zwar die Voll-streckungsbehörde des ersuchten Staates grundsätzlichzur Bewilligung des ausländischen Vollstreckungsersu-chens verpflichtet, andererseits aber in bestimmten FällenAblehnungen zulässt.

Abs. 2 dieser Bestimmung lautet:

„Die Bewilligung eines zulässigen Ersuchens um Voll-streckung einer Geldsanktion kann zudem abgelehnt wer-den, wenn die betroffene Person in dem ausländischenVerfahren keine Gelegenheit hatte einzuwenden, für die derEntscheidung zugrundeliegende Handlung nicht verant-wortlich zu sein, und sie dies gegenüber der Bewilligungs-behörde geltend macht.“

Welche Gründe es auch immer gegeben haben mag, dassman sich hier für eine bloße „Kann-Bestimmung“ ent-schieden hat – in der Sache scheint schwer ein Fall vor-stellbar, wo das pflichtgemäße Ermessen der Behörde vordem Hintergrund der deutschen Verfassungslage nichtautomatisch auf „null“ reduziert wäre, jedenfalls soweit essich eindeutig um Straferkenntnisse „ohne Schuld“ han-delt. Weshalb dann überhaupt eine bloße Ermessensvor-schrift?

Stattdessen macht die Bestimmung in fragwürdiger Weiseein Absehen von der Bewilligung von zusätzlichen Vor-aussetzungen abhängig. Hatte der Betroffene Gelegenheit,seine Verantwortlichkeit für den Verstoß zu bestreiten, hater dies aber nicht getan oder wurde er gleichwohl alsschuldloser Halter (oder Fahrer) verurteilt, soll ihm derEinwand gegen die beantragte Bewilligung der Vollstre-ckung ebenso abgeschnitten sein, wie wenn eine Geltend-machung gegenüber der Bewilligungsbehörde unterbleibt.Eine recht komplizierte und „auslegungsfähige“ Regelung,die auch weit hinter dem zurückbleibt, was bislang im Voll-streckungshilfeverkehr mit Österreich praktiziert wurde.Dort wurden Strafverfügungen wegen Nichterteilung derLenkerauskunft eben in Deutschland nicht vollstreckt unddamit die deutschen Fahrzeughalter im wünschenswertenUmfang vor einer Nichtbeachtung des deutschen „ordrepublic“ durch einen Mitgliedsstaat geschützt.

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AKTUELL

Straßenverkehrsrecht von Norman M. Spreng, Dirk Kimmeskamp und Stefan Dietrich,Beck-Rechtsberater im dtv, 2. Auflage, 480 Seiten, € 17,90. Erschienen im C.H. Beck Verlag, München. ISBN: 978-3-423-50633-5

Auf 480 Seiten bieten die Ver-fasser eine leicht verständlicheEinführung in die wichtigstenAspekte des Verkehrsrechts.Dabei liegt der Schwerpunkt aufden Verkehrsverstößen (ein-schließlich der Verkehrsstrafta-ten) und der Schaden-regulierung nach Unfällen. Vorallem in diesen Bereichen kannsich bei den Verkehrsteilneh-mern von heute auf morgen Be-ratungsbedarf oder dieNotwendigkeit einer gerichtli-

chen Interessenvertretung ergeben. Die vielfältigen Fra-gen um Alkohol und Drogen im Straßenverkehreinschließlich MPU werden ebenfalls behandelt, natürlichnicht erschöpfend, aber im Sinne einer Erstorientierung,die geeignet ist, das Geschehen für den verunsichertenTäter erst einmal durchschaubar zu machen.

Dabei ist der Ratgeber von kompetenten Rechtsanwältengeschrieben, die wissen, wovon sie reden, und juristischversiert argumentieren, ohne jede Simplifizierung oderAnbiederung beim rechtsunkundigen Leser. Die Lektüreist also anspruchsvoll und erfordert konzentriertes Mit-denken. Dann wird manchem ein Licht aufgehen überFakten und Zusammenhänge, die zwar Allgemeingut derkraftfahrenden Bevölkerung scheinen, aber vielfach falschverstanden oder interpretiert werden.

Spreng, Kimmeskamp und Dietrich rücken die Dinge klar und sind die beste Waffe gegen unverdaute Stammtischweisheiten. Hier stimmt einfach alles – auchder Preis.

Die Fahrerlaubnis in deranwaltlichen Beratung von Hans Buschbell und Dr. Hans Dieter Utzelmann, 4. Auflage 2009, 676 Seiten, € 80,00. Erschienen bei Deutscher Anwalt-verlag, Bonn. ISBN: 978-3-8240-0982-4

Dem Rechtsanwalt wird in Fahrer-laubnissachen eine umfassende Bera-tung abverlangt, die über die rein

juristische Seite – die kompliziert genug ist – hinausgeht.Der Mandant will nicht nur wissen, ob die beanstandete

Führerscheinmaßnahme rechtens ist, sondern ihn interes-siert vor allem, auf welchem Wege er am schnellsten undsichersten wieder zu einer Fahrerlaubnis kommt, wie erselbst diesen Prozess fördern kann und auf was er sich beider Anordnung einer MPU einstellen muss.

Leider gibt es in der juristischen Fachliteratur wenigeWerke, die diese Thematik entsprechend umfassend be-handeln. Deshalb ist es zu begrüßen, dass dieses Hand-buch, verfasst von den zwei bewährten MPU-PraktikernBuschbell und Utzelmann, jetzt wieder neu aufgelegt wor-den ist. Es enthält einen ausführlichen dritten Teil zu me-dizinisch-psychologischen Aspekten der Eignung, denjeder Verkehrsrechtsanwalt mit Gewinn lesen wird. Dievon Rechtsanwalt Buschbell bearbeiteten juristischenTeile überzeugen vor allem durch ihre Konzentration aufdas in der anwaltlichen Praxis Wesentliche und die zahl-reichen, in den Text eingearbeiteten Schaubilder und Mus-terschreiben.

So gehört das Buch in der Reihe „AnwaltsPraxis“ zu denHighlights, auf die kein Verkehrsrechtler verzichten sollte.

Versicherungsrecht im Straßenverkehr von Dr. Michael Burmann, Dr. Rainer Heß, LL.M und Kerstin Stahl,2010, XV, 223 Seiten, kartoniert € 28,00. Erschienen im VerlagFranz Vahlen, München. ISBN: 978-3-8006-3675-4

Mit der VVG-Reform, die auch schonwiederholt den Verkehrsgerichtstag inGoslar beschäftigt hat, ist das Kraft-fahrtversicherungsrecht nicht über-sichtlicher geworden. Auf praktischallen Ebenen gibt es Neuerungen, angefangen bei dem Abschluss von Versicherungsverträgen bis zu den Obliegenheitsverletzungen und zur Regressproblematik (Alles-oder-Nichts-Prinzip).

„Versicherungsrecht im Straßenver-kehr“ ist deshalb eine Pflichtlektürefür jeden, der sich schnell und zuver-

lässig mit der schwieriger und komplexer gewordenenRechtslage vertraut machen will.

Haftpflicht- und Kaskoversicherung werden umfassendbehandelt, die Unfallversicherung in ihren wesentlichenGrundzügen. Dabei sind die neuen Vorschriften druck-technisch hervorgehoben im Wortlaut wiedergegeben. Siesind Ausgangspunkt der Kommentierung, die auch sonstdie Neuerungen durchweg besonders herausstellt und sodie Unterschiede zum alten Recht deutlich macht. Von In-teresse sind dabei natürlich vor allem die Ausführungen zu

BUCHBESPRECHUNGEN

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Gerade die österreichische Praxis mit Lenkerauskunft undStrafverfügung ist aber von dem neuen § 87 d IRG mögli-cherweise gar nicht erfasst. Wer eine nach österreichi-schem Recht obligatorische und bußgeldbewehrteLenkerauskunft nicht erteilt – in welchem rechtlichen Zu-sammenhang auch immer – handelt schließlich schuldhaft,und zwar vorsätzlich. Soll einer daraufhin erlassenen Straf-verfügung die Vollstreckungsbewilligung versagt werden,wäre das zwar möglicherweise von Sinn und Zweck des § 87 d IRG gedeckt, aber sicherlich nicht im Sinne des er-suchenden Staates, sodass zumindest fraglich und für denBetroffenen unsicher wäre, wie die Vollstreckungsbehördein einem solchen Fall ihr Ermessen ausüben würde.

Geht man vom Lissabon-Urteil des Bundesverfassungs-gerichts aus, so ist auch bei Vollstreckungsakten innerhalbder EU und über die Grenzen ihrer Mitgliedsstaaten dieVerfassungsidentität des Grundgesetzes mit ihrem unan-tastbarem Kerngehalt zu beachten und muss deshalb auchdie Wahrung des Schuldprinzips durch entsprechende Ver-fahrensgarantien und nicht nur „kosmetisch“ sicherge-

stellt sein. Ob die derzeit vorgesehene Regelung in § 87 dIRG dem in ausreichendem Maße gerecht wird, muss be-zweifelt werden. Der Nachweis eines Vollstreckungshin-dernisses wegen Verletzung des Schuldprinzips und derVoraussetzungen einer „Ausnahme“ sind weitgehend demBetroffenen zugewiesen, zumal der ersuchende Staat nichtgehalten ist, bei seinem Vollstreckungsersuchen hierzu nä-here Angaben zu machen. So besteht die ernsthafte Mög-lichkeit, dass ein weiteres Mal die Umsetzung einesRahmenbeschlusses über die strafrechtliche Zusammen-arbeit der verfassungsrechtlichen Überprüfung nichtstandhält. Eine Revision des vorliegenden Entwurfs unterdiesem Aspekt wäre deshalb zu empfehlen.

Hinweis: Der Verfasser ist zusammen mit Dr. SebastianTrautmann, Staatsanwalt, zzt. Bundesministerium der Justiz,und Carsten Krumm, Richter am Amtsgericht, Verfasser einerEinführung in die Praxis des neuen Geldsanktionsgesetzes,die in Kürze im Nomos Verlag, Baden-Baden, erscheint.

Rechtsanwalt Volker Lempp, Stuttgart

VERKEHRSRECHT IN KÜRZE

Hinweispflicht auf FahrverbotIst im Bußgeldbescheid kein Fahrverbot nach § 25 StVG ver-hängt worden, so setzt eine entsprechende Anordnung durchdas Gericht im Einspruchsverfahren voraus, dass es in ent-sprechender Anwendung des § 265 Abs. 2 StPO den Betrof-fenen zuvor auf ein mögliches Fahrverbot hingewiesen hat.

Unterblieb dieser Hinweis (negative Beweiskraft desHauptverhandlungsprotokolls nach § 274 ZPO), ist dasangefochtene Urteil sowohl im Schuld- als auch imRechtsfolgenausspruch aufzuheben.

Thüringer OLG – 1 Ss 270/09 – (ZfS 2010, 294)

Gemeinsamer „Unfallbericht“Unterschreiben beide unfallbeteiligten Parteien einen„Unfallbericht“, so ist von den dortigen Feststellungen so-lange auszugehen, bis der jeweils anderen Partei der Nach-weis der Unrichtigkeit des im „Unfallbericht“ festge-haltenen Unfallhergangs gelingt.

OLG Dresden – 7 U 949/09 – (NZV 2010, 256)

Verletzung der sog. halben VorfahrtBesteht an einer Kreuzung Vorfahrtsberechtigung gegen-über Verkehrsteilnehmern von links, zugleich aber Warte-pflicht gegenüber Verkehrsteilnehmern von rechts (halbeVorfahrt) mit der sich daraus ergebenden Notwendigkeit,mit mäßiger Geschwindigkeit an die Kreuzung heranzu-fahren, so wirkt sich die Verletzung dieser sog. halben Vor-fahrt in einer Mithaftung des Vorfahrtberechtigten zu25% aus. Hat der Vorfahrtberechtigte zusätzlich gegen dasRechtsfahrgebot verstoßen, kommt eine Erhöhung derMithaftungsquote auf 50% in Betracht.

KG – 12 U 212/08 – (ZfS 2010, 198)

Alleinhaftung des FußgängersZumindest bei regem Straßenverkehr muss ein Fußgängerdamit rechnen, dass sich auch im linken Fahrstreifen Fahr-zeuge nähern, die durch im rechten Fahrstreifen heranna-hende Fahrzeuge verdeckt sind. Betritt er dennochunvermittelt die Fahrbahn, handelt er grob fahrlässig mit derFolge, dass die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs, von demer im linken Fahrstreifen angefahren wird, gegenüber demAlleinverschulden des Fußgängers vollständig zurücktritt.

KG – 12 U 143/08 – (NZV 2010, 149)

Kaskoschutz bei DiebstahlWer einem Bekannten seinen Pkw überlässt zu demZweck, ihn in eine Garage zu bringen, wo das Fahrzeugdann angeblich gestohlen wird, hat keinen Leistungsan-spruch in der Fahrzeugversicherung. Dass die Gebrauchs-

überlassung im Interesse des Empfängers erfolgt, wirddurch § 12 Abs. 1 I b AKB nicht vorausgesetzt.

OLG Saarbrücken – 5 U 197/09 – (ZfS 2010, 154)

Missachten eines StoppschildesDas Nichtbeachten eines deutlich erkennbaren Stopp-schildes ist wegen der damit verbundenen Gefahren re-gelmäßig als objektiv grob fahrlässig zu werten. DieNichtbefolgung des unbedingten Haltegebots mit an-schließendem Unfall kann aber nicht stets als grob fahr-lässige Herbeiführung des Versicherungsfalls angesehenwerden. Insoweit gelten vielmehr dieselben Grundsätzewie bei einem Rotlichtverstoß. Aus dem objektiv grobenPflichtverstoß darf nicht automatisch auf die subjektiveUnentschuldbarkeit geschlossen werden. Jedoch lassender äußere Geschehensablauf und das Ausmaß des ob-jektiven Pflichtverstoßes den Schluss auf innere Vorgängeund deren gesteigerte Vorwerfbarkeit zu.

OLG Köln 9 U 63/09 – (NZV 2010, 200)

Garage und HausratversicherungSehen die Versicherungsbedingungen in der Hausratver-sicherung vor, dass auch Garagen in der Nähe des Versi-cherungsortes vom Versicherungsschutz umfasst sind, soist diese Voraussetzung bei einer mehr als einen Kilome-ter vom versicherten Anwesen entfernt liegenden Garagenicht mehr gegeben.

LG Dortmund – 2 O 424/08 – (ZfS 2010, 278)

Arglist beim GebrauchtwagenverkaufEine Arglisthaftung des Gebrauchtwagenverkäufers setztnicht nur Mängel voraus, die bei Kaufabschluss nicht of-fenbart worden sind, sondern verlangt auch den Nachweis,dass der Verkäufer diese Mängel kannte oder zumindestfür möglich hielt. Dies gilt vor allem dann, wenn der Ver-käufer nur kurze Zeit im Besitz des Pkw war.

LG Aschaffenburg – 1 O 163/09 – (ZfS 2010, 203)

Nichtbeachtung der DurchfahrtshöheWer die begrenzte Höhe einer Autobahnunterführungmissachtet und dadurch einen Kraftfahrzeugschaden ver-ursacht, handelt i.d.R. grob fahrlässig. In einem solchenFall kann eine Kürzung der Kaskoentschädigung um einDrittel angemessen sein.

LG Göttingen – 5 O 118/09 – (ZfS 2010, 213)

Wer die begrenzte Höhe der Einfahrt in ein Parkhausmissachtet und so einen Kraftfahrzeugschaden verursacht,handelt i.d.R. grob fahrlässig und muss daher eine hälftigeKürzung der Kaskoentschädigung hinnehmen.

LG Konstanz – 3 O 119/09 – (ZfS 2010, 214)

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RECHTSPRECHUNG

VERKEHRSRECHT IN KÜRZE

Aus den Gründen:

I. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzun-gen für die begehrten Ausgleichszahlungen nach Art. 7Abs. 1 der VO seien nicht erfüllt, hält der Nachprüfungnicht stand.

1. Eine Annullierung des Flugs i.S.v. Art. 5 der VO hat al-lerdings, wie das Berufungsgericht zutreffend angenom-men hat, nicht stattgefunden. Nach dem Urteil desGerichtshofs kann ein verspäteter Flug unabhängig vonder – auch erheblichen – Dauer der Verspätung nicht alsannulliert angesehen werden, wenn er entsprechend derursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmensdurchgeführt wird (a.a.O. Tz. 39). So verhält es sich imStreitfall. Der Flug von Toronto nach Frankfurt ist trotzder eingetretenen Verzögerung entsprechend der ur-sprünglichen Flugplanung durchgeführt worden.

2. Wegen des wesentlich verspäteten Abflugs kommtgleichwohl ein Anspruch auf die in Art. 7 der VO vorge-sehene Ausgleichszahlung in Betracht.

a) Der Flug hat einen Tag später als geplant begonnen; dieVoraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 der VO für die An-nahme einer von der VO erfassten (großen) Verspätunglagen daher ohne weiteres vor.

b) In einem solchen Fall steht dem Fluggast, sofern auchdie weiteren Voraussetzungen für eine Ausgleichsleistungerfüllt sind, der in Art. 7 der VO vorgesehene Ausgleichs-anspruch zu, wenn er wegen des verspäteten Fluges seinEndziel nicht früher als drei Stunden nach der ursprüng-lich geplanten Ankunftszeit erreicht (EuGH a.a.O. Tz. 61).Auch diese Voraussetzung ist ohne weiteres erfüllt, denndas Endziel der Kl. wurde mehr als 25 Stunden später alsgeplant erreicht. Damit liegen im Streitfall die vom Ge-richtshof aufgestellten Anforderungen für einen Aus-gleichsanspruch wegen einer wie eine Annullierung zubehandelnden großen Verspätung vor.

II. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Der Senatkann in der Sache selbst entscheiden, da der Rechtsstreitauf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestell-ten Sachverhalts zur Endentscheidung reif ist.

1. Der Ausgleichsanspruch ist nicht entsprechend Art. 5Abs. 3 der VO ausgeschlossen. Die Verspätung geht nichtauf außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser Vor-schrift zurück.

a) Entgegen der von der Bekl. in der mündlichen Ver-handlung vertretenen Auffassung besteht keine Veranlas-sung, den Rechtsstreit an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen, um der Bekl. Gelegenheit zu geben,zu den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 3 der VO vorzu-tragen. Die Parteien haben in den Tatsacheninstanzen dar-über gestritten, ob die Bekl. im Streitfall zu einerAusgleichszahlung wegen Annullierung des Flugs ver-pflichtet ist. Die Bekl. war demgemäß gehalten, auch zuden Voraussetzungen vorzutragen, unter denen die Ver-pflichtung zu einer solchen Ausgleichszahlung ausge-schlossen ist, und hat dies auch getan. Für denAusgleichsanspruch wegen großer Verspätung geltenkeine anderen Voraussetzungen.

b) Die Bekl. hat geltend gemacht, der Flug habe wegen nichtvorhersehbarer technischer Beanstandungen nicht pünkt-lich begonnen. Probleme seien an einem Triebwerk sowiean der Treibstoffanzeige aufgetreten. Damit ist kein außer-gewöhnlicher Umstand i.S.v. Art. 5 Abs. 3 der VO aufgezeigt.

Wie der Senat im Anschluss an die Rspr. des EuGH be-reits entschieden hat, begründen technische Defekte, wiesie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftretenkönnen, für sich gesehen keine außergewöhnlichen Um-stände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflich-tung zur Zahlung der Ausgleichsleistung wegenAnnullierung eines Fluges befreien können (Sen. Urt. v.12.11.2009 – X ZR 76/07, RIW 2010, 63).

schwindigkeits- und Abstandsmessungen im Straßen- ver-kehr <2007>, Teil 1, Rdn. 642 ff., insbes. Rdn. 654 ff. undBöttger in: Burhoff <Hrsg.>, Handbuch für das straßen-verkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl., Rdn. 1407 ff.).2. Hinzu kommt, dass der Betr. im Hinblick auf die (recht-zeitige) Erfüllung der Widerspruchsobliegenheit gegen dieVerwertung der den verfahrensgegenständlichen Ge-schwindigkeitsverstoß begründenden Beweismittel in derHauptverhandlung, worauf ebenfalls schon die GenStA zu-treffend hinweist, keine den Begründungsanforderungen des

§ 344 II 2 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG genügende und damitzulässige Verfahrensrüge erhoben hat (vgl. hierzu zuletztneben OLG Rostock, Beschluss vom 16.11.2009 – 2 Ss OWi257/09 = VRR 2010, 35 f. m. Anm. Burhoff u.a. OLG HammNJW 2009, 242/243 = NZV 2009, 90 ff. = StRR 2008, 463 f. =VRR 2008, 472 f. und OLG Hamburg NJW 2008, 2597/2598= StraFo 2008, 158 ff. = VerkMitt. 2008, Nr. 38 = NZV 2008,362 ff. = VRS 114, 275 ff. = StV 2008, 454 ff. = OLGSt StPO§ 81a Nr. 6 = VRR 2008, 122 f. sowie rechtsgrundsätzlichBGHSt 38, 214/225 ff. und BGHSt 42, 15/22 ff.).

Fluggastrechte Urteil des BGH v. 18.02.2010 – Xa ZR 95/06 –

Bei einer großen Verspätung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 FluggastrechteVO stehtdem Fluggast wie bei einer Annullierung des Flugs ein Anspruch auf eine

Ausgleichszahlung nach Art. 7 zu, sofern er sein Endziel nichtfrüher als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeiterreicht und die große Verspätung nicht auf außerge-wöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann

nicht hätten vermeiden lassen, wenn von dem Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmenergriffen worden wären (im Anschluss an EuGH RRa 2009, 282 = NJW 2010, 43 – Sturgeon/Condor).

Nutzungswertersatz bei VerbrauchsgüterkaufAnders als beim Recht des Verbrauchers auf Ersatzlieferung ist bei der Rückabwick-lung eines Verbrauchsgüterkaufs der Verkäufer nicht durch europäisches Recht ge-hindert, Nutzungswertersatz gem. § 346 I BGB zu verlangen.

BGH – VIII ZR 243/08 – (NZV 2010, 142)

Hinweis auf ZwischenhändlerDer Käufer eines Gebrauchtwagens geht grundsätzlichdavon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug vondemjenigen übernommen hat, der als letzter Halter in denKraftfahrzeugbrief eingetragen ist.

Deshalb muss der Verkäufer eines Gebrauchtwagens denKäufer darüber aufklären, dass er das Fahrzeug kurze Zeitvor dem Weiterverkauf von einem nicht im Kraftfahr-zeugbrief eingetragenen „fliegenden Zwischenhändler“erworben hat.

BGH – VIII ZR 38/09 – (DAR 2010, 200)

Sorgfaltspflicht des EinparkersUngeachtet besonderer Umstände im Einzelfall sind andie Sorgfalt des Fahrers eines Fahrzeugs, der auf einem öf-fentlich zugänglichen Parkplatz in eine rechtwinklig durchDurchfahrtrichtung angeordnete Parklücke einparkenwill, sowie an die Sorgfaltspflicht des Fahrers oder Mit-fahrers eines neben dieser Parklücke abgestellten weite-ren Fahrzeugs beim Aussteigen gleich hoheAnforderungen zu stellen, so dass in der Regel bei einerKollision des einparkenden Fahrzeugs mit einer teilweise

geöffneten Fahrzeugtür eines geparkten Fahrzeugs einehälftige Schadenaufteilung angemessen erscheint.

OLG Frankfurt – 3 U 211/08 – (DAR 2010, 267)

LasermessungWird ein Motorrad während einer Geschwindigkeitsmes-sung mit einem Lasermessgerät der Firma Riegl GmbHvom Typ LR-90-2351P mit einem Seitenabstand von le-diglich 60 cm von einem anderen Motorrad überholt, mussder Tatrichter davon ausgehen, dass die Zuordnung desMesswerts zum Fahrzeug des Betroffenen problematischsein kann. Deshalb muss er seine Überzeugung von dereindeutigen Messwertzuordnung im Urteil näher begrün-den und dabei auf die Bekundungen der Beamten zumEinsatz des Messgeräts näher eingehen.

OLG Düsseldorf – IV-4 RBs 149/09 – (DAR 2010, 212)

KreisverkehrDie Wirksamkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung,die an einer Zufahrt zu einem außerörtlichen Kreisver-kehr angebracht ist, wirkt nicht für die Weiterfahrt nachdem Verlassen des Kreisverkehrs.

OLG München – 24 U 252/09 – (DAR 2010, 206)

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RECHTSPRECHUNG

c) Die Bekl. hat ferner vorgetragen, die vorgesehene Crewhabe Grippesymptome gezeigt und deshalb ausgetauschtwerden müssen. Sie hat daraus aber lediglich abgeleitet,dass der erfolgte Austausch der Besatzung nicht als Indizfür eine Annullierung des Fluges angesehen werdenkönne. Dass die Erkrankung des Personals eine zusätzli-che Ursache für die Verspätung gebildet hat, ergibt sichaus dem Beklagtenvortrag nicht, so dass dahinstehenkann, ob hierin ein außergewöhnlicher Umstand gesehenwerden könnte.

2. Die Bekl. ist deshalb verpflichtet, eine Ausgleichszah-lung in der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO bestimmtenHöhe von 600 Euro pro Person zu erbringen. Unter Be-rücksichtigung der bereits vom AG unter dem Gesichts-punkt der Minderung zugesprochenen Beträge stehen denKl. die noch geltend gemachten Zahlungsansprüche zu.Der zuletzt noch verfolgte Zinsanspruch ergibt sich aus§ 288 Abs. 1 BGB. Soweit die Kl. in erster Instanz Zinsenbereits für die Zeit ab 17.07.2005 begehrt haben, ist dieEntscheidung des AG nicht angefochten.

3. Zu der von der Bekl. angeregten erneuten Vorlage derSache an den EuGH sieht der Senat keine Veranlassung.

Der BGH hat dem Gerichtshof die Streitsache zur Vor-abentscheidung vorgelegt, weil er es nicht für zweifelsfreigehalten hat, dass den Fluggästen eines wesentlich ver-späteten Fluges, wie er im Streitfall vorliegt, nach der VOkein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusteht. DieseUnklarheit hinsichtlich der Auslegung des Gemein-schaftsrechts ist dadurch beseitigt worden, dass der Ge-richtshof in seinem Urteil vom 19.11.2009 die VO dahinausgelegt hat, dass auch in einem solchen Fall Ausgleichs-leistungen zu erbringen sind. Das Urteil selbst wirft je-denfalls keine für den Streitfall relevanten neuenAuslegungsfragen auf, die der Senat nicht ohne erneuteVorlage beantworten könnte.

Soweit sich das Urteil nicht ausdrücklich mit der Frage be-fasst, ob das vom Gerichtshof gefundene Auslegungser-gebnis mit dem Montrealer Übereinkommen vereinbar ist,hat der Senat diese Frage bereits in seinem Urteil vom10.12.2009 (Xa ZR 61/09) bejaht; daran hält er fest. DerGerichtshof hat dies offenbar ebenso gesehen; dass er Art.29 MÜ übersehen hätte, kann nicht angenommen werden.

Der Senat hat auch keine Zweifel an der Gültigkeit derVO. Der Gerichtshof hat die Gültigkeit – anders als dieGeneralanwältin – bejaht (a.a.O. Tz. 47). Für den von derBekl. angenommenen Verstoß gegen den Verhältnismä-ßigkeitsgrundsatz ist nichts Substantiiertes geltend ge-macht.

Reparaturerfordernis bei 130 %-GrenzeUrteil des OLG München v. 13.11.2009 – 10 U 3258/08 –

Zur Bedeutung der kalkulierten Reparaturkosten unddes Umfangs der vom Geschädigten durchgeführtenReparatur, wenn sich der Geschädigte für einen al-ternativen Reparaturweg entscheidet und gleichwohldie 130 %-Grenze überschreitet.

Aus den Gründen:

1. Der Kl. hat Anspruch auf Erstattung der von der Bekl.bislang nicht beglichenen restlichen Kosten für die Erstellung des von ihm in Auftrag gegebenen Sachver-ständigengutachtens in Höhe von 35,70 €. Das Sachver -ständigengutachten dient der Ermittlung des

Schadensumfangs. Die Kosten hierfür hat der Ersatz-pflichtige als Sachfolgeschaden gem. § 249 II 1 BGB zu tra-gen. Durch das Sachverständigengutachten wird derGeschädigte häufig erst in die Lage versetzt, zu entschei-den, welche konkrete Schadensabrechnungsart er wählenwill. Darüber hinaus dient das Gutachten auch der Be-weissicherung. Nach einem Verkehrsunfall ist ein Geschä-digter im Regelfall berechtigt, einen qualifiziertenGutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadengut-achtens zu beauftragen (BGH DAR 2007, 263). Es genügtein „qualifizierter“ Sachverständiger (BGH DAR 2007,263). Ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sach-verständigenhonorar kann grundsätzlich als erforderlicherHerstellungsaufwand i.S.d. § 249 II 1 BGB erstattet ver-langt werden (BGH DAR a.a.O.). Allein dadurch, dass einSachverständiger eine an der Schadenshöhe orientierte an-gemessene Pauschalierung des Honorars vornimmt, über-schreitet er die Grenzen zulässiger Preisgestaltunggrundsätzlich nicht (BGH NJW 2006, 2472). Zu einer Er-forschung des ihm zugänglichen Markts, um einen mög-lichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zumachen, ist ein Geschädigter grundsätzlich nicht verpflich-tet (BGH NJW 2007, 1450; OLG Nürnberg SP 2002, 358 =VRS 103 [2002] VRS321 = OLGR 2002, 471 = NVwZ-RR2002, 711). Gegen ein nach seiner Ansicht überhöhtes Ho-norar kann sich der Versicherer in einem Schadensersatz-prozess gegen den Sachverständigen wehren. Vorliegendist nicht ersichtlich, weshalb die Sachverständigenkostenvon insgesamt 1.011,50 € angesichts der Schadenshöhenicht insgesamt erstattungsfähig sein sollten.

2. Hinsichtlich der Unkostenpauschale besteht über diebereits bezahlten 25 € hinaus kein weitergehender Er-satzanspruch des Kl., so dass die Klage insoweit (5 € nebstZinsen) abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen ist.Nach der ständigen Rspr. des Senats ist ein Betrag von 25 € angemessen. Für eine Anhebung der vor der Wäh-

keitsüberwachung in Bayern verwendeten Radar-messgeräts „Multanova VR 6F“ sowie den zum glei-chen Zweck eingesetzten sog. Einseitensensor desTyps „ES1.0“ und für die hierbei jeweils nur bei Errei-chen eines bestimmten Grenzwertes ausgelöste foto-grafische Erfassung Betr. eine hinreichende gesetzlicheRechtsgrundlage für Eingriffe in das Recht auf infor-mationelle Selbstbestimmung. Ein strafprozessualesBeweisverwertungsverbot besteht nicht (Anschluss anOLG Bamberg NJW 2010, 100 f. = DAR 2010, 26 ff. =VRR 2009, 468 ff. = StRR 2009, 475 ff. = zfs 2010, 50 ff.)

Aus den Gründen:

I. Gegen den Betr. ist ausschließlich eine Geldbuße vonnicht mehr als 250 Euro festgesetzt worden. Nach § 80 IOWiG darf deshalb die Rechtsbeschwerde nur zugelassenwerden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des ange-fochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Si-cherung einer einheitlichen Rspr. zu ermöglichen oder dasUrteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuhe-ben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Antrag aufZulassung der Rechtsbeschwerde wird daher nach § 80 IV1, III OWiG verworfen. Damit gilt die Rechtsbeschwerdeals zurückgenommen (§ 80 III 2 i.Vm. § 80 IV 4 OWiG).

II. Außerhalb der durch den Zulassungsantrag veranlasstenRechtsbeschwerdeprüfung bemerkt der Senat ergänzend:

1. Das AG hat im Einklang mit der Rspr. des OLG Bam-berg (Beschluss vom 16.11.2009 – 2 Ss OWi 1215/09 = NJW2010, 100 f. = DAR 2010, 26 ff. m. Anm. Grunert = VRR2009, 468 ff. m. Anm. Deutscher = StRR 2009, 475 ff. = zfs2010, 50 ff.; vgl. auch OLG Jena, Beschluss vom 06.01.2010– 1 Ss 291/09, OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.01.2010 – 4Ss 1525/09 und OLG Dresden, Beschluss vom 02.02.2010 –Ss <OWi> 788/09, jeweils bei juris) im Ergebnis zu Rechtein strafprozessuales Verwertungsverbot abgelehnt.

a) § 100 h I 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 I OWiG bildet auch fürdie im Rahmen des hier eingesetzten Verkehrsradarmess-geräts des Typs „Multanova VR 6F“ hergestellten anlass-bezogenen Fotoaufnahmen zur Identifizierung Betr. einehinreichende gesetzliche Rechtsgrundlage für damit ver-bundene Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbst-bestimmung.

b) Soweit die Verteidigung zur Stützung ihrer abweichen-den Auffassung auf den Beschluss des OLG Ramm vom22.12.2009 (1 Ss OWi 960/09) abhebt, teilt sie nicht mit,dass in der genannten Entscheidung ein Beweisverwer-tungsverbot gerade verneint wird. Gravierender fällt insGewicht, dass die Verteidigung übersieht, dass sich die Ent-scheidung des OLG Hamm vom 22.12.2009 ebenso wieschon der Beschluss des OLG Oldenburg vom 27.11.2009- Ss Bs 186/09 (= DAR 2010, 32 f. = VRR 2010, 31 f. m.Anm. Deutscher; vgl. in diesem Sinne z.B. auch AG Mei-

ßen VRR 2009, 472 f.) und nicht zuletzt der Beschluss der2. Kammer des 2. Senats des BVerfG vom 11.08.2009 – 2BvR 941/08 (= NJW 2009, 3293 f. m. Anm. Bull NJW 2009,3279 ff. = zfs 2009, 589 ff. m. Anm. Bode = StRR 2009, 356f. = VRR 2009, 354 f. m. Anm. Burhoff = DAR 2009, 577 ff.= DVBl. 2009, 1237 ff. = NZV 2009, 618 ff.) auf den Einsatzdes verdachtsunabhängigen „Abstands- und Geschwin-digkeitskontrollsystems VKS 3.0“ (Version 3.1) bezieht. ImUnterschied zu seiner mit dem sog. Vorselektionssoftwa-remodul „VKS selekt“ ausgerüsteten Nachfolgeversion istdieses System dadurch gekennzeichnet, dass auf dem sog.Tatvideo der gesamte auflaufende Verkehr in einem be-stimmten Streckenbereich aufgezeichnet wird und dieAuswertung der codierten Videoaufzeichnung erst späterdurch ein Computersystem unter Verwendung von auf derFahrbahn angebrachter, zuvor eingemessener Markierun-gen erfolgt. Da dieses System im Unterschied zu seinerNachfolgeversion eine anlassbedingte Zuschaltung derIdentifizierungskamera bei Vorliegen des Verdachts einesGeschwindigkeitsverstoßes nicht erlaubt, wird der gesamtefließende Verkehr aufgezeichnet (OLG Hamm a.a.O.).

c) Von einer verdachtsunabhängigen Fertigung von Bild-aufnahmen des Betr. oder gar von einer Videofilmüber-wachung des Verkehrsraums kann bei dem vorliegend fürdie Geschwindigkeitsmessung unter Ausnutzung desDopplereffektes zum Einsatz gelangten Verkehrsradar-messgerät des Typs „MultanovaVR 6F“ aber keine Redesein. Entsprechendes gilt etwa auch für den ebenfalls vonder Polizei in Bayern zur amtlichen Geschwindigkeits-überwachung eingesetzten rechnergesteuerten sog. Ein-seitensensor vom Typ „ES1.0“ auf der Basis einersensorgestützten Weg-/Zeitmessung durch Ermittlung sog.Triggersignale sowie des Helligkeitsprofils durch Abtastendes vorbeifahrenden Fahrzeugs. Denn ein Foto des Betr.und des von ihm geführten Kfz mit Kennzeichen wird beidem hier eingesetzten Gerät „MultanovaVR 6F“, wie vomAG zutreffend festgestellt, nur dann erstellt, wenn ein vomBediener zuvor eingestellter und (maschinell) festgestell-ter – bei Messung des ankommenden Verkehrs vorläufi-ger – Grenzwert erreicht oder überschritten wird. Nur indiesem Fall sowie nach Verifikation der Eingangsmessungdes ankommenden Verkehrs werden sodann neben demgemessenen Fahrzeug und seiner Geschwindigkeit weitereDaten der Messung wie Fahrtrichtung, Datum und Uhrzeitim Rahmen der die Zuordnung zu Fahrzeug und Fahrer er-möglichenden fotografischen Erfassung dokumentiert undder Film in der Kamera transportiert; andernfalls erfolgtlediglich eine Annulationsanzeige (zu Funktionsweise,Messwertbildung und Fotoauslösung im Einzelnen vgl.neben der hier einschlägigen „Ergänzenden WeisungNr. 2.1 (Radar)“ des Bayerischen Staatsministeriums desInnern zu den Polizeilichen Richtlinien für die Verkehrs-überwachung auch Grün in: Burhoff/Neidel/Grün, Ge-

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RECHTSPRECHUNG

rungsumstellung zuletzt angenommenen 50 DM (SenatNZV 2001, 220) besteht kein Anlass. Es besteht auchkein Anlass zu einer mit § 287 ZPO unvereinbarenPseudogenauigkeit in Form einer Umrechnung auf25,56 € oder 26 € (wie sie etwa Thalmair in DAR 2007,594 vertritt; Senat, Urt. v. 16.07.2004 – 10 U 1953/04; v.18.03.2005 – 10 U 5448/04; v. 27.01.2006 – 10 U 4904/05= NZV 2006, 261 [262]; v. 28.07.2006 – 10 U 2237/06 =DAR 2006, 692; v. 24.11.2006 – 10 U 4845/06; ebensoOEG Celle NJW-RR 2004, 1673; LG Passau, Urt. v.27.07.2006 – 3 O 1202/05). Ergänzend ist darauf hinzu-weisen, dass das KG grds. von 20 € ausgeht (vgl. zuletztVRS 110 [2006] VRS11 und 112 [2007] 325) und derBGH sogar einen Ansatz von 7,50 € (!) nicht beanstan-det hat (BGH DAR 2006, 83).

3. Der Kl. hat Anspruch auf weitere 6.026,89 € nebstZinsen. Der Kl. ließ das Fahrzeug reparieren und nutztes seither weiter. Der Anspruch scheitert nicht an der130%-Grenze und auch nicht daran, dass das Fahrzeugnicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß repariertworden wäre.

a) Der Geschädigte kann im Totalschadensfalle aus-nahmsweise die voraussichtlichen Reparaturkosten zzgl.einer etwaigen Wertminderung erstattet verlangen,wenn diese Summe den Wiederbeschaffungswert umnicht mehr als 30% übersteigt (BGH DAR 1992, 22).Maßgeblich für die Berechnung ist grundsätzlich dieReparaturkostenkalkulation des Sachverständigen,nicht der schlussendlich tatsächlich angefallene Repa-raturaufwand. Der Restwert des Fahrzeuges wird beidieser Berechnung nicht berücksichtigt. Grundlage die-ser Rspr. ist das besondere Integritätsinteresse des Ge-schädigten. Damit soll faktisch sichergestellt sein, dassdas Eigentum des Geschädigten für den Bedarfsfall inseiner konkreten Zusammensetzung und nicht nur demWert nach erhalten bleiben kann. Der Reparaturkos-tenersatz erfolgt allerdings nur nach tatsächlich durch-geführter, fachgerechter Reparatur im Umfange desSachverständigengutachtens (BGH DAR 2005, 266), je-denfalls aber in einem Umfang, der den Wiederbe-schaffungsaufwand übersteigt (BGH DAR 2005, 268[269]). Eine Teilreparatur ist mithin nicht ausreichend.Setzt der Geschädigte nach einem Unfall sein Kfz nichtvollständig und fachgerecht instand, ist regelmäßig dieErstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbe-schaffungswert nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf denWert der Sache wäre eine solche Art der Wiederher-stellung im Allgemeinen unvernünftig und kann demGeschädigten nur ausnahmsweise im Hinblick daraufzugebilligt werden, dass der für ihn gewohnte und vonihm gewünschte Zustand des Fahrzeuges auch tatsäch-lich wie vor dem Schadensfall erhalten bleibt bzw. wie-

derhergestellt wird (BGH DAR 2007, 635; BGHZ 162,161, 168 = DAR 2005, 266; BGH VersR 1972, 1024 f. undVersR 1985, 593, 594). Dass der Geschädigte Schadens-ersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert über-steigt, ist deshalb mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot undBereicherungsverbot nur zu vereinbaren, wenn er denZustand des ihm vertrauten Fahrzeuges wie vor demUnfall wieder herstellt. Maßgeblich ist insoweit, ob –und wenn auch nur in Teilbereichen – mehr als nur un-erhebliche Beanstandungen und Reparaturdefizite ver-blieben sind, die einer vollständigen und insoweitfachgerechten Instandsetzung und insbesondere einerWiederherstellung eines mit dem unbeschädigten Fahr-zeug vergleichbaren Zustandes entgegenstehen (BGHDAR 2007, 635 [Bestätigung von LG Bochum, Urt. v.21.11.2006 – 9 S 108/06]).

Lässt ein Geschädigter, wenn die vom Sachverständigenkalkulierten Reparaturkosten die 130%-Grenze über-schreiten, auf einem alternativen Reparaturweg repa-rieren und gelingt es ihm dabei nicht, das Fahrzeug zuKosten innerhalb der 130%-Grenze vollständig undfachgerecht in einen Zustand wie vor dem Unfall zu-rückzuversetzen, kann er sich zur Begründung seinerReparaturkostenforderung nicht auf ein unverschulde-tes Werkstatt- oder Prognoserisiko berufen. Entschei-dend ist dabei nicht, ob die ausgewählte Werkstatt –etwa aus Kulanzgründen – nach durchgeführter Repa-ratur verbliebene, nicht nur völlig unerhebliche Mängelso lange ausbessert, bis ein „ordentliches Ergebnis“ er-zielt wird, sondern ob nach Abnahme seitens des Ge-schädigten aufgrund der nach dem erteilten Auftragdurchgeführten Reparatur von einer vollständigen undfachgerechten Reparatur auszugehen ist. Spätere Nach-besserungen stehen der Verneinung einer derartigenReparatur dann nicht entgegen, wenn diese – ausgehendvom erteilten Auftrag – in Gewährleistungsansprüchenauslösenden Mängeln ihre Ursache haben, etwa weil dieMängel dem Geschädigten von der Reparaturwerk-stätte nicht offengelegt wurden und von ihm bei Ab-nahme oder danach auch nicht erkannt und alsvertragsgemäß akzeptiert wurden. Andernfalls, wennder Geschädigte wesentliche Reparaturdefizite akzep-tiert, beweist der Geschädigte zwar ein Interesse an derMobilität durch sein Fahrzeug oder ein Interesse an derWeiternutzung, das jedoch ohne eine in jeder Hinsichtvollständige Reparatur in vergleichbarer Weise auchdurch eine Ersatzbeschaffung befriedigt werden könnte.

b) Dies zugrunde gelegt, ergibt sich vorliegend Folgen-des: Der Kl. hat mehr getan als nur die Fahrtüchtigkeitwiederhergestellt, die nur sein Mobilitätsinteresse be-legt hätte. Der Kl. hat vielmehr einen Zustand wieder-herstellen lassen, der dem vergleichbar ist, wie er sich

und den Willen des Gesetzgebers hingenommen werden,dass die gegenwärtige Rechtslage dem Betr. Anreize füreine „ Verzögerungstaktik“ bietet und es damit im Einzel-fall zu Wertungswidersprüchen kommen kann. Im Übrigenwürde eine andere Rechtsauffassung auch die Funktionder Überliegefrist verkennen, die nur sachlich nicht ge-rechtfertigte Löschungen im VZR verhindern und nichtfaktisch Tilgungsfristen verlängern soll, um ansonsten til-gungsreife Voreintragungen auch für das laufende Buß-geldverfahren nutzbar zu machen (OLG Hamm NZV2006, 487, OLG Jena NZV 2008, 165; BT-Drucks 15/1508, S.52). Ansonsten wäre nicht verständlich, weshalb nach §29 VII 2 StVG während der Überliegefrist der Inhalt einerEintragung nicht mitgeteilt werden darf. Das Tatgerichtkönnte die Voreintragung dann faktisch nur berücksichti-gen, wenn ihm zum Zeitpunkt der Entscheidung ein veral-teter Auszug aus dem VZR vorläge (Gübner NZV 2005,57, 61). Somit kommt es nach Eintritt der Tilgungsreife undwährend der Überliegefrist des § 29 Abs. 6 S. 2 StVG voneinem Jahr zwar gem. § 29 Abs. 7 StVG zu einer Hemmungder Tilgung von verkehrsrechtlichen Vorbelastungen imVZR, es verbleibt aber während der Überliegefrist beieinem Verwertungsverbot tilgungsreifer Vor- eintragungen(vgl. in diesem Sinne neben OLG Bamberg DAR 2007, 38u.a. schon OLG Karlsruhe zfs 2005, 411/412; OLG HammDAR 2005, 693; NZV 2006, 487; DAR 2006, 697; NZV 2007,156; OLG Schleswig zfs 2006, 348 f.; SVR 2008, 29; OLGBrandenburg DAR 2008, 218; OLG Jena NZV 2008, 165 f.und nunmehr auch OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 87; vgl.auch Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 40.Aufl. § 29 StVG Rn 12; Jagow/Burmann/ Heß Straßenver-kehrsrecht 15. Aufl. § 29 StVG Rn 17; Burhoff (Hrsg.) Böttger, Hdb. für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Ver-fahren 2. Aufl. Rn 2752; Gübner NZV 2005, 57, 59; Pinker-neil DAR 2005, 57, 58 und Schäpe DAR 2007, 348).

c) Die Notwendigkeit einer Divergenzvorlage gem. § 79Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr.1 GVG an den BGH besteht nicht mehr. Das OLG Frank-furt hatte in seinem Beschluss v. 22.01.2009 (a.a.O.) zwardie Rechtsauffassung vertreten, dass der Tatrichter nicht ge-hindert sei, Voreintragungen zu verwerten, wenn der neueVerstoß vor Ablauf der 2-jährigen Tilgungsfrist der Vorein-tragungen begangen wird, die neue Verurteilung aber erstinnerhalb der sich anschließenden einjährigen Überliege-frist erfolgt, eine Vorlagepflicht nach § 121 Abs. 2 GVG abergleichwohl mit nicht überzeugender Argumentation als un-zulässig verneint, weil die aufgeworfene Rechtsfrage imZeitpunkt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs wegenAblaufs der Überliegefrist prozessual überholt sein werde.Insoweit wäre der Senat daher, soweit er an seiner bisheri-gen Rechtsauffassung und der einhelligen Rspr. festhält, ansich gem. § 121 Abs. 2 GVG grundsätzlich verpflichtet ge-wesen, diese Rechtsfrage dem BGH zur Entscheidung vor-

zulegen (BGHSt 9, 272/274; 13, 149/152 f.; LR/Franke StPO25. Aufl. § 121 GVG Rn 49; KK/Hannich StPO 6. Aufl. § 121GVG Rn 27; Kissel/Mayer GVG 5. Aufl. § 121 GVG Rn 19;Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 121 GVG Rn 8). Das OLGFrankfurt hat aber erst unlängst klargestellt, dass es an sei-ner abweichenden früheren Rechtsauffassung nicht mehrfesthält und diese ausdrücklich aufgegeben hat (OLGFrankfurt, Beschl. v. 07.01.2010 – 2 Ss OWi 552/09 – NStZ-RR 2010, 87). Damit entfällt eine Verpflichtung des Senatszur Divergenzvorlage (BGHSt 14, 319/320; 17, 399/401;KK/Hannich § 121 GVG Rn 30; LR/Franke § 121 GVG Rn45; Meyer-Goßner § 121 GVG Rn 7).

d) Zwar ist damit die hier erfolgte Berücksichtigung derVoreintragungen des Betr. durch das AG als rechtsfehler-haft anzusehen. Gleichwohl führt dies hier ausnahmsweisenicht zu einer Reduzierung der gegen den Betr. verhäng-ten erhöhten Geldbuße. Die in der Bußgeldkatalogver-ordnung vorgesehenen Regelahndungen gehen vonfahrlässiger Begehung, gewöhnlichen Tatumständen undfehlenden Vorahndungen des Betr. aus (§ 1 Abs. 2, § 3 Abs.1 BKatV). Daneben liegen den Bußgeldkatalogen durch-schnittliche wirtschaftliche Verhältnisse des Betr. zu-grunde (OLG Düsseldorf VRS 80, 376/380; OLG KölnNZV 1991, 203; OLG Oldenburg NZV 91, 82; GöhlerOWiG 15. Aufl. § 17 Rn 29 m.w.N.). Nach den Feststellun-gen des AG ist der Betr. selbständiger Steuerberater undverfügt über ein jährliches Nettoeinkommen von200.000 EUR. Diese deutlich über den durchschnittlichenwirtschaftlichen Verhältnissen liegenden Einkünfte recht-fertigen nach Auffassung des Senats eine über die Regel-buße hinausgehende Ahndung des Betr. Nach § 17 Abs. 3S. 2 1. Halbs. OWiG sind im Rahmen der Bußgeldbemes-sung ausdrücklich auch die wirtschaftlichen Verhältnissedes Betr. zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund er-achtet der Senat nach Abwägung aller für und gegen denBetr. sprechenden Gesichtspunkte eine Verdoppelung derRegelgeldbuße von 100 EUR auf 200 EUR für erforder-lich, aber auch für ausreichend, um die begangene Ver-kehrsordnungswidrigkeit zu ahnden. Der Senat kanninsoweit in der Sache selbst entscheiden, so dass es einerZurückverweisung an das AG nicht bedarf (§ 79 Abs. 5S. 1 i.V.m. § 79 Abs. 6 OWiG). Auch die Verhängung desFahrverbots erweist sich als rechtsfehlerfrei ...

Radarmessgerät „Multanova VR 6F“Beschluss des OLG Bamberg v. 25.02.2010 – 3 Ss OWi206/10 –

§ 100 h I 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 l OWiG bildet (auch)für den Einsatz des zur polizeilichen Geschwindig-

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RECHTSPRECHUNG

vor dem Unfall gezeigt hat (BGH DAR 2007, 635; OLGDüsseldorf DAR 2001, 499; LG Dortmund, Urteil v.03.07.2008 – 4 S 24/08 [Juris]).

(1) Der Wiederbeschaffungswert für den Pkw beläuft sichunter Berücksichtigung der Umbaukosten für die Son-derausstattung nach den ergänzenden Ausführungen desSachverständigen auf 8.890 €. Ein merkantiler Minder-wert ist bei der durchgeführten Reparatur vorliegendnicht verblieben. Die 130%-Grenze für den vom Kl. ge-wählten alternativen Reparaturweg mit teilweise ge-brauchten Teilen beträgt daher 11.557 €.

(2) Der Sachverständige schätzte den Reparaturaufwandauf 15.812,18 €, der Kl. ließ den Pkw für 11.526,89 € re-parieren. Die Kosten der vom Kl. gewählten alternativenReparatur überschreiten daher die 130%-Grenze nicht.

(3) Der Senat glaubt den Angaben des Zeugen G. im Ter-min vom 13.11.2009, dass der Kl. mit der Reparaturfirmavereinbarte, das Fahrzeug vollständig und fachgerecht zumPreis von 11.440 € zu reparieren.

(4) Die aufgrund des Kostenvoranschlages vom 02.10.2007durchgeführten Arbeiten führten nach Nachbesserung amFrontblech zu einer bis auf unerhebliche Defizite voll-ständigen und fachgerechten Reparatur.

UnfallersatztarifUrteil des BGH v. 19.01.2010 – VII ZR 112/09 –

Zur Schätzung eines Aufschlags zum Normaltarif beieinem sog. Unfallersatztarif.

Aus den Gründen:

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem Klä-ger gem. §§ 7, 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVersG, §§ 823 Abs. 1,249 Abs. 2 S. 1 BGB lediglich weitere Mietwagenkosten inHöhe von 284,55 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeitzu. Zwar habe die Beklagte wegen des bei ihr liegendenWerkstattrisikos Mietkosten nicht nur für fünf, sondernfür neun Tage zu erstatten. Die Anspruchshöhe bestimmesich allerdings nicht nach dem von der Streithelferin inRechnung gestellten Unfallersatztarif, sondern nach demNormaltarif, der anhand der Schwacke-Mietpreisliste 2006zu ermitteln sei. Der Kläger und die Streithelferin hättennicht hinreichend dargelegt, dass der gegenüber dem Nor-maltarif höhere Tarif auf Grund konkreter aus Anlass derunfallbedingten Anmietung des Klägers gegebener Ko-stenfaktoren gerechtfertigt sei. Es fehle eine am Einzelfallorientierte Aufstellung der Kostenkalkulation. Nach derRspr. des BGH würden zwar die Anforderungen an dieDarlegungslast des Geschädigten mit dem Erforderniskonkreter Angaben zur Kalkulation des Unfallersatztari-fes überspannt. Jedoch könne die Prüfung, ob spezifische

Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigteeinen Mehrpreis rechtfertigten – gegebenenfalls durcheinen Aufschlag auf das gewichtete Mittel des Schwacke-Mietpreisspiegels – nur dann zu einem Ergebnis führen,wenn sich die unfallbedingten Leistungen in bezifferbareBeträge bzw. prozentuale Aufschläge fassen ließen. Ohnesubstantiierte Darlegung der im Einzelfall maßgebendenunfallspezifischen Kostenfaktoren fehle hingegen dieGrundlage für eine fundierte Beratung durch den Sach-verständigen, unter dessen Hinzuziehung erforderlichen-falls der Tatrichter die Höhe der erforderlichen Miet -wagenkosten zu schätzen habe. Der bei der Kammer üb-liche pauschale Aufschlag von 20% auf den Normaltarifbei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen könnenicht zugesprochen werden, weil substantiierter Vortragdes darlegungs- und beweisbelasteten Klägers dazu fehle,dass er zur Vorfinanzierung nicht imstande gewesen sei.Es sei gerichtsbekannt, dass zahlreiche namhafte Vermie-ter vor Ort für die Anmietung eines Fahrzeugs der unterenMietwagenklassen 1 und 2 lediglich die Vorlage einer EC-Karte verlangten. Ferner hätte der Kläger sich mit der Be-klagten in der Zeit zwischen Unfall und Anmietung inVerbindung setzen können, um eine Finanzierung derMietwagenkosten sicherzustellen. Der Kläger habe auchnicht nachgewiesen, dass ihm ein wesentlich günstigererTarif unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seinerLage zeitlich und örtlich relevanten Markt nicht zugäng-lich gewesen sei. Er habe sich lediglich bei zwei Autover-mietungen nach den entsprechenden Mietpreisenerkundigt und dabei nur von einer eine Auskunft erhal-ten. Schon im Hinblick auf die Höhe des in Anspruch ge-nommenen Tarifs hätten weitere Erkundigungen beianderen Mietwagenanbietern nahe gelegen, um sich einenÜberblick zu verschaffen, zumal eine Not- oder Eilsitua-tion nicht vorgelegen habe. Der von der Streithelferin inRechnung gestellte Preis von 175 EUR netto pro Tag seium ein Vielfaches höher als der nach dem Modus derSchwacke-Liste 2006 übliche. Danach sei ein Mietwagen-preis von 555 EUR brutto pro Woche angemessen und er-forderlich. Daraus ergebe sich der Tagespreis von79,29 EUR brutto bzw. für den vorsteuerabzugsberechtig-ten Kläger von 66,60 EUR netto. Dem Kläger stünden da-neben die Kosten für die Vollkaskoversicherung sowie fürdie Zustellung und Abholung des Fahrzeugs zu, nicht hin-gegen für Winterreifen, zu deren Vorhandensein Vortragdes Klägers fehle.

II. Die Revision des Klägers hat Erfolg.

1. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davonausgegangen, dass der Kläger von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsauf-wand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangenkann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkenderMensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig

VZR ein gesetzliches Verwertungsverbot. MaßgeblicherZeitpunkt für das Vorliegen eines solchen Verwertungs-verbotes ist dabei immer der Erlass des tatrichterlichenUrteils in Bezug auf eine neue Tat (BayObLG DAR 2001,354 und DAR 1996, 243; OLG Köln NZV 2000, 430; OLGKarlsruhe zfs 2005, 411). Dieses Verwertungsverbot mussauch dann beachtet werden, wenn zwar während der lau-fenden Tilgungsfrist neue Taten begangen wurden, die Vor-ahndungen aber zum Zeitpunkt der Hauptverhandlungnach § 29 Abs. 7 S. 1 StVG tilgungsreif waren. Wie aus demGesamtzusammenhang der Bestimmungen des § 29 Abs.8 StVG mit § 29 Abs. 6 S. 1 StVG und § 29 Abs. 7 StVGdeutlich wird, sind Tilgung und Tilgungsreife wesensgleich(vgl. auch § 51 Abs. 1 BZRG), so dass auch eine trotz Til-gungsreife im Verkehrszentralregister nur aus verfahrens-rechtlichen Gründen im Blick auf § 29 Abs. 6 S. 2 und § 29Abs. 7 S. 2 StVG noch nicht endgültig gelöschte Vorahn-dung nicht zum Nachteil des Betr. verwertet werden darf.An diesem Verwertungsverbot ändert sich auch dannnichts, wenn im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Ent-scheidung die Überliegefrist noch nicht abgelaufen ist (§ 29Abs. 7 StVG). Denn die Überliegefrist des § 29 Abs. 7StVG hat nur die Funktion einer Tilgungshemmung undVerhinderung der Löschung, soweit es unter den Voraus-setzungen des § 29 Abs. 6 S. 2 StVG tatsächlich zu einerweiteren Eintragung während dieser Frist gekommen ist.Sie enthält aber gerade keine dem § 29 Abs. 8 S. 1 StVGentgegenstehende Regelung, die zu einer weiteren Ver-wertbarkeit der Voreintragungen führt.

aa) Grundsätzlich beträgt die Tilgungsfrist bei Entschei-dungen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 29 Abs. 1S. 2 Nr. 1 StVG zwei Jahre. Sie beginnt gem. § 29 Abs. 4 Nr.3 StVG bei Bußgeldentscheidungen mit dem Tag derRechtskraft oder Unanfechtbarkeit der Entscheidung.Enthält das VZR mehrere Eintragungen, ist nach § 29 Abs.6 S. 1 StVG die Tilgung aller Eintragungen grundsätzlicherst zulässig, wenn für alle betreffenden Eintragungen dieTilgungsvoraussetzungen vorliegen. Diese lagen hier vor,da die letzte vom AG berücksichtigte Vorahndung am18.07.2007 rechtskräftig wurde und somit beim maßgebli-chen Zeitpunkt des Urteilserlasses am 27.07.2009 hin-sichtlich aller Vorahndungen die zweijährige Tilgungsfristabgelaufen und folglich Tilgungsreife eingetreten war.

bb) In Ausnahme zu dieser allgemeinen Regelung des § 29 Abs. 6 S. 1 StVG entfällt nach § 29 Abs. 6 S. 2 StVGeine bereits eingetretene Tilgungsreife von Voreintragun-gen und damit auch ein Verwertungsverbot nur dann,wenn eine neue Tat vor Ablauf der Tilgungsfrist nach § 29Abs. 1 StVG begangen wird und bis zum Ablauf der Über-liegefrist des § 29 Abs. 7 StVG zu einer weiteren Eintra-gung führt. Mit dieser Regelung sollen Taten erfasstwerden, die dem VZR bis zum Ablauf der Überliegefristim Bezug auf die alten Eintragungen bekannt werden

(BT-Drucks 15/1508, S. 7). Diese Voraussetzungen lagenim Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung hier nichtvor, so dass sich die Tilgungsreife der Voreintragungen in-soweit allein nach § 29 Abs. 6 S. 1 StVG beurteilt. Die Re-gelung des § 29 Abs. 6 S. 2 StVG kann mit ihremtemporalen Element auch nicht dahingehend erweiterndausgelegt werden, dass nur die Voraussetzung einer Ein-tragungsfähigkeit insoweit gegeben sein muss, dass dieneuerliche Entscheidung innerhalb der Überliegefrist er-geht und somit zu einer Eintragung führen wird (so nochOLG Frankfurt, Beschluss v. 22.01.2009 – 2 Ss OWi 352/08= VRR 2009, 194 f. m. Anm. Gübner = NZV 2009, 350 ff. m.Anm. König = NStZ-RR 2009, 255 ff.). Denn eine solcheAuslegung verstößt gegen den Wortlaut und den Sinn derRegelung, die gerade keine Ahndungsverschärfung im ak-tuellen Bußgeldverfahren erreichen will, sondern demZiel der Umsetzung von Maßnahmen dient, die nach demPunktesystem anzuordnen sind (BT-Drucks 15/1508,S. 11). Vor allem bliebe bei einer solchen Lösung unge-klärt, was bei Entscheidungen geschehen soll, die kurz vorAblauf der Überliegefrist getroffen werden und vondenen anzunehmen ist, dass sie erst nach Ablauf derRechtsbehelfsfrist und nach Ablauf der Überliegefristrechtskräftig werden. In diesem Fall wäre bei der Ent-scheidung der Bußgeldbehörde und des Tatrichters an-dernfalls zu antizipieren, ob die Entscheidung nochinnerhalb der Überliegefrist rechtskräftig und im VZReingetragen wird (OLG Brandenburg DAR 2008, 218 f.).Selbst dem Rechtsbeschwerdegericht wäre dies nicht mög-lich, wenn es gegen Ende der Überliegefrist entscheidet,weil es nicht absehen kann, wann die Rechtsmittelent-scheidung tatsächlich zu einer Eintragung führt.

cc) Diese Rechtsauffassung wird auch durch die Geset-zesmaterialien bestätigt. So wollte im Gesetzgebungsver-fahren zum 1. JuMoG vom 24.08.2004 der Bundesratdurch eine Neufassung des § 29 VIII 1 StVG auch die Ver-wertung ansonsten tilgungsreifer Vorahndungen währenddes Laufs der Überliegefrist erreichen, indem am Endedieses Satzes im Bezug auf das Verwertungsverbot dieEinschränkung „es sei denn bei der Verfolgung und Ahn-dung einer vor Eintritt der Tilgungsreife begangenenStraftat oder Ordnungswidrigkeit“ eingefügt werden sollte(BT-Drucks 15/1508, S. 46). Die Bundesregierung hat diesunter Hinweis auf die Funktion der Überliegefrist jedochausdrücklich abgelehnt (BT-Drucks 15/1508, S. 52). Ver-abschiedet wurde nicht die vom Bundesrat vorgeschlageneNeufassung des § 29 VIII StVG, sondern der ursprüngli-che Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neufassungdes § 29 VI StVG (BT-Drucks 15/1508, S. 10/11; KönigNZV 2009, 352; OLG Karlsruhe, zfs 2005, 411/412).

dd) Trotz des aus Sicht des AG wünschenswerten Ergeb-nisses einer konsequenten Ahndung von Mehrfachtäternmuss es damit aber im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut

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RECHTSPRECHUNG

und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabeiebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadens-beseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirt-schaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihmZumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftli-cheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Er verstößtaber noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zurSchadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zueinem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einemNormaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten diesesTarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vor-finanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzfor-derung wegen falscher Bewertung der Anteile amUnfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagen-unternehmen u.Ä.) aus betriebswirtschaftlicher Sichteinen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis recht-fertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen,die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und in-folgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB er-forderlich sind (ständige Rspr. vgl. etwa SenatsurteileBGHZ 160, 377, 383 f.; vom 25.10.2005 – VersR 2006, 133;vom 05.07.2005 –VersR 2005, 1256, 1257; vom 19.04.2005 –VersR 2005, 850; vom 15.02.2005 – VersR 2005, 569, 570und VersR 2005, 568 und vom 26.10.2004 – VersR 2005,241, 243). Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Scha-densabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellteTatrichter – gegebenenfalls nach Beratung durch einenSachverständigen – zu schätzen (vgl. Senatsurt. v.19.04.2005 und vom 25.10.2005 jeweils a.a.O.), wobei unterUmständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den Nor-maltarif in Betracht kommt. In Ausübung seines Ermes-sens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den Normaltarifauf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Geschädig-ten – gegebenenfalls mit sachverständiger Beratung –ermitteln (vgl. Senat, Urt. v. 26.06.2007 –VersR 2007, 1286,1287; vom 12.06.2007 – VersR 2007, 1144, 1145; vom30.01.2007 – VersR 2007, 516, 517 und vom 09.05.2006 –VersR 2006, 986 f.).

2. Danach ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungs-gericht den zur Frage der Erforderlichkeit der Mietwa-genkosten vergleichsweise heranzuziehenden Normaltarifanhand des Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 ermittelt hat.Insoweit hält es sich im Rahmen des tatrichterlichen Er-messens nach § 287 ZPO (vgl. Senatsurt. v. 11.03.2008 –VersR 2008, 699, 700 m.w.N.). Doch überspannt das Beru-fungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast desKlägers dadurch, dass es zur Rechtfertigung des der Scha-densabrechnung zu Grunde liegenden höheren Unfaller-satztarifs aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Darlegungbezifferbarer Beträge bzw. konkreter prozentualer Auf-schläge für unfallbedingte Leistungen verlangt. Nach st.Rspr. des erkennenden Senats ist es nicht erforderlich, für

die Frage der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigungeines Unfallersatztarifs die Kalkulation des konkretenVermieters nachzuvollziehen, vielmehr hat sich die Prü-fung darauf zu beschränken, ob spezifische Leistungen beider Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein denMehrpreis rechtfertigen (vgl. etwa Senatsurt. v.30.01.2007 – a.a.O.; vom 23.01.2007 –VersR 2007, 514, 515;vom 04.04.2006 – VersR 2006, 852, 854; vom 14.02.2006 –VersR 2006, 669, 670 und VersR 2006, 564, 565). Der er-kennende Senat vermag die Bedenken des Berufungsge-richts, wonach die Prüfung der Rechtfertigung einesAufschlags nicht zu einem konkreten Ergebnis rührenkönne, wenn sich die spezifischen unfallbedingten Leis-tungen nicht in bezifferbare Beträge bzw. konkrete pro-zentuale Aufschläge fassen ließen, nicht zu teilen. DieBeschränkung der Prüfung darauf, ob spezifische Leistun-gen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemeineinen Aufschlag rechtfertigen, dient nicht nur dem Inter-esse des Geschädigten, um für ihn bestehenden Darle-gungs- und Beweisschwierigkeiten zu begegnen. Diese Artder Prüfung Gewähr leistet vielmehr auch, dass die erfor-derlichen Mietwagenkosten nach einem Unfall anhandobjektiver Kriterien ermittelt werden, ohne dass es für dieErforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB auf die kon-krete Situation und Kalkulation des einzelnen Vermietersankommt (Senatsurt. v. 24.06.2008 – VersR 2008, 1370,1371). Ob und in welchem Umfang sich die unfallspezifi-schen Faktoren kostenerhöhend auswirken, ist vom Tat-richter erforderlichenfalls mithilfe eines Sachverständigenzu schätzen (§ 287 ZPO). Entgegen der Auffassung desBerufungsgerichts fehlen für eine solche Begutachtungohne konkrete Zahlenangaben nicht die Anknüpfungs-tatsachen. So hat der gerichtliche Sachverständige in demVerfahren, das dem Senatsurt. v. 24.06.2008 (a.a.O.) zuGrunde liegt, auf Grund verschiedener in der Fachlitera-tur vertretener Ansichten und nach Überprüfung derPlausibilität der einzelnen Risikofaktoren einen Aufschlagvon 15,13% wegen spezifischer Sonderleistungen für er-forderlich erachtet.

Die Streithelferin hat allgemeine unfallspezifische Kos-tenfaktoren vorgetragen, die einen höheren Mietpreisrechtfertigen können. Danach sei das angemietete Fahr-zeug zur Werkstatt des Klägers gebracht und von dort zu-rückgeholt worden. Eine Vorreservierungszeit sei nichterforderlich gewesen, obwohl es sich nicht um einen übli-chen Pkw, sondern um einen Transporter handelte. Dievoraussichtliche Mietzeit sei offen geblieben. Es seienkeine Vorauszahlung und keine Kaution für Fahrzeug-schäden oder für die Betankung erhoben worden. Auchseien keine Nutzungseinschränkungen vereinbart worden.Schließlich sei das Fahrzeug mit Winterreifen ausgerüstetgewesen. Zu mehr Angaben war der Kläger nicht ver-pflichtet.

Zeitraum von drei Monaten „absehbar“ war. Unter „ab-sehbar“ versteht ein durchschnittlicher Versicherungsneh-mer mehr als nur ein gering erhöhtes Risiko, dass es zueiner ärztlichen Behandlung bei bestehender Vorerkran-kung kommen kann. Die Behandlungsbedürftigkeit musssich für den Versicherungsnehmer oder die versichertePerson auf Grund konkreter Kenntnisse über den vor Rei-seantritt bestehenden Gesundheitszustand wenigs-tens alswahrscheinlich darstellen; es müssen Anhaltspunkte dafürgegeben sein, dass es im versicherten Zeitraum voraus-sichtlich zu einer Behandlung der schon vorhandenen Er-krankung kommen wird. Solche Anhaltspunkte sind,soweit es das Auftreten eines Herzinfarktes angeht, vor-liegend nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass Frau Usich zuletzt am 01.06.2007 auf den S auch wegen vom Her-zen herrührender Beschwerden (Angina) in ärztliche Be-handlung begeben hat und ihr Medikamente verschriebenworden sind, besagt nichts über die Vorhersehbarkeit einerBehandlung wegen eines neu aufgetretenen Herzinfark-tes während ihres Deutschlandaufenthaltes. Frau U kannauch nicht angelastet werden, dass sie auf den S keine wei-tere ärztliche Hilfe mehr in Anspruch genommen hat.Dazu war sie nach den Versicherungsbedingungen nichtverpflichtet; insbesondere ist ihr kein ärztliches Zeugnisüber die Reisefähigkeit abverlangt worden. Die Behand-lungsbedürftigkeit wegen eines erst in Deutschland im ver-sicherten Zeitraum aufgetretenen Herzinfarktes war nachallem weder für den Kläger noch für Frau U i.S.v. § 1 Zif-fer 2 a) AVB absehbar. Demgegenüber war eine Behand-lung der Grunderkrankung mit Blick auf die schon auf denS bestehende regelmäßige Behandlungsbedürftigkeit ab-sehbar, sodass insoweit kein Versicherungsschutz besteht.Die Beklagte hat nach den vorstehenden AusführungenVersicherungsschutz zu gewähren, soweit die Behandlungenvon Frau U auf den Herzinfarkt und nicht auf die beste-hende Grunderkrankung zurückgeführt werden können. ...“

Verwertungsverbot für VZR-VoreintragungenBeschluss des OLG Bamberg v. 10.02.2010 – 2 Ss OWi1575/09 –

1. Maßgebender Zeitpunkt für das Eingreifen des in§ 29 Abs. 8 S. 1 StVG enthaltenen gesetzlichen Ver-wertungsverbotes für im Verkehrszentralregister(VZR) getilgte Voreintragungen ist im Hinblick aufneue Taten des Betroffenen stets der Zeitpunkt desErlasses des (neuen) tatrichterlichen Urteils.

2. Das Verwertungsverbot nach § 29 Abs. 8 S. 1 StVGbesteht deshalb auch dann, wenn zwar noch wäh-rend der Tilgungsfrist weitere Taten begangen wur-

den, hinsichtlich der Vorahndungen aber im maßgeb-lichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung Tilgungsreifenach § 29 Abs. 6 S. 1 StVG eingetreten war.

3. Ein Verwertungsverbot besteht auch dann, wennim Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entschei-dung die Überliegefrist des § 29 Abs. 7 StVG nochnicht abgelaufen war (Anschluss u.a. an OLG Bam-berg DAR 2007, 38; OLG Karlsruhe zfs 2005, 411 f.;OLG Hamm NZV 2007, 156; OLG Brandenburg DAR2008, 218; OLG Jena NZV 2008, 165 f.; OLG Schleswigzfs 2006, 348 f. und OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 87).

Aus den Gründen:

Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und imÜbrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betr. ist unbe-gründet.

1. Die Feststellungen des AG tragen den Schuldspruch so-wohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht (wirdausgeführt).

2. Auch die Rechtsfolgenentscheidung weist im Ergebniskeinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil desBetr. auf. Zwar hat das AG rechtsfehlerhaft die Vorein-tragungen des Betr. berücksichtigt, weil diese im Zeit-punkt der tatrichterlichen Entscheidung einem Ver-wertungsverbot unterlagen und deshalb die verwirkte Re-gelgeldbuße verdoppelt wurde. Die Erhöhung auf200 EUR ist aber gleichwohl im Hinblick auf die wirt-schaftlichen Verhältnisse des Betr. gerechtfertigt.

a) Das AG hält die Vorahndungen des Betr. für verwert-bar, weil dem Wortlaut des § 29 Abs. 8 S. 1 StVG ein Verwertungsverbot hinsichtlich solcher Voreintragungennicht zu entnehmen sei, die von der Überliegefrist des § 29 Abs. 7 S. 1 erfasst und deshalb noch nicht (endgültig) ge-löscht worden seien. So könne der dort verwendete Begriff„getilgt“ zwar mit „gelöscht“, nicht aber mit „tilgungsreif“gleichgesetzt werden. Ein Verwertungsverbot könne auchnicht aus § 29 VII 2 StVG hergeleitet werden, da diese Re-gelung zwar ein Verbot der Übermittlung und Auskunfts-erteilung für Vorahndungen während der Überliegefristbegründe, nach ihrem Wortlaut aber gerade nicht die Ver-wertbarkeit von Vorahndungen hindere. Im Übrigen führedie gegenteilige Rechtsauffassung zu einer Benachteiligungderjenigen, die einen Bußgeldbescheid ohne Rechtsbehelfakzeptieren und sich damit nicht getilgte Vorahndungenvorhalten ließen, ohne durch Rechtsbehelfe das Verfahrenhinauszuzögern, um auf diese Weise eine Tilgung eingetra-gener Verkehrsverstöße zu erreichen. Die Nichtberück-sichtigung tilgungsreifer Vorahndungen in derÜberliegefrist sei auch mit der gesetzgeberischen Intentionund den Zweckbestimmungen des VZR nicht vereinbar.

b) Diese Rechtsauffassung ist rechtsfehlerhaft. Nach § 29Abs. 8 S. 1 StVG ergibt sich für getilgte Voreintragungen im

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RECHTSPRECHUNG

Das Berufungsgericht durfte die Vorfinanzierung derMietwagenkosten als unfallspezifischen Kostenfaktornicht auch schon deshalb unberücksichtigt lassen, weil sub-stantiierter Vortrag des Klägers dazu fehlte, dass er zurVorfinanzierung nicht imstande sei. Diese Frage betrifftnicht die Erforderlichkeit der Herstellungskosten i.S.d.§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB, sondern die Schadensminderungs-pflicht nach § 254 BGB. Unter diesem Blickwinkel kommtes darauf an, ob dem Geschädigten die Vorfinanzierung,zu der auch der Einsatz einer EC-Karte oder einer Kre-ditkarte gerechnet werden könnte, möglich und zumutbarist. Das kann angesichts der heutigen Gepflogenheitennicht generell ausgeschlossen werden, für den Streitfallaber auch nicht mangels hinreichender tatsächlicherGrundlagen bejaht werden, wobei zunächst im Rahmendes § 254 BGB nicht der Kläger darlegungs- und beweis-pflichtig ist, wenn sich auch je nach dem Vortrag der Be-klagten für ihn eine sekundäre Darlegungs- undBeweislast ergeben kann (vgl. Senatsurteile BGHZ 163,19, 26; vom 20.03.2007 VersR 2008, 235, 237; vom14.02.2006 – VersR 2006, 564, 565 und vom 29.09.1998 –VersR 1998, 1428). Der Geschädigte ist im Rahmen des§ 254 BGB auch unter Berücksichtigung seiner sekundä-ren Darlegungs- und Beweislast jedenfalls nicht gehalten,von sich aus zu seiner finanziellen Situation vorzutragen.

Unter den Umständen des Streitfalls kann dem Klägerauch nicht vorgeworfen werden, dass er sich mit der Be-klagten bis zur Anmietung des Fahrzeugs nicht in Verbin-dung gesetzt habe. Dass die Beklagte zur Vorfinanzierungbereit gewesen wäre, behauptet diese selbst nicht. Die Re-vision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht den unterBeweis gestellten Vortrag der Streithelferin in der erstenInstanz hierzu nicht gewürdigt hat, dass der Beklagten vonder Streithelferin ein um 25% günstigerer Tarif angebotenworden sei, wenn keinerlei Haftungseinwände erfolgtenund die Kostenübernahme erklärt würde, die Beklagte je-doch darauf nicht reagiert habe. Auch hätte das Beru-fungsgericht den beweisbewehrten Vortrag derStreithelferin berücksichtigen müssen und insoweit nichteinen Mangel an Vortrag des Klägers dazu annehmen dür-fen, dass das Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet war (§ 287 ZPO; Art. 103 Abs. 1 GG).

3. Auf die Klärung der Erforderlichkeit des geltend ge-machten Unfallersatztarifs kann auch nicht deshalb ver-zichtet werden, weil nach den Umständen des Streitfallsfeststünde, dass dem Kläger jedenfalls ein günstigererNormaltarif in der konkreten Situation ohne weiteres zu-gänglich war, sodass ihm eine solche (kostengünstigere)Anmietung eines entsprechenden Fahrzeugs unter demBlickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Scha-densminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl.Senat, Urt. v. 20.03.2007 – VersR 2008, 235, 237 m.w.N.).

Wenn die Erforderlichkeit des geltend gemachten Unfall-ersatztarifs nicht feststeht, trifft – anders als die Revisionmeint – den Kläger die Beweislast dafür, dass ihm ein we-sentlich günstigerer Tarif nicht zugänglich war. Insoweitgeht es nicht um die Verletzung der Schadensminde-rungspflicht, für die grundsätzlich der Schädiger die Be-weislast trägt, sondern um die Schadenshöhe, die derGeschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu bewei-sen hat (vgl. Senatsurt. v. 14.10.2008 – VersR 2008, 1706,1707; vom 11.03.2008 – VersR 2008, 699, 701; vom09.10.2007 – VersR 2007, 1577, 1578; vom 14.02.2006 –VersR 2006, 669, 671 und vom 19.04.2005 – VersR 2005,850, 851). Steht fest, dass der Unfallersatztarif betriebs-wirtschaftlich gerechtfertigt ist, sodass er grundsätzlichdem Geschädigten als unfallbedingter Herstellungsauf-wand zu ersetzen wäre, möchte jedoch der Schädiger nach§ 254 BGB nur einen niedrigeren Schadensersatz leisten,so hat er nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen undzu beweisen, dass dem Geschädigten in der konkreten Si-tuation ein günstigerer Normaltarif ohne weiteres zu-gänglich war (Senatsurt. v. 24.06.2008 – a.a.O., 1372).

Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht ausseiner Sicht zutreffend dem Kläger die Darlegungs- undBeweislast dafür überbürdet, dass ihm unter Berücksich-tigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmög-lichkeiten sowie der gerade für ihn bestehendenSchwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen aufdem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt –zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigererTarif zugänglich war. Auch geht das Berufungsgericht zu-treffend davon aus, dass es zur Frage der Erkennbarkeitder Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf an-kommt, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkenderGeschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeits-gebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarifgehalten gewesen wäre, wobei die Höhe des angebotenenUnfallersatztarifs eine maßgebende Rolle spielt, wenn sichdaraus Bedenken gegen die Angemessenheit ergebenkönnen (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 163, 19, 24 f.; Urt.v. 30.01.2007; vom 23.01.2007; vom 9.05.2006; vom14.02.2006 und vom 25.10.2005 jeweils a.a.O.). Liegt dieHöhe des Mietpreises weit über den Vergleichspreisenund ist das Angebot des in Anspruch genommenen Ver-mieters um ein Vielfaches überhöht, wird sich ein ver-ständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lagedes Geschädigten um eine preiswertere Möglichkeit derAnmietung bemühen. Die Frage, welche Bemühungendem Geschädigten um einen günstigeren Tarif zuzumutensind, ist somit maßgeblich beeinflusst von der Höhe desMietpreisangebots.

Hierzu rügt die Revision mit Recht, dass das Berufungs-gericht auf Grund einer fehlerhaften Rechnung eine er-

Deutschland aufgetretenen Herzinfarkts in Höhe einesGesamtbetrages von 23.821,33 EUR zu erstatten.

Bei dem Herzinfarkt handelt es sich um eine akute, uner-wartete Erkrankung i.S.v. § 1 Ziffer 1. AVB. Wie der in denBedingungen verwendete Begriff der akuten, unerwarte-ten Erkrankung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zuermitteln. Dabei ist maßgebend, wie ein durchschnittlicherVersicherungsnehmer die Klausel bei verständiger Wür-digung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigungdes erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss(BGHZ 123, 83, 85; BGH VersR 2001, 184).

Den Begriff der akuten Erkrankung wird ein Versiche-rungsnehmer dahin verstehen, dass eine plötzliche Ver-schlechterung des bisherigen Gesundheitszustandesauftritt. Wenn der Versicherungsnehmer bzw. die versi-cherte Person bereits an einer chronischen Grunderkran-kung leidet, wird er der Klausel nicht entnehmen, dass vonvornherein jede weitere Erkrankung, die eine Folge jenerGrunderkrankung ist, vom Versicherungsschutz ausge-nommen sein soll. Dafür gibt das in die Versicherungsbe-dingungen aufgenommene Wort „akut“ nichts her; diesesdeutet im Gegenteil darauf hin, dass jede nachteilige Ver-änderung des Gesundheitszustandes, die sich von einemTag auf den anderen einstellt, vom Versicherungsschutzerfasst ist.

Was unter einer „unerwarteten“ Erkrankung zu verstehenist, erschließt sich dem um Verständnis bemühten Versi-cherungsnehmer nicht ohne weiteres. Er wird erkennen,dass es im Rahmen des in § 1 Ziffer 1 AVB gegebenenLeistungsversprechens auf seine subjektive Einschätzung,ob die Erkrankung unerwartet aufgetreten ist, nicht an-kommen kann, denn insoweit hat der Versicherer aus-drücklich einen Risikoausschluss in § 1 Ziffer 2 a) AVBformuliert, der anderenfalls weitgehend gegenstandsloswäre. Andererseits wird der Versicherungsnehmer, der zurKenntnis genommen hat, dass seine subjektive Sicht beider Ausfüllung des Begriffs der unerwarteten Erkrankungi.S.v. § 1 Ziffer 1 keine Bedeutung haben kann, nicht zuder Erkenntnis gelangen, es sei insoweit auf die Einschät-zung Dritter, insbesondere auf eine ärztliche Beurteilung,ob die Erkrankung unerwartet aufgetreten ist, abzustel-len, denn dies hätte zur Folge, dass der Umfang des ge-währten Versicherungsschutzes für den in aller Regelmedizinisch nicht vorgebildeten Versicherungsnehmer un-durchschaubar würde. Demgemäß kommt es vorliegendnicht auf die von den beteiligten Gutachtern diskutierteFrage an, mit welcher Wahrscheinlichkeit aus medizini-scher Sicht der Eintritt eines Herzinfarktes bei Frau U an-gesichts ihrer Vorerkrankungen zu erwarten war; es bedarfdeshalb auch nicht der von der Beklagten beantragten An-hörung des Gerichtsgutachters. Um sich die Bedeutungdes Begriffs „unerwartete Erkrankung“ in § 1 Ziffer 1

AVB näher zu erschließen, wird der Versicherungsnehmersehen, dass das Wort „unerwartet“ in den Bedingungengemeinsam mit dem Begriff „akut“ verwendet worden ist.Es liegt nahe, dass – da, wie ausgeführt, „unerwartet“ hiernur ohne subjektive Komponente verstanden werdenkann – die im Zusammenhang aufgeführten Begriffe„akut“ und „unerwartet“ lediglich gemeinsam kennzeich-nen sollen, dass die Erkrankung plötzlich und ohne zuvorerkennbare Anzeichen aufgetreten sein muss. In diesemSinne – und eine solche Auslegung ist als dem Versiche-rungsnehmer günstig hier anzunehmen – ist eine Erkran-kung, die unvermittelt zu einer Verschlechterung desbisherigen Gesundheitszustandes führt, stets akut und un-erwartet, denn mindestens der konkrete Zeitpunkt, zudem eine Erkrankung auftritt, ist nicht vorhersehbar. Auchbei bestehenden Vorerkrankungen ist eine konkret imVersicherungszeitraum aufgetretene und mit der Vorer-krankung im Zusammenhang stehende Erkrankung zu-mindest dann (objektiv) unerwartet, wenn sie keinezwingende, notwendig eintretende Folge der Vorerkran-kung darstellt, sondern allenfalls das Risiko des Eintretensder weiteren Erkrankung erhöht ist (vgl. OLG Köln VersR1998, 354). Dies ist hier der Fall: Die Herzerkrankung magdas Risiko, dass Frau U einen Herzinfarkt erleiden kann,gesteigert haben; gleichwohl war der Zeitpunkt, zu demsich dieses Risiko gegebenenfalls verwirklichen würde,schlechterdings nicht zu prognostizieren. Der Herzinfarktist damit (objektiv) unerwartet eingetreten.

Ob der Herzinfarkt subjektiv vorhersehbar war, ist – wiesich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer beiLektüre der Bedingungen ohne weiteres erschließt – al-leine Gegenstand des in § 1 Ziffer 2 a) AVB geregeltenLeistungsausschlusses. § 1 Ziffer 2 a) AVB stellt nach sei-nem Wortlaut nur darauf ab, ob absehbar war, dass vorReiseantritt bekannte Erkrankungen während der Reisebehandlungsbedürftig werden. Mit dieser Formulierungwird für den durchschnittlichen Versicherungsnehmerschon nicht hinreichend deutlich gemacht, ob von demLeistungsausschluss auch das Auftreten solcher neuer ge-sundheitlicher Beschwerden, die lediglich ihre Grundlagein einem schon vorhandenen, bekannten Leiden haben, er-fasst werden sollen. Bekannt waren bei Frau U allein einchronisches Herzleiden und ein älterer durchgemachterHerzinfarkt. Ob der neu aufgetretene Herzinfarkt nachdem Verständnis eines durchschnittlichen, nicht medizi-nisch vorgebildeten Versicherungsnehmers als eine Be-handlung der bekannten Herzgrunderkrankungverstanden werden muss, ist fraglich und im Zweifel beidem Gebot, Ausschlussklauseln eng auszulegen (vgl.BGHZ 88, 228, 231), nicht anzunehmen. Aber selbst dann,wenn die Ausschlussklausel auch insoweit einschlägig seinsollte, fehlt es an zureichenden Anhaltspunkten dafür, dassder Eintritt des Herzinfarktes für Frau U im versicherten

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RECHTSPRECHUNG

hebliche Differenz zwischen Normaltarif und Unfaller-satztarif angenommen hat, die den Kläger zu weiteren Er-kundigungen hätte veranlassen müssen. Bei der vomBerufungsgericht vorgenommenen Berechnung des ein-heitlichen Tagestarifs aus dem siebten Teil des Wochenta-rifs bleibt außer Betracht, dass der Kläger bei Anmietungdes Ersatzfahrzeugs nach dem Reparaturplan von einerReparaturdauer von fünf Tagen ausgehen durfte und sichdiese erst nach Lieferung der falschen Ersatztüren um vierTage verlängerte.

Ein Angebot zum Wochentarif kam, da der Kläger aneinem Montag das Ersatzfahrzeug mietete, somit vorerstfür ihn nicht infrage. Ob der Kläger auch schon auf Grundder Höhe des Tagespreises gehalten gewesen wäre, sichnach weiteren günstigeren Tarifen zu erkundigen, kann aufder Grundlage der bisherigen Feststellungen vom erken-nenden Senat nicht beurteilt werden.

Der Kläger musste sich auch nicht schon auf Grund derVerlängerung der Mietzeit um einen günstigeren Tarif be-mühen, selbst wenn ihm Vergleichspreise im Informati-onsschreiben der Beklagten vom 22.03.2006 genanntworden sind. Das Schreiben ist erst am 29.03.2006, mithinzwei Tage nach Abschluss des Mietvertrags, zugegangen.Die in Tabellenform dargestellten Mietpreise betreffenPkw und keinen Transporter. Sie beziehen sich auch nichtauf eine konkrete Vermieterfirma in der dem Kläger zu-gänglichen Region. Schon deshalb war der Kläger nichtverpflichtet, den Mietvertrag zu kündigen und ein Fahr-zeug bei einem anderen günstigeren Anbieter anzumie-ten, zumal die Reparaturzeit lediglich auf fünf Tageveranschlagt war (vgl. Senatsbeschluss vom 13.01.2009 –VersR 2009, 801, 802).

Hingegen liegt es im Ermessen des im Rahmen des § 287ZPO besonders freigestellten Tatrichters und begegnet dieAuffassung des Berufungsgerichts keinen rechtlichen Be-denken, dass die Einholung eines einzigen Vergleichsan-gebotes durch den Kläger nicht genügt hätte, wenn aufGrund der Höhe des Mietangebots der Streithelferin eineErkundigungspflicht bestünde. Nachdem die Firma U. diePreisangabe verweigert hatte, lag lediglich ein einzigesVergleichsangebot vor, das der Kläger schon deshalb hättekritisch prüfen müssen, weil er die Telefonnummer dieserFirma vom Angestellten der Streithelferin, mithin derKonkurrenz, aus dessen Telefonbuch erhalten hatte undder Anruf bei einem weiteren Vermieter von dem Ange-stellten abgewehrt worden ist, nachdem ein Anbieter dieAuskunft verweigert hatte.

III. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Be-stand haben. Es ist aufzuheben und die Sache zur neuenVerhandlung und Entscheidung an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen, damit dieses unter Beachtung derRechtsauffassung des erkennenden Senats die gebote-

nen Feststellungen zur Erforderlichkeit des Unfaller-satztarifs im konkreten Fall und unter Umständen zurZugänglichkeit eines günstigeren Tarifs nachholen kann.

Schätzgrundlage bei MietwagenkostenUrteil des OLG Köln v. 22.12.2009 – 15 U 98/09 –

1. Die Frage der Höhe der Erstattungsfähigkeit einesUnfallersatztarifes stellt sich dann nicht, wenn dieMietwagenkosten auf der Basis des „Normaltarifes“geltend gemacht werden. Der Senat hält an seinerbisherigen Rechtsprechung fest, dass der Schwacke-AMP 2006 eine geeignete Grundlage zur Schätzungdes Normaltarifes darstellt.

2. Neben den dargelegten Beispielen spricht bereitsdie allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass Werte,die mit einer einwöchigen Vorlauffrist erfragt wer-den, einen erheblichen Einfluss auf die Höhe derPreise haben. Die Fraunhofer-Studie ist daher weni-ger geeignet, weil gerade die Notwendigkeit derkurzfristigen Verfügbarkeit – aus beruflichen oder pri-vaten Gründen – in einer erheblichen Anzahl von Fäl-len die Situation der Anmietung eines Ersatzfahr-zeugs kennzeichnet.

3. Außerdem weist die Fraunhofer-Studie keine demhier betroffenen Bereich entsprechende Regionalisie-rung anhand dreistelliger Postleitzahlengebiete auf.Für die größere – anhand zweistelliger Postleitzah-lengebiete ausgewiesene – Region können sich aberdurch den Einbezug einer höheren Anzahl von An-bietern und Werten Verschiebungen ergeben.

4. Entsprechend hat der Senat in seinem Urteil vom13.10. 2009 – 15 U 49/09 – entschieden.

Aus den Gründen:

Die zulässige Berufung der Kl. hat in der Sache zum ganzüberwiegenden Teil Erfolg; wegen eines Teils der geltendgemachten Zinsen ist sie unbegründet.

Der Kl. stehen die im Berufungsrechtszug noch geltendgemachten Hauptforderungsansprüche auf Erstattungrestlicher Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht (mitder rechnerischen Korrektur um einen Cent nach unten)gemäß §§ 7 I, 17 I und II, 18 I und III StVG i.V. mit §§ 3PfIVG, 115 I Nr. 1 VVG sowie §§ 249 ff. BGB i.V. mit §§535 II, 398 BGB zu.

Die Begründung der Klageabweisung durch das LG indem angefochtenen Urteil vermag das gegenteilige Er-gebnis nicht zu tragen. Auf der Grundlage der ständigenRechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH seit dem Jahr

damit einhergehende mögliche Verlust eigener Erkennt-nismöglichkeiten würde für sich genommen möglicher-weise aber die Kausalität nicht begründen können (BGHVersR 2001 a.a.O. unter 2 b aa). Allerdings wurde dasstreitgegenständliche Fahrzeug bereits im Juli 2004 von derKl. verkauft und stand somit bei Kenntniserlangung derBekl. vom Schadensfall knapp 17 Monate später längstnicht mehr zur Verfügung, was insbesondere für Untersu-chungszwecke durch einen (neutralen) Sachverständigeno.Ä. von entscheidender Bedeutung sein kann. Die Bekl.war und ist dadurch auf Anknüpfungstatsachen und Be-weise angewiesen, die durch Dritte (Kl. bzw. Haftpflicht-versicherung des Gegners) erhoben und vermeintlichgesichert wurden. Ihr wurde die Möglichkeit genommen,einen eigenen Sachverständigen mit der unmittelbarenSchadensaufnahme und -bewertung einzuschalten. Statt-dessen muss sie sich jetzt im Wesentlichen u.a. mit einemGutachten eines Sachverständigen St. auseinandersetzen,der nicht nur von der Kl. beauftragt worden war, sondern –wie sich nunmehr herausstellte – als Gefälligkeitsgutachterin einer Vielzahl von Fällen in Erscheinung getreten unddafür vom AG H zwischenzeitlich auch wegen Bestech-lichkeit und mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Be-währungsstrafe verurteilt wurde. Dies zeigt eindrücklich,welch hohem Risiko ein Versicherer ausgesetzt wird, demelementare und frühzeitige Informationen vorenthaltenwerden. Er ist auf diese Informationen in hohem Maße an-gewiesen. Daran kann angesichts dieser besonderen Um-stände auch die Tatsache nichts ändern, dass der Unfallpolizeilich aufgenommen wurde und es ein weiteres Gut-achten eines Sachverständigen B. gibt, das durch die Streit-helferin der Bekl. in Auftrag gegeben worden war. Dennauch der Sachverständige B. hat mit Ausnahme eineseigenen Nachbesichtigungstermins im März 2004 (vgl. S. 8seines Gutachtens vom 08.11.2006, AH I Bekl.) für seineBeurteilung wesentlich auch auf die durch den Sachver-ständigen St. getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu-rückgegriffen, deren Verlässlichkeit angesichts der frag-würdigen Berufsauffassung des Sachverständigen St. je-doch erheblich in Frage gestellt werden muss. Es bestandunter diesen Umständen durchaus die Möglichkeit, dassein von der Bekl. frühzeitig eingeschalteter Gutachternach eingehender und auch gezielter Besichtigung desFahrzeugs die behaupteten Vorschäden und auch den un-geklärten Unfallhergang in einer für die Bekl. günstigerenWeise festgestellt hätte. Diese Möglichkeit konnte die Kl.nicht widerlegen (BGH VersR 2001 a.a.O.), weshalb vonder Kausalität der Obliegenheitsverletzung auszugehen ist.

4. Die Bekl. verhält sich auch nicht treuwidrig, wenn siesich auf Leistungsfreiheit beruft. Dies hat das LG mit zu-treffenden Erwägungen ebenso gesehen (S. 13 LGU). DerEinwand der unzulässigen Rechtsausübung kann nur danndurchdringen, wenn sich der Versicherer so verhalten hat,

dass der VN daraus aus Treu und Glauben den Willen desVersicherers zum Verzicht auf das Leistungsverweige-rungsrecht entnehmen musste (Stiefel/Hofmann a.a.O., § 7Rdn. 123), d.h., ein Verzichtswille, der nicht ausdrücklicherklärt worden sein muss, sondern sich auch aus den Ge-samtumständen ergeben kann, muss eindeutig festgestelltwerden. Das setzt aber auf Seiten des VN einen vom Ver-sicherer veranlassten Vertrauenstatbestand voraus, der denVN zu Recht zu der Annahme gelangen lassen konnte, derVersicherer werde sich nicht auf Leistungsfreiheit berufen(OLG Köln VersR 1994, 1183). Dies kann entgegen derAuffassung der Kl. nicht alleine aus dem Umstand abge-leitet werden, dass die Bekl. sich nicht sofort nach Eingangder Anzeige im Dezember 2005 sozusagen auf die Oblie-genheitsverletzung „gestürzt“, sondern zunächst mitSchreiben vom 11.01.2006 weitere Unterlagen und Infor-mationen bei der Kl. angefordert hat sowie in eine Sach-prüfung eingestiegen ist, um dann schließlich am08.09.2008 ihre Einstandspflicht aus materiell-rechtlichenGründen abzulehnen, ohne sich vorgerichtlich auf Leis-tungsfreiheit zu berufen. Hieraus kann schon nicht zwin-gend der Schluss gezogen werden, die Bekl. habe dieObliegenheitsverletzung überhaupt (frühzeitig) erkannt,geschweige denn in Kenntnis hiervon unter Verzicht aufdas Leistungsverweigerungsrecht die Berechtigung desAnspruchs zunächst inhaltlich geprüft und schließlich wie-derum unter Verzicht auf ihr Leistungsverweigerungsrechtihre Einstandspflicht aus anderen Gründen abgelehnt. Esfehlen für einen solchermaßen geäußerten Verzichtswillenhinreichende Anhaltspunkte, was zu Lasten der hierfür be-weisbelasteten Kl. geht. Es soll auch vorkommen, dass dieVersäumung der Anzeigepflicht – möge sie auch noch soauf der Hand liegen, wie die Kl. meint – beim Versichererzunächst schlicht nicht bemerkt wird, etwa weil das Au-genmerk der Prüfung auf ganz andere Dinge gerichtet ist.Allein der relativ lange Zeitraum, der von Eingang der An-zeige im Dezember 2005 bis zur Leistungsablehnung am08.09.2008 bei der Bekl. vergangen ist, ohne dass die Bekl.sich dabei auf ihr Leistungsverweigerungsrecht wegen An-zeigepflichtverletzung berufen hätte, genügt für die Schaf-fung eines Vertrauenstatbestandes bzw. die Annahme einesVerzichtswillens auf Seiten der Beklagten ebenfalls nicht.

Unerwartete ErkrankungUrteil des OLG Köln v. 30.10.2009 – 20 U 62/09 –

Zum Begriff der akuten, unerwarteten Erkrankung i. S. v. § 1 Ziff. 1 AVB Reisekrankenversicherung.

Aus den Gründen:

„ ... Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die durchRechnungen belegten Aufwendungen für die ärztliche Be-handlungen des bei Frau U während des Besuchs in

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RECHTSPRECHUNG

2004 (vgl. grundlegend: Urt. v. 12.10.2004 –VI ZR 151/03 –NJW 2005, 51 ff.; in neuester Zeit: Urt. v. 14.10.2008 – VIZR 308/07 – NJW 2009, 58 ff.; Beschl. v. 13.01.2009 – VIZR 134/08 – r + s 2009, 481) kommt es auf die Zugäng-lichkeit eines „Normaltarifs“ nur dann an, wenn der Ge-schädigte Mietwagenkosten ersetzt haben möchte, die aufder Grundlage eines Tarifs, insbesondere eines „Unfaller-satztarifs“, ermittelt sind, die zu einem wesentlich höhe-ren Mietzins führen. Diese rechtliche Problematik stelltsich vorliegend nicht, weil die Kl. den unfallbedingtenSchaden wegen Mietwagenkosten der jeweiligen Geschä-digten bereits in erster Instanz auf der Grundlage des„Normaltarifs“ mit jeweils geringerer Summe berechnethat (so der erkennende Senat schon mit Urteil vom18.03.2008 – 15 U 145/07 –, abrufbar über juris.de und u.a.abgedruckt im OLG-Report 2008, 545 ff., sowie Schaden-Praxis 2008, 218 ff.). Die Zugänglichkeit eines „Normalta-rifs“ steht auch nicht der Zuerkennung von über die Sätzedieses Tarifs hinaus gehenden Nebenkosten entgegen, so-weit sie denn tatsächlich angefallen und erforderlichwaren (OLG Köln, 15. ZS, Urt. v. 18.03.2008, a.a.O.; 19. ZS,Urt. v. 02.03.2007 – 19 U 181/06 – NZV 2007, 199, 201). Mitder danach für die Beurteilung des Rechtsschutzbegeh-rens der Kl. entscheidenden Rechtsfrage, ob der „Nor-maltarif“ im Rahmen des gemäß § 287 ZPO eröffnetenErmessens auf der Grundlage des gewichteten Mittels desSchwacke-AMP 2006 im Postleitzahlengebiet des jeweili-gen Geschädigten zu ermitteln ist oder auf der Grundlagedes Fraunhofer-AMP 2008 und ob die von der Kl. geltendgemachten Nebenkosten erstattungsfähig sind, hat sichdas LG nicht befasst.

(1) Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechungfest, dass der Schwacke-AMP 2006 eine geeignete Grund-lage zur Schätzung des „Normaltarifs“ i. S. v. § 287 ZPOdarstellt (vgl.: Urteil vom 18.03.2008, aaO, und Urt. v.13.10.2009 – 15 U 49/09 – nicht veröffentlicht) mit derFolge, dass die von der Kl. auf dieser Grundlage in den ein-zelnen Schadensfällen geltend gemachten restlichen Miet-wagenkosten zu Recht von der Bekl. verlangt werden.

(1.1) An dieser Erkenntnis ist der Senat nicht gehindert,weil sich das LG zur Schadensschätzung „letztlich“ derden Zahlungen der Bekl. an die Kl. zu Grunde liegendenErhebung des Fraunhofer-Instituts bedient hat und dasBerGer. auf eine Rechtsfehlerkontrolle beschränkt ist.Das dem sinngemäß entsprechende Vorbringen der Bekl.verfängt nicht. In Ermangelung der Darlegung ihrer Ab-rechnung gegenüber der Kl. kann schon nicht nachvollzo-gen werden, dass die Bekl. ihre Zahlungen an demFraunhofer-AMP 2008 orientiert hat. Zudem hat sich dasLG zu einer Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO nichtveranlasst gesehen, weil es die Klage mangels Darlegun-gen der Kl. zur Nicht-Zugänglichkeit eines günstigeren Tarifs als dem von ihr in Rechnung gestellten für unbe-

gründet erachtet hat. Schließlich ist das Berufungsgerichtauch im Fall einer auf § 287 ZPO gründenden Entschei-dung, auch in Ansehung des Zivilprozessreformgesetzesvom 27.07.2001 (BGBl. I, 1887) berufen, den Prozessstoffauf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichti-gungsfähigen Tatsachen selbstständig nach allen Richtun-gen von Neuem zu prüfen (OLG Köln, Urt. v. 18.03.2008,aaO; Urt. v. 09.10.2007 – 15 U 105/07 – VersR 2008, 364,365; jew. m. w. Nachw.).

(1.2) Wie der Senat zunächst in seiner Entscheidung vom18.03.2008 näher begründet hat, bildet der Schwacke-AMP 2006 wie schon der Schwacke-AMP 2003 eine ge-eignete Schätzgrundlage zur Bestimmung des„Normaltarifs“. Auf die Begründung dieses Urteils wirdzwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genom-men. Nahezu zeitgleich hierzu hat auch der BGH erkannt,dass die Schätzung des „Normaltarifs“ auf der Grundlagedes gewichteten Mittels des AMP 2006 nicht zu beanstan-den ist (BGH, Urteil vom 11.03.2008 – VI ZR 164107 –NJW 2008, 1519, 1520).

(1.3) Daran hat der Senat auch unter dem Blickwinkel desEinwands des beteiligten Versicherungsunternehmens, derFraunhofer-AMP 2008 bilde eine geeignetere Schät-zungsgrundlage, in seinem Urt. 13.10.2009 festgehalten.Danach lässt der Umstand, dass die Fraunhofer-Studie2008 durchgängig und auch im hier betroffenen Bereichniedrigere Mietpreise ausweist, nicht den Schluss zu, derSchwacke-AMP 2006 spiegele nicht die tatsächlichenMarktverhältnisse wider. Denn dadurch, dass die in derFraunhofer-Studie 2008 ausgewiesenen Werte auf derGrundlage einer anderen Voraussetzung, nämlich miteiner einwöchigen Vorlauffrist erfragt wurden, bestündendurchgreifende Bedenken an der die Besonderheiten ge-rade der hier zu beurteilenden Schadensfälle erfassendenRepräsentativität der in dieser Studie abgebildeten – nied-rigeren – Werte und deren Vergleichbarkeit mit den indem Schwacke-AMP 2006 ausgewiesenen Modi bzw. ge-wichteten Mittel.

Dafür, dass die einwöchige Vorlauffrist für Mietwagenbu-chungen auf die für die Anmietung eines Mietfahrzeugsgeforderten Preise von nicht lediglich unerheblichem Ein-fluss ist, sprächen neben der allgemeinen Lebenserfahrungdie von der Kl. vorgelegten Angebote, aus denen hervor-gehe, dass der Preis für die Anmietung eines bestimmtemPkw bei einem größeren Mietwagenunternehmen, wel-ches zweifelsohne zu den die einschlägigen Marktverhält-nisse mitprägenden Unternehmen zähle, je nach derVorbuchungsfrist deutlich variierten. Die in demSchwacke-AMP 2006 ausgewiesenen Werte seien demge-genüber jedoch unstreitig auf der Grundlage zumindestauch eine kurzfristige Anmietung berücksichtigenderMietpreise ermittelt. Gerade die Notwendigkeit der kurz-

aus § 7 I. (2) Satz 1 AKB ausdrücklich an den Kaskoversi-cherer richtete und nicht – wie sie im vorliegenden Rechts-streit Glauben machen will – an die gegnerischeHaftpflicht als aus Sicht der Kl. primär Leistungspflichtige.Die abweichende Auffassung der Kl. beruht auf einer völ-ligen Verkennung der Norm des § 7 l. (2) Satz 1 AKB.Auch ersetzt die Anzeige des Haftpflichtfalls nicht die An-zeige des Kaskoschadens und umgekehrt, da die Ermitt-lungen des Versicherers in beiden Fällen in ganz andererRichtung verlaufen müssen (Stiefel/ Hofmann a.a.O., § 7Rdn. 16). Unter diesem Aspekt erscheint das Unterlassender Anzeige gegenüber der Bekl. als schlicht unverständ-lich. Die in diesem Zusammenhang von der Kl. geäußerteAuffassung, die Übersendung von Pro-forma-Anzeigen anden Kaskoversicherer verursache dort einen Aufwand undeine Ansammlung an Papier, liegt ebenso neben der Sachewie der Hinweis auf damit verbundene negative Auswir-kungen auf die Prämien und auf ein bloßes „Abheften“durch den Versicherer. Dies alles sind keine sachgerech-ten Kriterien, um von einer Anzeige abzusehen.

Als ebenso wenig stichhaltig zur Erklärung ihres Verhal-tens erweist sich der Einwand der Kl., der Fall sei haf-tungsrechtlich damals eindeutig zu beurteilen gewesen, dasich die Kl. weder ein Mitverschulden noch eine Betriebs-gefahr habe anrechnen lassen müssen und daher klar ge-wesen sei, dass die generische Haftpflichtversicherung zu100% eintrittspflichtig sei, was wiederum eine Inan-spruchnahme des Kaskoversicherers als nicht erforderlichhabe erscheinen lassen. Hierbei handelte es sich um einerein subjektive Einschätzung durch die Kl. Bekannterma-ßen gibt es bei der Abwicklung von Schadensfällen nachVerkehrsunfällen aber in einer sehr hohen Häufigkeit Un-stimmigkeiten, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Fra-gen resultieren. Mithaftungseinwände des Gegners sind ander Tagesordnung. Auch die komplizierten Versicherungs-bedingungen lassen einen Schadensfall nur in den seltens-ten Fällen als klar oder eindeutig erscheinen, zumal dann,wenn – wie vorliegend – nicht die eigene, sondern die geg-nerische (Haftpflicht-)Versicherung in Anspruch genom-men wird und der Geschädigte von dem Inhalt und derGestaltung dieses Versicherungsverhältnisses keineKenntnis hat. So hat die Kl. mit ihrer Berufungsbegrün-dung denn auch selbst ausgeführt, dass sich bei der Bear-beitung eines Schadenfalls durch die Haftpflicht-versicherung regelmäßig erst nach zeitraubenden Ermitt-lungen Haftungseinwände ergeben, die dann doch die In-anspruchnahme des Kaskoversicherers erforderlichmachen können. Mithin musste auch die Kl. in Betrachtziehen, ggfs. doch auf ihre Kaskoversicherung angewiesenzu sein. Ein Absehen von der Anzeige des Versicherungs-falls war in keinem Fall gerechtfertigt. Das Verhalten derKl. rechtfertigt zumindest die Annahme grober Fahrläs-sigkeit, denn die Kl. hat die erforderliche Sorgfalt in un-

gewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige nicht be-achtet, was in ihrer Lage jedem hätte einleuchten müssen(BGH VersR 1999, 1004; 1992, 1087). Von einem geringenVerschulden kann demgegenüber nur dann gesprochenwerden, wenn ein Fehlverhalten vorliegt, das auch einemordentlichen VN leicht unterlaufen kann und für das des-halb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringenvermag (BGH VersR 1884, 228). Dazu gehören jedoch diehier gegebenen Verstöße der Kl. gegen ihre Anzeigepflichtnach § 7 I. (2) Satz 1 AKB nicht. Die in diesem Verhaltenzum Ausdruck gekommene Nachlässigkeit und Sorglosig-keit der Kl. bei der Erfüllung ihrer diesbezüglichen Pflich-ten gegenüber ihrem Kaskoversicherer kann nämlich imHinblick darauf, dass der Versicherer im Interesse der Ver-sichertengemeinschaft auf die Erfüllung dieser Pflichtendurch den VN angewiesen ist, nicht als ein nur leichtesFehlverhalten angesehen werden, das jedem VN einmalunterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Ver-sicherer Verständnis haben kann. Die Kl. hat sich übereinen Zeitraum von nahezu 22 Monaten um eine Anzeigean die Bekl. nicht gekümmert. Auch wenn sie die Haf-tungslage für klar und eindeutig gehalten haben sollte,muss ihr dennoch ein sehr leichtfertiges Verhalten gegen-über der Bekl. vorgeworfen werden, zumal sie ihr jedeMöglichkeit genommen hat, sich in die Schadensregulie-rung einzuschalten. Mit einem „leichten Versagen“ kanndaher die Verhaltensweise der Kl. nicht verglichen werden(vgl. OLG Saarbrücken VersR 1976 a.a.O.).

3. Ebenso wenig ist der Kl. der Kausalitätsgegenbeweisnach § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F. gelungen. Der Beweis, dassdie grob fahrlässige Verletzung der Obliegenheit wederEinfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles nochauf die Feststellung oder den Umfang der dem Versichererobliegenden Leistung gehabt hat, obliegt dem VN (BGHVersR 2009, 497 m.w.N.). Er kann diesen negativen Beweisaber praktisch nur so führen, dass er zunächst die sich ausdem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten ausräumt unddann abwartet, welche Behauptungen der Versicherer überArt und Maß der Kausalität aufstellt, die der VN dannebenfalls zu widerlegen hat. Der Versicherer muss dazu diekonkrete Möglichkeit eines für ihn günstigeren Ergebnis-ses aufzeigen, indem er zum Beispiel vorträgt, welcheMaßnahmen er bei rechtzeitiger Erfüllung der Obliegen-heit getroffen und welchen Erfolg er sich davon verspro-chen hätte (vgl. insgesamt BGH VersR 2001, 756; BGHZ41, 327; Prölss/Martin a.a.O., § 6 Rdn. 105 und 124 m.w.N.).

Die nach Eintritt des Versicherungsfalls am 16.02.2004 zu-nächst unterlassene und erst am 21.12.2005 erstmals an dieBekl. gemachte Anzeige durch die Kl. führte dazu, dass dieBekl. gut 22 Monate lang von dem Versicherungsfall über-haupt nichts wusste und dadurch an jeglicher eigenen undfrühzeitigen Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachver-halts und Sicherung der Beweise gehindert war. Dieser

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RECHTSPRECHUNG

fristigen Verfügbarkeit kennzeichne aber in einer erhebli-chen Anzahl von Fällen die Situation der Anmietung einesErsatzfahrzeugs, welches – sei es aus beruflichen, sei es ausprivaten Gründen – anstelle des infolge des Unfalls fahr-untauglichen oder zumindest nicht verkehrssicheren be-schädigten Kfz benötigt werde. Eine Vorzugswürdigkeitdes Fraunhofer-AMP 2008 ergebe sich auch nicht aus derMethode, mit welcher die in den Schwacke-AMP 2006 ein-geflossenen Werte ermittelt worden seien. Es möge zu-treffen, dass diese Methode, bei welcher der Zweck derBefragung gegenüber den befragten Mietwagenunterneh-mern offengelegt worden sei, bei einer nicht unbeachtli-chen Anzahl der Angeschriebenen, die den Fragebogenausgefüllt zurücksandten, dazu geführt habe, höhere alsdie tatsächlich geforderten Mietpreise („Papierpreise“) zunennen, um so Einfluss auf das als ersatzfähig anzuerken-nende Preisniveau zu nehmen. Unabhängig davon, dassdie zunächst auf die beschriebene Weise bei den Ange-schriebenen eingeholten Werte anschließend durch teilsanonyme Nachfragen oder Internetrecherchen verifiziertworden seien, rechtfertige dies aber jedenfalls nicht denRückschluss darauf, dass über das gesamte Bundesgebietverteilt alle Angeschriebenen gleichermaßen in den je-weiligen Postleitzahlengebieten dieser Tendenz erlegengewesen seien. Vor diesem Hintergrund hätte die Bekl.aber, um die Entscheidungsrelevanz dieses Gesichts-punkts zu verdeutlichen, darlegen müssen, dass in den be-troffenen örtlichen Bereichen die unter den gegebenenBedingungen von Anbietern tatsächlich gefordertenPreise deutlich unterhalb des für die Region ermitteltengewichteten Mittels des Schwacke-AMP 2006 liegen. Ausder Fraunhofer-Studie 2008 ergebe sich das schon aus demoben aufgezeigten Grund nicht, überdies weise er keinedem hier betroffenen Bereich entsprechende Regionali-sierung anhand dreistelliger Postleitzahlen auf. Für diegrößere – anhand zweistelliger Postleitzahlengebiete aus-gewiesene – Region könnten sich aber durch den Einbe-zug einer höheren Anzahl von Anbietern und WertenVerschiebungen ergeben.

(1.4) An dieser Bewertung hält der Senat auch in Anbe-tracht vereinzelt vertretener Vorzugswürdigkeit desFraunhofer-AMP 2008 (vgl. z. 8.: OLG Köln, 6. ZS, Urt. v.10.10.2008 – 6 U 115/08 – NZV 2009, 145 ff.; Urt. v.21.08.2009 – 6 U 6/09 –, aufrufbar über juris.de; OLG Mün-chen, Urt. v. 25.07.2008 – 10 U 2539/08 – r + s 2008, 493 ff.)fest. Über die oben angeführten Argumente hinaus seihierzu ausgeführt: Gerade der hier betroffene Postleit-zahlenbereich weist nach dem Schwacke-AMP 2006 imzweistelligen Postleitzahlenbereich erhebliche Differen-zen für den städtischen und ländlichen Einzugsbereich auf.Die Konzentration der Internetabfrage auf sechs bundes-weit agierende und marktführende Anbieter, wie sie vonder Fraunhofer-Studie unternommen worden ist, führt

nach allgemeiner Lebenserfahrung tendenziell zu einerPreisverzerrung nach unten; die „wachsende“ Bedeutungdes Internets für Preisvergleiche, die offensichtlich argu-mentativ für die Maßgeblichkeit dieser Erhebungsme-thode angeführt wird, ist nach der Auffassung des Senatsnicht aussagekräftig, weil der Marktanteil der Buchungenüber Internet ohne aufwendige und zeitintensive Recher-chen nicht verifizierbar sein dürfte. Das weitere Argumentgegen die bessere Eignung des Fraunhofer-AMP 2008,dass Preise bei einer Vorbuchzeit von einer Woche erfragtwurden (siehe oben), kann nicht damit entkräftet werden,Teuerungen wegen kurzfristigerer Buchungen könnten imRahmen der Ermittlung des Pauschalaufschlags wegenunfallbedingten Mehraufwendungen hinlänglich berück-sichtigt werden. Denn es kann nicht festgestellt oder auchnur prognostiziert werden, dass sog. Selbstzahler stets oderzumindest deutlich überwiegend mit einer Vorlaufzeit voneiner Woche anmieten. Zudem kann dem Geschädigtendas angeführte Korrektiv in Form einer unfallbedingtenMehrkostenpauschale richtigerweise nicht zugebilligt wer-den, wenn ihm ein „Normaltarif“, also der von Selbstzah-lern üblicherweise zu leistende Mietpreis zugänglich ist,da es in diesem Fall an der Kausalität/Erforderlichkeit füreinen unfallbedingten Mehrkostenaufschlag fehlt (vgl. dieoben zitierten Urteile des erkennenden Senats, m. BGH-Rspr.-Nachw.).

(1.5) Ungeachtet dessen scheidet eine Bewertung des„Normaltarifs“ nach dem Fraunhofer-AMP 2008 in denFällen 1 bis 16 und 18 bis 22 ohnehin deswegen aus, weildieser Mietpreisspiegel für den Zeitraum vor Beginn mitden Erhebungen zu diesem am 19.02.2008 keine Berück-sichtigung finden kann. Für die Bestimmung der Scha-denshöhe ist maßgeblich der Zeitpunkt, in dem derSchaden eintritt. Die im Fraunhofer-AMP 2008 ausge-worfenen Mietpreise lassen nicht ohne weiteres einenRückschluss auf die Mietpreishöhe für die Zeit vor demErhebungsbeginn zu.

(1.6) Schließlich lassen sich auch aus dem von der Bekl.eingeholten einzelfallbezogenen Gutachten des Sachver-ständigen Dr. Zinn vom 05.12.2008 keine konkreten An-haltspunkte dafür herleiten, dass die von Anbieterntatsächlich geforderten Preise deutlich unterhalb des fürdie betroffenen Regionen ermittelten gewichteten Mittelsdes Schwacke-AMP 2006 liegen und der Fraunhofer-AMP2008 eine bessere Schätzungsgrundlage darstellt. Die Aus-sagekraft dieses Gutachtens beschränkt sich ohnehin aufdie Schadensfälle 1 bis 12, die sich in 2007 ereigneten, alsoin einem Zeitraum, für den der Fraunhofer-AMP 2008 ausden oben genannten Gründen nicht herangezogen werdenkann, gleichwohl aber als Vergleichsmaßstab aufgeführtist. Ungeachtet dessen leidet der Aussagewert dieses Gut-achtens darunter, dass die Ergebnisse der im dreistelligenPostleitzahlbereich befragten Unternehmen der Stellung-

nahme nicht beigefügt sind. Auch wenn die Methode derAuswertung der Daten abstrakt mitgeteilt ist, kann der je-weils ermittelte Mittelwert nicht konkret nachvollzogenwerden. Dieses Gutachten leidet auch daran, dass es denjeweiligen Mittelwert des Fraunhofer-AMP 2008 miteinem deutlich zu geringen Betrag angibt. So ergibt sichzum Beispiel aus der von der Bekl. auszugsweise vorge-legten Fraunhofer-Studie für den Schadensfall 1 betref-fend den zweistelligen Postleitzahlenbereich 41 und beieiner Eingruppierung des Pkw in die Klasse 4 nicht bloßein Mittelwert von 505,94 €, sondern von (262,79 € x 2 +76,49 €) 602,07 € und für den Schadensfall 2 anstatt472,97 € für die Gruppe 1 im Postleitzahlenbereich 52 von(206,66 € x 2 + 149,51 €) 562,83 €. Auch in Anbetrachtdessen kann eine tendenzielle Bewertung nicht ausge-schlossen werden.

(2) Die Kl. beanstandet auch zu Recht, dass das LG ihr diekonkret abgerechneten tatsächlichen Mietnebenkostenabgesprochen hat. Die Kl. hat die zusätzlich entstandenenNebenkosten einzeln für jeden Schadensfall dargetan undmit Unterlagen belegt. Die Bekl. hat hierzu keinerlei Ein-wendungen geführt. Die unfallbedingte Entstehung die-ser Kosten ist deshalb als unstreitig zu behandeln und derEntscheidung daher zu Grunde zu legen.

Anzeigepflicht gegenüber Kasko-VersichererUrteil des OLG Karlsruhe vom 18.02.2010 – 12 U 175/09 –

Zum Kausalitätsgegenbeweis bei der Verletzung derObliegenheit, dem Kasko-Versicherer den Versiche-rungsfall innerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen.

Aus den Gründen:

Das Urteil des LG erweist sich im Ergebnis als zutreffend.Die Bekl. ist gem. § 7 l. (2) Satz 1 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3VVG a.F. wegen Obliegenheitsverletzung durch die Kl.leistungsfrei. § 7 AKB lautet auszugsweise wie folgt:

§ 7 Obliegenheiten im Versicherungsfall I. ...(2) Jeder Versicherungsfall ist dem Versicherer vom VN in-nerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen. ...

IV. ...(4) Wird eine dieser Obliegenheiten in der Fahrzeug- oderKraftfahrtunfallversicherung verletzt, so besteht Leistungs-freiheit nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 VVG.

1. Zu Recht hat das LG eine objektive Verletzung der An-zeigeobliegenheit angenommen und dabei für den Frist-beginn allein auf den Eintritt des Versicherungsfallesabgestellt. Auf die zutreffenden Ausführungen hierzu im

angefochtenen Urteil kann verwiesen werden. Der Wort-laut des § 7 I. (2) Satz 1 AKB lässt keine andere Interpre-tation zu als diejenige, dass der Fristbeginn an den„Versicherungsfall“ geknüpft ist, allein dessen Eintrittkann eine Anzeigepflicht auslösen und die Anzeigefrist inGang setzen. Auch die Kl. zeigt keinen anderweitigen An-knüpfungszeitpunkt für den Fristbeginn auf, ihre Ausfüh-rungen sind vielmehr geprägt von vermeintlichenBilligkeitserwägungen, die allesamt jedoch nicht überzeu-gen. Es ist im Übrigen für den VN ein Leichtes, den Unfallauf unkomplizierte Weise und einmalig seiner Kaskover-sicherung zu melden. Dabei kann es auch keine Rolle spie-len, ob der VN zu dieser Zeit überhaupt beabsichtigt, dieKaskoversicherung letztlich in Anspruch nehmen zu wol-len. Die Obliegenheit steht nicht zur Disposition des VN,sondern dient in erster Linie dem Zweck, den Versichererin die Lage zu versetzen, sich möglichst schnell in die Scha-densermittlungen und -verhandlungen einzuschalten undnotwendige eigene Feststellungen zu treffen (BGH VersR1968, 58), der Versicherer hat an der rechtzeitigen Kennt-nis des Versicherungsfalls schlechthin ein Interesse (OLGSaarbrücken VersR 1976, 157). Er entscheidet somit aufGrundlage der vom VN gemachten Anzeige darüber, obund ggfs. welche Ermittlungen er anzustellen gedenkt,auch bei vermeintlich klarer Haftungslage. In der Tatwürde die Wochenfrist vor diesem Hintergrund völlig insLeere laufen, würde man es dem VN überlassen, ob undwann er seine Kaskoversicherung benachrichtigt.

Somit begann die Wochenfrist des § 7 I. (2) Satz 1 AKBam 17.02.2004 zu laufen und endete mit Ablauf des23.02.2004 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Unstreitig hatdie Kl. binnen dieser Frist den Versicherungsfall nicht beider Bekl. angezeigt. Der der Bekl. obliegende Beweiseiner objektiven Obliegenheitsverletzung ist somit geführt(zur Beweislast vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 6Rdn. 124 m.w.N. aus der Rspr.).

2. Ob diese Obliegenheit tatsächlich – wie vom LG ange-nommen – vorsätzlich verletzt wurde und für den Fallihrer Folgenlosigkeit weiter auch die Kriterien des BGHzur sog. Relevanzrechtsprechung erfüllt wären (vgl. BGHVersR 1998, 447; 1993, 830; 1984, 228; 1982, 182; 1972, 341;1970, 241), kann dahin stehen, denn zu Recht hat das LGauch die Voraussetzungen einer nur grob fahrlässigen Ob-liegenheitsverletzung mit überzeugender Begründung alserfüllt angesehen. Der Kl. vermochte weder ein mangeln-des Verschulden noch einen geringeren Schuldgrad als dievermutete grobe Fahrlässigkeit zu beweisen (zur Beweis-last siehe wiederum Prölss/Martin a.a.O.; zur Verschul-densvermutung vgl. BGH VersR 1999, 1004; 1993, 960).

Unstreitig hatte die Kl. Kenntnis sowohl von ihrer Anzei-gepflicht als auch der hierfür geltenden Wochenfrist. DerKl. musste zudem klar sein, dass sich die Anzeigepflicht

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RECHTSPRECHUNG

fristigen Verfügbarkeit kennzeichne aber in einer erhebli-chen Anzahl von Fällen die Situation der Anmietung einesErsatzfahrzeugs, welches – sei es aus beruflichen, sei es ausprivaten Gründen – anstelle des infolge des Unfalls fahr-untauglichen oder zumindest nicht verkehrssicheren be-schädigten Kfz benötigt werde. Eine Vorzugswürdigkeitdes Fraunhofer-AMP 2008 ergebe sich auch nicht aus derMethode, mit welcher die in den Schwacke-AMP 2006 ein-geflossenen Werte ermittelt worden seien. Es möge zu-treffen, dass diese Methode, bei welcher der Zweck derBefragung gegenüber den befragten Mietwagenunterneh-mern offengelegt worden sei, bei einer nicht unbeachtli-chen Anzahl der Angeschriebenen, die den Fragebogenausgefüllt zurücksandten, dazu geführt habe, höhere alsdie tatsächlich geforderten Mietpreise („Papierpreise“) zunennen, um so Einfluss auf das als ersatzfähig anzuerken-nende Preisniveau zu nehmen. Unabhängig davon, dassdie zunächst auf die beschriebene Weise bei den Ange-schriebenen eingeholten Werte anschließend durch teilsanonyme Nachfragen oder Internetrecherchen verifiziertworden seien, rechtfertige dies aber jedenfalls nicht denRückschluss darauf, dass über das gesamte Bundesgebietverteilt alle Angeschriebenen gleichermaßen in den je-weiligen Postleitzahlengebieten dieser Tendenz erlegengewesen seien. Vor diesem Hintergrund hätte die Bekl.aber, um die Entscheidungsrelevanz dieses Gesichts-punkts zu verdeutlichen, darlegen müssen, dass in den be-troffenen örtlichen Bereichen die unter den gegebenenBedingungen von Anbietern tatsächlich gefordertenPreise deutlich unterhalb des für die Region ermitteltengewichteten Mittels des Schwacke-AMP 2006 liegen. Ausder Fraunhofer-Studie 2008 ergebe sich das schon aus demoben aufgezeigten Grund nicht, überdies weise er keinedem hier betroffenen Bereich entsprechende Regionali-sierung anhand dreistelliger Postleitzahlen auf. Für diegrößere – anhand zweistelliger Postleitzahlengebiete aus-gewiesene – Region könnten sich aber durch den Einbe-zug einer höheren Anzahl von Anbietern und WertenVerschiebungen ergeben.

(1.4) An dieser Bewertung hält der Senat auch in Anbe-tracht vereinzelt vertretener Vorzugswürdigkeit desFraunhofer-AMP 2008 (vgl. z. 8.: OLG Köln, 6. ZS, Urt. v.10.10.2008 – 6 U 115/08 – NZV 2009, 145 ff.; Urt. v.21.08.2009 – 6 U 6/09 –, aufrufbar über juris.de; OLG Mün-chen, Urt. v. 25.07.2008 – 10 U 2539/08 – r + s 2008, 493 ff.)fest. Über die oben angeführten Argumente hinaus seihierzu ausgeführt: Gerade der hier betroffene Postleit-zahlenbereich weist nach dem Schwacke-AMP 2006 imzweistelligen Postleitzahlenbereich erhebliche Differen-zen für den städtischen und ländlichen Einzugsbereich auf.Die Konzentration der Internetabfrage auf sechs bundes-weit agierende und marktführende Anbieter, wie sie vonder Fraunhofer-Studie unternommen worden ist, führt

nach allgemeiner Lebenserfahrung tendenziell zu einerPreisverzerrung nach unten; die „wachsende“ Bedeutungdes Internets für Preisvergleiche, die offensichtlich argu-mentativ für die Maßgeblichkeit dieser Erhebungsme-thode angeführt wird, ist nach der Auffassung des Senatsnicht aussagekräftig, weil der Marktanteil der Buchungenüber Internet ohne aufwendige und zeitintensive Recher-chen nicht verifizierbar sein dürfte. Das weitere Argumentgegen die bessere Eignung des Fraunhofer-AMP 2008,dass Preise bei einer Vorbuchzeit von einer Woche erfragtwurden (siehe oben), kann nicht damit entkräftet werden,Teuerungen wegen kurzfristigerer Buchungen könnten imRahmen der Ermittlung des Pauschalaufschlags wegenunfallbedingten Mehraufwendungen hinlänglich berück-sichtigt werden. Denn es kann nicht festgestellt oder auchnur prognostiziert werden, dass sog. Selbstzahler stets oderzumindest deutlich überwiegend mit einer Vorlaufzeit voneiner Woche anmieten. Zudem kann dem Geschädigtendas angeführte Korrektiv in Form einer unfallbedingtenMehrkostenpauschale richtigerweise nicht zugebilligt wer-den, wenn ihm ein „Normaltarif“, also der von Selbstzah-lern üblicherweise zu leistende Mietpreis zugänglich ist,da es in diesem Fall an der Kausalität/Erforderlichkeit füreinen unfallbedingten Mehrkostenaufschlag fehlt (vgl. dieoben zitierten Urteile des erkennenden Senats, m. BGH-Rspr.-Nachw.).

(1.5) Ungeachtet dessen scheidet eine Bewertung des„Normaltarifs“ nach dem Fraunhofer-AMP 2008 in denFällen 1 bis 16 und 18 bis 22 ohnehin deswegen aus, weildieser Mietpreisspiegel für den Zeitraum vor Beginn mitden Erhebungen zu diesem am 19.02.2008 keine Berück-sichtigung finden kann. Für die Bestimmung der Scha-denshöhe ist maßgeblich der Zeitpunkt, in dem derSchaden eintritt. Die im Fraunhofer-AMP 2008 ausge-worfenen Mietpreise lassen nicht ohne weiteres einenRückschluss auf die Mietpreishöhe für die Zeit vor demErhebungsbeginn zu.

(1.6) Schließlich lassen sich auch aus dem von der Bekl.eingeholten einzelfallbezogenen Gutachten des Sachver-ständigen Dr. Zinn vom 05.12.2008 keine konkreten An-haltspunkte dafür herleiten, dass die von Anbieterntatsächlich geforderten Preise deutlich unterhalb des fürdie betroffenen Regionen ermittelten gewichteten Mittelsdes Schwacke-AMP 2006 liegen und der Fraunhofer-AMP2008 eine bessere Schätzungsgrundlage darstellt. Die Aus-sagekraft dieses Gutachtens beschränkt sich ohnehin aufdie Schadensfälle 1 bis 12, die sich in 2007 ereigneten, alsoin einem Zeitraum, für den der Fraunhofer-AMP 2008 ausden oben genannten Gründen nicht herangezogen werdenkann, gleichwohl aber als Vergleichsmaßstab aufgeführtist. Ungeachtet dessen leidet der Aussagewert dieses Gut-achtens darunter, dass die Ergebnisse der im dreistelligenPostleitzahlbereich befragten Unternehmen der Stellung-

nahme nicht beigefügt sind. Auch wenn die Methode derAuswertung der Daten abstrakt mitgeteilt ist, kann der je-weils ermittelte Mittelwert nicht konkret nachvollzogenwerden. Dieses Gutachten leidet auch daran, dass es denjeweiligen Mittelwert des Fraunhofer-AMP 2008 miteinem deutlich zu geringen Betrag angibt. So ergibt sichzum Beispiel aus der von der Bekl. auszugsweise vorge-legten Fraunhofer-Studie für den Schadensfall 1 betref-fend den zweistelligen Postleitzahlenbereich 41 und beieiner Eingruppierung des Pkw in die Klasse 4 nicht bloßein Mittelwert von 505,94 €, sondern von (262,79 € x 2 +76,49 €) 602,07 € und für den Schadensfall 2 anstatt472,97 € für die Gruppe 1 im Postleitzahlenbereich 52 von(206,66 € x 2 + 149,51 €) 562,83 €. Auch in Anbetrachtdessen kann eine tendenzielle Bewertung nicht ausge-schlossen werden.

(2) Die Kl. beanstandet auch zu Recht, dass das LG ihr diekonkret abgerechneten tatsächlichen Mietnebenkostenabgesprochen hat. Die Kl. hat die zusätzlich entstandenenNebenkosten einzeln für jeden Schadensfall dargetan undmit Unterlagen belegt. Die Bekl. hat hierzu keinerlei Ein-wendungen geführt. Die unfallbedingte Entstehung die-ser Kosten ist deshalb als unstreitig zu behandeln und derEntscheidung daher zu Grunde zu legen.

Anzeigepflicht gegenüber Kasko-VersichererUrteil des OLG Karlsruhe vom 18.02.2010 – 12 U 175/09 –

Zum Kausalitätsgegenbeweis bei der Verletzung derObliegenheit, dem Kasko-Versicherer den Versiche-rungsfall innerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen.

Aus den Gründen:

Das Urteil des LG erweist sich im Ergebnis als zutreffend.Die Bekl. ist gem. § 7 l. (2) Satz 1 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3VVG a.F. wegen Obliegenheitsverletzung durch die Kl.leistungsfrei. § 7 AKB lautet auszugsweise wie folgt:

§ 7 Obliegenheiten im Versicherungsfall I. ...(2) Jeder Versicherungsfall ist dem Versicherer vom VN in-nerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen. ...

IV. ...(4) Wird eine dieser Obliegenheiten in der Fahrzeug- oderKraftfahrtunfallversicherung verletzt, so besteht Leistungs-freiheit nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 VVG.

1. Zu Recht hat das LG eine objektive Verletzung der An-zeigeobliegenheit angenommen und dabei für den Frist-beginn allein auf den Eintritt des Versicherungsfallesabgestellt. Auf die zutreffenden Ausführungen hierzu im

angefochtenen Urteil kann verwiesen werden. Der Wort-laut des § 7 I. (2) Satz 1 AKB lässt keine andere Interpre-tation zu als diejenige, dass der Fristbeginn an den„Versicherungsfall“ geknüpft ist, allein dessen Eintrittkann eine Anzeigepflicht auslösen und die Anzeigefrist inGang setzen. Auch die Kl. zeigt keinen anderweitigen An-knüpfungszeitpunkt für den Fristbeginn auf, ihre Ausfüh-rungen sind vielmehr geprägt von vermeintlichenBilligkeitserwägungen, die allesamt jedoch nicht überzeu-gen. Es ist im Übrigen für den VN ein Leichtes, den Unfallauf unkomplizierte Weise und einmalig seiner Kaskover-sicherung zu melden. Dabei kann es auch keine Rolle spie-len, ob der VN zu dieser Zeit überhaupt beabsichtigt, dieKaskoversicherung letztlich in Anspruch nehmen zu wol-len. Die Obliegenheit steht nicht zur Disposition des VN,sondern dient in erster Linie dem Zweck, den Versichererin die Lage zu versetzen, sich möglichst schnell in die Scha-densermittlungen und -verhandlungen einzuschalten undnotwendige eigene Feststellungen zu treffen (BGH VersR1968, 58), der Versicherer hat an der rechtzeitigen Kennt-nis des Versicherungsfalls schlechthin ein Interesse (OLGSaarbrücken VersR 1976, 157). Er entscheidet somit aufGrundlage der vom VN gemachten Anzeige darüber, obund ggfs. welche Ermittlungen er anzustellen gedenkt,auch bei vermeintlich klarer Haftungslage. In der Tatwürde die Wochenfrist vor diesem Hintergrund völlig insLeere laufen, würde man es dem VN überlassen, ob undwann er seine Kaskoversicherung benachrichtigt.

Somit begann die Wochenfrist des § 7 I. (2) Satz 1 AKBam 17.02.2004 zu laufen und endete mit Ablauf des23.02.2004 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Unstreitig hatdie Kl. binnen dieser Frist den Versicherungsfall nicht beider Bekl. angezeigt. Der der Bekl. obliegende Beweiseiner objektiven Obliegenheitsverletzung ist somit geführt(zur Beweislast vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 6Rdn. 124 m.w.N. aus der Rspr.).

2. Ob diese Obliegenheit tatsächlich – wie vom LG ange-nommen – vorsätzlich verletzt wurde und für den Fallihrer Folgenlosigkeit weiter auch die Kriterien des BGHzur sog. Relevanzrechtsprechung erfüllt wären (vgl. BGHVersR 1998, 447; 1993, 830; 1984, 228; 1982, 182; 1972, 341;1970, 241), kann dahin stehen, denn zu Recht hat das LGauch die Voraussetzungen einer nur grob fahrlässigen Ob-liegenheitsverletzung mit überzeugender Begründung alserfüllt angesehen. Der Kl. vermochte weder ein mangeln-des Verschulden noch einen geringeren Schuldgrad als dievermutete grobe Fahrlässigkeit zu beweisen (zur Beweis-last siehe wiederum Prölss/Martin a.a.O.; zur Verschul-densvermutung vgl. BGH VersR 1999, 1004; 1993, 960).

Unstreitig hatte die Kl. Kenntnis sowohl von ihrer Anzei-gepflicht als auch der hierfür geltenden Wochenfrist. DerKl. musste zudem klar sein, dass sich die Anzeigepflicht

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RECHTSPRECHUNG

2004 (vgl. grundlegend: Urt. v. 12.10.2004 –VI ZR 151/03 –NJW 2005, 51 ff.; in neuester Zeit: Urt. v. 14.10.2008 – VIZR 308/07 – NJW 2009, 58 ff.; Beschl. v. 13.01.2009 – VIZR 134/08 – r + s 2009, 481) kommt es auf die Zugäng-lichkeit eines „Normaltarifs“ nur dann an, wenn der Ge-schädigte Mietwagenkosten ersetzt haben möchte, die aufder Grundlage eines Tarifs, insbesondere eines „Unfaller-satztarifs“, ermittelt sind, die zu einem wesentlich höhe-ren Mietzins führen. Diese rechtliche Problematik stelltsich vorliegend nicht, weil die Kl. den unfallbedingtenSchaden wegen Mietwagenkosten der jeweiligen Geschä-digten bereits in erster Instanz auf der Grundlage des„Normaltarifs“ mit jeweils geringerer Summe berechnethat (so der erkennende Senat schon mit Urteil vom18.03.2008 – 15 U 145/07 –, abrufbar über juris.de und u.a.abgedruckt im OLG-Report 2008, 545 ff., sowie Schaden-Praxis 2008, 218 ff.). Die Zugänglichkeit eines „Normalta-rifs“ steht auch nicht der Zuerkennung von über die Sätzedieses Tarifs hinaus gehenden Nebenkosten entgegen, so-weit sie denn tatsächlich angefallen und erforderlichwaren (OLG Köln, 15. ZS, Urt. v. 18.03.2008, a.a.O.; 19. ZS,Urt. v. 02.03.2007 – 19 U 181/06 – NZV 2007, 199, 201). Mitder danach für die Beurteilung des Rechtsschutzbegeh-rens der Kl. entscheidenden Rechtsfrage, ob der „Nor-maltarif“ im Rahmen des gemäß § 287 ZPO eröffnetenErmessens auf der Grundlage des gewichteten Mittels desSchwacke-AMP 2006 im Postleitzahlengebiet des jeweili-gen Geschädigten zu ermitteln ist oder auf der Grundlagedes Fraunhofer-AMP 2008 und ob die von der Kl. geltendgemachten Nebenkosten erstattungsfähig sind, hat sichdas LG nicht befasst.

(1) Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechungfest, dass der Schwacke-AMP 2006 eine geeignete Grund-lage zur Schätzung des „Normaltarifs“ i. S. v. § 287 ZPOdarstellt (vgl.: Urteil vom 18.03.2008, aaO, und Urt. v.13.10.2009 – 15 U 49/09 – nicht veröffentlicht) mit derFolge, dass die von der Kl. auf dieser Grundlage in den ein-zelnen Schadensfällen geltend gemachten restlichen Miet-wagenkosten zu Recht von der Bekl. verlangt werden.

(1.1) An dieser Erkenntnis ist der Senat nicht gehindert,weil sich das LG zur Schadensschätzung „letztlich“ derden Zahlungen der Bekl. an die Kl. zu Grunde liegendenErhebung des Fraunhofer-Instituts bedient hat und dasBerGer. auf eine Rechtsfehlerkontrolle beschränkt ist.Das dem sinngemäß entsprechende Vorbringen der Bekl.verfängt nicht. In Ermangelung der Darlegung ihrer Ab-rechnung gegenüber der Kl. kann schon nicht nachvollzo-gen werden, dass die Bekl. ihre Zahlungen an demFraunhofer-AMP 2008 orientiert hat. Zudem hat sich dasLG zu einer Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO nichtveranlasst gesehen, weil es die Klage mangels Darlegun-gen der Kl. zur Nicht-Zugänglichkeit eines günstigeren Tarifs als dem von ihr in Rechnung gestellten für unbe-

gründet erachtet hat. Schließlich ist das Berufungsgerichtauch im Fall einer auf § 287 ZPO gründenden Entschei-dung, auch in Ansehung des Zivilprozessreformgesetzesvom 27.07.2001 (BGBl. I, 1887) berufen, den Prozessstoffauf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichti-gungsfähigen Tatsachen selbstständig nach allen Richtun-gen von Neuem zu prüfen (OLG Köln, Urt. v. 18.03.2008,aaO; Urt. v. 09.10.2007 – 15 U 105/07 – VersR 2008, 364,365; jew. m. w. Nachw.).

(1.2) Wie der Senat zunächst in seiner Entscheidung vom18.03.2008 näher begründet hat, bildet der Schwacke-AMP 2006 wie schon der Schwacke-AMP 2003 eine ge-eignete Schätzgrundlage zur Bestimmung des„Normaltarifs“. Auf die Begründung dieses Urteils wirdzwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genom-men. Nahezu zeitgleich hierzu hat auch der BGH erkannt,dass die Schätzung des „Normaltarifs“ auf der Grundlagedes gewichteten Mittels des AMP 2006 nicht zu beanstan-den ist (BGH, Urteil vom 11.03.2008 – VI ZR 164107 –NJW 2008, 1519, 1520).

(1.3) Daran hat der Senat auch unter dem Blickwinkel desEinwands des beteiligten Versicherungsunternehmens, derFraunhofer-AMP 2008 bilde eine geeignetere Schät-zungsgrundlage, in seinem Urt. 13.10.2009 festgehalten.Danach lässt der Umstand, dass die Fraunhofer-Studie2008 durchgängig und auch im hier betroffenen Bereichniedrigere Mietpreise ausweist, nicht den Schluss zu, derSchwacke-AMP 2006 spiegele nicht die tatsächlichenMarktverhältnisse wider. Denn dadurch, dass die in derFraunhofer-Studie 2008 ausgewiesenen Werte auf derGrundlage einer anderen Voraussetzung, nämlich miteiner einwöchigen Vorlauffrist erfragt wurden, bestündendurchgreifende Bedenken an der die Besonderheiten ge-rade der hier zu beurteilenden Schadensfälle erfassendenRepräsentativität der in dieser Studie abgebildeten – nied-rigeren – Werte und deren Vergleichbarkeit mit den indem Schwacke-AMP 2006 ausgewiesenen Modi bzw. ge-wichteten Mittel.

Dafür, dass die einwöchige Vorlauffrist für Mietwagenbu-chungen auf die für die Anmietung eines Mietfahrzeugsgeforderten Preise von nicht lediglich unerheblichem Ein-fluss ist, sprächen neben der allgemeinen Lebenserfahrungdie von der Kl. vorgelegten Angebote, aus denen hervor-gehe, dass der Preis für die Anmietung eines bestimmtemPkw bei einem größeren Mietwagenunternehmen, wel-ches zweifelsohne zu den die einschlägigen Marktverhält-nisse mitprägenden Unternehmen zähle, je nach derVorbuchungsfrist deutlich variierten. Die in demSchwacke-AMP 2006 ausgewiesenen Werte seien demge-genüber jedoch unstreitig auf der Grundlage zumindestauch eine kurzfristige Anmietung berücksichtigenderMietpreise ermittelt. Gerade die Notwendigkeit der kurz-

aus § 7 I. (2) Satz 1 AKB ausdrücklich an den Kaskoversi-cherer richtete und nicht – wie sie im vorliegenden Rechts-streit Glauben machen will – an die gegnerischeHaftpflicht als aus Sicht der Kl. primär Leistungspflichtige.Die abweichende Auffassung der Kl. beruht auf einer völ-ligen Verkennung der Norm des § 7 l. (2) Satz 1 AKB.Auch ersetzt die Anzeige des Haftpflichtfalls nicht die An-zeige des Kaskoschadens und umgekehrt, da die Ermitt-lungen des Versicherers in beiden Fällen in ganz andererRichtung verlaufen müssen (Stiefel/ Hofmann a.a.O., § 7Rdn. 16). Unter diesem Aspekt erscheint das Unterlassender Anzeige gegenüber der Bekl. als schlicht unverständ-lich. Die in diesem Zusammenhang von der Kl. geäußerteAuffassung, die Übersendung von Pro-forma-Anzeigen anden Kaskoversicherer verursache dort einen Aufwand undeine Ansammlung an Papier, liegt ebenso neben der Sachewie der Hinweis auf damit verbundene negative Auswir-kungen auf die Prämien und auf ein bloßes „Abheften“durch den Versicherer. Dies alles sind keine sachgerech-ten Kriterien, um von einer Anzeige abzusehen.

Als ebenso wenig stichhaltig zur Erklärung ihres Verhal-tens erweist sich der Einwand der Kl., der Fall sei haf-tungsrechtlich damals eindeutig zu beurteilen gewesen, dasich die Kl. weder ein Mitverschulden noch eine Betriebs-gefahr habe anrechnen lassen müssen und daher klar ge-wesen sei, dass die generische Haftpflichtversicherung zu100% eintrittspflichtig sei, was wiederum eine Inan-spruchnahme des Kaskoversicherers als nicht erforderlichhabe erscheinen lassen. Hierbei handelte es sich um einerein subjektive Einschätzung durch die Kl. Bekannterma-ßen gibt es bei der Abwicklung von Schadensfällen nachVerkehrsunfällen aber in einer sehr hohen Häufigkeit Un-stimmigkeiten, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Fra-gen resultieren. Mithaftungseinwände des Gegners sind ander Tagesordnung. Auch die komplizierten Versicherungs-bedingungen lassen einen Schadensfall nur in den seltens-ten Fällen als klar oder eindeutig erscheinen, zumal dann,wenn – wie vorliegend – nicht die eigene, sondern die geg-nerische (Haftpflicht-)Versicherung in Anspruch genom-men wird und der Geschädigte von dem Inhalt und derGestaltung dieses Versicherungsverhältnisses keineKenntnis hat. So hat die Kl. mit ihrer Berufungsbegrün-dung denn auch selbst ausgeführt, dass sich bei der Bear-beitung eines Schadenfalls durch die Haftpflicht-versicherung regelmäßig erst nach zeitraubenden Ermitt-lungen Haftungseinwände ergeben, die dann doch die In-anspruchnahme des Kaskoversicherers erforderlichmachen können. Mithin musste auch die Kl. in Betrachtziehen, ggfs. doch auf ihre Kaskoversicherung angewiesenzu sein. Ein Absehen von der Anzeige des Versicherungs-falls war in keinem Fall gerechtfertigt. Das Verhalten derKl. rechtfertigt zumindest die Annahme grober Fahrläs-sigkeit, denn die Kl. hat die erforderliche Sorgfalt in un-

gewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige nicht be-achtet, was in ihrer Lage jedem hätte einleuchten müssen(BGH VersR 1999, 1004; 1992, 1087). Von einem geringenVerschulden kann demgegenüber nur dann gesprochenwerden, wenn ein Fehlverhalten vorliegt, das auch einemordentlichen VN leicht unterlaufen kann und für das des-halb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringenvermag (BGH VersR 1884, 228). Dazu gehören jedoch diehier gegebenen Verstöße der Kl. gegen ihre Anzeigepflichtnach § 7 I. (2) Satz 1 AKB nicht. Die in diesem Verhaltenzum Ausdruck gekommene Nachlässigkeit und Sorglosig-keit der Kl. bei der Erfüllung ihrer diesbezüglichen Pflich-ten gegenüber ihrem Kaskoversicherer kann nämlich imHinblick darauf, dass der Versicherer im Interesse der Ver-sichertengemeinschaft auf die Erfüllung dieser Pflichtendurch den VN angewiesen ist, nicht als ein nur leichtesFehlverhalten angesehen werden, das jedem VN einmalunterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Ver-sicherer Verständnis haben kann. Die Kl. hat sich übereinen Zeitraum von nahezu 22 Monaten um eine Anzeigean die Bekl. nicht gekümmert. Auch wenn sie die Haf-tungslage für klar und eindeutig gehalten haben sollte,muss ihr dennoch ein sehr leichtfertiges Verhalten gegen-über der Bekl. vorgeworfen werden, zumal sie ihr jedeMöglichkeit genommen hat, sich in die Schadensregulie-rung einzuschalten. Mit einem „leichten Versagen“ kanndaher die Verhaltensweise der Kl. nicht verglichen werden(vgl. OLG Saarbrücken VersR 1976 a.a.O.).

3. Ebenso wenig ist der Kl. der Kausalitätsgegenbeweisnach § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F. gelungen. Der Beweis, dassdie grob fahrlässige Verletzung der Obliegenheit wederEinfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles nochauf die Feststellung oder den Umfang der dem Versichererobliegenden Leistung gehabt hat, obliegt dem VN (BGHVersR 2009, 497 m.w.N.). Er kann diesen negativen Beweisaber praktisch nur so führen, dass er zunächst die sich ausdem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten ausräumt unddann abwartet, welche Behauptungen der Versicherer überArt und Maß der Kausalität aufstellt, die der VN dannebenfalls zu widerlegen hat. Der Versicherer muss dazu diekonkrete Möglichkeit eines für ihn günstigeren Ergebnis-ses aufzeigen, indem er zum Beispiel vorträgt, welcheMaßnahmen er bei rechtzeitiger Erfüllung der Obliegen-heit getroffen und welchen Erfolg er sich davon verspro-chen hätte (vgl. insgesamt BGH VersR 2001, 756; BGHZ41, 327; Prölss/Martin a.a.O., § 6 Rdn. 105 und 124 m.w.N.).

Die nach Eintritt des Versicherungsfalls am 16.02.2004 zu-nächst unterlassene und erst am 21.12.2005 erstmals an dieBekl. gemachte Anzeige durch die Kl. führte dazu, dass dieBekl. gut 22 Monate lang von dem Versicherungsfall über-haupt nichts wusste und dadurch an jeglicher eigenen undfrühzeitigen Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachver-halts und Sicherung der Beweise gehindert war. Dieser

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RECHTSPRECHUNG

hebliche Differenz zwischen Normaltarif und Unfaller-satztarif angenommen hat, die den Kläger zu weiteren Er-kundigungen hätte veranlassen müssen. Bei der vomBerufungsgericht vorgenommenen Berechnung des ein-heitlichen Tagestarifs aus dem siebten Teil des Wochenta-rifs bleibt außer Betracht, dass der Kläger bei Anmietungdes Ersatzfahrzeugs nach dem Reparaturplan von einerReparaturdauer von fünf Tagen ausgehen durfte und sichdiese erst nach Lieferung der falschen Ersatztüren um vierTage verlängerte.

Ein Angebot zum Wochentarif kam, da der Kläger aneinem Montag das Ersatzfahrzeug mietete, somit vorerstfür ihn nicht infrage. Ob der Kläger auch schon auf Grundder Höhe des Tagespreises gehalten gewesen wäre, sichnach weiteren günstigeren Tarifen zu erkundigen, kann aufder Grundlage der bisherigen Feststellungen vom erken-nenden Senat nicht beurteilt werden.

Der Kläger musste sich auch nicht schon auf Grund derVerlängerung der Mietzeit um einen günstigeren Tarif be-mühen, selbst wenn ihm Vergleichspreise im Informati-onsschreiben der Beklagten vom 22.03.2006 genanntworden sind. Das Schreiben ist erst am 29.03.2006, mithinzwei Tage nach Abschluss des Mietvertrags, zugegangen.Die in Tabellenform dargestellten Mietpreise betreffenPkw und keinen Transporter. Sie beziehen sich auch nichtauf eine konkrete Vermieterfirma in der dem Kläger zu-gänglichen Region. Schon deshalb war der Kläger nichtverpflichtet, den Mietvertrag zu kündigen und ein Fahr-zeug bei einem anderen günstigeren Anbieter anzumie-ten, zumal die Reparaturzeit lediglich auf fünf Tageveranschlagt war (vgl. Senatsbeschluss vom 13.01.2009 –VersR 2009, 801, 802).

Hingegen liegt es im Ermessen des im Rahmen des § 287ZPO besonders freigestellten Tatrichters und begegnet dieAuffassung des Berufungsgerichts keinen rechtlichen Be-denken, dass die Einholung eines einzigen Vergleichsan-gebotes durch den Kläger nicht genügt hätte, wenn aufGrund der Höhe des Mietangebots der Streithelferin eineErkundigungspflicht bestünde. Nachdem die Firma U. diePreisangabe verweigert hatte, lag lediglich ein einzigesVergleichsangebot vor, das der Kläger schon deshalb hättekritisch prüfen müssen, weil er die Telefonnummer dieserFirma vom Angestellten der Streithelferin, mithin derKonkurrenz, aus dessen Telefonbuch erhalten hatte undder Anruf bei einem weiteren Vermieter von dem Ange-stellten abgewehrt worden ist, nachdem ein Anbieter dieAuskunft verweigert hatte.

III. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Be-stand haben. Es ist aufzuheben und die Sache zur neuenVerhandlung und Entscheidung an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen, damit dieses unter Beachtung derRechtsauffassung des erkennenden Senats die gebote-

nen Feststellungen zur Erforderlichkeit des Unfaller-satztarifs im konkreten Fall und unter Umständen zurZugänglichkeit eines günstigeren Tarifs nachholen kann.

Schätzgrundlage bei MietwagenkostenUrteil des OLG Köln v. 22.12.2009 – 15 U 98/09 –

1. Die Frage der Höhe der Erstattungsfähigkeit einesUnfallersatztarifes stellt sich dann nicht, wenn dieMietwagenkosten auf der Basis des „Normaltarifes“geltend gemacht werden. Der Senat hält an seinerbisherigen Rechtsprechung fest, dass der Schwacke-AMP 2006 eine geeignete Grundlage zur Schätzungdes Normaltarifes darstellt.

2. Neben den dargelegten Beispielen spricht bereitsdie allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass Werte,die mit einer einwöchigen Vorlauffrist erfragt wer-den, einen erheblichen Einfluss auf die Höhe derPreise haben. Die Fraunhofer-Studie ist daher weni-ger geeignet, weil gerade die Notwendigkeit derkurzfristigen Verfügbarkeit – aus beruflichen oder pri-vaten Gründen – in einer erheblichen Anzahl von Fäl-len die Situation der Anmietung eines Ersatzfahr-zeugs kennzeichnet.

3. Außerdem weist die Fraunhofer-Studie keine demhier betroffenen Bereich entsprechende Regionalisie-rung anhand dreistelliger Postleitzahlengebiete auf.Für die größere – anhand zweistelliger Postleitzah-lengebiete ausgewiesene – Region können sich aberdurch den Einbezug einer höheren Anzahl von An-bietern und Werten Verschiebungen ergeben.

4. Entsprechend hat der Senat in seinem Urteil vom13.10. 2009 – 15 U 49/09 – entschieden.

Aus den Gründen:

Die zulässige Berufung der Kl. hat in der Sache zum ganzüberwiegenden Teil Erfolg; wegen eines Teils der geltendgemachten Zinsen ist sie unbegründet.

Der Kl. stehen die im Berufungsrechtszug noch geltendgemachten Hauptforderungsansprüche auf Erstattungrestlicher Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht (mitder rechnerischen Korrektur um einen Cent nach unten)gemäß §§ 7 I, 17 I und II, 18 I und III StVG i.V. mit §§ 3PfIVG, 115 I Nr. 1 VVG sowie §§ 249 ff. BGB i.V. mit §§535 II, 398 BGB zu.

Die Begründung der Klageabweisung durch das LG indem angefochtenen Urteil vermag das gegenteilige Er-gebnis nicht zu tragen. Auf der Grundlage der ständigenRechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH seit dem Jahr

damit einhergehende mögliche Verlust eigener Erkennt-nismöglichkeiten würde für sich genommen möglicher-weise aber die Kausalität nicht begründen können (BGHVersR 2001 a.a.O. unter 2 b aa). Allerdings wurde dasstreitgegenständliche Fahrzeug bereits im Juli 2004 von derKl. verkauft und stand somit bei Kenntniserlangung derBekl. vom Schadensfall knapp 17 Monate später längstnicht mehr zur Verfügung, was insbesondere für Untersu-chungszwecke durch einen (neutralen) Sachverständigeno.Ä. von entscheidender Bedeutung sein kann. Die Bekl.war und ist dadurch auf Anknüpfungstatsachen und Be-weise angewiesen, die durch Dritte (Kl. bzw. Haftpflicht-versicherung des Gegners) erhoben und vermeintlichgesichert wurden. Ihr wurde die Möglichkeit genommen,einen eigenen Sachverständigen mit der unmittelbarenSchadensaufnahme und -bewertung einzuschalten. Statt-dessen muss sie sich jetzt im Wesentlichen u.a. mit einemGutachten eines Sachverständigen St. auseinandersetzen,der nicht nur von der Kl. beauftragt worden war, sondern –wie sich nunmehr herausstellte – als Gefälligkeitsgutachterin einer Vielzahl von Fällen in Erscheinung getreten unddafür vom AG H zwischenzeitlich auch wegen Bestech-lichkeit und mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Be-währungsstrafe verurteilt wurde. Dies zeigt eindrücklich,welch hohem Risiko ein Versicherer ausgesetzt wird, demelementare und frühzeitige Informationen vorenthaltenwerden. Er ist auf diese Informationen in hohem Maße an-gewiesen. Daran kann angesichts dieser besonderen Um-stände auch die Tatsache nichts ändern, dass der Unfallpolizeilich aufgenommen wurde und es ein weiteres Gut-achten eines Sachverständigen B. gibt, das durch die Streit-helferin der Bekl. in Auftrag gegeben worden war. Dennauch der Sachverständige B. hat mit Ausnahme eineseigenen Nachbesichtigungstermins im März 2004 (vgl. S. 8seines Gutachtens vom 08.11.2006, AH I Bekl.) für seineBeurteilung wesentlich auch auf die durch den Sachver-ständigen St. getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu-rückgegriffen, deren Verlässlichkeit angesichts der frag-würdigen Berufsauffassung des Sachverständigen St. je-doch erheblich in Frage gestellt werden muss. Es bestandunter diesen Umständen durchaus die Möglichkeit, dassein von der Bekl. frühzeitig eingeschalteter Gutachternach eingehender und auch gezielter Besichtigung desFahrzeugs die behaupteten Vorschäden und auch den un-geklärten Unfallhergang in einer für die Bekl. günstigerenWeise festgestellt hätte. Diese Möglichkeit konnte die Kl.nicht widerlegen (BGH VersR 2001 a.a.O.), weshalb vonder Kausalität der Obliegenheitsverletzung auszugehen ist.

4. Die Bekl. verhält sich auch nicht treuwidrig, wenn siesich auf Leistungsfreiheit beruft. Dies hat das LG mit zu-treffenden Erwägungen ebenso gesehen (S. 13 LGU). DerEinwand der unzulässigen Rechtsausübung kann nur danndurchdringen, wenn sich der Versicherer so verhalten hat,

dass der VN daraus aus Treu und Glauben den Willen desVersicherers zum Verzicht auf das Leistungsverweige-rungsrecht entnehmen musste (Stiefel/Hofmann a.a.O., § 7Rdn. 123), d.h., ein Verzichtswille, der nicht ausdrücklicherklärt worden sein muss, sondern sich auch aus den Ge-samtumständen ergeben kann, muss eindeutig festgestelltwerden. Das setzt aber auf Seiten des VN einen vom Ver-sicherer veranlassten Vertrauenstatbestand voraus, der denVN zu Recht zu der Annahme gelangen lassen konnte, derVersicherer werde sich nicht auf Leistungsfreiheit berufen(OLG Köln VersR 1994, 1183). Dies kann entgegen derAuffassung der Kl. nicht alleine aus dem Umstand abge-leitet werden, dass die Bekl. sich nicht sofort nach Eingangder Anzeige im Dezember 2005 sozusagen auf die Oblie-genheitsverletzung „gestürzt“, sondern zunächst mitSchreiben vom 11.01.2006 weitere Unterlagen und Infor-mationen bei der Kl. angefordert hat sowie in eine Sach-prüfung eingestiegen ist, um dann schließlich am08.09.2008 ihre Einstandspflicht aus materiell-rechtlichenGründen abzulehnen, ohne sich vorgerichtlich auf Leis-tungsfreiheit zu berufen. Hieraus kann schon nicht zwin-gend der Schluss gezogen werden, die Bekl. habe dieObliegenheitsverletzung überhaupt (frühzeitig) erkannt,geschweige denn in Kenntnis hiervon unter Verzicht aufdas Leistungsverweigerungsrecht die Berechtigung desAnspruchs zunächst inhaltlich geprüft und schließlich wie-derum unter Verzicht auf ihr Leistungsverweigerungsrechtihre Einstandspflicht aus anderen Gründen abgelehnt. Esfehlen für einen solchermaßen geäußerten Verzichtswillenhinreichende Anhaltspunkte, was zu Lasten der hierfür be-weisbelasteten Kl. geht. Es soll auch vorkommen, dass dieVersäumung der Anzeigepflicht – möge sie auch noch soauf der Hand liegen, wie die Kl. meint – beim Versichererzunächst schlicht nicht bemerkt wird, etwa weil das Au-genmerk der Prüfung auf ganz andere Dinge gerichtet ist.Allein der relativ lange Zeitraum, der von Eingang der An-zeige im Dezember 2005 bis zur Leistungsablehnung am08.09.2008 bei der Bekl. vergangen ist, ohne dass die Bekl.sich dabei auf ihr Leistungsverweigerungsrecht wegen An-zeigepflichtverletzung berufen hätte, genügt für die Schaf-fung eines Vertrauenstatbestandes bzw. die Annahme einesVerzichtswillens auf Seiten der Beklagten ebenfalls nicht.

Unerwartete ErkrankungUrteil des OLG Köln v. 30.10.2009 – 20 U 62/09 –

Zum Begriff der akuten, unerwarteten Erkrankung i. S. v. § 1 Ziff. 1 AVB Reisekrankenversicherung.

Aus den Gründen:

„ ... Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die durchRechnungen belegten Aufwendungen für die ärztliche Be-handlungen des bei Frau U während des Besuchs in

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RECHTSPRECHUNG

Das Berufungsgericht durfte die Vorfinanzierung derMietwagenkosten als unfallspezifischen Kostenfaktornicht auch schon deshalb unberücksichtigt lassen, weil sub-stantiierter Vortrag des Klägers dazu fehlte, dass er zurVorfinanzierung nicht imstande sei. Diese Frage betrifftnicht die Erforderlichkeit der Herstellungskosten i.S.d.§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB, sondern die Schadensminderungs-pflicht nach § 254 BGB. Unter diesem Blickwinkel kommtes darauf an, ob dem Geschädigten die Vorfinanzierung,zu der auch der Einsatz einer EC-Karte oder einer Kre-ditkarte gerechnet werden könnte, möglich und zumutbarist. Das kann angesichts der heutigen Gepflogenheitennicht generell ausgeschlossen werden, für den Streitfallaber auch nicht mangels hinreichender tatsächlicherGrundlagen bejaht werden, wobei zunächst im Rahmendes § 254 BGB nicht der Kläger darlegungs- und beweis-pflichtig ist, wenn sich auch je nach dem Vortrag der Be-klagten für ihn eine sekundäre Darlegungs- undBeweislast ergeben kann (vgl. Senatsurteile BGHZ 163,19, 26; vom 20.03.2007 VersR 2008, 235, 237; vom14.02.2006 – VersR 2006, 564, 565 und vom 29.09.1998 –VersR 1998, 1428). Der Geschädigte ist im Rahmen des§ 254 BGB auch unter Berücksichtigung seiner sekundä-ren Darlegungs- und Beweislast jedenfalls nicht gehalten,von sich aus zu seiner finanziellen Situation vorzutragen.

Unter den Umständen des Streitfalls kann dem Klägerauch nicht vorgeworfen werden, dass er sich mit der Be-klagten bis zur Anmietung des Fahrzeugs nicht in Verbin-dung gesetzt habe. Dass die Beklagte zur Vorfinanzierungbereit gewesen wäre, behauptet diese selbst nicht. Die Re-vision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht den unterBeweis gestellten Vortrag der Streithelferin in der erstenInstanz hierzu nicht gewürdigt hat, dass der Beklagten vonder Streithelferin ein um 25% günstigerer Tarif angebotenworden sei, wenn keinerlei Haftungseinwände erfolgtenund die Kostenübernahme erklärt würde, die Beklagte je-doch darauf nicht reagiert habe. Auch hätte das Beru-fungsgericht den beweisbewehrten Vortrag derStreithelferin berücksichtigen müssen und insoweit nichteinen Mangel an Vortrag des Klägers dazu annehmen dür-fen, dass das Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet war (§ 287 ZPO; Art. 103 Abs. 1 GG).

3. Auf die Klärung der Erforderlichkeit des geltend ge-machten Unfallersatztarifs kann auch nicht deshalb ver-zichtet werden, weil nach den Umständen des Streitfallsfeststünde, dass dem Kläger jedenfalls ein günstigererNormaltarif in der konkreten Situation ohne weiteres zu-gänglich war, sodass ihm eine solche (kostengünstigere)Anmietung eines entsprechenden Fahrzeugs unter demBlickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Scha-densminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl.Senat, Urt. v. 20.03.2007 – VersR 2008, 235, 237 m.w.N.).

Wenn die Erforderlichkeit des geltend gemachten Unfall-ersatztarifs nicht feststeht, trifft – anders als die Revisionmeint – den Kläger die Beweislast dafür, dass ihm ein we-sentlich günstigerer Tarif nicht zugänglich war. Insoweitgeht es nicht um die Verletzung der Schadensminde-rungspflicht, für die grundsätzlich der Schädiger die Be-weislast trägt, sondern um die Schadenshöhe, die derGeschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu bewei-sen hat (vgl. Senatsurt. v. 14.10.2008 – VersR 2008, 1706,1707; vom 11.03.2008 – VersR 2008, 699, 701; vom09.10.2007 – VersR 2007, 1577, 1578; vom 14.02.2006 –VersR 2006, 669, 671 und vom 19.04.2005 – VersR 2005,850, 851). Steht fest, dass der Unfallersatztarif betriebs-wirtschaftlich gerechtfertigt ist, sodass er grundsätzlichdem Geschädigten als unfallbedingter Herstellungsauf-wand zu ersetzen wäre, möchte jedoch der Schädiger nach§ 254 BGB nur einen niedrigeren Schadensersatz leisten,so hat er nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen undzu beweisen, dass dem Geschädigten in der konkreten Si-tuation ein günstigerer Normaltarif ohne weiteres zu-gänglich war (Senatsurt. v. 24.06.2008 – a.a.O., 1372).

Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht ausseiner Sicht zutreffend dem Kläger die Darlegungs- undBeweislast dafür überbürdet, dass ihm unter Berücksich-tigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmög-lichkeiten sowie der gerade für ihn bestehendenSchwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen aufdem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt –zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigererTarif zugänglich war. Auch geht das Berufungsgericht zu-treffend davon aus, dass es zur Frage der Erkennbarkeitder Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf an-kommt, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkenderGeschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeits-gebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarifgehalten gewesen wäre, wobei die Höhe des angebotenenUnfallersatztarifs eine maßgebende Rolle spielt, wenn sichdaraus Bedenken gegen die Angemessenheit ergebenkönnen (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 163, 19, 24 f.; Urt.v. 30.01.2007; vom 23.01.2007; vom 9.05.2006; vom14.02.2006 und vom 25.10.2005 jeweils a.a.O.). Liegt dieHöhe des Mietpreises weit über den Vergleichspreisenund ist das Angebot des in Anspruch genommenen Ver-mieters um ein Vielfaches überhöht, wird sich ein ver-ständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lagedes Geschädigten um eine preiswertere Möglichkeit derAnmietung bemühen. Die Frage, welche Bemühungendem Geschädigten um einen günstigeren Tarif zuzumutensind, ist somit maßgeblich beeinflusst von der Höhe desMietpreisangebots.

Hierzu rügt die Revision mit Recht, dass das Berufungs-gericht auf Grund einer fehlerhaften Rechnung eine er-

Deutschland aufgetretenen Herzinfarkts in Höhe einesGesamtbetrages von 23.821,33 EUR zu erstatten.

Bei dem Herzinfarkt handelt es sich um eine akute, uner-wartete Erkrankung i.S.v. § 1 Ziffer 1. AVB. Wie der in denBedingungen verwendete Begriff der akuten, unerwarte-ten Erkrankung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zuermitteln. Dabei ist maßgebend, wie ein durchschnittlicherVersicherungsnehmer die Klausel bei verständiger Wür-digung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigungdes erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss(BGHZ 123, 83, 85; BGH VersR 2001, 184).

Den Begriff der akuten Erkrankung wird ein Versiche-rungsnehmer dahin verstehen, dass eine plötzliche Ver-schlechterung des bisherigen Gesundheitszustandesauftritt. Wenn der Versicherungsnehmer bzw. die versi-cherte Person bereits an einer chronischen Grunderkran-kung leidet, wird er der Klausel nicht entnehmen, dass vonvornherein jede weitere Erkrankung, die eine Folge jenerGrunderkrankung ist, vom Versicherungsschutz ausge-nommen sein soll. Dafür gibt das in die Versicherungsbe-dingungen aufgenommene Wort „akut“ nichts her; diesesdeutet im Gegenteil darauf hin, dass jede nachteilige Ver-änderung des Gesundheitszustandes, die sich von einemTag auf den anderen einstellt, vom Versicherungsschutzerfasst ist.

Was unter einer „unerwarteten“ Erkrankung zu verstehenist, erschließt sich dem um Verständnis bemühten Versi-cherungsnehmer nicht ohne weiteres. Er wird erkennen,dass es im Rahmen des in § 1 Ziffer 1 AVB gegebenenLeistungsversprechens auf seine subjektive Einschätzung,ob die Erkrankung unerwartet aufgetreten ist, nicht an-kommen kann, denn insoweit hat der Versicherer aus-drücklich einen Risikoausschluss in § 1 Ziffer 2 a) AVBformuliert, der anderenfalls weitgehend gegenstandsloswäre. Andererseits wird der Versicherungsnehmer, der zurKenntnis genommen hat, dass seine subjektive Sicht beider Ausfüllung des Begriffs der unerwarteten Erkrankungi.S.v. § 1 Ziffer 1 keine Bedeutung haben kann, nicht zuder Erkenntnis gelangen, es sei insoweit auf die Einschät-zung Dritter, insbesondere auf eine ärztliche Beurteilung,ob die Erkrankung unerwartet aufgetreten ist, abzustel-len, denn dies hätte zur Folge, dass der Umfang des ge-währten Versicherungsschutzes für den in aller Regelmedizinisch nicht vorgebildeten Versicherungsnehmer un-durchschaubar würde. Demgemäß kommt es vorliegendnicht auf die von den beteiligten Gutachtern diskutierteFrage an, mit welcher Wahrscheinlichkeit aus medizini-scher Sicht der Eintritt eines Herzinfarktes bei Frau U an-gesichts ihrer Vorerkrankungen zu erwarten war; es bedarfdeshalb auch nicht der von der Beklagten beantragten An-hörung des Gerichtsgutachters. Um sich die Bedeutungdes Begriffs „unerwartete Erkrankung“ in § 1 Ziffer 1

AVB näher zu erschließen, wird der Versicherungsnehmersehen, dass das Wort „unerwartet“ in den Bedingungengemeinsam mit dem Begriff „akut“ verwendet worden ist.Es liegt nahe, dass – da, wie ausgeführt, „unerwartet“ hiernur ohne subjektive Komponente verstanden werdenkann – die im Zusammenhang aufgeführten Begriffe„akut“ und „unerwartet“ lediglich gemeinsam kennzeich-nen sollen, dass die Erkrankung plötzlich und ohne zuvorerkennbare Anzeichen aufgetreten sein muss. In diesemSinne – und eine solche Auslegung ist als dem Versiche-rungsnehmer günstig hier anzunehmen – ist eine Erkran-kung, die unvermittelt zu einer Verschlechterung desbisherigen Gesundheitszustandes führt, stets akut und un-erwartet, denn mindestens der konkrete Zeitpunkt, zudem eine Erkrankung auftritt, ist nicht vorhersehbar. Auchbei bestehenden Vorerkrankungen ist eine konkret imVersicherungszeitraum aufgetretene und mit der Vorer-krankung im Zusammenhang stehende Erkrankung zu-mindest dann (objektiv) unerwartet, wenn sie keinezwingende, notwendig eintretende Folge der Vorerkran-kung darstellt, sondern allenfalls das Risiko des Eintretensder weiteren Erkrankung erhöht ist (vgl. OLG Köln VersR1998, 354). Dies ist hier der Fall: Die Herzerkrankung magdas Risiko, dass Frau U einen Herzinfarkt erleiden kann,gesteigert haben; gleichwohl war der Zeitpunkt, zu demsich dieses Risiko gegebenenfalls verwirklichen würde,schlechterdings nicht zu prognostizieren. Der Herzinfarktist damit (objektiv) unerwartet eingetreten.

Ob der Herzinfarkt subjektiv vorhersehbar war, ist – wiesich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer beiLektüre der Bedingungen ohne weiteres erschließt – al-leine Gegenstand des in § 1 Ziffer 2 a) AVB geregeltenLeistungsausschlusses. § 1 Ziffer 2 a) AVB stellt nach sei-nem Wortlaut nur darauf ab, ob absehbar war, dass vorReiseantritt bekannte Erkrankungen während der Reisebehandlungsbedürftig werden. Mit dieser Formulierungwird für den durchschnittlichen Versicherungsnehmerschon nicht hinreichend deutlich gemacht, ob von demLeistungsausschluss auch das Auftreten solcher neuer ge-sundheitlicher Beschwerden, die lediglich ihre Grundlagein einem schon vorhandenen, bekannten Leiden haben, er-fasst werden sollen. Bekannt waren bei Frau U allein einchronisches Herzleiden und ein älterer durchgemachterHerzinfarkt. Ob der neu aufgetretene Herzinfarkt nachdem Verständnis eines durchschnittlichen, nicht medizi-nisch vorgebildeten Versicherungsnehmers als eine Be-handlung der bekannten Herzgrunderkrankungverstanden werden muss, ist fraglich und im Zweifel beidem Gebot, Ausschlussklauseln eng auszulegen (vgl.BGHZ 88, 228, 231), nicht anzunehmen. Aber selbst dann,wenn die Ausschlussklausel auch insoweit einschlägig seinsollte, fehlt es an zureichenden Anhaltspunkten dafür, dassder Eintritt des Herzinfarktes für Frau U im versicherten

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RECHTSPRECHUNG

und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabeiebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadens-beseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirt-schaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihmZumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftli-cheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Er verstößtaber noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zurSchadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zueinem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einemNormaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten diesesTarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vor-finanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzfor-derung wegen falscher Bewertung der Anteile amUnfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagen-unternehmen u.Ä.) aus betriebswirtschaftlicher Sichteinen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis recht-fertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen,die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und in-folgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB er-forderlich sind (ständige Rspr. vgl. etwa SenatsurteileBGHZ 160, 377, 383 f.; vom 25.10.2005 – VersR 2006, 133;vom 05.07.2005 –VersR 2005, 1256, 1257; vom 19.04.2005 –VersR 2005, 850; vom 15.02.2005 – VersR 2005, 569, 570und VersR 2005, 568 und vom 26.10.2004 – VersR 2005,241, 243). Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Scha-densabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellteTatrichter – gegebenenfalls nach Beratung durch einenSachverständigen – zu schätzen (vgl. Senatsurt. v.19.04.2005 und vom 25.10.2005 jeweils a.a.O.), wobei unterUmständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den Nor-maltarif in Betracht kommt. In Ausübung seines Ermes-sens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den Normaltarifauf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Geschädig-ten – gegebenenfalls mit sachverständiger Beratung –ermitteln (vgl. Senat, Urt. v. 26.06.2007 –VersR 2007, 1286,1287; vom 12.06.2007 – VersR 2007, 1144, 1145; vom30.01.2007 – VersR 2007, 516, 517 und vom 09.05.2006 –VersR 2006, 986 f.).

2. Danach ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungs-gericht den zur Frage der Erforderlichkeit der Mietwa-genkosten vergleichsweise heranzuziehenden Normaltarifanhand des Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 ermittelt hat.Insoweit hält es sich im Rahmen des tatrichterlichen Er-messens nach § 287 ZPO (vgl. Senatsurt. v. 11.03.2008 –VersR 2008, 699, 700 m.w.N.). Doch überspannt das Beru-fungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast desKlägers dadurch, dass es zur Rechtfertigung des der Scha-densabrechnung zu Grunde liegenden höheren Unfaller-satztarifs aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Darlegungbezifferbarer Beträge bzw. konkreter prozentualer Auf-schläge für unfallbedingte Leistungen verlangt. Nach st.Rspr. des erkennenden Senats ist es nicht erforderlich, für

die Frage der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigungeines Unfallersatztarifs die Kalkulation des konkretenVermieters nachzuvollziehen, vielmehr hat sich die Prü-fung darauf zu beschränken, ob spezifische Leistungen beider Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein denMehrpreis rechtfertigen (vgl. etwa Senatsurt. v.30.01.2007 – a.a.O.; vom 23.01.2007 –VersR 2007, 514, 515;vom 04.04.2006 – VersR 2006, 852, 854; vom 14.02.2006 –VersR 2006, 669, 670 und VersR 2006, 564, 565). Der er-kennende Senat vermag die Bedenken des Berufungsge-richts, wonach die Prüfung der Rechtfertigung einesAufschlags nicht zu einem konkreten Ergebnis rührenkönne, wenn sich die spezifischen unfallbedingten Leis-tungen nicht in bezifferbare Beträge bzw. konkrete pro-zentuale Aufschläge fassen ließen, nicht zu teilen. DieBeschränkung der Prüfung darauf, ob spezifische Leistun-gen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemeineinen Aufschlag rechtfertigen, dient nicht nur dem Inter-esse des Geschädigten, um für ihn bestehenden Darle-gungs- und Beweisschwierigkeiten zu begegnen. Diese Artder Prüfung Gewähr leistet vielmehr auch, dass die erfor-derlichen Mietwagenkosten nach einem Unfall anhandobjektiver Kriterien ermittelt werden, ohne dass es für dieErforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB auf die kon-krete Situation und Kalkulation des einzelnen Vermietersankommt (Senatsurt. v. 24.06.2008 – VersR 2008, 1370,1371). Ob und in welchem Umfang sich die unfallspezifi-schen Faktoren kostenerhöhend auswirken, ist vom Tat-richter erforderlichenfalls mithilfe eines Sachverständigenzu schätzen (§ 287 ZPO). Entgegen der Auffassung desBerufungsgerichts fehlen für eine solche Begutachtungohne konkrete Zahlenangaben nicht die Anknüpfungs-tatsachen. So hat der gerichtliche Sachverständige in demVerfahren, das dem Senatsurt. v. 24.06.2008 (a.a.O.) zuGrunde liegt, auf Grund verschiedener in der Fachlitera-tur vertretener Ansichten und nach Überprüfung derPlausibilität der einzelnen Risikofaktoren einen Aufschlagvon 15,13% wegen spezifischer Sonderleistungen für er-forderlich erachtet.

Die Streithelferin hat allgemeine unfallspezifische Kos-tenfaktoren vorgetragen, die einen höheren Mietpreisrechtfertigen können. Danach sei das angemietete Fahr-zeug zur Werkstatt des Klägers gebracht und von dort zu-rückgeholt worden. Eine Vorreservierungszeit sei nichterforderlich gewesen, obwohl es sich nicht um einen übli-chen Pkw, sondern um einen Transporter handelte. Dievoraussichtliche Mietzeit sei offen geblieben. Es seienkeine Vorauszahlung und keine Kaution für Fahrzeug-schäden oder für die Betankung erhoben worden. Auchseien keine Nutzungseinschränkungen vereinbart worden.Schließlich sei das Fahrzeug mit Winterreifen ausgerüstetgewesen. Zu mehr Angaben war der Kläger nicht ver-pflichtet.

Zeitraum von drei Monaten „absehbar“ war. Unter „ab-sehbar“ versteht ein durchschnittlicher Versicherungsneh-mer mehr als nur ein gering erhöhtes Risiko, dass es zueiner ärztlichen Behandlung bei bestehender Vorerkran-kung kommen kann. Die Behandlungsbedürftigkeit musssich für den Versicherungsnehmer oder die versichertePerson auf Grund konkreter Kenntnisse über den vor Rei-seantritt bestehenden Gesundheitszustand wenigs-tens alswahrscheinlich darstellen; es müssen Anhaltspunkte dafürgegeben sein, dass es im versicherten Zeitraum voraus-sichtlich zu einer Behandlung der schon vorhandenen Er-krankung kommen wird. Solche Anhaltspunkte sind,soweit es das Auftreten eines Herzinfarktes angeht, vor-liegend nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass Frau Usich zuletzt am 01.06.2007 auf den S auch wegen vom Her-zen herrührender Beschwerden (Angina) in ärztliche Be-handlung begeben hat und ihr Medikamente verschriebenworden sind, besagt nichts über die Vorhersehbarkeit einerBehandlung wegen eines neu aufgetretenen Herzinfark-tes während ihres Deutschlandaufenthaltes. Frau U kannauch nicht angelastet werden, dass sie auf den S keine wei-tere ärztliche Hilfe mehr in Anspruch genommen hat.Dazu war sie nach den Versicherungsbedingungen nichtverpflichtet; insbesondere ist ihr kein ärztliches Zeugnisüber die Reisefähigkeit abverlangt worden. Die Behand-lungsbedürftigkeit wegen eines erst in Deutschland im ver-sicherten Zeitraum aufgetretenen Herzinfarktes war nachallem weder für den Kläger noch für Frau U i.S.v. § 1 Zif-fer 2 a) AVB absehbar. Demgegenüber war eine Behand-lung der Grunderkrankung mit Blick auf die schon auf denS bestehende regelmäßige Behandlungsbedürftigkeit ab-sehbar, sodass insoweit kein Versicherungsschutz besteht.Die Beklagte hat nach den vorstehenden AusführungenVersicherungsschutz zu gewähren, soweit die Behandlungenvon Frau U auf den Herzinfarkt und nicht auf die beste-hende Grunderkrankung zurückgeführt werden können. ...“

Verwertungsverbot für VZR-VoreintragungenBeschluss des OLG Bamberg v. 10.02.2010 – 2 Ss OWi1575/09 –

1. Maßgebender Zeitpunkt für das Eingreifen des in§ 29 Abs. 8 S. 1 StVG enthaltenen gesetzlichen Ver-wertungsverbotes für im Verkehrszentralregister(VZR) getilgte Voreintragungen ist im Hinblick aufneue Taten des Betroffenen stets der Zeitpunkt desErlasses des (neuen) tatrichterlichen Urteils.

2. Das Verwertungsverbot nach § 29 Abs. 8 S. 1 StVGbesteht deshalb auch dann, wenn zwar noch wäh-rend der Tilgungsfrist weitere Taten begangen wur-

den, hinsichtlich der Vorahndungen aber im maßgeb-lichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung Tilgungsreifenach § 29 Abs. 6 S. 1 StVG eingetreten war.

3. Ein Verwertungsverbot besteht auch dann, wennim Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entschei-dung die Überliegefrist des § 29 Abs. 7 StVG nochnicht abgelaufen war (Anschluss u.a. an OLG Bam-berg DAR 2007, 38; OLG Karlsruhe zfs 2005, 411 f.;OLG Hamm NZV 2007, 156; OLG Brandenburg DAR2008, 218; OLG Jena NZV 2008, 165 f.; OLG Schleswigzfs 2006, 348 f. und OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 87).

Aus den Gründen:

Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und imÜbrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betr. ist unbe-gründet.

1. Die Feststellungen des AG tragen den Schuldspruch so-wohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht (wirdausgeführt).

2. Auch die Rechtsfolgenentscheidung weist im Ergebniskeinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil desBetr. auf. Zwar hat das AG rechtsfehlerhaft die Vorein-tragungen des Betr. berücksichtigt, weil diese im Zeit-punkt der tatrichterlichen Entscheidung einem Ver-wertungsverbot unterlagen und deshalb die verwirkte Re-gelgeldbuße verdoppelt wurde. Die Erhöhung auf200 EUR ist aber gleichwohl im Hinblick auf die wirt-schaftlichen Verhältnisse des Betr. gerechtfertigt.

a) Das AG hält die Vorahndungen des Betr. für verwert-bar, weil dem Wortlaut des § 29 Abs. 8 S. 1 StVG ein Verwertungsverbot hinsichtlich solcher Voreintragungennicht zu entnehmen sei, die von der Überliegefrist des § 29 Abs. 7 S. 1 erfasst und deshalb noch nicht (endgültig) ge-löscht worden seien. So könne der dort verwendete Begriff„getilgt“ zwar mit „gelöscht“, nicht aber mit „tilgungsreif“gleichgesetzt werden. Ein Verwertungsverbot könne auchnicht aus § 29 VII 2 StVG hergeleitet werden, da diese Re-gelung zwar ein Verbot der Übermittlung und Auskunfts-erteilung für Vorahndungen während der Überliegefristbegründe, nach ihrem Wortlaut aber gerade nicht die Ver-wertbarkeit von Vorahndungen hindere. Im Übrigen führedie gegenteilige Rechtsauffassung zu einer Benachteiligungderjenigen, die einen Bußgeldbescheid ohne Rechtsbehelfakzeptieren und sich damit nicht getilgte Vorahndungenvorhalten ließen, ohne durch Rechtsbehelfe das Verfahrenhinauszuzögern, um auf diese Weise eine Tilgung eingetra-gener Verkehrsverstöße zu erreichen. Die Nichtberück-sichtigung tilgungsreifer Vorahndungen in derÜberliegefrist sei auch mit der gesetzgeberischen Intentionund den Zweckbestimmungen des VZR nicht vereinbar.

b) Diese Rechtsauffassung ist rechtsfehlerhaft. Nach § 29Abs. 8 S. 1 StVG ergibt sich für getilgte Voreintragungen im

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RECHTSPRECHUNG

vor dem Unfall gezeigt hat (BGH DAR 2007, 635; OLGDüsseldorf DAR 2001, 499; LG Dortmund, Urteil v.03.07.2008 – 4 S 24/08 [Juris]).

(1) Der Wiederbeschaffungswert für den Pkw beläuft sichunter Berücksichtigung der Umbaukosten für die Son-derausstattung nach den ergänzenden Ausführungen desSachverständigen auf 8.890 €. Ein merkantiler Minder-wert ist bei der durchgeführten Reparatur vorliegendnicht verblieben. Die 130%-Grenze für den vom Kl. ge-wählten alternativen Reparaturweg mit teilweise ge-brauchten Teilen beträgt daher 11.557 €.

(2) Der Sachverständige schätzte den Reparaturaufwandauf 15.812,18 €, der Kl. ließ den Pkw für 11.526,89 € re-parieren. Die Kosten der vom Kl. gewählten alternativenReparatur überschreiten daher die 130%-Grenze nicht.

(3) Der Senat glaubt den Angaben des Zeugen G. im Ter-min vom 13.11.2009, dass der Kl. mit der Reparaturfirmavereinbarte, das Fahrzeug vollständig und fachgerecht zumPreis von 11.440 € zu reparieren.

(4) Die aufgrund des Kostenvoranschlages vom 02.10.2007durchgeführten Arbeiten führten nach Nachbesserung amFrontblech zu einer bis auf unerhebliche Defizite voll-ständigen und fachgerechten Reparatur.

UnfallersatztarifUrteil des BGH v. 19.01.2010 – VII ZR 112/09 –

Zur Schätzung eines Aufschlags zum Normaltarif beieinem sog. Unfallersatztarif.

Aus den Gründen:

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem Klä-ger gem. §§ 7, 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVersG, §§ 823 Abs. 1,249 Abs. 2 S. 1 BGB lediglich weitere Mietwagenkosten inHöhe von 284,55 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeitzu. Zwar habe die Beklagte wegen des bei ihr liegendenWerkstattrisikos Mietkosten nicht nur für fünf, sondernfür neun Tage zu erstatten. Die Anspruchshöhe bestimmesich allerdings nicht nach dem von der Streithelferin inRechnung gestellten Unfallersatztarif, sondern nach demNormaltarif, der anhand der Schwacke-Mietpreisliste 2006zu ermitteln sei. Der Kläger und die Streithelferin hättennicht hinreichend dargelegt, dass der gegenüber dem Nor-maltarif höhere Tarif auf Grund konkreter aus Anlass derunfallbedingten Anmietung des Klägers gegebener Ko-stenfaktoren gerechtfertigt sei. Es fehle eine am Einzelfallorientierte Aufstellung der Kostenkalkulation. Nach derRspr. des BGH würden zwar die Anforderungen an dieDarlegungslast des Geschädigten mit dem Erforderniskonkreter Angaben zur Kalkulation des Unfallersatztari-fes überspannt. Jedoch könne die Prüfung, ob spezifische

Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigteeinen Mehrpreis rechtfertigten – gegebenenfalls durcheinen Aufschlag auf das gewichtete Mittel des Schwacke-Mietpreisspiegels – nur dann zu einem Ergebnis führen,wenn sich die unfallbedingten Leistungen in bezifferbareBeträge bzw. prozentuale Aufschläge fassen ließen. Ohnesubstantiierte Darlegung der im Einzelfall maßgebendenunfallspezifischen Kostenfaktoren fehle hingegen dieGrundlage für eine fundierte Beratung durch den Sach-verständigen, unter dessen Hinzuziehung erforderlichen-falls der Tatrichter die Höhe der erforderlichen Miet -wagenkosten zu schätzen habe. Der bei der Kammer üb-liche pauschale Aufschlag von 20% auf den Normaltarifbei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen könnenicht zugesprochen werden, weil substantiierter Vortragdes darlegungs- und beweisbelasteten Klägers dazu fehle,dass er zur Vorfinanzierung nicht imstande gewesen sei.Es sei gerichtsbekannt, dass zahlreiche namhafte Vermie-ter vor Ort für die Anmietung eines Fahrzeugs der unterenMietwagenklassen 1 und 2 lediglich die Vorlage einer EC-Karte verlangten. Ferner hätte der Kläger sich mit der Be-klagten in der Zeit zwischen Unfall und Anmietung inVerbindung setzen können, um eine Finanzierung derMietwagenkosten sicherzustellen. Der Kläger habe auchnicht nachgewiesen, dass ihm ein wesentlich günstigererTarif unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seinerLage zeitlich und örtlich relevanten Markt nicht zugäng-lich gewesen sei. Er habe sich lediglich bei zwei Autover-mietungen nach den entsprechenden Mietpreisenerkundigt und dabei nur von einer eine Auskunft erhal-ten. Schon im Hinblick auf die Höhe des in Anspruch ge-nommenen Tarifs hätten weitere Erkundigungen beianderen Mietwagenanbietern nahe gelegen, um sich einenÜberblick zu verschaffen, zumal eine Not- oder Eilsitua-tion nicht vorgelegen habe. Der von der Streithelferin inRechnung gestellte Preis von 175 EUR netto pro Tag seium ein Vielfaches höher als der nach dem Modus derSchwacke-Liste 2006 übliche. Danach sei ein Mietwagen-preis von 555 EUR brutto pro Woche angemessen und er-forderlich. Daraus ergebe sich der Tagespreis von79,29 EUR brutto bzw. für den vorsteuerabzugsberechtig-ten Kläger von 66,60 EUR netto. Dem Kläger stünden da-neben die Kosten für die Vollkaskoversicherung sowie fürdie Zustellung und Abholung des Fahrzeugs zu, nicht hin-gegen für Winterreifen, zu deren Vorhandensein Vortragdes Klägers fehle.

II. Die Revision des Klägers hat Erfolg.

1. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davonausgegangen, dass der Kläger von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsauf-wand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangenkann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkenderMensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig

VZR ein gesetzliches Verwertungsverbot. MaßgeblicherZeitpunkt für das Vorliegen eines solchen Verwertungs-verbotes ist dabei immer der Erlass des tatrichterlichenUrteils in Bezug auf eine neue Tat (BayObLG DAR 2001,354 und DAR 1996, 243; OLG Köln NZV 2000, 430; OLGKarlsruhe zfs 2005, 411). Dieses Verwertungsverbot mussauch dann beachtet werden, wenn zwar während der lau-fenden Tilgungsfrist neue Taten begangen wurden, die Vor-ahndungen aber zum Zeitpunkt der Hauptverhandlungnach § 29 Abs. 7 S. 1 StVG tilgungsreif waren. Wie aus demGesamtzusammenhang der Bestimmungen des § 29 Abs.8 StVG mit § 29 Abs. 6 S. 1 StVG und § 29 Abs. 7 StVGdeutlich wird, sind Tilgung und Tilgungsreife wesensgleich(vgl. auch § 51 Abs. 1 BZRG), so dass auch eine trotz Til-gungsreife im Verkehrszentralregister nur aus verfahrens-rechtlichen Gründen im Blick auf § 29 Abs. 6 S. 2 und § 29Abs. 7 S. 2 StVG noch nicht endgültig gelöschte Vorahn-dung nicht zum Nachteil des Betr. verwertet werden darf.An diesem Verwertungsverbot ändert sich auch dannnichts, wenn im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Ent-scheidung die Überliegefrist noch nicht abgelaufen ist (§ 29Abs. 7 StVG). Denn die Überliegefrist des § 29 Abs. 7StVG hat nur die Funktion einer Tilgungshemmung undVerhinderung der Löschung, soweit es unter den Voraus-setzungen des § 29 Abs. 6 S. 2 StVG tatsächlich zu einerweiteren Eintragung während dieser Frist gekommen ist.Sie enthält aber gerade keine dem § 29 Abs. 8 S. 1 StVGentgegenstehende Regelung, die zu einer weiteren Ver-wertbarkeit der Voreintragungen führt.

aa) Grundsätzlich beträgt die Tilgungsfrist bei Entschei-dungen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 29 Abs. 1S. 2 Nr. 1 StVG zwei Jahre. Sie beginnt gem. § 29 Abs. 4 Nr.3 StVG bei Bußgeldentscheidungen mit dem Tag derRechtskraft oder Unanfechtbarkeit der Entscheidung.Enthält das VZR mehrere Eintragungen, ist nach § 29 Abs.6 S. 1 StVG die Tilgung aller Eintragungen grundsätzlicherst zulässig, wenn für alle betreffenden Eintragungen dieTilgungsvoraussetzungen vorliegen. Diese lagen hier vor,da die letzte vom AG berücksichtigte Vorahndung am18.07.2007 rechtskräftig wurde und somit beim maßgebli-chen Zeitpunkt des Urteilserlasses am 27.07.2009 hin-sichtlich aller Vorahndungen die zweijährige Tilgungsfristabgelaufen und folglich Tilgungsreife eingetreten war.

bb) In Ausnahme zu dieser allgemeinen Regelung des § 29 Abs. 6 S. 1 StVG entfällt nach § 29 Abs. 6 S. 2 StVGeine bereits eingetretene Tilgungsreife von Voreintragun-gen und damit auch ein Verwertungsverbot nur dann,wenn eine neue Tat vor Ablauf der Tilgungsfrist nach § 29Abs. 1 StVG begangen wird und bis zum Ablauf der Über-liegefrist des § 29 Abs. 7 StVG zu einer weiteren Eintra-gung führt. Mit dieser Regelung sollen Taten erfasstwerden, die dem VZR bis zum Ablauf der Überliegefristim Bezug auf die alten Eintragungen bekannt werden

(BT-Drucks 15/1508, S. 7). Diese Voraussetzungen lagenim Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung hier nichtvor, so dass sich die Tilgungsreife der Voreintragungen in-soweit allein nach § 29 Abs. 6 S. 1 StVG beurteilt. Die Re-gelung des § 29 Abs. 6 S. 2 StVG kann mit ihremtemporalen Element auch nicht dahingehend erweiterndausgelegt werden, dass nur die Voraussetzung einer Ein-tragungsfähigkeit insoweit gegeben sein muss, dass dieneuerliche Entscheidung innerhalb der Überliegefrist er-geht und somit zu einer Eintragung führen wird (so nochOLG Frankfurt, Beschluss v. 22.01.2009 – 2 Ss OWi 352/08= VRR 2009, 194 f. m. Anm. Gübner = NZV 2009, 350 ff. m.Anm. König = NStZ-RR 2009, 255 ff.). Denn eine solcheAuslegung verstößt gegen den Wortlaut und den Sinn derRegelung, die gerade keine Ahndungsverschärfung im ak-tuellen Bußgeldverfahren erreichen will, sondern demZiel der Umsetzung von Maßnahmen dient, die nach demPunktesystem anzuordnen sind (BT-Drucks 15/1508,S. 11). Vor allem bliebe bei einer solchen Lösung unge-klärt, was bei Entscheidungen geschehen soll, die kurz vorAblauf der Überliegefrist getroffen werden und vondenen anzunehmen ist, dass sie erst nach Ablauf derRechtsbehelfsfrist und nach Ablauf der Überliegefristrechtskräftig werden. In diesem Fall wäre bei der Ent-scheidung der Bußgeldbehörde und des Tatrichters an-dernfalls zu antizipieren, ob die Entscheidung nochinnerhalb der Überliegefrist rechtskräftig und im VZReingetragen wird (OLG Brandenburg DAR 2008, 218 f.).Selbst dem Rechtsbeschwerdegericht wäre dies nicht mög-lich, wenn es gegen Ende der Überliegefrist entscheidet,weil es nicht absehen kann, wann die Rechtsmittelent-scheidung tatsächlich zu einer Eintragung führt.

cc) Diese Rechtsauffassung wird auch durch die Geset-zesmaterialien bestätigt. So wollte im Gesetzgebungsver-fahren zum 1. JuMoG vom 24.08.2004 der Bundesratdurch eine Neufassung des § 29 VIII 1 StVG auch die Ver-wertung ansonsten tilgungsreifer Vorahndungen währenddes Laufs der Überliegefrist erreichen, indem am Endedieses Satzes im Bezug auf das Verwertungsverbot dieEinschränkung „es sei denn bei der Verfolgung und Ahn-dung einer vor Eintritt der Tilgungsreife begangenenStraftat oder Ordnungswidrigkeit“ eingefügt werden sollte(BT-Drucks 15/1508, S. 46). Die Bundesregierung hat diesunter Hinweis auf die Funktion der Überliegefrist jedochausdrücklich abgelehnt (BT-Drucks 15/1508, S. 52). Ver-abschiedet wurde nicht die vom Bundesrat vorgeschlageneNeufassung des § 29 VIII StVG, sondern der ursprüngli-che Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neufassungdes § 29 VI StVG (BT-Drucks 15/1508, S. 10/11; KönigNZV 2009, 352; OLG Karlsruhe, zfs 2005, 411/412).

dd) Trotz des aus Sicht des AG wünschenswerten Ergeb-nisses einer konsequenten Ahndung von Mehrfachtäternmuss es damit aber im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut

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RECHTSPRECHUNG

rungsumstellung zuletzt angenommenen 50 DM (SenatNZV 2001, 220) besteht kein Anlass. Es besteht auchkein Anlass zu einer mit § 287 ZPO unvereinbarenPseudogenauigkeit in Form einer Umrechnung auf25,56 € oder 26 € (wie sie etwa Thalmair in DAR 2007,594 vertritt; Senat, Urt. v. 16.07.2004 – 10 U 1953/04; v.18.03.2005 – 10 U 5448/04; v. 27.01.2006 – 10 U 4904/05= NZV 2006, 261 [262]; v. 28.07.2006 – 10 U 2237/06 =DAR 2006, 692; v. 24.11.2006 – 10 U 4845/06; ebensoOEG Celle NJW-RR 2004, 1673; LG Passau, Urt. v.27.07.2006 – 3 O 1202/05). Ergänzend ist darauf hinzu-weisen, dass das KG grds. von 20 € ausgeht (vgl. zuletztVRS 110 [2006] VRS11 und 112 [2007] 325) und derBGH sogar einen Ansatz von 7,50 € (!) nicht beanstan-det hat (BGH DAR 2006, 83).

3. Der Kl. hat Anspruch auf weitere 6.026,89 € nebstZinsen. Der Kl. ließ das Fahrzeug reparieren und nutztes seither weiter. Der Anspruch scheitert nicht an der130%-Grenze und auch nicht daran, dass das Fahrzeugnicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß repariertworden wäre.

a) Der Geschädigte kann im Totalschadensfalle aus-nahmsweise die voraussichtlichen Reparaturkosten zzgl.einer etwaigen Wertminderung erstattet verlangen,wenn diese Summe den Wiederbeschaffungswert umnicht mehr als 30% übersteigt (BGH DAR 1992, 22).Maßgeblich für die Berechnung ist grundsätzlich dieReparaturkostenkalkulation des Sachverständigen,nicht der schlussendlich tatsächlich angefallene Repa-raturaufwand. Der Restwert des Fahrzeuges wird beidieser Berechnung nicht berücksichtigt. Grundlage die-ser Rspr. ist das besondere Integritätsinteresse des Ge-schädigten. Damit soll faktisch sichergestellt sein, dassdas Eigentum des Geschädigten für den Bedarfsfall inseiner konkreten Zusammensetzung und nicht nur demWert nach erhalten bleiben kann. Der Reparaturkos-tenersatz erfolgt allerdings nur nach tatsächlich durch-geführter, fachgerechter Reparatur im Umfange desSachverständigengutachtens (BGH DAR 2005, 266), je-denfalls aber in einem Umfang, der den Wiederbe-schaffungsaufwand übersteigt (BGH DAR 2005, 268[269]). Eine Teilreparatur ist mithin nicht ausreichend.Setzt der Geschädigte nach einem Unfall sein Kfz nichtvollständig und fachgerecht instand, ist regelmäßig dieErstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbe-schaffungswert nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf denWert der Sache wäre eine solche Art der Wiederher-stellung im Allgemeinen unvernünftig und kann demGeschädigten nur ausnahmsweise im Hinblick daraufzugebilligt werden, dass der für ihn gewohnte und vonihm gewünschte Zustand des Fahrzeuges auch tatsäch-lich wie vor dem Schadensfall erhalten bleibt bzw. wie-

derhergestellt wird (BGH DAR 2007, 635; BGHZ 162,161, 168 = DAR 2005, 266; BGH VersR 1972, 1024 f. undVersR 1985, 593, 594). Dass der Geschädigte Schadens-ersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert über-steigt, ist deshalb mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot undBereicherungsverbot nur zu vereinbaren, wenn er denZustand des ihm vertrauten Fahrzeuges wie vor demUnfall wieder herstellt. Maßgeblich ist insoweit, ob –und wenn auch nur in Teilbereichen – mehr als nur un-erhebliche Beanstandungen und Reparaturdefizite ver-blieben sind, die einer vollständigen und insoweitfachgerechten Instandsetzung und insbesondere einerWiederherstellung eines mit dem unbeschädigten Fahr-zeug vergleichbaren Zustandes entgegenstehen (BGHDAR 2007, 635 [Bestätigung von LG Bochum, Urt. v.21.11.2006 – 9 S 108/06]).

Lässt ein Geschädigter, wenn die vom Sachverständigenkalkulierten Reparaturkosten die 130%-Grenze über-schreiten, auf einem alternativen Reparaturweg repa-rieren und gelingt es ihm dabei nicht, das Fahrzeug zuKosten innerhalb der 130%-Grenze vollständig undfachgerecht in einen Zustand wie vor dem Unfall zu-rückzuversetzen, kann er sich zur Begründung seinerReparaturkostenforderung nicht auf ein unverschulde-tes Werkstatt- oder Prognoserisiko berufen. Entschei-dend ist dabei nicht, ob die ausgewählte Werkstatt –etwa aus Kulanzgründen – nach durchgeführter Repa-ratur verbliebene, nicht nur völlig unerhebliche Mängelso lange ausbessert, bis ein „ordentliches Ergebnis“ er-zielt wird, sondern ob nach Abnahme seitens des Ge-schädigten aufgrund der nach dem erteilten Auftragdurchgeführten Reparatur von einer vollständigen undfachgerechten Reparatur auszugehen ist. Spätere Nach-besserungen stehen der Verneinung einer derartigenReparatur dann nicht entgegen, wenn diese – ausgehendvom erteilten Auftrag – in Gewährleistungsansprüchenauslösenden Mängeln ihre Ursache haben, etwa weil dieMängel dem Geschädigten von der Reparaturwerk-stätte nicht offengelegt wurden und von ihm bei Ab-nahme oder danach auch nicht erkannt und alsvertragsgemäß akzeptiert wurden. Andernfalls, wennder Geschädigte wesentliche Reparaturdefizite akzep-tiert, beweist der Geschädigte zwar ein Interesse an derMobilität durch sein Fahrzeug oder ein Interesse an derWeiternutzung, das jedoch ohne eine in jeder Hinsichtvollständige Reparatur in vergleichbarer Weise auchdurch eine Ersatzbeschaffung befriedigt werden könnte.

b) Dies zugrunde gelegt, ergibt sich vorliegend Folgen-des: Der Kl. hat mehr getan als nur die Fahrtüchtigkeitwiederhergestellt, die nur sein Mobilitätsinteresse be-legt hätte. Der Kl. hat vielmehr einen Zustand wieder-herstellen lassen, der dem vergleichbar ist, wie er sich

und den Willen des Gesetzgebers hingenommen werden,dass die gegenwärtige Rechtslage dem Betr. Anreize füreine „ Verzögerungstaktik“ bietet und es damit im Einzel-fall zu Wertungswidersprüchen kommen kann. Im Übrigenwürde eine andere Rechtsauffassung auch die Funktionder Überliegefrist verkennen, die nur sachlich nicht ge-rechtfertigte Löschungen im VZR verhindern und nichtfaktisch Tilgungsfristen verlängern soll, um ansonsten til-gungsreife Voreintragungen auch für das laufende Buß-geldverfahren nutzbar zu machen (OLG Hamm NZV2006, 487, OLG Jena NZV 2008, 165; BT-Drucks 15/1508, S.52). Ansonsten wäre nicht verständlich, weshalb nach §29 VII 2 StVG während der Überliegefrist der Inhalt einerEintragung nicht mitgeteilt werden darf. Das Tatgerichtkönnte die Voreintragung dann faktisch nur berücksichti-gen, wenn ihm zum Zeitpunkt der Entscheidung ein veral-teter Auszug aus dem VZR vorläge (Gübner NZV 2005,57, 61). Somit kommt es nach Eintritt der Tilgungsreife undwährend der Überliegefrist des § 29 Abs. 6 S. 2 StVG voneinem Jahr zwar gem. § 29 Abs. 7 StVG zu einer Hemmungder Tilgung von verkehrsrechtlichen Vorbelastungen imVZR, es verbleibt aber während der Überliegefrist beieinem Verwertungsverbot tilgungsreifer Vor- eintragungen(vgl. in diesem Sinne neben OLG Bamberg DAR 2007, 38u.a. schon OLG Karlsruhe zfs 2005, 411/412; OLG HammDAR 2005, 693; NZV 2006, 487; DAR 2006, 697; NZV 2007,156; OLG Schleswig zfs 2006, 348 f.; SVR 2008, 29; OLGBrandenburg DAR 2008, 218; OLG Jena NZV 2008, 165 f.und nunmehr auch OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 87; vgl.auch Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 40.Aufl. § 29 StVG Rn 12; Jagow/Burmann/ Heß Straßenver-kehrsrecht 15. Aufl. § 29 StVG Rn 17; Burhoff (Hrsg.) Böttger, Hdb. für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Ver-fahren 2. Aufl. Rn 2752; Gübner NZV 2005, 57, 59; Pinker-neil DAR 2005, 57, 58 und Schäpe DAR 2007, 348).

c) Die Notwendigkeit einer Divergenzvorlage gem. § 79Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr.1 GVG an den BGH besteht nicht mehr. Das OLG Frank-furt hatte in seinem Beschluss v. 22.01.2009 (a.a.O.) zwardie Rechtsauffassung vertreten, dass der Tatrichter nicht ge-hindert sei, Voreintragungen zu verwerten, wenn der neueVerstoß vor Ablauf der 2-jährigen Tilgungsfrist der Vorein-tragungen begangen wird, die neue Verurteilung aber erstinnerhalb der sich anschließenden einjährigen Überliege-frist erfolgt, eine Vorlagepflicht nach § 121 Abs. 2 GVG abergleichwohl mit nicht überzeugender Argumentation als un-zulässig verneint, weil die aufgeworfene Rechtsfrage imZeitpunkt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs wegenAblaufs der Überliegefrist prozessual überholt sein werde.Insoweit wäre der Senat daher, soweit er an seiner bisheri-gen Rechtsauffassung und der einhelligen Rspr. festhält, ansich gem. § 121 Abs. 2 GVG grundsätzlich verpflichtet ge-wesen, diese Rechtsfrage dem BGH zur Entscheidung vor-

zulegen (BGHSt 9, 272/274; 13, 149/152 f.; LR/Franke StPO25. Aufl. § 121 GVG Rn 49; KK/Hannich StPO 6. Aufl. § 121GVG Rn 27; Kissel/Mayer GVG 5. Aufl. § 121 GVG Rn 19;Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 121 GVG Rn 8). Das OLGFrankfurt hat aber erst unlängst klargestellt, dass es an sei-ner abweichenden früheren Rechtsauffassung nicht mehrfesthält und diese ausdrücklich aufgegeben hat (OLGFrankfurt, Beschl. v. 07.01.2010 – 2 Ss OWi 552/09 – NStZ-RR 2010, 87). Damit entfällt eine Verpflichtung des Senatszur Divergenzvorlage (BGHSt 14, 319/320; 17, 399/401;KK/Hannich § 121 GVG Rn 30; LR/Franke § 121 GVG Rn45; Meyer-Goßner § 121 GVG Rn 7).

d) Zwar ist damit die hier erfolgte Berücksichtigung derVoreintragungen des Betr. durch das AG als rechtsfehler-haft anzusehen. Gleichwohl führt dies hier ausnahmsweisenicht zu einer Reduzierung der gegen den Betr. verhäng-ten erhöhten Geldbuße. Die in der Bußgeldkatalogver-ordnung vorgesehenen Regelahndungen gehen vonfahrlässiger Begehung, gewöhnlichen Tatumständen undfehlenden Vorahndungen des Betr. aus (§ 1 Abs. 2, § 3 Abs.1 BKatV). Daneben liegen den Bußgeldkatalogen durch-schnittliche wirtschaftliche Verhältnisse des Betr. zu-grunde (OLG Düsseldorf VRS 80, 376/380; OLG KölnNZV 1991, 203; OLG Oldenburg NZV 91, 82; GöhlerOWiG 15. Aufl. § 17 Rn 29 m.w.N.). Nach den Feststellun-gen des AG ist der Betr. selbständiger Steuerberater undverfügt über ein jährliches Nettoeinkommen von200.000 EUR. Diese deutlich über den durchschnittlichenwirtschaftlichen Verhältnissen liegenden Einkünfte recht-fertigen nach Auffassung des Senats eine über die Regel-buße hinausgehende Ahndung des Betr. Nach § 17 Abs. 3S. 2 1. Halbs. OWiG sind im Rahmen der Bußgeldbemes-sung ausdrücklich auch die wirtschaftlichen Verhältnissedes Betr. zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund er-achtet der Senat nach Abwägung aller für und gegen denBetr. sprechenden Gesichtspunkte eine Verdoppelung derRegelgeldbuße von 100 EUR auf 200 EUR für erforder-lich, aber auch für ausreichend, um die begangene Ver-kehrsordnungswidrigkeit zu ahnden. Der Senat kanninsoweit in der Sache selbst entscheiden, so dass es einerZurückverweisung an das AG nicht bedarf (§ 79 Abs. 5S. 1 i.V.m. § 79 Abs. 6 OWiG). Auch die Verhängung desFahrverbots erweist sich als rechtsfehlerfrei ...

Radarmessgerät „Multanova VR 6F“Beschluss des OLG Bamberg v. 25.02.2010 – 3 Ss OWi206/10 –

§ 100 h I 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 l OWiG bildet (auch)für den Einsatz des zur polizeilichen Geschwindig-

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RECHTSPRECHUNG

c) Die Bekl. hat ferner vorgetragen, die vorgesehene Crewhabe Grippesymptome gezeigt und deshalb ausgetauschtwerden müssen. Sie hat daraus aber lediglich abgeleitet,dass der erfolgte Austausch der Besatzung nicht als Indizfür eine Annullierung des Fluges angesehen werdenkönne. Dass die Erkrankung des Personals eine zusätzli-che Ursache für die Verspätung gebildet hat, ergibt sichaus dem Beklagtenvortrag nicht, so dass dahinstehenkann, ob hierin ein außergewöhnlicher Umstand gesehenwerden könnte.

2. Die Bekl. ist deshalb verpflichtet, eine Ausgleichszah-lung in der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO bestimmtenHöhe von 600 Euro pro Person zu erbringen. Unter Be-rücksichtigung der bereits vom AG unter dem Gesichts-punkt der Minderung zugesprochenen Beträge stehen denKl. die noch geltend gemachten Zahlungsansprüche zu.Der zuletzt noch verfolgte Zinsanspruch ergibt sich aus§ 288 Abs. 1 BGB. Soweit die Kl. in erster Instanz Zinsenbereits für die Zeit ab 17.07.2005 begehrt haben, ist dieEntscheidung des AG nicht angefochten.

3. Zu der von der Bekl. angeregten erneuten Vorlage derSache an den EuGH sieht der Senat keine Veranlassung.

Der BGH hat dem Gerichtshof die Streitsache zur Vor-abentscheidung vorgelegt, weil er es nicht für zweifelsfreigehalten hat, dass den Fluggästen eines wesentlich ver-späteten Fluges, wie er im Streitfall vorliegt, nach der VOkein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusteht. DieseUnklarheit hinsichtlich der Auslegung des Gemein-schaftsrechts ist dadurch beseitigt worden, dass der Ge-richtshof in seinem Urteil vom 19.11.2009 die VO dahinausgelegt hat, dass auch in einem solchen Fall Ausgleichs-leistungen zu erbringen sind. Das Urteil selbst wirft je-denfalls keine für den Streitfall relevanten neuenAuslegungsfragen auf, die der Senat nicht ohne erneuteVorlage beantworten könnte.

Soweit sich das Urteil nicht ausdrücklich mit der Frage be-fasst, ob das vom Gerichtshof gefundene Auslegungser-gebnis mit dem Montrealer Übereinkommen vereinbar ist,hat der Senat diese Frage bereits in seinem Urteil vom10.12.2009 (Xa ZR 61/09) bejaht; daran hält er fest. DerGerichtshof hat dies offenbar ebenso gesehen; dass er Art.29 MÜ übersehen hätte, kann nicht angenommen werden.

Der Senat hat auch keine Zweifel an der Gültigkeit derVO. Der Gerichtshof hat die Gültigkeit – anders als dieGeneralanwältin – bejaht (a.a.O. Tz. 47). Für den von derBekl. angenommenen Verstoß gegen den Verhältnismä-ßigkeitsgrundsatz ist nichts Substantiiertes geltend ge-macht.

Reparaturerfordernis bei 130 %-GrenzeUrteil des OLG München v. 13.11.2009 – 10 U 3258/08 –

Zur Bedeutung der kalkulierten Reparaturkosten unddes Umfangs der vom Geschädigten durchgeführtenReparatur, wenn sich der Geschädigte für einen al-ternativen Reparaturweg entscheidet und gleichwohldie 130 %-Grenze überschreitet.

Aus den Gründen:

1. Der Kl. hat Anspruch auf Erstattung der von der Bekl.bislang nicht beglichenen restlichen Kosten für die Erstellung des von ihm in Auftrag gegebenen Sachver-ständigengutachtens in Höhe von 35,70 €. Das Sachver -ständigengutachten dient der Ermittlung des

Schadensumfangs. Die Kosten hierfür hat der Ersatz-pflichtige als Sachfolgeschaden gem. § 249 II 1 BGB zu tra-gen. Durch das Sachverständigengutachten wird derGeschädigte häufig erst in die Lage versetzt, zu entschei-den, welche konkrete Schadensabrechnungsart er wählenwill. Darüber hinaus dient das Gutachten auch der Be-weissicherung. Nach einem Verkehrsunfall ist ein Geschä-digter im Regelfall berechtigt, einen qualifiziertenGutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadengut-achtens zu beauftragen (BGH DAR 2007, 263). Es genügtein „qualifizierter“ Sachverständiger (BGH DAR 2007,263). Ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sach-verständigenhonorar kann grundsätzlich als erforderlicherHerstellungsaufwand i.S.d. § 249 II 1 BGB erstattet ver-langt werden (BGH DAR a.a.O.). Allein dadurch, dass einSachverständiger eine an der Schadenshöhe orientierte an-gemessene Pauschalierung des Honorars vornimmt, über-schreitet er die Grenzen zulässiger Preisgestaltunggrundsätzlich nicht (BGH NJW 2006, 2472). Zu einer Er-forschung des ihm zugänglichen Markts, um einen mög-lichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zumachen, ist ein Geschädigter grundsätzlich nicht verpflich-tet (BGH NJW 2007, 1450; OLG Nürnberg SP 2002, 358 =VRS 103 [2002] VRS321 = OLGR 2002, 471 = NVwZ-RR2002, 711). Gegen ein nach seiner Ansicht überhöhtes Ho-norar kann sich der Versicherer in einem Schadensersatz-prozess gegen den Sachverständigen wehren. Vorliegendist nicht ersichtlich, weshalb die Sachverständigenkostenvon insgesamt 1.011,50 € angesichts der Schadenshöhenicht insgesamt erstattungsfähig sein sollten.

2. Hinsichtlich der Unkostenpauschale besteht über diebereits bezahlten 25 € hinaus kein weitergehender Er-satzanspruch des Kl., so dass die Klage insoweit (5 € nebstZinsen) abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen ist.Nach der ständigen Rspr. des Senats ist ein Betrag von 25 € angemessen. Für eine Anhebung der vor der Wäh-

keitsüberwachung in Bayern verwendeten Radar-messgeräts „Multanova VR 6F“ sowie den zum glei-chen Zweck eingesetzten sog. Einseitensensor desTyps „ES1.0“ und für die hierbei jeweils nur bei Errei-chen eines bestimmten Grenzwertes ausgelöste foto-grafische Erfassung Betr. eine hinreichende gesetzlicheRechtsgrundlage für Eingriffe in das Recht auf infor-mationelle Selbstbestimmung. Ein strafprozessualesBeweisverwertungsverbot besteht nicht (Anschluss anOLG Bamberg NJW 2010, 100 f. = DAR 2010, 26 ff. =VRR 2009, 468 ff. = StRR 2009, 475 ff. = zfs 2010, 50 ff.)

Aus den Gründen:

I. Gegen den Betr. ist ausschließlich eine Geldbuße vonnicht mehr als 250 Euro festgesetzt worden. Nach § 80 IOWiG darf deshalb die Rechtsbeschwerde nur zugelassenwerden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des ange-fochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Si-cherung einer einheitlichen Rspr. zu ermöglichen oder dasUrteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuhe-ben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Antrag aufZulassung der Rechtsbeschwerde wird daher nach § 80 IV1, III OWiG verworfen. Damit gilt die Rechtsbeschwerdeals zurückgenommen (§ 80 III 2 i.Vm. § 80 IV 4 OWiG).

II. Außerhalb der durch den Zulassungsantrag veranlasstenRechtsbeschwerdeprüfung bemerkt der Senat ergänzend:

1. Das AG hat im Einklang mit der Rspr. des OLG Bam-berg (Beschluss vom 16.11.2009 – 2 Ss OWi 1215/09 = NJW2010, 100 f. = DAR 2010, 26 ff. m. Anm. Grunert = VRR2009, 468 ff. m. Anm. Deutscher = StRR 2009, 475 ff. = zfs2010, 50 ff.; vgl. auch OLG Jena, Beschluss vom 06.01.2010– 1 Ss 291/09, OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.01.2010 – 4Ss 1525/09 und OLG Dresden, Beschluss vom 02.02.2010 –Ss <OWi> 788/09, jeweils bei juris) im Ergebnis zu Rechtein strafprozessuales Verwertungsverbot abgelehnt.

a) § 100 h I 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 I OWiG bildet auch fürdie im Rahmen des hier eingesetzten Verkehrsradarmess-geräts des Typs „Multanova VR 6F“ hergestellten anlass-bezogenen Fotoaufnahmen zur Identifizierung Betr. einehinreichende gesetzliche Rechtsgrundlage für damit ver-bundene Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbst-bestimmung.

b) Soweit die Verteidigung zur Stützung ihrer abweichen-den Auffassung auf den Beschluss des OLG Ramm vom22.12.2009 (1 Ss OWi 960/09) abhebt, teilt sie nicht mit,dass in der genannten Entscheidung ein Beweisverwer-tungsverbot gerade verneint wird. Gravierender fällt insGewicht, dass die Verteidigung übersieht, dass sich die Ent-scheidung des OLG Hamm vom 22.12.2009 ebenso wieschon der Beschluss des OLG Oldenburg vom 27.11.2009- Ss Bs 186/09 (= DAR 2010, 32 f. = VRR 2010, 31 f. m.Anm. Deutscher; vgl. in diesem Sinne z.B. auch AG Mei-

ßen VRR 2009, 472 f.) und nicht zuletzt der Beschluss der2. Kammer des 2. Senats des BVerfG vom 11.08.2009 – 2BvR 941/08 (= NJW 2009, 3293 f. m. Anm. Bull NJW 2009,3279 ff. = zfs 2009, 589 ff. m. Anm. Bode = StRR 2009, 356f. = VRR 2009, 354 f. m. Anm. Burhoff = DAR 2009, 577 ff.= DVBl. 2009, 1237 ff. = NZV 2009, 618 ff.) auf den Einsatzdes verdachtsunabhängigen „Abstands- und Geschwin-digkeitskontrollsystems VKS 3.0“ (Version 3.1) bezieht. ImUnterschied zu seiner mit dem sog. Vorselektionssoftwa-remodul „VKS selekt“ ausgerüsteten Nachfolgeversion istdieses System dadurch gekennzeichnet, dass auf dem sog.Tatvideo der gesamte auflaufende Verkehr in einem be-stimmten Streckenbereich aufgezeichnet wird und dieAuswertung der codierten Videoaufzeichnung erst späterdurch ein Computersystem unter Verwendung von auf derFahrbahn angebrachter, zuvor eingemessener Markierun-gen erfolgt. Da dieses System im Unterschied zu seinerNachfolgeversion eine anlassbedingte Zuschaltung derIdentifizierungskamera bei Vorliegen des Verdachts einesGeschwindigkeitsverstoßes nicht erlaubt, wird der gesamtefließende Verkehr aufgezeichnet (OLG Hamm a.a.O.).

c) Von einer verdachtsunabhängigen Fertigung von Bild-aufnahmen des Betr. oder gar von einer Videofilmüber-wachung des Verkehrsraums kann bei dem vorliegend fürdie Geschwindigkeitsmessung unter Ausnutzung desDopplereffektes zum Einsatz gelangten Verkehrsradar-messgerät des Typs „MultanovaVR 6F“ aber keine Redesein. Entsprechendes gilt etwa auch für den ebenfalls vonder Polizei in Bayern zur amtlichen Geschwindigkeits-überwachung eingesetzten rechnergesteuerten sog. Ein-seitensensor vom Typ „ES1.0“ auf der Basis einersensorgestützten Weg-/Zeitmessung durch Ermittlung sog.Triggersignale sowie des Helligkeitsprofils durch Abtastendes vorbeifahrenden Fahrzeugs. Denn ein Foto des Betr.und des von ihm geführten Kfz mit Kennzeichen wird beidem hier eingesetzten Gerät „MultanovaVR 6F“, wie vomAG zutreffend festgestellt, nur dann erstellt, wenn ein vomBediener zuvor eingestellter und (maschinell) festgestell-ter – bei Messung des ankommenden Verkehrs vorläufi-ger – Grenzwert erreicht oder überschritten wird. Nur indiesem Fall sowie nach Verifikation der Eingangsmessungdes ankommenden Verkehrs werden sodann neben demgemessenen Fahrzeug und seiner Geschwindigkeit weitereDaten der Messung wie Fahrtrichtung, Datum und Uhrzeitim Rahmen der die Zuordnung zu Fahrzeug und Fahrer er-möglichenden fotografischen Erfassung dokumentiert undder Film in der Kamera transportiert; andernfalls erfolgtlediglich eine Annulationsanzeige (zu Funktionsweise,Messwertbildung und Fotoauslösung im Einzelnen vgl.neben der hier einschlägigen „Ergänzenden WeisungNr. 2.1 (Radar)“ des Bayerischen Staatsministeriums desInnern zu den Polizeilichen Richtlinien für die Verkehrs-überwachung auch Grün in: Burhoff/Neidel/Grün, Ge-

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RECHTSPRECHUNG

VERKEHRSRECHT IN KÜRZE

Aus den Gründen:

I. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzun-gen für die begehrten Ausgleichszahlungen nach Art. 7Abs. 1 der VO seien nicht erfüllt, hält der Nachprüfungnicht stand.

1. Eine Annullierung des Flugs i.S.v. Art. 5 der VO hat al-lerdings, wie das Berufungsgericht zutreffend angenom-men hat, nicht stattgefunden. Nach dem Urteil desGerichtshofs kann ein verspäteter Flug unabhängig vonder – auch erheblichen – Dauer der Verspätung nicht alsannulliert angesehen werden, wenn er entsprechend derursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmensdurchgeführt wird (a.a.O. Tz. 39). So verhält es sich imStreitfall. Der Flug von Toronto nach Frankfurt ist trotzder eingetretenen Verzögerung entsprechend der ur-sprünglichen Flugplanung durchgeführt worden.

2. Wegen des wesentlich verspäteten Abflugs kommtgleichwohl ein Anspruch auf die in Art. 7 der VO vorge-sehene Ausgleichszahlung in Betracht.

a) Der Flug hat einen Tag später als geplant begonnen; dieVoraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 der VO für die An-nahme einer von der VO erfassten (großen) Verspätunglagen daher ohne weiteres vor.

b) In einem solchen Fall steht dem Fluggast, sofern auchdie weiteren Voraussetzungen für eine Ausgleichsleistungerfüllt sind, der in Art. 7 der VO vorgesehene Ausgleichs-anspruch zu, wenn er wegen des verspäteten Fluges seinEndziel nicht früher als drei Stunden nach der ursprüng-lich geplanten Ankunftszeit erreicht (EuGH a.a.O. Tz. 61).Auch diese Voraussetzung ist ohne weiteres erfüllt, denndas Endziel der Kl. wurde mehr als 25 Stunden später alsgeplant erreicht. Damit liegen im Streitfall die vom Ge-richtshof aufgestellten Anforderungen für einen Aus-gleichsanspruch wegen einer wie eine Annullierung zubehandelnden großen Verspätung vor.

II. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Der Senatkann in der Sache selbst entscheiden, da der Rechtsstreitauf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestell-ten Sachverhalts zur Endentscheidung reif ist.

1. Der Ausgleichsanspruch ist nicht entsprechend Art. 5Abs. 3 der VO ausgeschlossen. Die Verspätung geht nichtauf außergewöhnliche Umstände im Sinne dieser Vor-schrift zurück.

a) Entgegen der von der Bekl. in der mündlichen Ver-handlung vertretenen Auffassung besteht keine Veranlas-sung, den Rechtsstreit an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen, um der Bekl. Gelegenheit zu geben,zu den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 3 der VO vorzu-tragen. Die Parteien haben in den Tatsacheninstanzen dar-über gestritten, ob die Bekl. im Streitfall zu einerAusgleichszahlung wegen Annullierung des Flugs ver-pflichtet ist. Die Bekl. war demgemäß gehalten, auch zuden Voraussetzungen vorzutragen, unter denen die Ver-pflichtung zu einer solchen Ausgleichszahlung ausge-schlossen ist, und hat dies auch getan. Für denAusgleichsanspruch wegen großer Verspätung geltenkeine anderen Voraussetzungen.

b) Die Bekl. hat geltend gemacht, der Flug habe wegen nichtvorhersehbarer technischer Beanstandungen nicht pünkt-lich begonnen. Probleme seien an einem Triebwerk sowiean der Treibstoffanzeige aufgetreten. Damit ist kein außer-gewöhnlicher Umstand i.S.v. Art. 5 Abs. 3 der VO aufgezeigt.

Wie der Senat im Anschluss an die Rspr. des EuGH be-reits entschieden hat, begründen technische Defekte, wiesie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftretenkönnen, für sich gesehen keine außergewöhnlichen Um-stände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflich-tung zur Zahlung der Ausgleichsleistung wegenAnnullierung eines Fluges befreien können (Sen. Urt. v.12.11.2009 – X ZR 76/07, RIW 2010, 63).

schwindigkeits- und Abstandsmessungen im Straßen- ver-kehr <2007>, Teil 1, Rdn. 642 ff., insbes. Rdn. 654 ff. undBöttger in: Burhoff <Hrsg.>, Handbuch für das straßen-verkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl., Rdn. 1407 ff.).2. Hinzu kommt, dass der Betr. im Hinblick auf die (recht-zeitige) Erfüllung der Widerspruchsobliegenheit gegen dieVerwertung der den verfahrensgegenständlichen Ge-schwindigkeitsverstoß begründenden Beweismittel in derHauptverhandlung, worauf ebenfalls schon die GenStA zu-treffend hinweist, keine den Begründungsanforderungen des

§ 344 II 2 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG genügende und damitzulässige Verfahrensrüge erhoben hat (vgl. hierzu zuletztneben OLG Rostock, Beschluss vom 16.11.2009 – 2 Ss OWi257/09 = VRR 2010, 35 f. m. Anm. Burhoff u.a. OLG HammNJW 2009, 242/243 = NZV 2009, 90 ff. = StRR 2008, 463 f. =VRR 2008, 472 f. und OLG Hamburg NJW 2008, 2597/2598= StraFo 2008, 158 ff. = VerkMitt. 2008, Nr. 38 = NZV 2008,362 ff. = VRS 114, 275 ff. = StV 2008, 454 ff. = OLGSt StPO§ 81a Nr. 6 = VRR 2008, 122 f. sowie rechtsgrundsätzlichBGHSt 38, 214/225 ff. und BGHSt 42, 15/22 ff.).

Fluggastrechte Urteil des BGH v. 18.02.2010 – Xa ZR 95/06 –

Bei einer großen Verspätung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 FluggastrechteVO stehtdem Fluggast wie bei einer Annullierung des Flugs ein Anspruch auf eine

Ausgleichszahlung nach Art. 7 zu, sofern er sein Endziel nichtfrüher als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeiterreicht und die große Verspätung nicht auf außerge-wöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann

nicht hätten vermeiden lassen, wenn von dem Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmenergriffen worden wären (im Anschluss an EuGH RRa 2009, 282 = NJW 2010, 43 – Sturgeon/Condor).

Nutzungswertersatz bei VerbrauchsgüterkaufAnders als beim Recht des Verbrauchers auf Ersatzlieferung ist bei der Rückabwick-lung eines Verbrauchsgüterkaufs der Verkäufer nicht durch europäisches Recht ge-hindert, Nutzungswertersatz gem. § 346 I BGB zu verlangen.

BGH – VIII ZR 243/08 – (NZV 2010, 142)

Hinweis auf ZwischenhändlerDer Käufer eines Gebrauchtwagens geht grundsätzlichdavon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug vondemjenigen übernommen hat, der als letzter Halter in denKraftfahrzeugbrief eingetragen ist.

Deshalb muss der Verkäufer eines Gebrauchtwagens denKäufer darüber aufklären, dass er das Fahrzeug kurze Zeitvor dem Weiterverkauf von einem nicht im Kraftfahr-zeugbrief eingetragenen „fliegenden Zwischenhändler“erworben hat.

BGH – VIII ZR 38/09 – (DAR 2010, 200)

Sorgfaltspflicht des EinparkersUngeachtet besonderer Umstände im Einzelfall sind andie Sorgfalt des Fahrers eines Fahrzeugs, der auf einem öf-fentlich zugänglichen Parkplatz in eine rechtwinklig durchDurchfahrtrichtung angeordnete Parklücke einparkenwill, sowie an die Sorgfaltspflicht des Fahrers oder Mit-fahrers eines neben dieser Parklücke abgestellten weite-ren Fahrzeugs beim Aussteigen gleich hoheAnforderungen zu stellen, so dass in der Regel bei einerKollision des einparkenden Fahrzeugs mit einer teilweise

geöffneten Fahrzeugtür eines geparkten Fahrzeugs einehälftige Schadenaufteilung angemessen erscheint.

OLG Frankfurt – 3 U 211/08 – (DAR 2010, 267)

LasermessungWird ein Motorrad während einer Geschwindigkeitsmes-sung mit einem Lasermessgerät der Firma Riegl GmbHvom Typ LR-90-2351P mit einem Seitenabstand von le-diglich 60 cm von einem anderen Motorrad überholt, mussder Tatrichter davon ausgehen, dass die Zuordnung desMesswerts zum Fahrzeug des Betroffenen problematischsein kann. Deshalb muss er seine Überzeugung von dereindeutigen Messwertzuordnung im Urteil näher begrün-den und dabei auf die Bekundungen der Beamten zumEinsatz des Messgeräts näher eingehen.

OLG Düsseldorf – IV-4 RBs 149/09 – (DAR 2010, 212)

KreisverkehrDie Wirksamkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung,die an einer Zufahrt zu einem außerörtlichen Kreisver-kehr angebracht ist, wirkt nicht für die Weiterfahrt nachdem Verlassen des Kreisverkehrs.

OLG München – 24 U 252/09 – (DAR 2010, 206)

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Gerade die österreichische Praxis mit Lenkerauskunft undStrafverfügung ist aber von dem neuen § 87 d IRG mögli-cherweise gar nicht erfasst. Wer eine nach österreichi-schem Recht obligatorische und bußgeldbewehrteLenkerauskunft nicht erteilt – in welchem rechtlichen Zu-sammenhang auch immer – handelt schließlich schuldhaft,und zwar vorsätzlich. Soll einer daraufhin erlassenen Straf-verfügung die Vollstreckungsbewilligung versagt werden,wäre das zwar möglicherweise von Sinn und Zweck des § 87 d IRG gedeckt, aber sicherlich nicht im Sinne des er-suchenden Staates, sodass zumindest fraglich und für denBetroffenen unsicher wäre, wie die Vollstreckungsbehördein einem solchen Fall ihr Ermessen ausüben würde.

Geht man vom Lissabon-Urteil des Bundesverfassungs-gerichts aus, so ist auch bei Vollstreckungsakten innerhalbder EU und über die Grenzen ihrer Mitgliedsstaaten dieVerfassungsidentität des Grundgesetzes mit ihrem unan-tastbarem Kerngehalt zu beachten und muss deshalb auchdie Wahrung des Schuldprinzips durch entsprechende Ver-fahrensgarantien und nicht nur „kosmetisch“ sicherge-

stellt sein. Ob die derzeit vorgesehene Regelung in § 87 dIRG dem in ausreichendem Maße gerecht wird, muss be-zweifelt werden. Der Nachweis eines Vollstreckungshin-dernisses wegen Verletzung des Schuldprinzips und derVoraussetzungen einer „Ausnahme“ sind weitgehend demBetroffenen zugewiesen, zumal der ersuchende Staat nichtgehalten ist, bei seinem Vollstreckungsersuchen hierzu nä-here Angaben zu machen. So besteht die ernsthafte Mög-lichkeit, dass ein weiteres Mal die Umsetzung einesRahmenbeschlusses über die strafrechtliche Zusammen-arbeit der verfassungsrechtlichen Überprüfung nichtstandhält. Eine Revision des vorliegenden Entwurfs unterdiesem Aspekt wäre deshalb zu empfehlen.

Hinweis: Der Verfasser ist zusammen mit Dr. SebastianTrautmann, Staatsanwalt, zzt. Bundesministerium der Justiz,und Carsten Krumm, Richter am Amtsgericht, Verfasser einerEinführung in die Praxis des neuen Geldsanktionsgesetzes,die in Kürze im Nomos Verlag, Baden-Baden, erscheint.

Rechtsanwalt Volker Lempp, Stuttgart

VERKEHRSRECHT IN KÜRZE

Hinweispflicht auf FahrverbotIst im Bußgeldbescheid kein Fahrverbot nach § 25 StVG ver-hängt worden, so setzt eine entsprechende Anordnung durchdas Gericht im Einspruchsverfahren voraus, dass es in ent-sprechender Anwendung des § 265 Abs. 2 StPO den Betrof-fenen zuvor auf ein mögliches Fahrverbot hingewiesen hat.

Unterblieb dieser Hinweis (negative Beweiskraft desHauptverhandlungsprotokolls nach § 274 ZPO), ist dasangefochtene Urteil sowohl im Schuld- als auch imRechtsfolgenausspruch aufzuheben.

Thüringer OLG – 1 Ss 270/09 – (ZfS 2010, 294)

Gemeinsamer „Unfallbericht“Unterschreiben beide unfallbeteiligten Parteien einen„Unfallbericht“, so ist von den dortigen Feststellungen so-lange auszugehen, bis der jeweils anderen Partei der Nach-weis der Unrichtigkeit des im „Unfallbericht“ festge-haltenen Unfallhergangs gelingt.

OLG Dresden – 7 U 949/09 – (NZV 2010, 256)

Verletzung der sog. halben VorfahrtBesteht an einer Kreuzung Vorfahrtsberechtigung gegen-über Verkehrsteilnehmern von links, zugleich aber Warte-pflicht gegenüber Verkehrsteilnehmern von rechts (halbeVorfahrt) mit der sich daraus ergebenden Notwendigkeit,mit mäßiger Geschwindigkeit an die Kreuzung heranzu-fahren, so wirkt sich die Verletzung dieser sog. halben Vor-fahrt in einer Mithaftung des Vorfahrtberechtigten zu25% aus. Hat der Vorfahrtberechtigte zusätzlich gegen dasRechtsfahrgebot verstoßen, kommt eine Erhöhung derMithaftungsquote auf 50% in Betracht.

KG – 12 U 212/08 – (ZfS 2010, 198)

Alleinhaftung des FußgängersZumindest bei regem Straßenverkehr muss ein Fußgängerdamit rechnen, dass sich auch im linken Fahrstreifen Fahr-zeuge nähern, die durch im rechten Fahrstreifen heranna-hende Fahrzeuge verdeckt sind. Betritt er dennochunvermittelt die Fahrbahn, handelt er grob fahrlässig mit derFolge, dass die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs, von demer im linken Fahrstreifen angefahren wird, gegenüber demAlleinverschulden des Fußgängers vollständig zurücktritt.

KG – 12 U 143/08 – (NZV 2010, 149)

Kaskoschutz bei DiebstahlWer einem Bekannten seinen Pkw überlässt zu demZweck, ihn in eine Garage zu bringen, wo das Fahrzeugdann angeblich gestohlen wird, hat keinen Leistungsan-spruch in der Fahrzeugversicherung. Dass die Gebrauchs-

überlassung im Interesse des Empfängers erfolgt, wirddurch § 12 Abs. 1 I b AKB nicht vorausgesetzt.

OLG Saarbrücken – 5 U 197/09 – (ZfS 2010, 154)

Missachten eines StoppschildesDas Nichtbeachten eines deutlich erkennbaren Stopp-schildes ist wegen der damit verbundenen Gefahren re-gelmäßig als objektiv grob fahrlässig zu werten. DieNichtbefolgung des unbedingten Haltegebots mit an-schließendem Unfall kann aber nicht stets als grob fahr-lässige Herbeiführung des Versicherungsfalls angesehenwerden. Insoweit gelten vielmehr dieselben Grundsätzewie bei einem Rotlichtverstoß. Aus dem objektiv grobenPflichtverstoß darf nicht automatisch auf die subjektiveUnentschuldbarkeit geschlossen werden. Jedoch lassender äußere Geschehensablauf und das Ausmaß des ob-jektiven Pflichtverstoßes den Schluss auf innere Vorgängeund deren gesteigerte Vorwerfbarkeit zu.

OLG Köln 9 U 63/09 – (NZV 2010, 200)

Garage und HausratversicherungSehen die Versicherungsbedingungen in der Hausratver-sicherung vor, dass auch Garagen in der Nähe des Versi-cherungsortes vom Versicherungsschutz umfasst sind, soist diese Voraussetzung bei einer mehr als einen Kilome-ter vom versicherten Anwesen entfernt liegenden Garagenicht mehr gegeben.

LG Dortmund – 2 O 424/08 – (ZfS 2010, 278)

Arglist beim GebrauchtwagenverkaufEine Arglisthaftung des Gebrauchtwagenverkäufers setztnicht nur Mängel voraus, die bei Kaufabschluss nicht of-fenbart worden sind, sondern verlangt auch den Nachweis,dass der Verkäufer diese Mängel kannte oder zumindestfür möglich hielt. Dies gilt vor allem dann, wenn der Ver-käufer nur kurze Zeit im Besitz des Pkw war.

LG Aschaffenburg – 1 O 163/09 – (ZfS 2010, 203)

Nichtbeachtung der DurchfahrtshöheWer die begrenzte Höhe einer Autobahnunterführungmissachtet und dadurch einen Kraftfahrzeugschaden ver-ursacht, handelt i.d.R. grob fahrlässig. In einem solchenFall kann eine Kürzung der Kaskoentschädigung um einDrittel angemessen sein.

LG Göttingen – 5 O 118/09 – (ZfS 2010, 213)

Wer die begrenzte Höhe der Einfahrt in ein Parkhausmissachtet und so einen Kraftfahrzeugschaden verursacht,handelt i.d.R. grob fahrlässig und muss daher eine hälftigeKürzung der Kaskoentschädigung hinnehmen.

LG Konstanz – 3 O 119/09 – (ZfS 2010, 214)

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Damit hat das höchste deutsche Gericht ein weiteres Malklargestellt, dass der Grundsatz „Keine Strafe ohneSchuld“ (Schuldprinzip) zu dem durch Art. 79 III GG ge-schützten grundrechtlichen Mindeststandard gehört undauch nicht auf dem Altar der europäischen Integration ge-opfert werden darf. Rechtsakte der Europäischen Union,die diese wegen Art. 79 III GG unverfügbare Verfas-sungsidentität des Grundgesetzes missachten, können inDeutschland keine Rechtswirksamkeit entfalten (vgl.Brenner, DAR 2010, 127).

Dies erstreckt sich, nach wohl einhelliger Auffassung, auchauf Sanktionen, die nicht im eigentlichen Strafrecht, son-dern im Ordnungswidrigkeitenrecht ihre Grundlagehaben, das ebenfalls dem Rechtsstaatsprinzip unterliegtund insoweit der Identität des Grundgesetzes gem. Art. 19Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 u. 3 GG zuzuordnen ist.

Auch dies entspricht der in der Vergangenheit wiederholtzum Ausdruck gebrachten Auffassung des Bundesverfas-sungsgerichts, das das in Art. 19 III i.V.m. Art. 2 und 3 GGverankerte Rechtsstaatsprinzip mit einem Grundsatz„Keine Strafe ohne Schuld“ als unantastbaren Grundsatzallen Strafens durchgehend gewahrt wissen will, auch voneinem supranationalen Gesetzgeber. Wie immer die Sank-tionen im Ordnungswidrigkeitenrecht ausgestaltet sind –und sie haben in ihren Folgen keineswegs immer „Baga-tellcharakter“ –: Dass es sich dabei um schuldgebundeneStrafen handelt, die sich nicht wesensmäßig von straf-rechtlichen Sanktionen unterscheiden, wird niemandernsthaft bestreiten wollen (vgl. Albrecht, DAR 2010, 188).Trotz dieser eindeutigen Verfassungslage wird auch weiterhin über mittelbare Formen der Halterhaftung dis-kutiert, sei es durch eine Ausweitung der Kostentragungs-pflicht des Halters gem. § 25a StVG, sei es durch einesanktionsbewehrte Auskunftspflicht des Fahrzeughaltersnach österreichischem Muster (die Brenner a.a.O. eben-falls für verfassungswidrig hält, als „mittelbare Ahndung“eines dem Halter nicht zurechenbaren Fehlverhaltens).Mittelbare Auswirkung auf die Rechtsposition des Halterskönnte auch der geplante Halterdatenaustausch bei imautomatisierten Verfahren festgehaltenen Verkehrsver-stößen haben (Albrecht a.a.O. 2010, 188). Während es sichhierbei aber eher um „Zukunftsmusik“ handelt und nichtsdafür spricht, dass der deutsche Gesetzgeber irgendwanneinmal den Grundsatz der Fahrerverantwortlichkeit inFrage stellen könnte, betrifft die Auswirkung der in ande-ren EU-Staaten praktizierten Halterhaftung auf die grenz-überschreitende Vollstreckung nach dem neuenGeldsanktionsgesetz den deutschen Fahrzeughalter un-mittelbar, könnte sich dadurch doch die Hintertür für eineeuropaweite Halterhaftung öffnen.

Wer den vorliegenden Gesetzentwurf zur Einfügung derEU-Vorschriften im Rahmenbeschluss des Rats vom

24.02.2005 (RBGeld) in das Gesetz über die internatio-nale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), das sog. Geldsank-tionsgesetz, durchblättert, wird Mühe haben, auf Anhiebeine Regelung über die Behandlung von Erkenntnissen zufinden, die den Fahrzeughalter betreffen. Dies ist ein un-befriedigender und misslicher Zustand, da das Problemschließlich bekannt und vielfach diskutiert ist. Die Auto-fahrer, die durch das neue Recht ja erst einmal massiv zurKasse gebeten werden sollen, können, jedenfalls aus deut-scher Sicht, eine unmissverständliche Klarstellung ihrerRechtsposition erwarten.

Die Begründung des Gesetzesentwurfs sieht die Lösungdes Problems in dem neuen § 87 d IRG, der zwar die Voll-streckungsbehörde des ersuchten Staates grundsätzlichzur Bewilligung des ausländischen Vollstreckungsersu-chens verpflichtet, andererseits aber in bestimmten FällenAblehnungen zulässt.

Abs. 2 dieser Bestimmung lautet:

„Die Bewilligung eines zulässigen Ersuchens um Voll-streckung einer Geldsanktion kann zudem abgelehnt wer-den, wenn die betroffene Person in dem ausländischenVerfahren keine Gelegenheit hatte einzuwenden, für die derEntscheidung zugrundeliegende Handlung nicht verant-wortlich zu sein, und sie dies gegenüber der Bewilligungs-behörde geltend macht.“

Welche Gründe es auch immer gegeben haben mag, dassman sich hier für eine bloße „Kann-Bestimmung“ ent-schieden hat – in der Sache scheint schwer ein Fall vor-stellbar, wo das pflichtgemäße Ermessen der Behörde vordem Hintergrund der deutschen Verfassungslage nichtautomatisch auf „null“ reduziert wäre, jedenfalls soweit essich eindeutig um Straferkenntnisse „ohne Schuld“ han-delt. Weshalb dann überhaupt eine bloße Ermessensvor-schrift?

Stattdessen macht die Bestimmung in fragwürdiger Weiseein Absehen von der Bewilligung von zusätzlichen Vor-aussetzungen abhängig. Hatte der Betroffene Gelegenheit,seine Verantwortlichkeit für den Verstoß zu bestreiten, hater dies aber nicht getan oder wurde er gleichwohl alsschuldloser Halter (oder Fahrer) verurteilt, soll ihm derEinwand gegen die beantragte Bewilligung der Vollstre-ckung ebenso abgeschnitten sein, wie wenn eine Geltend-machung gegenüber der Bewilligungsbehörde unterbleibt.Eine recht komplizierte und „auslegungsfähige“ Regelung,die auch weit hinter dem zurückbleibt, was bislang im Voll-streckungshilfeverkehr mit Österreich praktiziert wurde.Dort wurden Strafverfügungen wegen Nichterteilung derLenkerauskunft eben in Deutschland nicht vollstreckt unddamit die deutschen Fahrzeughalter im wünschenswertenUmfang vor einer Nichtbeachtung des deutschen „ordrepublic“ durch einen Mitgliedsstaat geschützt.

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AKTUELL

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BUCHBESPRECHUNGEN

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den Quotelungsmodellen, nachdem bereits erste einschlä-gige Gerichtsentscheidungen veröffentlicht worden sind.

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Berechnung von Personenschäden von Frank Pardey, 4., völlig neu bearbei-tete und erweiterte Auflage 2010, XXI,720 Seiten, gebunden € 79,95. Erschie-nen im C.F. Müller Verlag, Heidelberg.ISBN: 978-3-8114-3524-7

Bereits in der 4. Auflage erscheintein Grundlagenwerk zur Berech-nung von Personenschäden, selbst-

verständlich überarbeitet und aktualisiert. DasThemenfeld ist entsprechend dem Gegenstand breit ge-streut und beinhaltet insbesondere Mobilität, Pflege, be-rufliche Rehabilitation sowie den Hausarbeits- undHaushaltsführungs- schaden. Der Praktiker findet eine

Fülle von Berechnungsvorschlägen, die es ihm ermögli-chen, die Herausforderungen einer konkreten oder pau-schalierenden Berechnung in den Griff zu bekommen. ImÜbrigen basieren die Ausführungen auf der aktuellen Ge-setzgebung, der relevanten Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs sowie der Obergerichte undEingangsgerichte. Vollständigkeit und Aktualität der Aus-führung zur Schadenermittlung sind damit gewährleistet.

Mit der Praxistauglichkeit der Neuauflage hat sich derVerlag besondere Mühe gegeben, die Struktur des Buchesjedoch beibehalten. Der Apparat erfüllt alle Anforderun-gen, die der Praktiker an ein solches Nachschlagewerk be-rechtigterweise stellen darf. Als zusätzlicher Servicekommt hinzu, dass dem Nutzer im Internet die Texte desBuches mit Suchfunktionen zur Verfügung stehen, ergänztdurch Tabellen mit Berechnungsvorlagen, Mustertexte, diein die eigene Textverarbeitung übernommen werden kön-nen sowie eine Gesetzessammlung.

Niemand sollte auf ein so vorzügliches Werk in so vorzüg-licher Präsentation verzichten, zumal im Bereich der Per-sonenschäden, die der juristischen Kompetenz desbearbeitenden Rechtsanwalts oft alles abverlangen.

Gleichwohl muss sich die Rechtsdogmatik weiterhin mitdiesem seltsamen Konstrukt eines Einstehenmüssens fürfremdes Fehlverhalten beschäftigen, weil über andere EU-Staaten oder eine „deutsche Lösung“ die Gefahr droht,dass deutsche Fahrzeughalter eines Tages vielleicht dochschuldlos zur Kasse gebeten werden.

Die gegenwärtige Diskussion erfolgt vor allem unter zweiAspekten:

1. Lässt das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsge-richts vom 30.06.2009 (NJW 2009, 2067) überhaupt einevon der EU kraft der ihr zugewachsenen Kompetenzeneingeführte europaweite Halterhaftung mit Wirkung

auch für deutsche Fahrzeughalter zu oder könnte bzw.müsste sich die deutsche Regierung einem solchen„Übergriff“ in den rechtsstaatlichen Kernbereich desGrundgesetzes verweigern?

2. Ist durch das voraussichtlich zum 01.10.2010 in Kraft tre-tende Geldsanktionsgesetz mit seinen Regeln zur grenz-überschreitenden Vollstreckung von Geldstrafen undGeldbußen wirklich sichergestellt, dass ausländische Be-scheide, die Bestimmungen über die Halterhaftung imweitesten Sinne zur Grundlage haben, in Deutschlandnicht vollstreckt werden dürfen bzw. können?

Auf das Lissabon-Urteil muss nochmals besonders hinge-wiesen werden, weil Gegnern einer Halterhaftung gerneübertriebener Dogmatismus und Festhalten an (überhol-ten?) Rechtsgrundsätzen zum Vorwurf gemacht wird, nachdem Motto, andere europäische Staaten hätten schließlichderartige „Skrupel“ nicht. Solcher augenscheinlichenGleichgültigkeit gegenüber unserer gewachsenen Rechts-kultur lässt sich mit dem Bundesverfassungsgericht Fol-gendes entgegenhalten:

„Die Zuständigkeiten der Europäischen Union im Bereichder Strafrechtspflege müssen zudem in einer Weise ausge-legt werden, die den Anforderungen des Schuldprinzips ge-nügt. Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz.Dieser setzt die Eigenverantwortung des Menschen voraus,der sein Handeln selbst bestimmt und sich kraft seiner Wil-lensfreiheit zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann.Dem Schutz der Menschenwürde liegt die Vorstellung vomMenschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, dasdarauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen undzu entfalten. Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege bestimmtArt. 1 I GG die Auffassung vom Wesen der Strafe und dasVerhältnis von Schuld und Sühne. Der Grundsatz, dass jedeStrafe Schuld voraussetzt, hat seine Grundlage damit in derMenschenwürdegarantie des Art. 1 I GG. Das Schuldprin-zip gehört zu der wegen Art. 79 III GG unverfügbarenVerfassungsidentität, die auch vor Eingriffen durch diesupranational ausgeübte öffentliche Gewalt ge-schützt ist.“

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ACE AUTO CLUB EUROPA

AUSGABE 2/2010

DER VERKEHRSJURISTRechtszeitschrift des ACE in Zusammenarbeit mit Straßenverkehrsrecht (SVR)

INHALTZu aktuellen ThemenHalterhaftung und EU-Vollstreckung ................................................................... 1

RechtsprechungFluggastrechte .................................................................................................. 4Reparaturerfordernis bei 130 %-Grenze ............................................................ 5Unfallersatztarif ................................................................................................ 7Schätzgrundlage bei Mietwagenkosten ............................................................... 10Anzeigepflicht gegenüber Kasko-Versicherer ..................................................... 13Unerwartete Erkrankung .................................................................................. 15Verwertungsverbot für VZR-Voreintragungen .................................................... 17Radarmessgerät „Multanova VR 6F“ ................................................................ 19

Verkehrsrecht in KürzeNutzungswertersatz bei Verbrauchsgüterkauf ................................................... 21Hinweis auf Zwischenhändler ........................................................................... 21Sorgfaltspflicht des Einparkers .......................................................................... 21Lasermessung .................................................................................................. 21Kreisverkehr ..................................................................................................... 21Hinweispflicht auf Fahrverbot ........................................................................... 22Gemeinsamer „Unfallbericht“ .......................................................................... 22Verletzung der sog. halben Vorfahrt .................................................................. 22Alleinhaftung des Fußgängers .......................................................................... 22Kaskoschutz bei Diebstahl ................................................................................ 22Missachten eines Stoppschildes ........................................................................ 22Garage und Hausratversicherung ...................................................................... 22Arglist beim Gebrauchtwagenverkauf ............................................................... 22Nichtbeachtung der Durchfahrtshöhe ............................................................... 22

BuchbesprechungenStraßenverkehrsrecht ........................................................................................ 23Die Fahrerlaubnis in der anwaltlichen Beratung ................................................ 23Versicherungsrecht im Straßenverkehr .............................................................. 23Berechnung von Personenschäden ................................................................... 24

Postvertriebsstück E 6475 Entgelt bezahlt

Der Verkehrsjurist des ACE erscheint viermal imJahr und berichtet über die verkehrsrechtliche Ent-wicklung und aktuelle Recht sprechung. Der Bezugpreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.Herausgeber: ACE Auto Club Europa e. V., Vorsit-zender: Wolfgang RoseVerlag:ACE-Verlag GmbH, Geschäftsführer: Erwin BraunRedaktion: Rechtsanwalt Volker Lempp (verantwortlich für den Inhalt)Gestaltung: ACE-WerbungAnschrift: Schmidener Straße 227, 70374 Stuttgart, Tel. 0711 5303-185 Internet: www.ace-online.de, E-Mail: [email protected] Nachdrucke mit Quellenangaben sind mit unsererZustimmung gerne gestattet.

IMPRESSUM

BUCHBESPRECHUNGEN

Halterhaftung und EU-VollstreckungDie Halterhaftung im fließenden Verkehr, von manchen zum Allheilmittel gegen den Raser- und Drängler-Virus hochstilisiert, hat in Deutschland auch nach dem Verkehrsgerichtstag in Goslar wenig Chancen aufeine Realisierung, jedenfalls, soweit man dabei die verschuldensunabhängige bußgeld rechtliche Verant-wortlichkeit des Fahrzeughalters für die mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstöße im Blick hat.

Gute Fahrt. Wir sind dabei.