Bundesrat Drucksache 451/20 06.08 - umwelt-online

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Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0720-2946 Bundesrat Drucksache 451/20 06.08.20 EU - Fz - K - U - Vk - Wi - Wo Unterrichtung durch die Europäische Kommission Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Förderung einer klimaneutralen Wirtschaft - Eine EU-Strategie zur Integration des Energiesystems COM(2020) 299 final

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ISSN 0720-2946

Bundesrat Drucksache 451/2006.08.20

EU - Fz - K - U - Vk - Wi - Wo

Unterrichtung durch die Europäische Kommission

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen

Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen:

Förderung einer klimaneutralen Wirtschaft - Eine EU-Strategie zur Integration des Energiesystems

COM(2020) 299 final

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Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: Drucksache 289/18 = AE-Nr. 180634; Drucksache 655/19 = AE-Nr. 190960 und Drucksache 295/20 = AE-Nr. 200390

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EUROPÄISCHEKOMMISSION

Brüssel, den 8.7.2020 COM(2020) 299 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND

DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Förderung einer klimaneutralen Wirtschaft: Eine EU-Strategie zur Integration des Energiesystems

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1. EIN INTEGRIERTES ENERGIESYSTEM FÜR EIN KLIMANEUTRALES EUROPA

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Mit dem europäischen Grünen Deal1 wird die EU auf den Weg zur Klimaneutralität bis 2050 gebracht, und zwar indem alle Wirtschaftszweige umfassend dekarbonisiert und die Treibhausgasemissionen bis 2030 noch weiter gesenkt werden.

Das Energiesystem spielt bei der Verwirklichung dieser Ziele eine entscheidende Rolle. Der Kostenrückgang bei den Technologien für erneuerbare Energien in jüngster Zeit, die Digitalisierung unserer Wirtschaft sowie neue Technologien für Batterien, Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge oder Wasserstoff bieten die Gelegenheit zu einer noch rascheren, tief greifenden Umgestaltung unseres Energiesystems und seiner Struktur in den nächsten zwei Jahrzehnten. Die Zukunft Europas im Energiebereich hängt von einem stetig wachsenden Anteil dezentraler erneuerbarer Energien und der flexiblen Integration verschiedener Energieträger ab, wobei gleichzeitig Ressourcen geschont sowie Umweltverschmutzung und der Verlust an biologischer Vielfalt verhindert werden müssen.

Das heutige Energiesystem basiert noch immer auf mehreren vertikalen, parallel verlaufenden Energie-Wertschöpfungsketten, die bestimmte Energieressourcen und bestimmte Endverbrauchssektoren starr miteinander verbinden. So nehmen beispielsweise Erdölerzeugnisse im Verkehrssektor und als Ausgangsstoffe für die Industrie eine herausragende Stellung ein. Kohle und Erdgas werden überwiegend für die Erzeugung von Strom und Wärme verwendet. Strom- und Gasnetze werden unabhängig voneinander geplant und verwaltet. Auch die Marktregeln sind weitgehend auf die jeweiligen Sektoren zugeschnitten. Dieses Modell getrennter Silos ist für die Verwirklichung einer klimaneutralen Wirtschaft ungeeignet. Es ist technisch und wirtschaftlich ineffizient und führt zu erheblichen Verlusten in Form von Abwärme und niedriger Energieeffizienz.

Die Integration des Energiesystems, d. h. die koordinierte Planung und der Betrieb des Gesamtsystems unter Einbeziehung verschiedener Energieträger, Infrastrukturen und Verbrauchssektoren, ist der Weg zu einer wirksamen, bezahlbaren und umfassenden Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.

Sinkende Kosten bei den Technologien für erneuerbare Energien, Entwicklungen am Markt, rasche Innovationen bei Speichersystemen und Elektrofahrzeugen sowie die Digitalisierung sind allesamt Faktoren, die automatisch eine stärkere Integration des Energiesystems in Europa zur Folge haben. Gleichwohl gilt es, noch einen Schritt weiter zu gehen und die fehlenden Bindeglieder im Energiesystem zu schaffen, um höhere Dekarbonisierungsziele bis 2030 und die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, und zwar auf eine Weise, die kosteneffizient ist und mit dem im europäischen Grünen Deal verankerten grünen Gebot „Verursache keine Schäden“ im Einklang steht. Indem auf dem Weg zur Systemintegration verstärkt saubere und innovative Verfahren und Instrumente zum Einsatz kommen, werden neue Investitionen mobilisiert, Beschäftigung und Wachstum gefördert und die führende Rolle der EU-Industrie auf globaler Ebene gefestigt. Dies kann auch zur wirtschaftlichen Erholung nach Überwindung der COVID-19-Krise beitragen. Im Aufbauplan der Kommission2 vom 27. Mai 2020 wird hervorgehoben, dass als Teil der Maßnahmen zur

1COM(2019) 640 final.

2Die Stunde Europas – Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen (COM(2020) 456).

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Mobilisierung von Investitionen in umweltfreundliche Schlüsseltechnologien und Wertschöpfungsketten das Energiesystem stärker integriert und die Wirtschaft insgesamt widerstandsfähiger werden muss. Als Richtschnur für Investitionen in diese Maßnahmen wird auch die EU-Taxonomie für ein nachhaltiges Finanzwesen dienen, damit gewährleistet ist, dass sie unseren langfristigen Zielsetzungen dienen3. Ein integriertes Energiesystem wird die Kosten des Übergangs zur Klimaneutralität für die Verbraucher minimieren und ihnen neue Möglichkeiten eröffnen, ihre Energiekosten zu senken und aktiv am Markt teilzunehmen.

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Das 2018 verabschiedete Paket „Saubere Energie“4 bildet die Grundlage für eine bessere Integration von Infrastruktur, Energieträgern und Sektoren. Dennoch bestehen weiterhin rechtliche und praktische Hindernisse, und ohne entschlossenes politisches Handeln wird sich das Energiesystem von 2030 nur wenig von dem des Jahres 2020 unterscheiden und kaum Perspektiven bieten auf das, was zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 erforderlich ist.

In der vorliegenden Strategie wird eine Vision entwickelt‚ wie der Übergang zu einem stärker integrierten Energiesystem beschleunigt werden kann – einem System, das eine klimaneutrale Wirtschaft zu den geringstmöglichen Kosten für alle Sektoren unterstützt und gleichzeitig die Energieversorgungssicherheit stärkt, die Gesundheit und die Umwelt schützt sowie Wachstum und Innovation fördert und die industrielle Führungsrolle weltweit festigt.

Um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen, muss jetzt entschlossen gehandelt werden. Investitionen in Energieinfrastrukturen haben in der Regel eine wirtschaftliche Lebensdauer von 20 bis 60 Jahren. Die Schritte der kommenden fünf bis zehn Jahre werden für den Aufbau eines Energiesystems, das Europa bis 2050 in die Klimaneutralität führt, entscheidend sein.

In dieser Strategie werden deshalb konkrete politische und legislative Maßnahmen auf EU-Ebene vorgeschlagen‚ um schrittweise ein neues integriertes Energiesystem zu gestalten und dabei den unterschiedlichen Ausgangspositionen der Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen. Sie trägt zu den Arbeiten der Kommission an einem umfassenden Plan für eine verantwortungsvolle Anhebung des EU-Klimaziels bei, das beinhalten soll, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 50 % bzw. bis zu 55 % zu verringern. Ferner werden Vorschläge für Folgemaßnahmen vorgestellt, die als Teil der im europäischen Grünen Deal angekündigten Überarbeitung von Rechtsvorschriften, die bis Juni 2021 stattfinden soll, erarbeitet werden.

Ergänzt wird die Strategie durch die parallele Mitteilung über eine „EU-Wasserstoffstrategie für ein klimaneutrales Europa“5, in der die Möglichkeiten und notwendigen Maßnahmen für den verstärkten Einsatz von Wasserstoff in einem integrierten Energiesystem genauer dargelegt werden.

3Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die

Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088. 4

https://ec.europa.eu/energy/topics/energy-strategy/clean-energy-all-europeans_en5

COM(2020) 301 final.

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2. INTEGRATION DES ENERGIESYSTEMS UND VORTEILE IM HINBLICK AUF EINE

KOSTENEFFIZIENTE DEKARBONISIERUNG

2.1. Wofür steht Integration des Energiesystems?

Mit Integration des Energiesystems ist die Planung und der Betrieb des Gesamtsystems unter Einbeziehung verschiedener Energieträger, Infrastrukturen und Verbrauchssektoren und deren stärkere Verknüpfung untereinander gemeint mit dem Ziel, CO2-arme, zuverlässige und ressourceneffiziente Energiedienstleistungen zu den geringstmöglichen Kosten für die Gesellschaft zu erbringen. Diese Integration umfasst drei einander ergänzende und sich gegenseitig verstärkende Konzepte.

Erstens ein stärker „kreislauforientiertes“ Energiesystem, dessen zentrales Element die Energieeffizienz ist und in dem die Lösungen mit der geringsten Energieintensität Vorrang haben, unvermeidbare Abfallströme zu Energiezwecken wiederverwendet und Synergien sektorübergreifend genutzt werden. Dies geschieht bereits in kombinierten Kraft-/Wärmeanlagen oder durch die Nutzung bestimmter Abfälle und Reststoffe. Allerdings besteht hier noch ungenutztes Potenzial, etwa durch Wiederverwendung von Abwärme aus industriellen Verfahren, aus Rechenzentren oder durch Energiegewinnung aus Bioabfall oder Kläranlagen.

Zweitens eine stärkere direkte Elektrifizierung der Endverbrauchssektoren. Infolge des raschen Anstiegs der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu wettbewerbsfähigen Kosten ist es möglich, einen wachsenden Anteil der Energienachfrage zu decken, etwa durch den Einsatz von Wärmepumpen für Raumheizung oder industrielle Niedertemperaturverfahren, von Elektrofahrzeugen im Verkehr oder Elektroöfen in bestimmten Industriezweigen.

Drittens die Verwendung erneuerbarer und CO2-armer Brennstoffe (auch Wasserstoff) für den Endverbrauch‚ wenn Direktheizung oder Elektrifizierung nicht möglich oder ineffizient ist oder höhere Kosten verursacht. Regenerative Gase und Flüssigkeiten, produziert aus Biomasse oder erneuerbarem, CO2-arm gewonnenem Wasserstoff, können Lösungen bieten, mit denen die aus variablen erneuerbaren Quellen erzeugte Energie – unter Nutzung von Synergien zwischen dem Elektrizitäts-, dem Gas- und dem Endverbrauchssektor – gespeichert werden kann. Beispiele hierfür sind die Verwendung von erneuerbarem Wasserstoff in industriellen Verfahren und im Straßenschwerlast- und im Schienenverkehr‚ von synthetischen, aus erneuerbarer Energie gewonnenen Kraftstoffen im Luft- und Seeverkehr oder von Biomasse in den Sektoren, wo sie den größten Mehrwert erbringt.

Ein stärker integriertes System, in dem die Verbraucher eine aktive Rolle bei der Energieversorgung spielen, wird auch „multidirektional“ ausgerichtet sein: „vertikal“, indem dezentrale Erzeugungseinheiten und Kunden aktiv zu einer ausgewogenen Gesamtbilanz und Flexibilität des Systems beitragen – z. B. Biomethan aus organischen Abfällen, das in Gasnetze lokal eingespeist wird, oder die Netzintegration von Fahrzeugen („vehicle-to-grid“); „horizontal“ durch zunehmenden Energieaustausch zwischen verbrauchenden Sektoren, z. B. Energiekunden, die Wärme in intelligenten Fernwärme-und -kältesystemen austauschen oder Strom einspeisen, den sie einzeln oder als Energiegemeinschaften erzeugen.

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2.2. Welche Vorteile bringt die Integration des Energiesystems?

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Die Integration des Energiesystems trägt zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in Sektoren bei, in denen die Dekarbonisierung am schwierigsten ist‚ etwa durch die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen in Gebäuden und im Straßenverkehr oder von erneuerbaren CO2-armen Kraftstoffen in der Schifffahrt, im Luftverkehr oder in bestimmten industriellen Verfahren.

Durch die Integration ließen sich auch Energiequellen effizienter nutzen, wodurch der Energiebedarf und die damit verbundenen Klima- und Umweltauswirkungen verringert würden. In bestimmten Bereichen des Endverbrauchs werden voraussichtlich neue Brennstoffe benötigt, deren Erzeugung sehr energieintensiv ist, z. B. Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe. Zugleich kann aber dank der Effizienz elektrischer Endverbrauchstechnologien der Primärenergiebedarf um ein Drittel gesenkt werden6, wenn wir große Teile unseres Verbrauchs elektrifizieren. Auch gehen 29 % des industriellen Energiebedarfs als Abwärme verloren, die verringert oder wiederverwendet werden kann. Kleine und mittlere Unternehmen können Synergien schaffen, indem sie energieeffizienter werden und verstärkt erneuerbare Ressourcen und Abwärme nutzen. Insgesamt soll durch den Übergang zu einem stärker integrierten Energiesystem der Bruttoinlandsverbrauch bis 2050 um ein Drittel gesenkt7 und zugleich ein Anstieg des BIP um zwei Drittel8 unterstützt werden.

Neben Energieeinsparungen und weniger Treibhausgasemissionen würde sich auch die Luftqualität verbessern und der „Energie/Wasser-Fußabdruck“9 verringern, was für die Anpassung an den Klimawandel, den Schutz der Gesundheit und die Erhaltung der natürlichen Ressourcen unverzichtbar ist.

Die Integration des Energiesystems wird auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stärken‚ indem nachhaltigere und effizientere Technologien und Lösungen in allen industriellen Ökosystemen mit Bezug zur Energiewende sowie ihre Standardisierung und Markteinführung gefördert werden. Spezialisierte Unternehmen werden Dienstleistungen im lokalen Umfeld erbringen und mehr wirtschaftliche Vorteile auf regionaler Ebene generieren. Dies bietet der Union die Chance, zum einen ihre führende Stellung bei sauberen Technologien wie intelligenten Netztechnologien und Fernwärmesystemen zu behaupten und zu stärken, und zum anderen auch bei neuen, effizienteren und komplexeren Technologien und Prozessen, die eine immer wichtigere Rolle in den Energiesystemen weltweit spielen dürften – z. B. Batterien oder Wasserstofftechnologien – eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Die Gebiete, Regionen und Mitgliedstaaten, die dieser Wandel vor die größten Herausforderungen stellt, werden durch den Mechanismus für einen gerechten Übergang und den zugehörigen Fonds für einen gerechten Übergang unterstützt.

6Elektrofahrzeuge haben beispielsweise einen Wirkungsgrad von etwa 60 %, gegenüber 20 % bei Verbrennungsmotoren (bezogen auf die reine Fahrzeugnutzung – „Tank to Wheel“), und Wärmepumpen benötigen für die Wärmeerzeugung dreimal weniger Energie als Heizkessel.

7Vgl. COM(2018) 773 final: Ein sauberer Planet für alle. Eine Europäische strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft. Eingehende Analyse als Begleitunterlage zur Mitteilung der Kommission (LTS), Abb. 18: -21 % für das Szenario 1.5TECH und -32 % für das Szenario 1.5LIFE.

8Siehe LTS, Abb. 92: Demnach würde das BIP im Jahr 2050 zwischen 166 % und 174 % des BIP von 2015 bzw. zwischen 154 % und 161 % des BIP von 2020 betragen.

92015 wurden für die Energieerzeugung in der EU 198 km³ Wasser verbraucht (1068 Liter pro Person und Tag) bzw. 242 km³ (1301 Liter/Person/Tag) unter Einbeziehung der Energieimporte. Quelle: JRC, Water – Energy Nexus in Europe, 2019.

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Darüber hinaus wird eine bessere Integration zusätzliche Flexibilität schaffen im Hinblick auf die Verwaltung des Energiesystems insgesamt und somit dabei helfen, größere Anteile an variablen erneuerbaren Energien zu integrieren. Zudem werden auch Speichertechnologien einen Schub erhalten: Pumpspeicher, Netzbatterien und Elektrolyseure bedeuten Flexibilität für den Elektrizitätssektor. Hausbatterien und Elektrofahrzeuge „hinter dem Zähler“ in Gebäuden bieten Möglichkeiten für ein besseres Management der Verteilernetze. Bis 2050 könnten Elektrofahrzeuge bis zu 20 % des täglichen Flexibilitätsbedarfs decken10‚ während im Industriesektor die Wärmespeicherung auf Betriebsebene eine Lösung sein kann. Durch eine engere Verzahnung zwischen Elektrizitäts- und Wärmesektor könnten bereits heute Echtzeit-Strompreise für Elektroheizungen verwendet und auf diese Weise Lasten intelligent gesteuert werden. Hybrid-Wärmepumpen11 und intelligente Fernwärme bieten darüber hinaus Möglichkeiten für eine Arbitrage zwischen Strom- und Gasmarkt. Außerdem bieten Elektrolyseure die Möglichkeit, Strom aus erneuerbaren Quellen in erneuerbaren Wasserstoff umzuwandeln, wodurch langfristige Speicher- und Pufferkapazitäten entstehen und die Strom- und Gasmärkte weiter integriert werden können.

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Schließlich kann die Systemintegration – durch Vernetzung der verschiedenen Energieträger, standortnahe Produktion, Eigenerzeugung und intelligente dezentrale Energieversorgung – auch dazu beitragen, die Stellung der Verbraucher weiter zu stärken und die Resilienz und Versorgungssicherheit zu verbessern. Einige der Technologien, die in einem integrierten Energiesystem benötigt werden, erfordern große Mengen an Rohstoffen, auch solchen, die in der EU als kritisch eingestuft sind. Werden jedoch die Einfuhren von Erdgas und Erdölerzeugnissen ersetzt durch Strom, Gas und Flüssigkeiten aus lokalen erneuerbaren Quellen und werden Kreislaufmodelle in stärkerem Maße umgesetzt, so hat dies zuallererst sinkende Importkosten und eine geringere Abhängigkeit von externen fossilen Energieträgern zur Folge, wodurch die europäische Wirtschaft krisenfester wird.

3. PRAKTISCHE UMSETZUNG: AKTIONSPLAN ZUR BESCHLEUNIGTEN UMSTELLUNG AUF

SAUBERE ENERGIE DURCH INTEGRATION DES ENERGIESYSTEMS

Diese Strategie umfasst sechs Säulen mit koordinierten Maßnahmen, um bestehende Hindernisse für die Integration des Energiesystems zu beseitigen.

3.1. Ein kreislauforientiertes Energiesystem nach dem Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“

Zentrales Element der Systemintegration ist die Anwendung des Grundsatzes „Energieeffizienz an erster Stelle“ in sämtlichen Politikbereichen. Energieeffizienz senkt den Gesamtinvestitionsbedarf und die Kosten im Zusammenhang mit der Erzeugung und Nutzung von Energie und der zugehörigen Infrastruktur. Außerdem werden der damit verbundene Flächen- und Materialverbrauch sowie Beeinträchtigungen der Umwelt und der Verlust an biologischer Vielfalt gemindert. Gleichzeitig kann die Systemintegration dazu beitragen, die Energieeffizienz in der EU durch eine kreislauforientierte Nutzung der verfügbaren Ressourcen und die Umstellung auf effizientere Energietechnologien zu steigern. Beispielsweise haben Elektrofahrzeuge im Vergleich zu Verbrennungsmotoren einen wesentlich höheren Wirkungsgrad, und durch den Austausch eines mit fossilen Brennstoffen

10 In der METIS-2-S6-Studie stützt sich das Basisszenario (186 TWh von 951 TWh des gesamten täglichen Flexibilitätsbedarfs) auf Elektrofahrzeuge. Studie noch nicht veröffentlicht.

11 Kombination eines Heizkessels mit einer Wärmepumpe.

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betriebenen Heizkessels durch eine Wärmepumpe, die mit erneuerbarem Strom funktioniert, werden zwei Drittel an Primärenergie eingespart12.

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Die erste Herausforderung besteht darin, den Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ im gesamten Energiesystem einheitlich anzuwenden. Dazu gehört die Bevorzugung nachfrageseitiger Lösungen, wenn sich damit strategische Ziele kostengünstiger erreichen lassen als mit Investitionen in die Energieversorgungsinfrastruktur, aber auch, die Energieeffizienz in die Prognosen zur Angemessenheit der Stromerzeugung mit einzubeziehen. Die Energieeffizienzrichtlinie13 und die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden14 sehen bereits Anreize für die Kunden vor, wenn auch nicht in ausreichendem Maße, um die gesamte Lieferkette abzudecken. Weitere Maßnahmen sind erforderlich, um sicherzustellen, dass bei Kundenentscheidungen in Bezug auf Energieeinsparungen, die gemeinsame Nutzung von Energie oder den Wechsel des Energieträgers die Energiebilanz und der Fußabdruck der verschiedenen Energieträger über den gesamten Lebenszyklus angemessen berücksichtigt werden. Eine Rolle spielen dabei Aspekte wie die Gewinnung, Erzeugung und Wiederverwendung bzw. das Recycling von Rohstoffen, die Konversion, Umwandlung, Beförderung und Speicherung von Energie sowie der wachsende Anteil erneuerbarer Energieträger an der Stromversorgung. In bestimmten Industriezweigen, in denen die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf Strom einen höheren Verbrauch zur Folge hat, muss sorgfältig abgewogen werden.

Der Primärenergiefaktor (PEF)15 ist in dieser Hinsicht ein wichtiges Instrument, das es ermöglicht, das Einsparungspotenzial verschiedener Energieträger besser miteinander zu vergleichen. Die meisten regenerativen Energien sind zu 100 % effizient und haben einen niedrigen PEF. Der PEF sollte die tatsächlichen Einsparungen widerspiegeln, die durch Strom und Wärme aus erneuerbaren Quellen erzielt werden. Die Kommission wird den Wert des PEF überprüfen und feststellen, ob durch die geltenden EU-Rechtsvorschriften gewährleistet ist, dass die Mitgliedstaaten den PEF ordnungsgemäß anwenden.

Die anstehende Initiative „Renovierungswelle“, die im europäischen Grünen Deal angekündigt wurde, wird ebenfalls konkrete Vorschläge enthalten, um EU-weit die Umsetzung von Maßnahmen auf dem Gebiet der Energie- und Ressourceneffizienz sowie die Nutzung erneuerbarer Energien in Gebäuden in den nächsten Jahren zu beschleunigen.

Die zweite Herausforderung ergibt sich daraus, dass lokale Energiequellen in unseren Gebäuden und Gemeinschaften unzureichend oder nicht wirksam genutzt werden. Unter Zugrundelegung des Kreislaufprinzips entsprechend dem neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft16 stellt die Wiederverwendung von Abwärme aus Industrieanlagen, Rechenzentren und anderen Quellen ein erhebliches, doch weitgehend ungenutztes Potenzial dar. Die Wiederverwendung von Energie lässt sich vor Ort (z. B. durch Rückführung von

12Kavvadias, K., Jimenez Navarro, J. und Thomassen, G., Decarbonising the EU heating sector: Integration of the power and heating sector, 2019.

13Richtlinie (EU) 2018/2002.

14Richtlinie (EU) 2018/844.

15Der Primärenergiefaktor bezeichnet die Menge an Primärenergie, die zur Erzeugung von einer Einheit Endenergie (elektrisch oder thermisch) verwendet wird. Dies ermöglicht einen Vergleich des Primärenergieverbrauchs von Produkten, die dieselbe Funktionalität aufweisen und verschiedene Energieträger nutzen. Gemäß Anhang IV der Energieeffizienzrichtlinie muss der Faktor regelmäßig überprüft werden.

16COM(2020) 98 final.

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Prozesswärme in den Produktionsanlagen) oder über ein Fernwärme- und Fernkältenetz realisieren. Die Energieeffizienzrichtlinie und die Richtlinie über erneuerbare Energien enthalten bereits Bestimmungen, die auf dieses Potenzial abzielen, doch muss der Rechtsrahmen weiter gestärkt werden, um Hindernisse für eine breitere Anwendung dieser Lösungen zu beseitigen. Dazu zählen u. a. mangelndes Bewusstsein und Unkenntnis über diese Lösungen, mangelnde Bereitschaft der Unternehmen, neue Geschäfte außerhalb ihrer Kerntätigkeit aufzunehmen, fehlende rechtliche und vertragliche Rahmenbedingungen, um Kosten und Nutzen von neuen Investitionen zu teilen, sowie Hemmnisse im Zusammenhang mit der Planung, den Transaktionskosten und Preissignalen. In der Digitalstrategie17 wurde speziell für Rechenzentren das Ziel gesetzt, sie bis spätestens 2030 klimaneutral und in hohem Maße energieeffizient zu machen, wozu die stärkere Wiederverwendung ihrer Abwärme wesentlich beitragen wird.

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Die dritte Herausforderung besteht darin, das ungenutzte Potenzial von Abwasser18 sowie von biologischen Abfällen und Reststoffen für die Erzeugung von Bioenergie einschließlich Biogas zu nutzen. Um den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu verringern, kann Biogas entweder vor Ort genutzt oder zu Biomethan verarbeitet werden, sodass es in das Erdgasnetz eingespeist oder im Verkehr verwendet werden kann. Auch sind bestimmte landwirtschaftliche Infrastrukturen für eine integrierte Erzeugung von Solarstrom und -wärme geeignet und bieten somit ein Potenzial für den Eigenverbrauch von erneuerbaren Energien und deren Einspeisung in das Netz. Durch die Umsetzung des neuen Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft und neuer abfallrechtlicher Bestimmungen sowie mit nachhaltigen Bewirtschaftungssystemen für die Land- und Forstwirtschaft ließe sich die nachhaltige Erzeugung von Bioenergie aus Abwasser, Abfällen und Reststoffen steigern19. Um die mit der Integration des Energiesystems verbundenen Möglichkeiten voll auszuschöpfen, sind weitere Anstrengungen notwendig, wobei es auch gilt, Synergien zu nutzen und Zielkonflikte zu vermeiden. Im Bereich der Landwirtschaft könnten im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik Anreize geschaffen werden, damit Landwirte in größerem Umfang nachhaltige Biomasse für die Energiegewinnung bereitstellen. Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften können eine solide Basis für den ortsnahen Verbrauch von solcher Energie bieten.

Schlüsselmaßnahmen

Den Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ besser anwenden:

• Ausarbeitung von Leitlinien (bis 2021) für die Mitgliedstaaten, wie der Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ bei der Umsetzung von EU- und nationalen Rechtsvorschriften im gesamten Energiesystem anzuwenden ist

• Weitere Förderung des Grundsatzes „Energieeffizienz an erster Stelle“ bei allen einschlägigen anstehenden Verfahren (etwa bei der Abschätzung der Angemessenheit der

17C(2018) 7118 final.

18Auf Kläranlagen entfallen fast 1 % des Stromverbrauchs in Europa. Durch effizientere Technologien lässt sich dieser Verbrauch senken, und Energie lässt sich in solchen Anlagen leichter zurückgewinnen.

19Das Gesamtpotenzial zur Steigerung der Biogasproduktion aus Abfällen und Reststoffen ist nach wie vor hoch. Bei voller Ausschöpfung könnten mit Biogas und Biomethan bis 2030 zwischen 2,7 % und 3,7 % des Energieverbrauchs in der EU gedeckt werden. Siehe CE Delft, Eclareon, Wageningen Research, „Optimal use of biogas from waste streams. An assessment of the potential of biogas from digestion in the EU beyond 2020“, 2017.

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europäischen Ressourcen) und der Überarbeitung von Rechtsvorschriften (z. B. der TEN-E-Verordnung20)

• Überprüfung des Primärenergiefaktors im Rahmen der Überarbeitung der Energieeffizienzrichtlinie (Juni 2021), um durch Nutzung von Strom und Wärme aus erneuerbaren Quellen erzielte Effizienzsteigerungen umfassend zu berücksichtigen

Aufbau eines kreislauforientierten Energiesystems:

• Erleichterungen im Hinblick auf die Wiederverwendung von Abwärme aus Industrieanlagen und Rechenzentren, indem im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie über erneuerbare Energien und der Energieeffizienzrichtlinie (Juni 2021) die Anforderungen in Bezug auf Fernwärmeanschlüsse, Dokumentation der Energieeffizienz und vertragliche Rahmenbedingungen verschärft werden

• Schaffung von Anreizen im Rahmen der neuen gemeinsamen Agrarpolitik, der Strukturfonds und des neuen LIFE-Programms (ab 2021), um verstärkt biologische Abfälle und Reststoffe aus Land- und Forstwirtschaft und der Lebensmittelindustrie nutzbar zu machen und die Schaffung von Kapazitäten für kreislauforientierte Energiegemeinschaften im ländlichen Raum zu fördern

3.2. Schnellere Elektrifizierung des Energiebedarfs durch ein überwiegend auf erneuerbare Energieträger ausgerichtetes Energiesystem

Auf dem Weg zur Klimaneutralität dürfte die Stromnachfrage erheblich zunehmen. Prognosen zufolge wird der Stromanteil am Endenergieverbrauch von heute 23 % auf rund 30 % im Jahr 2030 und auf 50 % im Jahr 2050 ansteigen21. Zum Vergleich: In den vergangenen 30 Jahren erhöhte sich dieser Anteil nur um lediglich 5 Prozentpunkte.

Dieser steigende Strombedarf muss zu großen Teilen aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Bis 2030 dürfte der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix sich auf 55-60 % verdoppeln und bis 2050 laut Prognose bei ca. 84 % liegen. Der restliche Bedarf soll aus anderen CO2-armen Quellen gedeckt werden22.

Technologien zur Stromerzeugung aus regenerativen Quellen sind in den letzten Jahrzehnten erheblich kostengünstiger geworden. Dieser Trend dürfte sich weiter fortsetzen, sodass die Marktkräfte zunehmend Investitionen mobilisieren werden. Wegen des enormen Investitionsbedarfs müssen aber dringend technologieübergreifend die Hindernisse beseitigt werden, die der massiven Verbreitung von erneuerbarem Strom noch im Wege stehen. Dazu gehören schlecht entwickelte Lieferketten, der Bedarf an mehr und intelligenterer Netzinfrastruktur (national und länderübergreifend), mangelnde öffentliche Akzeptanz, Verwaltungshemmnisse und langwierige Genehmigungsverfahren (auch für das Repowering), Finanzierungsfragen, der Bedarf an langfristigen (öffentlichen oder privaten) Absicherungsmöglichkeiten (Hedging) sowie hohe Kosten bei einigen weniger ausgereiften Technologien.

Der höhere Strombedarf kann – neben anderen relevanten Onshore-Technologien wie Solar-oder Windenergie – zum Teil auch durch die Offshore-Erzeugung von erneuerbaren Energien

20Verordnung (EU) Nr. 347/2013 über die transeuropäische Energieinfrastruktur.

21LTS, Abb. 20, Szenarien 1.5LIFE und 1.5TECH für 2050.

22LTS, Abb. 23, Szenarien 1.5LIFE und 1.5TECH für 2050.

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gedeckt werden. Bis 2050 erreicht das Offshore-Windenergie-Potenzial in der EU eine Kapazität von 300 bis 450 GW23 – gegenüber derzeit 12 GW24. Für die EU-Industrie ist dies eine enorme Chance, weltweit eine Führungsrolle im Bereich der Offshore-Technologie einzunehmen, wozu es allerdings erheblicher Anstrengungen bedarf, um die industriellen Kapazitäten in Europa zu steigern und neue Wertschöpfungsketten aufzubauen. Die Offshore-Stromerzeugung bietet auch Gelegenheit, Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff standortnah unterzubringen, wofür auch die vorhandene Infrastruktur erschöpfter Erdgasfelder wiederverwendet werden könnte. Darüber hinaus wird es weitere Erleichterungen für den Ausbau der Solarenergie geben.

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Kurzfristig wird die Kommission das neue Aufbauinstrument „Next Generation EU“ einsetzen, um den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien zu unterstützen. Sie wird Möglichkeiten prüfen, um EU-Mittel über den bzw. in Verbindung mit dem neuen EU-Finanzierungsmechanismus für erneuerbare Energien25 bereitzustellen.

Gewisse Elektrifizierungsanreize auf der Nachfrageseite werden beispielsweise durch die sektorspezifischen Ziele gesetzt, die in der Richtlinie über erneuerbare Energien festgelegt sind, und im Verkehrsbereich durch CO2-Normen für Pkw im Rahmen der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und der Richtlinie über die Förderung sauberer Fahrzeuge26. Die zunehmende Elektrifizierung birgt aber weiterhin Herausforderungen, die je nach Sektor unterschiedlich sind, sodass weiterer Handlungsbedarf besteht.

Für den Gebäudesektor wird erwartet, dass die Elektrifizierung eine zentrale Rolle spielen wird, insbesondere durch die verstärkte Nutzung von Wärmepumpen für die Raumheizung und -kühlung. In Privathaushalten wird der Stromanteil zur Deckung des Heizbedarfs bis 2030 auf 40 % und bis 2050 auf 50-70 % steigen; im Dienstleistungssektor dürften die Werte bei ca. 65 % (2030) bzw. 80 % (2050) liegen27. Im Bereich der Fernwärme/-kälteversorgung werden Großwärmepumpen eine wichtige Rolle spielen. Das größte Hindernis sind die im Verhältnis höheren Steuern und Abgaben für Strom und die niedrigeren Steuersätze für fossile Brennstoffe (Öl, Gas und Kohle) im Heizungssektor, was zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen führt. Fortschritte werden aber auch durch verschiedene andere Hindernisse unterbunden, u. a. Defizite in den Bereichen Infrastrukturplanung, Bauvorschriften und Produktnormen, der Mangel an qualifiziertem Installations- und Wartungspersonal, fehlende öffentliche und private Finanzierungsinstrumente sowie die unzureichende Internalisierung der CO2-Kosten bei Heizstoffen. Dies hat zur Folge, dass fossile Heizstoffe in der EU nur in geringem Umfang ersetzt werden, die Fernwärme-/Fernkältenetze unzureichend ausgebaut und modernisiert werden und auch die Sanierungsrate bei Gebäuden niedrig ist. Mit der Initiative „Renovierungswelle“ wird die Kommission für einen stärkeren Einsatz erneuerbarer Energien in Gebäuden sorgen. Außerdem werden Schulungsprogramme im Rahmen der aktualisierten europäischen Agenda für Kompetenzen unterstützt.

23LTS, Abb. 24, mit Vereinigtem Königreich.

2420 GW mit Vereinigtem Königreich.

25https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12369-Union-renewable-Financing-mechanism

26Richtlinie (EU) 2019/1161 über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge.

27LTS, Abb. 42.

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In der Industrie entfallen mehr als 60 % des Energieverbrauchs auf die Wärmeerzeugung. Großwärmepumpen können zur Dekarbonisierung der industriellen Niedertemperatur-Wärmeversorgung beitragen und mit der Abwärme-Rückgewinnung kombiniert werden. Weitere Technologien werden derzeit für die Versorgung mit Hochtemperaturwärme (z. B. durch Mikrowellen oder Ultraschall) und für elektrochemische Verfahren entwickelt. Hindernisse bei deren Einführung sind u. a. auf mangelnde Information und die langen Amortisierungszeiten wegen des großen Preisgefälles zwischen Strom und Gas zurückzuführen sowie auf die mit diesen Technologien verbundenen hohen Reduktionskosten, wenn man die aktuellen CO2-Preise berücksichtigt. Auch könnten sich veränderte, zu höheren Kosten führende Produktionsverfahren auf die Wettbewerbsfähigkeit von Sektoren auswirken, die international konkurrieren müssen. Mit EU-Hilfe ließen sich eine Reihe von Vorzeigeprojekten und innovativen strombasierten Demonstrationsverfahren entwickeln. Darüber hinaus ist die industrielle Lieferkette für diese Technologien noch nicht ausgereift genug, und die Integration dieser Elektrifizierungstechnologien in die industriellen Abläufe erfordert Qualifikation und neue Kompetenzen. Die Kommission wird gemeinsam mit der Industrie prüfen, wie diese Probleme angegangen werden können.

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Für den Verkehr28 soll noch in diesem Jahr die Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität vorgelegt werden, in der erläutert wird, wie unser Verkehrssystem dekarbonisiert und modernisiert werden muss, damit die verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 um 90 % reduziert werden können29. Elektromobilität spielt dabei eine entscheidende Rolle und wird die Dekarbonisierung beschleunigen und die Umweltverschmutzung verringern, vor allem in unseren Städten. Neue Mobilitätsdienste werden das Verkehrssystem effizienter machen und entlasten. Angesichts der rasch sinkenden Kosten von Elektrofahrzeugen könnten diese um das Jahr 2025 im Wettbewerb gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor – gemessen an den Gesamtbetriebskosten – bestehen können30. Im europäischen Grünen Deal wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Ladeinfrastruktur rascher auszubauen – mit mindestens einer Million öffentlich zugänglichen Ladestationen und Tankstellen bis 2025 als ehrgeizigem Zwischenziel – und in Häfen verstärkt die landseitige Stromversorgung zu nutzen. Zu diesem Zweck und um das Ladeinfrastrukturnetz zu erweitern, wird die Kommission Mittel aus dem Fonds InvestEU – der gestärkt und eine neue Fazilität für strategische Investitionen umfassen wird – und der Fazilität „Connecting Europe“ mobilisieren. Als Teil der schwerpunktmäßigen Umsetzung des europäischen Grünen Deals in unseren Regionen und Städten – einschließlich öffentlicher Gebäude, Büros, Lagern und Privathaushalten – werden saubere Fahrzeuge und die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität sowie durch kohäsionspolitische Maßnahmen vorrangig gefördert werden. Auch die Initiative „Renovierungswelle“ sieht Fördermöglichkeiten für Ladegeräte und Ladepunkte für Elektrofahrzeuge vor. Darüber hinaus wird die Kommission eine Änderung der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und der TEN-V-Verordnung vorschlagen – auch unter dem Aspekt, wie die Synergien zwischen der TEN-V- und der TEN-E-Politik weiter gestärkt werden können. Die Kommission wird die fortlaufende Unterstützung im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“ durch eine weitere Bestandsaufnahme ergänzen, bei der Finanzierungsmöglichkeiten und Regulierungsinitiativen für den Aufbau von Ladeinfrastruktur untersucht werden. Auch um die Elektromobilität für die Nutzer attraktiver zu machen, wird die Kommission auf entsprechende Herausforderungen eingehen, beispielsweise die intransparente Preisgestaltung an öffentlichen Ladepunkten und

28Einschließlich mobiler Maschinen und Geräte.

29LTS

30Siehe beispielsweise BNEF, Electric Vehicle Outlook, 2020.

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die Tatsache, dass Ladedienste noch immer nicht länderübergreifend vereinheitlicht sind. Außerdem bedarf es weiterer Maßnahmen, um die Nutzung von erneuerbarem Strom in Häfen voranzutreiben und die Elektrifizierung des Güterkraftverkehrs zu erleichtern. Auch eine weitere Elektrifizierung im Bahnbereich könnte unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit untersucht werden31.

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Insgesamt bedeutet die zunehmende Nutzung von Strom in den Endverbrauchssektoren, dass die Angemessenheit der Versorgung mit erneuerbarem Strom kontinuierlich überprüft werden muss‚ um zu gewährleisten, dass sie dem Maß entspricht, das zur Unterstützung der Dekarbonisierung der genannten Sektoren erforderlich ist.

Die Elektrifizierung kann Herausforderungen im Hinblick auf das Management des Stromsystems mit sich bringen. Die regionale und grenzübergreifende Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten wird an Bedeutung zunehmen. Auch aus diesem Grund werden 2022 regionale Koordinierungszentren32 eingerichtet, die es ermöglichen werden, robustere Sicherheitsanalysen durchzuführen, Notzustände und Nichtverfügbarkeiten zu koordinieren, Infrastrukturen gemeinsam zu planen sowie Speicherungs- und andere Flexibilitätslösungen umzusetzen. Die Kommission wird die Anwendung der Energiespeicherung durch vollständige Umsetzung des Pakets „Saubere Energie“ unterstützen und diesem Aspekt bei der anstehenden Überarbeitung von Rechtsvorschriften, darunter auch der TEN-E-Verordnung, Rechnung tragen.

Herausforderungen sind auch auf eher lokaler Ebene absehbar. Um beispielsweise den Personenkraftverkehr vollständig zu elektrifizieren, muss in Teilen der Union die lokale Netzinfrastruktur modernisiert werden. Gleichzeitig können so aber Möglichkeiten im Hinblick auf die Speicherkapazität und Flexibilität des Systems entstehen33. Insbesondere intelligentes Laden und sogenannte „Vehicle-to-Grid“-Dienste für die Netzintegration von Fahrzeugen (V2G) werden eine wichtige Rolle spielen, um Netzengpässe zu überwinden und teure Investitionen in die Netzkapazität in Grenzen zu halten. Die Elektrizitätsrichtlinie enthält eine Reihe von Bestimmungen, die die Voraussetzungen für intelligentes Laden und die Entwicklung von V2G-Diensten schaffen. Trotzdem bestehen nach wie vor Schwierigkeiten, etwa in Bezug auf die Errichtung intelligenter Ladepunkte, gemeinsame Normen und Kommunikationsprotokolle, Netzgebühren, Besteuerung und den Zugang zu Fahrzeugdaten. Die Erstellung eines neuen Netzkodex für die lastseitige Flexibilität sowie die Überarbeitung der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe sind beides Gelegenheiten, eine solide Basis zu schaffen, um lastseitige Flexibilität generell und Elektrofahrzeuge im Besonderen erfolgreich zu integrieren.

Eine besondere Herausforderung stellt die Elektrifizierung von Gebieten dar, die nicht an das kontinentale Netz angeschlossen sind, beispielsweise Gebiete in äußerster Randlage, einige Inseln oder abgelegene oder dünn besiedelte Gebiete. Für einen kosteneffizienten Übergang in diesen Regionen ist es besonders wichtig, die Integration des Energiesystems technisch und finanziell zu unterstützen.

Schlüsselmaßnahmen

31Über 50 % des Bahnnetzes und ca. 80 % des Schienenverkehrs sind bereits elektrifiziert.

32Verordnung (EU) 2019/943.

33Siehe Trinomics, Energy storage – Contribution to the security of the electricity supply in Europe, 2020.

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Gewährleistung einer kontinuierlich steigenden Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen:

• Im Rahmen der Strategie für erneuerbare Offshore-Energie sowie der sich daraus ergebenden Regulierungs- und Finanzierungsmaßnahmen sicherstellen, dass die Versorgung mit Offshore-Strom aus erneuerbaren Quellen kosteneffizient geplant und umgesetzt wird, auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Wasserstofferzeugung vor Ort oder in der Nähe, sowie Festigung der industriellen Führungsrolle der EU im Bereich der Offshore-Technologien (2020)

• Prüfung verbindlicher Mindestkriterien und -ziele für ein umweltgerechtes öffentliches Beschaffungswesen in Bezug auf erneuerbaren Strom, ggf. im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie über erneuerbare Energien (Juni 2021), unterstützt durch Finanzierungen zur Schaffung von Kapazitäten im Rahmen des LIFE-Programms

• Abbau noch bestehender Hindernisse für einen hohen Stromanteil aus erneuerbaren Quellen‚ der dem erwarteten Nachfrageanstieg in den Endverbrauchssektoren gerecht wird – auch im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie über erneuerbare Energien (Juni 2021)

Weitere Beschleunigung der Elektrifizierung des Energieverbrauchs:

• Im Rahmen der Initiative „Renovierungswelle“ Förderung der weiteren Elektrifizierung von Gebäudeheizungen (insbesondere durch Wärmepumpen), des Einsatzes erneuerbarer Energien in Gebäuden sowie der Errichtung von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge (ab 2020) unter Einbeziehung aller verfügbaren EU-Mittel, einschließlich Kohäsionsfonds und InvestEU

• Erarbeitung spezifischerer Maßnahmen für die Nutzung von regenerativem Strom im Verkehrssektor sowie zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden und in der Industrie, insbesondere im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie über erneuerbare Energien und unter Berücksichtigung der darin festgelegten sektorspezifischen Ziele (Juni 2021)

• Finanzierung von Pilotprojekten im Rahmen von Horizont Europa und des Innovationsfonds zur Elektrifizierung von Niedertemperaturverfahren in Industriesektoren (bis 2021)

• Prüfung von Möglichkeiten im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie über Industrieemissionen34, um die weitere Dekarbonisierung industrieller Verfahren zu unterstützen, u. a. durch Elektrifizierung und Energieeffizienz (2021)

• Vorschlag zur Überarbeitung der CO2-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, um den Weg hin zu einer emissionsfreien Mobilität ab 2025 klar abzustecken (Juni 2021)

Beschleunigte Errichtung der Infrastruktur für Elektrofahrzeuge und Integration neuer Lasten:

• Unterstützung der Errichtung von einer Million Ladepunkten bis 2025 unter Nutzung der verfügbaren EU-Mittel, einschließlich Kohäsionsfonds, InvestEU und der Fazilität „Connecting Europe“, sowie regelmäßige Mitteilungen über Finanzierungsmöglichkeiten und das rechtliche Umfeld für den Aufbau eines Ladeinfrastrukturnetzes (ab 2020)

• Die anstehende Überarbeitung der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für

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alternative Kraftstoffe zum Anlass nehmen, den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe – auch für Elektrofahrzeuge – rascher voranzubringen, Interoperabilitätsanforderungen zu verschärfen, für angemessene Verbraucherinformation zu sorgen, Ladeinfrastruktur grenzübergreifend nutzbar zu machen und Elektrofahrzeuge auf effiziente Weise in das Stromsystem zu integrieren (bis 2021)

• Aufnahme entsprechender Anforderungen an die Lade- und Betankungsinfrastruktur im Rahmen der Überarbeitung der Verordnung über das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) (bis 2021) sowie Auslotung größerer Synergien bei der Überarbeitung der TEN-E-Verordnung im Hinblick auf eine mögliche netzbasierte, grenzübergreifende Unterstützung hoher Ladeleistungen und einer Wasserstoff-Betankungsinfrastruktur (bis 2020)

• Ausarbeitung eines Netzkodex für die lastseitige Flexibilität35 zur Erschließung des potenziellen Beitrags von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen und anderen Stromverbrauchern zu einem flexiblen Energiesystem (ab Ende 2021)

3.3. Förderung erneuerbarer und CO2-armer Brennstoffe (einschließlich Wasserstoff) für Sektoren, in denen die Dekarbonisierung schwierig ist

Obgleich direkte Elektrifizierung und Wärme aus erneuerbaren Quellen in vielen Fällen die kosten- und energieeffizientesten Optionen zur Dekarbonisierung sind, gibt es eine Reihe von Endverwendungen, bei denen sie möglicherweise nicht umsetzbar sind oder höhere Kosten verursachen. In solchen Fällen könnte eine Reihe erneuerbarer oder CO2-armer Brennstoffe verwendet werden, z. B. nachhaltiges Biogas, Biomethan und Biokraftstoffe, erneuerbarer und CO2-armer Wasserstoff oder synthetische Brennstoffe. Zu diesen Fällen gehören eine Reihe industrieller Prozesse, aber auch Verkehrsarten wie der Luft- und Seeverkehr, bei denen nachhaltige alternative Kraftstoffe wie fortschrittliche flüssige Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe eine wesentliche Rolle spielen werden. Rasches Handeln ist erforderlich: Beispielsweise machen im Luftverkehr flüssige Biotreibstoffe nur etwa 0,05 % des gesamten Flugturbinenkraftstoffverbrauchs aus.

Erschließung des Potenzials erneuerbarer Brennstoffe aus nachhaltiger Biomasse

Bisher machen Biokraftstoffe36‚ Biogas und Biomethan37 nur 3,5 % des gesamten Gas- und Kraftstoffverbrauchs38 aus und basieren weitgehend auf Nahrungs- und Futtermittelpflanzen. Ihr volles Potenzial sollte auf nachhaltige Weise ausgeschöpft werden, sodass Klimarisiken, Umweltverschmutzung und Risiken für die biologische Vielfalt gemindert werden39.

35Gemäß Verordnung (EU) 2019/943.

36Biokraftstoffe sind flüssige Kraftstoffe, die aus Biomasse hergestellt werden, wobei eine Vielzahl an Verfahren und Rohstoffen zum Einsatz kommt; z. B. Biodiesel, Bioethanol und hydrierte pflanzliche Öle (Hydrotreated Vegetable Oils – HVO).

37Biogas ist ein aus Biomasse gewonnenes Gasgemisch (hauptsächlich aus Methan und Kohlendioxid), das durch unter Ausschluss von Sauerstoff stattfindende (d. h. anaerobe) Zersetzung organischer Stoffe produziert wird. Biogas kann direkt als Brennstoff verwendet oder gereinigt und zu Biomethan „aufbereitet“ und somit für dieselben Anwendungen wie Erdgas verwendet und in das Gasnetz eingespeist werden.

38Quelle: Eurostat.

39Mit der Richtlinie (EU) 2018/2001 werden eine Obergrenze für Biokraftstoffe der ersten Generation und Beschränkungen für Lebensmittel und Rohstoffe mit einem hohen Risiko indirekter

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Biokraftstoffe werden eine wichtige Rolle spielen, insbesondere bei Verkehrsarten wie dem Luft- oder Seeverkehr, bei denen eine Dekarbonisierung schwierig ist, – unter anderem durch Projekte zur Hybridisierung, bei denen Biokraftstoffe und die Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen miteinander verbunden werden. Die Kommission wird insbesondere prüfen, wie neben synthetischen Kraftstoffen die rasche Entwicklung innovativer CO2-armer Kraftstoffe, z. B. fortschrittlicher Biokraftstoffe, entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Industrie in Europa unterstützt und eine bessere Koordinierung der Marktakteure und eine rasche Steigerung der Produktionskapazität erreicht werden kann. Biomethan kann zur Dekarbonisierung der Gasversorgung beitragen. Der Einsatz von Biokraftstoffen und Biogasen wurde jedoch bisher durch Rechtsunsicherheit gebremst. Mit der überarbeiteten Richtlinie über erneuerbare Energien wurde ein erster Schritt zur Lösung dieser Fragen unternommen, indem ein Ziel von 3,5 % für den Verbrauch von fortschrittlichen Biokraftstoffen und Biogas im Verkehrssektor eingeführt wurde40. Das in der Richtlinie über die Kraftstoffqualität festgelegte Ziel, die Treibhausgasemissionen um 6 % zu mindern, unterstützt ebenfalls den Einsatz von Biokraftstoffen. Darüber hinaus wird in der Mitteilung „Der Beitrag der energetischen Verwertung von Abfällen zur Kreislaufwirtschaft“41

klargestellt, welche Konzepte der energetischen Verwertung von Abfällen, einschließlich zur Herstellung von Biomethan, nachhaltiger sind, und in der Biodiversitätsstrategie wird betont, dass die Nutzung ganzer Bäume und von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen für die Energieerzeugung auf ein Mindestmaß beschränkt werden sollte.

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Die Überarbeitung der Richtlinie über erneuerbare Energien sowie die im europäischen Grünen Deal angekündigten Initiativen der Kommission zur Förderung der Versorgung mit und des Einsatzes von nachhaltigen Flug- und Schiffskraftstoffen werden Möglichkeiten für eine weitere gezielte Unterstützung bieten, um die Entwicklung des Marktes für Biokraftstoffe und Biogase zu beschleunigen.

Förderung der Verwendung von erneuerbarem Wasserstoff in Sektoren, in denen die Dekarbonisierung schwierig ist

Bisher macht Wasserstoff weniger als 2 % des europäischen Energieverbrauchs aus42 und wird fast ausschließlich aus fossilen Brennstoffen mit ungeminderten Emissionen hergestellt. Wasserstoff spielt eine wichtige Rolle bei der Verringerung der Emissionen in Sektoren, in denen die Dekarbonisierung schwierig ist, insbesondere als Kraftstoff für bestimmte Verkehrsbereiche (Schwerlastverkehr, Busflotten oder nicht elektrifizierter Schienenverkehr, See- und Binnenschifffahrt) und als Brenn- oder Ausgangsstoff für bestimmte industrielle Prozesse (Stahl-, Raffinerie- oder Chemieindustrie – einschließlich zur Herstellung von „grünen Düngemitteln“ für die Landwirtschaft). Kohlendioxid kann durch Reaktion mit Wasserstoff auch zu synthetischen Kraftstoffen, z. B. synthetischem Kerosin für den

Landnutzungsänderungen (ILUC) eingeführt und gleichzeitig Nachhaltigkeitskriterien verschärft und ausgeweitet.

40Die Verwendung von „fortschrittlichen“ Biokraftstoffen und Biogas (gewonnen aus bestimmten Reststoffen und Nebenprodukten aus land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten, Industrie- und Haushaltsabfällen unter uneingeschränkter Beachtung der Abfallhierarchie und anderem lignozellulosehaltigem Material) wird gemäß Richtlinie (EU) 2018/2001 gefördert. Biokraftstoffe und Biogas müssen Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, damit sie statistisch als erneuerbare Energieträger gemäß dieser Richtlinie zählen.

41COM(2017) 34 final.

42Berechnet auf der Grundlage von vom Gemeinsamen Unternehmen „Brennstoffzellen und Wasserstoff“ bereitgestellten Produktionsdaten, einschließlich der Verwendung von Wasserstoff als Ausgangsstoff; FCH JU, Hydrogen Roadmap, 2019.

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Luftverkehr, weiterverarbeitet werden. Darüber hinaus bringt Wasserstoff weitere positive Nebeneffekte für die Umwelt mit sich, z. B. keine Luftschadstoffemissionen.

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Wasserstoff, der durch Elektrolyse und unter Verwendung von Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird, kann in einem integrierten Energiesystem eine besonders wichtige Rolle als „Knotenpunkt“ übernehmen, denn er kann dazu beitragen, große Mengen an variablem aus erneuerbaren Energien erzeugtem Strom zu integrieren, indem er die Netze in Zeiten überreichlichen Angebots entlastet und für das Energiesystem als langfristiger Speicher fungiert. Durch ihn lässt sich außerdem lokal erzeugter Strom aus erneuerbaren Energiequellen für eine Reihe zusätzlicher Endverwendungen nutzen.

In der heute angenommenen Wasserstoffstrategie werden Maßnahmen vorgestellt, mit denen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden sollen, dass Wasserstoff zur kosteneffizienten Dekarbonisierung der Wirtschaft beiträgt. Dabei wird die gesamte Wasserstoffwertschöpfungskette einbezogen, um Wirtschaftswachstum und die wirtschaftliche Erholung zu fördern. Priorität für die EU hat die Entwicklung der Wasserstoffproduktion mit Strom aus erneuerbaren Quellen, was die sauberste Lösung darstellt. In einer Übergangsphase werden jedoch andere Formen von CO2-armem Wasserstoff benötigt, um den bereits vorhandenen Wasserstoff zu ersetzen und Skaleneffekte zu erzielen. Zusätzlich zur finanziellen Unterstützung bestimmter Endverwendungen wird die Kommission die Festlegung von Mindestanteilen oder Quoten für erneuerbaren Wasserstoff in bestimmten Endverbrauchssektoren in Erwägung ziehen. Erneuerbare und CO2-arme Brennstoffe (einschließlich Wasserstoff) können am wirksamsten gefördert werden, wenn sie leicht von umweltschädlicheren Energiequellen unterschieden werden können. Daher wird die Kommission an der Einführung einer umfassenden Terminologie und eines europäischen Zertifizierungssystems für alle erneuerbaren und CO2-armen Brennstoffe arbeiten43. Ein solches System, das sich insbesondere auf die während des gesamten Lebenszyklus eingesparten Treibhausgasemissionen stützt, wird fundiertere Entscheidungen ermöglichen, wenn auf EU-Ebene oder auf nationaler Ebene über politische Optionen entschieden wird.

Schaffung von Voraussetzungen für die CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung zur Unterstützung einer umfassenden Dekarbonisierung, einschließlich synthetischer Brennstoffe

Selbst durch ein vollständig integriertes Energiesystem lassen sich nicht in allen Bereichen der Wirtschaft CO2-Emissionen ganz vermeiden. Zusammen mit alternativen Verfahrenstechnologien dürfte in einem klimaneutralen Energiesystem die CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage – CCS) von Bedeutung sein. Insbesondere kann die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) eine Lösung für schwer zu verringernde Emissionen in bestimmten industriellen Prozessen sein. So können auch diese Industriezweige einen Platz in einer klimaneutralen Wirtschaft haben und Industriearbeitsplätze in Europa erhalten bleiben. Darüber hinaus könnten durch CCS sogar Restemissionen anderer Sektoren kompensiert werden, wenn das gespeicherte CO2 aus biogenen Quellen oder direkt aus der Atmosphäre abgeschieden wird.

Eine Alternative zur dauerhaften Speicherung von CO2 besteht darin, es zusammen mit erneuerbarem Wasserstoff zur Erzeugung von synthetischen Gasen, Brennstoffen und Ausgangsstoffen einzusetzen (CO2-Abscheidung und -Nutzung (Carbon Capture and Use – CCU)). Synthetische Brennstoffe können je nach Ursprung des CO2 (fossil, biogen oder aus

43Siehe auch Wasserstoffstrategie, COM(2020) 301 final.

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der Luft abgeschieden) und des angewandten Verfahrens mit ganz unterschiedlichen Mengen an Treibhausgasemissionen verbunden sein. Vollständig kohlenstoffneutrale synthetische Brennstoffe müssen das CO2 aus Biomasse oder der Atmosphäre beziehen. Synthetische Brennstoffe sind derzeit ineffizient was den Energiebedarf für die Produktion betrifft und mit hohen Produktionskosten verbunden. Die Förderung von Fortschritten bei der Entwicklung dieser Umwandlungstechnologie – etwa von Demonstrationsprojekten und des Ausbaus des gesamten Produktionsprozesses – ist wichtig, damit insbesondere in den Sektoren, in denen die Dekarbonisierung am schwierigsten ist und die weiterhin auf flüssige Brennstoffe mit hoher Energiedichte angewiesen sein können, z. B. dem Luftverkehr, Substitute für fossile Brennstoffe verfügbar sind. Da ihre Produktion große Mengen an erneuerbarer Energie erfordert, müsste ihr Einsatz mit einer entsprechend gesteigerten Versorgung mit Energie aus erneuerbaren Quellen einhergehen.

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Entscheidend bei der Herstellung synthetischer Brennstoffe ist, die CO2-Emissionen und die CO2-Entfernung ausreichend zu überwachen, zu melden und zu verbuchen, damit ihr tatsächlicher CO2-Fußabdruck korrekt erfasst wird. Ergänzend zum derzeitigen Überwachungs- und Berichterstattungssystem für Treibhausgasemissionen wird ein robuster Zertifizierungsmechanismus für die Entfernung von Kohlendioxid gewährleisten, dass die Emission, Abscheidung, Nutzung und potenzielle erneute Emission von CO2 in unserem gesamten Wirtschaftssystem zurückverfolgt werden kann. Die im Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft44 angekündigte Entwicklung eines Zertifizierungssystems für die Entfernung von Kohlendioxid kann regulatorische Anreize für die Markteinführung synthetischer Brennstoffe bieten.

Die CO2-Abscheidung und -Nutzung setzt sich in Europa nur langsam durch, denn die Investitions- und Betriebskosten sind nach wie vor hoch. Es gibt auch Hindernisse, die dem Transport von CO2 an die Orte, an denen es gespeichert oder genutzt werden wird, im Wege stehen. In einigen Teilen der EU haben Bürgerinnen und Bürger und politische Entscheidungsträger auch Bedenken hinsichtlich der Speicherung von CO2. Im Rahmen des Industrieforums für saubere Energie könnte jährlich ein europäisches CCUS-Forum einberufen werden, um Möglichkeiten der Förderung von Projekten zur CO2-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung (CCUS) eingehender zu prüfen.

Schlüsselmaßnahmen

• Vorschlag für eine umfassende Terminologie für alle erneuerbaren und CO2-armen Brennstoffe und ein europäisches Zertifizierungssystem für solche Brennstoffe, das sich insbesondere auf die während des gesamten Lebenszyklus eingesparten Treibhausgasemissionen und auf Nachhaltigkeitskriterien stützt und auf bestehenden Bestimmungen aufbaut, z. B. auf der Richtlinie über erneuerbare Energien (Juni 2021)

• Erwägung zusätzlicher Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer und CO2-armer Brennstoffe, möglicherweise durch Mindestanteile oder Quoten in bestimmten Endverbrauchssektoren (einschließlich des Luft- und Seeverkehrs), durch Überarbeitung der Richtlinie über erneuerbare Energien und aufbauend auf ihren sektorspezifischen Zielen (Juni 2021), gegebenenfalls ergänzt durch zusätzliche Maßnahmen, die im Rahmen der Initiativen „REFUEL Aviation“ und „FUEL Maritime“ geprüft werden (2020). Die Förderregelung für Wasserstoff wird zielgerichteter sein und nur Anteile oder Quoten für

44COM(2020) 98 final.

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erneuerbaren Wasserstoff zulassen. • Förderung der Finanzierung von Vorzeigeprojekten integrierter, CO2-neutraler

Industriecluster‚ die erneuerbare und CO2-arme Brennstoffe erzeugen und verbrauchen, durch die Programme Horizont Europa, InvestEU und LIFE sowie den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (ab 2021)

• Förderung der neuartigen Herstellung von Düngemitteln aus erneuerbarem Wasserstoffim Rahmen von Horizont Europa (ab 2021)

• Demonstration und Ausweitung der Abscheidung von CO2 für den Einsatz bei der Herstellung synthetischer Brennstoffe‚ möglicherweise über den Innovationsfonds (ab 2021)

• Entwicklung eines Rechtsrahmens für die Zertifizierung der Entfernung von Kohlendioxid auf der Grundlage einer soliden und transparenten CO2-Bilanzierung, um die Einhaltung der Verfahren zur CO2-Entfernung überwachen und überprüfen zu können (bis 2023)

3.4. Ausrichtung der Energiemärkte auf die Dekarbonisierung und dezentrale Ressourcen

In einem integrierten Energiesystem sollten vertrauenswürdige und effiziente Märkte die Kundennachfrage auf die energieeffizienteste und kostengünstigste Dekarbonisierungsoption lenken, und zwar auf der Grundlage von Preisen, die alle Kosten des verwendeten Energieträgers angemessen widerspiegeln.

Sicherstellen, dass Nicht-Energie-Preiskomponenten bei den verschiedenen Energieträgern

zur Dekarbonisierung beitragen

In vielen EU-Mitgliedstaaten sind die Steuern und Abgaben auf Strom sowohl in absoluten Zahlen als auch als Anteil am Gesamtpreis höher als auf Kohle, Gas oder Heizöl45. In den letzten Jahren sind die Gebühren und Abgaben auf Strom, z. B. zur Finanzierung von Förderregelungen für erneuerbare Energien, weiter gestiegen. Gleichzeitig ist die Energiekomponente des Endkundenpreises für Strom sowohl absolut als auch relativ gesunken. Dadurch hat sich die Asymmetrie bei den Nicht-Energie-Kosten zwischen Strom und Gas vergrößert: Beispielsweise machen bei den Endkundenstrompreisen für Privathaushalte Steuern und Abgaben inzwischen bis zu 40 % des Endpreises aus, verglichen mit 26 % bei Gas oder 32 % bei Heizöl46. Einige andere energie- oder CO2-intensive Sektoren wie der internationale Luft- und Seeverkehr sowie die Landwirtschaft können einer niedrigen oder gar keiner Mehrwertsteuer und nach der geltenden Energiebesteuerungsrichtlinie niedrigen Verbrauchsteuern auf Energie unterliegen.

Außerdem werden die CO2-Kosten in einigen Sektoren (z. B. Straßen- und Seeverkehr oder Heizungssektor) oder in einigen Mitgliedstaaten nur teilweise oder gar nicht internalisiert oder reichen in einigen Sektoren, die unter das EHS fallen (z. B. Luftverkehr), möglicherweise nicht aus, um Anreize für eine Dekarbonisierung zu schaffen. Und schließlich werden in der EU auch weiterhin fossile Brennstoffe subventioniert.

45GD Energie, Bericht über Energiepreise und -kosten, 2019.

46GD Energie, Bericht über Energiepreise und -kosten, 2019.

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Insgesamt werden die geltenden Steuern und Abgaben einschließlich der Bepreisung von CO2-Emissionen nicht für alle Energieträger und Sektoren einheitlich angewandt und führen zu Markverzerrungen zugunsten bestimmter Träger.

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Schließlich sollten auch die Besonderheiten des für die Energiespeicherung oder die Wasserstofferzeugung genutzten Stroms berücksichtigt werden, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden (sodass Energie erst dann besteuert wird, wenn sie an Endverbraucher geliefert wird) und ungerechtfertigte doppelte Netzgebühren zu vermeiden.

Die Verbraucher in den Mittelpunkt stellen

Klare und leicht zugängliche Informationen sind unerlässlich, damit die Bürgerinnen und Bürger ihre Energieverbrauchsmuster ändern und auf Lösungen umsteigen können, die ein integriertes Energiesystem unterstützen. Die Kunden – Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen gleichermaßen – sollten über ihre Rechte, die ihnen zur Verfügung stehenden technologischen Optionen und den damit verbundenen CO2-Fußabdruck und ökologischen Fußabdruck informiert werden, damit sie fundierte Entscheidungen treffen und die Dekarbonisierung wirklich vorantreiben können. Es ist wichtig, dass schutzbedürftige Haushalte nicht außen vor bleiben und die Energiearmut bekämpft wird47. Im Rahmen des Klimapakts wird die Kommission eine Informationskampagne für Verbraucher über ihre Rechte im Zusammenhang mit dem Energiemarkt starten.

Die Informationsrechte für Stromkunden wurden durch das Paket „Saubere Energie“ gestärkt – in Bezug auf Gas- und Fernwärmekunden besteht noch Handlungsbedarf, um deren Rechte an die im Stromsektor bestehenden anzupassen.

Darüber hinaus fehlen nach wie vor Märkte für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen‚ beispielsweise für Erzeugnisse wie Stahl, Zement und Chemikalien, die aus erneuerbaren oder CO2-armen Brennstoffen hergestellt werden. Im Rahmen der im Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft angekündigten umfassenderen Bemühungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit solcher Zwischenprodukte sollten die Verbraucher einschlägige Informationen erhalten, die sie zur Zahlung eines Preisaufschlags veranlassen könnten.

Ausrichtung des Strom- und des Gasmarktes auf die Dekarbonisierung48

Mit dem Paket „Saubere Energie“ wurde bereits die Grundlage dafür geschaffen, dass die Strommärkte in der Lage sind, große variable Strommengen zu integrieren, und dass durch Laststeuerung und Speicherung Flexibilität möglich ist. Gleichzeitig wurden die Marktsignale verbessert, um Investitionen anzuregen, und die Stromkunden gestärkt. Die Herausforderung besteht nun darin, die Maßnahmen, insbesondere die Vollendung der Marktkopplung durch Day-Ahead- und Intraday-Handel, richtig umzusetzen.

Während wir auf dem Weg zur Klimaneutralität voranschreiten, wird die Menge des in Europa verbrauchten Erdgases schrittweise zurückgehen. Es ist davon auszugehen, dass gasförmige Brennstoffe auch weiterhin eine wichtige Rolle in unserem Energiemix spielen

47Im Einklang mit der europäischen Säule sozialer Rechte, in deren 20. Grundsatz der Zugang zu essentiellen Dienstleistungen, einschließlich der Energieversorgung, garantiert wird.

48Aspekte im Zusammenhang mit der Schaffung offener und wettbewerbsorientierter Märkte für Wasserstoff werden in der Wasserstoffstrategie behandelt.

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werden49‚ doch wird der Mix gasförmiger Brennstoffe in hohem Maße von dem gewählten Dekarbonisierungspfad abhängen. Bis 2050 soll der Anteil von Erdgas an gasförmigen Brennstoffen auf 20 % sinken und die meisten der verbleibenden 80 % gasförmigen Brennstoffe sollten aus erneuerbaren Quellen stammen50. Es ist jedoch schwierig, den künftigen Mix dieser gasförmigen Energieträger – Biogas, Biomethan, Wasserstoff oder synthetische Gase – zu prognostizieren.

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Der Rechtsrahmen für den Gasmarkt sollte überprüft werden, damit er dazu beiträgt, dass die Nutzung von Gas aus erneuerbaren Quellen gefördert wird, die Verbraucher gestärkt werden und gleichzeitig ein integrierter, liquider und interoperabler EU-Binnenmarkt für Gas gewährleistet ist.

Dabei sollte es unter anderem um die Infrastrukturanbindung und den Marktzugang für die dezentrale Erzeugung von erneuerbaren Gasen, auch auf der Ebene der Verteilung, gehen. Dies würde die Nutzung von Gas aus erneuerbaren Quellen in einem lokaleren kreislauforientierten Kontext (z. B. Biogas, das in landwirtschaftlichen Betrieben verbraucht wird) ergänzen. Darüber hinaus würden sich die Qualitätsparameter des in der EU verbrauchten und transportierten Gases ändern, wenn erneuerbare Gase in das Gasnetz eingespeist werden und die Versorgungsquellen weiter diversifiziert werden. Um zu vermeiden, dass dies zu Marktsegmentierung und Handelsbeschränkungen führt, muss geprüft werden, wie die Interoperabilität zwischen den Gasnetzen und der ungehinderte Gasfluss über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg sichergestellt werden kann.

Aktualisierung des Rahmens für staatliche Beihilfen

Die laufende Überprüfung des Rahmens für staatliche Beihilfen, insbesondere der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen, wird zur Integration des Energiesystems beitragen, indem die Rahmenbedingungen an die aktuellen Gegebenheiten angepasst und so gestaltet werden, dass ein kosteneffizienter Einsatz sauberer Energie möglich ist und die Energiemärkte reibungslos funktionieren51.

Schlüsselmaßnahmen

Förderung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Energieträger:

• Ausarbeitung von Leitlinien für die Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund der hohen Gebühren und Abgaben auf Strom und um die Kohärenz der Nicht-Energie-Preiskomponenten für die verschiedenen Energieträger sicherzustellen (bis 2021)

• Angleichung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und Strom an die Umwelt- und Klimapolitik der EU und Gewährleistung einer harmonisierten Besteuerung sowohl der

49LTS, Abb. 33: Die Szenarien 1.5TECH und LTS 1.5LIFE sehen für 2050 einen Anteil gasförmiger Brennstoffe am Energiemix der EU von 18-22 % vor, gegenüber 25 % heute.

50LTS, Abb. 28 bis 32.

51Über diese Bestimmungen hinaus sind auch der „Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation“ und die Mitteilung zu „Kriterien für die Würdigung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse mit dem Binnenmarkt“ relevant.

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Speicherung als auch der Erzeugung von Wasserstoff, um Doppelbesteuerung zu vermeiden, im Wege der Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie52

• Setzen kohärenterer CO2-Preissignale in allen Energiesektoren und Mitgliedstaaten, insbesondere durch einen möglichen Vorschlag für die Ausweitung des EHS auf neue Sektoren (bis Juni 2021)

• Weitere Arbeiten zur schrittweisen Abschaffung der direkten Subventionen für fossile Brennstoffe, unter anderem im Rahmen der Überprüfung des Rahmens für staatliche Beihilfen und der Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie (ab 2021)

• Sicherstellen, dass durch die Überarbeitung des Rahmens für staatliche Beihilfen eine kosteneffiziente Dekarbonisierung der Wirtschaft unterstützt wird, wenn weiterhin öffentliche Unterstützung erforderlich ist (bis 2021)

Anpassung des Rechtsrahmens für den Gassektor:

• Überprüfung des Rechtsrahmens mit dem Ziel, einen wettbewerbsorientierten dekarbonisierten Gasmarkt zu gestalten, der auf erneuerbare Gase ausgerichtet ist, wozu auch die Stärkung der Gaskunden durch verbesserte Informationen und Rechte gehört (bis 2021)

Verbesserte Verbraucherinformation:

• Im Rahmen des Klimapakts Start einer Informationskampagne für Verbraucher über die Rechte von Energiekunden (bis 2021)

• Verbesserung der Informationen für Kunden über die Nachhaltigkeit von Industrieprodukten (insbesondere Stahl, Zement und Chemikalien) im Rahmen der Initiative für eine nachhaltige Produktpolitik und gegebenenfalls durch ergänzende Legislativvorschläge (bis 2022)

3.5. Eine stärker integrierte Energieinfrastruktur

Die Integration des Energiesystems wird zu mehr physischen Verbindungen zwischenEnergieträgern führen. Dies erfordert einen neuen, ganzheitlichen Ansatz sowohl für die großmaßstäbliche als auch für die lokale Infrastrukturplanung, auch für den Schutz und die Widerstandsfähigkeit kritischer Infrastrukturen. Ziel sollte es sein, die bestehende Infrastruktur optimal zu nutzen und dabei sowohl Lock-in-Effekte als auch verlorene Vermögenswerte („stranded assets“) zu vermeiden. Die Infrastrukturplanung sollte die Integration verschiedener Energieträger erleichtern, und es ist dabei abzuwägen, ob die Entwicklung neuer oder die Umwidmung bestehender Infrastrukturen sinnvoller ist. Auch sollten Alternativen zu netzabhängigen Optionen, insbesondere nachfrageseitige Lösungen und Speicherung, geprüft werden.

Weiterentwicklungen muss es bei allen Komponenten des Energienetzes geben. Moderne Niedertemperatur-Fernwärmesysteme sollten gefördert werden, da sie die lokale Nachfrage sowohl mit erneuerbaren Energiequellen und der Energieerzeugung aus Abfall als auch mit dem weiteren Strom- und Gasnetz verbinden können, was zur Optimierung von Angebot und Nachfrage bei allen Energieträgern beiträgt. Jedoch entfallen auf Fernwärmenetze 12 % des gesamten Wärme- und Kälteendenergieverbrauchs, sie konzentrieren sich stark auf einige

52Erste Folgenabschätzung für die Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie: https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12227

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wenige Mitgliedstaaten, und nur ein begrenzter Teil von ihnen ist hoch effizient und basiert auf erneuerbaren Energien.

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Die Umsetzung des Pakets „Saubere Energie“ wird zu einer effizienteren Nutzung der Stromnetze beitragen. Eine schnellere Elektrifizierung neuer Endverwendungen setzt jedoch voraus, dass das Netz vor allem auf Ebene der Verteilung, aber auch auf Ebene der Übertragungsnetze53 ausgebaut und intelligenter wird. Elektrolyseure werden mit den Stromnetzen und möglicherweise mit bestehenden Gasnetzen verbunden. Im Rahmen der Bewertung der nationalen Energie- und Klimapläne der Mitgliedstaaten wird die Kommission auch die Fortschritte bei der Erreichung des Stromverbundziels von 15 % analysieren und geeignete Maßnahmen prüfen, etwa im Zusammenhang mit der Überarbeitung der TEN-E-Verordnung.

Das bestehende Gasnetz bietet in der gesamten EU umfangreiche Kapazitäten für die Integration erneuerbarer und CO2-armer Gase. Außerdem kann die Umwidmung von Gasnetzen für Wasserstoffanwendungen in einigen Fällen eine kosteneffiziente Lösung sein, insbesondere für den Transport von Wasserstoff, der in Offshore-Windparks mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wurde. Häfen könnten sich zu Umschlagzentren sowohl für Offshore-Strom als auch für flüssigen Wasserstoff entwickeln und so dazu beitragen, den weltweiten Handel mit erneuerbarem Wasserstoff oder synthetischen Brennstoffen zu ermöglichen.

Während in einer Übergangsphase Gasnetze für die Beimischung von Wasserstoff in begrenztem Umfang genutzt werden können54, sind für die großmaßstäbliche Speicherung und den Transport von reinem Wasserstoff möglicherweise spezielle Infrastrukturenerforderlich, die über Punkt-zu-Punkt-Leitungen innerhalb von Industrieclustern hinausgehen. Um den Ausbau von Wasserstofftankstellen wird es auch bei der Überarbeitung der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und der Verordnung über die TEN-V-Leitlinien gehen.

Ebenso bedarf es weiterer Überlegungen zur Rolle spezieller Infrastruktur für CO2, mit der CO2 über Industriestandorte hinweg zur weiteren Nutzung oder zu großen Speicheranlagen transportiert werden kann.

Die Verordnung über transeuropäische Energieinfrastruktur (TEN-E) bietet einen Rahmen für die Auswahl von Infrastrukturvorhaben von gemeinsamem Interesse im Bereich Strom-, Gas-und CO2-Netze. In diesem Zusammenhang werden derzeit auf nationaler und auf EU-Ebene von den Übertragungs- und den Fernleitungsnetzbetreibern gleichzeitig Zehnjahresnetzentwicklungspläne (TYNDP) für Gas und für Strom ausgearbeitet. Für die künftige Netzplanung ist – insbesondere was den Strom- und den Gassektor angeht – ein stärker integrierter und sektorübergreifender Ansatz erforderlich. Sie muss den Klima- und Energiezielen umfassend Rechnung tragen, den nationalen Energie- und Klimaplänen angepasst werden sowie alle relevanten Akteure berücksichtigen und sollte sich an den örtlichen Gegebenheiten orientieren.

53Ebenfalls im Einklang mit dem Stromverbundziel der EU gemäß der Verordnung (EU) 2018/1999 über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz.

54Eine Mischung von 5-20 Volumenprozent kann von den meisten Systemen vertragen werden, ohne dass größere Infrastrukturanpassungen oder die Nachrüstung bzw. der Austausch von Endverbrauchgeräten erforderlich sind. Siehe z. B. BNEF, Hydrogen Economy Outlook, 2020.

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Die Kommission wird im Rahmen der laufenden Überarbeitung sicherstellen, dass die TEN-

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E-Verordnung in vollem Umfang den Aspekt der Klimaneutralität berücksichtigt und die kosteneffiziente Integration des Energiesystems sowie seine Integration in die digitalen und die Verkehrssysteme ermöglicht wird. Bei der laufenden Überarbeitung der Verordnung über das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) werden auch Synergien mit der TEN-E-Verordnung angestrebt, um auf der Grundlage der neuen Vision für die Energieinfrastrukturplanung zusätzliche Möglichkeiten für die Dekarbonisierung des Verkehrs zu schaffen.

Schließlich bedeutet die zunehmende Interdependenz, dass Störungen in einem Sektor unmittelbare Auswirkungen auf den Betrieb in anderen Sektoren haben können und ein neuer kohärenter Sicherheitsansatz sowohl für physische als auch für digitale Infrastrukturen erforderlich ist. Die neue Strategie für die Sicherheitsunion wird sich sowohl mit kritischer Infrastruktur als auch mit Cybersicherheit befassen und muss von sektorspezifischen Initiativen flankiert werden, um den spezifischen Risiken zu begegnen, denen kritische Infrastrukturen beispielsweise in einem integrierten Energiesystem und einer integrierten Energieinfrastruktur ausgesetzt sind.

Schlüsselmaßnahmen

• Sicherstellen, dass durch die Überarbeitung der TEN-E- und der TEN-V-Verordnung(2020 bzw. 2021) die Bahn geebnet wird für ein stärker integriertes Energiesystem – unter anderem durch größere Synergien zwischen der Energie- und der Verkehrsinfrastruktur – sowie für die dringend erforderliche Verwirklichung des Stromverbundziels von 15 % bis 2030

• Überprüfung des Anwendungsbereichs und der Governance des TYNDP‚ um im Rahmen der Überarbeitung der TEN-E-Verordnung (2020) und anderer einschlägiger Rechtsvorschriften (2021) die vollständige Übereinstimmung mit den Dekarbonisierungszielen der EU und der sektorübergreifenden Infrastrukturplanung sicherzustellen

• Beschleunigung der Investitionen in intelligente, hocheffiziente Fernwärme- und Fernkältenetze, die auf erneuerbaren Energien beruhen, z. B. durch Vorschläge für strengere Verpflichtungen im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie über erneuerbare Energien und der Energieeffizienzrichtlinie (Juni 2021) und durch die Finanzierung von Vorzeigeprojekten

3.6. Ein digitalisiertes Energiesystem und ein innovationsfördernder Rahmen

Die Digitalisierung unterstützt die Integration des Energiesystems – durch sie können dynamische und miteinander vernetzte Flüsse von Energieträgern ermöglicht werden, mehr unterschiedliche Märkte miteinander verknüpft werden und die notwendigen Daten bereitgestellt werden, um Angebot und Nachfrage auf einer stärker disaggregierten Ebene und beinahe in Echtzeit miteinander in Einklang zu bringen. Eine Kombination aus neuartigen Sensoren, fortgeschrittenen Datenaustauschinfrastrukturen und Datenverarbeitungs-fähigkeiten, die Big Data, künstliche Intelligenz, 5G und Distributed-Ledger-Technologien nutzen, kann die Vorhersage verbessern, die Fernüberwachung und -verwaltung der dezentralen Erzeugung ermöglichen und die optimale Nutzung der Anlagen, einschließlich der Nutzung der Eigenerzeugung vor Ort, ausbauen. Die Digitalisierung ist auch von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, das Potenzial an Kunden mit flexiblem

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Energieverbrauch über verschiedene Sektoren hinweg voll auszuschöpfen, um so zur effizienten Integration von mehr erneuerbaren Energien beizutragen. Ganz allgemein bietet die Digitalisierung eine Chance, Wirtschaftswachstum und eine weltweit führende Rolle im Bereich Technologie zu erreichen.

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Die Digitalisierung stellt im Hinblick auf die gestiegene Energienachfrage für IKT-Geräte, -Netze und -Dienste eine Herausforderung dar, die wir im Rahmen eines integrierten Energiesystems richtig steuern müssen. Sie bringt auch weitere Herausforderungen für den Energiesektor mit sich, insbesondere in Bezug auf Ethik, Privatsphäre und Cybersicherheit. Dabei müssen die Besonderheiten dieses Sektors berücksichtigt werden.

Mit einem systemweiten Aktionsplan für die Digitalisierung des Energiesektors, der auf dem in der europäischen Datenstrategie angekündigten gemeinsamen europäischen Energiedatenraum55 aufbaut, könnte die Umsetzung digitaler Lösungen beschleunigt werden. Im Zuge der Umsetzung des Pakets „Saubere Energie“ ließe sich so die intelligente Verbrauchsmessung einführen, die Laststeuerung fördern und die Interoperabilität energiebezogener Daten ermöglichen. Darüber hinaus wird der Aktionsplan Fördermöglichkeiten der EU wie die Fazilität „Connecting Europe“, InvestEU, das Programm „Digitales Europa“ und die Strukturfonds nutzen, um im Rahmen von Horizont Europa entwickelte Lösungen voranzubringen.

Schließlich werden Forschung und Innovation ein Schlüsselfaktor für die Schaffung und Nutzung neuer Synergien im Energiesystem sein, beispielsweise in Bezug auf die Elektromobilität, den Wärmesektor oder die Dekarbonisierung energieintensiver Industrien. Die Forschung sollte sich darauf konzentrieren, Technologien mit geringerer Reife auf den Markt zu bringen, während ausgereiftere und innovative Technologien durch großmaßstäbliche Demonstrationsprojekte im Rahmen des vorgeschlagenen Programms Horizont Europa und seiner Partnerschaften und unter Nutzung von Komplementaritäten zwischen den verschiedenen EU-Förderprogrammen ausgebaut werden sollten. Die technologische Entwicklung muss Hand in Hand mit gesellschaftlicher Innovation gehen.

Schlüsselmaßnahmen

• Annahme eines Aktionsplans für die Digitalisierung des Energiesektors zur Entwicklung eines wettbewerbsorientierten Marktes für digitale Energiedienstleistungen, der Datenschutz und -souveränität gewährleistet und Investitionen in die digitale Energieinfrastruktur unterstützt (2021)

• Entwicklung eines Netzkodex zur Cybersicherheit im Elektrizitätssektor56 mit sektorspezifischen Regeln zur Stärkung der Resilienz und für die Cybersicherheitsaspekte grenzüberschreitender Stromflüsse, gemeinsame Mindestanforderungen, Planung, Überwachung, Berichterstattung und Krisenbewältigung (bis Ende 2021)

• Erlass der Durchführungsrechtsakte zu Interoperabilitätsanforderungen und transparenten Verfahren für den Zugang zu Daten in der EU (erster Rechtsakt im Jahr 2021)57

55https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/communication-european-strategy-data-19feb2020_de.pdf

56Gemäß Verordnung (EU) 2019/943.

57Gemäß Artikel 24 der Richtlinie (EU) 2019/944.

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• Veröffentlichung einer neuen wirkungsorientierten Prognose zu Forschung und Innovation im Bereich der sauberen Energie für die EU, um sicherzustellen, dass Forschung und Innovation die Integration des Energiesystems unterstützen (bis Ende 2020)

4. SCHLUSSFOLGERUNGEN

In dieser Mitteilung werden eine Strategie und ein Maßnahmenpaket vorgestellt, mit denen dafür gesorgt werden soll, dass die Systemintegration ein Baustein ist für das Energiesystem der Zukunft – ein System, das effizient, resilient und sicher ist und das von zwei Zielen geleitet wird: einem saubereren Planeten und einer stärkeren Wirtschaft für alle.

Der Übergang zu einem stärker integrierten Energiesystem ist für Europa heute wichtiger denn je. Erstens für die wirtschaftliche Erholung. Die COVID-19-Pandemie hat die europäische Wirtschaft geschwächt und gefährdet den künftigen Wohlstand der europäischen Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen. Diese Strategie ist Teil des Aufbauplans. In ihr wird ein Weg in die Zukunft vorgeschlagen, der kosteneffizient ist, gezielte Investitionen in Infrastruktur fördert, verlorene Vermögenswerte vermeidet und zu niedrigeren Kosten für Unternehmen und Kunden führt. Kurz gesagt ist sie von entscheidender Bedeutung, damit die EU diese Krise schneller überwindet und die erforderlichen EU-Mittel (auch aus dem Kohäsionsfonds) sowie private Investitionen mobilisiert werden. Zweitens für die Klimaneutralität. Die Integration des Energiesystems ist von entscheidender Bedeutung, um angehobene Klimaziele für 2030 und Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Sie nutzt das Energieeffizienzpotenzial, ermöglicht eine stärkere Integration erneuerbarer Energien, den Einsatz neuer, dekarbonisierter Brennstoffe und einen stärker kreislauforientierten Ansatz bei der Energieerzeugung und -übertragung.

Schließlich ist ein wirklich integriertes Energiesystem von entscheidender Bedeutung für die Gestaltung der weltweit führenden Stellung Europas bei sauberen Energietechnologien. Dabei kann es auf den bereits bestehenden Stärken Europas aufbauen: einer etablierten Führungsrolle im Bereich der erneuerbaren Energien, einem regionalen Ansatz für den Netzbetrieb und die Infrastrukturplanung, liberalisierten Energiemärkten, sowie auf Exzellenz bei Innovation und Digitalisierung im Energiebereich.

Wir sind noch weit davon entfernt, wo wir im Jahr 2050 sein müssen. Um dorthin zu gelangen, ist dringend grundlegendes und weitreichendes Handeln erforderlich. Das Paket „Saubere Energie“ von 2018/2019 bildet die Grundlage für die Systemintegration und sollte vollständig umgesetzt werden. Die hier skizzierten neuen Maßnahmen geben vor dem Hintergrund des Grünen Deals den Umfang und das Tempo der Schritte vor, die für den Übergang zum Energiesystem der Zukunft notwendig sind. Sie unterstützen die ehrgeizigeren Klimaziele der EU und geben inhaltliche Impulse für die Überarbeitungen mehrerer Rechtsvorschriften – Vorschläge, die für Juni 2021 geplant sind. Wir müssen jetzt handeln.

Selbstverständlich wird es für die Systemintegration nicht den einen Standardprozess geben, denn trotz des gemeinsamen Ziels einer klimaneutralen EU bis 2050 haben die Mitgliedstaaten der EU unterschiedliche Ausgangspositionen. Daher werden sie je nach ihren jeweiligen Gegebenheiten, Ressourcen und politischen Entscheidungen unterschiedliche Pfade verfolgen, die sich bereits in den jeweiligen nationalen Energie- und Klimaplänen widerspiegeln. Die vorliegende Strategie ist ein Kompass, um diese Anstrengungen in die gleiche Richtung zu lenken.

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Die Bürgerinnen und Bürgern spielen für die Systemintegration eine zentrale Rolle. Dies bedeutet, dass sie die Umsetzung dieser Strategie mitgestalten sollten. So sollten sie den Klimapakt und andere bestehende Bürgerforen nutzen, um die Agenda zur Systemintegration voranzubringen.

Mit dieser Mitteilung fordert die Kommission den Rat, das Parlament, die anderen EU-Organe und alle Akteure auf, das Augenmerk darauf zu richten, wie die Integration der Energiesysteme in Europa vorangebracht werden kann. Sie beabsichtigt, interessierte Kreise Ende dieses Jahres zu einer öffentlichen Großveranstaltung einzuladen, auf der das Thema diskutiert werden soll, und sie aufzufordern, sich an den öffentlichen Konsultationen und Folgenabschätzungen zu beteiligen‚ die in die Ausarbeitung der für 2021 und darüber hinaus geplanten Vorschläge für Folgemaßnahmen einfließen werden.

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