Bundeswehr Ausgabe 1 / 2008 Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände

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Bundeswehr Flugsicherheit Ausgabe 1 / 2008 Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände

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Herausgeber: Luftwaffenamt - General Flugsicherheit in der Bundeswehr
Redaktion: Hauptmann Klemens Löb, Tel.: 02203 - 9083124 Luftwaffenkaserne 501/07 Postfach 906110 51127 Köln
[email protected] [email protected]
Erscheinen: dreimonatlich
Druck: SZ Offsetdruck-Verlag Herbert W. Schallowetz GmbH 53757 Sankt Augustin
Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände
Heft 1 März 2008 - 45. Jahrgang
Editorial 1
Fiese Fasern? 19
Schmidt Brigadegeneral
Es ist noch nicht lange her, da haben wir 50 Jahre Bundeswehr ge- feiert.
Für die Fliegerei heißt das 50 Jahre Flugerfahrung mehr als ein aktives Fliegerleben normalerweise ansam- meln kann. Kaum irgendwo ist diese fliegerische Erfahrung nachvollzieh- barer dokumentiert als in den Unfall- akten des General Flugsicherheit in der Bundeswehr.
Ich meine es ist daher nicht nur an der Zeit, sondern wir sind es auch den Betroffenen und unseren nachfol- genden Fliegergenerationen schuldig, diese Erfahrungen weiterzugeben.
Beginnend mit dieser Ausgabe wollen wir eine Serie mit dem Titel „Learning the hard way“ eröffnen, die anhand der Schilderung länger zurückliegender Unfälle die Fortent- wicklung und Verbesserung der für den Flugbetrieb anzuwendenden Vor- schriften aufzeigt oder zu technischen Änderung an den Luftfahrzeugen bzw. deren Ausrüstung geführt haben.
Ein anderer Beitrag aus dem all- täglichen Flugbetrieb befasst sich mit Situationsbewusstsein und der Kom- munikation mehrerer Luftfahrzeug- besatzungen und einer Flugsiche- rungsdienststelle. Es ist erstaunlich, wie aus der (keinesfalls ungewöhn- lichen) Situation beinahe ein folgen- schwerer Flugunfall entstanden wäre. Nur mit einer gewaltigen Portion Glück können wir heute entspannt darüber sprechen. Eine Abweichung bzw. ein Missverständnis war der Auslöser. Die sich hieraus entwickelnde Situa- tion zeigt uns im Nachhinein, was al- les möglich ist. Bitte nehmen Sie sich die Zeit diesen Beitrag mit den Erklä- rungen aus den unterschiedlichsten Perspektiven auf sich wirken zu las- sen.
Jetzt, hier an meinem Schreibtisch, ohne Zeitdruck und völlig entspannt, fallen mir viele Möglichkeiten ein, die diesen Zwischenfall vermieden hätten. Nachher ist man immer schlauer!
Wichtig ist, dass wir aus dem Er- lebten lernen. Was unternehmen wir, um Missverständnisse und Fehler zu- künftig zu vermeiden?
Von dieser Stelle mein Dank und meine Anerkennung an die Akteure des oben beschriebenen Zwischen- falls, die ihre Karten offen auf den Tisch legten, um somit zur Klärung und hoffentlich zukünftigen Vermei- dung eines solchen Zwischenfalls bei- getragen haben.
In diesem Sinne Fly safe
Flugsicherheit
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Nachfolgend wird über einen AIRPROX (Aircraft Proxi- mity), d. h. unbeabsichtigte Flugzeugannäherung zwischen einer PA 200 TORNADO und einer C-160 TRANSALL im Instrumen- tenanflug auf einen süd- deutschen Militärflugplatz berichtet.
Dieser Vorfall wurde in den Flie- genden Gruppen der beteiligten Ver- bände und in der örtlichen militärischen Flugsicherung des angeflogenen Flug- platzes ausführlich erörtert. Er eignet sich für die CRM-Weiterbildung und wird deswegen hier einem größeren Leserkreis vorgestellt.
- entscheidende Faktoren für die Flugsicherheit
GenFlSichhBw dankt den beteilig- ten Besatzungsangehörigen, Flugver- kehrskontrolloffizieren und deren Vor- gesetzten für die kooperative und kon- struktive Mitarbeit bei der Erarbeitung dieses Artikels.
Aus Gründen des Personen- schutzes sind alle Angaben anonymi- siert worden.
Auszug aus dem Abschlußbericht des Luftwaffenamtes, Abteilung Flugbetrieb in der Bundeswehr (der Abschlußbe- richt wurde mit dem FSStOffz bei GenFl- SichhBw abgestimmt):
Am 14.11.2006 um 1013z kam es nördlich des Flugplatzes X zu einer Staffelungsunterschreitung mit ge- fährlicher Annäherung zwischen einer C-160 TRANSALL (Rufzeichen „GAF 850“) und einem PA 200 TORNADO (Rufzeichen „HAWK“), in deren Ver- lauf bei der C-160 ein TCAS Alert mit Resolution Advisory ausgelöst wurde (Anmerkung des Verfassers: daraufhin wurde ein Ausweichmanöver einge- leitet).
Die C-160 befand sich auf einem lokalen IFR-Flug von und zum Heimat- standort, mit bereits beendetem VFR- Anteil im Übungsgebiet POLYGONE. Zum Zeitpunkt des Vorfalles erhielt die C-160 durch die dort zuständige mili- tärische Anflugkontrollstelle Radarvek- toren für einen Übungsanflug nach X. Der TORNADO führte auftragsgemäß einen Übungsflug IFR/VFR durch, der zu einem auswärtigen Flugplatz führte. In X sollte ein Radaranflug durchge- führt werden. Dazu befand sich der Tornado ebenfalls unter Führung von X-RADAR.
Die ASR-Position bei X-RADAR war zu diesem Zeitpunkt mit einem Student-Controller und einem Aus- bilder besetzt. Drei Luftfahrzeuge wurden zur betreffenden Zeit geführt: RAPTOR (für den Vorfall nicht weiter relevant), HAWK und GAF 850.
Die Wettermeldung für den Flug- platz X lautete:
ETXX 140920Z 24010KT 9999 –RADZ BKN013 OVC 025 11/08 QNH 1014 GRN WHT TEMPO GRN
Bildbearbeitung LB
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Anhand der vorliegenden Radar- daten konnte der Vorfall nachvoll- zogen werden. Beide Luftfahrzeuge wurden von Westen kommend ange- zeigt. Der TORNADO befand sich im Sinkflug aus FL 080 und näherte sich der angegebenen Position mit einem Kurs von ca. 90°. Die TRANSALL be- fand sich in 5.000 Fuß und begann einen langsamen Sinkflug auf 4.000 Fuß. Sie steuerte mit ca. 80° auf die Position zu. Der Schnittpunkt der bei- den Flugwege lag bei 1013:08z.
Der TORNADO überflog die TRANS- ALL mit einem Höhenunterschied von 1.400 Fuß. Um 1013:18z erreichte der TORNADO 5.400 Fuß, sank wei- ter und befand sich jetzt genau rechts querab der C-160 und 900 Fuß höher als diese. Dies stellte gleichzeitig die größte horizontale Annäherung unter- halb der normalen IFR-Staffelung mit 0,13 NM dar.
Um 1013:37z war eine leichte Linkskurve der C-160 zu beobachten, die durch den Copiloten nach eige- ner Aussage eingeleitet wurde als der TORNADO in Sicht kam. Um 1013:42z befanden sich beide Luftfahrzeuge auf gleicher Höhe in 3.800 Fuß. Dabei bestand ein horizontaler Abstand von 0,57 NM. Diese stellte gleichzeitig die niedrigste Flughöhe von dem TORNA- DO dar. Die zugewiesene Flughöhe von 6.000 Fuß war damit um 2.200 Fuß unterschritten worden.
Ab 1013:51z konnte ein schneller Steigflug des TORNADO auf 6.000 Fuß beobachtet werden.
Gemäß Meldung wurde die Be- satzung der C-160 durch das TCAS- System alarmiert, welches ein Flugziel darstellte, das sich rasch von oben näherte. Innerhalb sehr kurzer Zeit wurde aus der Warnung eine Resoluti- on-Advisory mit der Aufforderung zum Sinkflug. Der Sinkflug wurde bei 3.800 Fuß vor Erreichen der Minimum Sector Altitude von 3.600 Fuß beendet. Die Besatzung der C-160 hatte den TOR- NADO erst in Sicht, als er sich rechts vor der TRANSALL in einer Entfernung
von ca. 300 - 400 Metern auf glei- cher Höhe befand. Daraufhin wurde eine leichte Ausweichbewegung nach links eingeleitet, die auch auf dem Ra- darbild zu sehen ist.
Bewertung: Die Verkettung ungünstiger Um-
stände führte im vorliegenden Fall zum Zustandekommen einer gefährlichen Situation, die hier nur durch Glück nicht in einem Flugunfall resultierte. Ursächlich für deren Zustandekom- men waren die durch die TORNADO- LFB offensichtlich missverstandene Höhenzuweisung verbunden mit der verzögerten Klärung des Sachver- haltes durch die Besatzung und der daraufhin begonnene Sinkflug auf 2.000 Fuß. Dieser Fehler hätte even- tuell durch die Flugsicherung erkannt und korrigiert werden können, als die Besatzung die Höhenzuweisung wie- derholte, was laut Tonbandumschrift „kaum verständlich“ geschah. Die Ein- haltung der zugewiesenen Flughöhen konnte trotz Einsatz des CIMACT-Sy- stems (Civil/Military ATM/Air Defence Coordination Tool), das die Über- wachung der Flugparameter ohne aktive Eingabe seitens des Lotsen ermöglichen soll und eine deutliche Verbesserung bei der Darstellung von Radardaten bedeutet, nicht lückenlos überwacht werden, da zum Zeitpunkt der Überlappung beider Flugziele kei- ne Höhendaten des TORNADO zur Anzeige kamen.
Der Vorfall wird in die Risikokate- gorie „B“ („Luftfahrzeugannäherung, bei der die Sicherheit des Luftfahr- zeuges hätte gefährdet sein können.“) eingestuft.
Darstellung des Ereignisses aus der Sicht des verantwortlichen Luftfahrzeug- führers TORNADO
Am Dienstag, den 14. November 2006, hatten Major A und ich (VLF) den Auftrag, einen Flug von Y zu einem Flugplatz im Süden Deutschlands nach vorherigem Überflug diverser
Ziele durchzuführen. Wir hatten für den ersten Teil der Route IFR und für den zweiten Teil bis zum Zielflughafen VFR geplant.
Im Verantwortungsbereich von X- Radar erbaten wir dann, nach abge- schlossenen „Descent and Recovery Checks“, das Verlassen der momen- tanen Flughöhe mit dem gleichzei- tigen Request, einen Radaranflug in X durchführen. Von X-Radar wurde ein Absinken auf 6.000 Fuß mit der Hö- henmessereinstellung von 1014 hpa genehmigt und von uns bestätigt. Während des Absinkens nahm ich an, dass wir bereits eine weitere Freigabe für eine tiefere Höhe erhalten hatten und setzte den Sinkflug fort. Ange- nommen wurde eine Freigabe auf 2.000 Fuß MSL. Nach aufkommenden Zweifeln in der Crew an dieser Frei- gabe erbat ich von X-Radar eine Bestätigung der letzten uns zuge- wiesenen Höhe. X-Radar bestätigte 6.000 Fuß.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die mir zugeteilte Höhe um ca. 2.000 Fuß unterschritten.
Ich setzte sofort zum Steigflug an, um einige Sekunden darauf den Ge- radeausflug in einer Höhe von 6.000 Fuß fortzusetzen.
In diesem Zeitraum hörte ich, dass eine deutsche TRANSALL mit dem Rufzeichen GAF 850, die im Funk- dialog mit X-Radar stand, eine Bestä- tigung unserer Höhe haben wollte.
Nachdem der Anflug in X wie ge- plant mit einem Low Approach been- det wurde, bekamen wir im Rahmen des Abfluges einen Wechsel der Fre- quenz von X-Radar zur Radaranflug- kontrolle des Zielflughafens. Nach drei weiteren Radarpattern landeten wir am Zielflughafen.
Bei der Durchführung der Flug- nachbesprechung von uns als Crew wurde der Vorfall aufgearbeitet und im direkten Anschluss daran Kontakt zu Teilen der Besatzung der C-160 auf- genommen.
Situationsbewusstsein und Kommunikation
Eine Besonderheit in unserer Flug- sicherungsstelle ist, dass wir zur Dar- stellung der Verkehrssituation in un- serem Zuständigkeitsbereich (ZB) das CIMACT-System nutzen. Es bezieht seine Radardaten sowohl von der platzeigenen ASR-910 als auch von ex- ternen Radarantennen der Deutschen Flugsicherung DFS.
Zwischenzeitlich war die Datenlei- tung für die fünf externen Radaranten- nen des CIMACT-Systems durch die zuständige DFS-Niederlassung aus technischen Gründen abgeschaltet worden. Ab diesem Zeitpunkt standen uns grundsätzlich nur noch der Trans- ponder Code und die Anzeige für Alti- tude/FL auf dem CIMACT-Bildschirm zur Verfügung, basierend auf den Radardaten unserer eigenen Radar- anlage. Doch nun zu der eigentlichen Verkehrssituation:
Die bereits erwähnte TRANSALL meldete sich um 1003z auf einer VHF-Frequenz. Der Auszubildende wies unseren Squawk zu und führte sie nach der Identifizierung, unter Bei- behaltung einer Flughöhe von 5.000 Fuß, auf Vektor 060 Grad ins nördliche
Darstellung des Vorfalls aus der Sicht des verantwortlichen Radarlotsen
Ich werde in meiner Einheit über- wiegend als Wachleiter auf dem Platz- kontrollstand eingesetzt, verfüge aber auch über die örtlichen Zulassungen für die Radaranflugkontrolle.
Am 14.11.06 leistete ich zum Er- halt meiner Radarzulassung Dienst in der örtlichen Anflugkontrollstelle. Der diensthabende Radarwachleiter teilte mich als Radaranflugkontrolloffizier für die Rundsuchradarposition und zusätzlich als Ausbilder für einen Sol- daten ein, der sich in Ausbildung am Arbeitsplatz (AAP) befand.
Neben den Informationen zum lo- kalen Flugbetrieb erhielten wir nach und nach zusätzliche Flugpläne für Übungsanflüge platzfremder Luftfahr- zeuge. So hatten u. a. die Besatzung einer TRANSALL eines Nachbarver- bandes, eines TORNADO aus dem Norden sowie eines weiteren platz- fremden TORNADO (für die nach- folgende Schilderung nicht relevant) kurzfristig einen Anflug an unserem Platz geplant.
Radarpattern. Um 1006z änderte er die Richtung auf 080 Grad.
Um 1010z meldete sich die Be- satzung des TORNADO aus Nord- deutschland auf einer UHF-Frequenz für einen Radaranflug an. Sie befand sich 20 NM im West-Nordwesten im Sinkflug auf die noch von der DFS- Stelle zugewiesene Flugfläche 80.
Um 1011z erteilte der Student Con- troller die Anweisung zum Sinkflug auf 6.000 Fuß Höhe mit Steuerkurs 090 Grad für den nördlichen Gegenanflug, was nach unserer Meinung auch von der Besatzung so bestätigt wurde.
Um 1012z wurde die TRANSALL ihrerseits zum Sinkflug von 5.000 auf 4.000 Fuß Höhe angewiesen, was korrekt zurückgelesen wurde.
Die beiden Luftfahrzeuge befanden sich nun auf konvergierenden Kursen im Sinkflug. Aufgrund der Anwei- sungen des Auszubildenden an die Flugzeugbesatzungen hätte zwischen beiden Luftfahrzeugen jedoch noch mehr als die vorgeschriebene vertikale Mindeststaffelung von 1.000 Fuß be- stehen müssen. Diese Verkehrssitua- tion mit insgesamt drei Luftfahrzeugen
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stellte sich somit zu keinem Zeitpunkt als ein Problem für uns dar.
Eine falsche Einschätzung, wie wir später herausfinden sollten!
Schließlich kam es dann zu der er- warteten Zielüberlappung. Ab diesem Zeitpunkt trat unser bekanntes „ASR- Problem“ auf: es konnten auf dem Radarschirm keine Höhen ausgelesen werden bzw. diese wurden nicht an- gezeigt.
Kurze Zeit später, um 1012:57z meldete dann die LFB der TRANSALL einen TCAS Sinkflug.
Mein Student beantwortete dies mit dem Hinweis auf den TORNADO, der sich mindestens 1.000 ft über der TRANSALL befinden musste.
Um 1013z fragte der TRANSALL- Pilot erneut nach, ob wir die Informa- tion über den TCAS-Sinkflug aufge- nommen hätten.
Der Student erwiderte nochmals, dass die TRANSALL durch einen TORNADO ca. 1.000 Fuß höher über-
flogen würde, dieser aber „no factor“ sei.
Bis zu diesem Zeitpunkt schätzten wir die Situation nach wie vor falsch ein. Erst als die Besatzung der TRANSALL darauf hinwies, dass der TORNADO sich während des Sinkfluges auf glei- cher Höhe mit ihr befunden hatte, rüttelte uns diese Meldung sozusa- gen „wach“. Die Ursache für den of- fensichtlichen NEAR MISS blieb uns aufgrund der fehlenden Höhendar- stellung im entscheidenden Moment verborgen.
Sie wurde erst klar, als sich die LFB des TORNADO nach zwischenzeit- lichem Hinterfragen der freigegeben Höhe um 1013:55z wieder in 6.000 Fuß meldete.
Die TORNADO-Besatzung war irrtümlicher Weise unter die freigege- bene Höhe gesunken und anschlie- ßend wieder auf 6.000 Fuß gestiegen, was wir beides nicht bemerkt hatten. Das Readback der ersten Anweisung,
den Sinkflug auf 6.000 Fuß auszufüh- ren, war von mir, meinem Studenten und sogar vom Wachleiter vermeint- lich mit 6.000 Fuß gehört worden. Hätte ich nur den geringsten Zweifel an der Richtigkeit des Readbacks ge- habt, wäre dieses unverzüglich von mir korrigiert worden, wie ich es bis dato in meiner 15-jährigen Flugsiche- rungstätigkeit als eine Selbstverständ- lichkeit angesehen habe.
Um Situationen wie der obigen vor- zubeugen, werde ich zukünftig - wann immer möglich - eine kombinierte Staf- felung (vertikal und lateral) anwenden.
Des Weiteren werde ich mein Au- genmerk verstärkt auf ein eindeutiges Readback richten und bei Zweifeln penetrant auf eine erneute Wieder- holung beharren.
Ich rege außerdem an, dass alle für den Instrumentenflugbetrieb zugelas- senen Luftfahrzeuge mit TCAS ausge- rüstet werden. Die Flugsicherheit sollte uns diese Anschaffung Wert sein.
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Sachstand Nach hiesigem Kenntnisstand be-
fand sich der TORNADO mit dem Ruf- zeichen „HAWK“ unter Kontrolle von X-Radar im freigegebenen Sinkflug von 8.000 Fuß auf 6.000 Fuß. Die zu- gewiesene Flughöhe wurde durch den TORNADO des Verbandes um mehr als 1.000 Fuß unterschritten, bevor die LFB den Fehler erkannte und die freigegebene Flughöhe wieder ein- nahm. Im unmittelbar angrenzenden Luftraum befand sich eine C-160 im Sinkflug von 5.000 Fuß auf 4.000 Fuß. In einer Flughöhe zwischen 5.000 Fuß und 4.000 Fuß erhielt die Besatzung der C-160 eine TCAS-Ausweichemp- fehlung (TCAS-Resolution Advisory) und leitete ein Ausweichmanöver ein.
Bewertung Zu der oben beschriebenen Staffe-
lungsunterschreitung und der daraus resultierenden TCAS-Ausweichemp- fehlung führten nach hiesiger Bewer- tung eine missverstandene Höhenzu- weisung sowie die verzögerte Klärung des Sachverhalts durch die Luftfahr- zeugbesatzung (LFB). Die hieraus re- sultierende Gefährdung des Luftver- kehrs konnte erst spät und nach einem Ausweichmanöver der C-160 beseitigt werden. Vorfälle dieser Art können, bei Zusammentreffen mehrer- er ungünstiger Faktoren,zu „Mid Air Collisions“ führen und müssen zum Anlass genommen werden, täglich geübte Verfahrensweisen zu überprü- fen. Hierbei ist offensichtlich, dass die LFB schneller und möglichst vor einer Änderung der Flughöhe jegliche Un- sicherheit über die letzte Flugfreigabe hätte klären müssen. Weiterhin fiel im Zuge der Nachforschungen auf, dass ein permanentes „Monitoring“ der Höhenstaffelung durch die Flugver- kehrskontrolle (FVK) mit dem derzei- tigen Hard- und Softwarestand nicht möglich ist, da überlappende Flugziel- symbole nicht zuverlässig ausgelesen werden können und die Anzeige der
Flughöhe einer aktiven Eingabe sei- tens des Fluglotsen bedarf. Dies ver- hindert eine kontinuierliche Kontrolle der Flugbewegungen und vor allem bei erhöhtem Verkehrsaufkommen ei- nen schnellen „Crosscheck“ durch die Flugverkehrskontrolle (FVK).
Im weiteren Verlauf war das Verhal- ten der LFB tadellos, die sich sofort um Klärung der Sachlage und ver- zugslose Information der fliegerischen Vorgesetzten wie auch des FSO be- mühte.
Empfehlungen Dieser Vorfall wurde in der FlgGrp
ausführlich erörtert und die LFB durch die zuständigen Disziplinarvorgesetz- ten ermahnt. Weiterhin haben die Betroffenen vor dem Hintergrund von CRM den Zwischenfall mit entspre- chenden Hinweisen zur bestmöglichen Bewältigung dieser und ähnlicher Si- tuationen den anderen Besatzungen des Geschwaders im Rahmen eines Briefings bekannt gegeben.
Das unter Ziffer 3 angesprochene eingeschränkte „Monitoring“ der Hö- henstaffelung durch das Flugverkehrs- kontrollpersonal sollte auf die Notwen- digkeit / Möglichkeit einer technischen Änderung des Abfrageverhaltens hin untersucht werden. Alternativ könnte eine Einrüstung von TCAS / ACAS auch für militärische Kampfflugzeuge in Betracht gezogen werden.
Kommentar SATCO Flugplatz X zum Abschlußbericht LwA AbtFlBtrb:
Mit der Bewertung sind wir grund- sätzlich einverstanden. Sie nennt die wesentlichen Faktoren, die zur Staf- felungsunterschreitung geführt ha- ben, welche aus unserer Sicht primär im cockpitseitigen Missverständnis liegen und sekundär in der nicht er- folgten Verifikation seitens ATC. Trotz- dem müssen mehrere Dinge präzisiert werden.
Erstens: Die Besatzung des TORNADO ging
fälschlicherweise von einer Freigabe zum Sinkflug auf 2.000 Fuß MSL aus.
Dieser Umstand wird in der Hergangs- beschreibung erwähnt. Unerwähnt bleibt er jedoch in der Bewertung, dort ist die missverstandene Höhen- zuweisung nur allgemein und kurz erwähnt. Unseres Erachtens muss hier deutlicher unterstrichen werden, dass eine solch tiefe Höhenfreigabe im Voralpenland sofort alle Aufmerk- samkeit auf sich hätte ziehen müssen. Im „CENOR-FLIP High/Low Altitude Instrument Approach Procedures Vo- lume 2“ wird als Minimum Sector Alti- tude 25 NM um X-TACAN eine Höhe von 3.600 Fuß angegeben. Ein kor- rektes und intensives Anflugbriefing hätte diesen Umstand unbedingt be- rücksichtigen müssen. Insofern bleibt der Hinweis auf einen, die ungünstige Kette potenziell durchschlagenden Faktor, in der Bewertung deutlich hin- ter unseren Erwartungen. Eine ent- sprechende Berücksichtigung und Würdigung dient allen LFB als Hinweis darauf, wie ernst ein solches Anflug- briefing zu nehmen ist.
Zweitens: Unseres Erachtens sollte das Wort
„eventuell“ gestrichen werden. Be- gründung:
Ein Zwischenfall im Luftverkehr re- sultiert i. d. R. aus einer Verkettung vieler ungünstiger Umstände. Die stan- dardisierten Verfahren und Sprech- gruppen haben stets zum Ziel, diese Kette durch Meldung und Rückmel- dung (Readback/Hearback) zu unter- brechen. Im vorliegenden Fall handelt es sich im weiteren Sinne um einen Readback/Hearback-Error. Dieser be- steht normalerweise darin, dass ein fehlerhaft erfolgtes Readback nicht durch ATC wahrgenommen wurde. Diese Fälle stellen in der militärischen und insbesondere in der Zivilluftfahrt einen bedeutenden Anteil an den Ursachen für Staffelungsunterschrei- tungen dar. Im konkreten Fall wurde ein nicht empfangenes Readback (was im Übrigen sogar verkehrt war: 2.000 Fuß) gar nicht erst erneut ange- fordert. An dieser Stelle bestand die
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letzte systemische Möglichkeit die un- günstige Kette zu durchschlagen. Da- her ist das Wort „eventuell“ unbedingt zu streichen. Mit der Streichung soll die Wichtigkeit dieses standardisierten Verfahrens deutlich betont werden. Ziel der Zwischenfalluntersuchungen ist es immer, aus den Vorfällen zu ler- nen und künftige Handlungen zu opti- mieren. Somit ist keinem gedient, die beitragende Ursache abzumildern.
Drittens: Die Bewertung ist dahingehend
zu korrigieren, dass bereits vor der Überlappung der Flugziele auf dem CIMACT-System die Höheninformati- onen des TORNADO fehlten. Die Ursa- che ist im vorletzten Absatz der Ablauf- beschreibung dargestellt (Darstellung eines „?“ statt der Höheninformation, bedingt durch die hohe Vertikalge- schwindigkeit des Luftfahrzeugs).
Viertens: Die Luftfahrzeugbesatzung des
TORNADO hat nicht nur die zugewie- sene Flughöhe um 2.200 Fuß unter- schritten, sie stieg nach Verifizierung der Freigabe zurück auf 6.000 Fuß. Auch dies birgt aus unserer Sicht er- hebliche Bedenken, die in der Bewer- tung nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Es wäre durchaus möglich gewesen, dass entweder in 5.000 Fuß Gegenverkehr zum Problem geworden wäre oder die Staffelungsunterschrei- tung mit der TRANSALL hätte gleich die nächste zur Folge gehabt (für den Fall, dass der TORNADO die Flughöhe der TRANSALL unterschritten und gleich danach wieder überschritten hätte.)
Dieser Umstand scheint uns zumin- dest diskussionswürdig im Sinne von „Wie geht eine Besatzung künftig damit um?“ Diese Frage muss diskutiert wer- den. Rein rechtlich hält sich die Besat- zung an die Freigabe während sie die ursprünglich zugewiesene Flughöhe wieder zu erreichen versucht. Doch die ursprünglich erteilte Freigabe hatte wesentlich andere Voraussetzungen. Analog zum Verhalten eines Lotsen bei
TCAS-RA muss es eine Handlungs- anweisung für Piloten bei sog. Level- Bust’s geben! Nach Rücksprache mit der fliegenden Seite des Verbandes existieren in dieser Hinsicht offenbar keine Handlungsanweisungen. Die Handlungsanweisung für Lotsen bei einer TCAS-RA wurde auch erst nach dem Überlingen-Unfall eingeführt!
Zusätzlicher Hinweis: Im eigenen Verband erfolgte am
nächsten Werktag eine erste Auf- arbeitung des Vorfalls anhand der vorliegenden Daten durch den Leiter FS-Betrieb. Bedingt durch Abwe- senheit erfolgte dann acht Werktage später durch den SATCO ein inten- sives Safety Briefing zur Thematik „Readback-/Hearback-Error“. Inhalt waren Statistiken zur Ursache von Staffelungsunterschreitungen bezüg- lich der Thematik sowie anschauliche Audio-Beispiele und wissenschaftliche Betrachtungen des gesamten ATM- Kommunikationsprozesses. Während des Briefings wurden auch Gründe für diese Fehler weitgehend erörtert und der vorliegende Fall intensiv mit den FS-Kontrollleitern besprochen. Es wurde besonders der Aspekt heraus- gestellt, der ATC-Crew keine Schuld zuzuweisen. Vielmehr wurde Wert da- rauf gelegt, die Sinne für ein Readback zu schärfen und die Situational Awa- reness zu erhöhen um künftig äußere Umstände zu erkennen, die geeignet sind, ein (fehlendes) Readback nicht mehr zu bemerken. Die anwesenden Kontrollleiter haben diese Thematik verstanden und das Briefing sehr be- grüßt.
Daher muss ALLEN, die diesen Vor- fall irgendwann lesen werden, bei der Lektüre bewusst werden, wie wichtig das Zuhören an sich und wie wichtig das Bestehen auf ein korrektes Read- back ist.
Schlußbemerkung GenFlSichhBw In ihrer Meldung hatte die Besatzung
der TRANSALL angegeben, dass die TCAS-Anlage in der Radarplatzrunde
des Flugplatzes X in 5.000 Fuß/IMC ohne vorherige Information durch den Radarlotsen angesprochen und „des- cent“ empfohlen habe. Während der Einleitung habe ein TORNADO die Flugbahn in gleicher Höhe in einer ge- schätzter Entfernung von ca. 100 m (!) gekreuzt.
Auch wenn die vom LwA AbtFlBtrb- Bw ermittelten Daten einen etwas grö- ßeren Abstand nahe legen, handelt es sich zweifelsohne um einen ernsten Vorfall, der nur durch eine gehörige Portion Glück nicht in einem Unfall endete. Er hat seine Ursachen in er- ster Linie im mangelnden Situations- bewusstsein sowie in unzureichender Kommunikation der LFB des TOR- NADO. Ob, wie vom SATCO darge- stellt, ein Read Back/Hear Back-Error vorlag, geht aus den übermittelten Unterlagen nicht eindeutig hervor.
Formalrechtlich gesehen ist die Handlungsweise des Flugsicherungs- personals nicht zu beanstanden. Die vorgesehene Staffelung war absolut ausreichend. Die Notwendigkeit zur Erteilung einer Verkehrsinformation wurde nicht gesehen; sie ist auch unter den gegebenen Rahmenbedingungen (IMC, ausreichende Staffelung) aus der Vorschriftenlage nicht ableitbar. In Hin- blick auf die gleichzeitige Radarfüh- rung von mit TCAS ausgerüsteten Luftfahrzeugen und nicht mit diesem System ausgerüsteten Luftfahrzeugen in engem räumlichem Zusammenhang erscheint es jedoch sinnvoll, wann im- mer möglich Verkehrsinformationen zu geben. Das TCAS generiert bekannt- lich auch bei hohen vertikalen Annä- herungsgeschwindigkeiten eine Re- solution Advisory (RA). Sie muss von der Besatzung befolgt werden und hat Vorrang vor den Kontrollanweisungen der Flugsicherung! Die Reaktion ei- ner LFB auf eine TCAS-RA kann eine plötzliche Änderung der Verkehrssitu- ation bewirken und somit unabseh- bare Folgen haben.
Im vorliegenden Fall wäre das Lage- bild der TORNADO-Besatzung durch
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einen Hinweis auf die TRANSALL möglicherweise entscheidend verbes- sert worden.
Zur Herstellung und Aufrechthalten eines angemessenen Situationsbe- wusstseins ist eine sorgfältige Vor- bereitung (preparation) sowie voraus- schauendes Handeln (anticipation) erforderlich.
Die Vorbereitung beginnt mit der Planung des Fluges bzw. des Ein- satzes im Flugsicherungsdienst. Wich- tig hierbei ist eine intensive Ausein- andersetzung mit allen relevanten Ri- sikofaktoren, welche die erfolgreiche und sichere Auftragserfüllung beein- flussen können. Es sind dies nicht zu- letzt Ausbildung- und Erfahrungsstand sowie Proficiency der Akteure, aber auch zum Beispiel die Erörterung und das Einprägen kritischer Missions- segmente (wie Anflugverfahren des Flugplatzes X und einzuhaltende Hö- hen). Genauso wichtig ist es, dass das Flugsicherungspersonal detailliert über die fliegerischen Vorhaben und die Besonderheiten der Luftfahrzeuge (z.B. TCAS) informiert ist.
Vorausschauendes Handeln ist eine Fertigkeit, die schwer zu erler- nen ist. Auf den fliegerischen Bereich übertragen heißt es „dem Flugzeug voraus zu sein“, die entscheidenden Werte für den nächsten Flugabschnitt zu kennen und darüber hinaus einen Plan mit Alternativen im Hinterkopf zu haben. Gleiches gilt für die Flugsiche- rung. So ist zum Beispiel im voraus zu berücksichtigen, dass ortsfremde Luftfahrzeugbesatzungen nicht im selben Maße mit den An- und Abflug- verfahren vertraut sind wie eigene Be- satzungen. Sie müssen daher in der Regel enger überwacht und intensiver angeleitet werden.
Situationsbewusstsein kann verlo- ren gehen. Wichtig ist zu erkennen, dass es verloren ging und dann ent- sprechend zu reagieren. Dabei kommt es gerade in der Zusammenarbeit der LFB mit der Flugsicherung auf eine eindeutige Kommunikation unter Nut-
zung der Standard-Phraseologie an. Situationsbewusstsein und Kommu- nikation einiger an o. a. Vorfall betei- ligten Akteure waren offensichtlich nicht geeignet, das erforderliche Maß an Flugsicherheit zu gewährleisten. Aus ihren Schilderungen wird ersicht- lich, dass sie daraus Lehren für die Zukunft ziehen, um ähnliche Vorfälle zu vermeiden.
Der Kommandeur Fliegende Gruppe des TORNADO-Verbandes sowie der SATCO des Flugplatzes X weisen aber zu Recht auf zusätzliche Aspekte hin, die einer näheren Untersuchung / Klä- rung bedürfen. Dies betrifft zum einen die geschilderten Einschränkungen in der permanenten Überwachung der Flughöhe durch die Flugverkehrskon- trolle. Offensichtlich gibt es beim Ein- satz der Radaranlage ASR-910 nicht nur bei Zielüberlappungen Anzeigepro- bleme, sondern auch bei hohen Verti- kalgeschwindigkeiten von Luftfahrzeu- gen. Ebenso dringlich erscheint eine harmonisierte Handlungsanweisung für Luftfahrzeugbesatzungen bezüg- lich sogenannter „Level Bust’s“.
Beiden Aspekten wird GenFlSichh- Bw nachgehen.
Die Einrüstung von TCAS/ACAS in alle militärische Kampfflugzeuge bzw. alle für den Instrumentenflugbetrieb zugelassenen Flugzeuge der Bundes- wehr ist sicherlich wünschenswert. Bei bekannt knappen Ressourcen sieht GenFlSichhBw jedoch andere Prioritäten, um die Flugsicherheitslage stabil zu halten oder möglichst noch zu verbessern.
In der Instandsetzung sollte an einer CH-53G im Bereich des TechnFlTrp ein AFCS-Bauteil (Giersteuerungs- Arbeitszylinder) gewechselt werden. Das erforderliche Ersatzteil wurde ZK (Zustandskode) „A“ angeliefert.
Hauptgefreiter Florian Köthe (Inst- Helfer ATN 8) interessierte sich für den auf der Werkbank stehenden Arbeits- zylinder und ihm fiel auf, dass eine Drahtsicherung der Trägerbaugruppe falsch herum angebracht war. Ferner stellte er fest, dass die Verschraubung zwischen Gelenkkopf und Dämpfer- kolben falsch gesichert war. Der vor- handene Sicherungsdraht war ohne Wirkung nur um die Mutter geführt und nicht wie vorgesehen an der Kol- benstange gegengesichert.
Bravo - gut gemacht!
Bravo - gut gemacht!
Es ist Freitagnachmittag und ich stehe unterhalb des Kontrollturms eines Luftwaffenplatzes, um die Landung einiger historischer Flugzeuge zu beobachten. Sie sollen zusammen mit Flugzeugen der Bundeswehr und der lokalen Sportfluggruppe am Folgetag in einem Static Display zu besich- tigen sein. Vorgesehen sind eine Harvard T-6,
Messerschmidt Me-108, Me-109 und Me-262. Nicht jeden Tag hat man die Gelegenheit, solch ge- schichtsträchtige Luftfahr- zeuge im Flug bewundern zu können. Als Luftfahrt- begeisterter will ich mir diese Chance natürlich nicht entgehen lassen, zumal ich nicht weit vom Fliegerhorst wohne.
Nach Plan müsste das erste Luft- fahrzeug gleich kommen, die Me-109.
Ich habe mich bewusst in Höhe des Kontrollturms postiert, weil ich an- nehme, dass der Luftfahrzeugführer (LFF) eine Landung auf Gras plant und daher die nahegelegene Lane ansteuert. Alles scheint bestens: das Wetter spielt mit, der Boden ist tro- cken, die Lane sieht wie immer ge- pflegt aus, der Kontrollturm ist mit sehr erfahrenem Personal besetzt und das Empfangskomitee (Lfz-Technik, Betreuungsoffizier) steht bereit.
Wenn’s drauf ankommt, sind die Angehörigen dieses Verbandes immer gut drauf - das weiß ich aus eigener Erfahrung, war ich doch jahrelang hier stationiert.
Pünktlich fliegt die Me-109G „Beu- le“ den Platz an. Der Sound der Ma- schine und ihr schneller Überflug mit hochgezogener Rechtskurve in den Gegenanflug sind eindrucksvoll und ein Genuss für die zahlreichen Fans
Wirklich alles Standard?Wirklich alles Standard?
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am Boden. Wie vermutet will der LFF nicht auf der befestigten Piste lan- den, sondern steuert den Grasstrei- fen südlich der Bahn an. Diese Lane wird während der Flugplatzöffnungs- zeiten von Hubschraubern für Lande- übungen benutzt und ist mit rotweißen „Reitern“ kenntlich gemacht. Daher ist sie auch aus der Luft recht gut zu er- kennen. An Wochenenden und Feier- tagen wird von dort üblicherweise der Segelflugbetrieb der Sportfluggruppe abgewickelt. Gelegentlich starten dort auch leichte Motorflugzeuge.
Die Me steuert mit gedrosselter Motorleistung seitlich am Radom der PAR-80 vorbei und setzt zur Landung an, wird aber dann noch einmal kurz hochgezogen und schwebt schließlich ziemlich weit in die Lane hinein. Was ist das denn?
Der Grund für das kurze Hoch- ziehen ist mir nicht ersichtlich. Sei’s
drum, die Landung ist O.K. und der LFF rollt zügig zum vorgesehenen Ab- stellplatz.
Natürlich eile ich hinterher, um dieses wirklich eindrucksvolle Flug- zeug aus der Nähe zu betrachten und dem LFF guten Tag zu sagen. Man sieht ihm an, dass ihm die Flie- gerei mit dieser fliegerischen Legende Spaß macht. Nachdem er sich ge- stärkt hat, kommt er auf den Anflug zur Landung auf die Lane zu spre- chen. „Da hat mich irgendwas ge- stört, und deswegen habe ich noch einmal hochgezogen!“. Meine Frage, ob er die PAR-80 Anlage und den da- neben liegenden Verteilerkasten meint, verneint er: „Nein, da war noch irgend- was anderes, ein Mast oder so“. „Kann doch nicht sein“, sage ich. „Da ist doch sonst nichts, ich kenne diesen Flugplatz wie meine Hosentasche. Au- ßerdem ist mir nichts aufgefallen, und ich stand höchstens 120 Meter weg“.
Aber er besteht darauf, dort etwas gesehen zu haben. Also fahren wir kurz entschlossen hin. Und - mich trifft der Schlag - er hat tatsächlich Recht. Da steht zwar kein Mast im Gras, aber eine etwa 1,50 hohe Eisenstange mit einem Warnschild hinsichtlich des Strahlenbereichs des Präzisionsan- flugradars PAR-80. In Anflugrichtung ist sie gut zu sehen, jedoch nicht quer- ab von der Seite, auch vom Kontroll- turm nicht. Aber an fünf von sieben Tagen in der Woche steht sie dort. Für den Hubschrauberbetrieb ist sie nicht relevant. Wenn die Segelflieger am Wochenende aktiv sind, wird sie vorsichtshalber herausgezogen. Aber heute ist erst Freitag!
Verdammt, an dieses blöde Warn- schild habe ich überhaupt nicht mehr gedacht! Dabei habe ich es früher tag- täglich gesehen. Warum ist mir seine Existenz entgangen? Vielleicht weil
Flugsicherheit
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Flugsicherheit
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ich zuletzt nur an Wochenenden vor Ort war? Oder liegt es daran, dass für mich alles „Standard“ und kein beson- deres Risiko zu erkennen war?
Offensichtlich nicht nur für mich, da auch niemand der aktiven Ver- bandsangehörigen die Grasfläche hin- sichtlich der Eignung für die Landung der Me-109 überprüft hat.
Wie schon erwähnt ist es Standard, dass in der Lane auch Motorflug- zeuge (z. B. die Bücker Jungmann der Sportfluggruppe) landen. Die Flugver- kehrskontrolloffiziere und viele andere Angehörige der Fliegenden Gruppe wissen dies. Aber es ist Standard am Wochenende, nicht während der Woche! Wäre eine detaillierte Vorbe- sprechung aller Beteiligten und eine gründliche Risikoanalyse durchgeführt worden, wäre sicherlich das Warn- schild entdeckt und entfernt worden. Nicht auszudenken, wenn die Me-109 nun dagegen gestoßen wäre!
Ich bin ziemlich sauer. Nicht so sehr über die fehlende Vorsorge des Ver- bandes, sondern über mich selber. Als Angehöriger der Dienststelle General Flugsicherheit in der Bundeswehr be- fasse ich mich sozusagen tagtäglich mit Flugunfallprävention und versage nun bei der erstbesten Nagelprobe und das ausgerechnet auf „meinem“ Flugplatz, den ich so gut kenne. Da- bei hätte ich Zeit genug gehabt, selbst tätig zu werden!
Warum erzähle ich Ihnen dies al- les? Weil ich Sie warnen und davor bewahren will, ebenfalls in die „Stan- dard-Falle“ zu laufen. Sorgfältige Ri- sikoanalyse und überlegtes Risiko- management schützen Sie vor bösen Überraschungen. Nehmen Sie sich die Zeit dafür, auch wenn vermeintlich alles „Standard“ ist.
Glauben Sie mir, es zahlt sich aus!
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w
Als das Luftfahrzeug während des Startlaufes die Startabbruchgeschwin- digkeit (120 KIAS) erreichte, kreuzte ein Storchenschwarm (fünf bis sechs Vögel) die Startbahn. Dabei kam es zur Kollision mit zweien der Vögel. Ein Storch schlug oberhalb der rech- ten Fahrwerkgondel auf - der andere traf das rechte Triebwerk. Die TGT dieses Triebwerkes stieg augenblick- lich an und erreichte kurzzeitig 710°C (absolutes Maximum: 725°C), konnte jedoch nach einem Eingriff des Bord- technikers in den zulässigen Bereich zurückgeführt werden. Die Besatzung rotierte das Luftfahrzeug bei Erreichen der Aufrichtgeschwindigkeit und stieg auf 1.000 Fuß AGL. Während der anschließenden Platzrunde konnten bei einer Sichtprüfung Vogelreste im Lufteinlass des rechten Triebwerkes festgestellt werden, bevor eine Sicher- heitslandung erfolgte.
Ursache: Umwelt - Die Störche hielten sich
bis kurz vor der Kollision unentdeckt im hohen Gras entlang der Startbahn auf. Die Besatzung hatte vor dem Start keinen Hinweis auf erhöhte Vo- gelschlaggefahr erhalten.
Maßnahmen: Das Triebwerk wurde gewechselt.
Anmerkung Ein technisches Problem oder ein
Vogelschlag mit einem daraus resul- tierenden technischen Problem beim Start unmittelbar vor dem Abheben stellt ein erhebliches Stressmoment für die Cockpitbesatzung dar, das sich potenziert, wenn das Luftfahrzeug an der Leistungsgrenze betrieben wird. Im vorliegenden Falle war diese Grenze erreicht. Regelmäßig ist in solchen Fällen die Durchführung des Starts sicherer als der Versuch eines Start- abbruchs, auch wenn der anschlie- ßende Steigflug fehlerfrei erfolgen muss. Dies ist der Besatzung gelun- gen!
Ebenso fehlerfrei waren die Maß- nahmen, die die Besatzung eines PA 200 TORNADO am 8. November des Jahres 2001 einleitete, als ihr Luft- fahrzeug von mehreren Vögeln getrof- fen wurde. Der Vogelschlag ereignete sich, als das Luftfahrzeug während eines Übungswaffeneinsatzes auf dem Schießplatz der niederländischen Insel Vlieland in einer Höhe von 170 Fuß über See bei 500 KIAS mit meh- reren Trottellummen zusammen stieß. Dabei wurden beide Triebwerke so stark beschädigt, dass die Besatzung das Lfz aufgeben musste. In den 43 Sekunden, die zwischen der Kollision und dem kontrollierten Rettungsaus- stieg lagen, setzte der LFF Flugge- schwindigkeit in Höhe um, so dass 6.720 Fuß AGL bei 140 KIAS erreicht werden konnten.
Die Besatzung blieb unverletzt; das Luftfahrzeug stürzte auf das Schieß- platzgelände und wurde zerstört.
Vorgang: Die Besatzung befand sich auf einem Lufttransporteinsatz und war im Begriff, den Einsatz nach einer Zwischenlandung in Rabat (Marokko) fortzusetzen. Das Startgewicht betrug 49,0 Tonnen.
der Geier!der Geier! von Oberstleutnant Rüdiger Stein GenFlSichhBw
Flugsicherheit
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Beim Absprung zog sich der LFF keinerlei Verletzungen zu. Der Bruch des Handknochens ist mit Sicherheit durch die Baumlandung verursacht worden. Die Gesichtsverletzungen wurden durch den Vogel und die Plexi- glassplitter vor dem Ausstieg verur- sacht.“
Soweit der damalige Bericht. Zu ergänzen wäre noch, dass der Vogel- schlag und der Rettungsausstieg in einer Höhe von 500 Fuß AGL bei 320 KIAS erfolgten und dass das Lfz zer- stört wurde.
Etwa 5 Jahre später erstattete der HptFw Ch., 2. AG 52, folgende Mel- dung:
„Meldung zu meinem Schleuder- sitzausstieg mit C 2-Sitz aus F-104 G am 16.05.1967 15:55.
Am 16.05.1967 15:55 Uhr Zusam- menstoß mit einer Möwe. Verspürte einen heftigen Schlag am Kopf und konnte nichts mehr sehen. Verspürte rinnendes Blut am Hals und entschloss
Erstmalig (soweit nachvollziehbar) hatte sich ein gleichartiges Ereignis im Flugbetrieb der Bundeswehr vor fast 40 Jahren abgespielt. Am 11. April 1962 stieß eine F-84F Thunderstreak mit einem Mäusebussard zusammen und musste aufgegeben werden. Die Kurzbeschreibung des damaligen Un- tersuchungsberichtes lautet wie folgt:
„Der LFF startete als Rottenführer einer Formation F-84F im Rahmen der Übung „Grand Slam“ zu einer „Ground Support Mission“. Der Flugauftrag lau- tete auf Tiefflug.
Auf dem Rückflug bei einwandfreier VMC-Wetterlage durchschlug auf dem Flugabschnitt Ulm-Augsburg ein gro- ßer Vogel (Mäusebussard) die rechte vordere Seitenwindschutzscheibe. Fetzen des Vogels und Plexiglassplit- ter flogen dem Piloten direkt in das Ge- sicht, so dass ihm augenblicklich jeg- liche Sicht genommen wurde. Zudem war der Einfluss des Windstromes derart stark, dass sich der LFF so- fort zum Ausstieg entschloss, zumal ihm im Tiefflug keine Zeit blieb ohne Sehfähigkeit evtl. noch korrigierende Maßnahmen einzuleiten. Einen Notruf setzte er in der Kürze der ihm zur Ver- fügung stehenden Zeit nicht ab.
Der LFF wurde mit einem Privat- flugzeug(?) sofort in das Krankenhaus Zusmarshausen transportiert und von dort in das Revier am Heimatflugplatz überführt.
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mich daraufhin, das Flugzeug zu ver- lassen. Mit der rechten Hand betätigte ich den Abzugsgriff für den Schleu- dersitz. Nach Verlassen des Flug- zeuges überschlug sich der Sitz meh- rere Male und ich verspürte dann ein leichtes Federn und merkte dann, dass ich am Fallschirm hing. Nach Auslösen des Survival-Kit landete ich sicher auf einem Feld. Es war mir nicht möglich, mich mit eigener Hilfe vom Gurtzeug des Schirmes zu lösen, da die Bewe- gungsfähigkeit meiner Arme stark ein- geschränkt war. Den Schirm habe ich umlaufen und er fiel daraufhin zusam- men. Die Gurte wurden durch zur Hilfe eilende Personen gelöst. Ob die Prel- lungen an meinen Armen durch den Luftdruck oder durch Herumwirbeln der Arme in der Luft entstanden sind, kann ich nicht sagen.“ Der Unfall ereignete sich in Norddeutschland. HptFw Ch. verließ das Lfz in einer Höhe von 500 Fuß AGL bei 450 KIAS. Die F-104 G wurde beim Aufschlag zerstört.
Etwa 10 Jahre später (am 07.10.1977) erlebten die Hauptleute L. und D. mit ihrer TF-104 G in 800 Fuß AGL bei ebenfalls 450 KIAS Fol- gendes (Auszüge aus der Analyse des Unfallgeschehens): „Das plötzliche Auftreten des Vogelschwarms ließ dem VLF (Frontsitz) bei der hohen Annähe- rungsgeschwindigkeit von 230 m/sec keine Möglichkeit, ein erfolgreiches Ausweichmanöver durchzuführen, so dass der Vogelschlag unvermeidbar wurde. Obwohl unmittelbar danach die Triebwerkinstrumente noch keine Unregelmäßigkeiten anzeigten, lei- tete die Besatzung sicherheitshalber und richtigerweise einen Steigflug ein, in dessen Verlauf etwa 10 bis 15 sec nach der Kollision mit dem Vogel (mindestens eine Taube) ein Strö- mungsabriss im Triebwerkverdichter auftrat. Das verzögerte Eintreten des Strömungsabrisses kann darauf zu- rückgeführt werden, dass die durch den eingedrungenen Fremdkörper bereits ungünstig beeinflussten Strö-
mungsverhältnisse durch die Ände- rung der Fluglage und -geschwindig- keit des Lfz weiterhin verschlechtert wurden. Das von der Besatzung an- gewandte Notverfahren entsprach den in der Checkliste vorgegebenen Maßnahmen und wurde mehrmals, mindestens jedoch viermal, durchge- führt. Alle Versuche blieben erfolglos, so dass das Lfz aufgegeben werden musste. ...Der Ausschuss erfolgte im letzten, für eine erfolgreiche Rettung gerade noch rechtzeitigen Moment (Höhe 200 - 300 Fuß AGL, ca. 200 KIAS)“. Der VLF wurde leicht verletzt; der LFF blieb unverletzt.
Ähnlich erfolglos waren die Wieder- anlassversuche des damaligen Olt A., die er am 17.08.1981 bei einem Tief- flugeinsatz über Frankreich mit seiner F-104 G unternahm, nachdem das Lfz von einem Bussard bei 450 KIAS in 500 Fuß Höhe getroffen worden war.
Sein Rottenführer, Hptm Z., sagte in seiner Anhörungsniederschrift am Folgetag aus:
„Am 17.08.81 hatte ich den Auf- trag, zusammen mit Olt A. einen Tiefflug durchzuführen ... Ich war als taktischer Führer eingeteilt, Olt A. der Rottenführer und takt. Nr. 2.
Bis zur 13. Minute lief der Flug wie geplant ab. Dann sah ich, wie mein Rottenflieger, der ca. 6.000 Fuß drau- ßen auf meiner rechten Seite auf glei- cher Höhe flog, zurückfiel und einen leichten Steigflug einleitete. Gerade als ich ihn fragen wollte, ob er Probleme habe, rief er mich auf Notradio CH 2 und sagte: „This is 46 B on Emer- gency 2, I had a birdstrike.“ Ich leitete eine Rechtskurve ein, um ihn in Sicht zu behalten; ca. 10 sec später sah ich, wie die Nase seines Flugzeuges nach unten zeigte. Kurz darauf folgte der Ausschuss. Das Flugzeug prallte mit ca. 30° Bahnneigungswinkel auf einer Wiese auf. Danach verfolgte ich die Landung von Olt A. auf einem gepflügten Feld unmittelbar neben einem Wäldchen. Ich stieg auf 4.000
MSL und nahm Radioverbindung mit Menthol Radar auf der Notfrequenz auf. Ich gab ihm die Absturzposition durch. Ich kreiste noch einige Zeit über der Unfallstelle, bis mir Metz To- wer durchgab, dass Olt A. wohlauf sei und mit der Polizei auf dem Wege nach Metz sei. Danach flog ich zurück nach Büchel.“
In keinem der genannten Fälle, die als Auszug aus dem vogelschlagbe- dingten Unfallgeschehen der Bundes- wehr zu verstehen sind, lag ein Hinweis auf erhöhtes Vogelschlagrisiko (z. B.: in Form eines BIRDTAM) vor. Neben dem reaktionsschnellen Handeln der Beteiligten war durchweg das erfor- derliche Quäntchen Glück vorhanden, wodurch Schlimmeres verhindert wur- de.
Bar jeden Glückes waren alle 24 Insassen jener Boeing E-3A AWACS der United States Air Force am 22. September 1995, als das Lfz im Au- genblick des Abhebens vom Flugplatz Anchorage-Elmendorf (Alaska) von mehreren Kanadagänsen getroffen wurde. In der Folge fielen die beiden Triebwerke auf der linken Seite aus. Die Cockpitbesatzung leitete noch eine Linkskurve ein und versuchte, Höhe zu gewinnen. Gleichzeitig akti- vierte sie den Kraftstoffschnellablass. Das Lfz erreichte noch eine Höhe von 250 Fuß bevor es in den Sinkflug über- ging und in hügeligem bewaldeten Gelände, weniger als eine Meile von der Startbahn entfernt, niederging. Beim Aufschlag zerbrach die E-3A in mehrere Teile, fing Feuer und brannte aus. Für die Insassen gab es keine Überlebenschance.
Der Unfall wäre vermeidbar gewe- sen, wenn sich die Verantwortlichen am Flugplatz Elmendorf um ein ag- gressiveres Vogelvergrämungspro- gramm bemüht hätten; dies wäre umso wichtiger gewesen, da der Flug- platz und seine Umgebung zu Zeiten des Vogelzugs bekanntermaßen von Gänsen aufgesucht wurde. Die Un-
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tersuchungskommission legte als beitragenden Faktor noch den Fehler des diensthabenden Towercontrollers fest, der es unterließ, die Unfallbe- satzung auf die Gänse hinzuweisen, die erst unmittelbar vor dem Start der E-3A von einer zuvor startenden C-130 Hercules aufgescheucht wor- den waren.
Der (nach Kenntnis des Autors) schwerste vogelschlagbedingte Unfall eines Militärluftfahrzeuges ereignete sich am 15. Juli 1996, als eine C-130 der belgischen Luftwaffe den nieder- ländischen Militärflugplatz Eindhoven anflog. Neben den 4 Besatzungsan- gehörigen waren 37 Passagiere an Bord.
Das Lfz befand sich bereits im kurzen Endanflug, als die Besatzung einen Vogelschwarm auf der Lande- bahn erkannte. Daraufhin entschied sie durchzustarten. In diesem Augen- blick hoben die Vögel ab. Das Lfz wur- de von einer Vielzahl von Staren und Kiebitzen getroffen, woraufhin die Be- satzung das Triebwerk Nr. 3 abschal- tete und den Propeller in Segelstellung
fuhr. Die Triebwerke 1 und 2 waren jedoch ebenfalls getroffen worden. Das Lfz wurde unkontrollierbar, als im Weiteren Triebwerk 1 Umkehrschub lieferte, während Nr. 2 und 3 keine Vortriebsleistung mehr produzierten und Nr. 4 auf voller Startleistung ar- beitete. Das Lfz ging links neben der Landebahn nieder und rutschte mit einer Linksdrehung über den Boden, bevor es zum Stillstand kam. Augen- blicklich brach Feuer aus, das schnell um sich griff. Die Cockpitbesatzung hatte sich noch eilig in die Kabine be- geben, um den Passagieren, die bis dahin größtenteils unverletzt waren, beim Verlassen des Lfz zu helfen. Der Rumpf der C-130 hatte sich je- doch beim Aufschlag so stark verzo- gen, dass sich von innen keine Türen und Notausstiege öffnen ließen. Tra- gischer- und unverständlicherweise schätzte die örtliche Flugplatzfeuer- wehr die Situation völlig falsch ein und beobachtete den Brand tatenlos, bis sie sich weit verspätet zum Löschein- satz entschloss. Für 30 Passagiere und für die Besatzung kam jedoch jede Hilfe zu spät. Sie starben durch
Einatmen giftiger Gase und durch die direkte Einwirkung des Feuers.
Der folgenschwerste vogelschlag- bedingte Unfall in der Geschichte des zivilen Luftverkehrs ereignete sich am Nachmittag des 04. Oktober 1960 auf bzw. in der Nähe des Flugplatzes Lo- gan, Boston, Massachusetts, USA.
Zu dem damaligen Flug befanden sich 71 Personen an Bord des von vier Propellerturbinen angetriebenen Lfz. Der Start verlief zunächst normal und das Luftfahrzeug hatte schon ab- gehoben, als ein Schwarm Stare un- vermittelt seine Flugbahn kreuzte und etliche der Vögel angesaugt wurden. In allen 4 Triebwerken entwickelte sich ein Strömungsabriss; das Lfz rollte nach links und stürzte aus ca. 300 Fuß nahezu senkrecht in ein niedriges Gewässer nördlich der Startbahn. Bei der unverzüglich eingeleiteten Rettungsaktion konnten 9 Personen schwerverletzt, aber lebend aus den Trümmern befreit werden.
Im Jahre 2006 ereigneten sich 265 Vogelschläge im Flugbetrieb der Bundeswehr. In 27 Fällen entstan- den Schäden an den beteiligten Lfz. In 2004 waren 334 Vogelschläge mit 25 Schadensfällen zu verzeichnen. Im gleichen Jahr waren zivile, in Deutsch- land registrierte Luftfahrzeuge 1.270 mal von Vogelschlägen betroffen. Die Anzahl der weltweiten Vogelschläge pro Jahr ließ sich nicht ermitteln und wäre wohl auch unzuverlässig, dürfte aber im unteren 5-stelligen Bereich lie- gen. Die Kosten, die zur Beseitigung der Schäden aufgebracht werden müssen, sind hingegen im 3-stelligen Millionenbereich anzusiedeln. Da die meisten Vogelschläge bei Start und Landung auftreten, kommt dem Bio- topmanagement auf und in der Nähe der Flugplätze besondere Bedeutung zu. Die Bundeswehr ist mit den dazu entwickelten Maßnahmen sicherlich auf einem guten Wege - Anlass, mit den Bemühungen nachzulassen, gibt es allerdings nicht!
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von Oberstleutnant Michael Sieg, GenFlSichhBw
Jedem Besatzungsange- hörigen von Luftfahrzeugen der Bw ist bekannt, dass diesem Personenkreis gemäß ZDv 19/2 Nr 113 der Genuss von Alkohol binnen einer Frist von 12 Stunden vor Beginn der Flugzeit verboten ist. Diese Regelung wurde kurz nach einem Flugunfall im Jahr 1988, bei dem alle neun Insassen eines Transporthubschraubers des Heeres getötet wurden, als Sofortmaßnahme zur Unfallverhütung in die Vorschriftenlage aufgenommen.
Bei diesem Unfall hatte der ver- antwortliche Luftfahrzeugführer einen Flug angetreten, obwohl er sich in- folge eines übermäßigen Alkohol- genusses am Vorabend des Unfall- tages in einem luftverkehrsuntüch- tigen Zustand befand.
Kurzversion Abschlußbericht 8808 zum Flugunfall mit UH-1D im Jahre 1988 in den Alpen:
Kurz nach dem Start mit Passagie- ren von einem Gebirgslandeplatz in den Alpen (5.000 ft MSL) geriet das
Learning the hard wayLearning the hard way
Zeitpunkt des Unfalls: a. erster Anschlag 1475 m /4868 ft b. Hauptwolkenuntergrenze 1450 m / 4795 ft c. Hauptaufschlagstelle (Explosion) 1402 m / 4627 ft d. Blockhütte 1052 m / 3462 ft
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Flugsicherheit
Luftfahrzeug in Wolken, prallte gegen eine Felswand und stürzte ab. Das Luftfahrzeug zerbarst nach Aufschlag und Explosion entlang der nahezu senkrecht abfallenden Gebirgswand in mehrere Teile. Alle neun Insassen und ein Hund wurden dabei getötet.
Die dreiköpfige Besatzung, - be- stehend aus einem älteren erfahrenen verantwortlichen Luftfahrzeugführer (vwt LFF) mit Gebirgsflugberechti- gung, einem jungen Luftfahrzeugführer (LFF) und einem Bordmechaniker- feldwebel (BordMech) -, hatte auf Grundlage einer Lufttransportanfor- derung den Auftrag, in einer Woche täglich Sicherheits- und Transportauf- gaben bei der Gebirgsausbildung des Heeresbergführer-Lehrgangs in den Alpen durchzuführen. Dabei waren Außenlandungen auf Bundeswehrge- lände und genehmigten Außenlande- plätzen zugelassen. Tagsüber hatte das Luftfahrzeug am Zeltlager des Heeresbergführer-Lehrgangs dem Lehrgangsleiter zur Verfügung zu ste- hen. Übernachtung und Abstellen des Luftfahrzeugs waren in einer Kaserne befohlen. Das Sonntagsflugverbot war aufgehoben. Die Mitfluggenehmi- gung war im Flugauftrag ausdrücklich auf “Soldaten in Passagierlisten” be- schränkt; die Genehmigung AUTHO- RIZED TO TRANSPORT ADDITIONAL PASSENGERS (ATAP) war nicht er- teilt.
Die Besatzung und das Luftfahr- zeug (Lfz) verblieben - entgegen dem Flugauftrag - in den beiden Nächten vor dem Flugunfall im Heeresberg- führerlager. Die Besatzung übernach- tete in einer Hütte. Das Luftfahrzeug wurde mit einer Kette verschlossen; ansonsten stand es unbewacht in der Nähe des Heeresbergführerlagers.
Am Morgen des Flugunfalltages be- antragte der vwt LFF beim Lehrgangs- leiter einen Flug zur Kaserne (ca. 15 km), um nach dessen Darstellung von dort eine telefonische Flugwetterbera- tung einzuholen, da dies vom Heeres- bergführerlager aus nicht möglich war.
Der Lehrgangsleiter verband mit der Zustimmung gleichzeitig einen Auftrag zum Verpflegungstransport für den Lehrgang.
Dieser erste Flug des Tages wurde gegen 08.15 Uhr angetreten, wobei der vwt LFF entgegen der Vorschriften- lage den linken Führersitz besetzt hat- te. In der Kaserne wurde die Verpfle- gung an Bord genommen; der vorge- sehene Telefonanruf zur Abfrage einer Wetterberatung wurde jedoch nicht durchgeführt. Gegen 09.30 Uhr kehrte das vwt LFF in das Heeresbergführer- lager zurück.
Gegen 10.15 Uhr versuchte der vwt LFF, eine Genehmigung des Lehr- gangsleiters zu einem erneuten Flug nach der Kaserne zu beantragen; die- ser war jedoch nicht erreichbar, da er sich mit seinem Lehrgang bei der Kletterausbildung im Gebirge befand. Der vwt LFF informierte daraufhin den noch im Lager anwesenden Sani- tätsfeldwebel über seine Flugabsicht, wobei er auf den Zeitdruck wegen des schlechter werdenden Wetters hinwies. Gegenüber einem anderen Soldaten hatte er bereits vorher die aufkommende Wetterverschlechte- rung als Grund für den Flug erwähnt. Der Hüttenwirtin der Alpenhütte soll er erklärt haben, von der Kaserne aus ein Hubschrauberersatzteil bestellen zu müssen. Auf Bitten der Hüttenwirtin hatte er sich bereit erklärt, ihre Mutter und ihre Tochter mit Freund zum Park- platz an einem Fluss zu fliegen. Zusätz- lich bestieg ein LFF des Verbandes - der sich seit dem Vortage privat auf der Hütte aufhielt - zusammen mit seinem Sohn, einem befreundeten Jungen und einem Hund das Lfz. Eine Mitflug- erlaubnis lag für keinen dieser Passa- giere vor. Der vwt LFF besetzte den rechten, der LFF den linken Führer- sitz. Der Start erfolgte aufgrund der sich rapide entwickelnden Wetterver- schlechterung in Eile. Die Sichtweite in Startrichtung betrug aufgrund glaub- hafter Zeugenaussagen zu diesem Zeitpunkt 150 bis 200 m.
Der Flugweg führte aus dem Bergkessel hinaus durch den Sattel (4.950 ft MSL) nach Norden und ver- mutlich entlang der ostwärtigen Fels- wand in das sich öffnende Flusstal. 1 km nach Passieren des Sattels und einer Gesamtflugstrecke von 1.200 m kam es in einer Flughöhe von 4.868 ft MSL zur Kollision zwischen Hauptro- tor und rechter Felswand. Vermutlich wurde hierbei der BordMech durch die offenstehende rechte Laderaum- tür hinausgeschleudert.
Das Lfz fing Feuer und stürzte ab; 60 m tiefer schlug die Zelle auf und explodierte. Baugruppen und Lfz- Einzelteile wurden später entlang der steil abfallenden Felswand auf 300 Höhenmeter verteilt vorgefunden. Alle neun Insassen und der Hund wurden getötet.
Die Wolkenuntergrenze an der Un- fallstelle lag bei 4.785 ft MSL, das sind 165 ft unter dem Niveau des Berg- sattels. Dies konnte anhand eines Fotos rekonstruiert werden, das Se- kunden nach dem Unfall unterhalb der Unfallstelle vom Flusstal aus aufge- nommen worden war.
Beim vwt LFF wurde eine Blutalko- holkonzentration von mindestens 2,5 Promille zum Unfallzeitpunkt nachge- wiesen. Diese wird auf die Einnahme einer großen Menge Alkohol anläss- lich einer Geburtstagsfeier am Vor- abend auf der Hütte sowie auf einen weiteren, nicht unerheblichen Alkohol- genuss am Morgen vor dem Unfall- flug zurückgeführt. Obwohl nicht mit Sicherheit beweisbar, deuten typische Verletzungen des vwt LFF darauf hin, dass er das Lfz zum Unfallzeitpunkt gesteuert hat.
Bei der Geburtstagsfeier in „zünf- tiger Hüttenstimmung“ wurde gemäß Aussagen aller befragten Zeugen beim vwt LFF ein fröhliches, aber kein außer- gewöhnliches Verhalten bemerkt, das auf einen übermäßigen Alkoholgenuss hingewiesen hätte. Gegen Mitternacht verließ er die Geburtstagsfeier und be- gab sich zum Schlafen in die Hütten-
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Notunterkunft. Am nächsten Morgen befand er sich gegen 07.30 Uhr zum Frühstück im Zeltlager des Heeres- bergführer-Lehrgangs.
Nach der Rückkehr vom zweiten und vor Antritt des dritten Fluges (Un- fallflug) an diesem Tag nahm er erneut Alkohol zu sich. Dieser medizinisch eindeutig bewiesene Alkoholgenuss wurde von keinem der verfügbaren Zeugen bestätigt.
Alle zum Verhalten des vwt LFF be- fragten Zeugen - auch völlig unbetei- ligte Beobachter - haben übereinstim- mend und zum Teil mit besonderem Nachdruck versichert, dass ihm am Unfalltag keinerlei Anzeichen von Al- koholgenuss anzumerken waren. Sie hatten sich unabhängig voneinander im direkten Gesprächskontakt mit ihm befunden und dabei offensichtlich we- der die geringste Unsicherheit oder Besonderheit in seiner Sprache oder Bewegung beobachtet noch eine „Al- koholfahne“ an ihm wahrgenommen.
Bei mehreren Nachuntersuchungen auf Wehrfliegerverwendungsfähigkeit (WFV) wurden wiederholt Feststel- lungen getroffen, die als Hinweise auf eine mögliche Alkoholgewöhnung ge- deutet werden konnten.
Der LFF und der Bordmechaniker hatten ebenfalls an der Geburtstags- feier teilgenommen, die sie gegen Mit- ternacht verließen, um sich vermutlich zur Ruhe zu begeben. Die laborche- mische Untersuchung erbrachte für beide keinen Alkoholnachweis zum Unfallzeitpunkt.
Technische Mängel am Luftfahr- zeug oder dessen Ausrüstung, die den Unfall bewirkt haben könnten, wurden nicht ermittelt.
Auf der Grundlage der Feststel- lungen des Untersuchungsaus- schusses wurden als Ursachen fest- gelegt:
Personal - verantwortlicher Luftfahr- zeugführer
Der durch Alkoholgenuss luftver- kehrsuntüchtige vwt LFF trat den Flug unter Wetterbedingungen an, die ei- nen VFR-Flug ausschlossen; dabei geriet er in Wolken und steuerte das Luftfahrzeug gegen eine Felswand.
Personal - Luftfahrzeugführer Der LFF hat den Flugantritt nicht
verhindert.
Die Alkoholabhängigkeit des vwt LFF blieb durch unzureichende(n) ärzt- liche Aufsicht der Fliegerärzte und des FIMedlnstLw, Dienstaufsicht der flie- gerischen Vorgesetzten, Hilfestellung der Kameraden und Informationsaus- tausch aller Beteiligten unerkannt.
Die Maßnahmen zur Unfallverhü- tung forderten - u. a. neben der bereits zeitnah nach
dem Unfall in Kraft gesetzte Ände- rung der ZDv 19/2 die Zusammen- arbeit zwischen Fliegerärzten und Disziplinarvorgesetzten so intensiv wie möglich zu gestalten;
- sicherzustellen, dass die Wehr- fliegerverwendungsfähigkeit des fliegenden Personals engma- schiger und verlässlicher Kontrolle unterliegt;
- die fachliche Dienstaufsicht im flie- gerärztlichen Bereich der Heeres- fliegertruppe zu verbessern ist so- wie
- besonders den Flugbetrieb ab- gesetzter Kommandos durch angemessene Dienstaufsicht zu überwachen, um der Gefahr von „Gewohnheitsverstößen“ vorzu- beugen.
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Flugsicherheit
Flugunfall einer Harrier der Royal Air Force in Dänemark am 17.10.1990,
Verbrannter Faserverbundwerkstoff Bild von der BFU
Untersuchungsteam der Royal Air Force
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In zunehmendem Maß werden in Luftfahrzeugen Faserverbundwerkstoffe eingesetzt. Verunfallen diese Luftfahrzeuge ergeben sich für die Personen, die bei der Rettung, Untersuchung und Bergung tätig sind zu- sätzliche Gefahren. Diese sind aber durch Anwendung von persön- licher Schutzausstattung sowie bei vorsichtigem Umgang an der Unfallstelle beherrschbar.
Am 17. Oktober 1990 befand sich der Harrier GR5 der Royal Air Force mit dem taktischen Kennzeichen ZD355 auf dem Rückflug von einem Kom- mando von Aalborg (Dänemark) nach England. In „flight level“ 235 brach eine Schaufel des zweiten Niederdruckver- dichters und zerstörte das Triebwerk. Der Luftfahrzeugführer leitete nach er- folglosen Wiederanlassversuchen den Rettungsausstieg ein und überlebte mit leichten Verletzungen. Das Flug- zeug selbst schlug auf einem land-
wirtschaftlich genutztem Feld in der Nähe eines Bauernhofes auf. Es ent- stand ein Aufschlagbrand, der nach einiger Zeit durch die örtliche dänische Feuerwehr gelöscht werden konnte. Rund 48 Stunden nach dem Auf- schlag musste das an der Unfallstelle arbeitende englische Unfalluntersu- chungsteam evakuiert werden, da die Beteiligten über Halsschmerzen sowie Schmerzen in der Brustgegend, in den Augen, der Nase und im Rachenraum klagten. Darüber hinaus hatten sich zahlreiche Schnittverletzungen ereig- net, die sich zu entzünden begannen. Die Ursache für die Beschwerden waren lungengängige Kohlenstofffa- sern (auch Karbonfasern genannt), die sich im Zuge des Aufschlagbrandes gebildet hatten und freigesetzt wur- den. Unter Vollschutz (Masken, Bril- len und Einweganzügen) konnten die Unfalluntersuchungsarbeiten später wieder fortgesetzt werden. Die Royal
Air Force untersuchte darauf hin sehr genau die Art und Beschaffenheit der Fasern. Anschließend wurden Unter- suchungsteams auf den Air Bases aufgestellt, die unter Vollschutz an die Unfallstelle gebracht werden sollten.
Im Mai 1991 stürzte ein Harrier GR7 aus Gütersloh etwa 10 km von der Air Base entfernt nach einem kompletten Ausfall der Elektrik in den Wald. Die örtliche Feuerwehr war auch hier als erstes zur Brandbekämpfung vor Ort und die Feuerwehrleute staunten nicht schlecht, als kurze Zeit später aus einem englischen Militärhubschrauber mehrere Menschen unter Vollschutz ausstiegen und auf sie zugingen. In den Gesichtern der Feuerwehrleute bildeten sich drei deutliche Fragezei- chen: „Warum tragen die Vollschutz?“ und mit Blick auf das Wrack „Was für gefährliche Stoffe führte das Luftfahr- zeug mit sich?“, „Und warum hat uns niemand gewarnt?“.
Fiese Fasern? von Dipl.-Ing. (FH) Norbert Scholz, Arbeitsgruppe für Technische Untersuchungen (LwInsthRgt 1- S3/AGTU) und Dr. Sebastian Eibl, Wehrwissenschaftliches Institut für Werk-, Explosiv- und Betriebsstoffe (WIWEB); beide Dienststellen sind in Erding beheimatet.
Flugunfall mit einer Grob G 180 vom November 2006 Bild freigegeben von der BFU
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Flugsicherheit
Sind wir auf so etwas vorbereitet? Ganz klar: Ja, wir sind es, zumin-
dest was die Vorschriftenlage anbe- langt. Die BesAnLwUKdo 203/8005: „Schutz- und Sicherheitsbestim- mungen für die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten an Luftfahr- zeugen und Luftfahrzeug-Bauteilen aus Faserverbundwerkstoffen“ ist sehr ausführlich und bietet viel technisches Hintergrundwissen sowie Hinweise für die praktische Instandsetzungsarbeit an. Die BesAnLwUKdo 204/4203, besser bekannt unter dem Titel „Hand- buch Bruchbergung“ geht nur auf die
wichtigsten Hinweise beim Um- gang mit Faserverbund-
werkstoffen ein.
Absolut hilfreich ist die Broschüre „Hilfe bei Flugunfällen“, die in kurzen Sätzen die Thematik sicher abarbei- tet. Ebenfalls sehr gut geeignet ist die BesAnLwUKdo 203/8004: „Handbuch Gefahrenpotentiale von Lfz“. Hier wer- den im Kapitel 3 die organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen behandelt. Ein eigener Abschnitt widmet sich dabei sehr ausführlich dem Umgang mit Verbundwerkstoffbauteilen von brennenden und verbrannten Lfz. Hier
werden alle nur möglichen Gefahren für Mensch, Maschine und Umwelt behandelt. Darüber hinaus werden die zeitlichen Aspekte der Ablauforgani- sation und die konkret zu treffenden Maßnahmen am Unfallort benannt. Es wird auch die Materialausstattung konkret angesprochen. In einer Liste werden alle Positionen der sogenann- ten „Schutzausstattung Flugunfallun- tersuchung GenFlSichhBw“ einzeln mit Versorgungsnummer aufgeführt. 20 dieser Schutzausstattungssätze sollen an allen Flugplätzen der Bundeswehr vorgehalten werden.
Auf die Frage „Und wie sieht es in der Praxis aus?“ folgte bei Nachfragen in verschiedenen Verbänden eigentlich alles, von einem leisen „Nöö“ über ein „Ach herrje, ich glaub´ da haben wir ir- gendwo was ...“ bis zu einem festen „Na klar!“ Letzteres kam vom Jagdge- schwader 73 „Steinhoff“, das sich auf Grund der Tatsache des Flugbetriebes mit dem Eurofighter bisher am besten mit der Thematik auseinandergesetzt hat. Der „Alarmplan für Notfälle mit Luftfahrzeugen ...“ berücksichtigt die Faserverbundwerkstoffe ausdrücklich und wird Interessierten als Vorlage empfohlen.
Was ist das Besondere an Faserver- bundwerkstoffen?
Faserverbundwerkstoffe bestehen grundsätzlich aus zwei Komponen- ten:
Die Fasern dienen als Festigkeits- träger und der sie umgebende Kunst- stoff, der auch Matrix genannt wird, fixiert im ausgehärteten Zustand den Verbund. Die Fasern können aus un- terschiedlichen Materialien bestehen, am häufigsten werden Kohlenstoff- fasern, Glasfasern und Aramidfasern im Luftfahrzeugbau eingesetzt. Die sogenannte Matrix besteht aus einem Harz. In den neuen Luftfahrzeugen der Bundeswehr werden ausschließlich Epoxidharz-basierte Werkstoffe einge- setzt. Um die Eigenschaften des Faser- verbundes zu optimieren, werden in die Matrix Zusatzstoffe gegeben.
Bundeswehr
FÄ LL
E N
H IL FE BE I F LU G U N FÄ LL E N
Sofortmaßnahmen bei Flugunfällen
Meldung von Flugunfällen
verständigen Sie bitte sofort folgende Dienstellen:
1. Notruf 110 / 112 oder 2. Polizei / Feuerwehr oder
3. Zivile Rettungsleitstellen oder
(Militärische Rettungsleitstelle der Bundeswehr) oder
SAR - Leistelle Glücksburg 0 46 31 / 6 01 30
(Im Bereich Schleswig-Holstein, Hamburg,
7. Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung
(BFU) 05 31 / 3 54 80 (bei Flugunfällen mit zivilen LFz)
Meldeschema1. WO geschah es?2. WAS geschah?3. WIE viele Verletze? 4. WELCHE Arten von Verletzungen?
5. WARTEN auf Rückfragen!
6. WAREN Zeugen anwesend?
Schutzausstattung gem. BesAnLwUKdo 203/8004
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Diese Stoffe dienen z. B. zum Einfär- ben, Füllen und Weichmachen oder zur Verbesserung der antistatischen oder flammhemmenden Eigen- schaften des Verbundes. Der große Vorteil der Faserverbundwerkstoffe liegt in ihrem geringen Gewicht. Darü- ber hinaus kann man durch geschickte Mischung der Komponenten Bauteile mit mechanischen Eigenschaften ent- wickeln, wie das mit herkömmlichen metallischen Werkstoffen bisher nicht möglich war.
Der Einsatz von Faserverbundwerk- stoffen in Militärluftfahrzeugen steigt stetig an. In der Vergangenheit wur- den überwiegend nicht tragende Strukturteile wie z. B. Beplankungen und Deckel in Faserverbundtechnolo- gie ausgeführt, wobei hier metallische Bauteile durch leichtere faserverstär- kte Kunststoffe ersetzt wurden. Die neuen modernen Waffensysteme wie Tiger, NH-90 und vor allem der A- 400M benutzen die Technologie auch im tragenden Strukturbereich.
Was kann beim Unfall passieren? Brechen Faserverbundwerkstoffe,
so können Bruchkanten entstehen wie sie beispielhaft dargestellt sind.
Einzelne Fasern bzw. Faserbündel ste- hen hervor und wirken sägezahnartig, so dass sie an ungeschützten Händen leicht Verletzungen erzeugen können. Dabei kann es dazu kommen, dass in die Haut eingedrungene Fasern abbrechen. Diese Stellen entzünden sich und die Faserbruchstücke eitern langsam wieder heraus oder müssen chirurgisch entfernt werden. Schutz dagegen bieten nur dicke, durchstich- feste Lederhandschuhe, wie in der Darstellung Seite 23 zu sehen sind.
Und wenn es brennt? Kommt es zu einem Brand Koh-
lenstofffaser verstärkter Kunststoffe, so lassen sich grundsätzlich zwei Gefahrenmöglichkeiten ableiten. Zum einen werden, wenn die Kunststoff- matrix verbrennt, für Kunststoffbrän- de typische Verbrennungsprodukte freigesetzt. Vor allem Kohlenmonoxid ist hier als Leitkomponente zu nen- nen. Kohlenmonoxid ist für den Ersti- ckungstod der meisten Opfer im Fall eines Brandes verantwortlich. Darüber hinaus stellt jedoch das Fasermaterial eine zusätzliche Gefährdung dar. Geht man von einer geringen Brandlast aus - also es verbrennt lokal lediglich die
Kunststoffmatrix ohne dass es zu einem Hitzeeintrag durch brennendes Kerosin oder Hydraulikflüssigkeit kommt - werden die Fasern thermisch nicht abgebaut. Beispielsweise ist die unterschiedliche thermische Stabilität der Kunststoffmatrix und der Kohlen- stofffasern zu erkennen, wenn man die Materialien aufheizt und den dabei eintretenden Gewichtsverlust der Pro- ben verfolgt.
Während sich die Kunststoffmatrix typischerweise bei Temperaturen un- terhalb 400°C zersetzt, sind Kohlen- stofffasern in Kontakt mit Luft bis ca. 650°C stabil. Bei hohen Temperaturen bzw. Brandlasten können die Fasern aus der Kunststoffmatrix freigesetzt werden. Gleichzeitig werden sie in einer Art und Weise abgebaut, dass sich der Faserdurchmesser von 5 µm bis 7 µm auf unter 3 µm verringert und die Fa- sern brechen.
Scharfe Bruchkante eines Kohlenstofffaser verstärkten Kunststoffes Bild von der BFU
Abmessung einer im Labor erzeugten lungengängigen Kohlenstofffaser
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Flugsicherheit
Hinzu kommt, dass sich an der Oberfläche der Einzelfasern toxische Verbrennungsprodukte aus der Matrix wie z. B. Ruße anlagern und zu einer zusätzlichen Reizung der Atemwege, der Haut und der Augen wie bereits durch die Fasern selbst führen. Derar- tige Faserbruchstücke können länger als 5 µm, dünner als 3 µm sein und ein Längen-Dicken-Verhältnis von größer 3 zu 1 aufweisen. Bei diesen Faserdi- mensionen handelt es sich nach der Definition durch die World Health Or- ganisation (WHO) um lungengängige Fasern, die möglicherweise krebser- zeugend sind. Diese Faserfragmente können in die feinen Lungenbläschen eindringen. Sie können jedoch auf- grund ihres sperrigen Charakters nicht durch die natürlichen (Reinigungsme- chanismen des Körpers ausgeschie- den werden.
Eine abschließende Bewertung zur Gefährdung durch lungengängige Kohlenstofffaser-Bruchstücke steht noch aus. Ein Vergleich mit Asbestfa- sern zeigt, dass sich mögliche Erkran- kungen erst nach sehr vielen Jahren eindeutig einer Faserstaubbelastung zuordnen ließen. Tierversuche lassen jedoch für Kohlenstofffasern ein gerin- geres Gesundheitsrisiko erwarten, da sie in der Lunge weniger Abwehr- und Wanderreaktionen hervorrufen.
Eine weitere Gefahr an der Unfall- stelle besteht durch freigesetzte Koh- lefasern, die in der Luft schweben. Diese wirken als unerwünschte elek- trische Leiter und können zu Kurz- schlüssen in elektrischen und elek- tronischen Anlagen führen. Dies stellt auch für komplexe Rettungsmittel wie Feuerlöschfahrzeuge und Rettungs- hubschrauber eine nicht unerhebliche Gefahr dar.
Wie kann man sich dagegen schüt- zen?
Der wirkungsvollste Schutz besteht im Tragen der in der BesAnLwUKdo 203/8004 genannten Schutzausstat- tung. Demnach sollte bei Bränden, d. h. Flamm- und Rauchgasentwicklung ohnehin nur die Feuerwehr mit um- gebungsunabhängiger Atemluftver- sorgung und unter Vollschutz an das Luftfahrzeug. Alle weiteren Personen und Fahrzeuge sollte einen Mindest- abstand von 300 m wahren. Dies gilt auch für Rettungsfahrzeuge und Hub- schrauber. Hubschrauber sollten einen Unfallort nicht in geringer Höhe (<500 ft) überfliegen und bei Landung einen Mindestabstand von 300 m halten. Dabei ist die windabgekehrte Seite als Landeplatz zu bevorzugen. Medi- zinisches Rettungspersonal sollte eine Vollmaske mit Aktivkohlefilter tragen. Ist diese nicht verfügbar, sollte wenig- stens eine möglichst gut abdichtende Schutzbrille und Vollmaske mit einer Mund- und Nasenschutzmaske (Parti- kelfilter Größe 3, FFP 3) getragen wer- den. Beispielhaft ist im folgenden Bild solches Material dargestellt. Da sich ein Kontakt mit Lfz-Bauteilen auch im Rettungseinsatz nicht immer ver- meiden lässt, sollten durchstichfeste Handschuhe getragen werden. Es ist empfehlenswert, solche Masken und Brillen zu kleinen Sätzen zusammen- zustellen und in den Fahrzeugen der ersten Notdienstgruppe zu verstauen. Technischem Personal, das etwas weniger unter Zeitdruck steht, wird geraten die in der Schutzausstattung aufgeführten Einweganzüge und Voll- masken mit Aktivkohlefilter zu tragen solange Rauch- und Gasentwicklung auftritt. Ist der Brand gelöscht, besteht weiterhin die Gefahr, dass vorhandene lungengängige Fasern des Wracks aufgewirbelt werden. Davor kann man sich aber durch Feinstaubmasken (FFP 3) schützen.
Nase und Rachen verhindern das Eindringen von Teilchen, die größer als 10 µm
eingeatmete Teilchen
Langsamere Ausscheidung durch Phagozytose. (Teilchen von 3-10 µm)
Flimmerepithel Makrophagen
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Wie Sie sich sonst noch vorbereiten können.
Die Vorschriftenlage in Ihrer militä- rischen Einheit ist sicher das eine mit dem Sie sich in regelmäßigen Abstän- den vertraut machen sollten. Bei kri- tischer Überprüfung auch durch neu zuversetztes Personal fallen einem im- mer wieder einzelne Aspekte auf, die sich geändert haben oder bisher noch nicht berücksichtigt wurden. „Neue Besen kehren gut“ ist gerade in dieser Hinsicht ein nützliches Instrument bei dem Erfahrungen von anderen Stand- orten oder auch von z. B. Feuerweh- ren oder zivilen Unternehmen aus ihrer Umgebung mit einfließen können. Bestehende Kontakte zu öffentlichen Behörden wie Landratsämtern oder der Kontakt zu Pressevertretern kann einem auch hier im Hinblick auf einen Ernstfall mit den eingangs erwähnten drei Fragen sicher nicht schaden. Aber nicht zuletzt das eigene Personal sollte vor allem informiert und trainiert wer- den. Üben Sie an ihrem Standort im Rahmen einer Flugsicherheitsübung doch einmal ein Absturzszenario mit dem Teilaspekt der Freisetzung von Fasern aus Verbundwerkstoffen. Auch ein moderner Hubschrauber kann
durch Rauch im Cockpit zu einer Not- landung in der Nähe des Unterkunfts- bereiches gezwungen werden und da- bei „unglücklicherweise an einem Ver- waltungsgebäude hängen bleiben“. Der Fantasie der Verantwortlichen sind hier keine Grenzen gesetzt. Und was Sie dann erleben werden ist ein realer Soll - Ist Vergleich zu ihrer Vor- schriftenlage. Aus eigener Erfahrung heraus berichtet, waren bei solchen Gelegenheiten auch immer erhei- ternde Aspekte zu beobachten - ganz im Gegensatz zu echten Unfällen.
Wie geht es weiter? Früher oder später wird sich wohl
auch bei uns ein Flugunfall ereignen, bei dem lungengängige Fasern freige- setzt werden. Da aber auch im zivilen Bereich in Deutschland noch keine Er- fahrungen vorliegen, wird sich zeigen, ob die bisher angedachten und getrof- fenen Maßnahmen ausreichen. Sicher wird man aber daraus Erkenntnisse gewinnen, die den derzeitigen eher unsicheren Zustand in einen sicheren verwandeln werden. Bezüglich der Materialausstattung geht die Entwick- lung weiter voran. So beschaffte z. B. die Fliegerhorst-Feuerwehr in Laage
stabile Kunststofffolien und breites Gewebeklebeband damit große verun- fallte Lfz-Bauteile vor dem Abtransport staubgesichert werden können. Um eine weitere Freisetzung von Fasern kleinerer Bauteile zu minimieren wird Klarlack vorgehalten, um Fasern auf solchen Bauteilen zu fixieren. Eine Flugunfallübung, bei der diese Materi- alien in der Praxis getestet werden, ist in der Planung.
Literaturverzeichnis: 1 The Strike Command Directory of
Aircraft Accidents 1983 - 1997, March 1998 Flight Safety Branch, HQ STC, RAF High Wycombe
2 „Aircraft Post Crash Management“ by Wing Commander J. T. An- drews, RAF Brampton Huntingdon Headquarters Logistics Command AMM2, October 1996
3 Hilfe bei Flugunfällen; General Flug- sicherheit in der Bundeswehr, Flie- gerhorst Wahn 5 01/07, Postfach 90 61 10, 51127 Köln
Einwegmaske (FFP 3), Scutzbrille und durchstichfeste Lederhandschuhe
Beispiel einer Asbestfaser: Blauasbest Bildquelle Rastermikroskop ECD
urteilt, ob die Lfz-Besatzung und die Führung Grundsätze des Einsatzrisikomanage- ments während der Durch- führung des Einsatzes richtig angewendet haben. Dazu bedarf es zunächst einer Vorstellung vom Zweck des Einsatzrisikomanagements und davon, auf welchen Ebe- nen es durchgeführt werden soll.
Beim Verstehen von Einsatzrisiko- management geht es um mehr als um die Kenntnis der sechs Schritte (von denen später die Rede sein wird). Es geht um das Verstehen der
Lip Service ...Or An Effective Tool? Anonymous
Operational Risk Management (ORM): Is it lip service or an effective tool being utilized by today‘s Air Force aviators and leadership? As we brief- ly explore ORM and its principles, we will form an understanding of how it should play into both the leadership and aircrew decision-making process. We will then evaluate these under- standings against a scenario, forming a conclusion of whether or not the crew and leadership applied proper ORM principles while executing the missions. To answer these questions, one must first have an understand ing of what ORM was designed to do and the levels at which it was designed to work.
Understanding ORM is more than knowing the six steps (which we will cover later). It‘s knowing the principles that govern all the actions associated with the decision-making process in the risk management business. There are four principles that control decisi- on making:
Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Flying Safety Magazine aus der FSM March 2007
Ist Einsatzrisiko- management (Operational Risk Management - ORM) ein leeres Wort oder ein nütz- liches Werkzeug für die Piloten und die Führung der Air Force? Dieser Artikel beschreibt den Begriff, seine Grund- sätze und seine Rolle beim Entscheidungsvorgang der Führung und der Lfz- Besatzung. Durch einen Ver- gleich dieser Beschreibung mit einem Szenario wird be-
EinsatzrisikomanagementEinsatzrisikomanagement – Ein leeres Wort oder ein nützliches Werkzeug?
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Flugsicherheit
gegangen werden. Die Schritte sind im einschlägigen Leitfaden der US- Luftwaffe (USAF ORM) folgenderma- ßen definiert: 1. Risikoerkennung. In diesem Schritt
sollen alle tatsächlichen oder an- genommenen Risiken erkannt wer- den, welche die Durchführung des Einsatzes beeinträchtigen können.
2. Risikobeurteilung bzw. Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines Ver- lusts aufgrund der o.g. Risiken und der Schwere eines solchen Verlusts.
3. Prüfung von Maßnahmen zur Risiko- begrenzung. Prüfung bestimmter Werkzeuge und Strategien zur Verringerung, Abschwächung oder Ausschaltung, Vermeidung, Verzögerung, Verschiebung usw. von Risiken.
4. Treffen von Entscheidungen zur Risi- kobegrenzung. Nach der Auswahl von Maßnahmen zur Ausschal- tung der Gefahren oder Verringe- rung der Risiken wird das Rest- einsatzrisiko bestimmt. Wenn es annehmbar ist, wird der Prozess fortgesetzt. Wenn nicht, werden die Entscheidungen überprüft oder der Entscheidungsvorgang wird an eine höhere Ebene abgegeben.
5. Umsetzung von Entscheidungen zur Risikobegrenzung. Dazu sollten für den Einsatz Kräfte und Mittel bereitgestellt werden. Die Lfz- Besatzung sollte über den Risiko- managementvorgang und die mit ihm zusammenhängenden Ent- scheidungen informiert werden.
6. Beaufsichtigen und Überprüfen. In diesem Schritt wird der Einsatz überwacht, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen zur Risikobe- grenzung wirksam sind. Wenn das nicht der Fall ist, müssen sie über- prüft werden. Dieser Schritt sollte nach der Durchführung der Maß- nahmen auch im Hinblick darauf überprüft werden, ob sie effektiv waren und ob die vier Grundsätze während des Einsatzes eingehal- ten wurden.
1. Accept no unnecessary risks. This tells us that, yes, there is risk in every mission we fly. However the- re are different levels to those risks, and the determination of accepta- bility of those risks need to occur for each situation.
2. Make risk decisions at the appro- priate level. Making decisions is directly related to accountability. If you can not be held accountable for the success or failure of a missi- on, then you probably do not have the stakes to give input.
3. Accept risk when benefits out- weigh the costs. This is simple economics. If the real or perceived benefits outweigh the real or per- ceived costs, then the mission has a significant impact and should be executed.
4. Integrate ORM into operations and planning at all levels. These levels should include the Com mander, Deputy Commander, and most impor tantly the aircrew. This is where “the rubber meets the road” and the ability to see fluid risks will always be most apparent. Now that we have a brief descripti-
on of four principles of the ORM pro- cess, let’s explore the six steps that we should apply using the ORM ma- trix.
ORM is comprised of six steps which all count upon the previous step being followed to comple tion. These steps are defined by the pocket guide to USAF ORM: 1. Identify the hazards. The purpo-
se of this step is to identify all ha- zards, real or perceived, that may cause mission degradation.
2. Assess the risks, or assess the ex- posure, probability and severity of a loss to the above hazards.
3. Analyze risk control measures. In- vestigate spe cific tools and strate- gies that can reduce, mitigate or eliminate, avoid, delay, transfer, etc., the risks.
4. Make control decisions. After con-
Grundsätze, die allen Handlungen im Zusammenhang mit dem Entschei- dungsvorgang im Rahmen des Ri- sikomanagements zugrunde liegen. Dem Entscheidungsvorgang liegen vier Grundsätze zugrunde: 1. Keine unnötigen Risiken eingehen.
Dieser Grundsatz besagt, dass je- der Einsatz mit einem Risiko ver- bunden ist. Aber die Risiken sind nach verschiedenen Ebenen ab- gestuft. Ob sie annehmbar sind, muss von Fall zu Fall festgelegt werden.
2. Risikoentscheidungen auf der rich- tigen Ebene treffen. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Treffen von Entscheidungen und Verantwortung. Wer nicht für den Erfolg oder das Scheitern eines Einsatzes verantwortlich gema