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71 Bunkerbrand im Ersatzbrennstoff-Kraftwerk Rüdersdorf Anlagen Bunkerbrand im Ersatzbrennstoff-Kraftwerk Rüdersdorf Ursache, Verlauf und Konsequenzen zur zukünftigen Brandvermeidung – Harald Lehmann 1. Brandschutz für den Abfallbunker im IKW Rüdersdorf ......................... 74 1.1. Rahmenbedingungen ................................................................................... 74 1.2. Brandschutzeinrichtungen........................................................................... 76 1.3. Löschwasserbevorratung .............................................................................. 77 1.4. Entrauchung .................................................................................................. 78 2. Brandereignis am 06.04.2015 ...................................................................... 81 2.1. Verlauf............................................................................................................. 81 2.2. Ursachen......................................................................................................... 83 2.3. Öffentlichkeit und Behörden ....................................................................... 84 3. Schlussfolgerungen ....................................................................................... 84 3.1. Risikoanalyse und Brandschutzkonzept .................................................... 84 3.2. Zusammenwirken mit der Feuerwehr........................................................ 86 3.3. Technische Verbesserungen......................................................................... 86 3.4. Organisatorische Maßnahmen .................................................................... 87 4. Zusammenfassung ........................................................................................ 88 5. Quellen ........................................................................................................... 89 Die Vattenfall Europe New Energy Ecopower GmbH mit Sitz in 15556 Rüdersdorf bei Berlin ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaſt der Vattenfall Europe New Energy GmbH mit Sitz in Hamburg. Die Vattenfall Europe New Energy Ecopower GmbH be- treibt die beiden Abfallverbrennungsanlagen IKW Rüdersdorf und EBS-HKW Rostock. In der am östlichen Rand von Berlin gelegenen Abfallverbrennungsanlage IKW Rüdersdorf werden auereitete Siedlungsabfälle hauptsächlich aus dem Raum Berlin- Brandenburg thermisch verwertet. Der jährliche Input an Abfällen beträgt zwischen 230.000 und 240.000 Tonnen. Das IKW Rüdersdorf produziert Strom und versorgt damit das benachbarte Zementwerk.

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Bunkerbrand im Ersatzbrennstoff-Kraftwerk Rüdersdorf

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Bunkerbrand im Ersatzbrennstoff-Kraftwerk Rüdersdorf – Ursache, Verlauf und Konsequenzen zur zukünftigen Brandvermeidung –

Harald Lehmann

1. Brandschutz für den Abfallbunker im IKW Rüdersdorf .........................74

1.1. Rahmenbedingungen ...................................................................................74

1.2. Brandschutzeinrichtungen ...........................................................................76

1.3. Löschwasserbevorratung ..............................................................................77

1.4. Entrauchung ..................................................................................................78

2. Brandereignis am 06.04.2015 ......................................................................81

2.1. Verlauf.............................................................................................................81

2.2. Ursachen .........................................................................................................83

2.3. Öffentlichkeit und Behörden .......................................................................84

3. Schlussfolgerungen .......................................................................................84

3.1. Risikoanalyse und Brandschutzkonzept ....................................................84

3.2. Zusammenwirken mit der Feuerwehr ........................................................86

3.3. Technische Verbesserungen .........................................................................86

3.4. Organisatorische Maßnahmen ....................................................................87

4. Zusammenfassung ........................................................................................88

5. Quellen ...........................................................................................................89

Die Vattenfall Europe New Energy Ecopower GmbH mit Sitz in 15556 Rüdersdorf bei Berlin ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Vattenfall Europe New Energy GmbH mit Sitz in Hamburg. Die Vattenfall Europe New Energy Ecopower GmbH be-treibt die beiden Abfallverbrennungsanlagen IKW Rüdersdorf und EBS-HKW Rostock.

In der am östlichen Rand von Berlin gelegenen Abfallverbrennungsanlage IKW Rüdersdorf werden aufbereitete Siedlungsabfälle hauptsächlich aus dem Raum Berlin-Brandenburg thermisch verwertet.

Der jährliche Input an Abfällen beträgt zwischen 230.000 und 240.000 Tonnen. Das IKW Rüdersdorf produziert Strom und versorgt damit das benachbarte Zementwerk.

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Bei der Genehmigungsplanung für den Bau des IKW Rüdersdorf wurde ein Brand-schutzkonzept in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden erarbeitet.

Dieses Brandschutzkonzept beinhaltet Themen wie:

• BeschreibungdesObjektes,

• Risikoanalysen,

• OrganisatorischerBrandschutzmitnachgeordnetenDokumenten,

• MaßnahmendesbaulichenBrandschutzes,

• MaßnahmendestechnischenBrandschutzes,

• BeschreibungallerEinrichtungenundMaßnahmenzurBrandbekämpfung.

Beim Bau der Anlage wurde das Brandschutzkonzept vollinhaltlich umgesetzt und bereits während der Inbetriebnahme der Anlage bei einem Brandereignis im Abfall-bunker im September 2008 einem Stresstest unterzogen.

Auf Grund der bei diesem Bunkerbrand gesammelten Erkenntnisse wurden Anpassun-gen vorgenommen. Dazu gehörten die Installation einer pneumatischen Öffnung und Schließung für die RWA-Klappen im Bunkerdach sowie der Umbau der Lüftungsanlage vonLeitstandundKrankanzelinderWeise,dasspermanentÜberdruckerzeugtwird,um das Eindringen von Abgasen über die Zugangsschleusen vom Abfallbunker und über die Klimaanlage zu verhindern.

Die Anlieferung und Lagerung der Abfälle in den Abfallverbrennungsanlagen birgt trotzdesumfangreichenBrandschutzeseinRisiko,wiedieAufstellungderbekanntgewordenen Brandereignisse in Abfallverbrennungsanlagen ab 2010 zeigt. (Tabelle 1)

DiesevorläufigeStatistikmitStandAugust2015weistklaraus,dassdieAbfallbunkerin den Abfallverbrennungsanlagen brandschutztechnisch den Risikoschwerpunkt darstellen.

Bild 1:

Abfallverbrennungsanlage IKW Rüdersdorf

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Den bekannt gewordenen Ursachen nach wurden Brände am häufigsten entweder durch anliefernde Fahrzeuge eingetragen oder entstanden durch Selbstentzündung im gelagerten Abfall.

Brandereignisse in den Abfallbunkern können zu erhebliche Sachschäden mit hohen Wiederherstellungskosten und län-gerandauerndenAnlageausfällenführen,verbunden nicht nur mit wirtschaftlichen Auswirkungen,sondernauchmitImage-schäden und Reputationsverlust.

Hieraus resultiert die Notwendigkeit von wirksamenSchutzmaßnahmen,die imFalle von Brandereignissen Personenschä-dennichtzulassenunddiegeeignetsind,Sach- und Umweltschäden so gering wie möglich zu halten.

Ein umfassender vorbeugender und abwehrender Brandschutz hat daher in den Abfallverbrennungsanlagen einen besonders hohen Stellenwert. Aus diesem Grunde kommt es bei Brandereignissen in Abfallverbrennungsanlagen selten zu wirklichgroßenSchäden,dadie indenBrandschutzkonzepten festgelegten Maß-nahmen wie Früherkennungssysteme und flexible Löschtechnik sehr wirksam sind.Bild 2: Pressemeldung vom 01.10.2008

Tabelle 1: Bekannt gewordene Brandereignisse in Abfallverbrennungsanlagen ab 2010

Ereignisse

Ereignisse Ereignisse Ereignisse Jahr

Gesamt Müllbunker Aufgabe + nur Ereignisse

Müllbunker Aufgabe Zerkleinerung

2010 9 7 1 1

2011 10 5 1 3 1

2012 5 4 1

2013 5 3 1 1

2014 6 4 1 1

2015 3 3

Summe 38 26 2 6 4

Quelle: Internet und Medien

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1. Brandschutz für den Abfallbunker im IKW Rüdersdorf

1.1. RahmenbedingungenDer Abfallbunker des IKW Rüdersdorf hat eine Grundfläche von 660 m² und verfügt über ein Volumen von 14.000 m³. Für die Anlieferung des Abfalls stehen vier Annah-mestellen mit Rutschschrägen zur Verfügung.

Im Jahresdurchschnitt beträgt die ständig eingelagerte Menge etwa 3.000 bis 4.000 Ton-nen. Für die Bevorratung über längere Feiertagsperioden kann es jedoch erforderlich sein,dieLagermengeauf5.000bis6.000Tonnenzuerhöhen.

Bild 3:

Abfallbunker IKW Rüdersdorf mit Annahmestellen

Täglichwerden 1.000 bis 1.300Tonnen angenommen, dazu gehören auch etwa 10 Prozent in ballierter Form. Die Ballen werden mit einem mobilen Ballenöffner vor einem Bunkertor geöffnet und der Abfall direkt über die Rutschschräge des jeweiligen Bunkertores dem Abfallbunker zugeführt.

Im IKW Rüdersdorf dürfen nur nicht gefährliche Abfälle angenommen werden. Aus-geschlossenvonderAnnahmesindAbfälle,dienachderAbfallverzeichnisverordnungalsgefährlicheingestuftwerden,diedieBetriebssicherheitgefährdenbzw.dieeineodermehrereder folgendenEigenschaftenaufweisen: infektiös, schlammförmig,flüssig,staubförmig,explosionsgefährdend,ätzend.

Von den genehmigten 37 Abfallschlüsseln wurden bisher Anlieferungen in Verbindung mit 12 Abfallschlüsseln angenommen (Tabelle 2).

Im IKW Rüdersdorf liegen für den Brandschutz im Abfallbunker sehr günstige Ver-hältnisse vor. Der Bunker befindet sich ständig unter Beobachtung des Kranfahrers. Weiterhin steht die Kranwarte in direkter räumlicher Verbindung – nur getrennt durch eine Brandschutztür – mit der Leitwarte. Dadurch befinden sich Kranfahrer und Leitstandfahrer sowie der Schichtleiter ständig in Rufweite. Weiterhin ist der Monitor der IR-Kamera zur Brandfrüherkennung redundant ausgeführt und wird sowohl vom Kranfahrer als auch parallel vom Leitstandfahrer gesehen und kontrolliert.

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Bild 4:

Kranwarte und Leitwarte

Tabelle2: ÜbersichtAbfallanlieferungnachAbfallschlüsselnummern2012bis2014

Abfall- Abfallbezeichnung 2012 2013 2014 schlüssel Tonnen Tonnen Tonnen

030307 Abfälle aus Papier und Pappe 2.477 863 0

150101 Verpackung aus Papier und Pappe 45 0 0

150106 Gemischte Verpackung 0 17 0

170203 Kunststoff 0 0 18

190501 Nicht kompostierbare Fraktion von Siedlungs- und ähnlichen Abfällen

0 49 0

190814 Schlämme aus einer anderen Behandlung 1.887 2.282 2.323

191204 Kunststoff und Gummi 10.354 5.814 4.861

191208 Textilien 15 0 0

191210 Brennbare Abfälle 104.077 103.988 117.593

191212 Sonstige Abfälle einschließlich Materialmischungen 94.303 94.715 87.499

200201 Biologisch abbaubare Abfälle 0 0 299

200301 Gemischte Siedlungsabfälle 26.971 31.632 20.344

Summe 240.129 239.362 232.938

Durch das Früherkennungssystem mit der IR-Kamera werden heiße Stellen und sich daraus entwickelnde mögliche Brandereignisse im Abfallbunker schnell und sicher vom Betriebspersonal erkannt und die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. Dazu gehört zu allererst der gezielte Einsatz der vorhandenen Feuerlöschtechnik.

Beispielsweise kann bei heißen Stellen im Abfall durch den Kranfahrer der betroffene Abfall mit dem Greifer des Bunkerkranes aufgenommen und über den Brennstoffauf-gabetrichter einer kontrollierten Verbrennung zugeführt werden.

Der Brennstoffaufgabetrichter selbst verfügt brandschutztechnisch über eine stationäre Löschanlage,umhiergegebenenfallseineninBrandgeratenenAbfallabzulöschen.

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Die installierten Ausrüstungen für den Brandschutz sind allein nicht ausreichend. Zur Erhaltung eines hohen Sicherheitsstandards gehört unbedingt das Betriebspersonal mitSchulungenundÜbungenvonAbläufen sowiegenerell einehoheSensibilitätfürGefahren.BewährthabensichauchpraktischeÜbungenderFeuerwehrvorOrt,insbesondere für die Optimierung des Zusammenwirkens von Einsatzkräften der Feuerwehr mit dem Betriebspersonal.

Wegen des besonderen Fokus der Öffentlichkeit auf die Abfallverbrennungsanlagen ist die schnelle sachliche Information der Öffentlichkeit bei Ereignissen und bei Scha-densfällen immer wichtiger geworden.

1.2. BrandschutzeinrichtungenDerAbfallbunkeristderBereichmitdemhöchstenBrandrisiko.DieBrandlastistgroß,vorallemauchinZeitenunmittelbarnachlängerenStillständen,indenensichmeisteine größere Lagermenge im Bunker angesammelt hat.

Darüber hinaus stellt der Prozess der Abfallanlieferung eine risikobehaftete Schnitt-stelle dar. Die Qualität der Abfälle und die Inhaltsstoffe können nicht genau definiert werden,derEintragvonZündquellenodervonStoffen,dieunterHitzeentwicklungmiteinanderreagieren,kanntrotzorganisatorischerMaßnahmen,wiez.B.Annahme-ausschlüssekritischerStoffeoderdurchintensiveEingangskontrollen,nichtzuverlässigverhindert werden.

Diesem Umstand wurde - ähnlich wie in allen anderen Abfallverbrennungsanlagen – im IKW Rüdersdorf durch umfangreiche Brandschutzeinrichtungen im Bereich des Abfallbunkers Rechnung getragen.

Dazu gehören:

• die InstallationeinerIR-KameramitDatenerfassungundDatenauswertungzurErkennungvonerhöhtenTemperaturenanderOberflächedergelagertenAbfälle,

• zweiLöschmonitoreinderEbenederKranführerkanzel,manuellbedienbarodermit flächendeckend selbsttätigem Programmablauf oder gesteuert durch die IR-Kamera,BetriebwahlweisemitWasseroderMittelschaum,

• dieLöschanlage zurAbdeckungdes gesamtenLagerbereiches imAbfallbunker,BetriebwahlweisemitWasserodermitMittelschaum,

• dieLöschanlagezurAbdeckungdesBrennstoffaufgabetrichters,BetriebwahlweisemitWasseroderMittelschaum,

• dieBesprüheinrichtungenimAbfallbunkerfürdieKranparkplätzeunddieKran-führerkanzel,

• dieLöschwasserversorgungfürdenBetriebderLöschanlagen,SteigleitungenundHydranten,

• trockeneSteigleitungenmitZugangzumAbfallbunker.

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DieAufgabederIR-Kamerabestehtdarin,WärmequellenimAbfallbunkerzudetektieren.Die IR-Kamera gibt dazu eine den gemessenen Temperaturen entsprechende Farbgebung auf dem Bildschirm wieder und löst bei Erreichen von 100 °C eine optische Alarmierung überdieProzessleittechnikaus,ab140°CkommtnocheineakustischeAlarmierunghinzu.

Punktuelle oder auch schlecht erreichbare Brandherde können besonders effektiv mit denLöschmonitorenbekämpftwerden.Dassindfestmontierte,dreh-undschwenkbareWasserwerfer,derenReichweiteüberdiegesamteLängedesBunkersgeht.DerbesondereVorteil liegt in der Kopplung mit der IR-Kamera. Diese erkennt den Brandherd anhand der Wärmeentwicklung und richtet die Monitore darauf aus.

Bereich Wirkfläche Wasserrate m² I/min

Schaumlöschmonitore Bunker 660 2 • 1.000

Mittelschaumanlage Bunker 4 • 660 4 • 600

Mittelschaumanlage Aufgabetrichter 50 500

Sprühlöschanlage Kranausfahrten 2 • 25 2 • 250

Sprühlöschanlage Krankanzel 570

Tabelle 3:

ÜbersichtSchaumlösch- und Sprühflutanlagen

Bild 5: Feuerlöschmonitor beim Test

DieEinstellungderLöschtechnikwurdebewusstsokonzipiert,dassbisaufdieMittel-schaumanlage für den Aufgabetrichter alle Anlagen ausschließlich manuell auslösbar sind.

Die automatische Auslösung für den Aufgabetrichter erfolgt mit einer Zeitverzögerung von 3 min und ist in dieser Zeit durch das Bedienpersonal zurücksetzbar.

1.3. LöschwasserbevorratungDie Löschwasserversorgung im IKW Rüdersdorf basiert auf einem System von mit-einander verbundenen Becken mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 680 m³ (LöschwasserbeckenundPumpenhausbecken), derEinspeisung von30m³/h auseinemeigenenBrunnensowiederFeuerwehreinspeisungmit96m³/hausdemNetzder kommunalen Wasserversorgung. (Bild 9)

Bild 6: Löschanlage Brennstoffaufgabe-trichter beim Test

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Bild 7: Unterflurhydrant der kommunalen Wasserversorgung

Je nach aktuellem Füllstand kann zusätzlich noch Wasser aus einem Regenwasserbecken (Fassungsvermögen 556 m³) und einem Betriebswasserbecken (Fassungsvermögen 154 m³) zugeführt werden.

Im Brandfall wird das Löschwasser mit redundanten Löschwasserpumpen in den Löschwasserkreis des IKW Rüdersdorf gefördert. Der Löschwasserkreis versorgt alle Schaumlösch-undSprühflutanlagenimAbfallbunkersowiealleSteigleitungen,Über-flur- und Innenwandhydranten.

BeiAnnahmeeinesgleichzeitigenBetriebesvonzweiLöschmonitorenimBunker,derSprühflutanlage Krankanzel sowie der Nutzung von zwei Innenwandhydranten und einesÜberflurhydrantenergibtsichohnezusätzlicheEinspeisungüberdieFeuerwehreine Wirkzeit von mehr als zwei Stunden. Mit gleichzeitiger Einspeisung durch die Feuerwehr aus dem Netz der kommunalen Wasserversorgung verlängert sich diese Zeit um die gesamte erforderliche Einsatzzeit.

1.4. EntrauchungDieErfahrungenzeigen,dassbeieinemsichentwickelndenBrandderAbfallbunkersoschnellverrauchtist,dassfürdenKranfahrerunddieEinsatzkräftefaktischkaumeine Sicht mehr besteht.

Bild 8: Trockene Steigleitung zwischen Kesselhaus und Maschinenhaus

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Dachflächeauf 36,67 m

ÜberdachungEndladebereichauf + 15,12 m

Dachfläche auf +36,67 m

mit 5 % Wärme-abzugsfläche

Dachflächeauf 36,67 m

Dachflächeauf +10,50 m

Dachflächeauf +23,37 m

mit 5 % Wärme-abzugsfläche

Dachflächeauf +44,57 m

mit 5 % Wärme-abzugsfläche

Dachfläche auf +27 m

Bild 10:

Entrauchungsklappe auf dem Bunkerdach

Bild 11: Ebene Dach Abfallbunker – Position der Entrauchungsklappen

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Um jedochgezielt denBrand auchmitLöscheinrichtungen,dienicht andas IR-Kamerasystemangebundensind,bekämpfenzukönnen,erfordertdieseineräumlicheOrientierung. Das Beseitigen des Rauches kann durch

• AbdeckendesBrandnestesmitSchaum

• gezieltesLöschenmitdenLöschwassermonitoren

• ÖffnenderEntrauchungsklappen

erfolgen.

Unabhängig davon stehen für die Bedienung der Kräne in einem verrauchten Bunker PositionierungssystemezurVerfügung,mitderenHilfederEinsatzderKräneunter-stützt wird.

Bei einem verrauchten Bunker wirkt sich die betriebsseitige Primärluftansaugung (60.000m³/h) positiv aus, in demdie entstandenenBrandgase aus demBunkerabgesaugt und der Verbrennungsanlage zugeführt werden. Im Falle des Austretens von Brandgasen bei Öffnung der Entrauchungsklappen können auf diese Weise die Auswirkungen auf die Umwelt minimiert werden. Die vier in der Bunkerdecke in-stallierten,mitpneumatischenAntriebenversehenenEntrauchungsklappenöffnensich automatisch bei Erreichen von 70 °C. Zudem können die Klappen auch manuell geöffnet und geschlossen werden. (Bilder 10 und 11)

2. Brandereignis am 06.04.2015

2.1. VerlaufAm 06.04.2015 (Ostermontag) um 0:22 Uhr wurde durch den Anlagenfahrer im Leitstand und den Kranfahrer auf der Kranwarte auf dem Monitor der Temperatur-überwachung des Abfallbunkers mittels IR-Kamera im Feld vor dem Bunkertor 2 ein plötzlicherTemperaturanstiegregistriert,diehöchsteangezeigteTemperaturbetrug176°C,Flammenwarennichtzusehen.

Bild 12: Temperaturüberwachung Abfall-bunker mit IR-Kamera

Bei Alarmierung durch die IR-Kamera werden vom Betriebspersonal Maßnah-menergriffen,umdieWärmequelle zubeseitigen. In der Regel werden diese Bereiche mit den Abfallkranen abgegrif-fen und der Verbrennung zugeführt. Bei Erfordernis gehört zu einer möglichen Maßnahme auch die Abkühlung mit Wasser durch Einsatz der Feuerlöschmo-nitore, die sowohl automatischmittelsder IR-Kamera als auch manuell auf die Wärmequellegerichtetwerdenkönnen.

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In der beschriebenen Weise wurde ohne Zeitverzögerung der Wasserstrahl der Feuer-löschmonitoreaufdasangezeigteFeldvorBunkertor2gerichtet,umfürAbkühlungzu sorgen.

Gegen 0:30 Uhr zeigte die IR-Kamera eine Temperaturerhöhung für ein weiteres Feld vorBunkertor2an,aufwelchesebenfallsderWasserstrahlderFeuerlöschmonitoregerichtet wurde.

Als dann um 0:34 Uhr offene Flammen im Bereich des Bunkertors 2 zu sehen wa-ren,wurdedieLeitsammelstellederFeuerwehrinFrankfurt/Oderalarmiertunddiegesamte Bunkerlöschanlage in Betrieb genommen. Dazu gehörten die beiden Feu-erlöschmonitore, dieMittelschaumanlagedesAbfallbunkers (Deckenlöschanlage),die Sprühlöschanlagen für die Kranparkpositionen und die Sprühlöschanlage für die Krankanzel außen.

Tabelle 4: Einsatzzeiten der installierten Löschanlagen beim Brandereignis

Löschtechnik Wasserrate Betriebszeit Betriebszeit

Bereich Konzept 06.04.2015

I/min min

Löschmonitor 1 1.000 60 100

Löschmonitor 2 1.000 60 125

Deckenlöschanlage 4 • 600 3 125

Aufgabetrichter 500 60 0

Kranausfahrten 2 • 250 60 20

Krankanzel 570 120 20

Die Feuerlöschmonitore und die Deckenlöschanlage waren nahezu 2 Stunden in Betrieb. Die Feuerlöschmonitore waren dabei auf das punktuelle Feuer gerichtet und die Deckenlöschanlage war zur Verhinderung einer Ausbreitung des Feuers auf der OberflächeinBetrieb.DakeineweitereGefahrbestand,warendieSprühanlagenfürdie Kranpositionen und die Krankanzel nur kurze Zeit im Einsatz. Die Löschanlage über dem Aufgabetrichter wurde nicht benötigt.

Die Freiwilligen Feuerwehren aus Rüdersdorf und den umgebenden Gemeinden trafen ab 0:44 Uhr ein. Die Feuerwehr hatte insgesamt 70 Einsatzkräfte und 12 Fahrzeuge vor Ort im Einsatz.

Das Löschen des punktuellen Feuers vor dem Bunkertor 2 durch die Feuerwehr erfolgte von außen über das Bunkertor 3 daneben und die Kehrluken der Bunkertore 1 und 2. DiesesVorgehenwurdeerforderlich,dasichdieBunkertore1und2nichtmehröffnenließen – der elektrische Öffnungsmechanismus war infolge der thermischen Beanspru-chung gestört. Dadurch nahm der Löschvorgang zusätzlich Zeit in Anspruch. Eine Ausbreitung des Feuers war durch die Betonwände des Bunkers nicht zu befürchten.

Gegen 05:00 Uhr hatte die Feuerwehr das Feuer unter Kontrolle und stellte eine Brand-wache,diegegen10.00UhrdasIKWRüdersdorfverließ.

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Bild 13: Rauchentwicklung an den Bunker-toren 1 und 2

Im Verlauf des Löscheinsatzes wurden auf Anweisung der Feuerwehr zur Wärme-ableitung und zur Sichtverbesserung die Entrauchungsklappen auf dem Dach des Abfallbunkers geöffnet und dadurch die Verrauchung im Abfallbunker erfolgreich beseitigt.

Während des gesamten Löscheinsatzes war die gesamte Verbrennungsanlage in Betrieb. Somit wurden während des Brandereignisses aus dem Abfallbunker über denPrimärlüfter 60.000m³/h anmit Brandgasen versetzter Bunkerluft ab-gesaugt und der Verbrennung zugeführt. Dadurch wurden bei der Öffnung der Entrauchungsklappen auf dem Bunker-dach die Auswirkungen für die Umwelt erheblich reduziert.

Die Feuerwehr kontrollierte parallel zur Brandbekämpfung die Schadstoffausbrei-tung in der Umgebung des IKW Rüders-dorf und stellte keine Belastung fest.

Zum Zeitpunkt des Brandereignisses am 06.04.2015 befanden sich etwa 4.200 Tonnen AbfallimBunker,derAnlagenbetriebwurdebiszum07.04.2015fortgesetzt.DiebeimBrandereignis im Bunker verbrannte Abfallmenge betrug etwa 10 bis 20 Tonnen. Zur Kontrolle von Schäden wurde die Anlage im Laufe des 07.04.2015 außer Betrieb genommen.

Ein Gutachter kontrollierte den Abfallbunker am 07.04.2015 und stellte keine wesent-lichen Beeinträchtigungen am Bauwerk fest.

2.2. UrsachenDer Verlauf des Brandereignisses weist als Ursache auf eine Selbstentzündung infolge biologischeroder/undchemischerProzesseimAbfallhin.

Die Ursache für Selbstentzündung können exotherm ablaufende Prozesse im Abfall sein.Diebeidenbiologischenund/oderchemischenReaktionenimAbfallentstehendeWärme führt durch Wärmestau zum Anstieg der Temperaturen im Haufwerk und in VerbindungmitleichtentzündlichenStoffenzueinemSchwelbrand.IndemMoment,wenn Luft hinzukommt – beispielsweise wenn mit dem Krangreifer der Abfall bewegt wird – kann sich aus dem Schwelbrand ein offenes Feuer entwickeln.

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Die punktuell offenen Flammen an der Oberfläche des gelagerten Abfalls am Tor 2 warenaufdenLuftzutritt imBereichdiesesToreszurückzuführen,möglicherweiseüberdieKehrluke,alsderSchwelbrandsichdahinbewegthatte.

2.3. Öffentlichkeit und BehördenNahezu zeitgleich mit Beginn des Feuerwehreinsatzes war die Kriminalpolizei mit drei Mitarbeitern vor Ort und führte Befragungen der Schichtmitarbeiter zum Brandverlauf durch.

Die zuständigenMitarbeiter derUmweltbehörde, des Landesamtes fürUmwelt,GesundheitundVerbraucherschutz(LUGV),wurdenumgehendperEmailundtele-fonisch über das Brandereignis informiert und führten dann selbst eine ausführliche Anlagenbegehung durch. Auflagen und Hinweise des LUGV wurden während des Stillstandes zur Reparatur der Schäden umgesetzt.

Am Folgetag nach dem Brandereignis fand eine turnusmäßige Sitzung des Umwelt-ausschussesderGemeindestatt,dievomIKWRüdersdorfzurInformationderÖffent-lichkeit zum Brandereignis und zur Beantwortung von Fragen genutzt wurde. Dieser ausführliche Termin unmittelbar nach dem Brandereignis trug zur Versachlichung der Situation und der entsprechenden Berichterstattung in den Medien bei.

Aufgrund dieses öffentlichen Auftretens einen Tag nach dem Brandereignis und der ohnehin zeitnahen Berichterstattung in den Online- und Printmedien wurde vom IKW Rüdersdorf auf eine schriftliche Presseerklärung verzichtet.

Einen Monat nach dem Brandereignis fand das erste gemeinsame Auswertegespräch mit der Gemeinde und der Feuerwehr im IKW Rüdersdorf statt. Themen waren u.a.

• derAblaufderAlarmierung,

• derAblaufdesLöscheinsatzes,

• dieLöschwassersituation,

• dieEntrauchung.

EinewichtigeSchlussfolgerungwardabei,häufigerÜbungenmitderFeuerwehrvorOrt im IKW Rüdersdorf durchzuführen.

3. Schlussfolgerungen

3.1. Risikoanalyse und BrandschutzkonzeptFür die Einschätzung des Risikos zur Entstehung und Ausbreitung eines Brandes im Abfallbunker sind die bauliche Ausbildung des Bunkers und die Methode der Befüllung und die Art der Entnahme von Abfällen maßgeblich.

Im IKW Rüdersdorf wird im Seitenbereich des Abfallbunkers ein vertikal aufsteigender Stapelgebildet,dermitdenangeliefertenAbfällenaufgebautwirdundvondemauch

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die Entnahme für die Brennstoffaufgabe erfolgt. Neben diesem Hauptstapel befindet sich an der Wand unter der Krankanzel gegenüber den Annahmestellen ein kleinerer Stapel,dersichinsbesonderebeihoherLieferfrequenzaufbaut.

Gefahren für sich ausbreitende Brände im Abfallbunker entstehen z.B. durch:

• BrandherdeimfrischangeliefertenAbfall,

• SelbstentzündungundBrandausbreitungentlangvonvertikalaufsteigendenFlan-kenderAbfallstapel,

• SelbstentzündungundBrandentstehunginderhorizontalenOberflächeeinesAb-fallstapels.

Die beiden letztgenannten Situationen können sich insbesondere durch Entzündung eines im Abfallstapel entstandenen Schwelbrandnestes nach Luftzutritt – z.B. in Ver-bindung mit der Entnahme von Abfall mit dem Krangreifer – entwickeln.

DieErfahrungeninanderenAnlagenhabengezeigt,dasssichFeuerinderhorizonta-len Oberfläche der Abfallstapel durch die Möglichkeit massiven Schaumeinsatzes gut bekämpfen lässt.

Demgegenüber sind die Zonen der Abfallanlieferung und die vertikal aufsteigenden Flanken wegen der sehr verschiedenen Höhen und Winkel nur mit den Lösch- monitoren zu erreichen. Das Aufbringen von Schaum oder anderen Löschmitteln auf die schrägen oder senkrechten Flanken der Abfallstapel ist hier nur unvollkommen möglich.

Auch die durch exotherme Reaktionen in der Tiefe von Abfallstapeln entstehenden Wärmestaus sindnichtmit Schaumerreich-undbekämpfbar, sondernnurdurchgezielten Wassereinsatz mittels der Löschmonitore.

Wegen der relativ dichten Packung der Abfälle in den Stapeln mit dem dadurch einge-schränkten Luftzutritt ist die Geschwindigkeit des Abbrandes bei einem Schwelbrand im Stapelrelativgering.DadurchkannsicheinSchwelbrandüberlängereZeitentwickeln,ohne dass es zu Auswirkungen kommt. Erst bei Zutritt von Luft an der Stapeloberflä-che ändert sich die Situation hin zu einer sich schnell ausbreitenden offenen Flamme.

Die Auswertung des Verlaufes des Brandereignisses und der Brandbekämpfung am 06.04.2015 ergab folgende Aspekte:

• TrotzdesZeitpunktesdesBrandereignissesinderNachtunddazunochzwischenFeiertagen haben sowohl das eigene Personal als auch die Einsatzkräfte der Feuer-wehrdierichtigenMaßnahmenergriffen,umdenpunktuellenBrandzubekämpfenund an der weiteren Ausbreitung zu hindern.

• DievorhandenenLöschanlagenwaren–mitAusnahmederfürdenAufgabetrichternicht benötigten – mehr als zwei Stunden im Einsatz.

• DieFeuerwehrnutztevomLöschwassernetzzweiderHydrantenfürihreLösch-tätigkeit und baute eine Einspeisung aus der kommunalen Wasserversorgung auf.

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Die interne Löschwasserbevorratung und die externe Einspeisung über die Feuer-wehr waren für den gesamten Einsatz ausreichend.

• DerWeiterbetriebderAbfallverbrennungtrugdurchdieAbsaugungüberdasPri-märluftsystem zur Reduzierung der starken Rauchentwicklung im Abfallbunker bei.

• Eine gute Sicht für die Brandbekämpfungwurde erstmitÖffnung der Rauch- abzugsklappen auf dem Dach des Abfallbunkers erreicht.

• DiemassiveBauweisedesAbfallbunkersmitgegossenenBetonwändenundeinerDachkonstruktion aus Beton-Fertigelementen erwies sich als ausreichend bestän-dig gegen das Feuer. Lediglich im Bereich des Tores 2 ergaben sich durch die Wär-meinwirkungkleinereSchäden,ohnejedochdieStandfestigkeitoderdieFunktionzu beeinträchtigen

Unabhängig von dem relativ glimpflich abgelaufenen Brandereignis wurden im Ergebnis derAuswertungweiterführendeÜberlegungenzurOptimierungvontechnischenundorganisatorischen Maßnahmen angestellt.

3.2. Zusammenwirken mit der Feuerwehr

Das IKW Rüdersdorf hält keine eigene Werksfeuerwehr bereit. Die Freiwillige Feu-erwehr der Ortsgemeinden ist gut ausgerüstet und kann wegen der ausgearbeiteten Einsatzpläne und der relativen Nähe der drei Feuerwachen zum Ort der Anlage eine schnelle und wirksame Brandbekämpfung leisten.

Dazu unterstützt das Betriebspersonal im Brandfall die Einsatzkräfte der Feuerwehr beiderEinweisungindieÖrtlichkeiten,mitderBedienungderbetriebseigenenLösch-einrichtungen und im Zusammenwirken von verfahrenstechnischen Anlagen mit den Brandbekämpfungsmaßnahmen (z.B. durch den Betrieb der Abfallkräne).

Neben den eigentlichen Löschmaßnahmen ergänzt die Feuerwehr die Löschwas-serbevorratung durch den Aufbau einer externen Einspeisung aus der kommunalen Wasserversorgung und verantwortet bestimmte Maßnahmen wie das Öffnen der Rauchabzugsklappen in der Decke des Abfallbunkers zur Entrauchung.

Im Rahmen der Auswertung des Brandereignisses wurde die Intensivierung der ÜbungenmitderFeuerwehrimIKWRüdersdorfbeschlossen,damitdieFeuerwehrdie Gebäude und die vorhandene Feuerlöschlogistik noch besser kennenlernt.

3.3. Technische Verbesserungen

Für die Entrauchung des Abfallbunkers wurde die Nutzung der vorhandenen Bunker-stillstandsentlüftung auf dem Bunkerdach geprüft. Diese besteht aus zwei Linien mit einerAbsaugungvoninsgesamt30.000Nm³/h,jedeLinieverfügtjeweilsübereinenStaub- und einen Aktivkohlefilter.

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Bild 14:

Bunkerstillstandsentlüftung

DieBunkerstillstandsentlüftungistimNormalbetriebnichtimEinsatz,dennhierer-folgt die Absaugung der Bunkerluft durch den Primärlüfter der Verbrennungsanlage mit60.000Nm³/h.DieBunkerstillstandsentlüftungistnurbeiStillständenderAnlagein Betrieb.

Der Vorteil der Nutzung der Bunkerstillstandsentlüftung bei Brandereignissen zur zusätzlichen Entrauchung liegt auf der Hand: Die Brandgase gelangen nicht direkt in dieUmgebung,sondernwerdenvorhernochgefiltert,sodassu.U.aufdieÖffnungderEntrauchungsklappen verzichtet werden kann.

Um die Bunkerstillstandsentlüftung zukünftig bei Brandereignissen im Abfallbunker einsetzenzukönnen,wurdenalsSicherheitsmaßnahmezumSchutzderFiltertechnikzusätzlich Temperaturüberwachungen an den Absaugungen zu den Filtern eingebaut und die Signale auf die Leitwarte geführt. Die Grenztemperatur beträgt 70 °C und wurde beim Brandereignis am 06.04.2015 nicht erreicht.

Um die Tore an den Annahmestellen auch bei thermischer Belastung infolge eines Brandes im InnerndesBunkers sicheröffnenzukönnen,wurdendie elektrischenLeitungen neu verlegt (die Antriebe der Bunkertore selbst sind gekapselt und haben der thermischen Belastung standgehalten).

Zur Sicherung des Betriebes der Abfallkräne während eines Bunkerbrandes wurden die bisher über dem Brennstoffaufgabeschacht geführten Kabel für den Abfallkran 2 neuaußerhalbdesAbfallbunkersverlegt.AlleanderenKabelimAbfallbunker,wiefürdieBeleuchtung,fürdieBeheizungderFeuerlöschleitungenusw.erhieltenzusätzlicheine feuerbeständige Bandagierung.

3.4. Organisatorische MaßnahmenDie Verantwortung für den Brandschutz und die Aufgaben im Brandfall von Be-triebsleitung,SchichtleitungundanderenVorgesetztensindinVerbindungmitdemBrandschutzkonzept grundsätzlich in den betrieblichen Dokumenten beschrieben und festgelegt.

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Der Bedeutung des Brandschutzes wurde im IKW Rüdersdorf durch die Bestellung eines Brandschutzbeauftragten bereits mit Aufnahme des bestimmungsgemäßen Dauerbetriebes im Jahr 2009 Rechnung getragen. Der Brandschutzbeauftragte erhält fachliche Unterstützung von externen Sachverständigen sowie von eigenen Mitarbeitern desIKWRüdersdorf,dieselbstüberErfahrungendurchihreaktiveTätigkeitinderFreiwilligen Feuerwehr verfügen. Der Brandschutzbeauftragte hält auch den Kontakt zu denFachbehördensowiezurFeuerwehr,z.B.zurOrganisationvonBrandschutzübun-gen vor Ort. In die Auswertung des Brandereignisses ist der Brandschutzbeauftragte maßgeblich eingebunden.

Nach Analyse der Brandentstehung wurde die bisherige Betriebsanweisung für die StapelungimBunkerüberprüftunddahingehendverändert,dasseineUmwälzungder gestapelten Abfälle häufiger als bisher zu erfolgen hat.

Darüber hinaus wurden alle Mitarbeiter noch einmal intensiv zu den verschiedenen Themen geschult:

• BrandvermeidungdurchhöhereFrequenzderUmwälzungvonAbfallstapelnimBunker,

• EinsatzvarianteninVerbindungmitdeninstalliertenLöschanlagen,

• LöschwasserbevorratungundLöschwasserversorgung,

• WirkungsweisedervorhandenenEntrauchungssysteme,

• ZusammenwirkenmitderFeuerwehrimEinsatzfall.

Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt dabei auf den konkreten Handlungen der eigenen Mitarbeiter,dieimmerwiedergeschultundtrainiertwerdenmüssen,sowieimrichtigenZusammenwirkenmitdenEinsatzkräftenderFeuerwehr,

4. ZusammenfassungBei der von der Vattenfall Europe New Energy Ecopower GmbH betriebenen Abfall-verbrennungsanlage in Rüdersdorf ereignete sich am 06.04.2015 – unter sehr ungüns-tigen Randbedingungen in der Nacht und zwischen zwei Feiertagen – ein Brand im Abfallbunker,derimZusammenwirkenmitderFeuerwehrnachachtStundengelöschtwerden konnte.

BeidemBrandereignishandelteessichumeinpunktuellesFeuer,welchesimgelagertenAbfall durch Selbstentzündung entstanden war. Durch die schnelle Brandbekämpfung mit den installierten Löschanlagen und durch den Löscheinsatz der Feuerwehr wurde eineAusbreitungaufdengesamtenBunkerverhindert,wodurchdieAuswirkungenrelativ gering blieben.

Die Analyse der Brandentstehung und des Verlaufes der Brandbekämpfung ergab eine Reihe von weitergehenden Hinweisen für den vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz.

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Bunkerbrand im Ersatzbrennstoff-Kraftwerk Rüdersdorf

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Damit verbunden ist der Brandschutz im IKW Rüdersdorf Bestandteil eines kontinuier-lichenVerbesserungsprozesses,umRisikenundBelastungenderUmweltzuvermeidenund auch um Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung zu verringern.

5. Quellen[1] Besonderheiten des Brandschutzes in Abfallverbrennungsanlagen; Dritte Ausgabe; VGB-Stan-

dard-S-217M-2012; VGB PowerTech e. V.; Essen; 2012

[2] Brandschutzkompakt. Der Informationsbrief des bvfa. Bundesverband Technischer Brand-schutze.V.,Nr.43,April2011

[3]Diekmann,N.:BekämpfunggrößererFeststoffbrände–In:BRANDSCHUTZDeutscheFeuer-wehr-Zeitung,August2011,S.600-604

[4] DVGW Technische Regel Arbeitsblatt W 405 - Bereitstellung von Löschwasser durch die öffent-licheTrinkwasserversorgung,Februar2008

[5]Wittek,G.:KonsequenzenauszweiBrändenimMüllbunker–DasüberarbeiteteBrandschutz-konzeptderMüllverbrennungsanlageNürnberg.In:Thomé-Kozmiensky,K.J.:StrategiePlanungUmweltrecht,Band8.Nietwerder:TKVerlagKarlThomé-Kozmiensky,2014,S.211-234

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Aschen • Schlacken • Stäube– aus Abfallverbrennung und Metallurgie –ISBN: 978-3-935317-99-3 Erschienen: September 2013 Gebundene Ausgabe: 724 Seiten mit zahlreichen farbigen AbbildungenPreis: 50.00 EUR

Aschen • Schlacken • Stäube

Herausgeber: Karl J. Thomé-Kozmiensky • Verlag: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky

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Aschen • Schlacken • Stäube– aus Abfallverbrennung und Metallurgie –

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Der Umgang mit mineralischen Abfällen soll seit einem Jahrzehnt neu geregelt werden. Das Bundesumweltministerium hat die Verordnungs-entwürfe zum Schutz des Grundwassers, zum Umgang mit Ersatzbaustoffen und zum Bodenschutz zur Mantelverordnung zusammengefasst. Inzwischen liegt die zweite Fassung des Arbeitsentwurfs vor. Die Verordnung wurde in der zu Ende gehenden Legislaturperiode nicht verabschiedet und wird daher eines der zentralen und weiterhin kontrovers diskutierten Vorhaben der Rechtssetzung für die Abfallwirtschaft in der kommenden Legislaturperiode sein. Die Reaktionen auf die vom Bundesumweltministerium vorgelegten Arbeitsentwürfe waren bei den wirtschaftlich Betroffenen überwiegend ablehnend. Die Argumente der Wirtschaft sind nachvollziehbar, wird doch die Mantelverordnung große Massen mineralischer Abfälle in Deutschland lenken – entweder in die Verwertung oder auf Deponien.

Weil die Entsorgung mineralischer Abfälle voraussichtlich nach rund zwei Wahlperioden andauernden Diskussionen endgültig geregelt werden soll, soll dieses Buch unmittelbar nach der Bundestagswahl den aktuellen Erkenntnis- und Diskussionsstand zur Mantelverordnung für die Aschen aus der Abfallverbrennung und die Schlacken aus metallurgischen Prozessen wiedergeben.

Die Praxis des Umgangs mit mineralischen Abfällen ist in den Bundesländern unterschiedlich. Bayern gehört zu den Bundesländern, die sich offensichtlich nicht abwartend verhalten. Der Einsatz von Ersatzbaustoffen in Bayern wird ebenso wie die Sicht der Industrie vorgestellt.

Auch in den deutschsprachigen Nachbarländern werden die rechtlichen Einsatzbedingungen für mineralische Ersatzbaustoffe diskutiert. In Österreich – hier liegt der Entwurf einer Recyclingbaustoff-Verordnung vor – ist die Frage der Verwertung von Aschen und Schlacken Thema kontroverser Auseinandersetzungen. In der Schweiz ist die Schlackenentsorgung in der Technischen Verordnung für Abfälle (TVA) geregelt, die strenge Anforderungen bezüglich der Schadstoffkonzentrationen im Feststoff und im Eluat stellt, so dass dies einem Einsatzverbot für die meisten Schlacken gleichkommt. Die Verordnung wird derzeit revidiert.

In diesem Buch stehen insbesondere wirtschaftliche und technische Aspekte der Entsorgung von Aschen aus der Abfallverbrennung und der Schlacken aus der Metallurgie im Vordergrund.