Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

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Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte Herausforderungen für das Leitungspersonal Fakultät Wirtschaft und Soziales Department Soziale Arbeit Bachelor-Thesis vorgelegt von Lisa Meier Matrikelnummer: Adresse: Tag der Abgabe: 13.Mai 2015 Betreuende Prüferin: Prof. Dr. Petra Strehmel Zweiter Prüfer: Prof. Dr. Georg Schürgers

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Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Herausforderungen für das Leitungspersonal

Fakultät Wirtschaft und Soziales

Department Soziale Arbeit

Bachelor-Thesis

vorgelegt von

Lisa Meier

Matrikelnummer:

Adresse:

Tag der Abgabe: 13.Mai 2015

Betreuende Prüferin: Prof. Dr. Petra Strehmel

Zweiter Prüfer: Prof. Dr. Georg Schürgers

Page 2: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................. 1

1. Einleitung ............................................................................................................. 2

2. Stress .................................................................................................................. 4

2.1 Der Stressbegriff nach Selye ......................................................................... 5

2.2 Das transaktionale Stressmodell nach Lazarus ............................................. 6

2.3 Zusammenfassung ........................................................................................ 7

3. Das Burnout-Syndrom ......................................................................................... 7

3.1 Definitionen und Erklärungsansätze .............................................................. 7

3.1.1 Definitionsansatz nach Freudenberger ................................................... 8

3.1.2 Definitionsansatz nach Maslach ............................................................ 13

3.1.3 Definitionsansatz nach Burisch ............................................................. 17

3.1.4 Die ICD-10 Klassifikation ...................................................................... 19

3.2 Messinstrumente um Burnout zu bestimmen ............................................... 20

3.2.1 MBI – Maslach Burnout Inventory nach Maslach & Jackson ................. 21

3.2.2 HBI – Hamburger Burnout Inventar nach Burisch ................................. 22

3.3 Zusammenfassung ...................................................................................... 23

4. Burnout in der Kindertagesstätte ........................................................................ 24

4.1 Eine Tätigkeitsbeschreibung von pädagogischen Fachkräften im Arbeitsfeld

Kindertagesstätte .................................................................................................. 25

4.2 Das Befinden der pädagogischen Fachkräfte .............................................. 27

4.2.1 Spezielle Stressfaktoren ....................................................................... 27

4.2.2 Besondere Ressourcen ........................................................................ 28

4.3 Besondere Verantwortung der Kindertagesstättenleitung ............................ 29

4.4 Zusammenfassung ...................................................................................... 35

5. Empirische Forschung ....................................................................................... 35

5.1 Forschungsfrage ......................................................................................... 36

5.2 Forschungsmethoden .................................................................................. 36

5.2.1 Untersuchungsmethoden ...................................................................... 37

5.2.2 Erhebungsinstrument ............................................................................ 37

5.2.3 Die befragten Personen ........................................................................ 38

5.2.4 Auswertungsmethode ........................................................................... 39

5.3 Ablauf der Untersuchung ............................................................................. 39

5.4 Analyse des Interviewmaterials ................................................................... 40

5.5 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse ............................................. 46

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6. Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten ........................ 48

6.1 Gestaltung eines Gesundheitsmanagements innerhalb der Einrichtung ...... 48

6.2 Das Konzept der Salutogenese ................................................................... 50

6.2.1 Das Kohärenzgefühl ............................................................................. 51

6.2.2 Die Resilienzfaktoren ............................................................................ 52

6.2.3 Das Konzept der Salutogenese als Leitung einer Kindertagesstätte

anwenden .......................................................................................................... 52

6.3 Gesundheitsförderlicher Führungsstil .......................................................... 55

6.4 Angebote des Trägers ................................................................................. 57

6.4.1 Gefährdungsanalyse ............................................................................. 57

6.4.2 (Team-)Supervision .............................................................................. 59

6.4.3 EAP-Maßnahmen ................................................................................. 61

6.4.4 Sport- und Präventionskurse ................................................................. 62

7. Fazit ................................................................................................................... 63

Literaturverzeichnis .................................................................................................. 66

Quellenverzeichnis: .................................................................................................. 69

Abbildungsverzeichnis .............................................................................................. 69

Anhang..................................................................................................................... 70

Eidesstattliche Erklärung ........................................................................................ 110

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Abkürzungsverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

AOK Allgemeine Ortskrankenkasse

ArbSchG Arbeitsschutzgesetz

AWO Arbeiterwohlfahrt

BGW Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und

Wohlfahrtspflege

BIND Burnout-Institut Norddeutschland

DIMDI Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und

Information

DP Depersonalisation

EE engl. Emotional Exhaustion, Emotionale Erschöpfung

HBI Hamburger Burnout-Inventar

HTA engl. Health Technology Assessment, Systematische Bewertung

gesundheitsrelevanter Prozesse und Verfahren

ICD-10 engl. International Statistical Classification of Diseases and

Related Health Problems, Internationale statistische

Klassifikation der Krankheiten und verwandter

Gesundheitsprobleme

KiTaG Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder

KJHG Kinder- und Jugendhilfegesetz

MBI engl. Maslach Burnout Inventory

MBI-ES engl. MBI-Educators Survey

MBI-GS engl. MBI-General Survey

PA engl. Personal Accomplishment, Leistungs(un)zufriedenheit

SGBVIII Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII), Kinder- und

Jugendhilfe

SOC engl. Sense of Coherence, Kohärenzgefühl

WHO engl. World Health Organization, Weltgesundheitsorganisation

WIFF Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte

Page 5: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Einleitung

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„Wenn man eine Kerze an beiden Seiten anzündet, mag sie eine Zeit

doppelt so viel Licht spenden – aber sie ist auch doppelt so schnell

abgebrannt!“ (Myron Rush)

1. Einleitung

Wird das Stichwort „Burnout“ in eine der gängigen Internet-Suchmaschinen

eingegeben, erscheinen in wenigen Sekunden über 43.000.000 Ergebnisse. Das

Stichwort „Rückenbeschwerden“ erreicht mit gerade einmal 407.000 Suchergebnissen

deutlich weniger Aufmerksamkeit im Internet. Und das obwohl Erkrankungen des

Muskel- und Skelettsystems nach dem Gesundheitsreport des Dachverbandes der

Betriebskrankenkassen (BKK) von 2014 mit rund 25% die größte Diagnosegruppe für

Fehlzeiten der BKK versicherten Personen darstellt. (vgl. Knieps & Pfaff, 2014, 41 f.)

Das Burnout-Vorkommen ist mit anderen psychischen Erkrankungen in den letzten

Jahren gestiegen. (vgl. Knieps & Pfaff, 2014, 112 ff.) Als Grund hierfür können zum

einen die zunehmenden Belastungen der modernen Arbeitswelt genannt werden.

Andererseits scheinen Betriebs- und Hausärzte zunehmend auf das Thema Burnout

sensibilisiert.

Der Begriff Burnout ruft in der Öffentlichkeit ein reges Interesse hervor. So wird im

Report des Deutschen Instituts für Medizinische Information und Information (DIMDI)

zu dem Thema „Differentialdiagnostik des Burnout-Syndroms“ genannt, dass der

Burnout-Begriff umgangssprachlich zugänglich erscheint und ein großes intuitives

Verständnis birgt. Aufgrund dessen kann eine hohe Praxisrelevanz im

gesellschaftlichen Kontext zugeordnet werden. (vgl. Korczak, et al., 2010, 14) Nach

wie vor ist das Burnout-Syndrom jedoch nicht als Krankheit klassifiziert. So scheint es,

dass die Mehrheit der Menschen eine Vorstellung von dem Burnout-Syndrom besitzt,

eine handhabbare Definition jedoch fehle. Eine Diagnose erscheint so schwierig. (vgl.

Burisch, 2014, 14)

Diese Bachelor-Thesis beschäftigt sich mit dem Burnout-Vorkommen von

Pädagog_innen, die speziell im Arbeitsfeld Kindertagesstätte agieren. Die Bedeutung

der professionell helfenden Berufsgruppe der Pädagog_innen, zu denen in der

vorliegenden Arbeit alle pädagogisch ausgebildeten Fachkräfte gezählt werden, nahm

in den letzten Jahren zu, indem die Erziehungs- und Betreuungsfunktion der Familien,

Freunde oder Nachbarschaft vermehrt auf Institutionen wie die Kindertagesstätte

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Einleitung

S e i t e | 3

übertragen wurde. Zudem wird in den verschiedenen Orientierungsrahmen der

Bundesländer für die Arbeit in Kindertagesstätten der Fokus auf die Betreuung,

Bildung und Erziehung der Kinder gelegt. Die Anforderungen an die Kindertagesstätte

als Betreuungsform vor der Grundschule sind vielfältiger denn je.

Entgegen der gestiegenen Inanspruchnahme dieser professionellen Hilfe von den

Familien ist eine Abnahme der einsetzbaren finanziellen und personellen Mittel zu

verzeichnen. Das Arbeitspensum und die entstehenden Belastungen der

Pädagog_innen stehen im Widerspruch zu den Bedürfnissen der Kinder und deren

Erziehungsberechtigten. (vgl. Poschkamp, 2011, 13 f.)

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es die Thematik des Burnout-Syndroms im

Arbeitsfeld der Kindertagesstätte zu untersuchen, Bedeutungen für die Leitungskräfte

solcher Einrichtungen abzuleiten und Handlungsempfehlungen für diese zu

entwickeln.

Leitungspositionen werden vermehrt an Sozialpädagog_innen,

Kindheitspädagog_innen sowie Sozialarbeiter_innen vergeben. Die Soziale Arbeit

entwickelt eine stärkere Bedeutung für das Arbeitsfeld der Kindertagesstätte und

übernimmt vermehrt Funktionen durch die gestiegenen Anforderungen seitens des

Trägers, der politischen Entwicklungen sowie der Elternschaft.

Als Grundlage für die Entstehung eines Burnouts wird der Stressbegriff dargestellt.

Weiter folgt ein Kapitel über das Burnout-Syndrom selbst. In der wissenschaftlichen

Literatur wird der Stand der empirisch belegten Kenntnisse als tendenziell

unübersichtlich benannt. Eine handhabbare Definition fehle. (vgl. Burisch, 2014, 14)

Dem Burnout-Begriff wird sich durch Theorien dreier Autoren und der ICD-10

Klassifikation genähert. Es werden Symptome des Burnouts dargestellt und zwei

Messinstrumente in den Blick genommen.

Im nächsten Schritt wird das Tätigkeitsfeld der Pädagog_innen in der

Kindertagesstätte betrachtet um im weiteren Verlauf die Burnout-Thematik mit diesem

Arbeitsfeld zusammenzuführen. Der Fokus liegt hierbei auf einer Beschreibung der

Tätigkeiten sowie dem möglichen Befinden der pädagogischen Fachkräfte. Zudem

werden die speziellen Verantwortungen der Kindertagesstättenleitung beschrieben.

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Stress

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Das Ziel dieser Arbeit, Handlungsempfehlungen für das Leitungspersonal zu

entwickeln, basiert auf einem kleinen empirischen Forschungsteil. In diesem werden

drei Expert_innen zu ihrer Einschätzung zum Thema Burnout im Bereich der

Kindertagesstätte befragt. Abschließend werden mögliche Handlungsempfehlungen

formuliert, mit denen Leitungskräfte der Burnout-Thematik innerhalb ihrer Einrichtung

präventiv entgegen wirken können.

2. Stress

In diesem einleitenden Kapitel wird zunächst das grundlegende Verständnis von

Stress geklärt. Die Wissenschaft ist sich in Bezug auf das Thema Burnout heutzutage

immer noch sehr uneinig, in einem Punkt stimmt sie aber überein: Burnout wird als

Erkrankung beschrieben, deren Ursprung in Stresssituationen zu finden ist. (vgl.

Waadt & Acker, 2013, 18)

Aus medizinischer Sicht ist zunächst der Ablauf einer sogenannten Stressreaktion zu

erläutern. Dieser Ablauf hat sich im Verlauf der Evolution entwickelt. Als Schutz vor

Gefahren, wie beispielsweise der Angriff eines wilden Tieres, entwickelte der Mensch

zu Urzeiten eine erhöhte Reaktionsbereitschaft. Diese Bereitschaft diente dem

menschlichen Überleben. Findet eine akute Alarmreaktion statt, wird eine

biochemische Kettenreaktion im Gehirn ausgelöst, die zu einer Hormonproduktion und

–abgabe der Nebennieren führt. Diese hormonelle Reaktion bewirkt, dass in einer

bedrohlichen Situation alle Reserven des Körpers mobilisiert werden. (vgl. ebd., 22 ff.;

Hüther, 2014, 22 f.)

Während einer akuten Stressreaktion sind folgende Körperreaktionen zu beobachten:

Starke Aktivierung des Gehirns durch eine vermehrte Durchblutung

Beschleunigung des Herzschlages und Erhöhung des Blutdruckes

Anspannung der Muskulatur und Verbesserung der natürlichen Reflexe

Stärkere Durchblutung der Muskulatur

Verdauungsprozesse und Fortpflanzungstriebe treten in den Hintergrund

Der Speichelfluss wird reduziert

Es wird Energie aus körpereigenen Reserven bereit gestellt

Kurzfristige Veränderung der Schmerzempfindlichkeit

(vgl. Waadt & Acker, 2013, 23)

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Stress

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Im Anschluss einer solchen Stressreaktion wird durch das Hormon Kortisol die

verloren gegangene Energie wieder aufgebaut. (vgl. Waadt & Acker, 2013, 24)

Der Ablauf von Stressreaktionen hat sich bis zum heutigen Tag kaum verändert. Ganz

im Gegensatz zu den Stressauslösern. Heute treffen Menschen vermehrt auf

Situationen im Privat- und Arbeitsleben, die Gefühle wie Angst, Überforderung oder

Bedrohung auslösen. Das folgende Zitat fasst die Stressoren der Gegenwart

übersichtlich zusammen:

„In allen Lebensbereichen werden wir zunehmend von Informationen und Wahlmöglichkeiten überflutet. Gesellschaftliche, ökonomische und technische Veränderungen laufen immer schneller ab. Das dichte Zusammenleben in Großstädten, die Belastung durch Lärm und Umweltverschmutzung, die anhaltende Reizüberflutung und eine allgegenwärtige Hektik können uns

belasten.“ (Allenspach & Brechbühler, 2005, 11)

Während früher auf Stress mit Flucht oder Angriff reagiert wurde, ist dies heutzutage

allein durch gesellschaftliche Normen nicht mehr üblich. Die bereitgestellte Energie ist

aber nach wie vor vorhanden und es fehlen gesellschaftskonforme Möglichkeiten diese

abzubauen. Langfristig führt diese „Energie-Blockierung“ (vgl. ebd., 12) dazu, dass

Entspannungsphasen verzögert oder sogar verhindert werden. Solche andauernden

Erregungszustände können dauerhaft zu gesundheitlichen Schäden führen. (vgl. ebd.,

11 f.)

2.1 Der Stressbegriff nach Selye

Hans Janos Selye (1907 – 1982), östereichisch-kanadischer Arzt und Biochemiker,

beschäftigte sich seit dem 1930er Jahren mit dem Thema Stress und machte den

Stressbegriff weithin bekannt. Grundlage hierfür war die Idee, dass möglicherweise

alle Erkrankungen einer schweren psychischen Belastung des Körpers zugrunde

liegen. (vgl. Allenspach & Brechbühler, 2005, 25)

In, zumeist auf Tierexperimenten gestützten, Studien untersuchte Selye, wie der

Organismus auf extreme Situationen reagiert. Die dabei auftretenden Reaktionsmuster

bezeichnete er als allgemeines Adaptionssyndrom, dessen Ziel er als Abwehr der

Bedrohung oder Anpassung, also Adaption, des Organismus an die aktuelle

Herausforderung sah. (vgl. Aust, 1999, 64)

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Stress

S e i t e | 6

Selye unterteilte dieses Reaktionsmuster in drei Phasen: die Alarmreaktion, das

Widerstands- sowie das Entwicklungsstadium. (vgl. Aust, 1999, 64 f.)

Stress definierte Selye als „…die unspezifische Reaktion des Körpers auf eine

Anforderung“. (Selye, 1981, 170)

Damit legte er wesentliche Grundlagen für die Stressforschung. Seine Theorie wurde

in dem vergangenen Jahrzehnt jedoch durch differenziertere Betrachtungen

eingeschränkt und zum Teil widerlegt. Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben

gezeigt, dass der menschliche Organismus über mehrere Reaktionsmechanismen

verfügt, die spezifisch abhängig von der jeweiligen Stresssituation sind. So reiche es

nicht aus, Stressreaktionen durch rein physiologische Veränderungen zu beschreiben.

(vgl. Aust, 1999, 63 f.)

2.2 Das transaktionale Stressmodell nach Lazarus

Das transaktionale Stressmodell ist nach dem Psychologen Richard Lazarus (1922 –

2002) benannt und wurde Ende der 1960er Jahre auf der Grundlage von mehreren

psychologischen Experimenten von ihm entwickelt. Dieses Modell erweitert das

Stressverständnis von Selye. (vgl. Aust, 1999, 65)

Das transaktionale Modell geht davon aus, dass das persönliche Empfinden, also die

subjektive Bewertung einer Situation, über das Anspannungsniveau einer Person

entscheidet. Nach Lazarus wird eine Situation zunächst danach eingeschätzt, ob sie

grundsätzlich von Bedeutung sei, ob sie zu positiven Veränderungen beitrage oder gar

eine Bedrohung darstelle. Wenn eine betroffene Person nach der ersten Einschätzung

zu der Schlussfolgerung kommt, dass negative Folgen zu erwarten sind, liegt eine

Stressreaktion vor. In einer zweiten Bewertung wird abgeschätzt, von welchen

Bewältigungsmöglichkeiten profitiert werden kann. (vgl. Waadt & Acker, 2013, 29)

Lazarus betont dabei den Faktor aus Erfahrungen zu lernen. Die Praxis zeigt jedoch,

dass Menschen mitunter an Strategien festhalten, die sich in der Vergangenheit bereits

als ungeeignet erwiesen. Es wird der Versuch unternommen mit der ungeeigneten

Strategie zum Erfolg zu kommen, indem der persönliche Einsatz erhöht wird. Hier

können Parallelen zur Entstehung des Burnout-Syndroms gesehen werden. (vgl. ebd.,

30 f.)

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Das Burnout-Syndrom

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2.3 Zusammenfassung

Stress ist Teil des menschlichen Alltags um spezielle Situationen bewältigen zu

können. Auch Ereignisse, die individuell als positiv bewertet werden, werden von dem

menschlichen Körper in Form einer Stressreaktion aufgegriffen. Wird der Mensch

dauerhaft Stresssituationen ausgesetzt, kann der Körper nicht mehr in den

notwendigen Ruhemodus zurückkehren. Es entsteht chronischer Stress. (vgl. Waadt

& Acker, 2013, 24 ff.)

Zusammenfassend ist sich die Wissenschaft bis heute einig, dass Burnout als

Stresserkrankung anzusehen ist. (vgl. ebd., 18)

3. Das Burnout-Syndrom

Über den Begriff Burnout wird in den Medien und der Öffentlichkeit viel diskutiert. Im

aktuellen Zeitalter ist die Diagnose Burnout schnell zur Hand. Die Popularität des

Begriffes führt dazu, dass Burnout im allgemeinen Sprachgebrauch häufig verwendet

wird. Es herrscht jedoch keinesfalls ein einheitliches Verständnis für diesen Begriff.

Im folgenden Kapitel wird das Burnout-Syndrom mit Hilfe von drei unterschiedlichen

Definitions- und Erklärungsansätzen, der Internationalen Klassifikation der

Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen (ICD-10), sowie zweier Burnout-

Messinstrumente erläutert.

3.1 Definitionen und Erklärungsansätze

Es existieren mehrere allgemein akzeptierte Definitionen und Erklärungsansätze für

das Burnout-Syndrom. Eine „handhabbare Definition“ (vgl. Burisch, 2014, 14) fehlt

aber. Seit den 1970er Jahren wird der Begriff Burnout vor allem in sozialen,

psychologischen oder medizinischen Bereichen verwendet. Zuvor wurde er

hauptsächlich im physikalischen Bereich genutzt.

In der Fachliteratur wird das Fehlen einer handhabbaren Definition als das

„schwerwiegendste Hindernis für eine fundierte Erforschung des Burnout-Syndroms“

beschrieben. (vgl. ebd., 14) Mit der Burnout-Thematik beschäftigt sich eine Vielzahl

von internationalen Autoren.

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Das Burnout-Syndrom

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Im Folgenden werden die Forschungsergebnisse dreier Autoren fokussiert:

Herbert Freudenberger und Christina Maslach gelten als eine der ersten und

bekanntesten Burnout-Forscher_innen. Matthias Burisch ist im deutschsprachigen

Raum für seine Literatur zum Thema Burnout bekannt und leitet unter anderem das

Burnout-Institut Norddeutschland (BIND).

Zudem wird ein Blick auf die Diagnose eines Burnouts innerhalb der Internationalen

Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen (ICD-10)

geworfen.

3.1.1 Definitionsansatz nach Freudenberger

Als prägende Persönlichkeit der Burnout-Forschung ist der deutsch-amerikanische

Psychoanalytiker Herbert Freudenberger zu nennen. Er ist 1926 in Frankfurt am Main

geboren und verstarb 1999 in New York City. Freudenberger prägte den Begriff

Burnout mit seinem ersten Aufsatz, den er unter dem Titel „Staff Burn-Out“ 1974 in der

psychologischen Fachzeitschrift Journal of Social Issues publizierte. (vgl. Burisch,

2014, 5; Hillert & Marwitz, 2006, 42)

In diesem Artikel beschrieb er das Phänomen Burnout durch eigene Beobachtungen

an sich selbst sowie an Menschen aus seinem Arbeitsumfeld, welche überwiegend

ehrenamtlich tätige Sozialarbeiter_innen waren. Auffällig erschien ihm, dass seine

Koleg_innen nach nur kurzer Arbeitszeit in ihrem Beruf Symptome von Erschöpfung,

Reizbarkeit oder zynischen Verhaltensweisen dem Klientel gegenüber aufwiesen. Dies

geschah insbesondere bei den Koleg_innen, die zuvor ein großes Engagement im

Arbeitsalltag zeigten. (vgl. Maslach, et al., 2001)

Freudenberger betitelte sich zudem selbst als von Burnout betroffen. Er beschrieb

Schlaflosigkeit, Kraftlosigkeit sowie Magen- und Kopfschmerzen, als Folge seiner sehr

langen Arbeitstage als Psychoanalytiker und ehrenamtlicher Helfer im Bereich der

Drogenarbeit. (vgl. Scharnhorst, 2012, 12; Burisch, 2014, 5 f.)

Als Definition von Burnout hat sich bei Freudenberger die Folgende durchgesetzt:

„Burn-out ist ein Energieverschleiß, eine Erschöpfung aufgrund von Überforderungen, die von innen oder von außen - durch Familie, Arbeit, Freunde, Liebhaber, Wertesysteme oder die Gesellschaft - kommen kann und einer Person Energie, Bewältigungsmechanismen und innere Kraft raubt. Burn-out ist ein Gefühlszustand, der begleitet ist von übermäßigem Stress, und der schließlich persönliche Motivationen, Einstellungen und Verhalten

beeinträchtigt.“ (Freudenberger & North, 1992, 27)

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Das Burnout-Syndrom

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Ferner beschreibt Freudenberger einen so genannten „Burn-out-Zyklus“

(Freudenberger & North, 1992, 121), der zwölf Stufen beinhaltet. Diese Stufen, auch

als Stadien betitelt, sind nicht voneinander abgegrenzt zu betrachten, sondern

vermischen und überlagern sich häufig. Dabei sind der Schweregrad und die Dauer

eines jeden Stadiums von den individuellen Lebensumständen der betroffenen Person

abhängig.

Seitens der Autoren wird betont, dass einzelne Symptome häufig als normale

menschliche Reaktion auf bestimmte Ereignisse auftreten. Die betroffenen Personen

„…erleben vielleicht keinen Burn-out, sondern einen Rückschlag – eine Enttäuschung,

eine Krankheit, einen Verlust oder einen anderen Schicksalsschlag, wie er jede/n

treffen kann.“ (ebd., 121) Die Symptome wurden zusammengefasst um den Burnout-

Prozess zu beschreiben. Dabei gilt zu beachten, dass nicht alle Symptome und auch

unabhängig der genannten Reihenfolge auftreten müssen, um nach Freudenberger

von einem Burnout zu sprechen. Der Burnout-Zyklus ist eher dazu gedacht ein

Erschöpfungszustand mit Hilfe der Stadien frühzeitig zu identifizieren, um mit

„Soforthilfemaßnahmen“ (ebd., 122) die Faktoren zu verändern, die Stress im Alltag

verstärken.

Abbildung 1: Der „Burnout-Zyklus“ nach Freudenberger & North, 1992, 123

Page 13: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 10

Der Burnout-Zyklus: (vgl. Freudenberger & North, 1992, 123 ff.)

Stadium 1: Der Zwang sich zu beweisen

Der Wunsch sich in der Welt zu beweisen und erfolgreich zu sein wird in der Regel

nicht negativ aufgefasst. Freudenberger und North beschreiben dieses Stadium daher

auch als schwer erkennbar. Es ist von einer zu starken Dynamik die Rede. Wenn aus

einem Wunsch ein Zwang entsteht, kann sie sich die Dynamik als selbstschädigend

erweisen. Der Zwang sich zu beweisen resultiert oftmals aus hohen Erwartungen,

beispielsweise durch anspruchsvolle Eltern oder dem sozialen, politischen und

beruflichen Umfeld und nicht zuletzt aus übertriebenen Erwartungen an sich selbst.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Sich den eigenen Denk- und

Verhaltensmustern bewusst werden und das persönliche Tempo auf den natürlichen

Rhythmus anpassen.

Stadium 2: Verstärkter Einsatz

Um den hohen Ansprüchen gerecht zu werden, wird noch mehr Energie in die

persönlichen Projekte gesteckt. In diesem Stadium setzt sich der Zwang sich zu

beweisen fest. Typisch für diese Phase ist die Unfähigkeit Aufgaben aus Angst vor

Kontrollverlust zu delegieren.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Explizite Delegation von

Verantwortung an andere.

Stadium 3: Subtile Vernachlässigung eigener Bedürfnisse

Das dritte Stadium ist von reduzierter Aufmerksamkeit sich selbst und den individuellen

Bedürfnissen gegenüber geprägt. Das Verschieben von Terminen, Aufgaben oder

Ritualen stellen laut den Autoren eines der Hauptanzeichen für Burnout dar. Auch das

Verlangen nach Ruhe, Schlaf und Regeneration, Nahrung oder auch Sexualität tritt

weiter zurück.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Die Verleugnungsmechanismen sollen

erkannt und durchbrochen werden. Das Führen von Listen der nötigen Erledigungen

und Aufgaben kann hilfreich sein. Betroffenen wird geraten auf ihre Ernährung, Ruhe-

und Erholungsphasen achten.

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Das Burnout-Syndrom

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Stadium 4: Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen

Diese Phase ist geprägt von inneren Konflikten. Um leistungsfähig zu bleiben blenden

Betroffene die Ansprüche ihres Körpers aus. Unpünktlichkeit, Vergesslichkeit und

andere Fehlleistungen nehmen weiter zu. Die Gefahr eines körperlichen

Zusammenbruchs steigt in dieser Phase deutlich an, infolgedessen können leicht

Süchte entstehen.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Verfügbare Zeitfenster zum Erholen

gilt es zu nutzen. Freunde und Familie sollen eingeweiht werden.

Stadium 5: Umdeutung von Werten

Alte Grundsätze rücken in den Hintergrund, Freundschaften, Partnerschaft und

berufliche Beziehungen werden gegebenenfalls sogar zur Belastung. Ein gestörter

Zeitbegriff ist für diese Phase charakteristisch. Die Belastungen werden zu stark,

sodass Vergangenheit und Zukunft ausgeblendet werden um in der Gegenwart zu

„überleben“. Die Gefühle Betroffener werden als Desorientierung und Verwirrung

beschrieben.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Isolation und Einsamkeit sollten

vermieden werden. Nähe und Intimität sind notwendig, um eine Empfindungsfähigkeit

wiederherzustellen.

Stadium 6: Verstärkte Verleugnung auftretender Probleme

Das Verhalten der vorherigen Phasen löst Schwierigkeiten aus, die wiederum

verdrängt werden. Die Verleugnung ist hier als Schutzmechanismus zu verstehen und

wird als unbewusster Prozess beschrieben, der den Burnout Verlauf verschleiert. Im

Gegensatz zu Stadium drei, wo bereits erste Freuden und Pflichten übergangen

werden, verengt sich nach Freudenberger und North die Weltansicht der Betroffenen

entscheidend. Das Denken wird starr und unflexibel.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Wenn die eigene Sprache von

Zynismus und Bitterkeit geprägt ist kann dies als Zeichen von Burnout gesehen

werden. Es sollen keine weiteren Aufgaben übernommen werden.

Stadium 7: Rückzug

Von der Verleugnung der Bedürfnisse geht es zur Verleugnung der Gefühle. Die

Gefühle von Hoffnungslosigkeit und Orientierungslosigkeit nehmen überhand. Eine

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Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 12

Desillusionierung und emotionale Verflachung ist vorherrschend und die Betroffenen

ziehen sich vor sich selbst und der Welt zurück. Suchtmittel, Essen oder Sexualität

können als Ersatzbefriedigung dienen.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Suchtmittel sind nicht als Gegenmittel

für das innere Elend zu sehen. Betroffenen wird geraten wieder Kontakt zu Menschen

zu suchen.

Stadium 8: Beobachtbare Verhaltensänderung

Die Betroffenen werden unflexibel in ihrem Denken und Verhalten. Der Rückzug

verstärkt sich noch weiter und jede Art der Zuwendung kann als Angriff verstanden

werden. Die Unterscheidungsfähigkeit ist weitgehend gestört, wenn es um

Unterstützung, Aufmerksamkeit und Nähe geht.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Betroffene sollen lernen Kritik und

Besorgnis zu unterscheiden.

Stadium 9: Depersonalisation/Verlust des Gefühls für die eigene Persönlichkeit

Mit dem Verlust des Gefühls für die eigene Persönlichkeit geht auch der letzte Rest

des Erkennens eigener Bedürfnisse verloren. Es folgt eine tiefe Selbstverneinung, die

sich auf den eigenen Körper und die eigene Person bezieht. Von dieser Phase

Betroffene scheinen nur noch rein mechanisch zu funktionieren.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Eine Beratung durch einen

Spezialisten wird angeraten, ebenso wie eine ärztliche Untersuchung, um den

Gesundheitszustand zu überprüfen.

Stadium 10: Innere Leere

Im Zustand der Depersonalisation entsteht oftmals eine innere Leere. Zudem

entwickeln sich in dieser Phase häufig schwere Phobien und Panikattacken. Das

Gefühl der inneren Leere sei kaum zu ertragen. Um diesen Zustand zu überstehen

wird gegebenenfalls zu Drogen und Aufputschmitteln gegriffen.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Das Anerkennen und die Identifikation

mit den Symptomen wird als wichtiger Teil der Burnout-Therapie beschrieben. Auch

hier ist professionelle Unterstützung unabdingbar.

Page 16: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 13

Stadium 11: Depression

Es stellen sich dauerhafte Verzweiflung und Niedergeschlagenheit ein. Ein starkes

Symptom ist der Wunsch nach Dauerschlaf - erste Suizidgedanken können

auftauchen.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Es sollte umgehend ärztlicher Rat

aufgesucht werden und spätestens jetzt Kontakt zu Psycholog_innen oder

Psychotherapeut_innen hergestellt werden.

Stadium 12: Völlige Burnout-Erschöpfung

In diesem Stadium wird der Höhepunkt des Zyklus beschrieben. Die geistige,

emotionale und körperliche Erschöpfung kann lebensgefährlich werden. Häufig bricht

hier auch das Immunsystem zusammen. Dieses Stadium ist als ernstzunehmende

Krise anzusehen.

Sofortmaßnahmen nach Freudenberger/North: Ist eine betroffene Person in diesem

Stadium angekommen handelt es sich um einen dringenden Notfall, der zwingend

einen ärztlichen und psychologischen Eingriff bedarf.

(vgl. Freudenberger & North, 1992, 123 ff.)

Freudenberger, der als „Gründervater“ (Burisch, 2014, 52) der Burnout-Forschung

betitelt wird, legt mit diesem Zyklus den Grundstein, um sich der Entstehung von

Burnout zu nähern.

Die Sofortmaßnahmen erscheinen jedoch zum Teil unbedacht und verlangen eine

hohe Reflexionsfähigkeit und Disziplin der betroffenen Personen. Es wird erst spät das

Aufsuchen von professioneller Hilfe empfohlen. Matthias Burisch, Burnout-Forscher

der heutigen Zeit, kritisiert die „bescheidene Symptomatik“ und der teilweise „fehlende

logische Zusammenhang der Prinzipien“. (ebd., 52)

3.1.2 Definitionsansatz nach Maslach

Christina Maslach, ehemalige Psychologin der University of California at Berkeley,

veröffentlichte in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre erste Arbeiten zur Burnout-

Thematik. Heute ist der Name Maslach eng mit Burnout verbunden. Dies liegt nicht

nur an ihren zahlreichen Veröffentlichungen, sondern auch an den 1981 mit Susan E.

Jackson entworfenen Fragebogen, dem Maslach Burnout Inventory (siehe 3.2.1). (vgl.

Burisch, 2014, 52)

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Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 14

Anders als Freudenberger oder auch Burisch, die sich dem Thema Burnout eher

persönlichkeitszentriert nähern, nutzte Christina Maslach hierfür einen sozial-, arbeits-

und organisationspsychologischen Ansatz. Dabei stehen die Institutionen und

Arbeitsbedingungen im Vordergrund. (vgl. Poulsen, 2009, 17)

In Maslachs ersten Arbeiten wird Burnout als ein Syndrom emotionaler Erschöpfung

als Reaktion auf chronischen Stress im Beruf dargestellt. Ursprünglich bezog sie sich

ausschließlich auf Menschen, die in sozialen Berufen arbeiten und viel mit Klient_innen

in Kontakt sind, die selbst emotionalen Belastungen ausgesetzt sind:

„Burnout is a syndrome of emotional exhaustion, depersonalization, and reduced personal accomplishment that can occur among individuals who do `people-work` of some kind. It is a response to the chronic emotional strain of dealing extensively with other human beings, particularly when they are troubled or having problems.“ (Maslach, 2003, 2)

Im Jahre 1997 publizierte C. Maslach gemeinsam mit M. P. Leiter die englische

Originalausgabe „The truth about Burnout“, 2001 erschien die deutsche Übersetzung.

Hier wird die Kluft zwischen dem Menschen und den Anforderungen des

Arbeitsplatzes als Ursache für Burnout beschrieben. (vgl. Maslach & Leiter, 2001, 11)

Entgegen der damals gängigen Ansicht, dass Burnout weitgehend ein Problem des

Individuums sei, wird das soziale Umfeld in dem das Individuum arbeitet als Ursache

für Burnout genannt. (vgl. ebd., 19 f.)

Darüber hinaus wird Burnout nicht mehr allein auf die Helfer-Klient-Beziehung

beschränkt, sondern als „universelles Phänomen“ (Maslach, et al., 2001, 401), das

sich in verschiedenen Berufsgruppen zeigt, anerkannt.

Maslach et al. (2001) nennen sechs Faktoren, die Burnout verursachen (können):

Arbeitsüberbelastung:

Der Arbeitsumfang ist dafür verantwortlich wie viel Zeit Menschen an ihrem

Arbeitsplatz verbringen und wie sich ihre Tätigkeit gestaltet. Maßnahmen zur

Produktivitätssteigerung führen in der Regel dazu, dass weniger Menschen

mehr Arbeit erledigen müssen. „Die derzeitige Krise am Arbeitsplatz wirkt sich

auf den Arbeitsumfang in dreierlei Hinsicht aus: die Arbeit wird intensiver, sie

erfordert mehr Zeit und ist komplexer.“ (Maslach & Leiter, 2001, 42) Die Krise

von der Maslach und Leiter im Jahr 2001 sprechen kann auf aktuelle

Arbeitsbedingungen übertragen werden.

Page 18: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 15

Mangel an Kontrolle

Maslach und Leiter beschreiben Kontrolle als einen relativen Begriff. Keiner

besitzt vollkommene Kontrolle in einem Unternehmen, da ein Zusammenspiel

von Menschen erfordert ist, von denen jeder Kontrolle über seine individuelle

Tätigkeit ausüben möchte. „Die Autonomie einer Person endet dort, wo die

einer anderen beginnt.“ (Maslach & Leiter, 2001, 47) Keine Kontrolle über die

eigene Arbeit zu haben wird als Risikofaktor für Burnout genannt. Menschen mit

wenig Kontrolle neigen demnach zu Erschöpfungszuständen, Zynismus und

Ineffizienz. Diese sind nach Maslach typische Burnout-Anzeichen zu sehen.

(vgl. ebd., 47 f.)

Unzureichende Entschädigung/Entlohnung

Unter diesem Faktor wird zum einen die finanzielle Entlohnung für die geleistete

Arbeit kritisiert. Zusammenfassend sinkt der Lebensstandard der

Arbeitnehmer_innen, obwohl der Arbeitsaufwand steigt. Des Weiteren nennen

Maslach und Leiter die geringeren Chancen Karrieresprünge zu erreichen und

die zunehmend schwindende Sicherheit des Arbeitsplatzes als weiteren

Risikofaktor für Burnout. (vgl. ebd., 50 f.)

Als entscheidendes Problem hinsichtlich der unzureichenden Belohnung stellt

sich der Verlust der intrinsischen Motivation, der Freude an der Arbeit, heraus.

Nach den beiden Psycholog_innen sollte die fundamentale Aufgabe des

Managements sein, Rahmenbedingungen für einen Arbeitsablauf zu schaffen,

der die Motivation der Mitarbeiter steigert und dennoch den

Unternehmenszweck erfüllt. Hierbei spielt nicht nur das vorhandene Budget

eine Rolle. Besonders in Zeiten von finanzieller Knappheit spielt Belohnung in

Form von Lob und Anerkennung für die Menschen eine tragende Rolle. (vgl.

ebd., 51 f.)

Zusammenbruch des Gemeinschaftsgefühls

„Der Verlust der Gemeinschaft ist gekennzeichnet durch wachsende Konflikte

zwischen den Menschen, einem Nachlassen von gegenseitiger Unterstützung

und Respekt und einer steigenden Tendenz zur Isolation.“ (ebd., 53)

Die mangelnde Sicherheit eines Arbeitsplatzes führt zum Zerfall der

persönlichen Bindungen innerhalb eines Unternehmens. So verringern z.B.

zeitliche Arbeitsverträge das Potential der Teamarbeit. (vgl. ebd., 54)

Page 19: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 16

„Ohne Gemeinschaftsgefühl fehlt es einer Gruppe von Menschen an der

notwendigen Synergie, um in einer Arbeitsgruppe zusammenarbeiten zu

können.“ (Maslach & Leiter, 2001, 55) Die Autoren weisen auf den

wirtschaftlichen Nutzen guter Teamarbeit hin. Sie beschreiben den Verlust der

für „die effiziente Arbeit vorhandene Energie“ durch Konfliktsituationen in

Arbeitsgemeinschaften. (vgl. ebd., 56)

Mangelnde Gerechtigkeit

Um das Engagement eines Menschen für seine Arbeit zu erhalten, sind die drei

„Elemente der Fairness“ (ebd., 56) entscheidend: Vertrauen, Offenheit und

Respekt innerhalb eines Unternehmens. „Im Gegensatz dazu führt ein Fehlen

dieser Faktoren auf direktem Weg zu Burnout.“ (ebd., 56)

Wertekonflikt

Das Umsetzen der drei Fairness-Elemente wird der Frage nach Werten

zugrunde gelegt. Eine Gemeinschaft, also auch eine Arbeitsgemeinschaft

innerhalb eines Unternehmens, wird immer auf Basis von gemeinsamen Werten

gegründet. Konflikte innerhalb der Gewichtung von Werten können das Risiko

eines Burnout-Aufkommens erhöhen. (vgl. ebd., 61)

Aus den sechs beschriebenen Faktoren kann folgende Schlussfolgerung abgeleitet

werden:

Das Verhältnis oder auch Missverhältnis zwischen der im Betrieb beschäftigten

Person und ihrem Arbeitsplatz ist geprägt von der Führungskraft und ihren

strategischen Entscheidungen. Diese bestimmen in der Regel die

Arbeitsbelastungen der Mitarbeiter_innen. Der Gemeinschaftssinn innerhalb eines

Unternehmens sowie die entgegen gebrachte Wertschätzung und der Respekt

untereinander entscheidet über die individuell empfundene Qualität eines

Arbeitsplatzes. (vgl. Lammers, 2012, 244)

Zusammenfassend beschäftigt sich Christina Maslach eher mit möglichen Gründen

zur Entstehung von Burnout und weniger mit der Symptomatik oder den

Erkennungszeichen.

Page 20: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 17

3.1.3 Definitionsansatz nach Burisch

Matthias Burisch, Jahrgang 1944, ist Professor für Psychologie an der Universität

Hamburg und leitet das Burnout-Institut Norddeutschland (BIND). Er beschäftigt sich

seit Anfang der 1980er Jahre mit dem Thema Burnout. (vgl. Burisch, 2014, 5)

In seinem Buch „Das Burnout-Syndrom“ zitiert Burisch diverse Definitionen für das

Burnout-Syndrom. Als die „elaborierteste und geschliffenste“ (ebd., 22) bezeichnet er

Folgende:

„Burnout ist ein dauerhafter, negativer, arbeitsbezogener Seelenzustand ´normaler´ Individuen. Er ist in erster Linie von Erschöpfung gekennzeichnet, begleitet von Unruhe und Anspannung (distress), einem Gefühl verringerter Effektivität, gesunkener Motivation und der Entwicklung dysfunktionaler Einstellungen und Verhaltensweisen bei der Arbeit. Diese psychische Verfassung entwickelt sich nach und nach, kann dem betroffenen Menschen aber lange unbemerkt bleiben. Sie resultiert aus einer Fehlpassung von Intentionen und Berufsrealität. Burnout erhält sich wegen ungünstiger Bewältigungsstrategien, die mit dem Syndrom zusammenhängen, oft selbst

aufrecht.“ (Schaufeli & Enzmann 1998, 36; zit. n. Burisch, 2014, 22)

Diese Definition enthält viele Punkte, beispielsweise das Burnout als etwas Negatives

empfunden wird und im Laufe der Zeit zu einem Erschöpfungszustand führt. Dennoch

kritisiert Burisch u.a., dass sich diese Definition nur auf die Berufsrealität bezieht, ihm

jedoch auch bekannt ist, dass Arbeitslose an Burnout erkranken können.

Das Fehlen einer allgemein akzeptierten Definition von Burnout hat nach Burisch die

Folge, dass „Burnout beinahe alles und damit nichts ist“. (Burisch, 2014, 22)

Da er rein verbale Definitionen nur beschränkt für sinnvoll empfindet, probiert er dem

Phänomen Burnout über Ursachen, Symptome und dem Verlauf näher zu kommen,

da in diesen Bereichen eine gewisse Übereinstimmung in der Literatur herrscht. (vgl.

ebd., 23)

Im Folgenden wird die Burnout-Symptomatik nach Burisch skizziert. Er fasst die, in der

von ihm bearbeiteten Literatur, häufig genannten Symptome, geordnet nach sieben

Kategorien, zusammen. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass in einem Burnout-Fall

keinesfalls alle Symptome auftreten müssen.

Bei der folgenden Auflistung handelt es sich um eine kurze, unvollständige

Wiedergabe der Burnout-Symptome nach Matthias Burisch: (vgl. ebd., 35 ff.)

Page 21: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 18

Burnout-Symptome zusammengefasst von M. Burisch (vgl. Burisch, 2014, 35 ff.)

Phase 1: Warnsymptome der Anfangsphase

In der Anfangsphase wird von überhöhtem Energieeinsatz, also z.B. Hyperaktivität

oder freiwillige unbezahlte Mehrarbeit, aber ebenso von Erschöpfung aufgrund von

Müdigkeit und Energiemangel gesprochen.

Phase 2: Reduziertes Engagement

Das reduzierte Engagement bezieht sich auf die direkte Arbeit mit den Klient_innen

oder Patient_innen (z.B. größere Distanz, Verlust positiver Gefühle gegenüber dem

Klientel), auf das Arbeitsumfeld (z.B. negative Einstellung zur Arbeit, Fehlzeiten), auf

persönliche Ansprüche (z.B. Gefühl mangelnder Anerkennung, Eifersucht) und auf den

allgemeinen Umgang mit anderen Menschen (z.B. Verlust von Empathie, Zynismus).

Phase 3: Emotionale Reaktionen, Schuldzuweisung

In der dritten Phase nennt Burisch verschiedene emotionale Stimmungslagen, die

während des Burnout-Prozesses auftreten (können):

- Depression (beinhaltet z.B. Schuldgefühle, Selbstmitleid, Neigung zum

Weinen)

- Aggression (z.B. Vorwürfe gegenüber anderen, Intoleranz, Reizbarkeit)

Phase 4: Abbau

Der Abbau in dieser Phase bezieht sich auf die kognitive Leistungsfähigkeit, die

persönliche Motivation, die Kreativität und Entdifferenzierung.

Phase 5: Verflachung

In dieser Phase beschreibt Burisch die Verflachung des emotionalen Lebens (z.B.

Gleichgültigkeit), des sozialen Lebens (z.B. Meidung informeller Kontakte) und des

geistigen Lebens (z.B. Aufgeben von Hobbys).

Phase 6: Psychosomatische Reaktionen

Bereits parallel zur Anfangsphase können sich psychosomatische Symptome, wie

beispielsweise Schlafstörungen, Schwächung des Immunsystems oder

Kreislaufbeschwerden zeigen.

Page 22: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 19

Phase 7: Verzweiflung

In der von Burisch zuletzt beschriebenen Phase hat sich das „temporäre Gefühl der

Hilflosigkeit“ zu einem „chronischen Gefühl der Hoffnungslosigkeit“ (Burisch, 2014, 35)

verdichtet. Betroffene haben Gefühle von Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit.

(vgl. ebd., 35 ff.)

Diese von Matthias Burisch herausgegebenen Kategorien sind, ähnlich wie bei dem

Burnout-Zyklus nach Freudenberger, nicht zwangsläufig als aufeinanderfolgende

Phasen zu verstehen. Betroffene Personen können die Phasen in anderer Reihenfolge

durchlaufen oder welche überspringen. (vgl. ebd., 25 ff.) Burisch weist darauf hin, dass

der von ihm skizzierte Ablauf des Burnouts zu jedem Zeitpunkt durch Veränderungen

innerer oder äußerer Umständen gestoppt werden kann, jedoch „…nicht immer ohne

bleibende Narben“. (ebd., 30)

Als Sinn dieser Zusammenfassung nennt Burisch den Versuch einen ersten Überblick

der viel beschriebenen Symptome zu erstellen. (vgl. ebd., 25)

3.1.4 Die ICD-10 Klassifikation

Wenn keine allgemein gültige Definition von Burnout vorhanden ist, drängt sich die

Frage auf, wie eine medizinische Diagnose gestellt werden kann. Die Grundlagen

hierfür liegen in der International Classification of Diseases and Related Health

Problems, der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandten

Gesundheitsproblemen, kurz ICD-10 genannt. Die ICD-10-GM (10. Revision, German

Modification) ist die amtliche Klassifikation zur Verschlüsselung von Diagnosen in der

ambulanten und stationären Versorgung in Deutschland. Herausgegeben wird die

ICD-10 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Alle Erkrankungen, die im

Gesundheitswesen auf Kosten der Krankenkassen behandelt werden dürfen, sind

hierin enthalten. (vgl. DIMDI, 2015)

Es besteht derzeit nicht die Möglichkeit Burnout als Krankheits-Diagnose zu

klassifizieren. Im ICD-10 lassen sich lediglich Verweise auf Burnout in dem Kapitel

„Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme von

Gesundheitsdiensten führen“ finden. (vgl. Scharnhorst, 2012, 13; Elsässer & Sauer,

2013, 9)

Page 23: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 20

„Z73 Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung Inkl.: Akzentuierung von Persönlichkeitszügen

Ausgebranntsein [Burn out] Einschränkung von Aktivitäten durch Behinderung Körperliche oder psychische Belastung o.n.A. Mangel an Entspannung oder Freizeit Sozialer Rollenkonflikt, anderenorts nicht klassifiziert Stress, anderenorts nicht klassifiziert Unzulängliche soziale Fähigkeiten, anderenorts nicht klassifiziert Zustand der totalen Erschöpfung.“

(DIMDI, 2015)

Demnach ist Burnout, gemeinsam mit Stress oder mangelnden sozialen Fähigkeiten,

als Schwierigkeit bei der Lebensführung einzuordnen. Eine Unterscheidung zwischen

Stress, Burnout und einem Zustand totaler Erschöpfung wird ebenfalls nicht getroffen.

(vgl. Scharnhorst, 2012, 14)

Julia Scharnhorst, Diplom-Psychologin aus Hamburg, fasst die Problematik einer

fehlenden Burnout-Diagnose im ICD-10 wie folgt zusammen:

„Damit wird einerseits das tatsächliche Leiden der Betroffenen eher verharmlost und einer persönlichen Unfähigkeit zur Lebensbewältigung zugeschrieben. Andererseits werden auch die gesellschaftlichen Auswirkungen nicht ausreichend präzise fassbar und Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz

erscheinen eher nebensächlich.“ (ebd., 14)

Als weitere Folge der fehlenden Diagnosemöglichkeit von Burnout ist zu nennen, dass

Ärzt_innen und Psychotherapeut_innen Ausweichdiagnosen stellen, um Maßnahmen

zu rechtfertigen. Ansonsten tragen die Krankenkassen allenfalls freiwillig die Kosten

einer Burnout-Behandlung. Ein Anspruch für die betroffene Person besteht nicht.

3.2 Messinstrumente um Burnout zu bestimmen

Im Laufe der Burnout-Publikationen entwickelten diverse Autoren Fragebögen,

Skalen, Checklisten oder andere Messinstrumente um das Burnout-Syndrom zu

bestimmen.

In dem folgenden Kapitel werden zwei unterschiedliche Messinstrumente vorgestellt.

Das Maslach Burnout Inventory, kurz MBI genannt, nach Maslach und Jackson, hat

sich am erfolgreichsten auf dem weltweiten Markt durchgesetzt hat. (vgl. Burisch,

2014, 35) Sowie das Hamburger Burnout Inventar, das Matthias Burisch in den 1990er

Jahren entwickelte und welches für zahlreiche Diplomarbeiten und Dessertationen

verwendet wurde. (vgl. ebd., 38 f.)

Page 24: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 21

3.2.1 MBI – Maslach Burnout Inventory nach Maslach & Jackson

Der in wissenschaftlichen Untersuchungen am häufigsten verwendete Fragebogen um

Burnout zu bestimmen ist das 1981 entwickelte und 1986 überarbeitete Maslach

Burnout Inventory, kurz MBI genannt. (vgl. Burisch, 2014, 36)

Das MBI wurde ursprünglich für den Gesundheitsbereich konzipiert und musste im

Laufe der Jahre für weitere Berufsgruppen adaptiert werden. So entstand der MBI-

Educators Survey (MBI-ES), der auf Berufsgruppen des Bildungssektors abgestimmt

ist, und der MBI-General Survey (MBI-GS). Letzterer führt dazu, dass der Fragebogen

ungebunden an bestimmte Berufsgruppen angewandt werden kann. (vgl. Maslach, et

al., 2001, 402; Schneglberger, 2010, 28)

Maslach und Jackson entwickelten den Fragebogen um ihre angenommenen Aspekte

des Burnout-Syndroms zu messen. Ausgehend von der Frage, wie es beispielsweise

Tätigen in Sozialberufen gelingt die Balance zwischen Mitgefühl und professioneller

Distanz zu halten, entwickelten die beiden Psychologinnen auf Basis ihrer früheren

exploratorischen Forschungen drei zentrale Dimensionen von Burnout: die emotionale

Erschöpfung (Emotional Exhaustion, EE), die Depersonalisation (DP) sowie die

Leistungs(un)zufriedenheit (Personal Accomplishment, PA). (frei übersetzt nach

Maslach & Jackson, 1981, 100)

Das MBI besteht aus 22 Items auf einer siebenstufigen Antwortskala, die diese

Dimensionen von Burnout erfassen. Zusammenfassend sollen die Befragten bei den

siebenstufigen Antwortmöglichkeiten (von 0 = nie, bis 6 = täglich) die Häufigkeit des

Auftretens der jeweiligen Ereignisse angeben. Dabei geht es nicht darum einen

Gesamtwert für Burnout zu errechnen, sondern die einzelnen Dimensionen zu

erfassen.

Als Beispielfragen sind für die Dimensionen der emotionalen Erschöpfung „Am Ende

eines Arbeitstages fühle ich mich erledigt“, für die Depersonalisation „Ich glaube, ich

kann mich in meinen Partner gut hereinversetzen“ und „Ich fühle mich voller Tatenkraft“

für die dritte Dimension, der Leistungs(un)zufriedenheit, zu nennen. (vgl. Burisch,

2014, 36; Hillert & Marwitz, 2006, 84)

Wer bei den Fragen zur emotionalen Erschöpfung und Depersonalisation hohe Werte

angibt, bei der Leistungsfähigkeit hingegen niedrige, gilt demnach als akut vom

Burnout gefährdet.

Page 25: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 22

Inzwischen ist das Maslach Burnout Inventory in mindestens vier deutschen

Übersetzungen vorhanden. Es wurde jedoch lediglich die Version von A. Büssing und

K.L. Perrar aus dem Jahr 1992 durch Christina Maslach autorisiert. (vgl. Burisch, 2014,

36)

Der konstruierte Fragebogen wird an dieser Stelle beschrieben, da er bis heute in etwa

90% der einschlägigen Forschungsarbeiten eingesetzt wird. (vgl. ebd., 52)

3.2.2 HBI – Hamburger Burnout Inventar nach Burisch

Anfang der 1990er Jahren entwickelte Matthias Burisch an der Universität Hamburg

das Hamburger Burnout Inventar, kurz HBI genannt. Es ist ein

Selbsterkundungsinstrument zur persönlichen Einschätzung und misst die

Gefährdung ein Burnout-Syndrom zu erleiden.

Ursprünglich bestand das HBI aus rund 200 Fragen und 30 Konstrukten. Heute ist von

39, bzw. 40 Items, die in zehn Skalen gegliedert sind, die Rede. Die Teilnehmer_innen

beantworten die Aussagen der Items hinsichtlich dessen, inwieweit sie auf ihn oder sie

persönlich zutreffen. Dabei reicht die 7-Punkte-Skala von eins, als „völlig

unzutreffend“, bis sieben als „völlig zutreffend“. (vgl. Burisch, 2014, 38 f.; Burisch,

2007, 1 ff.)

Die 10 Skalen umfassen:

Emotionale Erschöpfung,

Leistungsunzufriedenheit,

Distanziertheit,

Depressive Reaktion auf emotionale Belastungen,

Hilflosigkeit,

Innere Leere,

Arbeitsüberdruss,

Unfähigkeit zur Entspannung,

Selbstüberforderung,

Aggressive Reaktion auf emotionale Belastung.

(vgl. Burisch, 2014, 38)

Zu den 39 Items, die Aussagen über Gefühlslagen und Einstellungen bezüglich der

Arbeit und des Lebens beinhalten, beschreibt Burisch das 40. Item, das ein Maß für

Page 26: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Das Burnout-Syndrom

S e i t e | 23

Burnout darstellt: „Ich stecke in einer Krise, aus der ich momentan keinen Ausweg

finde“. (Burisch, 2014, 38)

Das HBI sei nur beschränkt einsetzbar, da sich einige Inhalte der Items auf die

Arbeitsthematik beziehen und sie sich so beispielsweise nicht auf Erwerbslose oder

Rentner_innen anwenden lassen. Im Gegensatz zu den Anfängen des MBI liegt der

Schwerpunkt nicht auf helfenden Berufen. In den letzten Jahren wurde das Inventar

hauptsächlich für Diplomarbeiten und Dissertationen herangezogen. (vgl. ebd., 38 f.)

3.3 Zusammenfassung

Seitdem Burnout in den 1970er Jahren erstmals in diverser Literatur thematisiert wurde

hat sich der Begriff zu einem regelrechten ̀ Modewort` entwickelt. Dennoch konnte sich

nicht auf eine einheitliche Definition geeinigt werden.

„Die Selbstverständlichkeit, mit der heute über Burnout gesprochen wird, steht in krassem Missverhältnis zur wissenschaftlichen Evidenz. Bereits die Frage, wie Burnout diagnostiziert werden soll, ist ein ungelöstes Problem. Welche Symptome müssen verbindlich über welche Zeit und in welcher Intensität

vorliegen, damit von Burnout gesprochen werden kann?“ (Hillert, 2010 zit. n. Scharnhorst, 2012, 18)

Dieses Zitat macht die missliche Lage gerade für die Arbeitswelt deutlich. Es besteht

die Gefahr, dass Burnout nicht rechtzeitig erkannt und mit Hilfe von medizinischen und

therapeutischen Mitteln behandelt werden kann. Zudem kann das Fehlen einer

allgemein gültigen Definition und Diagnosemöglichkeit die Anerkennung des

ausgeprägten Erschöpfungszustands beim Arbeitgeber oder gegenüber Kolleg_innen

schwächen.

Zusammenfassend kann Burnout als ein Prozess emotionaler Erschöpfung,

verbunden mit zunehmenden Zynismus, Distanzierung und verminderter

Leistungsfähigkeit beschrieben werden. (vgl. Poschkamp, 2011, 14)

Hillert und Marwitz fassen das Problem der mangelnden Definitionen, der nicht

eindeutigen Symptome und der fehlenden epidemiologischen Erhebungen wie folgt

zusammen:

„Es ist weder möglich Burnout sicher zu diagnostizieren, noch einem Menschen, der sich ausgebrannt fühlt zu beweisen, dass er kein Burnout-Syndrom hat.“ (Hillert & Marwitz, 2006, 51)

Page 27: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Burnout in der Kindertagesstätte

S e i t e | 24

4. Burnout in der Kindertagesstätte

Kindertagesstätten sind in Deutschland im System der Kindertagesbetreuung, als Teil

der Kinder- und Jugendhilfe zu finden. Dort sind auch die Träger zu verorten, die

Kindertagesstätten betreiben. In der Regel sind sie kommunalen Verbänden oder den

Spitzenverbänden der Wohlfahrtspflege, wie beispielsweise dem Paritätischen

Wohlfahrtsverband oder der Arbeiterwohlfahrt (AWO), zugeordnet. Die Bildung,

Betreuung und Erziehung von Kindern, vor und außerhalb des Schulbesuches, ist als

Kernaufgabe von Kindertagesstätten zu sehen (vgl. Strehmel & Ulber, 2014, 18 f.)

Dabei sind Kindertageseinrichtungen weitaus mehr als eine Betreuungseinrichtung.

Sie werden als „erste außerfamiliäre Stufe unseres Bildungssystems“ (Poschkamp,

2011, 73) beschrieben. Ein stetiger Wandel im Gesellschafts- und Wissenssystem

haben die Voraussetzungen verändert, unter denen Kinder aufwachsen. So haben

sich auch die Anforderungen an die Mitarbeiter_innen der Kindertagesstätten erhöht.

(vgl. ebd., 73 f.)

Da die vorliegende Arbeit ihren Fokus auf das Thema Burnout im Bereich von

Kindertagesstätten legt und diese neben Erzieher_innen und Sozialpädagog_innen

weitere Aus- bzw. Fortbildungsberufe beschäftigen, wird wie auch in anderen Teilen

dieser Bachelor Thesis von Pädagog_innen oder der pädagogischen Fachkraft

gesprochen.

Nach § 7 des Kindertagesbetreuungsgesetzes (KiTaG) umfasst der Begriff der

„pädagogisch qualifizierten Fachkraft“ folgende Berufsgruppen:

1. staatlich anerkannte Erzieher_innen sowie staatlich anerkannte Erzieher_innen

der Fachrichtung Jugend- und Heimerziehung;

2. staatlich anerkannte Kindheitspädagog_innen von Fachhochschulen,

Pädagogischen Hochschulen oder sonstigen Hochschulen;

3. staatlich anerkannte Sozialpädagog_innen, staatlich anerkannte

Sozialarbeiter_innen, Diplompädagog_innen,

Diplomerziehungswissenschaftler_innen mit sozialpädagogischem

Schwerpunkt sowie Bachelor-Absolvent_innen dieser Fachrichtungen;

4. Personen mit der Befähigung für das Lehramt an Grundschulen, Grund- und

Hauptschulen sowie Sonderschulen;

Page 28: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Burnout in der Kindertagesstätte

S e i t e | 25

5. Personen mit einem Studienabschluss im pädagogischen,

erziehungswissenschaftlichen oder psychologischen Bereich mit mindestens

vier Semestern Pädagogik mit Schwerpunkt Kinder und Jugendliche oder

Schwerpunkt Entwicklungspsychologie;

6. staatlich anerkannte Kinderpfleger_innen;

7. staatlich anerkannte Heilpädagog_innen;

8. Personen mit einem Studienabschluss der Heilpädagogik;

9. staatlich anerkannte Heilerziehungspfleger und Heilerziehungspflegerinnen

Im Folgenden erfolgt eine Tätigkeitsbeschreibung von pädagogischen Fachkräften, die

im Bereich der Kindertagesstätte arbeiten. Diesbezüglich wird näher auf

Stressfaktoren und Ressourcen dieser Berufsgruppe eingegangen. Im Anschluss

daran wird das Arbeitsfeld der Kindertagesstättenleitung mit ihren besonderen

Verantwortungen beleuchtet.

4.1 Eine Tätigkeitsbeschreibung von pädagogischen Fachkräften

im Arbeitsfeld Kindertagesstätte

Als Hauptaufgabe von pädagogischen Fachkräften ist nach §1 des achten Buches des

Sozialgesetzbuches (SGBVIII) die Förderung der Entwicklung von Kindern und

Jugendlichen sowie deren Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und

gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu nennen. Im Sinne des §22 SGBVIII beinhaltet

dies die Erziehung, Bildung und Betreuung und bezieht sich auf die soziale,

emotionale, körperliche und kognitive Entwicklung des Kindes.

Die Tätigkeiten in Kindertagesstätten umfassen die Arbeit mit den Kindern, mit ihren

Erziehungsberechtigten, die Arbeit im Team und im Sozialraum. In der Regel sind die

pädagogischen Fachkräfte die ersten außerfamiliären Pädagog_innen, die das Kind in

seiner Entwicklung begleiten.

In der Vergangenheit lag der Fokus der Angebote von Kindertagesstätten eher im

Bereich der Betreuung der Kinder. Im letzten Jahrzehnt ist allerdings verstärkt der

Aspekt der frühkindlichen Bildung in den Mittelpunkt des Aufgabenbereichs

pädagogischer Fachkräfte gerückt. (vgl. Rudolph, 2012, 15 ff.)

So ist das Aufgabenspektrum von Kindertagesstätten komplexer geworden. Die

Bildung, Betreuung und Erziehung der Kinder soll unter anderem durch Bereitstellung

Page 29: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Burnout in der Kindertagesstätte

S e i t e | 26

von Lerngelegenheiten unter Berücksichtigung der verschiedenen Bildungsbereiche,

eine positiven Gestaltung des Überganges in die Schule, die reflektierte Bildungs- und

Erziehungspartnerschaft mit den Eltern sowie Inklusion und Kinderschutz erreicht

werden. (vgl. Strehmel & Ulber, 2014, 20)

Neben den betreuenden, pflegerischen und gegebenenfalls hauswirtschaftlichen

Tätigkeiten, hat die zunehmende Komplexität der unterschiedlichen Bedingungen

unter denen Kinder aufwachsen die Arbeit in den Kindertagesstätten in den letzten

Jahren in fachlicher und sozialer Hinsicht verändert. (vgl. Rundnagel, et al., 2010, 9)

Dies führt zu qualitativ anspruchsvolleren Aufgaben für die pädagogischen Fachkräfte.

Anzumerken ist zudem, dass die Mitarbeiter_innen von Kindertagesstätten vermehrt

Tätigkeiten übernehmen, die nicht als direkte Arbeit mit dem Kind anzusehen ist. Dazu

zählen beispielsweise Elterngespräche, regelmäßige Teamsitzungen, Arbeitskreise,

Dokumentationen oder Vor- und Nachbereitung von Projekten. (vgl. Vogel, 2013, 20)

Resümierend lassen sich die steigenden Anforderungen an die pädagogischen

Fachkräfte durch folgende Faktoren beschreiben:

Komplexere Arbeitsinhalte durch höhere fachliche Ansprüche, auch aufgrund

von aktuelle politische Entwicklungen. (z.B. Bildungsdokumentationen,

Entwicklungsgespräche und –berichte)

Ein vermehrter Ausbau der Einrichtungen und deren Kapazitäten. (z.B. höhere

Kinderzahlen, erweiterte Öffnungszeiten)

Höhere Ansprüche, bzw. Desinteresse der Eltern.

Prekäre Situationen in den Familien (z.B. Armut, Gewalt, Sprachbarrieren) und

die Verantwortung der Kindertagesstätte gemäß dem KJHGs.

Der Bildungsauftrag und die (gewünschte) Kooperation von Schule und

Kindertagesstätte.

Arbeitsorganisation, wie z.B. personelle Unterbesetzung oder

Vertretungsorganisation.

Der vorherrschende und absehbare Fachkräftemangel.

(vgl. Poschkamp, 2011, 74 f.; Vogel, 2013, 19 ff.; Rundnagel, et al., 2010, 9)

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Burnout in der Kindertagesstätte

S e i t e | 27

4.2 Das Befinden der pädagogischen Fachkräfte

Mitarbeiter_innen in Kindertageseinrichtungen erleben in ihrem Berufsalltag

anstrengende und herausfordernde, aber auch zufriedenstellende, kreative und

menschlich bereichernde Situationen. (vgl. Vogel, 2013, 188)

Im Folgenden werden mögliche Stressfaktoren und Ressourcen der pädagogischen

Fachkräfte thematisiert.

4.2.1 Spezielle Stressfaktoren

Das grundlegende Kennzeichen für Stressfaktoren der Beschäftigungsgruppe des

pädagogischen Fachpersonals in Kindertagesstätten ist die Kombination aus

Emotionsarbeit, organisatorischen Stressoren und physischen Belastungen. (vgl.

Rundnagel, et al., 2010, 9)

Für das Sozial-, Gesundheits- und auch das Bildungssystem in Deutschland stehen

nur begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen zu Verfügung. Für den

Berufsalltag in Kindertagesstätten bedeutet dies Arbeits- und Zeitdruck sowie

vermehrter Personalmangel. (vgl. Vogel, 2013, 182 f.)

Die alltäglichen Arbeitsbelastungen entstehen aus den erhöhten Anforderungen (siehe

4.1) und den zunehmenden physischen und psychischen Belastungen, die der

pädagogische Beruf mit sich bringt. Der Arbeitsalltag ist somit von vielfältigen, sich

addierenden und nicht von einzelnen prägnanten Belastungsfaktoren geprägt. Zu den

klassischen Belastungen der pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen

gehören Lärm, eine ungünstige Körperhaltung und schweres Heben und Tragen. (vgl.

Poschkamp, 2011, 74; Richter-Kornweitz & Altgeld, 2011, 14)

Viele der Stressoren von pädagogischen Fachkräften hängen strukturell und

organisatorisch mit den Rahmenbedingungen der Einrichtung zusammen. Dazu

zählen beispielsweise die bereits angesprochenen Probleme des fehlenden Personals

oder der schlechten Fachkraft-Kind-Relation. Die, den Mitarbeiter_innen zustehenden,

Fortbildungstage können nicht immer wahrgenommen werden. Teilweise werden die

entstehenden Kosten nicht vollständig von den Trägern übernommen. Weiter fehlen in

einigen Einrichtungen geeignete Personal- oder Pausenräume. Diese sind notwendig,

um abseits vom Trubel des Kindertagesstättenalltags Vor- und Nachbereitung der

Page 31: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Burnout in der Kindertagesstätte

S e i t e | 28

Bildungsangebote und Gespräche leisten zu können oder um sich während der

gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeit zu erholen. (vgl. Textor, 2014)

Hinzu kommen psychische Belastungen und emotionale Stressoren. Sie können

beispielsweise durch ungünstige Arbeitsorganisation, zunehmenden Aufwand, hohe

Anforderungen an die fachliche Kompetenz und erhöhte Erwartungshaltungen der

Eltern und seitens der aktuellen politischen Entwicklungen ausgelöst werden. Viele

pädagogische Fachkräfte scheinen mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden zu sein.

Ausschlaggebende Punkte seien die praxisferne Ausbildung, die mangelnden

Aufstiegschancen, die geringe Bezahlung und der verhältnismäßig niedrige soziale

Status. (vgl. Richter-Kornweitz & Altgeld, 2011, 14 f.; Textor, 2014)

Die beschriebenen möglichen Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz Kindertagesstätte

können Stress fördern und somit auch das Burnout-Risiko erhöhen. Gerade in Berufen

mit engem Kontakt zu Menschen, den sogenannten Helfenden Berufen kann es zu

emotionaler Erschöpfung kommen. (vgl. Vogel, 2013; Maslach, 2003; Freudenberger

& North, 1992)

Zusätzlich zu den genannten Belastungsfaktoren wird als Ursache eine mangelnde

Abgrenzung zu dem Klientel, ein geringer Rückhalt im Team (teilweise begründet

aufgrund der häufig wechselnden Team-Konstellationen) und die Angewohnheit

während der Arbeitszeit Gefühle zu zeigen, die nicht der tatsächlichen Stimmung

entsprechen, genannt. (vgl. Allenspach & Brechbühler, 2005, 40)

4.2.2 Besondere Ressourcen

Als Ressource in Bezug auf Stress werden Eigenschaften bezeichnet die Menschen

in der Organisation, in der Persönlichkeit und in zwischenmenschlichen Beziehungen

vor Stress und dessen Folgen schützen können. „Ressourcen puffern die Wirkung von

belastenden Faktoren auf die Gesundheit.“ (Allenspach & Brechbühler, 2005, 42) Es

ist anzumerken, dass bei Stress oftmals gerade die Eigenschaften leiden, die

eigentlich vor Belastungen schützen können.

Zu den individuellen Ressourcen einer jeden Person können beispielsweise ein

gesundes Selbstwertgefühl, Humor, Selbstwirksamkeitsgefühl, Optimismus oder auch

Religiosität gezählt werden. (vgl. ebd., 42 f.) Im Folgenden wird der Fokus jedoch auf

berufsspezifische Ressourcen des pädagogischen Fachpersonals liegen.

Page 32: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Burnout in der Kindertagesstätte

S e i t e | 29

Zunächst stellt die Arbeit mit Menschen, speziell mit Kindern prinzipiell eine

befriedigende Tätigkeit dar. In Kindertagesstätten gestaltet sich die Arbeit in der Regel

in Teams. Die generelle Möglichkeit eines qualitativen Austauschs unter Kolleg_innen

ist als Schutzfaktor gegenüber Stress zu sehen. (vgl. Poulsen, 2009, 92)

Schon während der Ausbildung, des Studiums und während Praktika lernen

pädagogische Mitarbeiter_innen Teamarbeit kennen. Eine hohe emotionale Nähe zu

Kolleg_innen ist ihnen demnach in der Regel nicht fremd. Kommunikationstechniken

und der Umgang mit Problemen ist zumindest theoretisch ein Bestandteil von

Ausbildungen im sozialen Sektor.

Der Arbeitsalltag in der Kindertagesstätte weist zudem ein hohes Maß an

Abwechslungen auf. Die pädagogischen Fachkräfte haben Handlungs- und

Entscheidungsspielräume in der persönlichen Gestaltung ihrer Arbeit. Dabei

verantworten sie zum großen Teil die Arbeitsvorbereitung, die Durchführung und die

Kontrolle der eigenen Tätigkeit selbst. (vgl. Rundnagel, et al., 2010, 9)

Die Möglichkeit den Arbeitsalltag in einem bestimmten Maß eigenverantwortlich zu

gestalten ist positiv zu sehen. Ressourcen wie die Selbstwirksamkeit und das

Selbstwertgefühl können so gesteigert werden.

Eine andere Herangehensweise an mögliche Schutzfaktoren von pädagogischen

Fachkräften im Bereich der Kindertagesstätte wäre die Betrachtung ihrer Situation auf

dem Arbeitsmarkt. Ihre „starke Position“ (Vogel, 2013, 20) auf diesem kann als

Schutzfaktor bezeichnet werden. Damit wird der zuvor als negativ betrachtete Faktor

des Personalmangels positiv umformuliert. Pädagogische Fachkräfte werden auf dem

Arbeitsmarkt gesucht. Bei einem Arbeitsplatzwechsel werden sie teilweise mit

Zusatzleistungen umworben. (vgl. Vogel, 2013, 20 f.)

4.3 Besondere Verantwortung der Kindertagesstättenleitung

Das Leitungspersonal einer Kindertagesstätte ist für die institutionelle Gewährleistung

des pädagogischen Angebots der Einrichtung verantwortlich. Im Gegensatz zu den

pädagogischen Fachkräften zählen zusätzlich Managementaufgaben zu dem

Tätigkeitsbereich einer Kindertagesstättenleitung. (vgl. Strehmel & Ulber, 2014, 23)

Page 33: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Burnout in der Kindertagesstätte

S e i t e | 30

Als Kernaufgaben einer Leitungsstelle im Kindertagesstättenbereich nennt Wolfgang

Klug (2013) folgende:

1. Personalführung

2. Pädagogische Leitung

3. Organisatorisch-verwaltungstechnische Leitung

4. Budgetverantwortung

5. Vertretung nach außen

(vgl. Klug, 2013, 89)

Um diese Kernaufgaben zu erfüllen werden fachliche, wie auch persönliche

Anforderungen an die Leitungen gestellt. Es werden neben der formalen Qualifikation

einer absolvierten Ausbildung zur Erzieherin mit Leitungsrelevanten

Zusatzqualifikationen oder ein Studienabschluss in relevanten Bereichen, auch

Erfahrungen und Kenntnisse in diversen Bereichen gefordert. Dazu zählen

beispielsweise Konzepte der Qualitätssicherung, Arbeitsrecht, zeitgemäße Pädagogik

oder Strukturen der Verwaltung. Hinzu kommen persönliche Anforderungen, wie etwa

kommunikative Fähigkeiten, kreative Stärken, Belastbarkeit, Teamfähigkeit oder

Kooperationsbereitschaft. (vgl. ebd., 90)

Allgemeiner fassen Ruth Simsa und Michael Patak (2008) das Tätigkeitsprofil von

Leitungskräften in ihrem Führungspuzzle, auch Führungskaleidoskop genannt,

zusammen. Dieses bietet nach Strehmel und Ulber, in ihrer Expertise der

Weiterbildungsinitiative Frühpädagogischer Fachkräfte (WIFF) zum Thema „Leitung

von Kindertagesstätten“, einen geeigneten Rahmen, um die Aufgaben der

Leitungskraft einer Kindertagesstätte zu strukturieren. Das Modell beinhaltet

klassische Dimensionen der Arbeits- und Organisationspsychologie wie die Aufgabe,

das Individuum, das Team und die Organisation. Zusätzlich wird das Modell mit Sicht

auf Non-Profit-Organisationen hinsichtlich der Dimensionen Selbstführung,

Wahrnehmung von Veränderungen und Rahmenbedingungen sowie des

strategischen Managements ergänzt. Die verschiedenen Dimensionen greifen

ineinander. (vgl. Simsa & Patak, 2008, 11; Strehmel & Ulber, 2014, 23)

Page 34: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Burnout in der Kindertagesstätte

S e i t e | 31

Abbildung 2: Führungspuzzle nach Simsa & Patak 2008, 11

Zu den einzelnen Dimensionen:

Im Kern des Modells nach Simsa und Patak (2008) befindet sich die Dimension sich

selbst führen. Es ist von der Persönlichkeit desjenigen die Rede der Mitarbeiter_innen

anleitet und führt. Selbstführung ist hierbei als Weiterentwicklung und Reflexion des

eigenen Leitungshandelns zu verstehen. Diese Dimension schließt die

Glaubwürdigkeit der eigenen Person, die persönliche Arbeitsorganisation, ein

konstruktiver Umgang mit inneren wie äußeren Konflikten und die individuelle

Reflexion mit ein. (vgl. Simsa & Patak, 2008, 42 f.)

Diese Dimension sei Voraussetzung dafür die täglich anfallenden, vielfältigen

Aufgaben einer Leitungskraft kompetent absolvieren zu können. (vgl. Strehmel &

Ulber, 2014, 26) Für die Kindertagesstättenleitung bedeutet dies Position zu fachlichen

Fragen im Arbeitsalltag zu beziehen, diese im Team und gegenüber der Elternschaft

zu vertreten und sich selbst regelmäßig zu reflektieren.

Die Führungskraft muss sich über ihren Auftrag und den Erwartungen verschiedener

Akteursgruppen, wie z.B. der Eltern oder dem pädagogischen Team, über ihre eigene

Page 35: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Burnout in der Kindertagesstätte

S e i t e | 32

Rolle im Gesamtsystem der Kindertagesstätte, ihrer persönlichen Haltung und ihren

Pflichten und Entscheidungsbefugnissen bewusst sein. Zusätzlich sollte sie über

Instrumente verfügen, die im Bereich der Arbeitsorganisation und dem

Zeitmanagement, dem Stress- und Krisenmanagement, der Selbstsorge und der

persönlichen Karriereplanung unterstützen. Entsprechende Arbeitshilfen können

Supervision oder Coaching speziell für Leitungskräfte darstellen. (vgl. Strehmel &

Ulber, 2014, 26 f.)

Um den Aspekt der Selbstführung herum sind die Dimensionen Mitarbeiter_innen

führen, Zusammenarbeit gestalten, Organisation entwickeln und Aufgaben und Ziele

erfüllen die den Alltag einer Führungskraft ausmachen, angesiedelt.

Mit Mitarbeiter_innen führen ist das Personalmanagement innerhalb einer

Kindertagesstätte gemeint. Der Fokus dieser Dimension liegt auf dem „Fördern und

Fordern“ (Simsa & Patak, 2008, 43) der Mitarbeiter_innen.

Je nach Absprache mit dem Träger der Kindertagesstätte ist das Leitungspersonal

nach Strehmel und Ulber (2014) für Folgendes verantwortlich:

Die Personalausstattung: Dies setzt eine Auseinandersetzung mit der aktuellen

Fachkräfte-Situation auf dem Arbeitsmarkt voraus. Ziel der Leitung ist eine gute

personelle Ausstattung, die mit vorausschauender Personalplanung,

Personalgewinnung und Personalauswahl erreicht werden soll.

Den Personaleinsatz in Form von der Dienstplangestaltung. Hierbei gilt es die

verschiedenen Qualifikationen und die persönlichen Lebenssituationen der

Mitarbeiter_innen zu berücksichtigen.

Die Personalführung und -pflege, welche regelmäßige Mitarbeitergespräche,

und die Unterstützung und individuelle Förderung der Mitarbeiter_innen mit

einschließt.

Die Personalentwicklung, die auch die Organisation von professionellen

Weiterbildungsmöglichkeiten beinhaltet.

Sowie das Personalcontrolling. Damit wird ein laufender Prozess zur

Überwachung und Steuerung der Aktivitäten der Mitarbeiter_innen

beschrieben. Es sind Zielvereinbarungen mit Einzelnen oder dem gesamten

Team zu überprüfen.

(vgl. Strehmel & Ulber, 2014, 27 f.)

Page 36: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Burnout in der Kindertagesstätte

S e i t e | 33

Den Aspekt der Gestaltung der Zusammenarbeit verdeutlicht folgendes Zitat:

„Die Leitung hat die Aufgabe, die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gruppen und Institutionen innerhalb und außerhalb der Einrichtung zu gestalten

und zu koordinieren.“ (Strehmel & Ulber, 2014, 28)

Zu solchen Gruppen und Institutionen gehören Kooperationspartner,

Weiterbildungsinstitute, Fachberatungen, aber auch das Team, der Träger und die

Elternschaft. Als besonders wichtig wird die Fähigkeit beschrieben soziale Prozesse

analysieren und verstehen zu können. Außerdem ist von einer „hohen

Aushandlungskompetenz“ die Rede. (vgl. ebd., 29)

Die Organisationsentwicklung umfasst diverse Aspekte der Organisation innerhalb

eines Unternehmens. Es steht das Erkennen von und das Denken in Strukturen und

Prozessen im Fokus. (vgl. Simsa & Patak, 2008, 45)

Die Organisationskultur wird beispielsweise vom Leitbild des Trägers der

Kindertagesstätte beeinflusst. Ziel der Leitung sollte es sein dem Team als Vorbild zu

dienen und zu einer wertschätzenden Organisationskultur beizutragen. Dabei behält

sie die Normen für den Umgang untereinander im Blick. Die Atmosphäre einer

Einrichtung wird mit dem Organisationsklima beschrieben. Durch ihr

Führungsverhalten kann die Leitung dieses beeinflussen. Die Art und Weise der

Steuerung der Organisation ist von den Strukturen und Abläufen der Einrichtung

abhängig. Das Leitungspersonal hat die Aufgabe sich über die Umsetzung und

Qualität von Prozessen in der Einrichtung zu informieren und gegebenenfalls zu

intervenieren. Im Bereich der Weiterentwicklung der Kindertagesstätte spielen

Organisationsentwicklungsprozesse eine Rolle. Diese werden von der Leitung in Gang

gebracht, wenn es beispielsweise neue Anforderungen von außen gibt. (vgl. Strehmel

& Ulber, 2014, 30 f.)

Die Aufgaben und Ziele einer Kindertagesstättenleitung unterscheiden sich von denen

einer pädagogischen Fachkraft. Wie bereits beschrieben liegt der Fokus im

Leitungsbereich auf Managementaufgaben. Das Leitungspersonal setzt Ziele und trifft

Entscheidungen in Bezug auf die Konzeptionsentwicklung einer Einrichtung. Zudem

steuert und koordiniert es die pädagogischen Aufgaben ihres Teams, führt

Qualitätsmanagement im Sinne einer pädagogischen Qualitätsentwicklung durch und

leitet den laufenden Betrieb. Dazu gehören neben der Beachtung der

Rahmenbedingungen unter anderem die Verwaltung und Bewirtschaftung der

Page 37: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Burnout in der Kindertagesstätte

S e i t e | 34

finanziellen, personellen und materiellen Ressourcen, die Gewährleistung der

Arbeitssicherheit und das betriebliche Gesundheitsmanagement sowie Marketing und

Öffentlichkeitsarbeit für die Einrichtung. (vgl. Strehmel & Ulber, 2014, 25 f.)

Diese vier Dimensionen werden von dem strategischen Führungshandeln eingebettet:

Hierbei geht es um die Strategie der Organisation, also der jeweiligen Einrichtung. (vgl.

Simsa & Patak, 2008, 46) Die Kindertagesstättenleitung setzt damit Prioritäten

hinsichtlich der Entwicklung der Kindertageseinrichtung. Dies geschieht auf Grundlage

von Leitbildern, Visionen und Werte. (vgl. ebd., 46; Strehmel & Ulber, 2014, 33)

Weiter wird die Beobachtung des Umfelds, das Erkennen relevanter Trends und die

Wahrnehmung vorhandener Rahmenbedingungen beschrieben. Eine Führungskraft

soll fähig sein das für die jeweilige Einrichtung relevante Umfeld zu beobachten und

zu interpretieren, um so zu selektieren, was für den persönlichen

Verantwortungsbereich von Bedeutung ist. (vgl. Simsa & Patak, 2008, 47)

Gerade im Bereich der Kindertagesstätte und der frühen Bildung werden durch die

Politik und Verbände regelmäßig neue Leitbilder oder Finanzierungsmöglichkeiten

hervorgebracht. Das Leitungspersonal soll diese Rahmenbedingungen einschätzen

und hinsichtlich der Mitarbeiter_innen und der Elternschaft kommunizieren. (vgl.

Strehmel & Ulber, 2014, 31) Diesbezüglich wird bemerkt, dass der Bereich der

Familien und des Sozialraumes, aktuelle gesellschaftliche Ereignisse, relevante

Umweltthemen, neue Gesetze und Richtlinien und aktuelle Forschungsthemen in das

Geschehen der Kindertageseinrichtung hinein reichen. Die Leitung zieht aus diesen

diversen Informationsquellen Schlüsse für die konkrete Arbeit in der Einrichtung.

Dabei können die Dachverbände unterstützen. (vgl. ebd., 32 f.)

Anhand dieser Darstellung wird deutlich, welchen Einfluss die

Kindertagesstättenleitung auf ihre Einrichtung und somit auch auf ihre

Mitarbeiter_innen nimmt. Sie verfügt und entscheidet über wesentliche Aspekte des

Arbeitsalltags der pädagogischen Fachkräfte und spielt oftmals auch in Bezug auf die

Art und Weise der Teamarbeit eine entscheidende Rolle.

So werden in der Literatur auch die Leiter_innen von Kindertageseinrichtungen als

Ressource für Wohlbefinden und Gesundheit des Personals beschrieben. Als positiv

wird hierbei ein gutes Informationsverhalten, eine professionelle Arbeitsorganisation

Page 38: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 35

und Kooperationsfähigkeit gegenüber den Mitarbeiter_innen gewertet. (vgl.

Poschkamp, 2011, 75)

In Kapitel sechs dieser vorliegenden Arbeit werden Handlungsempfehlungen

formuliert, mit denen Leitungskräfte im Bereich der Kindertagesstätte einem Burnout-

Vorkommen innerhalb ihrer Einrichtung vorbeugen können.

4.4 Zusammenfassung

Resümierend kann das Arbeitsfeld Kindertagesstätte als Nährboden für psychische

Belastungen klassifiziert werden. Die Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte

sind in den letzten Jahren gestiegen und auch das Aufgabenspektrum der

Führungskräfte hat zugenommen. Dennoch sind Mitarbeiter_innen in

Kindertagesstätten nicht zwangsläufig gefährdet ein Burnout zu entwickeln.

Nachdem die Risiko- und Schutzfaktoren, also mögliche Stressoren und Ressourcen

von pädagogischen Fachkräften erläutert wurden und auch auf das Arbeitsfeld der

Kindertagesstättenleitung eingegangen wurde, ergeben sich daraus Fragen an die

Praxis, die im folgenden empirischen Forschungsteil gestellt und von Expert_innen aus

dem Bereich Kindertagesstätte und des Burnout-Coachings beantwortet werden.

Im weiteren Verlauf der Bachelor-Thesis werden diese Kapitel als Grundlage dienen

um Handlungsempfehlungen für Kindertagesstättenleitungen zu entwickeln, mit denen

die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit der pädagogischen

Fachkräfte gefördert und somit einem Burnout-Risiko vorgebeugt werden kann.

5. Empirische Forschung

Im folgenden Kapitel wird die Thematik Burnout im Bereich der Kindertagesstätte

empirisch beleuchtet. Auf Grundlage der vorherigen Kapitel wird die Forschungsfrage

formuliert. Im Anschluss daran werden die gewählten Forschungsmethoden und der

Ablauf der Untersuchung beschrieben. Schließlich werden die Ergebnisse dargestellt

und diskutiert.

Page 39: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 36

5.1 Forschungsfrage

Die Forschungsfrage dient der Eingrenzung und Präzisierung des

Untersuchungsgegenstands. Ziel der Forschungsarbeit ist es einen Beitrag zur

Beantwortung der Forschungsfrage zu leisten. (vgl. Helfferich, 2011, 27) Der

vorliegende Forschungsteil bezieht sich auf die nachfolgende Untersuchungsfrage:

„Wie kann Burnout von Pädagog_innen im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

vorgebeugt werden? Wie kann speziell die Leitung einer Kindertagesstätte handeln?“

5.2 Forschungsmethoden

In der empirischen Sozialforschung wird zwischen qualitativen und quantitativen

Ansätzen unterschieden. Die Fragestellung in dieser Studie wird mit qualitativen

Experteninterviews bearbeitet.

Siegfried Lamnek (2005) nennt als zentrale Prinzipien qualitativer Sozialforschung:

Das Prinzip der Offenheit, was beschreibt, dass die forschende Person so offen

wie möglich gegenüber neuen Entwicklungen sein sollte

Das Prinzip der Forschung als Kommunikation, explizit als Kommunikation

zwischen Forscher_in und Erforschendem

Das Prinzip des Prozesscharakters von Forschung und Gegenstand

Das Prinzip der Reflexivität, dass die Nachvollziehbarkeit der Interpretation

sichert

Das Prinzip der Flexibilität, dass eine Anpassung an die jeweiligen Eigenheiten

des Untersuchungsgegenstandes erlaubt

(vgl. Lamnek, 2005, 20 f.)

In der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen diese Prinzipien

umzusetzen. Jedoch ist anzumerken, dass die nachfolgende Erhebung aufgrund des

geringen Umfangs keinen Anspruch auf Repräsentativität und Reliabilität stellt. Sie ist

als eine exemplarische Fallstudie zu sehen.

Nachfolgend werden die verwendeten Forschungsmethoden kurz vorgestellt. Es wird

auf die gewählte Untersuchungsmethode, dem qualitativen Experteninterview, und auf

das Erhebungsinstrument, dem Interview-Leitfaden, eingegangen und die Auswahl

knapp begründet.

Page 40: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 37

5.2.1 Untersuchungsmethoden

Als Untersuchungsmethode wird das Interview, in diesem Fall in Form von qualitativen

Experteninterviews, gewählt. Die Befragten sind in ihrer Funktion als Expert_in für ein

bestimmtes Handlungsfeld interessant. (vgl. Mayer, 2006, 37; Gläser & Laudel, 2010,

43)

„´Experte` beschreibt die spezifische Rolle des Interviewpartners als Quelle von Spezialwissen über die zu erforschenden sozialen Sachverhalte.

Experteninterviews sind eine Methode, dieses Wissen zu erschließen.“ (Gläser & Laudel, 2010, 12)

Im Rahmen dieser Bachelor-Thesis beläuft sich das Handlungsfeld auf den Bereich

der Kindertagesstätte, bzw. dem Burnout-Coaching. Es wurden drei ̀ Expert_innen` für

diese Thematik ausgewählt und nach dem folgenden Erhebungsinstrument zu ihrer

persönlichen Einschätzung befragt.

5.2.2 Erhebungsinstrument

Zur Erhebung der Daten wird das qualitative, durch einen Leitfaden gestützte

Experteninterview ausgewählt. Diese Methode stellt sicher, dass durch vorgegebene

Themenschwerpunkte alle relevanten Punkte angesprochen werden. Der Leitfaden

beinhaltet offene Fragen als Orientierung. Diese führen dazu, dass die Befragten frei

antworten können und aufgrund der Struktur des Leitfadens eine Vergleichbarkeit der

Antworten erhalten bleibt. Dabei muss das Interview nicht starr in der Reihenfolge der

Leitfaden-Fragen verlaufen. (vgl. Mayer, 2006, 36) Der Leitfaden „…ist deshalb eher

eine Richtschnur, die die unbedingt zu stellenden Fragen enthält.“ (Gläser & Laudel,

2010, 42)

Der in dieser Arbeit zugrunde liegende Leitfaden (siehe Anhang) beinhaltet folgende

Themenkomplexe, die in jedem Einzelinterview thematisiert wurden:

1. Daten zur Person

2. Allgemeine Fragen zur Burnout-Thematik

3. Weiterführende Fragen zum Thema Burnout im Bereich der Kindertagesstätte

4. Fragen zur Burnout-Prävention

5. Fragen zur Burnout-Intervention

6. Ausblick

Page 41: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 38

Bei der Entwicklung des Leitfadens wird sich an der inhaltlichen Strukturierung dieser

Bachelor-Thesis orientiert. Nachdem sich die Personen vorgestellt haben, geht es in

den Interviews zunächst um das allgemeine Thema Burnout und in welchem Bezug

die befragten Personen dazu stehen. Weiter wird die Burnout-Thematik auf das

Arbeitsfeld der Kindertagesstätte projiziert. Dabei wird neben den möglichen Risiko-

und Schutzfaktoren der Pädagog_innen auch nach der Rolle der

Kindertagesstättenleitung gefragt. Darauf folgen Fragen zur Burnout-Prävention. Es

wird die Eigenverantwortung der in der Einrichtung beschäftigten Personen

thematisiert und die Rolle der Kindertagesstättungleitung sowie des Trägers

hinsichtlich einer Burnout-Prävention beleuchtet. Anschließend wird nach möglichen

Handlungsempfehlungen zum Umgang mit einer, bzw. einem von Burnoout bedrohten

oder bereits betroffenen Mitarbeiter_in oder Kolleg_in gefragt. Zum Schluss des

Interviews können die befragten Personen, noch unabhängig von den Interviewfragen,

Aussagen zu der Thematik treffen.

Die Befragten sollen durch die Interviews dazu angeregt werden, über ihre

Erfahrungen mit der Burnout-Thematik mit speziellem Bezug zur Kindertagesstätte zu

berichten.

5.2.3 Die befragten Personen

Insgesamt wurden drei `Expert_innen` im Rahmen dieser empirischen Studie befragt.

Dabei handelt es sich im Einzelnen um:

Eine selbständige Coachin, die sich im Bereich der externen

Mitarbeiterberatung, aber auch in Form vom privaten Coaching mit dem

Schwerpunkt Burnout-Prävention beschäftigt. Im Folgenden wird sie „Die

Coachin“ genannt.

Eine Erzieherin und Diplom Pädagogin mit Kita-Leitungserfahrung, die seit über

fünf Jahren den Fachbereich „Organisationsentwicklung und

Gesundheitsmanagement“ eines Hamburger Kita-Trägers betreut. Im

Folgenden wird sie „Die Träger-Mitarbeiterin“ genannt.

Ein freiberuflicher Diplom-Pädagoge, der Kindertagestätten in Bezug auf

Gesundheitsförderung, Qualitätsmanagement und Coaching berät. Auch er

verfügt über Leitungserfahrungen. Im Folgenden wird er „Der Kita-Berater“

genannt.

Page 42: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 39

Es wurden bewusst drei Expert_innen aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen

gewählt, die jedoch alle mit dem Arbeitsfeld der Kindertagesstätte vertraut sind

und/oder mit der Thematik Burnout zu tun haben. So entsteht trotz der geringen Anzahl

der Interviews eine exemplarische Aussagenvielfalt.

5.2.4 Auswertungsmethode

Die qualitative Sozialforschung sucht nach verallgemeinerungsfähigen Aussagen und

probiert dabei die „Originalität der Einzelbeiträge“ (Lamnek, 2005, 199) möglichst zu

erhalten. Dabei sei keine grundlegende Auswertungstechnik vorhanden, die auf jede

qualitative Untersuchung anwendbar ist. Vielmehr ergibt sich je nach Art der

Datenerhebung und Zielsetzung eine individuelle Analysemethode, die der jeweiligen

Untersuchung gerecht wird. (vgl. ebd., 199)

Die Auswertung der drei Interviews erfolgt in Form einer tabellarischen Zuordnung

(siehe Anhang). Mit Hilfe dieser Tabelle werden im Rahmen der Analyse

Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Aussagen der Experten herausgearbeitet.

5.3 Ablauf der Untersuchung

Die befragten Personen wurden im Dezember 2014, nach vorheriger telefonischer

Absprache, interviewt. Ein Interview konnte aufgrund von organisatorischen

Schwierigkeiten nicht persönlich geführt werden. Die Interviewfragen wurden in

schriftlicher Form von der befragten Person beantwortet.

Die persönlich geführten Interviews liefen nach folgendem Setting ab:

Die Interviews fanden in den jeweiligen beruflichen Räumlichkeiten der Befragten statt.

Die Interviewerin saß den Interviewten an einem Tisch gegenüber. Die Gespräche

wurden mit Hilfe des Interviewleitfadens durch die Interviewerin strukturiert. Beide

Interviews wurden, nach dem Einverständnis der befragten Personen, mit Hilfe eines

Aufnahmegerätes aufgezeichnet. In der Regel diente als Gesprächsgrundlage die

übliche Höflichkeitsform des Siezens verwendet. Da sich eine befragte Person und die

Interviewerin bereits aus beruflichen Kontexten kannten, wurde in diesem Fall das Du

als gegenseitige Anrede gewählt.

Page 43: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 40

Im Anschluss wurden die persönlich geführten Interviews unter Berücksichtigung

einfacher Transkriptionsregeln transkribiert. Dabei liegt der Schwerpunkt der

Transkription auf dem Inhalt der Interviews. Es wurde die Standardrechtschreibung

verwendet, umgangssprachliche Äußerungen sowie Grammatik und Satzbau sind

dementsprechend weitgehend, unter Berücksichtigung der inhaltlichen Aussage,

angepasst. Ebenso wurden Wort- und Satzabbrüche geglättet und

Verständigungssignale wie „mhm“ oder „aha“ nicht transkribiert. Für das Interview-Ziel

irrelevante Aussagen und nonverbalen Äußerungen wurden weggelassen. Auf diese

Abschnitte wird in der Transkription durch […] hingewiesen. In den Transkriptionen ist

die interviewende Person durch ein „I“ und die befragten Personen durch ein „B“

gekennzeichnet. (vgl. Dresing & Pehl, 2013, 21 ff.)

Im Anschluss werden die zwei Transkriptionen und die schriftliche Beantwortung der

Interviewfragen mittels der beschriebenen Auswertungsmethode analysiert.

5.4 Analyse des Interviewmaterials

Der folgende Abschnitt dient der Darstellung der Ergebnisse der durchgeführten

Interviews sowie der schriftlichen Beantwortung der Interviewfragen. Die Auswertung

wird nach der bekannten Gliederung des Leitfadens strukturiert, unabhängig davon,

ob während der Interviews diese Reihenfolge eingehalten wurde.

1. Daten zur Person:

Alle befragten Personen haben im beruflichen Kontext etwas mit dem Arbeitsfeld der

Kindertagesstätte oder der Burnout-Thematik zu tun.

Die erste befragte Person (B1) ist selbstständige Unternehmerin, Coachin und fungiert

als Leitung eines Institutes, dass sich dem Thema betriebliches

Gesundheitsmanagement verschrieben hat. (vgl. Transkription B1, Zeile 17 – 26, 40 –

42) Zudem referiert sie im Rahmen eines Dozentenauftrages an einer Hamburger

Hochschule zum Thema Burnout. (vgl. Transkription B1, Zeile 58 – 60)

Befragte Zwei (B2) ist ausgebildete Erzieherin und Diplom Pädagogin. Sie hat eine

Kindertagesstätte geleitet und ist nun Mitarbeiterin eines Hamburger

Kindertagesstätten Trägers. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt dort im Bereich Gesundheit,

Arbeitsschutz, Organisationsentwicklung und Leitungsberatung. (vgl. Transkription B2,

Zeile 30 – 37)

Page 44: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 41

Der dritte Befragte (B3) ist Diplom-Pädagoge und derzeit als selbstständiger Kita-

Berater mit den Schwerpunkten Gesundheitsförderung, Qualitätsmanagement und

Coaching tätig. Zuvor leitete er langjährig eine Kindertagesstätte. (vgl. Schriftliche

Beantwortung B3, Zeile 5 – 9)

2. Allgemeine und weiterführende Fragen zur Burnout-Thematik

Zwei der befragten Personen stehen in direktem Bezug zu dem Thema Burnout. Die

Coachin referiert zu diesem Thema und berät und coacht Betroffene im Rahmen von

Einzelberatungen. (vgl. Transkription B1, Zeile 58 – 60) Dabei zählen auch

Pädagog_innen zu ihren Klienten. (vgl. Transkription B1, Zeile 64 – 67)

Der Kita-Berater betreute ein dreijähriges Projekt zum Thema „Altersgerechte

Arbeitsplatzgestaltung in evangelischen Kitas“. Im Projektverlauf wurde sich auch dem

Thema Burnout gewidmet. (vgl. Schriftliche Beantwortung, Zeile 14 – 24) Zudem ist er

als Leiter einer Kindertagesstätte, Referent und Projektleiter auf einige Kolleg_innen

gestoßen, die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. (vgl.

Schriftliche Beantwortung, Zeile 30 – 33)

Die Träger-Mitarbeiterin ist selber nicht von Burnout betroffen und ihr sind keine

expliziten Burnout-Fälle im Rahmen ihrer Träger-Tätigkeit bekannt. Sie trifft aber die

Aussage, dass „…der Anteil der Krankschreibungen von psychischer Belastung höher

wird“. (Transkription B2, Zeile 54 – 59) Insgesamt fällt ihr ein allgemeiner Anstieg der

Krankentage im Kollegium auf. Durch Nachfragen stellte sich heraus, dass es sich

nicht immer um körperliche Beschwerden handelt, sondern sich zunehmend

psychische Zusammenhänge zeigen. (vgl. Transkription B2, Zeile 73 – 82)

Die Coachin und der Kita-Berater stimmen der Aussage zu, dass ein erhöhtes Burnout-

Risiko in pädagogischen Berufsfeldern herrscht. Die Coachin sieht Burnout als

Berufskrankheit aller helfenden Berufe, dazu zählt sie speziell die Arbeit mit Kindern.

(vgl. Transkription B1, Zeile 73 – 80) Der Kita-Berater stimmt der Aussage „…voll und

ganz…“ zu und nennt als Grund dafür, dass die Anforderungen an die pädagogischen

Fachkräfte gestiegen sind, jedoch „… keine adäquaten zusätzlichen Mittel zur

Verfügung gestellt worden…“ sind. (Schriftliche Beantwortung B3, Zeile 41 – 46) Und

deckt somit die Aussagen aus dem dritten Kapitel dieser Bachelor-Thesis.

Alle drei befragten Personen nennen Risikofaktoren für Pädagog_innen hinsichtlich

einer Burnout-Erkrankung. Die Aussage der Coachin unterscheidet sich von den

Page 45: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 42

ähnlichen Antworten der anderen befragten Personen. Sie sieht als Risikofaktor die

Grundmotivation von Pädagog_innen einen helfenden Beruf aufzunehmen. Als

Grundmotivation beschreibt sie „…das man persönlich sehr viel daraus zieht helfen zu

können“. (Transkription B1, Zeile 83 – 84) Das widerspricht ihrer Meinung nach der

Kompetenz selber Grenzen ziehen zu können. (vgl. Transkription B1, Zeile 83 – 85)

Die Befragten B2 und B3 nennen als größten Risikofaktor die Rahmenbedingungen

der Kindertagesstätten. Beide sprechen von einem schlechten Personalschlüssel und

zu wenig Zeit für mittelbare Pädagogik. (vgl. Transkription B2, Zeile 94 – 105;

Schriftliche Beantwortung B3, Zeile 51 – 55) Zudem thematisieren beide die geringe

Bezahlung, bzw. die häufig ausschließlich als Teilzeit angebotenen Stellen. Der Kita-

Berater scheint Teilzeitstellen kritisch gegenüber zu stehen, weil Pädagog_innen so

oftmals zusätzliche Nebentätigkeiten aufnehmen müssen um ihre täglichen Ausgaben

zu finanzieren. (vgl. Schriftliche Beantwortung B3, Zeile 54 – 55) Die Träger-

Mitarbeiterin hingegen appelliert aus Trägersicht für weniger Wochenstunden, da sich

diese auf dem Gehaltszettel „…kaum bemerkbar machen“ (Transkription B2, Zeile

144), aber eine Entlastung für die pädagogischen Mitarbeiter_innen darstellen. Ihr

Träger bietet 35-Wochenstunden als Vollzeitstelle an. Als weiteren Belastungsfaktor

nennt sie die steigenden Erwartungen und der Gesprächsbedarf der Eltern. (vgl.

Transkription B2, Zeile 109 – 136) Der Kita-Berater sieht weitere Risikofaktoren in

Form von fehlender Führung der Leitung, keine Rückendeckung des Trägers und die

große Lärmbelastung. (vgl. Schriftliche Beantwortung B3, Zeile 51 – 55)

Als Schutzfaktoren in pädagogischen Berufen nennt die Coachin das Thema

Anerkennung. Sie beschreibt das Gefühl der Anerkennung als individuell und

unterschiedlich. Anerkennung in Form eines stetigen Lobes des Vorgesetzten stellt sie

in Frage und appelliert eher an ein vernünftiges Selbstkonzept und Selbstwertgefühl.

(vgl. Transkription B1, Zeile 102 – 128) „Wir brauchen stabile Persönlichkeiten in

helfenden Berufen, haben wir aber nicht.“ (Transkription B1, Zeile 131 f.)

Der Kita-Berater sieht Schutzfaktoren in harmonischer Teamarbeit und einem guten

Betriebsklima. Im Umkehrschluss zu den Risikofaktoren begünstigen gute

Rahmenbedingungen, eine gelingende Führung durch die Kitaleitung, Beteiligung und

Nutzung der Potenziale der Mitarbeiter_innen sowie ein Schallschutz das

Page 46: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 43

Wohlbefinden und die Gesundheit der Pädagog_innen. (vgl. Schriftliche Beantwortung

B3, Zeile 60 – 64)

Einen Zusammenhang zwischen persönlicher und beruflicher Unzufriedenheit sieht die

Coachin generell nicht. Burnout ist für sie Haus- und nicht Institutionsgemacht. (vgl.

Transkription B1, Zeile 141 f.) Allerdings betont sie die Aussage: „Ausgebrannt sein

kann nur dann passieren, wenn ich selber erst mal für etwas brenne!“ (vgl.

Transkription B1, Zeile 143 f.) Burnout entsteht demnach, wenn andere

Themenbereiche des Lebens neben der Arbeit in Vergessenheit geraten. Der eigene

Beruf bekommt eine zu hohe Wichtigkeit. „Das sind Geschichten, die mit der Institution

als solche erst einmal nichts zu tun haben.“ (vgl. Transkription B1, Zeile 153 f.)

Der Kita-Berater beschreibt die Doppelbelastung von andauernden beruflichen und

privaten Problemen als Grund für kurzfristige Unzufriedenheit und dauerhafte

Krankheitsgefährdung. (vgl. Schriftliche Beantwortung B3, Zeile 70 – 73)

Die Träger-Mitarbeiterin äußerte sich nicht direkt zu dieser Fragestellung.

Die nächste Frage des Interviews beschäftigt sich mit der Rolle der Kitaleitung in

Bezug auf das Thema Burnout im Bereich der Kindertagesstätte. Der Kita-Berater sieht

die Leitung einer Kindertagesstätte als Schlüsselperson und Vorbild. „Sie gibt die

Richtung vor und sorgt dafür, dass alle Mitarbeitenden im Boot sitzen.“ (Schriftliche

Beantwortung B3, Zeile 79 f.) Wenn eine Leitung ihr Team nicht hinzureichend führt

sieht er einen Nährboden für Unzufriedenheit unter den Mitarbeiter_innen und somit

auch für psychische Belastungen. (vgl. Schriftliche Befragung B3, Zeile 79 – 82)

Einen Grund für Erschöpfungserscheinungen sieht die Coachin besonders in dem

Gefühl der Ausbeutung. Dieses entsteht ihrer Meinung besonders schnell in den

sozialen Arbeitsfeldern durch Überstunden, beispielsweise verursacht durch erkrankte

Kolleg_innen. Von dieser Art Erschöpfung können die Betroffenen sich in der Regel

besser abgrenzen, da sie nicht mit ihrem „ganzen Selbst“ (Transkription B1, Zeile 160)

in den Bereich des Jobs gegangen sind. Im Falle der Beratung einer

Kindertagesstättenleitung würde sie die Leitung dazu befähigen zu erkennen, dass das

Leben nie gleichförmig verläuft und dass sie ihre persönlichen Ansprüche nicht auf

andere überträgt. Zudem spricht sie erneut die Themen Wertschätzung,

Arbeitszeitmodelle und eine verbesserte gesellschaftliche Anerkennung an. (vgl.

Transkription B1, Zeile 157 – 202)

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Empirische Forschung

S e i t e | 44

Die Träger-Mitarbeiterin betont ebenfalls, dass das Leitungspersonal die

Entwicklungen im Träger den Mitarbeiter_innen transparent machen müssen. (vgl.

Transkription B2, Zeile 199 – 208)

3. Burnout-Prävention

Zum Themenschwerpunkt Burnout-Prävention sieht die Coachin Eigenverantwortung

bei den Beschäftigten im Arbeitsfeld der Kindertagesbetreuung bereits in der

Berufswahl. (vgl. Transkription B1, Zeile 133 – 135)

Die Träger-Mitarbeiterin schließt sich dem an und appelliert dazu, beispielsweise die

Wochenarbeitszeit zu reduzieren und so Stress vorzubeugen, sollte man nicht

unbedingt auf die finanziell entstehenden Verluste angewiesen sein. (vgl. Transkription

B2, Zeile 143 – 147)

Zu der Frage, wie die Kitaleitung Burnout innerhalb ihrer Einrichtung vorbeugen kann

antworteten zwei der Befragten wie folgt:

Der Kita-Berater betont, dass die Leitung ihren Mitarbeiter_innen klare Strukturen

vorgeben muss und für eine gute Kommunikation und Gesprächskultur untereinander

Sorge tragen sollte. Dabei gilt es Entscheidungen transparent zu treffen sowie ein oder

eine Ansprechpartner_in aber auch ernstzunehmende Vorgesetzte zu sein.

Abschließend beantwortet er diese Frage damit, dass das Leitungspersonal ein

menschliches und berufliches Vorbild darstellen soll. (vgl. Schriftliche Beantwortung

B3, Zeile 88 – 95)

Die Coachin kennzeichnet es als Aufgabe einer Kitaleitung Erkrankungen oder

Erschöpfungssymptome einer in ihrer Einrichtung beschäftigten Person zu erkennen,

zu benennen und ein vertrauliches Gespräch aufzusuchen. „Das betrifft das Thema

der Fürsorgepflicht.“ (Transkription B1, Zeile 279 f.) Dabei sei den Mitarbeiter_innen

nicht herablassend zu begegnen. Zudem spricht sie das vorhandene Machtgefälle,

Gehaltsgefälle und Anerkennungsgefälle zwischen der Leitung und des

pädagogischen Fachpersonals und die Methode der Supervision an. Die Leitungskraft

sollte wissen was sie als Führungskraft qualifiziert. Ihrer Meinung nach muss einigen

Führungskräften das Thema Wertschätzung der Mitarbeiter_innen näher gebracht

werden, beispielsweise durch Schulungen und Fortbildungen. Dazu gehöre auch der

regelmäßige Austausch unterhalb des Leitungspersonals eines Trägers. (vgl.

Transkription B1, Zeile 272 - 302)

Page 48: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 45

Abschließend fasst die Coachin den Aufgabenschwerpunkt einer Kitaleitung wie folgt

zusammen: „Eine Führungskraft ist dazu da, alle Fäden zusammen zu halten und auch

ein bisschen zu gucken in welche Richtung gelaufen wird.“ (Transkription B1, Zeile 363

ff.)

Der nächste Interview-Schwerpunkt liegt bei der Rolle der Trägerschaft von

Kindertagesstätten. Alle drei Befragten sehen ähnliche Verantwortungen der Träger in

punkto Burnout-Prävention.

Der Kita-Berater sieht die Bereitstellung von Ressourcen als Aufgabe der Träger. Sie

sollen die Rahmenbedingungen schaffen, die den Teams ermöglichen den

gesetzlichen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag kompetent und

zuverlässig zu erfüllen. (vgl. Schriftliche Beantwortung B3, Zeile 100 – 105)

Auch die Coachin sieht eine zwingende Verantwortungsübernahme der Trägerschaft.

Sie empfiehlt beispielsweise EAP-Maßnahmen (Employee Assistance Program, siehe

6.4.3) und begründet dies damit, dass die Ressourcen, die einem Team zur Verfügung

stehen nicht bei kollegialer Beratung enden dürfen. (vgl. Transkription B1, Zeile 249 –

255) Die Träger-Mitarbeiterin beschreibt die Umgangsweisen ihres Trägers: Dieser

schreibt mittlerweile Vollzeitstellen mit maximal 35 Wochenstunden aus, um so dem

Arbeitsstress der Mitarbeiter_innen vorzubeugen. (vgl. Transkription B2, Zeile 156 –

164) Zudem sieht sie die Aufgabe des Trägers darin Informationen zum Beispiel aus

dem Bereich der Politik so aufzubereiten, dass die Mitarbeiter_innen sie verstehen und

umsetzen können. Dazu gehören für sie das Engagement und die Organisation im

Dachverband und regionalen Ausschüssen. (vgl. Transkription B2, Zeile 199 – 208)

Zusätzlich gesteht sie, dass das Thema psychische Belastung für sie und ihren Träger

ein neues Feld ist und Informationen dazu von der Krankenkasse oder

Berufsgenossenschaft erst herangezogen werden müssen. (vgl. Transkription B2,

Zeile 284 – 291)

4. Burnout-Intervention

Wenn sich im Kollegium erste Burnout-Anzeichen zeigen appellieren alle drei

Befragten zu einem vertraulichen Gespräch. (vgl. Transkription B1, Zeile 276 ff.;

Transkription B2, Zeile 233 ff.; Schriftliche Beantwortung B3, Zeile 111 ff.)

Der Kita-Berater beschreibt, dass in einem solchen Gespräch gemeinsam nach

Entlastungsmöglichkeiten gesucht werden muss. Hierbei sollten auch

Page 49: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 46

Trägervertretende mit einbezogen werden, die gegebenenfalls arbeitsrechtliche

Maßnahmen wie Sonderurlaub oder ein Sabbatjahr veranlassen können. (vgl.-

Schriftliche Beantwortung B3, Zeile 111 ff.)

Dies deckt sich mit der Aussage der Träger-Mitarbeiterin, die den Leitungskräften ihre

Unterstützung im Führen solcher Gespräche mit betroffenen Mitarbeiter_innen

anbietet. Dabei können die Mitarbeiter_innen Partner_innen oder Kolleg_innen als

Unterstützung an diesen Gesprächen teilhaben lassen. Die Hilfen, die der Träger

anbietet gestalten sich unterschiedlich. Die Träger-Mitarbeiterin erwähnt, dass sie die

Möglichkeit hat das Präventionsgesetz auszuschöpfen und sich auch mit Behörden

oder Krankenkassen auseinanderzusetzen. (vgl. Transkription B2, Zeile 225 –263)

Die Coachin beschreibt unter dem Stichpunkt der Burnout-Intervention ein Modul, das

sie im Rahmen ihres Institutes in Kindertagesstätten anbieten könnte. Dieses Modul

behandelt die Frage was Erzieher_innen angeboten werden sollte, damit sie die

Arbeitsbedingungen jahrelang erfüllen können. Es sollen unter anderem die Themen

physische Belastungen, Ernährung, Teamarbeit, Leitungsführung und die Arbeits- und

Pausenzeiten thematisiert werden. Sie schildert dazu den hohen Lärmpegel in

Kindertagesstätten und das beispielsweise mit Hilfe von Entspannungstechniken

erlernt werden kann, eine Geräuschkulisse auszublenden und sich zu fokussieren.

Allgemein sollen verschiedene Entspannungstechniken kennengelernt und

ausprobiert werden. Danach liege es in der Selbstverantwortung der Mitarbeiter_innen

für sich selbst zu sorgen. Die Coachin appelliert dazu, dass Trägerschaften im

Sozialbereich nicht nur in Hardware sondern auch in Angebote für die Teams

investieren. (vgl. Transkription B1, Zeile 309 – 376)

5.5 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse

Zusammenfassend beantworteten die drei befragten Expert_innen die gestellten

Interviewfragen ähnlich, brachten jedoch ihren, aus den jeweiligen

Arbeitsschwerpunkten resultierenden, Fokus mit ein. Einig sind sie sich in den

Bereichen der unzureichenden Anerkennung des Erzieherberufes und des schlechten

Personalschlüssels sowie der vorhandenen Ressourcen.

Interessant sind die unterschiedlichen Ansichten der Träger-Mitarbeiterin und des Kita-

Beraters in Bezug auf die wöchentliche Arbeitszeit der pädagogischen

Mitarbeiter_innen. Während die Träger-Mitarbeiterin zu einer Reduzierung der

Wochenstunden appelliert um Stresssymptomen entgegen zu wirken, kritisiert der

Page 50: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Empirische Forschung

S e i t e | 47

Kita-Berater die vielen angebotenen Teilzeitstellen aufgrund der Tatsache der zu

geringen Bezahlung und der gegebenenfalls zusätzlichen Aufnahme einer

Nebentätigkeit. Eine Annäherung dieser gegensätzlichen Aussagen wäre durch eine

verbesserte gesellschaftliche Anerkennung und eine daraus resultierende höhere

Bezahlung innerhalb dieses Berufsfeldes zu gewährleisten. Auch die Coachin

thematisierte ihr Unverständnis zu den großen Gehaltsgefällen zwischen

beispielsweise Studienrät_innen und Pädagog_innen in der praktischen Arbeit am

Kind. (vgl. Transkription B1, Zeile 201 f.)

Insgesamt sind sich die drei befragten Personen einig, dass die

Kindertagesstättenleitung eine gesonderte Funktion im Bereich der Burnout-

Prävention besitzt. Der Kita-Berater bezeichnet sie als Schlüsselperson für eine gute

Arbeitsatmosphäre, die primär Erschöpfungszustände im Team vorbeugen kann. Auch

die Coachin betonte, dass eine gute Führung den Mitarbeiter_innen Orientierung

bietet. Sie appellierte dazu, dass sich Führungskräfte untereinander austauschen und

auch Seminare und Schulungen zu dem Thema der guten Führung besuchen sollten.

Im Interview-Schwerpunkt der Burnout-Intervention vertreten ebenso alle drei

befragten Personen ähnliche Ansichten. Betont wird das Aufsuchen eines

vertraulichen Gespräches. Diesbezüglich sei eine positive Gesprächskultur und ein

vorhandenes Vertrauensverhältnis essentiell.

Im folgenden Kapitel wird sich primär der Leitungsfunktion in Kindertagesstätten

gewidmet. Der Schwerpunkt liegt darauf Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die

den Leitungskräften ermöglichen können ein Burnout-Aufkommen innerhalb ihres

Teams entgegen zu wirken. Dabei werden die Ergebnisse der Interviews, die vorherige

theoretische Annäherung an das Thema Burnout sowie Techniken und Methoden aus

passender Fachliteratur herangezogen.

Page 51: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 48

6. Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

„Betriebliche Prävention von Burnout ist möglich.“ (Allenspach & Brechbühler, 2005,

108) Darunter sind alle Maßnahmen zu sehen, die psychosoziale Belastungen am

Arbeitsplatz vorbeugen oder verringern und die Gesundheit, das Wohlbefinden sowie

die Arbeitszufriedenheit der pädagogischen Fachkräfte fördern.

Die Leitung einer Kindertagesstätte kann entscheidenden Einfluss darauf nehmen, in

welchem Maß sich der physischen und psychischen Gesundheit der beschäftigten

Pädagog_innen gewidmet wird. Sie ist primär dafür verantwortlich das

Gesundheitsmanagement innerhalb ihrer Einrichtung zu gestalten. (vgl. Deutsches

Jugendinstitut/Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, 2014, 147)

Die durch Burnout entstehenden Kosten für die Einrichtung, hauptsächlich verursacht

durch die entstehenden Fehlzeiten und Leistungsminderung der betroffenen

Mitarbeiter_innen, sind in Bezug auf die Investitionen in Gesundheit und Zufriedenheit

als fördernde Aspekte zu berücksichtigen. „Das Aufladen eines Akkus ist um vielfaches

leichter, wenn er nicht bereits ganz leer ist!“ (Fialka, 2011, 53)

Inhalt dieses Kapitels sind Empfehlungen, wie Teams im Bereich der Kindertagesstätte

geführt werden und welche Unterstützungsangebote durchgeführt werden können, um

einem Burnout-Vorkommen innerhalb der Einrichtung vorzubeugen. Dazu zählen unter

anderem diverse Angebote des Trägers.

Es ist anzumerken, dass die folgenden Handlungsempfehlungen lediglich

Möglichkeiten darstellen, um insgesamt die Arbeitszufriedenheit, das Wohlbefinden

und die Gesundheit der in der Einrichtung tätigen Personen zu fördern. In der Praxis

sind die Vorschläge auf ihr Nutzen und ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen.

6.1 Gestaltung eines Gesundheitsmanagements innerhalb der

Einrichtung

In diesem ersten Abschnitt des Kapitels werden die Rolle der Leitung und ihre

Aufgaben hinsichtlich des Gesundheitsmanagements im Bereich der

Kindertagesstätte dargestellt. Es werden Ansätze und Methoden beschrieben, welche

die Gesundheit und das Wohlbefinden der pädagogischen Mitarbeiter_innen erhalten

und fördern können.

Page 52: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 49

Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogischer Fachkräfte (WiFF, 2014) zählt in ihrer

Leitungsexpertise die Gestaltung des Gesundheitsmanagements zu den

Kernaufgaben einer Kindertagesstättenleitung. Dabei wird zwischen mitzubringender

Fachkompetenz und personalen Kompetenzen unterschieden. (vgl. Deutsches

Jugendinstitut/Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, 2014, 147 f.)

Im Bereich der Fachkompetenz sollte eine Leitungskraft sich zum einen Wissen und

zum anderen bestimmte Fähigkeiten aneignen um die Gesundheit ihrer

Mitarbeiter_innen zu unterstützen. Voraussetzung ist es die verschiedenen Ansätze

des Gesundheitsmanagements zu kennen und um die Bedeutung der Gesundheit des

Teams als Ressource für die Entwicklung pädagogischer Qualität innerhalb der

Einrichtung zu wissen. Dafür müssen Gesetze und Verordnungen des Arbeits- und

Gesundheitsschutzes in Kindertageseinrichtungen bekannt sein. Ebenso sollte sich

die Leitungskraft über Möglichkeiten die Gesundheit ihrer Mitarbeiter_innen zu

erhalten und zu fördern informieren. Es gilt gemeinsam mit dem Träger transparente

Regeln der Zusammenarbeit in Bezug auf Strukturen, Kommunikation, Moderation,

Zeit und Budget des Gesundheitsmanagements festzulegen. Ebenso wichtig ist es

gesundheitsförderliche Führungsansätze im Führungshandeln zu berücksichtigen.

(siehe auch 6.3) Gemeinsam mit dem Team sollen Maßnahmen und Ziele zum Schutz

und zur Stärkung des körperlichen, psychischen, sozialen und ökologischen

Wohlbefindens in der Einrichtung entwickelt werden. Die Durchführung der

Maßnahmen, bzw. das Erreichen der Ziele gilt es zu reflektieren. Ein besonderes

Augenmerk soll auf die Förderung der Ressourcen (siehe auch 6.2) als Teamprozess

gelegt werden. (vgl. Deutsches Jugendinstitut/Weiterbildungsinitiative

Frühpädagogische Fachkräfte, 2014, 147 f.)

Unter dem Bereich der personalen Kompetenzen zählen die Autoren der

Weiterbildungsinitiative Frühpädagogischer Fachkräfte Aufgaben der Sozial- und

Selbstkompetenz.

Im Kernbereich der Sozialkompetenz ist die Fähigkeit der Kommunikation und des

Austausches mit dem Träger und den pädagogischen Mitarbeiter_innen zu nennen.

Die Leitungskraft ist als Bindeglied zwischen dem Träger und dem Team zu sehen.

Sie informiert das Team über gesundheitsförderliche Angebote des Trägers, wie

beispielsweise Fortbildungsangebote oder Ermäßigungen bei Sport- und

Entspannungskursen. Zudem kann die Leitung die Mitarbeiter_innen zur Reflexion

Page 53: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 50

ihrer privaten und beruflichen Lebensführung im Hinblick auf gesundheitsrelevante

Aspekte anregen.

Im Bereich der Selbstkompetenz macht sich die Leitung ihre Führungsverantwortung

im Gesundheitsmanagement und ihrer Vorbildfunktion gegenüber dem Team und den

Kindern und ihren Familien bewusst.

(vgl. Deutsches Jugendinstitut/Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte,

2014, 147 f.)

6.2 Das Konzept der Salutogenese

Der Begriff Salutogenese kann mit „Gesundheitsentstehung“ gleich gesetzt werden.

Im Gegensatz zur Pathogenese, bei der es um Krankheitsentstehung geht, steht bei

der Salutogenese die Entstehung und vor allem Erhaltung von Gesundheit im Fokus.

Geprägt wurde der Begriff Salutogenese in den 1970er Jahren von dem amerikanisch-

israelischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky. Sein Konzept fokussiert sich auf

die Aspekte die Gesundheit fördern und erhalten. (vgl. Hurrelmann, 2010, 119)

„Körperliches Wohlempfinden“ bezeichnet Antonovsky als Gesundheit, „körperliches

Missempfinden“ als Krankheit. Laut seiner Auffassung sind Menschen nicht entweder

krank oder gesund, sondern bewegen sich zwischen diesen Polen. Dies bezeichnet er

als Gesundheits-Krankheit-Kontinuum. (vgl. Antonovsky, 1997, 23)

Die Salutogenese beschreibt Antonovsky mit Hilfe der Metapher eines reißenden

Flusses, an dessen Ufer Menschen ihr Leben bestreiten. Die Medizin rettet die

hineinfallenden Menschen vor dem Ertrinken, jedoch ohne eine nachhaltige Wirkung

in Form einer Verhaltensänderung. Im Laufe des Lebens können die Menschen erneut

in den Fluss fallen. Präventive Maßnahmen sind nach Antonovsky metaphorisch wie

ein Zaun am Flussufer zu sehen. Auch ihnen schreibt er keine nachhaltige Wirkung

auf das Verhalten der Menschen zu. Die Salutogenese verfolgt hingegen das Ziel die

Menschen dazu zu befähigen sich selbst zu helfen, ihnen sozusagen das Schwimmen

zu lehren. (vgl. ebd., 92)

Antonovskys Salutogenese hilft bei der Beantwortung der Frage wie Menschen trotz

vielfacher Anforderungen und beruflichen Belastungen nicht ausbrennen.

Page 54: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 51

6.2.1 Das Kohärenzgefühl

Als Kernstück Antonovskys Modells der Salutogenese wird der Begriff „Sense of

Coherence“ (SOC), zu Deutsch das Kohärenzgefühl, genannt. Es beschreibt eine

grundlegende Lebenseinstellung, die sich aus drei Komponenten zusammensetzt:

1. Das Gefühl der Verstehbarkeit

Die Verstehbarkeit beschreibt das Gefühl, Situationen nicht hilflos ausgeliefert zu sein.

(vgl. Antonovsky, 1997, 34) Auf das Arbeitsfeld der Kindertagesstätte bezogen

bedeutet dies beispielsweise alltägliche Geschehnisse und das Verhalten von

Kolleg_innen oder der Leitungskraft abschätzen zu können. Innere und äußere

Ereignisse sind strukturiert und erklärbar. (vgl. Scharnhorst, 2012, 199)

2. Das Gefühl der Handhabbarkeit

Hiermit wird das Gefühl beschrieben, Situationen bewältigen zu können ohne

überfordert oder gestresst zu sein. Dabei werden neue Anforderungen eher als

Herausforderung und nicht als Belastung empfunden. (vgl. Antonovsky, 1997, 35)

3. Das Gefühl der Sinnhaftigkeit oder Bedeutsamkeit

In dieser dritten und nach Antonovsky wichtigsten Komponente des

Salutogenesenmodells geht es um den inneren Antrieb und die eigenen Initiative.

Wann hat das Individuum das Gefühl einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen? Als

besonders wichtig wird diese Komponente bezeichnet, weil ein hohes Maß an

Verstehbarkeit und Handhabbarkeit ohne Sinnhaftigkeit vermutlich nur von kurzer

Dauer ist. (vgl. Antonovsky, 1997, 35 ff.)

Folgendes Zitat verdeutlicht die Relevanz des Kohärenzgefühls in Bezug auf die

Thematik der Burnout-Prävention:

„Menschen mit hoher Kohärenz sind zufriedener in und mit ihrem Leben. Höhere

Lebenszufriedenheit wiederum geht häufiger einher mit körperlicher Gesundheit und

seelischem Wohlbefinden.“ (Zöllner, 1998, 34)

Page 55: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 52

Im Gegensatz zu Antonovskys Annahme wird aktuell davon ausgegangen, dass sich

das Kohärenzgefühl ein Leben lang weiterentwickelt und keine feststehende Größe

darstellt. Lediglich der Grundstein wird in der Kindheit und Jugend gelegt. (vgl. Schiffer,

2013, 33 f.)

6.2.2 Die Resilienzfaktoren

Die Begriffe Resilienz und Salutogenese werden heute in Verbindung zueinander

gestellt. Der Ausdruck Resilienz stammt aus der Entwicklungspsychologie und

bedeutet so viel wie Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Belastungen und

Krisensituationen. Darunter fallen nicht nur Katastrophen oder Tragödien. Vielmehr

gehe es darum den gewöhnlichen Alltagsstress täglich zu bewältigen und sich von ihm

zu erholen. (vgl. Scharnhorst, 2012, 209 f.)

Je widerstandsfähiger ein Mensch ist, desto seltener wird er krank. Als

Resilienzfaktoren werden beispielsweise die Fähigkeit der Einsicht, der

Unabhängigkeit und der die Initiative zu ergreifen genannt. Ebenso wird ein hohes Maß

an Moral oder Humor als Resilienzfaktoren gesehen. Diese Fähigkeiten ermöglichen

Menschen besser mit Alltagsstress umzugehen. (vgl. Scharnhorst, 2012, 2011)

6.2.3 Das Konzept der Salutogenese als Leitung einer Kindertagesstätte

anwenden

Das Modell von Antonovsky sowie die Förderung des Kohärenzgefühls und der

Resilienzfaktoren, lassen sich auf die Berufswelt und somit auch auf das Tätigkeitsfeld

der Kindertagesstätte übertragen. Dabei geht es darum die Arbeitswelt so zu gestalten,

dass sie Gesundheit fördert. (vgl. Scharnhorst, 2012, 200)

Wie in vorherigen Kapiteln beschrieben, sind die Mitarbeiter_innen in der

Sozialbranche erhöhten psychischen Belastungen ausgesetzt. Durch den sehr engen

Kontakt zu den Kindern und ihren Bezugspersonen werden ihnen hohe emotionale

Anforderungen gestellt. Zu der körperlichen Belastung in dem Arbeitsfeld

Kindertagesstätte kommen häufig unregelmäßige und wechselnde Arbeitszeiten, die

Freizeitaktivitäten und Erholungszeiten stark einschränken. Darüber hinaus ist die

Arbeit mit Individuen oftmals durch eine ungenügende Organisation der

Aufgabenverteilung und Arbeitsabläufe geprägt. (vgl. ebd., 203 f.)

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Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 53

Um den Arbeitsalltag gesundheitsförderlich zu gestalten und so auch einem Burnout-

Risiko entgegen zu wirken, sollte die Kindertagesstättenleitung in den Bereichen

Management, Kommunikation und soziale Kompetenz fortgebildet werden, damit sie

das Modell der Salutogenese anwenden und ihrem Team einen möglichst gut

organisierten Arbeitsalltag ermöglichen kann. (vgl. Scharnhorst, 2012, 204)

Wie bereits im empirischen Forschungsteil dieser Arbeit beleuchtet, kann eine gute

Arbeitszeitenplanung und besonders das Einhalten sowie positive Gestalten der

Pausenzeiten für Entlastung sorgen. Die Leitungskraft kann die Organisation

übernehmen, sollte ihr Team aber in den Vorgang der Arbeitszeitengestaltung aktiv

mit einbeziehen und Partizipation ermöglichen. Zudem soll sie an die positive

Gestaltung der Pausenzeiten appellieren. Der äußerliche Rahmen, wie beispielsweise

ein geschützter Rückzugsort innerhalb der Einrichtung, muss geschaffen werden. Die

Gestaltung der Pausen liegt jedoch in der Selbstverantwortung der Mitarbeiter_innen.

Auch das Kohärenzgefühl der in der Kindertagesstätte beschäftigten Personen kann

durch die Leitungskraft gefördert werden. So führen eine gute Informationspolitik und

das Prinzip der Transparenz zu einer Förderung des Gefühls der Verstehbarkeit. Das

Gefühl der Handhabbarkeit kann, unter anderem durch persönliche Spielräume in der

Art und Reihenfolge der Ausführung von anfallenden Aufgaben oder der Möglichkeit

neue Arbeitsweisen zu erproben, gesteigert werden. Das Gefühl der Sinnhaftigkeit

oder Bedeutsamkeit macht den Wert der Arbeit deutlich. (vgl. Scharnhorst, 2012, 200)

Wie auch innerhalb der Experteninterviews genannt, kann die Leitungskraft dieses

Gefühl durch persönliche Anerkennung, wie aber auch durch Engagement in der

Entwicklung einer verbesserten gesellschaftlichen Anerkennung von Pädagog_innen,

fördern.

Für die Stärkung der Resilienz der Mitarbeiter_innen spielt die Leitung eine

entscheidende Rolle. Gerade im Arbeitsfeld Kindertagesstätte ist der Kontakt zu

Kolleg_innen und die Arbeit im Team unvermeidbar. Eine positive Mitarbeiterbindung

und Kommunikationskultur fördert die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden der

Pädagog_innen. Dazu gehört auch die aktive Teilnahme der Führungskräfte in

vermeintlichen Krisensituationen. So sollten Kindertagesstättenleitungen

Page 57: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 54

beispielsweise in Zeiten personeller Unterbesetzung aktiv für adäquaten Ersatz sorgen

oder selbst das Team unterstützen.

Julia Scharnhorst (2012) spricht sogar von „resilienten Unternehmen“ (Scharnhorst,

2012, 215). Diese besitzen folgende Eigenschaften und Verhaltensweisen, auf die die

Führungskraft primären Einfluss nehmen kann:

Es gibt klare Werte im Unternehmen, die den Mitarbeiter_innen bekannt sind

und die von ihnen gelebt werden. (z.B. Zustimmung aller zum pädagogischen

Konzept und der pädagogischen Haltung)

Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter_innen haben einen

hohen Stellenwert und werden vom Unternehmen gefördert. (Beispielsweise

durch Gefährdungsbeurteilungen, Präventionskurse etc.)

Es gibt für Risiken, die das Unternehmen treffen können, ausgearbeitete

Krisenpläne. (Beispielsweise Notfallpläne bei ausgeprägtem Personalmangel)

Im Krisenfall wird offen und transparent kommuniziert. (Die Mitarbeiter_innen

werden beispielsweise über Kündigungen oder krankheitsbedingten Ausfällen

ihrer Kolleg_innen zeitnah informiert)

Problemlösungsfähigkeiten werden gefördert. (z.B. durch ein Angebot der

Supervision bei Unstimmigkeiten im Team)

Formelle und informelle Soziale Netzwerke werden gepflegt. (Beispielsweise

durch regelmäßige Team-Aktionen)

Fähigkeiten zur Wandlung und Improvisationen. (Neue Situationen, wie zum

Beispiel die Veränderung der Teamkonstellationen erfordern Flexibilität von

allen)

Krisen werden als Chancen gesehen. (Die Leitungskraft strahlt Zuversicht und

Optimismus aus, Stresssituationen zu bewältigen)

(vgl. Scharnhorst, 2012, 215)

Die Förderung des Kohärenzgefühls und der Resilienzfaktoren aller Beteiligten bereitet

die gesamte Einrichtung besser auf Stresssituationen vor und kann somit als aktiver

Beitrag zur Burnout-Prävention gesehen werden.

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Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 55

Weitere Möglichkeiten das Kohärenzgefühl und die Resilienzfaktoren im Bereich der

Kindertagesstätte zu stärken und Beiträge zur Förderung der Gesundheit und des

Wohlbefindens der Mitarbeiter_innen werden nachfolgend dargestellt.

6.3 Gesundheitsförderlicher Führungsstil

Wie bereits genannt wird den Führungskräften eine Schlüsselrolle bei der

Verringerung von psychosozialen Belastungen innerhalb eines Betriebes

zugeschrieben. Sie prägen die Kommunikation im Team und die Gestaltung und

Organisation der Arbeitsinhalte und – abläufe. (vgl. Scharnhorst, 2012, 164)

Der „Fehlzeiten-Report“ der AOK legte im Jahr 2011 seinen Schwerpunkt auf das

Thema „Führen und Gesundheit“. Es wird ein Zusammenhang zwischen den

Krankmeldungen der Mitarbeiter_innen und dem Verhalten des Vorgesetzten

gesehen. Auch die Beschäftigten selbst knüpften eine Verbindung zwischen ihrem

Gesundheitsempfinden und dem Führungsverhalten ihres Chefs. (vgl. Badura et al,

2011)

Nach Cherniss (1980) begünstigt ein negativer Führungsstil Burnout sogar stärker als

zu hohe Arbeitsbelastungen. (Cherniss 1980 in Litzke, Schuh, & Pletke, 2013, 166)

Die Leitungskraft einer Kindertagesstätte muss sich darüber bewusst werden, dass sie

mit ihrem Verhalten und ihrem Führungsstil die Gesundheit und das Wohlbefinden

ihrer Mitarbeiter_innen beeinflusst. Um Belastungen am Arbeitsplatz zu mindern oder

ihnen entgegenzuwirken, können Führungstechniken nach Stadler (2003) eingesetzt

werden:

Eine geeignete Auswahl der Arbeitsaufgaben für individuelle Mitarbeiter_innen

treffen

Genügend Zeit für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter_innen einplanen

Über- und Unterforderung vermeiden

Die individuellen Ziele der Mitarbeiter_innen kennen und berücksichtigen

Entwicklungsmöglichkeiten und ggf. Aufstiegschancen innerhalb der

Einrichtung schaffen

Konkrete und realistische Zielvereinbarungen gemeinsam mit dem Team

vereinbaren

Konstruktives Feed-Back zu den Entwicklungen geben

Positive Leistungen loben

Mitarbeiter über betriebliche Veränderungen in Kenntnis setzen

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Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 56

Ein Vertrauensklima untereinander schaffen

Den Team-Zusammenhalt fördern

Ein Gefühl der Wertschätzung vermitteln

Konflikte erkennen und zu einer Lösung beitragen

(Stadler 2003 in Scharnhorst, 2012, 166 f.)

Insgesamt deckt sich ein gesundheitsförderlicher Führungsstil mit der Anwendung des

Konzeptes der Salutogenese. Neben dem Fördern der Kohärenz- und

Resilienzfaktoren und dem Appellieren an die Eigenverantwortung der

Mitarbeiter_innen, wird die soziale Unterstützung der Leitungskraft ihrem Team

gegenüber betont. Im Bereich der Kindertagesstätte können sich drei Faktoren

besonders positiv in Bezug auf eine Burnout-Prävention auswirken:

Die Mitarbeiter_innen können sich im Falle von auftretenden Komplikationen auf ihre

Leitung verlassen. Die Leitung hat ein offenes Ohr für die Belange und Belastungen

ihres Teams und unterstützt ihre Mitarbeiter_innen aktiv darin Problemlagen zu

bewältigen. Des Weiteren widmet sich die Leitung der Team-Entwicklung, denn bereits

das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe kann sich stressmindernd auswirken. (vgl.

Scharnhorst, 2012, 165 ff.)

Zu einem gesundheitsfördernden Führungsstil kann auch die Fähigkeit der

Selbstfürsorge gezählt werden. Die großen Verantwortungsbereiche, lange

Arbeitszeiten, ein hohes Maß an geforderter Flexibilität und die teilweise missliche

„Sandwich-Position“ (Poulsen, 2012, 107) zwischen dem Träger und dem Team ihrer

Einrichtung können gerade die Führungskräfte einer Kindertageseinrichtung unter

Druck und Stress setzen. Um einer Arbeitsbelastung vorzubeugen sollten sich die

Leitungen regelmäßig selbst reflektiv mit ihrer persönlichen Arbeitsorganisation und

den daraus resultierenden Belastungen auseinandersetzen. (vgl. Scharnhorst, 2012,

170) Die Selbstfürsorge des Vorgesetzten setzt entscheidende Signale an die

Mitarbeiter_innen. So kann deutlich gemacht werden, dass das Wohlbefinden aller

beschäftigten Personen in der Einrichtung wichtig ist und die Leitungskraft kann als

Vorbild fungieren.

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Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 57

6.4 Angebote des Trägers

Die Führungskraft einer Kindertagesstätte kann nicht allein über die

einrichtungsbezogenen Angebote zur Burnout-Prävention entscheiden. Der Träger

entscheidet über das Angebotsspektrum und die Nutzungsbedingungen und schränkt

diese besonders aus finanziellen Gesichtspunkten ein. Wie bereits thematisiert

fungiert die Leitung als Verbindung zwischen Mitarbeiter_innen und dem

Kindertagesstättenträger. Die Aufgabe besteht darin Wünsche und Nöte des Teams

zu kommunizieren und geeignete Präventions- und Interventionsmittel beim

zuständigen Träger zu fordern. Im Folgenden werden mögliche Angebote zur Burnout-

Prävention dargestellt.

6.4.1 Gefährdungsanalyse

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) beinhaltet unter anderem die Pflichten der

Arbeitgeber_innen und Arbeitnehmer_innen in Bezug auf den Gesundheitsschutz

innerhalb des Betriebes. Somit stellt es auch für den Umgang mit Burnout innerhalb

einer Einrichtung eine wichtige Grundlage dar.

Nach §5 des Arbeitsschutzgesetzes muss der Arbeitgeber „eine Beurteilung der für die

Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung“ erstellen. Auf Grundlage einer

solchen Gefährdungsbeurteilung sind Maßnahmen des Arbeitsschutzes abzuleiten

und umzusetzen. Unter § 5 Absatz 3 ArbSchG werden psychische Belastung als

Auslöser einer Gefährdung benannt

Die Aufforderung zu einer Gefährdungsanalyse stellt in der Regel der

Kindertagesstättenträger, die Umsetzung liegt jedoch im Aufgabenbereich der

Leitungskraft der jeweiligen Einrichtung.

Page 61: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 58

Dabei wird eine solche Analyse grundsätzlich nach einer Systematik durchgeführt:

Abbildung 3: Systematik einer Gefährdungsanalyse nach Scharnhorst 2012, 81 f.

Wie in Abbildung drei zu sehen ist, sind die Gefährdungen innerhalb des Betriebes zu

ermitteln und diese in einem nächsten Schritt zu bewerten und zu vergleichen. Daraus

werden Maßnahmen abgeleitet und entsprechend umgesetzt. Die Ergebnisse müssen

auf ihre Wirksamkeit hin evaluiert werden. Nach zuvor festgesetzten Zeitfenstern

beginnt die Analyse erneut. Die Wichtigkeit der Dokumentation der Ergebnisse wird

betont. (vgl. Scharnhorst, 2012, 81 f.)

Essentiell für das Gelingen einer Gefährdungsanalyse ist die Partizipation aller

beteiligten Personen. (vgl. Scharnhorst, 2012, 83) Zur Unterstützung können

Betriebsärzte oder interne Berater für betriebliche Gesundheitsförderung,

beispielsweise aus der Trägerschaft, herangezogen werden. Auch die

Berufsgenossenschaften, wie etwa die BGW, bieten Unterstützungsformen, speziell

auf den Arbeitsbereich der Kindertagesbetreuung zugeschnitten, an.

Page 62: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 59

Bei der Bearbeitung einer Gefährdungsanalyse dürfen die psychischen Belastungen

nicht vergessen werden, auch wenn diese meist schwieriger zu erfassen sind als

beispielsweise die physischen Belastungen im Arbeitsalltag.

Bei der Erfassung psychischer Belastungen kann zwischen zwei Verfahren

unterschieden werden. Bei dem Verfahren der Fremdeinschätzung werden die

psychischen Belastungen in der Regel auf Basis von Beobachtungen oder Interviews

von externen Expert_innen erfasst. Ein anderes und in der Regel kostengünstigeres

Verfahren stellt die Selbsteinschätzung dar. Mit Hilfe von schriftlichen Befragungen

können die Mitarbeiter_innen ihre subjektiven Einschätzungen äußern.

Insgesamt kann eine Gefährdungsanalyse einen Beitrag zur Gesundheit, der

Zufriedenheit und dem Wohlbefinden der Mitarbeiter_innen leisten. Voraussetzung

hierfür ist, dass sie partizipativ an der Gestaltung und Umsetzung beteiligt sind.

Eine Analyse der Gefährdungen darf nicht nur sporadisch geschehen, sondern ist als

fortlaufender Prozess zu sehen. Eine für alle Beteiligte einsehbare Dokumentation ist

die Basis für eine Evaluation. In regelmäßigen Abständen sollte die Umsetzung der

getroffenen Maßnahmen überprüft und eine erneute Analyse und Bewertung der

Arbeitsgefährdungen, speziell auch der psychischen Belastungen, erfolgen. (vgl.

Scharnhorst, 2012, 95 ff.)

Eine regelmäßige Gefährdungsanalyse innerhalb der Einrichtung signalisiert den

pädagogischen Fachkräften, dass dem Träger und der Kindertagesstättenleitung die

Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter_innen wichtig sind.

6.4.2 (Team-)Supervision

Als Supervision wird eine berufsbezogene Beratung für Fachkräfte bezeichnet. Der

Fokus liegt auf der Entwicklung neuer beruflicher Handlungsmöglichkeiten und

kreativer Problemlösung. Hierbei sei es nicht das Ziel Lösungen vorzugeben, sondern

Veränderungsprozesse zu unterstützen, die die Autonomie der Beteiligten

berücksichtigt. Supervision kann einen wertvollen Beitrag zur Förderung der

persönlichen Ressourcen der Mitarbeiter_innen, aber auch der Teamkultur leisten.

(vgl. Schulz, 2010, 20)

Der oder die Supervisor_in nimmt eine neutrale Position gegenüber dem Team, der

Leitungskraft und dem Träger der Einrichtung ein.

Page 63: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 60

Im Vergleich zu anderen Beratungs- und Coachingformen beschäftigt sich Supervision

nur insofern mit der individuellen Lebenslage der Teammitglieder_innen, wie sie den

Berufsalltag beeinflussen.

Ein Supervisionsbedarf wird in der Regel erst gesehen, wenn ungelöste Probleme die

Arbeitsfähigkeit des Teams bereits vermindern. In einem solchen Fall dient die

Supervision dazu die bisherigen Lösungswege zu analysieren und neue zu suchen.

Andreas Schulz (2010), Psychotherapeut und Supervisor beschreibt in seinem Artikel

einer pädagogischen Fachzeitschrift diese Anwendung der Supervision als sehr

zeitintensiv und als „Position einer letzten Hilfe“. (Schulz, 2010, 20) Es bestehe die

Gefahr, dass in akuten Krisensituationen die Anordnung einer Supervision durch den

Träger von dem Team als Drohung empfunden wird. Schulz beschreibt jedoch, dass

sich Supervision im Bereich der Kindertagesstätte schon vor der Entstehung von

Krisen bewährt. Er beschreibt folgende Anlässe auf drei Ebenen:

Leitungsebene:

Eine Supervision auf Ebene der Leitungen von Kindertagesstätten ist beispielsweise

im Bereich der Reflexion der Leitungsrolle, den verschiedenen Führungsstilen oder der

Kooperation zwischen Träger und Team sowie ihrer speziellen Funktion für die

Leitungskraft sinnvoll.

Teamebene:

Auf der Teamebene können verschiedenste Anlässe für eine Supervision genannt

werden. Beispiele wären der Wunsch nach einer Kommunikationsverbesserung, die

Reflexion der Teamrolle, Zeit für fachlichen Austausch und speziell der Umgang mit

schwierigen Eltern oder die pädagogische Einschätzung von Kindern.

Organisationsebene:

Auch die Kooperation zwischen Träger und Einrichtung, die Entwicklung oder

Veränderung pädagogischer Konzepte sowie die Gründung eines neuen

Trägerverbandes können Anlässe darstellen eine Supervision in Anspruch zu nehmen.

(vgl. ebd., 20 f.)

In den genannten Situationen können unterschiedliche Formen der Supervision

angewendet werden. Im Bereich der Kindertagesstätte, in Bezug auf eine Burnout-

Page 64: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 61

Prävention innerhalb der Einrichtung, erscheinen gerade die Team- und

Leitungssupervision sinnvoll.

In einer Teamsupervision wird der Entwicklungsprozess eines Teams zu einer

verbesserten Kommunikation, Kooperation und Konfliktfähigkeit angeregt. Vertrauen

und Zusammenhalt kann so gestärkt, die Fähigkeit Konflikte konstruktiv zu nutzen und

an ihnen zu wachsen gefördert und Tagesabläufe unter Berücksichtigung der

individuellen Rolle eines jeden Teammitglieds optimiert werden. (vgl. Schulz, 2010, 21)

Eine Teamsupervision kann so, auch in Bezug auf den Ergebnissen des empirischen

Forschungsteils dieser Arbeit, den Arbeitsalltag entscheidend beeinflussen. Sie kann

demnach als Möglichkeit der Burnout-Prävention gesehen werden.

Der Umfang und die Dauer einer Supervision sind individuell festzulegen und hängen

von dem Thema, der Einstellung und Bereitschaft des Teams und dem finanziellen

Rahmen der Trägerschaft ab. Die Leitung einer Kindertagesstätte sollte gerade in

Bezug auf Supervisionsmaßnahmen in engen Kontakt zum Träger stehen.

Regelmäßige Berichterstattungen über die Entwicklungen im Team können zum einen

die Position des Teams und zum anderen die Bereitschaft des Trägers stärken, die

Supervision zu finanzieren. (vgl. Schulz, 2010, 22)

6.4.3 EAP-Maßnahmen

EAP steht für den englischen Begriff „Employee Assistance Program“, also eine

externe Beratung der Mitarbeiter_innen eines Betriebes. Unter dem Begriff EAP wird

ein Service verstanden, den Unternehmen ihren Mitarbeiter_innen ermöglichen, um

sie in ihren individuellen Belangen zu unterstützen. Innerhalb eines solchen

Programms können sich Mitarbeiter_innen und oftmals auch deren Angehörige bei

arbeitsbedingten oder persönlichen Problemlagen vertraulich an geschulte

Berater_innen wenden, die sie bei der Problemlösung unterstützen. (vgl. Schulte-

Meßtorff & Schulte, 2010, 44)

Die Themen der externen Mitarbeiterberatung sind vielfältig. Die Möglichkeiten reichen

von gesundheitlichen Anliegen, wie Fragen zu Gesundheitsdiensten oder

Suchtprävention, über privaten Sorgen, wie Erziehungsprobleme oder

partnerschaftliche Veränderungen, bis zu Belastungen am Arbeitsplatz, beispielsweise

durch Konflikten mit Kolleg_innen. (vgl. Schulte-Meßtorff & Schulte, 2010, 45)

Page 65: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Handlungsempfehlungen für Leitungen von Kindertagesstätten

S e i t e | 62

Das Ziel von EAP Maßnahmen ist es die Stabilität, Gesundheit und Leistungsfähigkeit

der Mitarbeiter_innen eines Betriebes nachhaltig zu fördern. Verschiedene

Fachberatungsstellen, wie beispielsweise auch die Coachin aus Hamburg (siehe

Kapitel 5) bieten externe Mitarbeiterberatung speziell für das Arbeitsfeld

Kindertagesstätte an.

6.4.4 Sport- und Präventionskurse

Matthias Burisch untersucht im Rahmen seiner Arbeit zum Thema Burnout auch

empirische Studien zur Burnout-Intervention. Schaufeli und Enzmann beschäftigen

sich so unter anderem mit einer gesunden Lebensweise in Bezug auf Burnout und

benannten so den positiven Effekt von Bewegung auf Angst und Depressionen. Die

Signale des Körpers zu spüren sei zum einen ein entscheidender Schritt in der

Burnout-Therapie, kann sich aber auch präventiv auf die Gesundheit und das

Wohlbefinden auswirken. (vgl. Burisch, 2014, 213)

Auch Herbert Freudenberger zählte bereits 1974 zu seinen Burnout-

Präventionsvorschlägen den Punkt „Körperliche Fitness durch Training steigern“.

(Freudenberger 1974, zit. n. Hillert, 2012)

Einige Träger von Sozialeinrichtungen bieten ihren Mitarbeiter_innen Unterstützung in

Form von Vergünstigungen von Sport- oder Präventionskursen an.

Das Spektrum von sinnvollen Unterstützungsangeboten ist vielschichtig und kann von

Angeboten der Physiotherapie, Vergünstigungen in Fitnessstudios über Kurse für

verschiedenste Entspannungsmethoden bis hin zur Suchtberatung reichen.

Die Rolle der Leitung ist einmal mehr die Kolleg_innen über derartige

Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren oder gegebenenfalls innerhalb der

Trägerschaft zum Nachdenken über Kooperationen und Unterstützungsformen im

Bereich der gesunden Lebensweise zu appellieren. Zudem ist die Vorbildfunktion auch

unter diesem Gesichtspunkt nicht zu missachten.

Page 66: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Fazit

S e i t e | 63

7. Fazit

Die vorliegende Bachelor-Thesis beschäftigt sich mit der Burnout-Thematik im

speziellen Bezug auf Pädagog_innen, die im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte tätig

sind. In diesem Rahmen wurden Handlungsempfehlungen erarbeitet, die

Leitungskräfte innerhalb ihrer Einrichtungen zur Burnout-Prävention nutzen können.

Es ist zunächst festzustellen, dass der Burnout-Begriff, seitdem er in den 1970er

Jahren erstmals in der Fachliteratur thematisiert wurde, eine große Popularität

erfahren hat. Trotz vielfältigen Autoren und diversen Forschungsunternehmungen

konnte keine allgemein gültige Definition festgelegt werden. Gerade die unzureichende

Diagnosemöglichkeit aufgrund der fehlenden Einordnung in dem internationalen

medizinischen Diagnosenkatalog (ICD-10) kann die erfolgreiche Behandlung

erschweren. Zudem schwächen diese Unklarheiten eine flächendeckende Einführung

von Burnout-Präventionsstrategien im Rahmen eines notwendigen

Gesundheitsmanagements in Unternehmen jeglicher Art.

Unabhängig davon, inwieweit Burnout als Diagnose möglich ist, ist festzuhalten, dass

immer mehr Menschen massiv unter ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen leiden.

Um dem entgegenzuwirken müssen alle Beteiligten in ihrer jeweiligen

gesellschaftlichen Rolle aktiv werden.

Die nähere Betrachtung des Tätigkeitsprofils der in Kindertagesstätten beschäftigten

Fachkräfte haben die möglichen physischen und psychischen Belastungen

verdeutlicht. Ihr Arbeitsalltag ist von vielfältigen, sich addierenden und nicht von

einzelnen prägnanten Belastungsfaktoren geprägt. Neben physischen Belastungen,

bedingt durch eine ungünstige Körperhaltung, führen die erhöhten Anforderungen

sowie die unzureichende Personaldecke vermehrt zu Stresssituationen. Die Aussagen

der Expert_innen im empirischen Forschungsteil dieser Arbeit können dies bestätigen.

Auch wenn sich die Autoren der gängigen Fachliteratur weitgehend einig sind, dass

das Burnout-Syndrom nicht, wie früher angenommen, überwiegend in sozialen

Berufsfeldern auftritt, sondern mittlerweile verschiedenste Berufs- und

Personengruppen treffen kann, sind die wachsenden Anforderungen sowie die

mangelnden finanziellen und personellen Ressourcen im Bereich Kindertagesstätte

als potenzielles Burnout-Risiko nicht zu verkennen.

Page 67: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Fazit

S e i t e | 64

Aussagen aus der Fachliteratur, Weiterbildungsinitiativen und die Eindrücke der

Expert_innen des empirischen Forschungsteil dieser Bachelor-Thesis betonen die

entscheidende Rolle der Kindertagesstättenleitung in Bezug auf die Gesundheit und

das Wohlbefinden der in der Einrichtung beschäftigten Personen. In dieser

vorliegenden Arbeit wurden Handlungsempfehlungen für Leitungen von

Kindertagesstätten entwickelt, um der Entstehung eines Erschöpfungszustandes der

Mitarbeiter_innen entgegenzuwirken. Es wurden unter anderem Techniken der

Mitarbeiter_innenführung, Unterstützungen zur Teambildung und

Probleminterventionsmöglichkeiten dargestellt.

Damit diese umgesetzt und ein Gesundheitsmanagement erfolgreich innerhalb der

Einrichtung implementiert werden kann, bedarf es ein generelles Wissen und die

Einsicht der Leitungskraft über die vermehrten Anforderungen und den möglichen

psychischen Belastungen von Pädagog_innen. Es muss der aktive Wunsch und Wille

bestehen um nachhaltig präventive Maßnahmen im Kindertagesstätten Alltag

umzusetzen. Dabei ist die Kommunikation zwischen der Trägerschaft, der Leitung und

den am Kind arbeitenden pädagogischen Fachkräften eine besondere Bedeutung

zuzukommen. Die Implementierung eines erfolgreichen Gesundheitsmanagements,

das Maßnahmen zur Burnout-Prävention beinhaltet, gelingt, wenn die

Mitarbeiter_innen partizipativ in die Entwicklung miteinbezogen werden. Es bedarf ein

Erkennen der Wichtigkeit von präventiven Maßnahmen auf Seiten des

Kindertagesstättenträgers und somit auch das Investieren von finanziellen Mitteln um

beispielsweise ein Supervisionsangebot zu ermöglichen. Die Leitung muss die

Wünsche und Bedarfe ihres Teams erkennen und diese anschließend mit der

Trägerschaft kommunizieren.

Eine Veränderung auf politischer Ebene ist von allen Beteiligten, dem Träger, der

Leitung, der Pädagog_innen und auch der Elternschaft zu fordern. Ein

verantwortungsvolles Gesundheitsmanagement und präventive Maßnahmen alleine

können den vielfältigen Belastungen dieses Arbeitsfeldes nicht entscheidend

entgegenwirken, wenn sich die gesetzlich bedingten Arbeitsbedingungen nicht

verbessern. So sollte beispielsweise der Personalschlüssel neu berechnet werden.

Hierbei muss krankheits-, fortbildungs- und urlaubsbedingter Ausfall berücksichtigt

werden.

Page 68: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Fazit

S e i t e | 65

Resümierend muss dem Bereich der psychischen Belastungen und dem Burnout-

Risiko im Tätigkeitsfeld der Kindertagesstätte von allen involvierten Personen mehr

Aufmerksamkeit geschenkt werden

Page 69: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

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S e i t e | 66

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der „Burnout-Zyklus“ nach Freudenberger & North, 1992, 123 .............. 9

Abbildung 2: Führungspuzzle nach Simsa & Patak 2008, 11.................................. 31

Abbildung 3: Systematik einer Gefährdungsanalyse nach Scharnhorst 2012, 81 f. .. 58

Page 73: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

S e i t e | 70

Anhang

Leitfaden zur Durchführung der Experteninterviews .............................................. 71

Analyse des Interviewmaterials in Tabellenform.................................................... 73

Transkription B1 .................................................................................................... 90

Transkription B2 .................................................................................................. 100

Schriftliche Beantwortung der Interview Fragen B3 ............................................. 107

Page 74: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

S e i t e | 71

Leitfaden zur Durchführung der Experteninterviews

Untersuchungsfrage:

„Wie kann Burnout von Pädagog_innen im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

vorgebeugt werden? Wie kann speziell die Leitung einer Kindertagesstätte

handeln?““

Anlass:

Im Rahmen der Bachelor Arbeit, kleiner empirischer Forschungsteil

1. „Anwärmfrage“: Vorstellung der eigenen Person

Der Vollständigkeit halber würde ich Sie bitten sich und Ihre Arbeit kurz vorzustellen.

ggf. folgende Nachfragen:

- Wie lange sind Sie in Ihrem Beruf tätig

- Wo liegen Ihre beruflichen Schwerpunkte?

2. Allgemeine Fragen zur Burnout-Thematik:

Was wissen Sie zu dem Thema Burnout?

In welchem Bezug stehen Sie zu der Thematik Burnout?

3. Weiterführende Fragen zum Thema Burnout im Bereich der

Kindertagesstätte

Und inwieweit ist Ihnen die Thematik „Burnout im Arbeitsbereich der

Kindertagesbetreuung“ in Ihrem professionellen Alltag begegnet?

In der Fachliteratur wird von einem erhöhten Burnout Risiko in pädagogischen

Berufsfeldern gesprochen. Wie sehen Sie das?

ggf. folgende Nachfragen:

- Wo sehen Sie besondere Risikofaktoren für Pädagog_innen?

- Sehen Sie auch mögliche Schutzfaktoren in diesem Berufsfeld?

Welchen Zusammenhang sehen sie zwischen persönlicher und beruflicher

Unzufriedenheit und einem erhöhten Burnoutrisiko?

Welche Rolle spielt die Kita-Leitung, in Bezug auf das Thema Burnout in der Kita,

Ihrer Meinung nach?

Page 75: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

S e i t e | 72

4. Burnout Prävention

Was sagen Sie zu dem Stichwort Eigenverantwortung der PädagogInnen?

- Was können sie tun, um Burnout vorzubeugen?

Wie könnte eine Kitaleitung Burnout innerhalb Ihrer Einrichtung vorbeugen?

- Welche Rolle spielt dabei der Kitaträger? Was kann die Trägerschaft tun, was

sollte sie leisten?

5. Burnout Intervention

Welche Schritte sind Ihrer Meinung nach zu gehen, wenn sich erste Burnout-

Anzeichen bei einem selbst, oder bei Kolleg_innen zeigen?

6. Ausblick

Was möchten sie noch sagen?

Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben!

Page 76: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

S e i t e | 73

Analyse des Interviewmaterials in Tabellenform

Interview Frage Coachin (B1) Träger-Mitarbeiterin (B2) Kita-Berater (B3)

1. Daten zur Person

Ja, welche Stichpunkte brauchen Sie. Ich bin 42 Jahre alt. (...) Ich bin derzeit in doppelter Funktion tätig: Einerseits bin ich als Geschäftsführerin des __________-Institut tätig. Das hat sich dem Thema betriebliches Gesundheitsmanagement verschrieben. Das heißt wir bieten zwei Aspekte an: Das klassische EAP (Employee Assistance Program), wo wir Firmenkunden anbieten ihre Mitarbeiter zu betreuen, in den psychischen wie auch den physischen Felder. Das heißt einerseits alles das, was mit dem Thema Kopf zu tun hat: Sorgen, Nöte, Schwierigkeiten. Aber eben auch in den Teilbereichen Erkrankungen, Ehe- , Paar- und Schuldnerberatung. In einigen Teilen auch Rechtsberatung, klassisches Coaching, Psychotherapeutische Leistungen. (Zeile 17 – 26) Weiter habe ich meine eigene Praxis als systemischer Coach. Ich hab meine Ausbildung im Jahr 2003 abgeschlossen, da kam das Thema Burnout in Deutschland gerade erst auf den Markt. (Zeile 40 – 42) Noch kurz zu meinem Lebenslauf: Ich hab das Thema der Berufsausbildung, der Sozialberatung, des Management-Coachings und der Führungskräfte Schulung für die deutsche __________ verantwortet. Hab dort einen großen Verantwortungsbereich gehabt, für gut 13 Jahre. Die Verantwortung für 970 Auszubildende und einem der größten Trainingsbetriebe weltweit mit gut 400 Trainern, das ist so die Schule aus der ich in Anführungsstrichen komme. Genau und jetzt bin ich selbst Unternehmerin. (Zeile 48 – 54)

Ich bin ------------- und arbeite seit 14 Jahren für -----------. Ich habe sieben Jahre als Erzieherin gearbeitet und während der Zeit berufsbegleitend an der Uni Erziehungswissenschaften studiert. (…) Nach sieben Jahren habe ich fünf Jahre als Leitung einer Einrichtung gearbeitet, die ich 2012 aufgegeben habe um komplett freigestellt zu arbeiten für den Bereich Gesundheit, Arbeitsschutz, interne Fortbildung,Organisationsentwicklung und Leitungsberatung. Das habe ich ab 2009 mit einer halben Stelle gemacht, halbe Stelle Leitung und seit 2012 komplett freigestellt für die eben genannten Tätigkeiten. (Zeile 30 – 37) Ich bin halt von der Ausbildung her Erzieherin und Diplom Pädagogin. Und habe dadurch, dass ich beim Gesundheitsamt war, und dort eine Informationsveranstaltung zum Thema Gesundheit und Infektionsquellen sehr spannend fand, festgestellt, dass wir im Träger da überhaupt gar nicht aufgestellt sind. So habe ich diesen Bereich, mehr oder weniger freiwillig übernommen, und finde es jetzt ganz spannend auch Sachen einfach umzusetzen. Das fängt an mit den

Michael Schaaf, Jahrgang 1964, Diplom-Pädagoge, Qualitätsmanager für soziale Dienstleistungsunternehmen (DAD), langjähriger Kita-Leiter, Referent, Projektleiter, selbständiger Kita-Berater mit den Schwerpunkten Gesundheitsförderung, Qualitätsmanagement und Coaching. (Zeile 5 – 9)

Page 77: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

S e i t e | 74

gesetzlichen Vorgaben, die erst einmal zu etablieren. Mittlerweile sind wir soweit, dass wir auch gucken, was wir an zusätzlichen Leistungen noch einbringen können. (Zeile 39 – 47)

2. Allgemeine Fragen zur Burnout Thematik

- In welchem Bezug stehen Sie zu der Thematik Burnout?

Also unter anderem habe ich einen Dozentenauftrag an der Hochschule __________ zum Thema Burnout und es ist ganz häufig Thema in der Einzelberatung. (Zeile 58 – 60)

Hmm, direkt betroffen bin ich davon nicht, (..) ich kann auch nicht sagen, dass wir ganz viele Fälle davon haben. Ich weiß, dass eine Kollegin längere Zeit, als sie als Erzieherin gearbeitet hat, mit Burnout krankgeschrieben war. Mittlerweile arbeitet sie als Leitung und hat das ganz gut überwunden. (...) Dass mir sonst Fälle davon jetzt so explizit benannt wurden, kann ich nicht sagen. Was ich weiß ist, dass der Anteil der Krankschreibungen auch von psychischer Belastung höher wird. Ich kann keine genauen Zahlen sagen, weil ich immer nur die reinen Meldungen kriege. Aber ich kann dann auch nachfragen und mal rauskriegen, wenn jemand über 42 Tage im Jahr krank ist, was denn vielleicht der Grund war. Aber es sind einzelne Leute im Gespräch, es zeigt sich dann schon, dass sie dann einfach auch die Notbremse gezogen haben, auf Grund der Belastungen und deswegen sich haben Krankschreiben lassen. (Zeile 54 – 65)

Als Projektleiter für das Diakonische Werk Hamburg habe ich das dreijährige ESF-Projekt „Alternsgerechte Arbeitsplatzgestaltung in evangelischen Kitas“ von 2011 - 2014 betreut. Dem Thema „Burnout“ bzw. „Psychische Belastungen“ wurde ein Fachtag mit externer Referentin gewidmet. Im Projektverlauf sind außerdem Faktoren benannt worden, die dazu beitragen können, dass pädagogische Kita-Mitarbeiter/innen gesund, motiviert und qualifiziert, sprich arbeitsfähig, bleiben. Zusammengestellt sind die Ergebnisse auf der Webseite www.kita-alternsgerecht.de und in der Broschüre „Alternsgerechte Gestaltung von Arbeit in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder. Empfehlungen und Arbeitshilfen für Träger und Teams“ (BETA, 2014). (Zeile 14 – 24)

3. Weiterführende Fragen zum Thema Burnout im Bereich der Kita

- Inwieweit ist Ihnen die Thematik

Ja. Pädagogen aus dem Grunde sehr gerne, weil sie ziemliche Schwierigkeiten haben, gerade die, die an Schulen beschäftigt sind... Wenn die sich in

Hmm, direkt betroffen bin ich davon nicht, (..) ich kann auch nicht sagen, dass wir ganz viele Fälle davon haben.

Als Kita-Leiter, Referent und Projektleiter bin ich auf viele Kolleginnen und Kollegen gestoßen, die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz

Page 78: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

S e i t e | 75

„Burnout im Bereich der Kindertagesbetreuung“ in Ihrem professionellen Alltag begegnet?

therapeutische Behandlung begeben, weil das nicht wirklich Karrierefördernd ist. Psychische Erkrankungen machen sich in dem Bereich nicht gut. Beispielsweise Oberstudienrätinnen und -räte sind hier gern gesehene Gäste. (lachend) (Zeile 64 – 70)

Ich weiß, dass eine Kollegin längere Zeit, als sie als Erzieherin gearbeitet hat, mit Burnout krankgeschrieben war. Mittlerweile arbeitet sie als Leitung und hat das ganz gut überwunden. (...) Dass mir sonst Fälle davon jetzt so explizit benannt wurden, kann ich nicht sagen. Was ich weiß ist, dass der Anteil der Krankschreibungen auch von psychischer Belastung höher wird. Ich kann keine genauen Zahlen sagen, weil ich immer nur die reinen Meldungen kriege. Aber ich kann dann auch nachfragen und mal rauskriegen, wenn jemand über 42 Tage im Jahr krank ist, was denn vielleicht der Grund war. Aber es sind einzelne Leute im Gespräch, es zeigt sich dann schon, dass sie dann einfach auch die Notbremse gezogen haben, auf Grund der Belastungen und deswegen sich haben Krankschreiben lassen. (Zeile 54 – 65) Ich werde ja immer zum Quartalsende benachrichtigt, (..) da kriege ich die Krankenzahlen, weil wir bezüglich des Eingliederungsmanagement das ja nicht mehr übers Kalenderjahr rechnen, sondern immer fortlaufend über 12 Monate, von daher kriege ich immer zum Quartalsende die Krankenstatistiken und da sehe ich einfach, dass die Zahlen der Krankentage ansteigen, und das über alle Altersstufen hinweg. Es ist natürlich so, dass je älter die Mitarbeiter sind, desto eher sind sie auch mal einen Tag krank. Was

ausgesetzt sind. Die Art der Stressoren und der Umgang mit ihnen waren äußerst unterschiedlich. Kritisch wurde es aus meiner Sicht immer dann, wenn sich zu den beruflichen auch noch private psychische Belastungen gesellen. (Zeile 30 – 35)

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einfach mit dem Alter und der körperlichen Belastung in unserem Beruf zusammenhängt. Aber bei einzelnen Nachfragen stellt sich raus, dass es nicht immer körperliche Sachen, sondern dann auch mal psychische Zusammenhänge sind. (Zeile 73 – 82)

-In der Fachliteratur wird von einem erhöhten Burnout Risiko in pädagogischen Berufsfeldern gesprochen. Wie sehen Sie das?

Das gilt für alle helfenden Berufe, und zu diesen Berufen gehören auch die Pädagogen mit dazu. Am schlimmsten ist es in der Tat in der Fraktion der Krankenhäuser, der Mediziner aber auch im juristischen Bereich ist es ein sehr gern genommenes Thema. Das heißt alle helfenden Berufe sind erstaunlicherweise äußerst wenig in der Lage sich selber zu helfen, weil die eigenen persönlichen Grenzen des Leistungsvermögens im Regelfall nicht erkannt werden. Das ist eine Berufskrankheit: Ja! Und natürlich gehören auch die helfenden Berufe für die Kinder mit dazu. (Zeile 73 – 80)

Dem kann ich voll und ganz zustimmen, da zur Bewältigung der gestiegenen Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte (Implementierung von Bildungsplänen und Qualitätsmanagementsystemen, Erwartungshaltung der Gesellschaft, des Trägers und der Eltern, Inklusionskonzepte, …) keine adäquaten zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt worden sind. (Zeile 41 – 46)

- Wo sehen Sie besondere Risikofaktoren für Pädagog_innen?

Die Grundmotivation einen helfenden Beruf aufzunehmen ist ja, dass man persönlich sehr viel daraus zieht helfen zu können. Und das widerspricht schon mal ganz logisch, dass man große Kompetenz darin hat selber Grenzen zu ziehen. Ein direkter kausaler Zusammenhang. Das was häufig passiert ist das, dass die Themen häufig abgedeckelt werden, im amerikanischen sagt man gerne dazu "we numb" also man lenkt ab, deckelt ab, das heißt ob das Alkohol, Tabletten, Sexsüchte, also die gesamte Bandbreite findet dann statt, die einem nicht hingucken lässt. (Zeile 83 – 90)

Fangen wir ganz einfach an: Worüber alle sprechen, sind die Rahmenbedingungen, der Personalschlüssel. Nicht umsonst gibt es jetzt diese Diskussionen. Auch die Zusagen, die die Behörde gemacht hat, schafft keine Entlastung, weil die Träger einfach noch einen großen Anteil selber finanzieren müssen. [Anmerkung: Es geht um die im Dezember 2014 von der SPD angekündigte Anhebung des Personalschlüssels in Hamburger Kinderkrippen] […] Es gibt keine Zeit für die mittelbare Pädagogik, das heißt die Pädagogen versuchen in ihrer Vorbereitungszeit Elterngespräche vorzubereiten, Dokumentationen zu

Team arbeitet nicht gut zusammen; Anforderungen überfordern; zu wenig Personal bzw. Zeiten für mittelbare Pädagogik; Leitung führt nicht; keine Rückendeckung des Trägers; aufgrund von Teilzeitstellen müssen zusätzliche Nebenjobs ausgeübt werden, weil das Geld sonst nicht reicht, Lärm. (Zeile 51 – 55)

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schreiben, Beobachtungsbögen auszufüllen. (…) Das führt dazu, das immer ein Pädagoge nicht am Kind arbeitet und dadurch die anderen Pädagogen immer mehr Kinder haben, als für die sie eigentlich zuständig sind oder die sie im Angebot haben sollten um qualitativ gut zu arbeiten. Das ist ein Faktor. (Zeile 94 – 105) Den Zweiten Faktor sehe ich ganz klar bei den Eltern, die zum Einen immer mehr Verantwortung an die Kita abgeben, und versuchen dadurch zu bekommen, dass Kita Erziehungsarbeit leistet und nicht Bildungsarbeit und sie als Eltern möglichst wenig konsequent mit ihren Kindern sein müssen und die Kita alles regelt und macht, dass sie ein perfektes, in Anführungsstrichen, Kind bekommen, dass mit Messer und Gabel essen kann, das gehorcht, das nur macht was man sagt und am besten gar nicht widerspricht. Und dazu kommt, dass die Eltern sich über Themen, die in meinen Augen Kleinigkeiten sind: Essen, Schlafen, nach Draußen gehen, nicht richtig Angezogen sein, nicht häufig genug die Windel gewechselt bekommen(..) sich nicht gehört fühlen. Oder: ohje mein Kind wurde geschlagen, was ist denn da los. Sich Gedanken machen und deswegen ganz viel Gesprächsbedarf haben. Es ist ganz viel Aufklärungsarbeit von den Pädagogen gefordert. So müssen sie immer wieder die gleichen Sachen erklären. Das ist normal, weil die

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Kinder Fluktuation einfach da ist, wenn die Kinder mit einem Jahr kommen, gehen sie spätestens mit sechs in die Schule, wenn sie zwischendurch nicht die Einrichtung wechseln, umziehen oder irgendetwas tun, müssen sie es nicht regelmäßig erklären. Mittlerweile ist es aber so, dass man es den gleichen Eltern mindestens zweimal im Jahr erklären muss und das macht einfach ganz viel Stress aus. Und auch das kann die Leitung nicht alles auffangen. Und dazu kommt, dass die Arbeit mit den Kindern eben auch eine hohe Konzentration erfordert und dadurch Belastungen ausübt. Jeder der noch so gerne seinen Job macht, kommt irgendwann an sein Limit, wenn man in der Regel 10 Kinder im Angebot hat und dann aber dauerhaft 15 Kinder, weil die Pädagogen mal krank sind, mal ausfallen, mal Urlaub haben. Das ist einfach was anderes. Und es ist natürlich ein Unterschied ob ich ein- und zweijährige Kinder dabei habe oder ob ich fünf- und sechsjährige Kinder dabei habe. Durch die Verjüngung der Kinder in den Kitas steigt auch da die Belastung, weil auch da der Großteil der Pädagogen dafür gar nicht ausgebildet ist. (Zeile 109 – 136)

- Sehen Sie auch mögliche Schutzfaktoren in diesem Berufsfeld? (Die vor psychischen Belastungen

Anerkennung ist überhaupt die größte Überschrift in helfenden Berufen. Wie kann man Anerkennung kanalisieren. Oder was kann eine Führungskraft an dieser Stelle tun. Und was schafft Befriedigung? Und wenn es um das Thema Anerkennung geht, dann sind wir völlig in der Gefühlswelt, die ist individuell und im Regelfall sehr unterschiedlich.

Team harmoniert, Mitarbeiter/innen unterstützen sich gegenseitig, gutes Betriebsklima; gute Rahmenbedingungen; Leitung führt das Team, nutzt die Potenziale der einzelnen Mitarbeiter/innen und beteiligt diese an wichtigen Entscheidungen ihren Arbeitsplatz betreffend; Schallschutz (Lärm ist ein großer Stressor!).

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schützen können)

Genauso wenig wie man Schmerz messen kann, kann man auch das einfach schwer in allgemein gültige Worte fassen. Ganz ehrlich, ich bin auch der festen Überzeugung, dass es gut so ist, nicht zu allem eine Skalierung zu haben oder eine entsprechende Wertigkeit an der Stelle. Das gibt es auch in keinem Land. Es gibt noch kein medizinisches System was da eine Einigung gefunden hat und auch das ist gut so. Ich glaube am besten verdeutlichen kann man sich das am Thema Schmerz. Also jemand der krank ist, ist individuell betroffen und wenn man anfangen würde eine Skalierung zu schaffen, was ist eigentlich schlimm und was ist schlimmer... Ist ein amputiertes Bein schlimmer als Krebs? Und genauso kann man auch im übertragenden Sinne nicht sagen, allgemein hin braucht man in helfenden Berufen die und die Erfahrungen, oder Kontakte oder Themen oder Aufgabenbereiche um ein möglichst hohes Maß an Anerkennung erfahren zu haben. Und auch stellt sich die Frage, ist Anerkennung überhaupt etwas, was von außen gesteuert werden kann? Also ist Anerkennung ein stetiges Lob vom Vorgesetzen oder kann Anerkennung damit anfangen, zu gucken, dass die Menschen ein vernünftiges Selbstkonzept und Selbstwertgefühl haben, weil dann brauchen sie deutlich weniger Anerkennung. (lachend) Dann kann ich das für mich selber "verhackgemüseln". Wenn es intrinsisch ist und aus mir selber kommt und ich auch selber damit klarkomme festzustellen, war das in Ordnung was ich geleistet habe, dann brauche ich meinen Vorgesetzen oder kollegiale Streicheleinheiten oder Streicheleinheiten von Kindern, Eltern und dazu gehörigen Bezugspersonen deutlich weniger. (Zeile 102 – 128)

(Zeile 60 – 64)

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Wir brauchen stabile Persönlichkeiten in helfenden Berufen, haben wir aber nicht. (Zeile 131 – 132)

- Welchen Zusammenhang sehen sie zwischen persönlicher und beruflicher Unzufriedenheit und einem erhöhten Burnoutrisiko?

(...) Also in der ersten Assoziation hätte ich erst einmal Nein gesagt. Burnout ist in erster Linie "Hausgemacht" (zeigt Anführungsstriche mit den Fingern) und nicht „Institutionsgemacht“, sondern von der Person selber. Das was wir auch im Seminar hatten: Burnout, Ausgebrannt sein kann nur dann passieren, wenn ich selber erst mal für etwas brenne! Das heißt ich vernachlässige schlussendlich die anderen Themenbereiche meines Lebens und kümmere mich primär um das Thema Beruflichkeit, das bringt eine viel zu hohe Wichtigkeit. Erst einmal darauf gestützt das man ganz viel bekommt: Anerkennung, Geld, Erfolg. Das ist der Treiber an der Stelle, in dem Zusammenhang merkt man nicht, dass die anderen Lebensbereiche deutlich in den Hintergrund treten, Kontakte sich verlieren, man weniger Zugang zu seinem eigenen Selbst hat, man eben keine persönlichen Interessen mehr verfolgt. Das Thema Arbeit gewinnt einfach viel zu viel Raum. Zu Ihrer Frage, (...) Das sind Geschichten, die mit der Institution als solche erst einmal nichts zu tun haben. (Zeile 140 – 154)

Eine andauernde Doppelbelastung von beruflichen und privaten Problemen macht kurzfristig unzufrieden und langfristig krank. Ein offenes Gesprächsklima hilft, Belastungen anzusprechen und gemeinsam Lösungen zu suchen. (Zeile 70 – 73)

- Welche Rolle spielt die Kita-Leitung, in Bezug auf das Thema Burnout in der Kita, Ihrer Meinung nach?

Erschöpfung kann auch daher kommen, das ist aber eine ganz andere Erschöpfung, nämlich wenn ich ausgebeutet werde. Das ist aber eine Erschöpfung aus der ich mich deutlich besser abgrenzen kann, weil ich nicht mit meinem ganzen Selbst und mit meiner ganzen Persönlichkeit in diesem Block des Jobs gegangen bin, sondern Ausbeutung heißt auch immer, dass die Menschen ein Stück weit den Abstand zu einer Situation halten, indem sie spüren und merken, meist mit jeder Faser ihres Körpers, die nehmen mich hier aus. Das gibt es auch, gerade im helfenden Bereich: permanente Überstunden, dieses „Kannst du noch mal, ansonsten haben wir niemanden für

Die Leitung ist die Schlüsselposition und ein Vorbild. Sie gibt die Richtung vor und sorgt dafür, dass alle Mitarbeitenden „im Boot sitzen“. Wo die Leitung ihr Team nicht gut führt, ist die Unzufriedenheit vorhersehbar. Und damit ist der Nährboden für psychische Belastungen bereitet. (Zeile 79 – 82)

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die…“, Also Opferschutz. Aber da ist man nicht so schwer und tief drin als wenn man seine ganze Identität in dem Block hat, also wenn man es für sich selber braucht, dass macht einen großen Unterschied. Und ja, da gibt es auch Erschöpfungszustände, absolut. Die sind aber anderer Natur. (...) Wo man immer noch einen Teil hat, der sagt: Eigentlich will ich das nicht. (Zeile 157 – 170) Also wenn das Ziel ist, dass man die Mitarbeiter in einem lebenslangen Arbeiten halten möchte, dann gilt es erstmal zu erkennen, dass das Leben nicht immer gleichförmig verläuft, sondern dass es Höhen und Tiefen gibt. Ich würde beraterisch mit einer Kitaleitung so vorgehen, dass ich gucken würde, was hat diese Person dazu befähigt diese Leitung zu bekommen. Das sind eigentlich Leistungsträger und wenn die dann mit den Ansprüchen die man an sich selber hat an den Rest den gleichen Maßstab anlegt, dann ist das schon mal der erste Schritt in die richtige Richtung. Was kann man konkret tun? Ja, einmal die gesamten Aspekte der Betriebsräte: vernünftige Personaldecke, Wertschätzung, Anerkennung, auch über Arbeitszeiten, Arbeitszeitmodelle, natürlich auch über Geld. Auf der Metaebene heißt das eigentlich auch erst mal eine andere gesellschaftliche Anerkennung zu schaffen. Ich kann nach wie vor nicht verstehen wo der große Unterschied zwischen einem Studienrat und einer vernünftigen Arbeit mit den Kindern liegt. (Zeile 189 – 202)

4. Burnout Prävention

- Was sagen Sie zu dem Stichwort Eigenverantwortung?

Das ist ja auch ein bisschen Eigenverantwortung von dem Menschen der sich zu so einem Beruf entschließt B1 Ja! (Zeile 133 – 135)

Erfahrungsgemäß ist es einfach so, dass wenn man ein paar Stunden in der Woche reduziert, es sich auf dem Gehaltszettel kaum bemerkbar macht, durch die Steuerklassen. Wo man dann schon überlegen sollte: zwei

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Was können Päd. tun, um Burnout vorzubeugen?

Stunden weniger arbeiten, 50 € weniger Geld. Wenn man nicht unbedingt darauf angewiesen ist, ist das in einigen Fällen schon eine Überlegung wert. (Zeile 143 – 147)

- Wie könnte eine Kitaleitung Burnout innerhalb Ihrer Einrichtung vorbeugen?

Umkehrschluss: Wenn ich eine Kitaleitung in meiner Beratung hätte, würde ich einen großen Wert auf eine vernünftige Begleitung meiner Mitarbeiter legen. Eine Supervision wäre unfassbar wichtig. Lebenslange Begleitung (..) Das Ganze funktioniert nie wenn man keine vernünftige Personaldecke hat. (Zeile 242 – 246 Also in der Verantwortung für den Mitarbeiter, wenn man möchte, dass dieser nicht in eine Langzeiterkrankung fällt, oder wenn man feststellt, dass da jemand permanent verschnupft ist, oder nicht gut drauf. Dann ist das natürlich in der Verantwortung des oder der Vorgesetzten. Das heißt es gilt die Dinge zu benennen, die aufgefallen sind. Im Vertraulichen Gespräch, wenn die Vertrauensbasis stabil ist, dann hat man evtl. Glück das derjenige sich öffnet, ansonsten kann man immer noch fragen, was kann ich, was können wir, was kann die Institution leisten und welchen Anteil haben wir daran. Das betrifft das Thema der Fürsorgepflicht. Ich habe hier in Leitungspositionen häufig diejenigen, (...) die sagen „die sollen sich mal nicht so anstellen“. Man muss in die eigene Supervision gehen und sich überlegen, warum bin ich eigentlich Führungskraft geworden, was hat mich an der Stelle ausgezeichnet und muss ich diesen Maßstab auch an die anderen stellen. Und wenn ich in so ein Gespräch mit einer herablassenden Haltung gehe und sage eigentlich haben sie doch nicht so viel , ich weiß nicht wo ihr Problem liegt. Dann muss man sich nicht wundern, wenn der Mitarbeiter nicht mehr wieder kommt. Das heißt man muss erst mal gucken für diejenigen die

Sie muss… klare Strukturen vorgeben, vertrauensvoll delegieren können, für eine gute interne Kommunikation und Gesprächskultur sorgen, ein offenes Ohr haben, Prioritäten richtig setzen, transparente Entscheidungen treffen, Mitarbeitende und ihre Belange ernst nehmen, Ansprechpartner/in sein und dabei dennoch Distanz als Vorgesetzte halten, auch mal unangenehme Gespräche führen und Entscheidungen treffen können, die Stärken ihrer Mitarbeiter/innen kennen und zielgerichtet einsetzen, menschlich und beruflich ein Vorbild sein. (Zeile 88 – 95)

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den Höhenflug an der Stelle geschafft haben, wie ist eigentlich der Realitätscheck zu den anderen die noch da sind. Ist da nicht nur ein Machtgefälle zwischen den Beiden, sondern auch ein Gehaltsgefälle, ein Anerkennungsgefälle. Das ist einfach eine andere Positionierung. In den meisten Kitas wird an dieser Stelle noch eine ganz schöne Hierarchie gelebt. Sodass man wirklich das Thema Wertschätzung den Führungskräften beibringen muss. Und im Zweifelsfalle muss man das über Schulungen tun. Wenn ich aber höre, dass bei unserem großen Kitaträger nicht einmal Führungskräfte-Sitzungen stattfinden, und auch wenn die Runde zu groß ist und es keinen so großen Sitzungssaal gibt, dann muss man eben das ganze nach Regionen oder Stadtteilen einteilen. Aber die gehören an einen Tisch. Wenn selbst das nicht stattfindet, dann darf ich mich auch nicht wundern. Wenn die Führungskräfte untereinander nicht einmal einen Austausch auf Augenhöhe hinbekommen, wie sollen sie es denn dann mit ihren Mitarbeitern in geordneter Form machen? (Zeile 272 – 302) Dazu gehört auch das Thema Supervision. Also zu ihrer Frage: Was kann die Führungskraft tun. Eine Führungskraft ist dazu da, alle Fäden zusammen zu halten und auch ein bisschen zu gucken in welche Richtung gelaufen wird. Die Solidarität der Führungskräfte untereinander kann nicht gegeben sein, wenn die sich nicht an einen Tisch setzen. Wie sollen sie dann für bessere Bedingungen sorgen? (...) (Zeile 362 – 367)

- Welche Rolle spielt dabei der Kitaträger? Was kann die Trägerschaft

Zwingend! Wir haben uns jetzt mit einem der größten Kitaträger in Hamburg im Rahmen des ______-Institut unterhalten, sie aber schlussendlich nicht als Kunden gewonnen, die aber eine ERP Maßnahme einführen werden. Wo jeder Mitarbeiter, wenn er sagt er hat etwas, sich extern Hilfe holen

Ja, also mittlerweile sind wir soweit, dass 35 Stunden quasi bei uns eine Vollzeitstelle ist und nur in Ausnahmefällen gibt es mehr Stunden, bzw. Kollegen die mehr Stunden haben, das sind Kollegen die schon

Der Kita-Träger hat durch die Bereitstellung der Ressourcen für Rahmenbedingungen zu sorgen, die es den Kita-Teams ermöglichen, ihren gesetzlichen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag zu erfüllen. Er soll der Kita-Leitung und den Mitarbeitenden die notwendige

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tun, was sollte sie leisten?

kann. Und das ist einfach das vernünftigste was man machen kann. Wenn Helfende sich im Team untereinander helfen wollen geht das im kollegialen Kontext ganz gut, wie in allen anderen Firmen auch, aber damit darf es nicht aufhören. (Zeile 249 – 255)

seit Jahr und Tag für uns arbeiten, denen nimmt man ja nicht einfach die Stunden weg um zu sagen: Jetzt darfst du nicht mehr arbeiten. Das muss dann von den Mitarbeitern selber kommen. Du kannst höchstens den Hinweis geben: Meinst du nicht gesundheitlich, wie siehst du denn das…, wie schätzt du das ein…? Mein Gefühl ist folgendes ... Als Leitung könnte ich solche Rückmeldung geben, oder als Trägervertreter wenn es mir auffällt. Aber die Entscheidung treffen dann die Mitarbeiter. (Zeile 156 – 164) Total, weil wie sollen sie sonst an Informationen kommen, wenn der Träger sie nicht streut. Der Träger muss Informationen auch so aufbereiten, dass die Mitarbeiter sie verstehen. Politiker reden viel und gerne, aber es ist selten für einen Erzieher nachzuvollziehen, was sie denn jetzt tatsächlich sagen. Wenn man jetzt Aktuell guckt, Schlagzeile war: 2019 Krippenschlüssel eins zu vier. Hört sich super an. Was dahinter steckt muss vom Träger erst mal übersetzt werden, dass es für alle verständlich ist. Und das ist schon unsere Aufgabe das zu leisten und weiterzugeben. Und auch uns selber quasi zu engagieren über den Dachverband und in den regional Ausschüssen und was da alles tagt. Präsent zu sein und Forderungen stellen. (Zeile 199 – 208)

Rückendeckung geben und seine Aufgaben kompetent und zuverlässig wahrnehmen. (Zeile 100 – 105)

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5. Burnout Intervention

- Welche Schritte sind Ihrer Meinung nach zu gehen, wenn sich erste Burnout Anzeichen bei einem selbst, oder bei Kolleg_innen zeigen?

Also in der Verantwortung für den Mitarbeiter, wenn man möchte, dass dieser nicht in eine Langzeiterkrankung fällt, oder wenn man feststellt, dass da jemand permanent verschnupft ist, oder nicht gut drauf. Dann ist das natürlich in der Verantwortung des oder der Vorgesetzten. Das heißt es gilt die Dinge zu benennen, die aufgefallen sind. Im Vertraulichen Gespräch, wenn die Vertrauensbasis stabil ist, dann hat man evtl. Glück das derjenige sich öffnet, ansonsten kann man immer noch fragen, was kann ich, was können wir, was kann die Institution leisten und welchen Anteil haben wir daran. Das betrifft das Thema der Fürsorgepflicht. (Zeile 272 – 280)

Ja, es gibt zwei verschiedene Wege. Das Eine ist, ich bekomme die Krankenstände und sehe, da ist jemand innerhalb von 12 Monaten länger als 42 Tage krank, dann rufe ich in meiner Funktion als Beauftragte bei der Leitung an und frage nach: Weißt du was Mitarbeiter XY hatte? Wenn die Leitung sagt, hat sich ein Bein gebrochen, dann brauche ich diesem Mitarbeiter kein Gespräch anbieten, das ist dann einfach Schicksal. Wenn die Leitung aber sagt: Hmm, er war hier mal krank, da mal krank, ich weiß gar nicht genau woran das liegt...Ich habe die Vermutung Belastung oder Rücken, Infektionskrankheiten. Das sind so die Themen die im Moment da sind. Dann biete ich diesem Mitarbeiter ein Gespräch an, im Beisein der Leitung. Die Mitarbeiter können selber entscheiden ob sie daran teilnehmen möchten oder nicht und ob sie noch jemanden mitbringen möchten, sei es Ehemann, Ehefrau, Partner, MAV (Mitarbeitervertretung) oder die Lieblingskollegin, das können sie frei wählen. Dann geht’s darum einfach mal zu hören: Magst du mir erzählen was dich betrifft, wollen wir gemeinsam nach Lösungen suchen, um dich zu unterstützen das du weniger krank bist. Es geht nicht darum zu sagen: Und du musst jetzt gesünder werden. Sondern, was können wir als Arbeitgeber tun, damit es dir an deinem Arbeitsplatz gut geht.

Offen darüber sprechen ist der erste und wichtigste Schritt. Dann kann gemeinsam nach einer Entlastungsmöglichkeit gesucht werden. Ein vertrauensvolles kollegiales Verhältnis hilft da sehr. Im zweiten Schritt sollten Trägervertretende einbezogen werden, falls arbeitsrechtliche Maßnahmen zu treffen sind (Sonderurlaub, Sabbatjahr …). (Zeile 111 – 115)

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Zu 95% nehmen die Mitarbeiter diese Gespräche an und sind sehr dankbar, dass sie gesehen werden. Und von denen, die die Gespräche annehmen, schaffen wir es zu 99% Lösungen zu entwickeln, die dann im Alltag erprobt werden. Die Zweite Variante ist, unabhängig vom Krankenstand, dass die Leitung mich anruft und sagt: Die Mitarbeiterin, der Mitarbeiter macht mir gerade Sorgen, mir fällt das auf, was kann ich tun? Dann gibt es zwei Varianten: Entweder bieten wir zusammen diesem Mitarbeiter ein Gespräch an, ich in der Funktion für Gesundheit. Oder die Leitung sagt: Ich möchte das gerne alleine machen. Dann bereite ich das Gespräch nur mit ihr vor, um zu gucken welche Themen angesprochen werden können. Was sollte man aufgreifen, was für Unterstützungsmöglichkeiten können wir bieten. Also das den Mitarbeitern ganz klar signalisiert wird, wir sehen, dass da was ist und wir würden dir gerne Hilfe anbieten. Wie die Hilfe im konkreten Fall aussieht ist natürlich von Mitarbeiter zu Mitarbeiter unterschiedlich. So dass man sagt wir zahlen dir z.B. einen Präventionskurs oder gucken das wir eine Lösung finden. (...) Das wir Allgemein halt die Möglichkeiten des Präventionsgesetzes ausschöpfen. Wir haben auch schon ein Schreiben aufgesetzt für die Krankenkasse, damit sie Allergiker-Bettwäsche finanziert.

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Also wenn Mitarbeiter Probleme haben sich mit Behörden oder Institutionen, wie der Krankenkasse, auseinanderzusetzen, dass wir da dann Unterstützung leisten und bieten. Auch das ist eine Sache die einigen Mitarbeitern sehr schwer fällt. (Zeile 225 – 263)

6. Ausblick

- Was möchten Sie noch sagen?

Also, ich kann Ihnen mal ein Modul schildern. In der Fragestellung was ist anstrengend in dem Beruf. Das hat nicht zwingend etwas mit Burnout aber mit Burnout Prävention zu tun. Das heißt: Was kann man Erziehern speziell als Berufsgruppe anbieten um jahrelang die Bedingungen, die man nicht oder nur schlecht ändern kann, gehen zu können. Dazu gehört beispielsweise das Thema Lärmpegel. Es gibt nicht nur aus der Physiotherapie sondern auch aus dem Bereich Entspannung und Konzentration ganz tolle Techniken, wie man sich fokussieren und Geräusche ausblenden kann. (...) Das sind ursprünglich Geschichten, die aus dem Bereich der Ergotherapie kommen. Kinder die beispielsweise eine Geräuschfilterschwäche haben, kriegen auch Übungen um sich zu fokussieren. Das kann man eben auch mit Erwachsenen machen. Für das Angebot haben wir uns überlegt zu gucken, was ist speziell das was Erzieher brauchen. Einmal das Thema Bewegung, wie bücke ich mich richtig, wie gestalte ich den Tag damit meine Knie durchhalten. Aber eben auch, wie blende ich Geräusche aus, wie fokussiere ich mich auf ein Gespräch ohne das ganz viel Aufmerksamkeit in andere Bereiche geht. Wie führe ich Elterngespräche, das ist auch etwas was ihnen sicherlich begegnen wird, wenn sie gucken welches Thema der Berufsbelastung am höchsten ist. Dann ist das im Regelfall nicht die konkrete Arbeit mit den Kindern, sondern das

Also es ist für alle ja noch ein relativ neues Feld, die psychischen Belastungen. Wenn jetzt jemand kommt und sagt ich habe Rücken, weiß ich genau, was ich anbieten kann. Bei psychischer Belastung bin ich im Moment selber noch dabei zu gucken, was wir denn tatsächlich tun können. Die Berufsgenossenschaft ist nicht so, dass sie mit Informationen um sich wirft, da muss man schon sehr genau nachhaken und nachfragen. Auch die Krankenkassen unterstützen mich nur hin und wieder. […] Von daher ist es noch ein neues Feld und ich finde es ganz spannend was du schreibst. (Zeile 284 – 291)

Lesen und zitieren Sie gerne aus der oben benannten BETA-Broschüre, Frau Meier. Die darf in Ihrem Literaturverzeichnis nicht fehlen! (Zeile 120 – 121)

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Thema Team, das Thema Führung und das Thema Elternarbeit. Und natürlich diese betriebsrätlichen Geschichten: Arbeitszeit, Krankheitsvertretung Personaldeckel, Bezahlung und so. Es gibt tolle Methoden, die man für das alltägliche und konkrete Tun den Menschen in den Kitas mit an die Hände geben kann. Das Programm was wir uns da ausgedacht haben ist ein Basis-Training. Welche Entspannungstechniken gibt es? Da bieten wir an, dass man 20 Minuten eine Erklärung zu einer Entspannungsmethode bekommt: Woher kommt die, was sind die Ursprünge, was ist eigentlich das Ziel des ganzen? Und dann in den Sportraum zu gehen und das auszuprobieren. Weil die meisten Menschen mit Vorurteilen leben und das Programm darauf ausgelegt ist die klassischen Entspannungsmethoden anzureißen. Sodass man ein paar Übungen zu jedem Thema gemacht hat, damit man sich danach überlegen kann was zu einem passt. Und das ist dann Selbstverantwortung und in der Regel nicht Träger oder Firmen finanziert, die Wertschätzung des Trägers gegenüber der Mitarbeiter ist es einfach ihnen das Programm vorzustellen und danach muss sich der Mitarbeiter selber darum kümmern im privaten oder Krankassen Kontext. Da gibt es genug Angebote die man sich selber finanzieren kann, aber die ganze Sinnhaftigkeit ist erstmal erkannt, das ganze wurde ein Stück enttabuisiert, weil man es selbst ausprobiert hat und das Portfolio hat sich einem eröffnet. Dazu gehören genau solche Sachen, dass man auch mal zwei Tage lang Körperarbeit und Erzählen machen kann. Häufig gehört auch das Thema Ernährung mit dazu. Das Einnehmen der eigenen Mahlzeiten im unruhigen Gruppenkontext, weil nach wie vor das Märchen ist, das man anständig vor den Kindern mitisst, damit sie sich das abgucken können. Leider auch dann wenn man mal gar keinen Hunger hat als großer Mensch oder

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wenn es einem nicht schmeckt. Nicht umsonst gibt es im Bereich der Kitas unfassbar viele Übergewichtige Menschen. Weil sie auch einfach in ihren Mahlzeiten reglementiert sind. Also auch diesem Bereich der Mitarbeitergesundheit muss man nennen. 309 – 357) Ich denke nach wie vor, den Leuten und den Führungskräften ist mit super schönen toll eingerichteten Räumlichkeiten nicht geholfen. Es wird zurzeit ganz viel in Hardware investiert. Stattdessen sollte man gucken das man Pausen hat. Und Pause heißt auch Pause, an einem ungestörten Platz, damit man wirklich in die Entspannung kommt. Wenn man in der Pause ist muss es sichergestellt werden, dass diese für sich genutzt werden kann. (Zeile 371 – 376)

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Transkription B1

Interview mit: Erste befragten Person (B1): Eine selbständige Coachin, die sich

im Bereich der externen Mitarbeiterberatung, aber auch in Form vom privaten Coaching mit dem Schwerpunkt Burnout-Prävention beschäftigt.

Geführt am: 12.12.2014, durch Interviewer (I) in den Beratungsräumen der Coachin Hinweis: Die Audiodatei zu dem Interview wurde in mehreren Teilen

gesichert, am Ende eines Absatzes wird eine Zeitmarke eingefügt.

Audiodatei: „Interview B1 1_1“ 1

I Vorstellung der Person und des Interview-Anlasses. Abriss der Interview-2

Schwerpunkte. #00:02:04-5# 3

B1 Das heißt, was kann die Führungsrolle tun, um präventiv tätig zu werden? 4

#00:02:11-8# 5

I Genau, in der Bachelor Arbeit gehe ich erst mal theoretisch auf das Thema 6

Burnout ein, wie man Burnout feststellen kann, wie man es überhaupt erkennt. 7

Da ist man sich ja nicht einig drüber, es steht ja zum Beispiel auch nicht konkret 8

in der ICD-10 Klassifikation. Im zweiten Teil möchte ich auf den Bereich Kita 9

eingehen, was sind Risikofaktoren, was können auch Schutzfaktoren für die 10

Erzieher_innen sein. (...) #00:02:39-9# 11

B1 [...Zwischenfrage zum Aufbau der Bachelor Thesis, irrelevant für das Interview] 12

#00:04:23-2# 13

I Ich habe für das Interview einen Leitfaden vorbereitet, fürs erste wäre es nett 14

wenn Sie sich vorstellen könnten, etwas zu Ihrer Person sagen und was sie 15

beruflich machen. #00:04:33-3# 16

B1 Ja, welche Stichpunkte brauchen Sie. Ich bin 42 Jahre alt. (...) Ich bin derzeit in 17

doppelter Funktion tätig: Einerseits bin ich als Geschäftsführerin des 18

__________-Institut tätig. Das hat sich dem Thema betriebliches 19

Gesundheitsmanagement verschrieben. Das heißt wir bieten zwei Aspekte an: 20

Das klassische EAP (Employee Assistance Program), wo wir Firmenkunden 21

anbieten ihre Mitarbeiter zu betreuen, in den psychischen wie auch den 22

physischen Felder. Das heißt einerseits alles das, was mit dem Thema Kopf zu 23

tun hat: Sorgen, Nöte, Schwierigkeiten. Aber eben auch in den Teilbereichen 24

Erkrankungen, Ehe- , Paar- und Schuldnerberatung. In einigen Teilen auch 25

Rechtsberatung, klassisches Coaching, Psychotherapeutische Leistungen. 26

Obwohl die natürlich nicht zwingend dazu gehören, weil wir kein 27

Krankenkassen-Konkurrent sind, aber eine Übergangsversorgung bieten. 28

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Gleichermaßen hat sich aber, sicherlich auch für den Bereich Kita interessant, 29

herausgestellt, dass sich Beschwerden häufig gar nicht mal klassisch im 30

Erkennen von Schwierigkeiten äußern, sondern im physischen Bereich. 31

Deshalb bieten wir Entspannungstrainings an: Yoga, Pilates, Jacobsen, also 32

Muskelrelation nach Jacobson, eine klassische Rückenschule, Boxfitness, 33

Massagen. Auch eine Arbeitsplatzanalyse, das heißt wie sitze ich richtig, wie ist 34

die Haltung. Dazu gehört auch der Lärmpegel mit dazu, dass ist ja auch im 35

Bereich der Kita ganz wichtig. Wir haben auch ein Angebot für eine Kita 36

geschneidert, wo wir uns im Team große Gedanken zum Thema Entspannung 37

gemacht haben. #00:07:29-8# 38

I Das ist sehr Interessant. #00:07:30-7# 39

B1 Weiter habe ich meine eigene Praxis als systemischer Coach. Ich hab meine 40

Ausbildung im Jahr 2003 abgeschlossen, da kam das Thema Burnout in 41

Deutschland gerade erst auf den Markt. Ich bin im Verband organisiert, da 42

allerdings nicht sonderlich glücklich mit, da die Verbandsarbeit in Hamburg eher 43

eine politische Arbeit ist. Das Thema ist eher Verdrängung vom Markt, weil es 44

so viele Coaches gibt. Was äußerst unerfreulich ist weil es so viele Anfänger 45

gibt, wo die Leute verprellt werden. Die sammele ich hier auch gerne wieder ein 46

und probiere das was andere verbockt haben wieder auf richtige Füße zu 47

stellen. (..) Noch kurz zu meinem Lebenslauf: Ich hab das Thema der 48

Berufsausbildung, der Sozialberatung, des Management-Coachings und der 49

Führungskräfte Schulung für die deutsche __________ verantwortet. Hab dort 50

einen großen Verantwortungsbereich gehabt, für gut 13 Jahre. Die 51

Verantwortung für 970 Auszubildende und einem der größten Trainingsbetriebe 52

weltweit mit gut 400 Trainern, das ist so die Schule aus der ich in 53

Anführungsstrichen komme. Genau und jetzt bin ich selbst Unternehmerin. 54

#00:09:03-6# 55

I Sie haben ja eben schon gesagt in welchem Bezug Sie zu der Thematik Burnout 56

stehen... #00:09:15-8# 57

B1 Also unter anderem habe ich einen Dozentenauftrag an der Hochschule 58

__________ zum Thema Burnout und es ist ganz häufig Thema in der 59

Einzelberatung. #00:09:31-9# 60

I Und zum Thema Burnout in der Kindertagesstätte: (...) Da haben Sie ja eben 61

schon gesagt, dass Sie da auch eine Art Programm zu entwickelt haben. Also 62

zählen auch Pädagogen zu Ihrem Klientel? #00:09:49-2# 63

B1 Ja. Pädagogen aus dem Grunde sehr gerne, weil sie ziemliche Schwierigkeiten 64

haben, gerade die, die an Schulen beschäftigt sind... #00:09:59-6# 65

Audiodatei: „Interview B1 1_2“ 66

B1 Wenn die sich in therapeutische Behandlung begeben, weil das nicht wirklich 67

Karrierefördernd ist. Psychische Erkrankungen machen sich in dem Bereich 68

nicht gut. Beispielsweise Oberstudienrätinnen und -räte sind hier gern 69

gesehene Gäste. (lachend) #00:00:20-6# 70

Page 95: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

S e i t e | 92

I In der Fachliteratur wird von einem erhöhten Burnout Risiko für pädagogische 71

Berufe gesprochen, können Sie dem zustimmen? #00:00:39-9# 72

B1 Das gilt für alle helfenden Berufe, und zu diesen Berufen gehören auch die 73

Pädagogen mit dazu. Am schlimmsten ist es in der Tat in der Fraktion der 74

Krankenhäuser, der Mediziner aber auch im juristischen Bereich ist es ein sehr 75

gern genommenes Thema. Das heißt alle helfenden Berufe sind 76

erstaunlicherweise äußerst wenig in der Lage sich selber zu helfen, weil die 77

eigenen persönlichen Grenzen des Leistungsvermögens im Regelfall nicht 78

erkannt werden. Das ist eine Berufskrankheit: Ja! Und natürlich gehören auch 79

die helfenden Berufe für die Kinder mit dazu. #00:01:16-2# 80

I Also sehen sie den größten Risikofaktor darin, dass man sich nicht so gut 81

Abgrenzen kann von seinem Job... #00:01:24-9# 82

B1 Die Grundmotivation einen helfenden Beruf aufzunehmen ist ja, dass man 83

persönlich sehr viel daraus zieht helfen zu können. Und das widerspricht schon 84

mal ganz logisch, dass man große Kompetenz darin hat selber Grenzen zu 85

ziehen. Ein direkter kausaler Zusammenhang. Das was häufig passiert ist das, 86

dass die Themen häufig abgedeckelt werden, im amerikanischen sagt man 87

gerne dazu "we numb" also man lenkt ab, deckelt ab, das heißt ob das Alkohol, 88

Tabletten, Sexsüchte, also die gesamte Bandbreite findet dann statt, die einem 89

nicht hingucken lässt. #00:02:18-9# 90

I Ich bin gerade auch auf der Suche ob es in der Arbeit mit Menschen, speziell 91

mit Kindern auch besondere Schutzfaktoren gibt, dass man gerade etwas 92

Positives daraus ziehen kann, dass ich eben nicht nur mit Maschinen und 93

Computern zu tun habe, sondern mit Menschen. Das ist für mich eher ein 94

Entgegenwirken von Erschöpfung, dass man mit Menschen zu tun hat. Ich 95

gucke gerade in der Bachelor Arbeit wie man das positiv umwandeln kann. 96

Sehen Sie da auch was? Ich habe so für mich selber gedacht, dass es ja auch 97

eine sehr befriedigende Arbeit sein kann, wenn ich eben gute 98

Arbeitsbedingungen habe und meine Ziele und Wünsche umsetzen kann, dann 99

kann ich sehr befriedigt nach Hause gehen und erfahre Anerkennung im Beruf... 100

#00:03:08-5# 101

B1 Anerkennung ist überhaupt die größte Überschrift in helfenden Berufen. Wie 102

kann man Anerkennung kanalisieren. Oder was kann eine Führungskraft an 103

dieser Stelle tun. Und was schafft Befriedigung? Und wenn es um das Thema 104

Anerkennung geht, dann sind wir völlig in der Gefühlswelt, die ist individuell und 105

im Regelfall sehr unterschiedlich. Genauso wenig wie man Schmerz messen 106

kann, kann man auch das einfach schwer in allgemein gültige Worte fassen. 107

Ganz ehrlich, ich bin auch der festen Überzeugung, dass es gut so ist, nicht zu 108

allem eine Skalierung zu haben oder eine entsprechende Wertigkeit an der 109

Stelle. Das gibt es auch in keinem Land. Es gibt noch kein medizinisches 110

System was da eine Einigung gefunden hat und auch das ist gut so. Ich glaube 111

am besten verdeutlichen kann man sich das am Thema Schmerz. Also jemand 112

der krank ist, ist individuell betroffen und wenn man anfangen würde eine 113

Skalierung zu schaffen, was ist eigentlich schlimm und was ist schlimmer... Ist 114

ein amputiertes Bein schlimmer als Krebs? Und genauso kann man auch im 115

Page 96: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

S e i t e | 93

übertragenden Sinne nicht sagen, allgemein hin braucht man in helfenden 116

Berufen die und die Erfahrungen, oder Kontakte oder Themen oder 117

Aufgabenbereiche um ein möglichst hohes Maß an Anerkennung erfahren zu 118

haben. Und auch stellt sich die Frage, ist Anerkennung überhaupt etwas, was 119

von außen gesteuert werden kann? Also ist Anerkennung ein stetiges Lob vom 120

Vorgesetzen oder kann Anerkennung damit anfangen, zu gucken, dass die 121

Menschen ein vernünftiges Selbstkonzept und Selbstwertgefühl haben, weil 122

dann brauchen sie deutlich weniger Anerkennung. (lachend) Dann kann ich das 123

für mich selber "verhackgemüseln". Wenn es intrinsisch ist und aus mir selber 124

kommt und ich auch selber damit klarkomme festzustellen, war das in Ordnung 125

was ich geleistet habe, dann brauche ich meinen Vorgesetzen oder kollegiale 126

Streicheleinheiten oder Streicheleinheiten von Kindern, Eltern und dazu 127

gehörigen Bezugspersonen deutlich weniger. #00:05:50-3# 128

I Dann muss man gucken, wie man das Selbstwertgefühl aufbauen kann, 129

vielleicht auch im Team. #00:06:06-0# 130

B1 Wir brauchen stabile Persönlichkeiten in helfenden Berufen, haben wir aber 131

nicht. #00:06:15-6# 132

I Das ist ja auch ein bisschen Eigenverantwortung von dem Menschen der sich 133

zu so einem Beruf entschließt. #00:06:20-5# 134

B1 Ja! #00:06:21-7# 135

I Sehen Sie auch einen Zusammenhang zwischen persönlicher und beruflicher 136

Unzufriedenheit mit einem erhöhten Burnout Risiko? #00:06:38-9# 137

B1 Also konkret auf Burnout gefasst? #00:06:44-1# 138

I Ja. #00:06:45-6# 139

B1 (...) Also in der ersten Assoziation hätte ich erst einmal Nein gesagt. Burnout ist 140

in erster Linie "Hausgemacht" (zeigt Anführungsstriche mit den Fingern) und 141

nicht „Institutionsgemacht“, sondern von der Person selber. Das was wir auch 142

im Seminar hatten: Burnout, Ausgebrannt sein kann nur dann passieren, wenn 143

ich selber erst mal für etwas brenne! Das heißt ich vernachlässige 144

schlussendlich die anderen Themenbereiche meines Lebens und kümmere 145

mich primär um das Thema Beruflichkeit, das bringt eine viel zu hohe 146

Wichtigkeit. Erst einmal darauf gestützt das man ganz viel bekommt: 147

Anerkennung, Geld, Erfolg. Das ist der Treiber an der Stelle, in dem 148

Zusammenhang merkt man nicht, dass die anderen Lebensbereiche deutlich in 149

den Hintergrund treten, Kontakte sich verlieren, man weniger Zugang zu seinem 150

eigenen Selbst hat, man eben keine persönlichen Interessen mehr verfolgt. Das 151

Thema Arbeit gewinnt einfach viel zu viel Raum. Zu Ihrer Frage, (...) Das sind 152

Geschichten, die mit der Institution als solche erst einmal nichts zu tun haben. 153

#00:08:20-4# 154

I Damit ja auch nicht direkt mit der Kitaleitung, wenn wir jetzt auf den Bereich Kita 155

gehen... #00:08:24-2# 156

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S e i t e | 94

B1 Erschöpfung kann auch daher kommen, das ist aber eine ganz andere 157

Erschöpfung, nämlich wenn ich ausgebeutet werde. Das ist aber eine 158

Erschöpfung aus der ich mich deutlich besser abgrenzen kann, weil ich nicht 159

mit meinem ganzen Selbst und mit meiner ganzen Persönlichkeit in diesem 160

Block des Jobs gegangen bin, sondern Ausbeutung heißt auch immer, dass die 161

Menschen ein Stück weit den Abstand zu einer Situation halten, indem sie 162

spüren und merken, meist mit jeder Faser ihres Körpers, die nehmen mich hier 163

aus. Das gibt es auch, gerade im helfenden Bereich: permanente Überstunden, 164

dieses „Kannst du noch mal, ansonsten haben wir niemanden für die…“, Also 165

Opferschutz. Aber da ist man nicht so schwer und tief drin als wenn man seine 166

ganze Identität in dem Block hat, also wenn man es für sich selber braucht, dass 167

macht einen großen Unterschied. Und ja, da gibt es auch 168

Erschöpfungszustände, absolut. Die sind aber anderer Natur. (...) Wo man 169

immer noch einen Teil hat, der sagt: Eigentlich will ich das nicht. #00:09:55-0# 170

Audiodatei: „Interview B1 1_3“ 171

B1 Oder genau dafür werde ich eben nicht bezahlt. #00:00:10-3# 172

I Ich gucke ja auch, wie eine Kitaleitung Erschöpfung innerhalb ihrer Einrichtung 173

und dem Team vorbeugen kann. Haben Sie da Ideen, was gemacht werden 174

kann? Für mich war ganz klar, dass eine offene Kommunikation untereinander 175

herrschen muss, das man bei Problemen oder Erschöpfungen nicht krank zur 176

Arbeit gehen muss, dass man sagen kann das man eine Pause braucht... 177

#00:00:44-7# 178

B1 Also wenn man körperliche Erscheinungen hat, die nicht davon kommen, dass 179

man sich den ganzen Tag bückt, was im Kitabereich sehr anstrengend ist. 180

Sondern wenn die Psyche sich in den Körper zeigt, dann hat man ja schon eine 181

ganze Menge mit sich selbst nicht hingekriegt. #00:01:01-8# 182

I Das stimmt, da ist man schon mittendrin. #00:01:06-7# 183

B1 Ja genau, dann haben wir schon ein Problem. Also zu ihrer Frage... #00:01:17-184

4# 185

I Genau, was eine Kitaleitung tun könnte, damit es gar nicht erst zu 186

Erschöpfungszustände kommt. So pauschal kann man das vermutlich nicht 187

sagen, aber was Strategien wären um dem vorzubeugen. #00:01:38-4# 188

B1 Also wenn das Ziel ist, dass man die Mitarbeiter in einem lebenslangen Arbeiten 189

halten möchte, dann gilt es erstmal zu erkennen, dass das Leben nicht immer 190

gleichförmig verläuft, sondern dass es Höhen und Tiefen gibt. Ich würde 191

beraterisch mit einer Kitaleitung so vorgehen, dass ich gucken würde, was hat 192

diese Person dazu befähigt diese Leitung zu bekommen. Das sind eigentlich 193

Leistungsträger und wenn die dann mit den Ansprüchen die man an sich selber 194

hat an den Rest den gleichen Maßstab anlegt, dann ist das schon mal der erste 195

Schritt in die richtige Richtung. Was kann man konkret tun? Ja, einmal die 196

gesamten Aspekte der Betriebsräte: vernünftige Personaldecke, 197

Wertschätzung, Anerkennung, auch über Arbeitszeiten, Arbeitszeitmodelle, 198

natürlich auch über Geld. Auf der Metaebene heißt das eigentlich auch erst mal 199

Page 98: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

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S e i t e | 95

eine andere gesellschaftliche Anerkennung zu schaffen. Ich kann nach wie vor 200

nicht verstehen wo der große Unterschied zwischen einem Studienrat und einer 201

vernünftigen Arbeit mit den Kindern liegt. Dazu gehört aber auch, dass die 202

Universitäten ungeeignete Leute in die Ausbildung lassen. Der Anfang des 203

Weges ist eigentlich schon vermurkst, dadurch, dass man nicht richtig guckt, 204

wen man in die Ausbildung schickt. So werden einfach viel zu vielen Leute, die 205

einfach nicht geeignet sind, eine Ausbildung auf Staatskosten finanziert. Ich 206

habe selber zwei Kinder, deren Kitazeit ist auch noch nicht so lange her und ich 207

habe persönlich unfassbar ungeeignete Menschen in der Arbeit mit Kindern 208

gesehen. Dann kann man immer noch sagen, okay für das was da verdient wird 209

war das vielleicht gar nicht so schlecht, aber das kann es nicht sein. Der erste 210

Schritt ist die gesellschaftliche Anerkennung und ein entsprechendes 211

Qualitätskriterium. Auch in der Ausbildung. #00:04:09-6# 212

I Das sieht man ja zum Teil auch in anderen Ländern, die z.B. bei der Pisa 213

deutlich besser abschneiden, bei denen der Erzieherberuf ein Studium 214

beinhaltet... #00:04:24-4# 215

B1 Also es gibt bei ganz vielen Berufen nicht nur einen NC, sondern da wird auch 216

wirklich ausgesiebt. Warum kriegen die das in diesen Bereichen nicht hin? (...) 217

Auch dieses Umschulungsding, was jetzt in Hamburg gelaufen ist.... #00:04:48-218

4# 219

I Meinen Sie die "Schleckerfrauen"? #00:04:53-7# 220

B1 Das war genau das was ich im Kopf hatte, das war so ein Nackenschlag für 221

jeden der mit Kindern arbeitet. (Störung durchs Handy) #00:06:32-1# 222

I Also sollte man schon bei der Ausbildung einen Blick auf die persönliche Psyche 223

werfen? Also in meiner Ausbildung war das zum Beispiel gar kein Thema. Es 224

hätte thematisiert werden können, dass in helfenden Berufen die Gefahr groß 225

ist und man gut auf sich selber achten muss... #00:06:56-7# 226

B1 Die sind ja über die Jahre soweit, dass sie an den Universitäten und den 227

Fachhochschulen wissen, wie viele Abspringer sie haben nach dem ersten 228

Praktikum. Reale Abspringer oder mentale Abspringer. Warum schickt man 229

nicht erstmal alle die sich potentiell dafür entscheiden möchten in ein 230

vernünftiges Praktikum, damit sie diese Illusion aus dem Kopf kriegen, dass 231

man meint, z.B. auch so in einem Krankenhaus stattfindet. […] Im 232

Umkehrschluss, dass man meint wenn man seine Nichte im Kindergarten 233

abgeholt hat und das war „so toll, die basteln so schön“, dass das das gesamte 234

Feld sein soll. Das man wirklich mal eine Realitätscheck macht. Vermeintliche 235

Urteile sind schnell gefällt oder Begeisterung ist schnell da... Ich finde das 236

Beispiel passend: Wer mal als Patient im Krankenhaus gelegen hat und immer 237

strahlende, nette helfende Menschen erlebt hat, hat leider trotzdem keine 238

Ahnung wie der Beruf aussieht. Gerade diese helfenden Berufe sind verdammt 239

nah an dem Gefühl, dass diejenigen die den Berufen ergreifen eigentlich schon 240

wissen was da passiert und das ist großer Quark, das darf gerne in der 241

Aufklärung vorher passieren. Umkehrschluss: Wenn ich eine Kitaleitung in 242

meiner Beratung hätte, würde ich einen großen Wert auf eine vernünftige 243

Page 99: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

S e i t e | 96

Begleitung meiner Mitarbeiter legen. Eine Supervision wäre unfassbar wichtig. 244

Lebenslange Begleitung (..) Das Ganze funktioniert nie wenn man keine 245

vernünftige Personaldecke hat. #00:09:02-2# 246

I Also sehen Sie da auch Verantwortungen bei dem Kitaträger, weil dieser ja auch 247

über Gelder für beispielsweise Supervision verfügen müssen. #00:09:07-9# 248

B1 Zwingend! Wir haben uns jetzt mit einem der größten Kitaträger in Hamburg im 249

Rahmen des ______-Institut unterhalten, sie aber schlussendlich nicht als 250

Kunden gewonnen, die aber eine ERP Maßnahme einführen werden. Wo jeder 251

Mitarbeiter, wenn er sagt er hat etwas, sich extern Hilfe holen kann. Und das ist 252

einfach das vernünftigste was man machen kann. Wenn Helfende sich im Team 253

untereinander helfen wollen geht das im kollegialen Kontext ganz gut, wie in 254

allen anderen Firmen auch, aber damit darf es nicht aufhören. #00:09:45-8# 255

I Ich denke, die Gelder die für sowas investiert werden sind kein 256

rausgeschmissenes Geld. #00:10:00-0# 257

Audiodatei: „Interview B1 1_4 258

I Da die Träger ja sonst auch Verluste haben, denen sie vorbeugen können, 259

wenn alle stabil arbeiten können, zufrieden und auch leistungsfähiger sind 260

dadurch. #00:00:15-2# 261

B1 Dadurch, dass in dem ganzen System so viel Unruhe ist, z.B. die Öffnung für 262

unter Zweijährige.. (...) Wie eine ausgequetschte Zitrone ist der Bereich Kita. 263

#00:00:42-7# 264

I Dann hätte ich noch den Bereich... (..) Angenommen ich wäre Kitaleitung und 265

mir würde bei einer Kollegin oder einem Kollegen auffallen, dass diese oder 266

dieser sehr erschöpft ist, er ist nicht mehr gut drauf, ggf. liegen viele 267

Krankheitstage vor. Wie könnte ich am besten vorgehen? Ich finde es schwierig 268

das anzusprechen, vielleicht finden die Kollegen das nicht gut wenn es 269

angesprochen wird aber man kann es auch nicht stillschweigen... Wie könnte 270

man am besten reagieren? #00:01:15-8# 271

B1 Also in der Verantwortung für den Mitarbeiter, wenn man möchte, dass dieser 272

nicht in eine Langzeiterkrankung fällt, oder wenn man feststellt, dass da jemand 273

permanent verschnupft ist, oder nicht gut drauf. Dann ist das natürlich in der 274

Verantwortung des oder der Vorgesetzten. Das heißt es gilt die Dinge zu 275

benennen, die aufgefallen sind. Im Vertraulichen Gespräch, wenn die 276

Vertrauensbasis stabil ist, dann hat man evtl. Glück das derjenige sich öffnet, 277

ansonsten kann man immer noch fragen, was kann ich, was können wir, was 278

kann die Institution leisten und welchen Anteil haben wir daran. Das betrifft das 279

Thema der Fürsorgepflicht. Ich habe hier in Leitungspositionen häufig 280

diejenigen, (...) die sagen „die sollen sich mal nicht so anstellen“. Man muss in 281

die eigene Supervision gehen und sich überlegen, warum bin ich eigentlich 282

Führungskraft geworden, was hat mich an der Stelle ausgezeichnet und muss 283

ich diesen Maßstab auch an die anderen stellen. Und wenn ich in so ein 284

Gespräch mit einer herablassenden Haltung gehe und sage eigentlich haben 285

sie doch nicht so viel , ich weiß nicht wo ihr Problem liegt. Dann muss man sich 286

Page 100: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

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nicht wundern, wenn der Mitarbeiter nicht mehr wieder kommt. Das heißt man 287

muss erst mal gucken für diejenigen die den Höhenflug an der Stelle geschafft 288

haben, wie ist eigentlich der Realitätscheck zu den anderen die noch da sind. 289

Ist da nicht nur ein Machtgefälle zwischen den Beiden, sondern auch ein 290

Gehaltsgefälle, ein Anerkennungsgefälle. Das ist einfach eine andere 291

Positionierung. In den meisten Kitas wird an dieser Stelle noch eine ganz 292

schöne Hierarchie gelebt. Sodass man wirklich das Thema Wertschätzung den 293

Führungskräften beibringen muss. Und im Zweifelsfalle muss man das über 294

Schulungen tun. Wenn ich aber höre, dass bei unserem großen Kitaträger nicht 295

einmal Führungskräfte-Sitzungen stattfinden, und auch wenn die Runde zu groß 296

ist und es keinen so großen Sitzungssaal gibt, dann muss man eben das ganze 297

nach Regionen oder Stadtteilen einteilen. Aber die gehören an einen Tisch. 298

Wenn selbst das nicht stattfindet, dann darf ich mich auch nicht wundern. Wenn 299

die Führungskräfte untereinander nicht einmal einen Austausch auf Augenhöhe 300

hinbekommen, wie sollen sie es denn dann mit ihren Mitarbeitern in geordneter 301

Form machen? Das heißt da gibt der Träger ja auch nichts für her. Eigentlich 302

sind die Mitarbeiter Freiwild und die Kinder darunter irgendwie den individuellen 303

intrinsischen Motivationen der Erzieher ausgeliefert. Da gibt es wenig Leitbild. 304

Oder zumindest nichts was annähernd gelebt wird. Glatte sechs. #00:04:20-2# 305

I Eigentlich schlimm, wenn das so analysiert wird. Ja, das wäre es an sich schon 306

von meinen Fragen. Ich fand es interessant, dass sie nun auch aktuell Kitaträger 307

beraten. Vielleicht können Sie da noch ein paar Sätze zu sagen. #00:04:49-0# 308

B1 Also, ich kann Ihnen mal ein Modul schildern. In der Fragestellung was ist 309

anstrengend in dem Beruf. Das hat nicht zwingend etwas mit Burnout aber mit 310

Burnout Prävention zu tun. Das heißt: Was kann man Erziehern speziell als 311

Berufsgruppe anbieten um jahrelang die Bedingungen, die man nicht oder nur 312

schlecht ändern kann, gehen zu können. Dazu gehört beispielsweise das 313

Thema Lärmpegel. Es gibt nicht nur aus der Physiotherapie sondern auch aus 314

dem Bereich Entspannung und Konzentration ganz tolle Techniken, wie man 315

sich fokussieren und Geräusche ausblenden kann. (...) Das sind ursprünglich 316

Geschichten, die aus dem Bereich der Ergotherapie kommen. Kinder die 317

beispielsweise eine Geräuschfilterschwäche haben, kriegen auch Übungen um 318

sich zu fokussieren. Das kann man eben auch mit Erwachsenen machen. Für 319

das Angebot haben wir uns überlegt zu gucken, was ist speziell das was 320

Erzieher brauchen. Einmal das Thema Bewegung, wie bücke ich mich richtig, 321

wie gestalte ich den Tag damit meine Knie durchhalten. Aber eben auch, wie 322

blende ich Geräusche aus, wie fokussiere ich mich auf ein Gespräch ohne das 323

ganz viel Aufmerksamkeit in andere Bereiche geht. Wie führe ich 324

Elterngespräche, das ist auch etwas was ihnen sicherlich begegnen wird, wenn 325

sie gucken welches Thema der Berufsbelastung am höchsten ist. Dann ist das 326

im Regelfall nicht die konkrete Arbeit mit den Kindern, sondern das Thema 327

Team, das Thema Führung und das Thema Elternarbeit. Und natürlich diese 328

betriebsrätlichen Geschichten: Arbeitszeit, Krankheitsvertretung 329

Personaldeckel, Bezahlung und so. Es gibt tolle Methoden, die man für das 330

alltägliche und konkrete Tun den Menschen in den Kitas mit an die Hände geben 331

kann. Das Programm was wir uns da ausgedacht haben ist ein Basis-Training. 332

Page 101: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

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Welche Entspannungstechniken gibt es? Da bieten wir an, dass man 20 333

Minuten eine Erklärung zu einer Entspannungsmethode bekommt: Woher 334

kommt die, was sind die Ursprünge, was ist eigentlich das Ziel des ganzen? 335

Und dann in den Sportraum zu gehen und das auszuprobieren. Weil die meisten 336

Menschen mit Vorurteilen leben und das Programm darauf ausgelegt ist die 337

klassischen Entspannungsmethoden anzureißen. Sodass man ein paar 338

Übungen zu jedem Thema gemacht hat, damit man sich danach überlegen kann 339

was zu einem passt. Und das ist dann Selbstverantwortung und in der Regel 340

nicht Träger oder Firmen finanziert, die Wertschätzung des Trägers gegenüber 341

der Mitarbeiter ist es einfach ihnen das Programm vorzustellen und danach 342

muss sich der Mitarbeiter selber darum kümmern im privaten oder Krankassen 343

Kontext. Da gibt es genug Angebote die man sich selber finanzieren kann, aber 344

die ganze Sinnhaftigkeit ist erstmal erkannt, das ganze wurde ein Stück 345

enttabuisiert, weil man es selbst ausprobiert hat und das Portfolio hat sich einem 346

eröffnet. Dazu gehören genau solche Sachen, dass man auch mal zwei Tage 347

lang Körperarbeit und Erzählen machen kann. Häufig gehört auch das Thema 348

Ernährung mit dazu. Das Einnehmen der eigenen Mahlzeiten im unruhigen 349

Gruppenkontext, weil nach wie vor das Märchen ist, das man anständig vor den 350

Kindern mitisst, damit sie sich das abgucken können. Leider auch dann wenn 351

man mal gar keinen Hunger hat als großer Mensch oder wenn es einem nicht 352

schmeckt. Nicht umsonst gibt es im Bereich der Kitas unfassbar viele 353

Übergewichtige Menschen. #00:10:00-0# 354

Audiodatei: „Interview B1 1_5“ 355

B1 Weil sie auch einfach in ihren Mahlzeiten reglementiert sind. Also auch diesem 356

Bereich der Mitarbeitergesundheit muss man nennen. #00:00:23-2# 357

I Und dieses Programm würden sie in den einzelnen Kitas anbieten. Um z.B. in 358

den Teamsitzungen vorbeizuschauen? #00:00:33-9# 359

B1 Genau. (...) #00:00:44-9# 360

I Das ist dann ja sicherlich auch ein längerer Prozess. #00:00:52-3# 361

B1 Ja über Monate. Dazu gehört auch das Thema Supervision. Also zu ihrer Frage: 362

Was kann die Führungskraft tun. Eine Führungskraft ist dazu da, alle Fäden 363

zusammen zu halten und auch ein bisschen zu gucken in welche Richtung 364

gelaufen wird. Die Solidarität der Führungskräfte untereinander kann nicht 365

gegeben sein, wenn die sich nicht an einen Tisch setzen. Wie sollen sie dann 366

für bessere Bedingungen sorgen? (...) Es gibt ja aber erstaunlich aber wahr 367

doch die einen oder anderen Träger die das hinbekommen, es ist ja nicht 368

unmöglich. Auch das ist schlussendlich ein Führungsthema, dass die 369

Entscheidung getroffen wird solche Geschichten möglichst schlank zu fahren. 370

Ich denke nach wie vor, den Leuten und den Führungskräften ist mit super 371

schönen toll eingerichteten Räumlichkeiten nicht geholfen. Es wird zurzeit ganz 372

viel in Hardware investiert. Stattdessen sollte man gucken das man Pausen hat. 373

Und Pause heißt auch Pause, an einem ungestörten Platz, damit man wirklich 374

in die Entspannung kommt. Wenn man in der Pause ist muss es sichergestellt 375

werden, dass diese für sich genutzt werden kann. Das Rauchverhalten von 376

Page 102: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

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Erziehern kommt oft daher, weil sie sich dann offiziell in die hintersten Ecken 377

verkrümeln dürfen, wo sie wirklich nicht ansprechbar sind, weil sie sogar vom 378

Gelände runter müssen und da dann wirklich Ruhe haben. Also auch zur 379

Raucherprävention: Würde man innerhalb der Einrichtung einen Raum 380

schaffen, nicht in dem geraucht werden darf, aber wo man sicher sein kann, hier 381

habe ich meine Ruhe. Da bin ich mir sicher, hätten wir auch weniger Raucher. 382

#00:03:07-7# 383

I Ich habe neulich von einer Kita in Hamburg gehört, die auf dem Dach eine 384

überdachte Terrasse mit Hängematte haben, wo nur die Pädagogen, nicht die 385

Kinder hin dürfen. So kann man in den Pausen auch einfach mal in Ruhe raus. 386

Ja (...) Das was Sie sagten passt gut zu dem was ich mir bereits überlegt habe, 387

es sind aber auch interessante neue Anreize dabei. Vielen Dank für Ihr 388

Interview! #00:03:49-8# 389

B1 Gerne! #00:03:50-8# 390

Page 103: Burnout im Arbeitsfeld der Kindertagesstätte

Anhang

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Transkription B2

Interview mit: Zweiter befragten Person (B2): Erzieherin und Diplom Pädagogin

mit Kita-Leitungserfahrung, derzeitige Tätigkeit bei einem Hamburger Kita-Träger im Bereich der Organisationsentwicklung und des Gesundheitsmanagements.

Geführt am: 18.12.2014, durch Interviewer (I) in der Geschäftsstelle des Trägers Hinweis: Die Audiodatei zu dem Interview wurde in drei Teilen gesichert,

am Ende eines Absatzes wird eine Zeitmarke eingefügt. Audiodatei: „Interview B2 2_1“ 1 I […] (Vorstellung der eigenen Person) #00:00:39-1# 2 3 I Für meine Bachelorarbeit war mir ziemlich schnell klar, dass es sich irgendwie 4

um den Bereich der Pädagogik und Kita handeln wird. Und während meiner 5 Arbeit ist mir immer wieder Burnout bei Kollegen begegnet. Ich habe daraufhin 6 ein bisschen recherchiert und herausgefunden, dass dies häufiger ist, das man 7 zumindest so sagt, dass helfende Berufe eher eine Prävalenz dafür haben. Und 8 darum wollte ich mich damit gerne beschäftigen. Und weil ich während eines 9 Praktikums in den Leitungsbereich reingeschnuppert habe, möchte ich auch auf 10 den Bereich der Leitung eingehen, was sie vielleicht tun können um Burnout in 11 ihrem Team vorzubeugen. #00:01:08-8# 12

13 I Da bin ich derzeit dabei den theoretischen Teil zu erfassen und auch die 14

Kompetenzen der Leitungen zusammen zu sammeln. Was sie mitbringen 15 sollten, um dann eben im Umkehrschluss zu gucken, was man tun kann, damit 16 es einfach gar nicht erst soweit kommt im Team. #00:01:31-0# 17

18 B2 Mhm (bejahend) Von WIFF gibt es relativ neu, die Broschüre `Leitungskräfte`. 19

Die hast du? #00:01:31-5# 20 21 I Ja, genau, die habe ich schon. Meine Professorin, die auch meine Prüferin ist, 22

ist Autorin davon. Darum wird das auf jeden Fall Pflichtlektüre. #00:01:50-6# 23 24 […] 25 26 I Einfach zur Vollständigkeit würde ich es gut finden, wenn du dich einmal kurz 27

vorstellst und sagst was du hier so machst. #00:02:01-2# 28 29 B2 Ja, kann ich machen. Ich bin ------------- und arbeite seit 14 Jahren für -----------. 30

Ich habe sieben Jahre als Erzieherin gearbeitet und während der Zeit 31 berufsbegleitend an der Uni Erziehungswissenschaften studiert. (…) Nach 32 sieben Jahren habe ich fünf Jahre als Leitung einer Einrichtung gearbeitet, die 33 ich 2012 aufgegeben habe um komplett freigestellt zu arbeiten für den Bereich 34 Gesundheit, Arbeitsschutz, interne Fortbildung, Organisationsentwicklung und 35 Leitungsberatung. Das habe ich ab 2009 mit einer halben Stelle gemacht, halbe 36

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Stelle Leitung und seit 2012 komplett freigestellt für die eben genannten 37 Tätigkeiten. #00:02:57-3# 38

39 B2 Ich bin halt von der Ausbildung her Erzieherin und Diplom Pädagogin. Und habe 40

dadurch, dass ich beim Gesundheitsamt war, und dort eine 41 Informationsveranstaltung zum Thema Gesundheit und Infektionsquellen sehr 42 spannend fand, festgestellt, dass wir im Träger da überhaupt gar nicht 43 aufgestellt sind. So habe ich diesen Bereich, mehr oder weniger freiwillig 44 übernommen, und finde es jetzt ganz spannend auch Sachen einfach 45 umzusetzen. Das fängt an mit den gesetzlichen Vorgaben, die erst einmal zu 46 etablieren. Mittlerweile sind wir soweit, dass wir auch gucken, was wir an 47 zusätzlichen Leistungen noch einbringen können. #00:03:33-9# 48

49 I Ja, das ist einfach ein echt wichtiger Bereich. #00:03:36-9# 50 51 I Und, zum Thema Burnout: Ist dir das auch schon in deiner Arbeit begegnet? 52

#00:03:47-0# 53 54 B2 Hmm, direkt betroffen bin ich davon nicht, (..) ich kann auch nicht sagen, dass 55

wir ganz viele Fälle davon haben. Ich weiß, dass eine Kollegin längere Zeit, als 56 sie als Erzieherin gearbeitet hat, mit Burnout krankgeschrieben war. Mittlerweile 57 arbeitet sie als Leitung und hat das ganz gut überwunden. (...) Dass mir sonst 58 Fälle davon jetzt so explizit benannt wurden, kann ich nicht sagen. Was ich weiß 59 ist, dass der Anteil der Krankschreibungen auch von psychischer Belastung 60 höher wird. Ich kann keine genauen Zahlen sagen, weil ich immer nur die reinen 61 Meldungen kriege. Aber ich kann dann auch nachfragen und mal rauskriegen, 62 wenn jemand über 42 Tage im Jahr krank ist, was denn vielleicht der Grund 63 war. Aber es sind einzelne Leute im Gespräch, es zeigt sich dann schon, dass 64 sie dann einfach auch die Notbremse gezogen haben, auf Grund der 65 Belastungen und deswegen sich haben Krankschreiben lassen. #00:04:46-2# 66

67 I Und das wird mehr, oder wie ist dein Eindruck? #00:04:47-7# 68 69 B2 Mhm (bejahend) #00:04:48-0# 70 71 I Das passt auch so zudem, was ich gerade in der Literatur lese. #00:04:54-0# 72 73 B2 Ich werde ja immer zum Quartalsende benachrichtigt, (..) da kriege ich die 74

Krankenzahlen, weil wir bezüglich des Eingliederungsmanagement das ja nicht 75 mehr übers Kalenderjahr rechnen, sondern immer fortlaufend über 12 Monate, 76 von daher kriege ich immer zum Quartalsende die Krankenstatistiken und da 77 sehe ich einfach, dass die Zahlen der Krankentage ansteigen, und das über alle 78 Altersstufen hinweg. Es ist natürlich so, dass je älter die Mitarbeiter sind, desto 79 eher sind sie auch mal einen Tag krank. Was einfach mit dem Alter und der 80 körperlichen Belastung in unserem Beruf zusammenhängt. Aber bei einzelnen 81 Nachfragen stellt sich raus, dass es nicht immer körperliche Sachen, sondern 82 dann auch mal psychische Zusammenhänge sind. 1 #00:05:44-3# 83

84 I In diverser Fachliteratur habe ich auch gelesen, dass gerade in pädagogischen 85

Berufsfeldern von einem erhöhten Burnout Risiko gesprochen wird. Das würde 86 ja auch zudem passen, was du gerade angesprochen hast. […] #00:06:07-6# 87

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88 I Und, wo siehst du besondere Risikofaktoren für Pädagogen? #00:06:14-5# 89 90 B2 Jetzt, um an Burnout zu erkranken? #00:06:17-6# 91 92 I Ja, genau. Also in Richtung Stress im Arbeitsalltag. #00:06:21-7# 93 94 B2 Fangen wir ganz einfach an: Worüber alle sprechen, sind die 95

Rahmenbedingungen, der Personalschlüssel. Nicht umsonst gibt es jetzt diese 96 Diskussionen. Auch die Zusagen, die die Behörde gemacht hat, schafft keine 97 Entlastung, weil die Träger einfach noch einen großen Anteil selber finanzieren 98 müssen. [Anmerkung: Es geht um die im Dezember 2014 von der SPD 99 angekündigte Anhebung des Personalschlüssels in Hamburger Kinderkrippen] 100 […] Es gibt keine Zeit für die mittelbare Pädagogik, das heißt die Pädagogen 101 versuchen in ihrer Vorbereitungszeit Elterngespräche vorzubereiten, 102 Dokumentationen zu schreiben, Beobachtungsbögen auszufüllen. (…) Das 103 führt dazu, das immer ein Pädagoge nicht am Kind arbeitet und dadurch die 104 anderen Pädagogen immer mehr Kinder haben, als für die sie eigentlich 105 zuständig sind oder die sie im Angebot haben sollten um qualitativ gut zu 106 arbeiten. Das ist ein Faktor. #00:07:21-7# 107

108 I Ja... #00:07:21-7# 109 110 B2 Den Zweiten Faktor sehe ich ganz klar bei den Eltern, die zum Einen immer 111

mehr Verantwortung an die Kita abgeben, und versuchen dadurch zu 112 bekommen, dass Kita Erziehungsarbeit leistet und nicht Bildungsarbeit und sie 113 als Eltern möglichst wenig konsequent mit ihren Kindern sein müssen und die 114 Kita alles regelt und macht, dass sie ein perfektes, in Anführungsstrichen, Kind 115 bekommen, dass mit Messer und Gabel essen kann, das gehorcht, das nur 116 macht was man sagt und am besten gar nicht widerspricht. Und dazu kommt, 117 dass die Eltern sich über Themen, die in meinen Augen Kleinigkeiten sind: 118 Essen, Schlafen, nach Draußen gehen, nicht richtig Angezogen sein, nicht 119 häufig genug die Windel gewechselt bekommen(..) sich nicht gehört fühlen. 120 Oder: ohje mein Kind wurde geschlagen, was ist denn da los. Sich Gedanken 121 machen und deswegen ganz viel Gesprächsbedarf haben. Es ist ganz viel 122 Aufklärungsarbeit von den Pädagogen gefordert. So müssen sie immer wieder 123 die gleichen Sachen erklären. Das ist normal, weil die Kinder Fluktuation einfach 124 da ist, wenn die Kinder mit einem Jahr kommen, gehen sie spätestens mit sechs 125 in die Schule, wenn sie zwischendurch nicht die Einrichtung wechseln, 126 umziehen oder irgendetwas tun, müssen sie es nicht regelmäßig erklären. 127 Mittlerweile ist es aber so, dass man es den gleichen Eltern mindestens zweimal 128 im Jahr erklären muss und das macht einfach ganz viel Stress aus. Und auch 129 das kann die Leitung nicht alles auffangen. Und dazu kommt, dass die Arbeit 130 mit den Kindern eben auch eine hohe Konzentration erfordert und dadurch 131 Belastungen ausübt. Jeder der noch so gerne seinen Job macht, kommt 132 irgendwann an sein Limit, wenn man in der Regel 10 Kinder im Angebot hat und 133 dann aber dauerhaft 15 Kinder, weil die Pädagogen mal krank sind, mal 134 ausfallen, mal Urlaub haben. Das ist einfach was anderes. Und es ist natürlich 135 ein Unterschied ob ich ein- und zweijährige Kinder dabei habe oder ob ich fünf- 136 und sechsjährige Kinder dabei habe. Durch die Verjüngung der Kinder in den 137 Kitas steigt auch da die Belastung, weil auch da der Großteil der Pädagogen 138

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dafür gar nicht ausgebildet ist. #00:09:43-0# 139 140 Beginn Audiodatei: „Interview B2 2_2“ 141 142 B2 Als ich meine Ausbildung gemacht habe, haben wir vielleicht einmal über 143

Krippenkinder gesprochen oder Kinder unter Drei und das war’s. Also das war 144 überhaupt gar nicht Thema und so wird es vielen anderen ja auch gehen. 145 Erfahrungsgemäß ist es einfach so, dass wenn man ein paar Stunden in der 146 Woche reduziert, es sich auf dem Gehaltszettel kaum bemerkbar macht, durch 147 die Steuerklassen. Wo man dann schon überlegen sollte: zwei Stunden weniger 148 arbeiten, 50 € weniger Geld. Wenn man nicht unbedingt darauf angewiesen ist, 149 ist das in einigen Fällen schon eine Überlegung wert. 150 #00:00:19-4# 151 152

I Ja. Das wäre vielleicht auch ein Stück weit die Rolle des Kita-Trägers (…) Ich 153 gucke eben auch, was die Verantwortung des Trägers wäre. Da hast du ja 154 bereits zum Beispiel die finanziellen Sport-Unterstützungen, oder den 155 Gehörschutz finanzieren und so was... Sollte der Träger auch gucken, ob der 156 sie gar nicht erst Stellen mit so viel Stunden anbietet? #00:00:55-2# 157

158 B2 Ja, also mittlerweile sind wir soweit, dass 35 Stunden quasi bei uns eine 159

Vollzeitstelle ist und nur in Ausnahmefällen gibt es mehr Stunden, bzw. Kollegen 160 die mehr Stunden haben, das sind Kollegen die schon seit Jahr und Tag für uns 161 arbeiten, denen nimmt man ja nicht einfach die Stunden weg um zu sagen: Jetzt 162 darfst du nicht mehr arbeiten. Das muss dann von den Mitarbeitern selber 163 kommen. Du kannst höchstens den Hinweis geben: Meinst du nicht 164 gesundheitlich, wie siehst du denn das…, wie schätzt du das ein…? Mein 165 Gefühl ist folgendes ... Als Leitung könnte ich solche Rückmeldung geben, oder 166 als Trägervertreter wenn es mir auffällt. Aber die Entscheidung treffen dann die 167 Mitarbeiter. #00:01:38-5# 168

169 I Mhm (bejahend) #00:01:43-1# 170 171 B2 Wobei es für junge Frauen, also meistens sind es ja Frauen, die in dem 172

Erzieherberuf arbeiten. Die Männerquote steigt zum Glück, aber es sind noch 173 nicht so viele, dass wir sagen können wir haben ungefähr 50/50, sondern mit 174 knapp 20% Männern sind wir schon recht gut aufgestellt. #00:02:01-4# 175

176 I Ja! #00:02:02-2# 177 178 B2 Hmm, deswegen einfach mal das Beispiel, wenn ich als junge Frau fertig bin mit 179

der Ausbildung, ich möchte nicht mehr bei meinen Eltern wohnen, ich möchte 180 meine eigene Wohnung finanzieren, dazu habe ich vielleicht noch ein Auto oder 181 brauche die Bahnfahrkarte. Da muss ich natürlich schon wirtschaften. Weil so 182 hoch ist das Gehalt nicht... #00:02:20-8# 183

184 I Da kommt es vielleicht schon auf jeden Euro an. #00:02:24-6# 185 186 B2 Genau! Von daher kann ich das dann schon nachvollziehen wenn jemand sagt, 187

ich brauche jetzt aber die 38,5 Std. und muss mir sonst einen Nebenjob suchen. 188 Und das ist ja nicht in unserem Interesse zu sagen: Okay du arbeitest bei uns 189

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Vollzeit aber kannst deinen Job immer noch nicht finanzieren und musst nachts 190 oder am Wochenende noch irgendwo Kellnern, im Sonnenstudio arbeiten oder 191 Pizza ausfahren. Das soll es ja auch nicht sein. Das wäre dann Aufgabe der 192 Politik da einfach auch nochmal zu gucken, was kann ich da denn für 193 Entlastungen schaffen. oder Gehaltserhöhungen, Steigerungen...miteinbringen. 194 Wobei es in meinen Augen dazu nicht kommen wird, weil sie ja jegliches Geld 195 jetzt versuchen irgendwie in den Personalschlüssel zu stecken, wobei es sich 196 ja erstmal aufhebt und nicht wirklich rentiert. #00:03:15-2# 197

198 I Ist es dann auch Aufgabe des Trägers und der Leitung auch politisch zu gucken 199

und z.B. die Mitarbeiter zu motivieren sich zu beteiligen an Demonstrationen 200 oder ähnliches? #00:03:25-0# 201

202 B2 Total, weil wie sollen sie sonst an Informationen kommen, wenn der Träger sie 203

nicht streut. Der Träger muss Informationen auch so aufbereiten, dass die 204 Mitarbeiter sie verstehen. Politiker reden viel und gerne, aber es ist selten für 205 einen Erzieher nachzuvollziehen, was sie denn jetzt tatsächlich sagen. Wenn 206 man jetzt Aktuell guckt, Schlagzeile war: 2019 Krippenschlüssel eins zu vier. 207 Hört sich super an. Was dahinter steckt muss vom Träger erst mal übersetzt 208 werden, dass es für alle verständlich ist. Und das ist schon unsere Aufgabe das 209 zu leisten und weiterzugeben. Und auch uns selber quasi zu engagieren über 210 den Dachverband und in den regional Ausschüssen und was da alles tagt. 211 Präsent zu sein und Forderungen stellen. #00:04:14-5# 212

213 B2 Ich würde behaupten, wenn man die Kostenbefreiung für die Eltern 214

zurücknehmen würde, und wenn es nur anteilig wäre, wäre auch genügend 215 Geld noch da, um es entweder in mehr Personal zu stecken oder das Gehalt 216 aufzustocken. Weil viele Eltern, mich da eingeschlossen... gerne bereit dafür 217 sind, für Qualität in der Bildung und Betreuung eines Kindes zu bezahlen. Ich 218 brauche das nicht kostenfrei für fünf Stunden, ich zahle da gerne für, wenn es 219 ordentlich gestaltet wird. Das wird vielen Eltern so gehen, von daher wäre das 220 eine Möglichkeit. #00:04:56-6# 221

222 Audiodatei: „Interview B2 2_3“ 223 224 I Okay. Wie wäre dein Vorgehen, wenn eine Kitaleitung bei einer Kollegin oder 225

einem Kollegen bemerkt, dass erste Anzeichen für Burnout oder zu hoher 226 Stressbelastung sichtbar werden? Wenn es eben im Team auffällt, wie würdest 227 du vorgehen? #00:00:22-2# 228

229 B2 Ja, es gibt zwei verschiedene Wege. Das Eine ist, ich bekomme die 230

Krankenstände und sehe, da ist jemand innerhalb von 12 Monaten länger als 231 42 Tage krank, dann rufe ich in meiner Funktion als Beauftragte bei der Leitung 232 an und frage nach: Weißt du was Mitarbeiter XY hatte? Wenn die Leitung sagt, 233 hat sich ein Bein gebrochen, dann brauche ich diesem Mitarbeiter kein 234 Gespräch anbieten, das ist dann einfach Schicksal. Wenn die Leitung aber sagt: 235 Hmm, er war hier mal krank, da mal krank, ich weiß gar nicht genau woran das 236 liegt...Ich habe die Vermutung Belastung oder Rücken, Infektionskrankheiten. 237 Das sind so die Themen die im Moment da sind. Dann biete ich diesem 238 Mitarbeiter ein Gespräch an, im Beisein der Leitung. Die Mitarbeiter können 239 selber entscheiden ob sie daran teilnehmen möchten oder nicht und ob sie noch 240

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jemanden mitbringen möchten, sei es Ehemann, Ehefrau, Partner, MAV 241 (Mitarbeitervertretung) oder die Lieblingskollegin, das können sie frei wählen. 242 Dann geht’s darum einfach mal zu hören: Magst du mir erzählen was dich 243 betrifft, wollen wir gemeinsam nach Lösungen suchen, um dich zu unterstützen 244 das du weniger krank bist. Es geht nicht darum zu sagen: Und du musst jetzt 245 gesünder werden. Sondern, was können wir als Arbeitgeber tun, damit es dir an 246 deinem Arbeitsplatz gut geht. #00:01:46-8# 247

248 B2 Zu 95% nehmen die Mitarbeiter diese Gespräche an und sind sehr dankbar, 249

dass sie gesehen werden. Und von denen, die die Gespräche annehmen, 250 schaffen wir es zu 99% Lösungen zu entwickeln, die dann im Alltag erprobt 251 werden. 252 Die Zweite Variante ist, unabhängig vom Krankenstand, dass die Leitung mich 253 anruft und sagt: Die Mitarbeiterin, der Mitarbeiter macht mir gerade Sorgen, mir 254 fällt das auf, was kann ich tun? 255 Dann gibt es zwei Varianten: Entweder bieten wir zusammen diesem Mitarbeiter 256 ein Gespräch an, ich in der Funktion für Gesundheit. Oder die Leitung sagt: Ich 257 möchte das gerne alleine machen. Dann bereite ich das Gespräch nur mit ihr 258 vor, um zu gucken welche Themen angesprochen werden können. Was sollte 259 man aufgreifen, was für Unterstützungsmöglichkeiten können wir bieten. Also 260 das den Mitarbeitern ganz klar signalisiert wird, wir sehen, dass da was ist und 261 wir würden dir gerne Hilfe anbieten. Wie die Hilfe im konkreten Fall aussieht ist 262 natürlich von Mitarbeiter zu Mitarbeiter unterschiedlich. So dass man sagt wir 263 zahlen dir z.B. einen Präventionskurs oder gucken das wir eine Lösung finden. 264 (...) Das wir Allgemein halt die Möglichkeiten des Präventionsgesetzes 265 ausschöpfen. Wir haben auch schon ein Schreiben aufgesetzt für die 266 Krankenkasse, damit sie Allergiker-Bettwäsche finanziert. Also wenn Mitarbeiter 267 Probleme haben sich mit Behörden oder Institutionen, wie der Krankenkasse, 268 auseinanderzusetzen, dass wir da dann Unterstützung leisten und bieten. Auch 269 das ist eine Sache die einigen Mitarbeitern sehr schwer fällt. #00:03:57-1# # 270 271 […] 272

273 I Und wie sieht das aus mit Kuren? Kommt das auch vor bei Mitarbeitern? 274

#00:04:08-2# 275 276 B2 Ja, da wird auch verstärkt nachgefragt. Jetzt in diesem Jahr war es verstärkt 277

so, dass Mutter-Kind-Kuren stattgefunden haben. Jetzt fangen einzelne 278 Mitarbeiter an, die eine Kur- oder auch eine Reha-Maßnahme bewilligt 279 bekommen haben auf Grund von Erkrankungen an Knie, Schulter, Rücken oder 280 Bandscheibe, die schon länger bestehen, die nicht durch Arbeit ausgelöst 281 wurden sondern durch Alter und Belastung. Die Mitarbeiter werden dann von 282 uns freigestellt, um daran teilzunehmen. Auch wenn sie uns in der Zeit in der 283 Einrichtung fehlen, ist es für die Mitarbeiter einfach sehr wichtig das zu machen, 284 weil sie dadurch auch Entlastung erfahren und Unterstützungsmöglichkeiten 285 erlernen können und Übungen, wie sie sich im Alltag weiter schützen und 286 bewegen können. #00:05:18-2# 287

288 I […] Hast du noch etwas aus Trägersicht, was zu diesem Thema, zu psychischer 289

Belastung passt? #00:05:32-1# 290 291

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B2 Also es ist für alle ja noch ein relativ neues Feld, die psychischen Belastungen. 292 Wenn jetzt jemand kommt und sagt ich habe Rücken, weiß ich genau, was ich 293 anbieten kann. Bei psychischer Belastung bin ich im Moment selber noch dabei 294 zu gucken, was wir denn tatsächlich tun können. Die Berufsgenossenschaft ist 295 nicht so, dass sie mit Informationen um sich wirft, da muss man schon sehr 296 genau nachhaken und nachfragen. Auch die Krankenkassen unterstützen mich 297 nur hin und wieder. […] Von daher ist es noch ein neues Feld und ich finde es 298 ganz spannend was du schreibst. #00:06:37-7# 299

300 I Darum habe ich mich auch für das Thema entschieden. Die Recherche war erst 301

etwas schwierig, weil der Begriff Bunout zum Teil so Umstritten ist. irgendwie 302 nichts Halbes, nichts Ganzes. Aber gerade das reizt mich, weil ich denke, die 303 Belastung ist da aber es gibt noch kein Regelwerk. (…) So wie bei 304 Rückenbeschwerden, wie gehe ich damit um, da gibt es genügend Hilfsmittel 305 speziell für Kitas, aber im Bereich psychischer Belastung bis jetzt wenig. 306 #00:07:13-7# 307

308 I Vielen Dank für die Zeit die du dir genommen hast. 309

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Schriftliche Beantwortung der Interview Fragen B3

Von: Einem Kita-Berater (KB): Ein freiberuflicher Diplom-Pädagoge, der

Kindertagestätten in Bezug auf Gesundheitsförderung, Qualitätsmanagement und Coaching berät.

Datum: Die von der Interviewerin (I) formulierten Fragen wurden am 27.12.2014 durch den Kita-Berater (KB) schriftlich beantwortet.

1. Vorstellung der eigenen Person 1 I Der Vollständigkeit halber würde ich Sie bitten sich und Ihre Arbeit kurz 2

vorzustellen. 3 4 KB Michael Schaaf, Jahrgang 1964, Diplom-Pädagoge, Qualitätsmanager 5

für soziale Dienstleistungsunternehmen (DAD), langjähriger Kita-Leiter, 6 Referent, Projektleiter, selbständiger Kita-Berater mit den 7 Schwerpunkten Gesundheitsförderung, Qualitätsmanagement und 8 Coaching. 9

10 2. Thematische Fragen: Burnout 11 I In welchem Bezug stehen Sie zu der Thematik „Burnout“? 12 13 KB Als Projektleiter für das Diakonische Werk Hamburg habe ich das 14

dreijährige ESF-Projekt „Alternsgerechte Arbeitsplatzgestaltung in 15 evangelischen Kitas“ von 2011 - 2014 betreut. Dem Thema „Burnout“ 16 bzw. „Psychische Belastungen“ wurde ein Fachtag mit externer 17 Referentin gewidmet. Im Projektverlauf sind außerdem Faktoren benannt 18 worden, die dazu beitragen können, dass pädagogische Kita-19 Mitarbeiter/innen gesund, motiviert und qualifiziert, sprich arbeitsfähig, 20 bleiben. Zusammengestellt sind die Ergebnisse auf der Webseite 21 www.kita-alternsgerecht.de und in der Broschüre „Alternsgerechte 22 Gestaltung von Arbeit in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder. 23 Empfehlungen und Arbeitshilfen für Träger und Teams“ (BETA, 2014). 24

25 3. Weiterführende Fragen: Burnout in der Kita 26 I Und inwieweit ist Ihnen die Thematik „Burnout im Arbeitsbereich der 27

Kindertagesbetreuung“ in Ihrem professionellen Alltag begegnet? 28 29 KB Als Kita-Leiter, Referent und Projektleiter bin ich auf viele Kolleginnen 30

und Kollegen gestoßen, die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz 31 ausgesetzt sind. Die Art der Stressoren und der Umgang mit ihnen waren 32 äußerst unterschiedlich. Kritisch wurde es aus meiner Sicht immer dann, 33 wenn sich zu den beruflichen auch noch private psychische Belastungen 34 gesellen. 35

36 I In der Fachliteratur wird von einem erhöhten Burnout Risiko in 37

pädagogischen Berufsfeldern gesprochen. Wie sehen Sie das? Können 38 Sie dem zustimmen? 39

40

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KB Dem kann ich voll und ganz zustimmen, da zur Bewältigung der 41 gestiegenen Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte 42 (Implementierung von Bildungsplänen und 43 Qualitätsmanagementsystemen, Erwartungshaltung der Gesellschaft, 44 des Trägers und der Eltern, Inklusionskonzepte, …) keine adäquaten 45 zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt worden sind. 46

47 I Wo sehen Sie besondere Risikofaktoren für PädagogInnen? 48

(Stressfaktoren) 49 50 KB Team arbeitet nicht gut zusammen; Anforderungen überfordern; zu 51

wenig Personal bzw. Zeiten für mittelbare Pädagogik; Leitung führt nicht; 52 keine Rückendeckung des Trägers; aufgrund von Teilzeitstellen müssen 53 zusätzliche Nebenjobs ausgeübt werden, weil das Geld sonst nicht 54 reicht, Lärm. 55

56 I Sehen Sie auch mögliche Schutzfaktoren in diesem Berufsfeld? (Die vor 57

psychischen Belastungen schützen können) 58 59 KB Team harmoniert, Mitarbeiter/innen unterstützen sich gegenseitig, gutes 60

Betriebsklima; gute Rahmenbedingungen; Leitung führt das Team, nutzt 61 die Potenziale der einzelnen Mitarbeiter/innen und beteiligt diese an 62 wichtigen Entscheidungen ihren Arbeitsplatz betreffend; Schallschutz 63 (Lärm ist ein großer Stressor!). 64

65 3. Entstehung von Burnout: 66 I Welchen Zusammenhang sehen sie zwischen persönlicher und 67

beruflicher Unzufriedenheit und einem erhöhten Burnoutrisiko? 68 69 KB Eine andauernde Doppelbelastung von beruflichen und privaten 70

Problemen macht kurzfristig unzufrieden und langfristig krank. Ein 71 offenes Gesprächsklima hilft, Belastungen anzusprechen und 72 gemeinsam Lösungen zu suchen. 73

74 Stichwort Kitaleitung: 75 I Welche Rolle spielt die Kita-Leitung in Bezug auf das Thema 76

Burnout/Psychische Belastung in der Kita Ihrer Meinung nach? 77 78 KB Die Leitung ist die Schlüsselposition und ein Vorbild. Sie gibt die Richtung 79

vor und sorgt dafür, dass alle Mitarbeitenden „im Boot sitzen“. Wo die 80 Leitung ihr Team nicht gut führt, ist die Unzufriedenheit vorhersehbar. 81 Und damit ist der Nährboden für psychische Belastungen bereitet. 82

83 4. Burnout Prävention: 84 I Wie könnte eine Kitaleitung Burnout innerhalb Ihrer Einrichtung 85

vorbeugen? 86 87 KB Sie muss… klare Strukturen vorgeben, vertrauensvoll delegieren 88

können, für eine gute interne Kommunikation und Gesprächskultur 89 sorgen, ein offenes Ohr haben, Prioritäten richtig setzen, transparente 90 Entscheidungen treffen, Mitarbeitende und ihre Belange ernst nehmen, 91

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Ansprechpartner/in sein und dabei dennoch Distanz als Vorgesetzte 92 halten, auch mal unangenehme Gespräche führen und Entscheidungen 93 treffen können, die Stärken ihrer Mitarbeiter/innen kennen und 94 zielgerichtet einsetzen, menschlich und beruflich ein Vorbild sein. 95

96 I Welche Rolle spielt dabei der Kitaträger? Was kann die Trägerschaft tun, 97

was sollte sie leisten? 98 99 KB Der Kita-Träger hat durch die Bereitstellung der Ressourcen für 100

Rahmenbedingungen zu sorgen, die es den Kita-Teams ermöglichen, 101 ihren gesetzlichen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag zu 102 erfüllen. Er soll der Kita-Leitung und den Mitarbeitenden die notwendige 103 Rückendeckung geben und seine Aufgaben kompetent und zuverlässig 104 wahrnehmen. 105

106 5. Burnout Intervention 107 I Welche Schritte sind Ihrer Meinung nach zu gehen, wenn sich erste 108

Burnout-Anzeichen bei einem selbst, oder bei KollegInnen zeigen? 109 110 KB Offen darüber sprechen ist der erste und wichtigste Schritt. Dann kann 111

gemeinsam nach einer Entlastungsmöglichkeit gesucht werden. Ein 112 vertrauensvolles kollegiales Verhältnis hilft da sehr. Im zweiten Schritt 113 sollten Trägervertretende einbezogen werden, falls arbeitsrechtliche 114 Maßnahmen zu treffen sind (Sonderurlaub, Sabbatjahr …). 115

116 6. Abschluss: 117 I Was möchten Sie noch sagen? 118 119 KB Lesen und zitieren Sie gerne aus der oben benannten BETA-Broschüre, 120

Frau Meier. Die darf in Ihrem Literaturverzeichnis nicht fehlen! 121 122

123

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Eidesstattliche Erklärung

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Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe selbstständig verfasst

und nur die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Wörtlich oder dem

Sinn nach aus anderen Werken entnommene Stellen sind in allen Fällen unter Angabe

der Quelle kenntlich gemacht.

___________________________________________________

Ort, Datum Unterschrift