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BWK-Landesverband Sachsen-Anhalt e. V. Bezirksgruppe Magdeburg Deichrückverlegung Lenzen Deichrückverlegung - immer wieder ein interessantes Thema. Während die einen sagen: “Gebt den Flüssen mehr Raum…“, sagen die anderen: „Alles prima - aber bitteschön nicht vor meiner Haustür…“. Um mal ein Erfolgserlebnis aus nächster Nähe zu besichtigen und wertvolle Erfahrungen sowohl positiver als auch negativer Art für die eigenen geplanten Deichrückverlegungen mit nach Hause zu nehmen, machte sich die Bezirksgruppe Magdeburg am 12.08.2011 auf den Weg ins benachbarte Land Brandenburg. Auf dem Programm stand eine der größten realisierten Deichrückverlegungen in Europa und 14 Mitglieder der Bezirksgruppe folgten der Einladung ihres engagierten Vorsitzenden, Herrn Flügge. Treffpunkt war das Besucherzentrum des Naturschutzgroßprojektes „Lenzener Elbtalaue“ in der reizvollen Burg Lenzen an der Elbe ca. 20 km unterhalb von Wittenberge. Der Hausherr, Herr Krüger, erläuterte aus Naturschutzsicht den etwas langwierigen Prozess von der ersten Projektidee 1992 über die Planungsphasen 2002 bis 2005 über die Fertigstellung des Neudeiches 2008 und die Öffnung des Altdeiches mit 6 Schlitzen 2009 bis zur letzten Bauabnahme am 11.08.2011. Bild 1: Übersicht Deichrückverlegung Lenzen

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BWK-Landesverband Sachsen-Anhalt e. V. Bezirksgruppe Magdeburg Deichrückverlegung Lenzen Deichrückverlegung - immer wieder ein interessantes Thema. Während die einen sagen: “Gebt den Flüssen mehr Raum…“, sagen die anderen: „Alles prima - aber bitteschön nicht vor meiner Haustür…“. Um mal ein Erfolgserlebnis aus nächster Nähe zu besichtigen und wertvolle Erfahrungen sowohl positiver als auch negativer Art für die eigenen geplanten Deichrückverlegungen mit nach Hause zu nehmen, machte sich die Bezirksgruppe Magdeburg am 12.08.2011 auf den Weg ins benachbarte Land Brandenburg. Auf dem Programm stand eine der größten realisierten Deichrückverlegungen in Europa und 14 Mitglieder der Bezirksgruppe folgten der Einladung ihres engagierten Vorsitzenden, Herrn Flügge. Treffpunkt war das Besucherzentrum des Naturschutzgroßprojektes „Lenzener Elbtalaue“ in der reizvollen Burg Lenzen an der Elbe ca. 20 km unterhalb von Wittenberge. Der Hausherr, Herr Krüger, erläuterte aus Naturschutzsicht den etwas langwierigen Prozess von der ersten Projektidee 1992 über die Planungsphasen 2002 bis 2005 über die Fertigstellung des Neudeiches 2008 und die Öffnung des Altdeiches mit 6 Schlitzen 2009 bis zur letzten Bauabnahme am 11.08.2011.

Bild 1: Übersicht Deichrückverlegung Lenzen

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Großer Vorteil für die Akzeptanz vor Ort war ein begleitendes Bodenordnungsverfahren, da besonders für die im Rückverlegungsgebiet wirtschaftenden Landwirte ein entsprechender Ausgleich gefunden werden musste. Über Moderatoren und Multiplikatoren wurden in zahlreichen Diskussionsrunden Kompromisslösungen gefunden, so dass das vom Bund für Umwelt und Naturschutz e. V. (BUND) initiierte Naturschutzgroßprojekt in Kooperation mit weiteren Stiftungen und Umweltverbänden nach dem „Jahrhunderthochwasser 2002“ vom Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg (LUGV) realisiert werden konnte. Der Vertreter des LUGV, Herr Schmidt, verwies in seinen Darlegungen neben den naturschutzfachlichen Aspekten auf die wesentliche Verbesserung des Hochwasserschutzes in diesem Gebiet. Am Beginn der Deichrückverlegung, von den Elbeschiffern nicht ohne Grund „Böser Ort“ genannt, konnte die bisher wie ein Flaschenhals verringerte Hochwasserabflussbreite durch die Deiche von 1200 m auf 500 m sowie eine sehr gefährliche Flussbiegung entschärft werden. Neben der Beseitigung der hydraulischen Engstelle wurden 420 ha neue Überflutungsaue durch Öffnung des Altdeiches an 6 Schlitzen geschaffen. Ca. ein Drittel der Hochwasserabflussmenge kann nun durch den geöffneten Rückverlegungsbereich fließen und das führt zu einer lokalen Hochwasserscheitelabsenkung von bis zu 40 cm und Absenkungen nach oberhalb mit einem Betrag von bis zu 5 cm am Pegel Wittenberge. Die ursprünglichen 7,2 km Deiche wurden auf 6,1 km verkürzt, so dass künftig auch ein geringerer personeller und finanzieller Unterhaltungs- und Hochwasserverteidigungsaufwand besteht. Bei den Investitionskosten von 12,4 Mio € ohne Grunderwerb ergab sich in der Diskussion die Frage, inwieweit hier eine beträchtliche Kosteneinsparung möglich gewesen wäre. Der Neudeich wurde nämlich gegenüber dem alten Bemessungshochwasser von 745 cm am Pegel Wittenberge (1983 mit den Nachbarländern abgestimmt) um 70 cm höher gebaut, obwohl eine wesentliche lokale Wasserstandsabsenkung und Wasserstands-reduzierungen bis zum Pegel Wittenberge durch die Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe nachgewiesen waren. Außerdem befindet sich der Lenzener Deich noch im Auswirkungsbereich der Elbehochwasserscheitelkappung durch die Havelpolderflutung, die im optimalen Fall eine Hochwasserscheitelreduzierung von bis zu 60 cm am Pegel Wittenberge mit weiteren Reduzierungen nach unterhalb bewirken kann. Ein Vergleich der relativ großen Hochwasserereignisse 2011 und 2006 – also vor und nach der Deichrückverlegung – ergab bei einer geringeren Abflussmenge als im Hochwasser 2002 schon eine lokale Wasserstandsabsenkung von 28 cm und am Pegel Wittenberge eine Absenkung von 4 cm.

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Bild 2: Herr Schmidt erläutert den Querschnitt des Neudeiches Diese kritische Frage konnte Herr Schmidt zwar nicht beantworten, dafür zeigte er vor Ort die beeindruckende Größe und Gestaltung der neuen Elbaue, den neuen Deich und die Schlitze im Altdeich. Besonders am gepflasterten Schlitz 1 am „Bösen Ort“ war nach dem Hochwasser im Januar 2011 die enorme Kraft des Elbehochwassers ersichtlich, da die vorgenommene Befestigung des Schlitzes zerstört wurde und nachgebessert werden musste. Insgesamt konnte aber festgestellt werden, dass durch ein enges, manchmal auch kompliziertes Zusammenwirken von Hochwasser- und Naturschutzfachleuten ein vorzeigbares und nachahmenswertes Ergebnis erreicht wurde.

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Bild 3: Erklärung vor Ort Als weitere große Baumaßnahme zur Verbesserung des Hochwasserschutzes im Land Brandenburg wurde anschließend die Rekonstruktion des Schöpfwerkes Karthane besichtigt. Dieses Schöpfwerk ist mit 12 Pumpen und einer Leistung von 16,2 m³/s eines der größten Flussschöpfwerke in den neuen Ländern und dient hauptsächlich der Freihaltung der Karthaneniederung vor Elbehochwasser. Bauwerks- und Pumpenverschleiß sowie das höhere Bemessungshochwasser machen die Generalsanierung erforderlich. Mit einer geplanten Summe von 12 Mio € und einer Bauzeit von 5 Jahren bis zum Jahr 2013 handelt es sich um eines der größten Einzelvorhaben im LUGV. Auch hier informierte Herr Schmidt sehr anschaulich über die Probleme in der Bauausführung insbesondere während des doch relativ hohen Elbehochwassers im Januar dieses Jahres.

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Bild4 : Rekonstruktion Schöpfwerk Karthane Nicht ohne Dank mit einem besonderen Trank aus Sachsen-Anhalt ging es dann mit vielen neuen Erfahrungen und Erkenntnissen zurück gen Magdeburg. Reinhard Kürschner