C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen...

34
by naturmed Fachbuchvertrieb Aidenbachstr. 78, 81379 München Tel.: + 49 89 7499-156, Fax: + 49 89 7499-157 Email: [email protected], Web: http://www.naturmed.de zum Bestellen hier klicken C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales-Konzept mit 108 Abbildungen ISBN: 9783131604316

Transcript of C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen...

Page 1: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

by naturmed FachbuchvertriebAidenbachstr. 78, 81379 München

Tel.: + 49 89 7499-156, Fax: + 49 89 7499-157Email: [email protected], Web: http://www.naturmed.de

zum Bestellen hier klicken

C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H.Das Castillo Morales-Konzept

mit 108 Abbildungen ISBN: 9783131604316

Page 2: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Geleitwort

Anlässlich eines Studienaufenthaltes im Oktober1976 lernte ich in Cordoba/Argentinien das CentroModelo de Reeducacion kennen. Der Leiter diesesZentrums, Dr. med. Rodolfo Castillo Morales,Professor für Rehabilitation an der UniversitätCordoba, führte mir im Rahmen dieses Rehabilita-tionszentrums Entwicklungstherapien vor, die inEuropa unbekannt waren. Ich lud ihn ins Kinder-zentrum München ein und zum sozialpädiatri-schen Kongress in Brixen 1977, um sein Konzeptvorzustellen. Es fand im deutschsprachigen Raumund darüber hinaus großes Interesse. Nachdem be-reits zwei wesentliche Komponenten des CastilloMorales-Konzepts veröffentlicht wurden: „Neuro-motorische Entwicklungstherapie“ 1978 in denDocumenta Paediatrica und „Die Orofaziale Regula-tionstherapie“ 1991 und 1998 im Pflaum Verlag, istes jetzt besonders erfreulich, dass das ganzheitlicheKonzept in dem vorliegenden Buch umfassend dar-gestellt wird, einschließlich seiner Philosophie undder anthropologischenWurzeln aus Lateinamerika.

Es war ein Herzenswunsch von Rodolfo CastilloMorales, dass sein Konzept immer als Ganzes ge-lehrt und praktiziert wird, um isolierte Behandlun-gen zum Beispiel des Mund-Gesichts-Bereiches zuvermeiden. Funktionen wie zum Beispiel Speichel-kontrolle, Kauen oder Schlucken sind seiner An-sicht nach immer im Zusammenhang mit der Sen-somotorik des gesamten Körpers zu betrachten.

Seit 1997 ist sein Wunsch, das Therapiekonzeptals Ganzes zu vermitteln, durch die sechs Wochendauernden Grundkurse realisiert.

Ich freue mich sehr, dass das Castillo Morales-Konzept mit der ganzheitlichen Sichtweise der be-troffenen Kinder und Familien so großen Zuspruchgefunden hat, und wünsche ihm zumWohl der unsanvertrauten Kinder weitere Verbreitung und An-erkennung.

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Theodor Hellbrügge

München, im April 2012

V::

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 3: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Geleitwort

Communicación – so, wie Rodolfo Castillo Moralesdieses Wort gebraucht hat, umfasst es eine viel-schichtige Bedeutung und ist viel mehr als das,was nach umgangssprachlichem Verständnis inmündlicher Rede ausgedrückt wird und mit-schwingt. Wer das Glück hatte, Rodolfo CastilloMorales in der Begegnung mit Kindern, ihren El-tern oder erwachsenen Patienten zu erleben, derkann erahnen, wie reich Kommunikation in seinemSinne zu verstehen ist.

Dazu gehört, sich dem Kommunikationspartnermit aller Aufmerksamkeit und mit allen Sinnen zu-zuwenden, alle Ausdrucksweisen des Gegenüberswahrzunehmen, aufzunehmen und zu erspürenund mit dem ganzen Selbst respektvoll und acht-sam zu antworten. Worte spielen in einer solchenKommunikation nicht die führende Rolle. Eher istder Körper mit Muskeltonus, Haltung und Bewe-gung als Resonanzboden für eine Botschaft zu ver-stehen, die dem Anderen in der Kommunikation Si-cherheit und Vertrauen bietet. Die Grundmelodieeiner solchen Kommunikation ist die Selbstwer-dung durch die Begegnung mit einem anderenMenschen. Kinder wie Erwachsene erleben sich alsindividuelle Menschen durch ihren eigenen Körper,der die vielfältigen Reize verarbeitet, die durch seinGegenüber ausgelöst werden. Der Therapeut bietetdem Patienten u.a. durch Druck, Zug und Vibrationsowie durch Positionen und Positionswechsel klareStimuli, auf die der Patient als Kommunikations-partner reagieren kann. Dieses Wechselspiel vonReizangebot und reizregulierenden Antworten isteinerseits Behandlung und bildet die Grundlagefür die funktionelle Therapie zur Verbesserung derAufrichtung und der Funktionen des orofazialenKomplexes. Gleichzeitig ist diese Körperarbeiteben auch als Kommunikation zu verstehen. DerPatient „erduldet“ nicht passiv die Behandlung,sondern ist aktiver Teilnehmer eines „stimulieren-den Gesprächs“, sensomotorisch vermittelt vonKörper zu Körper. Fragen und antworten, anbietenund annehmen oder ablehnen, diese subtile Form

von Kommunikation beherrschte Rodolfo CastilloMorales auf eine ganz besondere, charismatischeWeise.

Aber dieses besondere Kommunikationsver-ständnis bestimmte nicht nur sein Verhältnis zuden Patienten, denen seine Arbeit diente. Commu-nicación in einem sehr umfassenden Verständniskann sich auch über geografische und kulturelleGrenzen hinweg vollziehen. Die Aborigenes Latein-amerikas beeinflussten maßgeblich Rodolfo Castil-lo Morales Sichtweise auf zwischenmenschlichesMiteinander auch in der Therapie. Er wusste dieSchätze südamerikanischer Kultur mit großerWertschätzung einzusetzen, um die europäischeKultur im Umgang mit Behinderung und Teilhabezu bereichern.

Prof. Theodor Hellbrügge und seine Mitarbeiterim Kinderzentrum München haben zuerst dasKommunikationsangebot aus Argentinien aufge-nommen. Die Castillo Morales-Vereinigung hat dasGespräch fortgesetzt und einen lebendigen Diskursüber Rehabilitation, Diagnostik und Therapie, überChancen und Möglichkeiten der Begleitung behin-derter Menschen und ihrer Familien mit RodolfoCastillo Morales geführt. Es ist das große Verdienstder Castillo Morales-Vereinigung, dass sie es sichzur Aufgabe gemacht hat, die Kommunikation wei-ter fortzusetzen und zu pflegen. Dabei lebt die Ver-einigung eine weitere Dimension, die das CastilloMorales-Konzept ausmacht, nämlich die interdiszi-plinäre Kommunikation. Ärzte, Physiotherapeuten,Logopäden, Ergotherapeuten setzen sich in Fortbil-dungen und interdisziplinären Behandlungsteamsmit den Rehabilitationsmöglichkeiten der jeweili-gen Kinder und Erwachsenen auseinander, die ih-nen anvertraut werden. Sowohl von den Patientenals auch von allen anderen im Team könnenwir ler-nen und uns weiterentwickeln.

In diesem Sinne ist das Castillo Morales-Konzeptdurch therapeutische, transkulturelle und inter-disziplinäre Kommunikation bestimmt. Es gilt des-halb, die kommunikativen Zeichen, die in diesem

VI ::

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 4: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden,mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und die eigenen Hypothesenwieder fragend ins Gespräch zu bringen. Dies istumso wichtiger, als Rodolfo Castillo Morales wäh-rend der Vorbereitungen zu diesem Buch ver-storben ist und seine Sichtweise zu Fragen oderInterpretationen nicht mehr mitteilen kann. DieCastillo Morales-Vereinigung hat sein Erbe angetre-ten und bietet mit diesem Buch ein erstes Kommu-nikationsangebot. Es ist dem Buch zu wünschen,dass eine große und interessierte Leserschaft das

Angebot annimmt und sich am Diskurs beteiligt,der alle Beteiligten befähigen soll, die Erwachsenenund Kinder mit besonderen Bedürfnissen auf demWeg ins und durch das Leben immer besser beglei-ten zu können.

Prof. Dr. Monika RauschDipl.-LogopädinCastillo Morales-Therapeutin

Hürth, im April 2012

VIIGeleitwort ::

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 5: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Vorwort

Es war der große Wunsch von Dr. Rodolfo CastilloMorales, sein umfassendes Therapiekonzept mit al-len seinen Aspekten veröffentlichen zu können.Nach dem ersten Buch, das den orofazialen Anteilder Therapie beschreibt (1998), ist es nun gelungenein Werk herauszugeben, das das Konzept als Gan-zes, d.h. seine Entwicklung, den theoretischen Hin-tergrund und verschiedene therapeutische Mög-lichkeiten, bezogen auf die Arbeit am Körper undim orofazialen Komplex darstellt.

Leider konnte Dr. Castillo Morales selbst diesesWerk nicht mehr zu Ende begleiten. Er starb am1.10.2011 in seiner Heimat Argentinien. Mit ihmhabenwir einen hervorragenden Lehrer, ein großesVorbild als Arzt und Therapeut und einen zuverläs-sigen Freund verloren. Castillo Morales hat mit wis-senschaftlichen Erkenntnissen aus unterschiedli-chen Disziplinen, pädagogischen Grundprinzipien,respektvoller, anteilnehmender Beobachtung undseiner ihn auszeichnenden, aus Aufmerksamkeitund langjähriger Erfahrung gewachsenen „berufli-chen Intuition“ sein Behandlungskonzept begrün-det. Den chronologischen Ausgangspunkt und dieinhaltliche Basis seiner therapeutischen Ideen bil-den neben seiner Grundprofession als Rehabilita-tionsarzt sein Verständnis der lateinamerikani-schen Anthropologie, das neben der Medizin dieGrundlagen seiner Arbeit wesentlich geprägt hat.

Heute ist das Castillo Morales-Konzept ein aner-kanntes Therapiekonzept, das seit mehr als 30 Jah-ren auch in Europa gelehrt und angewendet wird.Zum Schutz des Namens und zur Qualitätssiche-rung besteht seit Juni 2011 ein offizieller Ge-brauchsmusterschutz.

Dieses Buch wendet sich in erster Linie an The-rapeuten und Ärzte, die für ihre Patienten einen zu-sätzlichen Weg suchen, um deren Teilhabe am all-täglichen Leben zu verbessern.

Es bietet einen Einblick in die Grundlagen desKonzepts und stellt Beispiele aus verschiedenenBehandlungssituationen vor. Es erhebt jedoch kei-nen Anspruch auf Vollständigkeit und ist kein

Handbuch, nach dessen Lektüre die Therapiedurchgeführt werden kann. Dafür ist ein praxis-naher Weiterbildungskurs notwendig, wie ihn dieCastillo Morales-Vereinigung anbietet, um Zusam-menhänge zu verstehen, im Sinne des Konzeptesbeobachten zu lernen und die Techniken, insbeson-dere die Vibration, adäquat anwenden zu können.

Als Information über das Castillo Morales-Kon-zept, oder zur Vorbereitung auf einen speziellenWeiterbildungskurs darin, sowie als Nachschlage-möglichkeit für Castillo Morales-Therapeuten, bie-tet das Buch eine gute Quelle.

An dem vorliegendenWerk haben viele Autorenmitgewirkt, sodass ein Buch mit sehr unterschied-lich aufgebauten Kapiteln und verschiedenenSchreibstilen entstanden ist. Dabei lässt es sichnicht vermeiden, dass Wiederholungen auftreten,die aber jeweils aus unterschiedlichen Betrach-tungsweisen bestimmter Aspekte resultieren. Derflüssigen Lesbarkeit halber werden in diesem Buchbei der Nennung der Berufsbezeichnungen im Sin-gular immer die femininen Formen verwendet, imPlural die maskulinen, was das jeweils andere Ge-schlecht jedoch immer mit einschließt.

Wir sind offen für Anregungen bzw. Beiträge in-teressierter Leser, die bei einer neuen Auflage die-ses Buches Berücksichtigung finden können.

An dieser Stelle möchten wir uns bei allen be-danken, die mitgeholfen haben, dass dieses Buchentstehen konnte. Als erstes Dank an Dr. CastilloMorales, der sein Konzept an uns und viele anderemit Geduld und Engagement weitergegeben hat.An Barbara Haberstock und Dr. Barbara Renner,die ihn von Anfang an hier in Deutschland unter-stützt und so zur Verbreitung seines Therapiekon-zepts maßgeblich beigetragen haben. Danke auchan Dr. Juan Brondo, seinen Mitarbeiter und Freundaus den ersten Tagen.

Unser besonderer Dank gilt den vielen Patientenund ihren Angehörigen, die uns gelehrt haben, dasKonzept zu verstehen und es individuell anzuwen-den. Einige von ihnen haben die in dem vorliegen-

VIII ::

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 6: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

den Buch bildhafte, anschauliche Gestaltung er-möglicht.

Wir bedanken uns bei Gisela Eichhorn, die denkonkreten Anstoß zu diesem Buchprojekt gegebenhat, sowie bei allen Autoren dieses Buches für ihreGeduld und Zeit, die sie dafür aufgewendet, immerwieder unsere Änderungswünsche aufgegriffenund umgesetzt haben und mit denen wir sehrspannende und bereichernde inhaltliche Diskus-sionen über verschiedene Aspekte des Konzeptsgeführt haben. Auch bei Susanne Magin möchtenwir uns bedanken, die in der Anfangszeit alsHerausgeberin an der konzeptionellen Gestaltungdes Buches sehr aktiv mitgearbeitet hat.

Ebenso danken wir Frau Haarer-Becker, FrauOttinger, Frau Grünewald und Frau Zimmerschiedvom Thieme-Verlag für ihre Unterstützung.

Und nicht zuletzt danken wir unseren Familien,die in den letzten beiden Jahren oft Rücksicht neh-men mussten.

Christiane TürkSilvia SöhlemannHeike Rummel

im Frühjahr 2012

IX

Castillo Morales® Vereinigung e.V.www.castillomoralesvereinigung.de

Vorwort ::

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 7: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

XI

Inhalt

1 Wurzeln des Castillo Morales-Konzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1.1 Ein Konzept entwickelt sich . . . . . . . . 2C. Dehmel, C. Türk

1.1.1 Ethnisch-kulturelle Einflüsseund Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1.1.2 Medizinisch-wissenschaftlicheEinflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1.2 Grundlagen desCastillo Morales-Konzepts . . . . . . . . . 6

1.2.1 Arbeitsweise, Zielgruppenund Therapieziele imCastillo Morales-Konzept . . . . . . . . . . . 6C. Dehmel

1.2.2 Notwendigkeit vonInterprofessionalität . . . . . . . . . . . . . . 8U. Wohlleben

1.2.3 Säulen desCastillo Morales-Konzepts . . . . . . . . . . 8C. Dehmel

1.2.4 Kommunikation und„signos de aislamiento“ –Isolationszeichen . . . . . . . . . . . . . . . . 14C. Dehmel

1.2.5 Betrachtung von Haltungund Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17C. Dehmel

1.2.6 Denkmodell der Körperdreieckeund die Bewegungssphäre . . . . . . . . . 18A. Ellinghaus

2 Neurobiologische Grundlagen zum Verständnisdes therapeutischen Vorgehens im Castillo Morales-Konzept . . . . . . . . . . . . . 23A. Enders

2.1 Konzept sensomotorischen Lernens . 24

2.2 Reifung des kindlichenNervensystems undsensomotorische Entwicklung . . . . . 24

2.3 Haltungskontrolle als essenzielleVoraussetzung motorischen Lernens 26

2.4 Sensorische Feedbackkontrolle . . . . . 27

2.4.1 Das somatosensorische System . . . . . 27

2.4.2 Das vestibuläre System . . . . . . . . . . . 31

2.4.3 Das visuelle System . . . . . . . . . . . . . . 32

2.5 Planung und Ausführungeiner zielorientierten Bewegung . . . . 34

2.6 Grundzüge des therapeutischenVorgehens im Konzept . . . . . . . . . . . 35

2.7 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Inhalt ::

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 8: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

XII

3 Medizinisch-therapeutische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

3.1 Das Kind mit muskulärer Hypotonie:Vom Symptom zur Diagnose –

ein therapierelevanter Prozess . . . . . 40A. Enders

3.1.1 Neurophysiologische Grundlageund Einflusskomponenten . . . . . . . . . 40

3.1.2 Neuromuskuläre Erkrankungen . . . . . 42

3.1.3 Muskelhypotonie im Rahmensomatischer und metabolischerGrunderkrankungen . . . . . . . . . . . . . . 45

3.1.4 Bindegewebserkrankungen . . . . . . . . 45

3.1.5 Zentralmotorische Störungen . . . . . . . 45

3.1.6 Muskelhypotonie beigenetischen Syndromen . . . . . . . . . . . 46

3.1.7 Benigne Muskelhypotonie . . . . . . . . . 47

3.1.8 Relevanz für dastherapeutische Vorgehen . . . . . . . . . . 47

3.2 Das Kind mit Trisomie 21 . . . . . . . . . 49A. Enders, J. Limbrock

3.2.1 Körperliche Besonderheiten . . . . . . . . 50

3.2.2 Bedingungen für dassensomotorische Lernen . . . . . . . . . . . 51

3.2.3 Kognitive Verarbeitungsstrategienund Spracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . 52

3.2.4 Orofaziale Besonderheiten . . . . . . . . . 53

3.3 Kinder mit orofazialen Problemen . . 54A. Enders, J. Limbrock, U. Wohlleben

3.3.1 Kinder mit Pierre-Robin-Sequenz:Entwicklung des orofazialenKomplexes – strukturelle undfunktionelle Veränderungen . . . . . . . 55

3.3.2 Kinder mit Williams-Beuren-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

3.3.3 Kinder mit Moebius-Sequenz . . . . . . 61

3.3.4 Kinder und Erwachsenemit myotoner Dystrophie Typ 1(Curschmann-Steinert-Erkrankung) . . 62

3.4 Das Kind mit Zerebralparese . . . . . . 64A. Enders, J. Limbrock, U. Wohlleben

3.4.1 Definition und Abgrenzungvon anderen motorischen Störungen . 64

3.4.2 Klassifikation undSchweregradeinteilung . . . . . . . . . . . 64

3.4.3 Auswirkungen der Zerebralpareseauf die orofazialenFunktionen und Aktivitäten . . . . . . . 65

3.4.4 „Eigentlich hat das auch sein Gutes“ . 69

4 Der Befund im Castillo Morales-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75H. Rummel, S. Söhlemann

4.1 Grundsätzliches zurBefunderhebung im Konzept . . . . . . . 76

4.2 Spezielle Kriterien, derenBeobachtung im Rahmendes Castillo Morales-Konzeptsvon Bedeutung sind . . . . . . . . . . . . . 77

4.2.1 Qualitative Beobachtungskriterien . . . 78

4.2.2 Beobachtungskriterienfür die Kommunikation . . . . . . . . . . . 79

4.2.3 Beobachtungskriterienfür die Sensomotorik . . . . . . . . . . . . 79

4.2.4 Beobachtungskriterienfür das Essen und Trinken . . . . . . . . . 81

4.2.5 Beobachtungskriterienfür das Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

4.2.6 Teilhabe im Alltag . . . . . . . . . . . . . . 83

:: Inhalt

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 9: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

5 Behandlungsprozess im interdisziplinären Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

5.1 Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . 86U. Wohlleben

5.1.1 Charakteristika destherapeutischen Verständnisses . . . . . . 86

5.1.2 Nachdenken übertherapeutisches Handeln . . . . . . . . . . . 88

5.1.3 Exotisch oder evidenzbasiert? . . . . . . . 89

5.1.4 Partizipation kommt von „participar“ . . 90

5.2 In der Ruhe liegt die Kraft –Motorische Ruhe (calma motora) . . . . 92A. Schmid

5.2.1 Geschichte der Motorischen Ruhe . . . . 92

5.2.2 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

5.2.3 Intrauterin erfahrene MotorischeRuhe – die Gehaltene Motorikdurch die Sphäre Gebärmutter . . . . . . . 93

5.2.4 Neurophysiologische und funktionelle neu-roanatomische Aspekte . . . . . . . . . . . . 94

5.2.5 Ziele der Motorischen Ruhe . . . . . . . . . 95

5.3 Wenn die Spannung fehlt –therapeutische Hilfen zurUnterstützung der sensomotorischen Ent-wicklung des Kindesmit muskulärer Hypotonie . . . . . . . . 101C. Lorenz-Wiegand, A. Schmid

5.3.1 Aspekte zum Verständnisdes Prozesses der Aufrichtungim Castillo Morales-Konzept . . . . . . . 101

5.3.2 Diagonale Muskelketten/Zwischenpositionen . . . . . . . . . . . . . 103

5.3.3 Therapeutische Maßnahmenaus dem Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . 106

5.4 Alltag des Kindes mitmuskulärer Hypotonie –

Familie und Zuhause alskontinuierliches Lernfeld . . . . . . . . . 114A. Hoffmann-Keining, J. Marwan

5.4.1 Zusammenarbeit mit den Eltern . . . . . 114

5.4.2 Bedingungen, die Lernenermöglichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

5.4.3 Entwicklungsmöglichkeitenim Alltag – günstige Lernumgebung . . 115

5.4.4 Umsetzung der Ideen im Alltag . . . . . 115

5.4.5 Beispiele aus unterschiedlichenEtappen der sensomotorischenEntwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

5.5 Das Sehen – die frühe Förderungder visuellen Funktionen . . . . . . . . . 121K. Brockmöller

5.5.1 Reifung des Auges . . . . . . . . . . . . . . . 122

5.5.2 Entwicklung des Sehens im Bezugzur motorischen Entwicklung . . . . . . 122

5.5.3 Einbindung in dentherapeutischen Alltag . . . . . . . . . . . . 124

5.6 Rotation des Körpers und Kauen –

ein funktioneller Zusammenhang . . 129K. Brockmöller, C. Türk

5.6.1 Kauvorgang und seine Funktion . . . . . 129

5.6.2 Ganzkörperliche Sichtweisedes Kauvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . 131

5.6.3 Therapeutische Maßnahmenzur Förderung des Kauens . . . . . . . . . 132

5.7 Leben mit Sonde – Erfahrungenmit langzeitsondierten Kindern . . . . 136A. Hoffmann-Keining, C. Türk, U. Wohlleben

5.7.1 Erster Fokus:Entlastung und Vertrauen . . . . . . . . . 136

5.7.2 Zweiter Fokus:Essen und Trinken ist einindividuelles Erlebnis . . . . . . . . . . . . . 136

5.7.3 Dritter Fokus:Einordnung der Grunderkrankung . . . 137

5.7.4 Vierter Fokus:Spezielle Indikationen . . . . . . . . . . . . 138

5.7.5 Fünfter Fokus:Teilhabeorientierte Zusammenarbeit . 138

5.7.6 Sechster Fokus:Unterstützende/förderndeMaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

5.7.7 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

XIIIInhalt ::

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 10: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

5.8 Fazialisparese –

therapeutische Vorgehensweiseim Castillo Morales-Konzept . . . . . . 143A. Hoffmann-Keining, J. Limbrock

5.8.1 Fazialisparese unter Berücksichtigungder ICF‑Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . 143

5.8.2 Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

5.8.3 Therapeutische Hilfen im Sinnedes Castillo Morales-Konzepts . . . . . 146

5.9 Gaumenplatten imCastillo Morales-Konzept . . . . . . . . 152J. Limbrock

5.9.1 Selbstständigkeit beim Essen . . . . . . 154

5.9.2 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

5.9.3 Anpassung, Tragezeitenund Therapieverlauf . . . . . . . . . . . . . 156

6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

XIV :: Inhalt

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 11: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

5.2.5 Ziele der Motorischen Ruhe

Verschiedene Beispiele aus der Praxis veranschau-lichen die Aspekte und Ziele der Motorischen Ruhe,angewandt im Kontext von Handlungen aus demAlltagsgeschehen.

Kommunikation/Aufmerksamkeitslenkung

Die Castillo Morales-Therapeutin tritt über direk-ten Körperkontakt auf eine haltende, Sicherheitvermittelnde Weise in Beziehung mit dem Kind.Vor diesem Hintergrund kann sich gemeinsameAufmerksamkeit entwickeln, als Basis für Kommu-nikation und Interaktion. So sind ein Einstieg inden therapeutischen Prozess und das Begleitendes Handelns des Kindes/Erwachsenen möglich.Das Aufmerken füreinander sowie auf Signale undEindrücke aus der Umwelt, das Aufnehmen dieser,das Wecken und Lenken der Achtsamkeit unter-stützen dieMotorische Ruhe ebensowie die Aktivi-täten (z.B. Blickkontakt, visuelles Verfolgen, Grei-fen), die die Teilhabe am Beziehungskontakt oderam Spiel ermöglichen. Dabei erfährt sensomotori-sches Lernen immer wieder den notwendigen Rah-men des Gehaltenseins.

Therapeutisches Handeln setzt das Sehen (Be-obachten) und Verstehen (Reflektieren) des kind-lichen Verhaltens voraus. Um die Bedeutung desGesehenen „richtig“ zu interpretieren und zu ver-stehen, ist es wichtig, dass das Kind uns zeigenkann, was es kann; dies gelingt nur, wenn wir dasKind innerlich erreicht und „bewegt“ haben. Wa-che Aufmerksamkeit ist Voraussetzung für Interak-tion mit der Umwelt und Erfahrungslernen:

Brazelton (1973) beschrieb bestimmte Verhal-tenszustände des Säuglings:

■ Tiefschlaf,■ Traumphasenschlaf (REM‑Schlaf),■ Halbschlaf,■ wacher Aufmerksamkeitszustand,■ aufmerksamer, aber quengeliger Zustand,■ Schreien.

Bei Kindern mit muskulärer Hypotonie, Frühgebo-renen oder anderen Risikokindern sind diese Zu-stände oft schlecht voneinander abgrenzbar, und/oder die Kinder wechseln schnell von einem in

den anderen Zustand. Die Aufmerksamkeit unddie Fähigkeit, den Wechsel der Verhaltenszuständeentsprechend ihres Befindens und ihrer Bedürfnis-se zu regulieren, sind eingeschränkt. Die Verhal-tensweisen der Kinder, so auch die Signale für Be-lastungen und Überforderung, sind oft schwer zuerkennen und zu verstehen.

Mithilfe derMotorischenRuhe ist esmöglich, dieKinder zu zentrieren, das Aufmerken der Kinder zuwecken und die oft noch sehr kurzen Phasen vonwacher Aufmerksamkeit zu verlängern (Abb. 5.1).Die Fähigkeit, denwachen Zustand länger aufrecht-zuerhalten, wird unterstützt, sodass die natürlicheNeugier erlebt und befriedigt werden kann.

Die Motorische Ruhe hat sich besonders bei Kin-dern mit Regulationsstörungen im Säuglingsalterbewährt. Die selbstregulatorischen Kompetenzensind bei Kindernmit o.g. Problemen eingeschränkt.Die Bewältigung von Stress, von Belastungen er-lernt das Kind in den ersten Lebenswochenmithilfeder Fähigkeiten der Selbstregulation. Dazu benötigtes auch Unterstützung von außen. Die MotorischeRuhe aktiviert selbstregulierende Verhaltenswei-sen (z.B. das Zusammenführen der Hände, distaleImpulse von den Füßen, das visuelle Fixieren) undschafft Nähe zur Bezugsperson. Diese Nähe unddas Gehaltensein beruhigen das aktivierte Bin-dungsverhalten bei Stress, Unwohlsein, Müdigkeit,Angst, Unsicherheit oder Trennungen. Die Motori-sche Ruhe am Körper der Bindungspersonen be-friedigt das Bindungsbedürfnis und bedeutet einesichere Basis für die Regulierung der Emotionenund das Erkunden der Welt.

Abb. 5.1 Motorische Ruhe und wache Aufmerksam-keit.

5.2 In der Ruhe liegt die Kraft – Motorische Ruhe (calma motora) :: 95

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 12: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Viele Kinder haben Probleme, in den Schlaf zukommen, ruhig zu schlafen und so ein wichtigesphysiologisches Grundbedürfnis befriedigen zukönnen. Sie finden nur schwer eine Ruheposition.Die Motorische Ruhe hilft dem Kind, sichmotorischzu beruhigen – eine wichtige Voraussetzung undRegulationshilfe für das In-den-Schlaf-Finden. Dieeigenaktive Anpassung an die Umgebung (Bett,Arm), das Einnehmen und Bewahren einer stabilenPosition erleichtern es dem Kind, die innere Balan-ce und Ruhe zu finden.

Wahrnehmung

DieMotorischeRuheunterstützt dasKind in seinemBestreben, Halt in der gegebenen Position zu findenund zu bewahren. Dies ist eine wichtige Vorausset-zung für das Lenken der Aufmerksamkeit auf Sinn-essignale aus dem Umfeld, deren Weiterleitungund Verarbeitung. So ist es dem Kind möglich, dasangebotene Spielzeug zu fokussieren, visuell zu er-fassen, „aufzunehmen“ und zu verfolgen (Abb. 5.2).Es hat die Möglichkeit, sich spielerischmit dem Ge-genstand auseinanderzusetzen, ohne all seine Kraftfür die BewahrungderHaltungskontrolle zu benöti-gen. Die Umwelt kann zielgerichtet kennengelerntwerden, dieWahrnehmungssphäre erweitert sich.

Bei Beeinträchtigung des Sehsystems ist die vi-suelle, Halt gebende Orientierung im Raum zur Be-wahrung der Haltungskontrolle und Bewegungs-steuerung eingeschränkt, und das Kind kann nichtausreichend auf die für Bewegungsplanung und‑ausführung bedeutsamen Informationen zurück-

greifen. Durch die Motorische Ruhe kann es sich se-lektiv auf andere Sinnessysteme ausrichten, z.B.das Hören, was die Fokussierung und das Erreicheneines Handlungszieles ergänzt (z.B. für den Prozessder Aufrichtung).

Welche Bedeutung hat gegenseitige Wahrneh-mung dafür, „sich ein Bild zu machen“, sich ken-nenzulernen? Eine wichtige Voraussetzung für dieUntersuchung eines Säuglings sind die Wachheitund „innere“ Ruhe. Aufmerksamkeit, Kommunika-tion, Stabilität und Sicherheit für diese Situationwerden durch die Motorische Ruhe unterstützt.

Motorische Ruhe begleitetauch die Eltern

Immer wieder ist zu beobachten, dass die Elternihre Kinder in die Position der Motorischen Ruheführen und darin halten. Ist diese intuitive Kompe-tenz überlagert oder verschüttet durch erlebtenStress, eigene Unruhe, Verunsicherung oder Angst,können die Eltern durch die Anleitung eine An-knüpfung an diese Fähigkeit finden. Gleichzeitig er-leichtert das Erleben des Kindes in motorischerRuhe das Zurückfinden zu weiteren elterlichen, in-tuitiven Kompetenzen (Mimik, Stimme, Sprache,Gestik) und Ressourcen der elterlichen Feinfühlig-keit (Wahrnehmung, Interpretation des kindlichenVerhaltens, angemessene Reaktion und Promptheitder Reaktion; nach Ainsworth 1974), die für einesichere emotionale Bindungsentwicklung wichtigsind. Das sichere Gehaltensein des Kindes stärktdas elterliche Gefühl von Sicherheit.

Die „Bewegungen des Kindes, sein Augenöffnenrufen die Zuwendung des Gegenübers hervor. Sounterstützt das Kind seine nächste Bezugspersonin der Entwicklung ihrer Beziehung zu ihm und da-mit auch indirekt die Bedingungen für seine eigeneBindungsentwicklung“ (Ohrt 2004, S. 7). Die Erfah-rung der Motorischen Ruhe, gehalten auf dem Armoder auf dem Schoß, ermöglicht den adäquaten Ab-stand für die visuellen und kommunikativen Fähig-keiten des Säuglings (Kap. 5.5) und reguliert Näheund Abstand.

Abb. 5.2 Motorische Ruhe und visuelles Fokussieren.

:: 5 Behandlungsprozess im interdisziplinären Verständnis96

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 13: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Motorische Ruhe undHaltungskontrolle

Mithilfe der Motorischen Ruhe können die Kinderunterstützt werden, eine stabile Körperhaltung imRaum zu finden und zu bewahren.

Da die Kopfhaltung und Bewegungen des Kopfesgroße Auswirkung auf die Körperhaltung haben,unterstützt die Castillo Morales-Therapeutin durchdie Motorische Ruhe die Einstellung des Kopfeszum Körper und des Körpers zum Kopf.

Das folgende Fallbeispiel zeigt, wie die Motori-sche Ruhe einen stabilisierenden und aktivieren-den Rahmen schafft für den 11-jährigen Jannik,der nur über geringe Haltungskontrollfunktionenverfügt (Diagnosen: ehemaliges Frühgeborenes25. SSW, seitenbetonte bilaterale spastische Parese,Mittelhirnsyndrom nach Infarkt im Alter von 4 Jah-ren, Rindenblindheit) (s. Fallbeispiel S. 98 ff.).

Motorische Ruhe und Haltungskontrollebei Frühgeborenen

Die zu frühe Geburt bedeutet eine verkürzte intra-uterine Reifungs- und Erfahrungszeit mit Begren-zung, elastischem Widerstand, Erfahrungen mitdem eigenen Körper, Kommunikation und emotio-naler Bindung mit der Mutter. Eine zu frühe Ausei-nandersetzung mit der Schwerkraft (10-fach), mitkomplexen Anforderungen und massiven Außen-reizen kommt hinzu. Der bisherigen sensomotori-schen Entwicklung, die einen festen Rahmen durchdie Gebärmutterwand und das Fruchtwasser er-fuhr, fehlt nun plötzlich diese Begrenzung unddamit die Basis für die bisherige Orientierung undSicherheit.

Das Neugeborene greift nach der Geburt auffrühe und intrauterin lang geübte Kompetenzenzurück. Die Anknüpfung daran ist für das frühgebo-rene Kind oft erschwert möglich und abhängig vonseinem gesundheitlichen Zustand. Seine physio-logischen Anpassungsfähigkeiten sind in Abhän-gigkeit vom Reifegrad und seiner intrauterinen„Übungs“- und Erfahrungszeit noch unzureichendentwickelt. In Rückenlage z.B. zeigt es nach dorsalgerichtete Aktivitäten auf der Suche nach Halt undOrientierung auf der Unterlage. Die Bewegungenvon Armen und Beinen sind fahrig, zittrig, dieSchreckreaktionen groß. Diese verstärken die In-stabilität des Rumpfes und so die Irritabilität derKinder. Die Basen der Dreiecke sind verbreitert

und weit voneinander entfernt (Kap. 1.2.6). Das Zu-sammenspiel in der Informationszone ist er-schwert, die Auflagefläche breit, die Unterstüt-zungsfläche groß. Distale Impulse können nichtgesetzt oder nicht effizient genutzt werden. Aktivi-täten gegen die Schwerkraft sind erschwert, soauch z.B. die Bewegungen der Arme zur Körpermit-te, die für das Spiel der Händemiteinander oder dasBe-greifen des eigenen Körpers oder das Er-greifenvon Gegenständen notwendig sind. Die motori-schen Anpassungsaktivitäten gehen mit veränder-ten propriozeptiven Erfahrungen einher, die einverändertes motorisches Lernen bewirken.

Bei frühgeborenen Kindern unterstützt die Mo-torische Ruhe, dass sie sich aktiv z.B. in der Rücken-lage an ihre Umgebung anpassen und sich effekti-ver bewegen können. Das Finden und Halten derMitte, damit z.B. die Hand zum Mund geführt undam Mund gehalten werden kann (orale Explorati-on), gelingt leichter. Zur Bewahrung der Haltungs-kontrolle in Rückenlage und Stabilisierung desRumpfes ist das dem jeweiligen Entwicklungsstadi-ummotorisch angepasste Anbeugen der Beine zumoberen Dreieck eine wichtige Aktivität (Ausgewo-genheit zwischen ventraler und dorsaler Muskel-kettenaktivierung). Nur so können die Beine/Füßeentdeckt, erforscht und mit ihnen gespielt werden.Mithilfe der Motorischen Ruhe können diese Hand-lungen unterstützt werden.

Die Bewegungs- und Handlungsfähigkeit erwei-tert sich. Diese Erfahrungen von Selbstwirksamkeitsind elementar für die sensomotorische Entwick-lung. Der selbstregulierende Aspekt der Hand-Mund-Aktivitäten in belastenden Situationen istfür Frühgeborene von großer Bedeutung.

Motorische Ruhe beim Essen und Trinken

DieMotorische Ruhe als Einstieg in den therapeuti-schen Prozess zur Unterstützung von Essen undTrinken, aber auch als begleitende therapeutischeHandlung ermöglicht eine verbesserte Teilhabedes Kindes/Erwachsenen.

Die angenehme Gestaltung von Essen und Trin-ken für das Kind/den Erwachsenen, die Bezugsper-son sowie aller daran teilnehmenden Personen hateine hohe Bedeutung im Castillo Morales-Konzept.

Für ein älteres Kind mit muskulärer Hypotoniekann eine stabile Position für Essen und Trinkender Sitz sein. Die Castillo Morales-Therapeutin ach-tet darauf, dass das Kind seine Haltung stabilisieren

5.2 In der Ruhe liegt die Kraft – Motorische Ruhe (calma motora) :: 97

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 14: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Fallbeispiel

In Rückenlage dreht Jannik den Kopf spontan nachrechts in die Reklination der Halswirbelsäule. Sein hy-potoner Rumpf wird asymmetrisch (links konvex) ge-halten, die Arme und Beine sind gestreckt. Durch dieBeeinträchtigung des Sehens ist seine visuelle, Haltgebende Orientierung an der Umgebung zur Bewah-rung der Haltungskontrolle eingeschränkt. Muskel-tonuserhöhung zeigt sich verstärkt bei Lagewechsel.

Aus der linken Seitlage soll Jannik in seine Sitzschalegesetzt werden (Alltagshandlung). Abb. 5.3 und 5.4zeigen, wie Jannik nach vorsichtiger Kontaktaufnah-me über die Motorische Ruhe auch den Bewegungs-anfang der seitlichen Aufrichtung zum Sitzen „er-fährt“. Seiner spontanen Bewegungsantwort (Kopfdreht nach rechts in die Reklination der Halswirbel-säule, Tonuserhöhung von Rumpf, Armen und Beinen)wird „Raum“ gegeben, deren Funktion respektiert,bis spürbar ist, dass diese Form der Haltsuche wiederveränderbar ist und er sich dem Bewegtwerden wie-der anpassen kann. Durch die Motorische Ruhe, die

Stabilität in aufgerichteter Position ermöglicht, kannJannik zunehmend „ loslassen“ und in die Rotationund Schwerpunktverlagerung mit „hineingehen“(Aktivität). Ausdruck seiner dabei erhöhten Wachheitund Aufmerksamkeit ist auch im Fixieren der Augenerkennbar und im Ausrichten auf die Stimme derTherapeutin – wichtige Orientierungshilfen für Hal-tungskontrolle (Tonusregulation). Jannik benötigtausreichend Zeit, sich auf die somatosensorischenInformationen ausrichten und darauf antworten zukönnen. Die aktive Anpassung der therapeutischenHandlungen an die Antworten von Jannik (z.B. Tonus-erhöhung) ist Ausdruck des therapeutischen Dialogs.

Jannik erfährt auf diese Weise Lagewechsel z.B. beimAn- und Ausziehen oder beim Hochnehmen zumSitzen durch die Eltern, Bezugspersonen und Pflege-kräfte. Durch die verlässlich wiederkehrenden Hand-lungen konnte Jannik seine hohe Empfindlichkeit beiBerührungen und Bewegungen besonders des Kopfesbesser regulieren.

Abb. 5.4 Einleitung desBewegungsbeginns mithilfeder Motorischen Ruhe.

Abb. 5.3 Kontaktaufnahmeüber die Motorische Ruhe.

:: 5 Behandlungsprozess im interdisziplinären Verständnis98

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 15: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

kann (Brodie-Schema, Kap. 1.2.5; distale Impulse,besonders über die Füße, Arme, Hände, funktio-nelle Asymmetrie, Kap. 5.3 und Kap. 5.6), aberauch möglichst wenig Energie benötigt für die Hal-tungsbewahrung, z.B. durch das Ablegenkönnendes Schulter-/Armgewichts auf einer Unterlage, be-sonders wenn Essen und Trinken mit großer An-strengung verbunden sind. Die Motorische Ruheintegriert verschiedene Teilbereiche des Prozessesvon Essen und Trinken:

■ funktionell, anatomischer Bereich (die Nacken-aufrichtung als Basis für Haltung, Bewegungund Koordination der funktionellen Abläufebeim Essen und Trinken; Velum, obere und un-tere Zungenbeinmuskeln, Kehlkopfmuskeln,Schlundmuskulatur, mimische Muskulatur),

■ sensomotorischer Bereich (z.B. das Sehen derNahrung, der anderen Menschen in der Ge-meinschaft, die Koordination von Hand/Hand,Hand/Mund),

■ emotional, sozialer Bereich (Aufmerksamkeit,Kommunikation, Interaktion, Teilhabe).

Die Hilfe für die aktive (Nacken-)Aufrichtung desKindes/Erwachsenen durch die Motorische Ruheunterstützt die „aufgerichtete“, aufrechte Teilhabeam gemeinsamen Essen und Trinken und fördertdas Erleben des Kindes/Erwachsenen, trotz allerSchwierigkeiten dazuzugehören (z.B. bei anato-misch funktionellen Einschränkungen).

Der beruhigende Aspekt der Motorischen Ruheist besonders bei sehr unruhigen Kindern wichtigund für Menschen, bei denen Essen und Trinkenmit Ängsten besetzt sind (Kap. 5.7).

Motorische Ruhe begleitet denSaug-Schluck-Prozess von Frühgeborenen

Das intrauterine Erforschen der Mundhöhle mitden Fingern, die Auseinandersetzung des Mundesmit den Händen, das Saugen, sowie das Aufnehmenund Schlucken von Fruchtwasser, aktiviert durchdie distalen Impulse von den Füßen, sind früheund lang geübte Kompetenzen (12. SSW), auf diedas Kind nach der Geburt zurückgreifen kann.

Durch die Frühgeburt wird dieser Lernprozessunterbrochen und gestört. Aufgrund von pflege-risch und medizinisch notwendigen Maßnahmenim orofazialen Bereich (Intubation, Absaugen) ma-chen die Kinder oft unangenehme und schmerzhaf-te Erfahrungen. Hinzu kommt, dass Saugen und

Schlucken mit der oft noch unreifen Atmung koor-diniert werden müssen. Das frühgeborene Kind istzwar in der Regel fähig zu schlucken, kann aber biszur ca. 33. SSW Saugen, Schlucken und Atmen nochnicht koordinieren. Ab der 34. SSW zeigen auchFrühgeborene eine ausgereifte Saug-Schluck-Koor-dination mit Schlucken jeweils am Ende einesAtemzuges (Mizuno u. Ueda 2003). Einige Frühge-borene können jedoch bereits schon ab der 32.Wo-che vollständig oral ernährt werden.

„Eine der bei Frühgeborenen am häufigstenthematisierten frühkindlichen Störungen sindFütterungs- oder Ernährungsstörungen“ (Sarimski2000; Minde et al.1989, S. 79). Die intensivmedizi-nische Versorgung von Frühgeborenen „könnte ei-nen Einfluss auf die Nahrungsaufnahme haben“(Benoit und Coolbear 1998, S. 8). „Die für Fütterstö-rung ungewöhnliche Symptomatik wurde in Zu-sammenhang mit der traumatischen Verarbeitungvon intensivmedizinischer Behandlung gebracht“(Roy et al. 1995, S. 8).

Notwendige Maßnahmen wie Intubation, Ab-saugen von Sekret, venöse oder arterielle Zugänge,Legen von Ernährungssonden etc. sind unange-nehm und oft schmerzhaft. Frühgeborene verfügenüber eine gesteigerte Schmerzempfindung, dieschmerzhemmenden Bahnen sind nicht ausgereift(Anand 1998. S. 8). Da unangenehme sensorischeEmpfindungen im emotionalen Erfahrungsge-dächtnis des limbischen Systems (Kap. 2.4.1) lang-fristig als belastend gespeichert werden, werdensie prompt mit Abwehr- und Stressverhalten be-antwortet. Tägliche Missempfindungen im Mundkönnen in ihrer Wirkung traumatisch sein. „DasZusammenwirken der Überflutung mit traumati-schen und das Ausbleiben positiver Erfahrungenführt letztlich zur oralen Abwehr als Schutz vor er-neuten Traumen“ (Wilken et al. 2004, S. 9).

Durch die Motorische Ruhe erfährt das KindAufrichtung und Haltungskontrolle als Basis fürdie angenehme Bewusstmachung des Gesichtsund Mundraumes, für orofaziale Aktivitäten undfür die Unterstützung des Saug-Schluck-Prozesses.Die Aktivierung von Saugen und Schlucken, undsei es nur durch einen angebotenen Tropfen Milchauf dem Finger der Bezugsperson, auf dem Schnul-ler oder Wattestäbchen (nonnutritives Saugenwährend der Sondenfütterung, Mundpflege), istenorm wichtig, damit die sensomotorischen orofa-zialen Fähigkeiten unter den veränderten Umge-

5.2 In der Ruhe liegt die Kraft – Motorische Ruhe (calma motora) :: 99

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 16: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

bungsbedingungen weiter geübt und differenziertwerden können. Diesen sensomotorischen Kompe-tenzen des Kindes, die sich im Entwicklungspro-zess befinden, kann durch die Motorische Ruhe einunterstützender Rahmen gegeben werden.

Die Gehaltene Motorik bietet Sicherheit, Gebor-genheit und Halt für Saugen, Schlucken und Atmen.So wird auch durch die leichte Hochlagerung dieWirkung der Schwerkraft reduziert, was die At-mung erleichtert. Die motorische Stabilität unddas Innehaltenkönnen sind wichtige Voraussetzun-gen für die gerichtete Aufmerksamkeit auf das Sau-gen, Schlucken und Atmen und so auf alle Maßnah-men, die diesen Prozess unterstützen, z.B. dasangenehme Verdeutlichen des Empfindens von Ge-sicht undMundraum und die Integration des orofa-zialen Komplexes in die gesamte Körpermotorik.Signale des Kindes können beobachtet, reflektiertund das unterstützende therapeutische Handeln,z.B. die Saugstimulation (Kap. 3.3.1, S. 57) ange-passt werden. Das Kind erfährt, dass seine Signalerespektiert werden und es eigenaktiv und tempo-regulierend den Prozess mitbestimmen kann.

Motorische Ruhe und Atmung

Die Atmung hat elementare Bedeutung für dieKommunikation. So treten wir über die MotorischeRuhe in einen Dialog ganz besonders mit den Kin-dern/Erwachsenen, die sich über Atembewegun-gen und Atemgeräusche ausdrücken. Mithilfe derMotorischen Ruhe greifen wir diese Kommunikati-onszeichen auf, betonen sie und bieten einen indi-viduellen Rahmen des Verstehens (Abb. 5.5).

Die Motorische Ruhe wirkt atemregulierend.Durch die beruhigende Wirkung können die oft er-höhte Atemfrequenz gesenkt und die Atembewe-gungen vertieft werden. Kinder/Erwachsene mitAtemproblemen „regulieren“ über eine Erforder-nisatmung. So sind z.B. Bewegungen und das Hal-ten des Kopfes/Rumpfes in vermehrter Extensionzu beobachten, um die Atmung ihren Bedürfnissenanpassen zu können (Anheben der Atemmittellagein Richtung Inspiration). Die Castillo Morales-The-rapeutin passt sich diesen kompensatorischen Be-wegungen und Haltungen an und verändert behut-sam in kleinen Schritten. Die Vibrationen mitangepasstem Druck auf der Sternumzone in derAusatemphase haben sekretlösende Wirkung, derTransport des Sekrets oralwärts wird unterstützt.So ist auch ein effektives Absaugen bei beatmetenKindern/Erwachsenen möglich. Die Begleitung derAusatembewegungen (bei hoher Frequenz auchüber mehrere Atembewegungen hinweg) unter-stützt die erschwerte Ausatmung und erleichtertdas Einatmen. Die körperlich und emotional belas-tete Situation beruhigt und entspannt sich, Kraftund Energie werden freigesetzt und Motivationwird wieder geweckt für die eigenaktive Auseinan-dersetzung mit der Umgebung.

Viele Frühgeborene haben Atemprobleme be-dingt durch die Umstellung der Atmung nach derGeburt. Physiologische, anatomische und entwick-lungsbedingte Besonderheiten beim Frühgebore-nen beeinflussen den Lernprozess von Saugen,Schlucken und Atmen: unreifes Atemzentrum (Ap-noe-Bradykardie-Syndrom), Surfactant-Mangel,schwache Atemmuskulatur, Alveolisation.

Abb. 5.5 Motorische Ruhe undKommunikation über die Atmung.

:: 5 Behandlungsprozess im interdisziplinären Verständnis100

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 17: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Während der Auslösung der Schluckreaktionsetzt die Atmung kurzzeitig aus (Schluckapnoe).Bei einigen Frühgeborenen kann diese Schluckap-noedauer deutlich verlängert sein (Martin-Harriset al. 2003). Mithilfe der Motorischen Ruhe beglei-ten wir die Kinder in diesen Atempausen und kön-nen die folgenden Atembewegungen unterstützenund vertiefen. Auf diese Weise kann auch eine vor-sichtige Veränderung der Erfordernisatmung, diesich z.B. in einer Erhöhung der Atemfrequenz zeigt,erfolgen. Da der Thorax ebensowie der Knorpel derAtemwege, des Larynx und der Epiglottis noch sehrweich ist und bei der Ausatmung nur wenigWider-stand entgegensetzt, ist die Gefahr groß, dass sichbei vollständiger Ausatmung die kleinen Atemwege(enges Lumen) ganz verschließen. Deshalb ist derDruck, der allein schon durch das Gewicht derHand der Therapeutin bei der Ausatmung wirkt,äußerst behutsam anzupassen. Die Ziele der atem-therapeutischen Hilfen durch die Motorische Ruhesind Beruhigung, Aufmerksamkeitslenkung, Se-kretmobilisation, Senken der Atemarbeit, Erleich-terung und Vertiefung des eigenständigen Atmens.

Motorische Ruhe –verbindendes Element

Erfährt das Kind/der Erwachsene mit besonderenBedürfnissen von all den Personen, die es/ihn inAlltagssituationen begleiten, bei therapeutischen,pflegerischen oder medizinisch notwendigen Pro-zessen unterstützen, also von den Eltern, anderenBezugspersonen, Pflegepersonal, Pädagogen, The-rapeuten und Ärzten, dieses Gehaltensein, ver-stärkt sich das Gefühl von Sicherheit. An dieserStelle soll der verbindende Aspekt durch die ge-meinsame, verlässlich wiederkehrende, ritualisier-te Handlung „Motorische Ruhe“ hervorgehobenwerden, die auch die multiprofessionelle Zusam-menarbeit bereichert.

Am Beispiel von Essen und Trinken lässt sich einweiterer Gesichtspunkt verdeutlichen: Essen undTrinken ist ein kulturell abhängiges Erlebnis, dochdie Motorische Ruhe als Grundelement im CastilloMorales-Konzept ist kulturunabhängig (Kap. 5.2.1).Diese therapeutische Handlung stellt eine gemein-same Basis dar für die individuelle Wegbegleitungder Menschen mit besonderen Bedürfnissen.

5.3 Wenn die Spannung fehlt –therapeutische Hilfen zurUnterstützung der senso-motorischen Entwicklungdes Kindes mit muskulärerHypotonie

Christine Lorenz-Wiegandund Angelika Schmid

5.3.1 Aspekte zum Verständnisdes Prozesses der Aufrichtungim Castillo Morales-Konzept

Das Kind mit muskulärer Hypotonie lernt moto-risch unter erschwerten Bedingungen. Die nachfol-gend beschriebenen therapeutischen Maßnahmenund Behandlungstechniken unterstützen das Kindim Prozess der Aufrichtung gegen die Schwerkraft,damit es im Alltag besser handeln und teilhabenkann (Kap. 5.4). Durch sie werden Haltung und Be-wegung für das Kind erfahrbar. Funktionen, die fürdas Bewegungshandeln des Kindes notwendigsind, werden verbessert; es kann darin Eigenaktivi-tät entdecken und entwickeln.

Therapeutisches Handeln knüpft an den kom-munikativen Kompetenzen des Kindes an, nutztund fördert sie bei der Begleitung seiner weiterenEntwicklung mit dem Ziel größtmöglicher Selbst-wirksamkeit und Selbstständigkeit.

Entwicklung des Kindes

Die Entwicklung des Kindes gestaltet sich individu-ell, variabel und adaptiv (Michaelis u. Niemann2010). Im Castillo Morales-Konzept werden Ent-wicklungsprozesse in unterschiedlichen Bereichen(z.B. Kommunikation/Interaktion, Sensomotorik,Essen und Trinken) beobachtet, beschrieben, unter-stützt und begleitet (Kap. 4.2). Die verschiedenenEntwicklungsbereiche beeinflussen sich gegensei-tig und sind miteinander vernetzt. In diesem Ver-ständnis von Entwicklung spiegelt sich auch derZusammenhang zwischen orofazialem Komplexund ganzkörperlichen Haltungen und Bewegungen

5.3 Wenn die Spannung fehlt – therapeutische Hilfen :: 101

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 18: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

wider. Dies prägt das therapeutische Handeln derCastillo Morales-Therapeutin.

„Die Sinnesmodalitäten haben, zum Zwecke desÜberlebens, eine relativ große Unabhängigkeit inihren Entwicklungsprozessen, sodass sie sich beiVerlust oder Schädigung der einen oder anderenModalität und/oder deren Verarbeitungssystemeauch gegenseitig ersetzen können“ (Michaelis2003). Liegt bei einem Kind z.B. eine Beeinträchti-gung des Sehsystems vor und damit der visuellenOrientierungshilfe im Prozess der Aufrichtung, un-terstützt die Castillo Morales-Therapeutin die Seh-funktionen; gleichzeitig ist es aber auch möglich,auf die Fähigkeiten in anderen Entwicklungsberei-chen zurückzugreifen, die sich gegenseitig unter-stützen und bereichern (Kap. 5.5).

Aufmerksamkeit

Die Fähigkeit und die Möglichkeit, aufmerksamsein zu können, sind für die sensomotorische Ent-wicklung elementar (Kap. 5.2.5). Auf-merken zukönnen auf Informationen aus der personalen undgegenständlichen Umwelt und diese auf-nehmenzu können, sind eine wichtige Basis für den Prozessdes sensomotorischen Lernens und der Aufrich-tung, die dieWahrnehmungs-und Bewegungssphä-re erweitern. Sind Kinder in ihrem sensomotori-schen Lernen beeinträchtigt, verlangt es besondereAufmerksamkeit von allen, den Weg zu finden, dergegenseitig aufeinander aufmerksammacht.

Aufmerksamkeit auf bestimmte Sinnesereignis-se, sei sie nach innen gerichtet oder nach außen,gelingt „nur, wo wir im Innersten … berührt wer-den“ (Haberstock 2004, S. 60), wenn die Ereignisseden Menschen innerlich bewegen. Richtet das Kindseine Aufmerksamkeit z.B. auf Berührung, Bewe-gung oder Stimme, bedeutet dies immer auch eineVeränderung in seiner Haltung und Bewegung,auchwenn diese noch so fein ist (Augen öffnen sich,Mund schließt sich, Atmung wird schneller/langsa-mer, Blick wendet sich). Innerliches Bewegtsein,„innere“ Aufrichtung spiegeln sich in „äußerer“Aufrichtung wider.

Beginn der Aufrichtung

Castillo Morales beschreibt den Beginn der Aufrich-tung im Mutterleib wie folgt: Durch die Fähigkeit,sich mithilfe der distalen Impulse der Füße bereitsab etwa der 12. SSW von der Gebärmutterwand ab-stoßen zu können (Kap. 5.2.3 und Kap. 5.3.2), ist esdem Kind möglich, seine Lage zu verändern, seineUmwelt, aber auch sich selbst zu entdecken undkennenzulernen. Intrauterines sensomotorischesLernen bedeutet aktive und wiederholte Auseinan-dersetzung mit der Umgebung Gebärmutter.

Die Aborigenes Lateinamerikas beschreiben dasLeben als Spirale, die sich nach der Geburt er-weitert. Castillo Morales hat die Vorstellung über-nommen, Entwicklung als Spirale zu betrachten(Abb. 5.6), sowohl für das Leben im Mutterleib alsauch für die Zeit nach der Geburt, und verdeutlichtdamit den Zusammenhang zwischen der intraute-rinen und nachgeburtlichen Entwicklung. Wäh-rend der Schwangerschaft lernt das Kind Aktivitä-ten, die es nach der Geburt zu einer bestimmtenZeit wieder zeigt. Das intrauterine Schreiten z.B.beobachten wir im 3./4. Schwangerschaftsmonat(Kap. 5.2.3), mit ca. 4 Lebensmonaten ist die auto-matische Schreitreaktion in die Willkürmotorik in-tegriert. Das Kind dreht sich im 6. Schwanger-

Drehen

Drehen

Postnatal

Pränatal intrauterine

Schreitreaktion

Schreitreaktion in die Willkür-motorik integriert

Abb. 5.6 Zusammenhang zwischen pränatalem undpostnatalem Leben (Quelle: Castillo Morales, modifiziertA. Schmid 2011).

:: 5 Behandlungsprozess im interdisziplinären Verständnis102

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 19: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

schaftsmonat, nach der Geburt zeigen Kinder dieseFähigkeiten mit ca. 6 Monaten (individuelle Varia-bilität von Entwicklungsverläufen; Kap. 2). CastilloMorales veranschaulicht durch diese Vorstellungdie Entwicklung der vorgeburtlichen Kompetenzendes ungeborenen Kindes in einem immer engerwerdenden Raum (zunehmende Enge der Spirale/Gehaltene Motorik), auf die es nach der Geburt zu-rückgreifen kann, um seine Bewegungs- undWahr-nehmungssphäre erweitern zu können (zuneh-mende Weite der Spirale/„freie Motorik“).

Der Prozess der Aufrichtung setzt sich nach derGeburt unter erschwerten Bedingungen durch dieEinwirkung der Schwerkraft fort. Wie bereits obenerwähnt, kann der Säugling jedoch auf eine be-trächtlicheMenge intrauterin lang geübter Kompe-tenzen zurückgreifen. Nach der Geburt unterstüt-zen die im Mutterleib gelernten motorischenAktivitäten, z.B. Kopfdrehen und distale Impulsegegen die Gebärmutterwand, die Anpassung desNeugeborenen an seine Unterlage. In Bauchlagesind die schützende Seitwärtsbewegung des Kop-fes (Freihalten der Atemwege), distale Impulse vonden Füßen und Stützaktivitäten der Hände und Un-terarme Beispiele für Bewegungshandlungen, dieden Weg in die Aufrichtung gegen die Schwerkrafterfahrbar machen. Das Kind kann die mütterlicheStimme hören und sich danach ausrichten oder ei-nen ihm angebotenen, kontrastreichen Ball entde-cken. Schon das Neugeborene erobert sich soforteine erweiterte Bewegungs- und Wahrnehmungs-sphäre. Kindern mit muskulärer Hypotonie fällt esschwer, diese motorischen Vorerfahrungen nachder Geburt effizient zu nutzen. Die motorischenAktivitäten sind oft auch bereits intrauterin redu-ziert. Die therapeutischen Hilfen setzen an den zurVerfügung stehenden Kompetenzen an, um demKind mit Hypotonie auf seinem erschwerten Wegin die Aufrichtung Unterstützung zu geben.

Sichtweise der Castillo Morales-Therapeutin

Kinder mit muskulärer Hypotonie bleiben oft langein den tiefen Positionen, da der Aufbau der Hal-tungskontrolle und die Bewegungssteuerung inder Auseinandersetzung mit der Schwerkraft er-schwert und anstrengend sind. Die Kinder nutzenhäufig kompensatorische Bewegungen und Hal-tungen (Überstreckung in den Gelenken, Fixierenin endgradigen Gelenkstellungen, übermäßig er-höhter Muskeltonus, schnelle, überschießende,

schwungvolle Bewegungen), um Stabilität zu errei-chen (Kap. 3.1 und Kap. 5.4). Dies ist ermüdend,frustrierend, Bedürfnisse können nicht befriedigtund Selbstwirksamkeit nicht ausreichend erfahrenwerden. Viele Kinder antworten mit Rückzug inihre eingeschränkte und oft zunehmend isolieren-de Bewegungs-und Wahrnehmungssphäre, Reduk-tion der Spontanaktivitäten und mit Wiederholun-gen von wenig variablen Aktivitäten (z.B. schnelle,gleichbleibende Bewegungen der Hände). DieseVerhaltensweisen werden im Castillo Morales-Konzept als Isolationszeichen definiert (Kap. 1.2.4).

Das visuelle System, das für den Prozess der Auf-richtung und für die Haltungskontrolle essenzielle,orientierende undmotivierende Bedeutung hat, er-fährt wenige und unzureichende Informationen(Kap. 2.4.3 und Kap. 5.5).

Unter Berücksichtigung der individuellen senso-motorischen Etappe, in der sich das Kind befindet,und seines Entwicklungsstands, erfährt es die Mög-lichkeit, Aufrichteaktivitäten so frühwiemöglich inangepassten höheren Positionen (Umfeldgestal-tung) und wann immer nur möglich am Körperder Eltern oder der Castillo Morales-Therapeutinnutzen zu können (Kap. 5.3.3). Dadurch erschließtsich dem Kind eine erweiterte Bewegungs- undWahrnehmungssphäre – eine wichtige Basis fürsensomotorisches Lernen. Mit erhöhter Wachheitund Aufmerksamkeit erleben sich die Kinder mitdem Gegenüber auf einer Ebene, was zum emotio-nalen Wohlbefinden beiträgt und Kommunikationund Interaktion ermöglicht.

5.3.2 Diagonale Muskelketten/Zwischenpositionen

Gezieltes Handeln für Bewegung und Wahrneh-mung benötigt folgende Faktoren:

■ mentale Bewegungsplanung,■ Kontrolle des Bewegungsablaufs durch senso-

motorisches Feedback,■ Eigenaktivität,■ Variable, adaptive Anpassung,■ Erhaltung des Gleichgewichts in der Auseinan-

dersetzung mit der Schwerkraft (Balance/Hal-tungskontrolle),

■ Bewertung und Abspeicherung dieses Bewe-gungsvorgangs.

5.3 Wenn die Spannung fehlt – therapeutische Hilfen :: 103

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 20: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Der kontinuierliche Zufluss von sensomotorischenInformationen, ihre Vernetzung und ungestörteVerarbeitung im ZNS stellen die Grundvorausset-zung für sensomotorisches Problemlösen dar.

Beim Prozess der Aufrichtung muss sich jederKörperabschnitt im muskulären Zusammenspielseiner Agonisten und Antagonisten mit derSchwerkraft auseinandersetzen. Dabei beeinflus-sen u.a. sowohl die Einstellungen des Körpers bzw.Körperabschnitts im Raum, seine Gewichte, dieEinstellung der Gelenke zueinander, die Hebellänge(Röhrenknochen) als auch z.B. die individuelleMuskelspannung die Aktivität bestimmter Muskel-gruppen.

Die Grundaktivität und Adaptionsfähigkeit derMuskulatur in ihren unterschiedlichen Spannungs-zuständen sind für die Bewegungsökonomie ohnehohen Energieverbrauch wichtig. Im Idealfall istder Spannungszustand aller Muskeln so, dass jedePosition gehalten werden kann (stabile Haltungs-kontrolle) und gleichzeitig dosierte Bewegungmöglich ist (mobile Haltungskontrolle).

Das daraus resultierende ausgleichende Spielder synergistisch diagonal arbeitenden Muskelket-ten des Körpers ermöglicht Variabilität in mobilerAsymmetrie und das Einnehmen von asymmetri-schen Zwischenpositionen im Verlauf der Aufrich-tung. Die dazu genutzten bereits intrauterin begon-nenen distalen Impulse in der Gehaltenen Motorikdes Uterus (Kap. 5.2.3) stellen den Beginn der Akti-vierung der diagonalen Muskelketten dar. Bereitsdort ist ein variabler Bewegungsdurchlauf im ge-samten Körper bis in den orofazialen Komplex zuerkennen. Im Schwerefeld der Erde werden durchGewichts- und Schwerpunktverlagerungen dieseMuskelsynergien im gesamten Körper in Auseinan-dersetzung mit dem Selbst und der Umwelt akti-viert.

Die Castillo Morales-Therapeutin begleitet mitden therapeutischen Hilfen das Kind dabei, die Auf-lageflächen des Körpers zu Unterstützungsflächenzu verändern, weiterlaufend im Prozess der Auf-richtung die Unterstützungsflächen zielgerichtetim Handlungskontext zu verkleinern und demKind zu ermöglichen, immer mobilere, variablereStützpunkte einzusetzen (Abb. 5.7). Distale Impulsewerden so gezielt therapeutisch begleitet imSchwerefeld der Erde eingesetzt. Im Prozess derAufrichtung findet ein ständigerWechsel der Stütz-punkte statt, denen sich die Muskelsynergie immer

wieder neu anpassen muss, um ein Gleichgewichtzu erhalten (Abb. 5.8).

AuflageflächeDer Körper ruht (parkiert) auf der Unterlage; es findetkeine Aktivität gegen die Schwerkraft statt.

StützpunkteKontaktstellen des Körpers mit dem Umfeld.

UnterstützungsflächeFläche, die sich durch geradlinige Verbindung allerStützpunkte abzeichnet.(Klein-Vogelbach 1995 und 1999)

Die diagonalenMuskelketten, die Rotation ermögli-chen, aktivieren dabei vom Fuß über den Rumpf,dem Schultergürtel und der HWS funktionell denorofazialen Komplex (Abb. 5.9). Sie kreuzen unge-fähr– in Abhängigkeit zurHaltung, denHebeln, Pro-portionen und auch der Ausgangsstellung, in der sieaktiviert werden – von ventral betrachtet in Höhedes Bauchnabels, von dorsal im thorakolumbalenÜbergangsbereich. Dieser Bereich wird von CastilloMorales auch als Informationszone definiert(Kap. 1.2.6). Zusätzlich zu den diagonalen Muskel-ketten verlaufen sog. Querstrukturen (z.B. Becken-boden, Zwerchfell, Zungenbein, Zunge/M. transver-sus linguae, Mundbodenmuskulatur, Gaumensegel,Galea aponeurotica) die zusätzliche Stabilität schaf-fen, indem sie funktionell eine Verbindung zwi-schen der ventralen und dorsalen Muskelkette(Wechselwirkung) herstellen.

Jede Bewegung im Körper spiegelt sich im orofa-zialen Komplexwider. Mit dem Beginn des Drehensdes Kindes, z.B. von Rücken- in Seit-/Bauchlage,sind seitliche Zungenbewegungen und seitlicheKieferbewegungen beobachtbar, und bereits dasEinstemmen des Fußes in den ersten Lebenstagenbewirkt eine Veränderung des intraoralen Druckes(Kap. 1.2.5 und Kap. 5.6).

Zu diesem Zweck muss sich die Aktivität derMuskelsynergien den „Faktoren für gezieltes Han-deln“ (s.o.) anpassen lassen. Das Aktivieren der dia-gonalen Muskelketten in der Kombination u.a. mitdem Ermöglichen von Zwischenpositionen nutztdie Castillo Morales-Therapeutin, um den Prozessder Aufrichtung therapeutisch zu begleiten und inden Kontext von Teilhabe und kommunikativen Fä-higkeiten zu integrieren. Gleichzeitig werden über

:: 5 Behandlungsprozess im interdisziplinären Verständnis104

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 21: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Abb. 5.7 Kind im Bewegungs-übergang – von der Unterstützungs-fläche zu Stützpunkten.

5.3 Wenn die Spannung fehlt – therapeutische Hilfen :: 105

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 22: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

diese Bewegungen und Stützaktivitäten in Mobili-tät und Stabilität die orofazialen Funktionen unter-stützt.

Muskelsynergie■ Das Zusammenwirken von Muskeln, die gemeinsam

und/oder in Ketten eine gleichsinnige Funktion be-wirken und eine funktionelle Einheit bilden.

■ Das Zusammenspiel von statischer und dynamischerBeanspruchung des Bewegungsapparats ermöglichtvolle Kraftentfaltung und koordinierte Bewegungen.

■ DasWissen um dieses Zusammenwirken verschiede-ner muskulärer Abläufe erleichtert es, einen ver-änderten Bewegungsablauf genauer zu analysieren.

(Hüter-Becker u. Dölken 2005; Wieben u. Falkenberg1997)

Das Finden der eigenen Mitte als motorische sowieemotionale Stabilisierung und das dosierte, varia-ble Verlassen der Mitte bis in die hohen Positionen,die damit verbundene Anpassungsfähigkeit unddas Erleben der Selbstwirksamkeit sind Bestandteilund Ziel der therapeutischen Begleitung im CastilloMorales-Konzept.

Im Weiteren werden therapeutische Hilfen ausdem Konzept zur Unterstützung der genanntenAspekte erläutert und anhand von Fallbeispielenaufgezeigt.

5.3.3 Therapeutische Maßnahmenaus dem Konzept

Das Ziel der therapeutischen Interventionen ist,das Kind darin zu unterstützen, sich gegen die

Schwerkraft aufzurichten, um im Alltag besser han-deln und teilhaben zu können.

Über Modellieren und Aktivieren motorischerZonen in einer motivierenden Umgebung tritt dieCastillo Morales-Therapeutin in Kommunikationmit dem Kind und passt ihre therapeutischen Hil-fen individuell und variabel der jeweiligen kindli-chen Aktivität an, sodass das Erreichen des Hand-lungszieles unterstützt wird.

Wie bereits in Kap. 2 beschrieben, werden dieTechniken Vibration, Berührung, Streichen, ange-passter Druck und Zug eingesetzt. Mithilfe der Be-handlungstechniken werden gezielt Muskeln/Mus-kelgruppen deutlich aktiviert, der Muskeltonusreguliert und die Haltung über die Anregung vonsomatosensorischen, vestibulären und visuellenRezeptoren stabilisiert. Mit der StimulationwerdenBewegungsabläufe gemäß den Etappen der senso-motorischen Entwicklung unterstützt. Dabei spie-len Bewegungsübergänge und asymmetrische Zwi-schenpositionen eine besondere Rolle.

Abb. 5.9 Diagonale Muskelketten (Quelle: Bases deConcepto, Castillo Morales 2006, modifiziert Lo-Wi2010).

Abb. 5.8 Diagonale Muskelkettenaktivierung.

:: 5 Behandlungsprozess im interdisziplinären Verständnis106

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 23: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Modellieren

Im Castillo Morales-Konzept ist die therapeutischeHilfe des Modellierens durch die künstlerische Ar-beit von Castillo Morales inspiriert (Kap. 1.1). Mo-dellieren bedeutet im Castillo Morales-Konzeptmit den Händen formen, gestalten, massierendeine Form geben. Die Castillo Morales-Therapeutinmodelliert mit ihren Händen mit den bekanntenTechniken Vibration, Druck, Zug und Streichen for-mend die Körperabschnitte (Muskeln, Haut, Faszienetc.) im Bereich Körper, Extremitäten und Gesichtsehr zielgerichtet und unter den Aspekten derfunktionellen anatomischen Zusammenhänge, um

■ die motorische Aufmerksamkeit zu unterstüt-zen,

■ die muskuläre Durchblutung und den Stoff-wechsel anzuregen,

■ über eine Stimulation der Muskelspindeln unddes Golgi-Apparats die Muskelaktivität zu stei-gern,

■ den Muskeltonus zu regulieren,■ das propriozeptive Empfinden zu verdeutlichen

(Kap. 2.6, S. 37).

Modellieren ist als eigenständige therapeutischzielgerichtete Maßnahme zu verstehen, die inner-halb einer Behandlungseinheit wiederkehrend ein-gesetzt wird, um einen bestimmten Aktivierungs-zustand zu erhalten (Abb. 5.10).

Unterstützung der Aufrichteaktivi-täten über die motorischen Zonen

Die gezielte Stimulation von motorischen Zonenam Körper des Kindes (Abb. 5.11) ist eingebundenin Handlungen des Alltagsgeschehens (Bezug zuden Entwicklungsbereichen, z.B. Kommunikation,

Spiel; Kap. 5.3.1) und berücksichtigt Ausgangsstel-lungen und Umfeldgestaltung. Bedeutsam ist, dassdie Castillo Morales-Therapeutin im gesamten Pro-zess der Aufrichtung auch über die motorischenZonen des Körpers Einfluss nimmt auf die orofazia-len Funktionen. Die funktionelle Basis dafür ist dieAktivierung der diagonalen Muskelketten bis inden orofazialen Komplex. Die Anwendung diesertherapeutischen Hilfen am/über den Körper der El-tern stellt eine Übertragung einer anthropologi-schen Grundidee auf die Therapie dar und hat ele-mentare Bedeutung im Konzept (Kap. 1.2.3, S. 12).Das Ziel ist das Erreichen größtmöglicher Selbst-ständigkeit (Teilhabe) bezogen auf den Stand dersensomotorischen Entwicklung des Kindes.

Motorische ZonenZonen/Areale des Körpers, die über dem Periost, anMuskelsehnenübergängen oder direkt am Muskel lie-gen.

Erfahrungsgemäß führen Stimulationen dieser Zo-nen mit Vibration, angemessenem Druck und Zugzu motorischer Aktivität des betreffenden Muskelsund in der Synergie weiterlaufend angrenzenderMuskelketten. Die Stimulation erfolgt in bestimmteRichtungen, die funktionell vorgegeben sind.

Die Ausgangsstellungen richten sich nach denindividuellen Möglichkeiten, Bedürfnissen unddem Handlungsplan des Kindes. Sie gestalten sichunter Berücksichtigung der sensomotorischenEtappen und bewegungsanalytischer Gesichts-punkte (z.B. Alignment, Körperschwerpunkt inner-halb der Unterstützungsfläche).

Es werden Zonen gewählt, die für das Erreichendes aktuellen Zieles sinnvoll sind. Unterstützt dieAktivierung der Zone(n) das Kind in seiner Bewe-gungshandlung, z.B. Hand zum Mund führen,nicht, so wird u.a. die therapeutische Hilfe des Mo-

Abb. 5.10 Modellieren des unteren Dreiecks.

5.3 Wenn die Spannung fehlt – therapeutische Hilfen :: 107

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 24: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

dellierens der Arme, Schultern und des Rumpfeswiederkehrend eingesetzt. Die Stimulation der Zo-nen, ob einzeln oder kombiniert, und die Anzahl derWiederholungen sind abhängig vom Bewegungs-plan, von der Bewegungsdurchführung und von derEigenaktivität des Kindes sowie von weiteren not-wendigen Hilfen (z.B. Veränderung des Umfelds,der Ausgangsposition), die der therapeutischen Si-tuation individuell angepasst sind.

Die sensomotorische Entwicklung bietet einbreites Spektrum an Variabilität und Individualität.Daraus ergibt sich eine Vielfalt in der Anwendungder Zonen und in der Gestaltung des Prozesses derAufrichtung.

Stabilisieren in Zwischenpositionenbzw. bei Bewegungsübergängen

Zur Unterstützung der Bewahrung des Gleichge-wichts und der Bewegungssteuerung durch senso-motorisches Feedback werden weitere Technikenangewandt, die in den folgenden Fallbeispielen be-schrieben werden:

■ Stabilisieren zum Stützpunkt hin,■ zentrierendes Stabilisieren,

■ Stabilisieren in der Bewegung,■ vibrierendes Führen.

Somatosensorische Impulse verdeutlichen dasEmpfinden von Positionen, Lagen, Bewegungsab-läufen und ‑übergängen und physiologisch günsti-gen Gelenkstellungen. Diese werden mit erhöhterAufmerksamkeit wahrgenommen, und das Körper-empfinden wird verstärkt (Kap. 2.4.1).

Die therapeutische Unterstützung am unddurch den Körper der Eltern als Grundlage für dasCastillo Morales-Konzept entwickelte sich aus derBeobachtung des Zusammenlebens der Aborigenes(Kap. 1). Die Förderung der Aufrichteaktivitäten amKörper der Eltern oder der Castillo Morales-Thera-peutin ist eingebunden in einen kommunikativenProzess und bietet eine sichere Basis für das Entde-cken und Erobern der Umgebung. Die Entwicklungeiner sicheren Bindung wird auf dieseWeise unter-stützt. Die eigenaktive Auseinandersetzung desKindes mit dem Körper der Mutter, der sich den Fä-higkeiten des Kindes anpassen kann, ist Ausdruckeines taktilen Dialogs und gegenseitiger Aufmerk-samkeit (Kap. 5.4.3). Sensomotorisches Lernen er-fährt den sicheren Rahmen von Gehaltensein.

Deltoideuszone

PectoraliszoneSternumzone

Bizepszone

Finger-extensorenzone

Spina-iliaca-Zone

Großzehenzone

Patellazone

Adduktorenzone

Interscapularzone

Quadratus-lumborum-Zone

Glutaeuszone

Calcaneuszone

Abb. 5.11 Motorische Zonen.

:: 5 Behandlungsprozess im interdisziplinären Verständnis108

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 25: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Fallbeispiel

Philipp ist 1 Jahr alt (Diagnose: West-Syndrom,Entwicklungsretardierung, muskuläre Hypotonie).

Philipp dreht sich spontan aus der Rückenlage auf denBauch, bevorzugt über die rechte Seite. Der Kopf wirdzur Seite und weit nach hinten bewegt und leitet sodie Gewichtsverlagerung ein. Der Rumpf folgt inÜberstreckung, unterstützt durch wiederholtes,klopfendes Einstemmen der Fersen, bis Philipp mitviel Schwung auf dieseWeise auf dem Bauch „landet“.Die unzureichende Haltungskontrolle und Nutzungüberwiegend extensorischer motorischer Verhal-tensweisen blockieren ihn auf seinem Weg in dieAufrichtung und bewirken ein verändertes moto-risches Lernen.

Philipps Interesse und Handlungsplan werden auf-genommen. Er erfährt körperliche Begrenzung durchden Körper der Therapeutin und eine Erhöhung derStützebene durch ihre Beine und die Unterlagerung(Umfeldgestaltung, Ausgangsstellung). Mithilfe derMotorischen Ruhe gewinnt die Therapeutin die Auf-merksamkeit von Philipp (Abb. 5.12) und stabilisiertseine Haltung in Rückenlage.

Philipp dreht spontan vermehrt über die rechte Seite.Die Therapeutin greift diese bevorzugte Fähigkeitzunächst auf (Abb. 5.13). Ein weiteres Ziel wäre, Phi-lipps nicht bevorzugte und vermeidende Bewegungs-planung und ‑durchführung über die linke Seite zuunterstützen. Die Kontrolle dieses Bewegungsablaufsdurch sensomotorisches Feedback könnte in der Aus-

einandersetzung mit der Therapeutin und dem Um-feld eigenaktiv in kleinen Schritten, durch Wieder-holungen und in Variationen motiviert erfahren underlernt werden. Der Aufbau und die Erhaltung derstabilen und mobilen Haltungskontrolle sowie eineveränderte positive Bewertung und Abspeicherungder Bewegungshandlung über die linke Seite könntenerreicht werden. Das vermeidende motorische Ver-halten könnte erfahrungsgesteuert verändert werden(Kap. 2 und Kap. 5.3.2).

Eingebunden in einen kommunikativen Prozess be-gleitet, unterstützt und „arbeitet“ die Therapeutinmit Philipp im Fallbeispiel durch ihren Körper (Ge-wichtsverlagerung) und Stimulation entsprechenderZonen am Drehen und an der seitlichen Aufrichtungüber die rechte Seite. Das untere Dreieck wird gebil-det und begrenzt durch das linke aufgestellte undrechte in Extension gehaltene Bein (Abb. 5.13). Dabeihält der Daumen der Therapeutin den Fuß in Stütz-position und verstärkt die distalen Impulse des linkenFußes (Stabilisierung des unteren Dreiecks, kaudale,laterale Gewichtsverlagerung über diagonale Muskel-ketten). Motivierend im Dialog mit Philipp aktiviertdie Therapeutin gleichzeitig mithilfe des Gabelgriffesam Handgelenk (besser sichtbar in Abb. 5.14 undAbb. 5.15) den linken Arm mit Zug, Druck und Vibra-tion (indirekte Stimulation der Interscapular-, Bizeps-,Pectoralis-, Extensorenzone), begleitet aktivierendden Bewegungsübergang („vibrierendes Führen“)auf die rechte Seite und das Abheben des Kopfes und

Abb. 5.12 Motorische Ruhe und Kontaktaufnahme. Abb. 5.13 Seitliche Aufrichtung (Spina-iliaca-Zone).

5.3 Wenn die Spannung fehlt – therapeutische Hilfen :: 109

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 26: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Fallbeispiel

weiterlaufend des Rumpfes gegen die Schwerkraft(Abb. 5.15). Philipp erfährt Unterstützung bei dermobilen Haltungskontrolle. Die Aktivierung der Spina-iliaca-Zone rechts fördert die Stützaktivität der rech-ten Beckenseite und des Beines. Philipps Impuls,„weiter nach oben zu kommen“, die Bewegungssphä-re zu erweitern, wird aufgenommen und die Ausfüh-rung des zielgerichteten, asymmetrischen Bewe-gungsübergangs in den seitlichen Unterarmstützbegleitet durch den Gabelgriff am linken Arm („Stabi-lisieren in der Bewegung“) und der Hilfe für die Hal-tungskontrolle des unteren Dreiecks.

Mit dieser Erfahrung der (in dieser Situation anstren-genden) Stützaktivität und Haltungskontrolle kannPhilipp anschließend mit seiner Schwester Leonie ineiner höheren Position neugierig in Kommunikationund spielerischen Kontakt gehen (Abb. 5.16). LeoniesKörper bietet die Unterstützungsfläche für eine asym-metrische Zwischenposition, den Seitsitz. Philipps Be-dürfnis ist, den Arm seiner Schwester zu ergreifen. Diemuskuläre Stabilisierung der Gelenkstellung im seitli-chen Unterarmstütz an Leonies Körper unterstützt dieTherapeutin durch „Stabilisieren zum Stützpunkt hin“(rechte Schulter Richtung Ellenbogen). Mithilfe derAktivierung der Sternumzone begleitet sie regulie-rend die angepasste Aufrichtung des Kopfes und desRumpfes (Aufmerksamkeit, Blickkontakt, visuellesVerfolgen), gleichzeitig vermittelt der Daumen Füh-rungswiderstand für die noch erschwert steuerbareArmbewegung. Distale Impulse des linken Fußes, die

die aktive Aufrichtung des Kopfes und des Rumpfesüber die diagonalen Muskelketten unterstützen, wer-den über den Fuß der Therapeutin verstärkt (rechtesGesäß übernimmt Stützaktivität).

In Abb. 5.17 wird die Interscapularzone rechts inRichtung Stützpunkt Ellenbogen aktiviert zur ver-mehrten Aufrichtung im Schultergürtel und in derBrustwirbelsäule. Mit diesem Haltungshintergrund er-reicht Philipp sein Ziel: „Endlich kann ich die glitzern-den Perlen auf Leonies T‑Shirt untersuchen.“ Der Be-wegungsbeginn für den Übergang in den Fersensitzam Körper seiner Schwester, eine Position, die ihmeine neue Perspektive und veränderte Erfahrungenermöglicht, wurde darüber von Philipp initiiert (Rota-tion, Körperschwerpunktverlagerung).

Abb. 5.18 zeigt, wie Philipp den Körperkontakt mit sei-ner Schwester und ihr Lob aufmerksam genießt. DiestatischeHaltungskontrolle in dieser Positionwirdüberdie Stimulation der Interscapularzone unterstützt.Dabei wandert die Hand von kranial nach kaudal.

Haltungsstabilität und Aufrichtung im Schultergürtel-und Nackenbereich werden in Abb. 5.19 durch diebeidseitige Stimulation der Interscapularzonen er-zielt. Philipp nutzt die distalen Impulse von den Füßen(in die Füße der Therapeutin) für die Aktivierung dersynergistisch arbeitenden Muskelketten des Körpersbis in den orofazialen Komplex. Dies ist eine wichtigeVoraussetzung für die aktive Anpassung an den Kör-per seiner Schwester (stabile Haltungskontrolle), aber

Abb. 5.14 Seitliche Aufrichtung (Gabelgriff und Spi-na-iliaca-Zone).

Abb. 5.15 Seitliches Aufrichten (vibrierendes Füh-ren).

:: 5 Behandlungsprozess im interdisziplinären Verständnis110

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 27: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Fallbeispiel

Abb. 5.17 Stimulation der Interscapularzone in Rich-tung Stützpunkt Ellenbogen.

Abb. 5.16 Kommunikation und spielerischer Kon-takt.

Abb. 5.18 Stimulation der Interscapularzone. Handwandert von kranial nach kaudal.

Abb. 5.19 Interscapularzonen.

Abb. 5.20 Bewegungsübergang in den Kniestand.

auch für diemotorische Umsetzung seiner Strategie,Leonie noch höher zu „erklimmen“. Abb. 5.20 zeigt,dass er seinen Bewegungsplan in Richtung Kniestandeigenaktiv umsetzen kann (mobile Haltungskontrolle).Die „zentrierende Stabilisation“ zwischen rechterSchulter und linker Beckenhälfte (Ellenbogen auf Glu-taeuszone) imWechsel mit linker Schulter und rechterGlutaeuszone unterstützt die Aktivierung der diagona-len Rumpfmuskelketten und Stabilisation in der Infor-mationszone indieser Position zwischenFersensitzundKniestand. Distale Impulse von den Füßen, den Knienund den Händen in Gehaltener Motorik ermöglichendieErfahrungvonSicherheit indieserZwischenposition– einewichtige Voraussetzung fürmotorisches Lernen.

In dieser erhöhten Position eröffnet sich Philipp eineerweiterte Bewegungs- und Wahrnehmungssphäre.Motiviert, neugierig und aufmerksam „erobert“ erseine Schwester, exploriert ihren und mit ihrem Kör-per. Sie lässt sich liebevoll erobern, bietet ihm eine

stabile, sichere Basis. Eine neue Herausforderung deraktiven Haltungs- und Bewegungsanpassung könnteim weiteren Behandlungsverlauf das Spiel am und mitdem bewegten Körper seiner Schwester bedeuten.

5.3 Wenn die Spannung fehlt – therapeutische Hilfen :: 111

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 28: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Fallbeispiel

Antonia ist 2 Jahre alt (Diagnose: Trisomie 21).

Antonia signalisiert ausdrucksvoll, dass sie gerne ste-hen möchte, doch der Bewegungsübergang fällt ihrnoch schwer. Am Körper der Mutter ist sie hoch moti-viert aufzustehen.

Abb. 5.21 zeigt Antonia auf ihrem Weg. Die Stimula-tion der Spina-iliaca-Zone führt zur Beugung des rech-ten Beines, über das Antonia zum Stehen kommt. Sienutzt dabei den Körper der Mutter als Kontakt- undUnterstützungsfläche.

Im Stand angekommen (Abb. 5.22) erkundet sie zu-nächst neugierig tastend und streichend den Rückender Mutter und orientiert sich zu ihrer Stimme. DieHaltungskontrolle im Stand wird über die gleichzeiti-ge Stimulation der Glutaeus- und Sternumzone unter-stützt. Die vorsichtige Gewichtsverlagerung von An-tonia nach links (Orientierung zur Stimme der Mutter)wird über diese Zonen „vibrierend geführt“. Die Vo-raussetzung für einen Seitschritt hat Antonia selbst-ständig initiiert. Die Aktivierung der diagonalen Mus-kelketten (Haltungskontrolle) über distale Impulsevon den Füßen und Händen (Stützen, Greifen, Zugvon den Händen) setzt sich bis in den orofazialen Be-reich fort: Antonia zeigt einen guten Mundschluss.

Abb. 5.23 und 5.24 zeigen eine weitere Möglichkeit,Antonias Bemühungen, zum Stehen zu kommen, zuunterstützen. Im Sitzen auf dem Schoß (erhöhte Un-terstützungsfläche) verstärkt die Therapeutin die dis-talen Impulse des linken Fußes über die Patellazone.Gleichzeitig aktiviert sie mithilfe des Gabelgriffes denkontralateralen Arm, Schultergürtel und Brustwirbel-säule. Spontan nutzt Antonia das Knie der Therapeu-tin und stützt sich ab. Der Körper der Therapeutinbietet Halt, Sicherheit und Unterstützungsfläche fürdiesen Bewegungsübergang und passt sich den Be-wegungen des Kindes an. Motiviert durch die Mutter(gleiche Ebene) gelingt es Antonia, zum Stehen zukommen. Durch die starke Haltearbeit verliert sie zu-nächst die Mundkontrolle und streckt ihre Zunge amBewegungsbeginn heraus; im Stehen angekommenwird der Mund geschlossen gehalten.

Abb. 5.21 Auf dem Weg in den Stand (Spina-iliaca-Zone).

Abb. 5.22 Stabilisation im Stand.

:: 5 Behandlungsprozess im interdisziplinären Verständnis112

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 29: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Fallbeispiel

Abb. 5.24 Bewegungsübergang: Aufstehen aus demSitz auf dem Schoß.

Abb. 5.23 Beginn des Aufstehens aus dem Sitz aufdem Schoß.

Abb. 5.25 Im taktilen und verbalen Dialog mit derMutter.

In Abb. 5.25 ist Antonia im Dialog (taktil und verbal)mit ihrer Mutter. Durch die Stimme der Mutter ma-chen ihre Hände und Bauch Vibrationserfahrungenüber den Brustkorb der Mutter, wodurch das Körper-empfinden verdeutlicht wird. Die hohe Aufmerksam-keit unterstützt die aktive Aufrichtung von Antonia imStand. Über die Stimulation der linken Glutaeuszoneverlagert sie ihr Gewicht vermehrt auf diese Seite(Standbein). Unterstützt wird diese Gewichtsverlage-rung durch die Rotation des Körpers der Mutter. DasSpielbein wird frei.

5.3 Wenn die Spannung fehlt – therapeutische Hilfen :: 113

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 30: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Sachverzeichnis

A

Abduzens- und Fazialisparese 61Aborigenes 3– Lebenskonzept 9Adaptationsfähigkeit 78Aktivität, willkürliche 119Alltag 114– Beeinträchtigung 144– Entwicklungsmöglichkeit 115– Ideenumsetzung 115– Teilhabe 83– therapeutischer, Sehen 124– Tragen 116Amygdala 28Angelman-Syndrom 46Anthropologie, latein-amerikanische 9

Aortenstenose, supravalvuläre 60Apnoe-Bradykardie-Syndrom 100Appetit 140Astigmatismus 128Atmung 80– Ruhe, motorische 100– Zerebralparese 66Atrophie, neurogene 43Auflagefläche 104Aufmerksamkeit 78– Entwicklungsprozess 102– wache 95Aufmerksamkeitslenkung 95Aufrichteaktivität– Hypotonie, muskuläre 21– Sehentwicklung 126– Unterstützung 107Aufrichtung– frühzeitige 127– Maßnahme, therapeutische 106– Mutterleib 102– Prozess 101– seitliche 109Auge– Reifung 122– Schutz 149Auge-Hand-Koordination 35Augenhöhe 11Augenwinkelzone 149

B

Balancereaktion 32Balconear 34Basalganglien 34– Funktionsstörung 46

Bauchlage 20Befunderhebung 76Befundsituation 77Befundung, teilhabeorientierte 90Behandlungsprozess,interdisziplinärer 85

Beobachtungskriterien,qualitative 78

Bewegung 17, 80– Handeln, gezieltes 103– spontane 80– zielorientierte 34Bewegungssphäre 18, 21, 80Bewegungsstrategie 80Bewegungsübergang 105, 108– Aufstehen aus dem Sitz 113– Kniestand 111Bindegewebserkrankung 45Bindegewebsschwäche 47, 53Bindegewebsveränderung 48Blasenentleerungsstörung,neurogene 45

Blickfeld 123Bobath 92Bobath-Konzept 5Bottom-up-Prinzip 132Bottom-up-Prozess 114Brodie-Schema 12, 17, 141Buccinator-Mechanismus 82, 134– Aktivierung 57, 141– Ausfall 144

C

Castillo Morales-Konzept– Anwendung 8– Befunderhebung 75– Entwicklung 1– Grundgedanke 6– Kontextfaktor 91– Umsetzung, praktische 69– Verständnis, grundsätzliches 86– Ziel 8Castillo Morales®-Therapeutin,Weiterbildung 167

Clinical Reasoning 89Curschmann-Steinert-Dystrophie44, 62

D

Denkmodell Körperdreieck 18, 80Diagnose 13Diagonale Muskelketten 103

Dialog, behutsamer 87Diparese 65Disomie 15, uniparentale,maternale 46

Dysästhesie 145Dysgrammatismus 60Dysmetrie 46Dysmorphie, orofaziale 137Dysplasie, bronchopulmonale 45Dyspraxie, orale 55Dystonie 46, 48, 67– Definition 46Dystrophie, myotone 44– Auswirkung 62– Diagnostikpfad 43– Differenzialdiagnose 48

E

Ehlers-Danlos-Syndrom 45, 48Eigeninitiative 78Eigenwahrnehmung 148Eltern 10– Ruhe, motorische 96– Zusammenarbeit 114Eltern-Kind-Beziehung 56Emotionalität 78Entwicklung, sensomotorische 24– Etappe 118– Fachbegriff 7– Sphäre, visuelle 124– Unterstützung,therapeutische 101

– Vorgehen, therapeutisches 35Entwicklungsstörung, syndromale/metabolische 47

Enzephalomyopathie 44Erbrechen, rezidivierendes 60Erkrankung– neurometabolische 45– neuromuskuläre 42, 48Ernährung, Problemkreis 137Essen– Gesichtspunkt 140– Motivation 140– Prozess 17– Selbstständigkeit 154– Utensilien 142Essen und Trinken 71– Beobachtungskriterien 81– Erlebnis, individuelles 136– Intervention, therapeutische 140– Ruhe, motorische 97Evidenz 89

::168

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 31: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Extremitäten- undRumpfmuskulatur 32

F

Familie 10Faszikulation 42–43Fazialisparese 143– Befund 145– chronische 145– Differenzialdiagnose 144– Dokumentation 146– Moebius-Sequenz 62– periphere 144– Symptom, orofaziales 61– Therapie 146– zentrale 143Feedbackkontrolle, sensomotorische27, 35

Feedbackmechanismus 148Feedforward 34Fixationspalette 122Fixierfeld 123Fokussieren, visuelles 96Franceschetti-Syndrom 55, 137Frühgeborenes– Haltung 41– Ruhe, motorische 99Führen, vibrierendes 109–110Functional CommunicationClassification System 65

Funktion– orofaziale– – Verbesserung 54– – Zahn-/Kieferentwicklung 67– – Zerebralparese 65– visuelle 121– – Frühförderung 121Funktionskieferorthopädie 156Fußgelenksstrategie 31Fütterstörung 137

G

Gabelgriff 112– Spina-iliaca-Zone 110Gaumenplatte 89, 152– Anpassung 57, 62, 156– Fazialisparese 151– Indikation 154– stimulierende 62, 152Gebärmutter 93Geburtssituation, erschwerte 44Gemeinschaft 10Gesamtmotorik 127Gesicht, Zone, motorische 148Gesichtsfeld 123Gleichgewicht 108Gleichgewichtsapparat 31Glockenthorax 43Glossoptose 55Goldenhar-Syndrom 55Golgi-Apparat 31

Grunderkrankung, Kind,langzeitsondiertes 137

Grundlage, neurophysiologische 40

H

Hals- und Nackenmuskel 32– Ruhe, motorische 94Haltetremor 43Haltung 17, 19, 80– Essen 141– Frühgeborenes 41Haltungskontrolle 21, 26– dynamische 26– Frühgeborenes 97– mobile 111– Neugeborenes 94– Orientierung, visuelle 32– Ruhe, motorische 97– stabile 110– statische 26Handeln, therapeutisches 88Hautrezeptor 28Hell-Dunkel-Kontrast 123Herzvitium, zyanotisches 45Hippocampus 27Hirnnervenkern VI/VII 61Hirnrindengebiet, funktionelles 35Hufeisenkissen 117Hüftstrategie 31Hunger 140Hyperakusis 145Hyperopie 60Hypo-/Areflexie 43Hypogenitalismus 46Hypotonie, muskuläre– Alltag, kindlicher 114– Aufrichtung 103– Bauchlage 20– benigne 47–48– Differenzialdiagnose 46f– Entwicklung,sensomotorische 36

– Grundlage, medizinisch-therapeutische 40

– Haltung, spontane 41– Interaktion, mangelnde 15– Syndrom, genetisches 46– Unterstützung,therapeutische 101

– Vibration, manuelle 38

I

Insuffizienz, respiratorische 44Interprofessionalität 8Interscapularzone 111– Stimulation 111Isolationszeichen 14, 22

K

Kauen 129– Förderung 132– – Alltagshilfe 135Kauphase, Intervention,therapeutische 132

Kausystem 129Kauvorgang 129– erschwerter 129– Sichtweise, ganzkörperliche 131Kieferkontrolle 133Kind– Entwicklung 101– langzeitsondiertes 136Kleinhirn– Bewegungskoordination 35– Funktionsstörung 46Kniestand 111Kolik 60Kommunikation– Aspekt 16– Bedeutung 14– beeinträchtigte 15– Begriff 15– Beobachtungskriterium 79– gebärdenunterstützte (GuK) 52– Kontakt, spielerischer 111– Ruhe, motorische 95– unterstützte 4– Zerebralparese 66Kommunikationscode 14Kommunikationszeichen 15– nonverbales 3Kompensation 7Kompetenz, kommunikative 86Komplex, orofazialer 6– Aktivierung 58– Befundung 81– Bewegung 104– Brodie-Schema 17– Entwicklung, PRS 55– Sensomotorik 80– Zerebralparese 66Kontaktaufnahme 109Koordinationsstörung, zentrale 69Körper, Rotation 129Körperdreieck 18– unteres, Modellieren 107Körperproportion 19Körperschwerpunkt-verlagerung 110

Kreuz des Südens 9– Informationszone 18

L

Leben, prä- und postnatales 102Lernen– Bedingungen 114– Grundlagen, soziale,neurobiologische,neurophysiologische 87

– motorisches 26

Sachverzeichnis :: 169

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 32: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Lernen– Prozess 114– sensomotorisches 24– – Trisomie 21 51Lernumgebung 115Lidschluss 149–150Lippen- und Wangenspannung 152Lippenkontrolle 133LKGS-Fehlbildung 137Loeys-Dietz-Syndrom 45, 48Lösungsstrategie 78Lungenerkrankung, chronische 45

M

Makroglossie 53Malokklusion 131Mandelkern 27Mangelernährung 45Marfan-Syndrom 45, 48Mechanorezeptoren 27, 30Merkfähigkeit, auditive 60Methode MAMM 4Mikrodeletion 22q11.2 55Mikrodeletion 22q13.3 46Modellieren 107, 147– Technik 37Moebius-Sequenz 61Montessori-Pädagogik 14Morales, Castillo, Lebenslauf 2Motivation 78Motorik– gehaltene 93– postnatale 94Motricidad– contenida 93– liberda 94Moving room paradigm 34Mund- und Gesichtsbereich 28Mundhaltung, offene 17Mundschluss 133Mundwinkelzone 149Muskelatrophie 42– spinale 42f, 48Muskelfasertyp 40Muskelgruppe, Kauvorgang 130Muskelhypotonie s. Hypotonie,muskuläre 46

Muskelkette, diagonale 103, 106Muskelkettenaktivierung,diagonale 106

Muskelschwäche 42– Typ Werdnig-Hoffmann 42Muskelspindeln 30Muskelsynergie 106Muskeltonus 40– Einfluss– – spinaler 45– – supraspinaler 45– Qualität 41Muskulatur– Energiebereitstellung,mangelnde 45

– oropharyngeale 43

Myopathie 43f– myotubuläre 43Myopie/Hyperopie 128

N

Neugeborenenreflex 25Neugeborenes– Ruhe, motorische 94– Verhaltensrepertoire 25Neugier 78Neurobiologie 24Neurobiologische Grundlagen 23Neuroblastom, paravertebrales 45Neuromotorische Entwicklungs-therapie (NET) 6

Neuropädiatrie 5Neuropathie 43

O

Oberlippe, Bewegungs-einschränkung 156

Obstipationsneigung 60Ökologie 14Okulomotorik 127Ophthalmoplegie 43Orofaziale– Besonderheit 53–54– Maßnahme 142– Regulationstherapie 6, 17, 152Ösophagitis 138

P

Pädagogik 14Partizipation 90– Alltag 144, 151Periodontitis, chronische 53Phelan-McDermid-Syndrom 46fPhilosophie 13Pierre-Robin-Sequenz (PRS)54f, 137

Plattenanpassung 57Polyhydramnion 44Prader-Willi-Syndrom 46fPropriozeptor 28PRS, ehemalige 58PRS s. Pierre-Robin-Sequenz 56Pseudoprogenie 53

R

Reaktion, primäre 25Reflexbegriff 25Reflux, gastroösophagealer 138Regulationstherapie, orofaziale(ORT) 6, 17, 152

Reklinationshaltung 68Rhythmus 78Rotation, Körper 129Rouxʼsche Regel 49Rückenmarksläsion 48Ruhe, motorische 57, 92

– Frühgeborenes 97– Haltungskontrolle 97– Kontaktaufnahme 109– Saug-Schluck-Prozess 99– Ziel 95Rumpfataxie 46

S

Saugfunktion 58Säugling– Bauchlage 20– Ruhe, motorische 95Säuglingsalter 95Saug-Schluck-Prozess 99Saugstimulation 57Schallleitungsschwerhörigkeit59

Schilddrüsenunterfunktion 45Schlaf 96Schluckapnoe 101Schluckfunktion 82Schluckvorgang 67Schwangerschaftsbegleitung,haptonomische 93

Schwarz-Weiß-Kontraste125

Schwingungsvorgang 37Sehen 32– Entwicklung 122– Frühförderung 121Sehstörung 127Selbstbestimmung 7Selbstständigkeit 10, 90– Weg 119Selbstwirksamkeit 114Sensomotorik– Beobachtungskriterium 79– Komplex, orofazialer 80– Wahrnehmung, visuellebzw. auditive 81

Somatosensorik 27Somatosensorische Bahn 29Sonde 136– Indikation 137– – spezielle 138Sondenentwöhnung 139Spannung, muskuläre 101Spastizität 68Speichelkontrolle– Beobachtungskriterium 82– mangelnde 68Sphäre, visuelle 124Spiel 82Spielmaterial– Anregung 125– Positionierung 121Spina bifida occulta 45Spina-iliaca-Zone– Aufrichtung 109– Stand 112Sprache, fachgruppen- undländerübergreifende 91

Spracherwerb 52

:: Sachverzeichnis170

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 33: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

Stabilisieren– in der Bewegung 110– Zwischenposition/Bewegungs-übergang 108

Stabilität 70, 80Stand– Spina-iliaca-Zone 112– Stabilisation 112Stickler-Syndrom 55Stillen 11Störung, zentralmotorische 45, 48Strabismus 60Stützpunkt 104Surfactant-Mangel 100Symptom, orofaziales– Dystrophie, myotone 63– Moebius-Sequenz 61– Störungsbild 54– Williams-Beuren-Syndrom 60Syndrom– genetisches, Muskelhypotonie 46– myasthenes 44Synkinesie 146System– limbisches 27– somatosensorisches 27– vestibuläres 31– visuelles 32

T

Tempo 78Tetraparese 65Tiefensensibilität 30Top-down-Prinzip 132Top-down-Prozess 114Tracheo- oder Laryngomalazie 137Tragen 92– Hypotonie, muskuläre 116Tragetuch 12, 117Treacher-Collins-Syndrom 55Tremor, zerebellärer 46Triangulieren 122

Trinkproblem 59Trinkschwäche 60Tripp-Trapp-Stuhl 119Trisomie 21 47, 49– Besonderheit, körperliche 50– Brodie-Schema 17– Gaumenplatte 152– Muskelhypotonie 46– Sehstörung 128

U

Überlaufblase 45Umblickfeld 123Umfeldgestaltung 125Unterkiefer– Entwicklungsstörung 55– Kauphase 133– PRS 56Unterkiefer- und Zungenbewegung,Stimulation 134

Unterstützungsfläche 104

V

Variabilität 78Verarbeitungsstrategie– kognitive 52– visuelle 52Verdauungsprozess 129Verdauungsstörung 45Verständigung 70Verständnis, therapeutisches86

Vestibulariskern 32Vestibulozerebellum 31Vibrationstherapie 38Vibrieren– Behandlungstechnik 147– manuelles 37Vigilanz 78Vitalzeichen 15Vojta-Prinzip 5

W

Wahrnehmung 96– Essen 142Wahrnehmungsqualität,somatosensorische 27

Wange, Bewegungs-einschränkung 156

West Syndrom 109Williams-Beuren-Syndrom 59– Therapie, funktionelle 60Willkürbewegung 34

X

X-Syndrom, fragiles 46

Z

Zahn-/Kieferentwicklung 67Zerebralparese 46, 64– ataktische 48, 65– Definition 64– dyskinetische 48, 65– dystone 65– Klassifikation 65– Sonde 137– spastische 65Zöliakie 45Zone, motorische 107Zunge, Fehlfunktion 154Zungendiastase 53Zusammenarbeit,interprofessionelle 8

Zusammenleben 10Zwischenposition 103, 108

Sachverzeichnis :: 171

Türk/Söhlemann/Rummel, Das Castillo Morales-Konzept (ISBN 9783131604316), © 2012 Georg Thieme Verlag KG

Page 34: C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H. Das Castillo Morales ... · Buch und in den Fortbildungen vermittelt werden, mit Geduld, Respekt und Aufmerksamkeit aufzu-nehmen, zu deuten und

by naturmed FachbuchvertriebAidenbachstr. 78, 81379 München

Tel.: + 49 89 7499-156, Fax: + 49 89 7499-157Email: [email protected], Web: http://www.naturmed.de

zum Bestellen hier klicken

C. Türk | S. Söhlemann | Rummel-H.Das Castillo Morales-Konzept

mit 108 Abbildungen ISBN: 9783131604316