C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER...

52
C1_C2 FRAUENFÖRDERPROGRAMM AN DER TU BERLIN Dokumentation & Porträts

Transcript of C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER...

Page 1: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

C1_C2FRAUENFÖRDERPROGRAMM AN DER TU BERLINDokumentation & Porträts

Page 2: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten
Page 3: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

C1_C2 FRAUENFÖRDERPROGRAMM AN DER TU BERLIN

Page 4: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten
Page 5: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

INHALTGrußwort...............................................................................................................7

Zu dieser Broschüre.......................................................................................8

20 Jahre C1/C2-Programm zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft....................................................................................................10

Interview mit Ulrike Strate.......................................................................12

Porträts Christine KeiteL............................................................................16

Birgit Kanngießer.......................................................................20

Claudia Kostka.............................................................................24

Susanne Hofmann......................................................................28

Regine von Klitzing....................................................................32

Petra Lucht.....................................................................................36

Athina Zouni...................................................................................40

Umbruch - Aufbruch ....................................................................................44

Teilnehmerinnen des C1/C2-Programms.........................................46

Impressum........................................................................................................48

Page 6: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten
Page 7: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Die Förderung von Frauen an der Hochschule, und wohl ganz besonders an einer technischen Universität, ist keine triviale Aufgabe. Wenn sie nicht mehr als eine bloße Absichtserklärung ist, wird sie keinen Erfolg haben. Es bedarf vielmehr gezielter und konzentrierter Aktionen, die dafür sorgen und schließlich auch sichtbar machen, dass es eine Vielzahl qualifizierter Frauen gibt, die eingestellt oder berufen werden konnten. Wissenschaftlerinnen können die Atmosphäre und Politik einer Universität nur mitgestalten, wenn sie in größerer Zahl Verantwortung übernehmen und nicht nur eine Ausnahmeerscheinung darstellen, die im Einzelfall unter der Last von Ämtern und Verantwortung eingeschränkt wird.

Um dies zu verhindern, und damit einen Kulturwandel an einer technischen Hochschule zu vollziehen, war und ist das Zusammenspiel vieler Faktoren und Akteure auf verschiedenen Ebenen notwendig. Und es ist nicht zu verhehlen, dass ein solcher Wandel nicht umsonst zu haben ist.

Als der Berliner Senat 1990 ein Förderprogramm zur Qualifikation von Wissenschaftlerinnen auflegte, mit dem die Schaffung zusätzlicher Stellen unterstützt werden sollte, hat

die TU Berlin die Gelegenheit von Beginn an genutzt. Noch im selben Jahr wurden neun einschlägig qualifizierte Frauen in der Post-Doc-Phase eingestellt. Seither, also im Verlauf von 20 Jahren, haben mehr als 50 Wissenschaftlerinnen an dem Programm teilgenommen und sich auf ihren Stellen weiterqualifiziert. Gleichzeitig ergänzen sie mit ihrer Arbeit das Lehrangebot und gestalten die Fachkultur am jeweiligen Institut mit. Es ist also ein Commitment, von dem nicht nur die Wissenschaftlerinnen, sondern in hohem Maße auch die Fakultäten und damit die gesamte Universität profitieren.

Ich freue mich, dass die TU Berlin mit dieser Broschüre nun eine Übersicht über das C1/C2-Programm gibt und ihm mit sieben exemplarischen Portraits ein Gesicht verleiht. Im Namen der gesamten Leitung unserer Universität wünsche ich mir, dass diese Beispiele weiter Schule machen und so unsere Bemühungen, in allen Wissenschaftsbereichen mehr Frauen zu beschäftigen, weiter unterstützen.

Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach Präsident TU Berlin

GRUßWORTC1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung

7

Page 8: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

ZU DIESER BROSCHÜRE

Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten und einflussreichsten Frauenfördermaßnahmen an Berliner Hochschulen der letzten 20 Jahre. Mit dem C1/C2-Programm stellte der damalige rot-grüne Senat Berlins gezielt Gelder zur Verfügung, damit sich Wissenschaftlerinnen nach der Promotion weiter qualifizieren konnten. Auswahl und Betreuung des Programms unterliegen der jeweiligen Zentralen Frauenbeauftragten (ZFA) und dem Beirat der ZFA.

Mit dieser Broschüre möchten wir ein Fazit der Arbeit ziehen und einen ersten Ausblick bieten, welche Aspekte aktueller Standards und Anforderungen an eine angepasste Fördermaßnahme nötig sind. Die Zentrale Frauenbeauftragte, Dr. Andrea Blumtritt, beschreibt in ihrem Text neue Zukunftswege. Die ehemaligen Zentralen Frauenbeauftragten, Ulrike Strate und Heidi Degethoff de Campos, schildern in Interview und Text den Start sowie den Verlauf des Programms an der TU Berlin aus ihrer Sicht.

Bei über 50 Teilnehmerinnen im C1/C2-Programm mündete nicht bei allen Frauen der Karriereweg in eine Professur. Dies war auch nicht immer der ausdrückliche Wunsch der Teilnehmerinnen. Auf einer temporär gesicherten Stelle wissenschaftliche und persönliche Entscheidungsfreiheit zu behalten, war wohl eines der herausragenden Merkmale des Programms. In der zur Verfügung stehenden Zeit war es nicht leicht, jede einzelne Wissenschaftlerin an der gesamten Hochschule sichtbar zu machen und ihre Arbeit umfassend zu vernetzen. Mit der Broschüre wollen wir einige Teilnehmerinnen in sieben Porträts vorstellen. Der Umfang der Broschüre erlaubt uns nur eine kleine Auswahl zu treffen, die auch von der Erreichbarkeit der Porträtierten abhängig ist. Dabei haben wir einen Schwerpunkt auf die Darstellung möglichst verschiedener Karrierewege gelegt. Zusätzlich zur gedruckten Broschüre wird in Zusammenarbeit mit der Pressestelle der TU Berlin eine „Online-Broschüre“ entstehen, die nicht nur die hier versammelten Texte und Porträts umfasst. Damit möchten wir alle (ehemaligen) Teilnehmerinnen aufrufen, der Liste ihr eigenes Porträt hinzuzufügen. Das Ziel ist die

8

Page 9: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Vorstellung aller geförderten Frauen. Wir hoffen, auf diese Weise ein möglichst umfassendes Bild des C1/C2-Programms an der TU Berlin zu kreieren.

Wir danken allen Frauen, die sich für ein Porträt zur Ver-fügung gestellt haben, und allen gleichstellungspolitischen Akteur_innen, die uns bei unserer Arbeit unterstützt haben. Ein besonderer Dank geht an das Referat für Presse und Information der TU Berlin, insbesondere der Leiterin Stefanie Terp und dem Fotografen Ulrich Dahl.

Josephine BürgelJennifer Lynn ErdelmeierKatharina Schütz

9

Page 10: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

FRAUENFÖRDERUNG IN DER WISSENSCHAFT von Heidi Degethoff de Campos

Von den ersten C1/C2-Stellen, die die rot-grüne Landesregierung in Berlin 1989/90 aufgelegt hatte, um die Mitte der 90er Jahre zu erwartende „Emeretierungswelle“ für die Etablierung von Frauen auf Professuren zu nutzen, wurden 20 Stellen an die TU Berlin vergeben. Da die TUB zu diesem Zeitpunkt noch keine Zentrale Frauenbeauftragte gewählt hatte, aber das Wahlgremium als „Beirat bei der Zentralen Frauenbeauftragten“ sich bereits etabliert hatte, verfügte der damalige Präsident, Prof. Manfred Fricke, dass sich dieses Gremium mit der Besetzung der Stellen befassen sollte. Dem Beirat gehörten damals zwei Professorinnen der Arbeitsstelle „Sozial-, kultur- und erziehungswissenschaftliche Frauenforschung“ an, die sich bereits seit vielen Jahren sowohl mit Frauenforschung als auch mit Hochschulpolitik beschäftigten und also die Technische Universität Berlin und ihre verschiedenen Fachkulturen sehr gut kannten. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern ersannen sie ein Verfahren, mit dem die Stellen an der TU Berlin vergeben werden sollten. Der Grundgedanke war zunächst der, dass es zwar sehr wichtig sei, Wissenschaftlerinnen in die Fächer zu bekommen, andererseits stellte sich aber auch die Frage, was hat eigentlich die TU Berlin beziehungsweise was haben die Fachbereiche und Institute davon. Vor diesem

Hintergrund fiel die Entscheidung, die Stellen nicht in die wissenschaftlichen Bereiche zu geben, sondern sie zentral auszuschreiben und zu besetzen, relativ leicht, weil damit Einfluss auf die Entscheidung genommen werden konnte, welche Wissenschaftlerin ausgewählt wurde. Dieses Konzept ist bis zur dritten und letzten Besetzungsrunde 2004 gegen zum Teil erheblichen Widerstand vieler Professoren beibehalten worden. Im Jahr 1996, als das Programm ohne aufgestockt zu werden an die Berliner Hochschulen aufgeteilt wurde, musste die TU Berlin nur zwei Stellen an die Humboldt Universität zu Berlin abgeben.

Das Ergebnis der Stellenvergabe zeigt sich meines Erachtens an einigen Beispielen sehr deutlich: die Mehrheit der mehr als 50 Wissenschaftlerinnen, die in dem Programm gefördert wurden, sind heute Professorinnen (in der ersten Runde von 1990/1991 wurden vier noch aus dem Programm heraus auf C4-Stellen berufen), sie sind in außeruniversitären Forschungsinstituten tätig oder haben sich selbstständig gemacht. Die TU Berlin hat von den Wissenschaftlerinnen profitiert, die spezielle Gebiete fachübergreifend, nachhaltig oder unter sozial-ökologischen Fragestellungen bearbeitetet haben.

10

Page 11: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Bemerkenswert ist außerdem, dass es in der ersten Runde noch sehr schwierig war, hoch qualifizierte Wissenschaftlerinnen zu finden, um die 20 Stellen zu besetzen. Im letzten Auswahlverfahren 2004 hingegen haben sich auf 10 ausgeschriebene Stellen 240 Wissenschaftlerinnen beworben. Da die Frauen außerordentlich hoch qualifiziert waren, wurden anstelle der geplanten 10 sogar 14 Stellen besetzt. Dies konnte nur ermöglicht werden, weil die Fachgebiete eigene Stellen zur Verfügung stellten.

Mit großer Befriedigung kann festgehalten werden, dass es gelungen ist, vier der im Programm geförderten Wissenschaftlerinnen zurückzuberufen oder als Professorin zu behalten.

11

Page 12: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

INTERVIEW MIT ULRIKE STRATE1. Zentrale Frauenbeauftragte der TU Berlin von 1991 bis 1993

Sie haben als engagierte Frauenförderin und erste Zentrale Frauenbeauftragte der TU Berlin die Installierung des C1/C2-Frauenförderprogramms aus nächster Nähe miterlebt. Wie würden Sie die Entstehung und die Hintergründe im Jahr 1990 beschreiben?

Wir hatten damals einen rot-grünen Senat, in dem überproportional viele Frauen vertreten waren. Dieser Senat hatte beschlossen, den Universitäten Mittel zur Förderung von Wissenschaftlerinnen zur Verfügung zu stellen. Engagierte TU-Professorinnen, unter ihnen die erste Vizepräsidentin an der TU, Prof. Dr. Renate Fuchs, kamen auf die wegweisende Idee, das Geld hier an der TU – anstatt es in Projekte zu „stopfen“ – in einem Förderprogramm für Nachwuchswissenschaftlerinnen auf C1/C2-Stellen anzulegen. Damals ging es zunächst nur um C1-Stellen, da es viel zu wenige Nachwuchswissenschaftlerinnen gab, die sich habilitierten. Doch uns war klar: wenn wir Frauen in den Fachgebieten haben wollen, dann müssen auch ausreichend Anreize da sein.

Wer war damals für die Auswahl zuständig? Das Amt der Zentralen Frauenbeauftragten wurde an der TU Berlin ja erst 1991 eingerichtet.

Es gab für die Frauenförderung bereits 1990 einen Frauenbeirat. Dieser wurde mit der Auswahl betraut und blieb dies auch mehr als zwei Jahrzehnte lang. Ich war als Zentrale Frauenbeauftragte gar nicht an der Auswahl beteiligt und habe auch nicht immer an den Diskussionen teilgenommen. Der Beirat hat aber nicht völlig autonom entschieden, sondern in Kooperation mit Mitgliedern der damaligen Kommission für Forschung und Wissenschaftlichen Nachwuchs (FNK) und der Kommission für Entwicklungsplanung (EPK).

Wieso gab es an dieser Stelle eine Kooperation?

Uns war völlig klar: wenn die Forschungskommission den Auswahlkriterien nicht zustimmt oder die Frauen als „anders Geförderte“ einstuft, dann haben diese Frauen einen schweren Stand in der Universität. Deshalb musste die Auswahlentscheidung von dieser Stelle aus mitgetragen werden. Der Beirat hatte ein großes Interesse daran, dass diese Auswahl im

12

Page 13: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Einvernehmen mit der FNK und der EPK verlief, um die Akzeptanz sowohl der Auswahlkriterien als auch des Auswahlverfahrens innerhalb der Universität zu erhöhen.

Welche Aspekte wurden zu Auswahlkriterien bestimmt?

Natürlich stand es immer außer Frage, dass es sich bei den Kandidatinnen um wissenschaftlich kompetente Frauen handeln musste. Dies sollte aber nicht das alleinige Kriterium darstellen. Wir wollten besondere Frauen mit sozialem Engagement, deren Lebensläufe auch über Nebenwege oder in Nischen führten. Wir wollten also Frauen, deren Lebenswege möglichst nicht stromlinienförmig verliefen und die in ungewöhnlichen, zukunftsweisenden, grenzüberschreitenden Feldern forschten. Wir hatten in unserer Arbeit festgestellt, dass gerade Frauen in Nischen forschen, weil viele gängige Bereiche von den Männern besetzt waren. Interdisziplinarität war ein weiteres wichtiges Förderkriterium. Die Kriterien für eine C1/C2-Förderstelle - Frauen in ihrer gesamten Persönlichkeit zu berücksichtigen - ähneln denen des Clara-von-Simson-Preises, mit dem die besten Studienabschlussarbeiten von Frauen vorrangig in den Natur- und Technikwissenschaften jährlich prämiert werden. Neben der wissenschaftlichen Qualifikation zählte vor allem auch ein hohes soziales Engagement. Darüber hinaus war es wichtig zu berücksichtigen, dass

die Kindererziehung parallel zur wissenschaftlichen Arbeit nicht zum Nachteil für die Frauen wurde. Zumindest mit diesem Förderinstrument sollten Frauen mit Kindern unterstützt werden.

Gab es noch weitere Kooperationen oder Strategien, die die Entwicklung des Programms begünstigten?

Es gab den Kollegen Schleifer, Entwicklungsplaner der TU Berlin, der natürlich einen sehr guten Überblick über die gesamte Strukturentwicklung hatte. Er beriet die Auswahlkommission zu Fragen von strukturellen Konsequenzen. Damit konnten Fachgebiete zukunftsorientiert durch eine zusätzliche C1/C2-Stelle aus dem Förderprogramm unterstützt werden. Die Fachgebiete, denen Stellen zugewiesen werden sollten, waren übrigens letztendlich an der endgültigen Personalentscheidung beteiligt.

Was ist Ihrer Ansicht nach das Erfolgsmerkmal des C1/C2-Förderprogramms?

Ein Beleg dafür, dass das Programm hervorragend funktioniert hat, ist für mich die Tatsache, dass sehr viele Frauen aus dem Programm von der Qualifikationsstufe C1 direkt auf eine Professur berufen wurden, darunter etliche auf C4-Stellen, heute vergleichbar mit W3. Überhaupt sehe ich es als Erfolg, dass die meisten, die es beabsichtigten, tatsächlich eine wissenschaftliche Karriere gemacht haben. Das

13

Page 14: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Programm hatte einen sehr guten Ruf entwickelt, und es fand an der TUB breite Akzeptanz. Man darf aber nicht vergessen, dass es sich hierbei ursprünglich um Senatsgelder handelte. Die Universität hätte ein solches Programm nicht aus sich selbst heraus stemmen können. Im Vergleich zu den Erfolgen – gab es auch Schwächen in dem Programm? Konnten sich beispielsweise die Frauen ohne weiteres ihrer eigenen Karriereplanung widmen, oder wie stark waren sie in die Abläufe im jeweiligen Fachbereich bzw. in der Fakultät eingebunden?

Ich habe damals keine inhaltlichen Schwächen in dem Programm gesehen. Ein großes Problem war aber, dass mit der Zuweisung der Stellen keinerlei Basisausstattung verbunden war, weder ein Bleistift, noch ein Computer usw. Das musste aus den Fakultäten finanziert werden, was nur sehr schwer gelang, sodass Mittel aus zentralen Töpfen zur Verfügung gestellt werden mussten. Inhaltlich mussten die Frauen aus dem Förderprogramm natürlich nichts anderes machen, als die anderen C1/C2-Frauen auch. Was ich mir aber als Schwierigkeit vorstellen kann, ist, dass sich Frauen grundsätzlich eher überdurchschnittlich stark in ihrem Umfeld engagieren – also das „Caring“ mit in ihre Fachgebiete hinein getragen haben. Wenn Frauen sich viel stärker um allgemeine Belange kümmern und sich z.B. sehr stark in Lehre und Betreuung involvieren, laufen sie eher Gefahr, ihre persönliche

Karriereplanung zu vernachlässigen. Das ist meines Erachtens eine typische weibliche Eigenschaft. Wenn Frauen nicht stringent karriereorientiert sind, hat das aber nichts mit einem solchen Programm zu tun.

Wissen Sie, wie diese Problematik damals innerhalb der Verantwortlichen in dem Frauenfördernetzwerk diskutiert wurde?

Ich habe mich immer auch in der Arbeitsstelle für „Sozial-, kultur- und erziehungswissenschaftliche Frauenforschung“ engagiert. Hier wurde das Thema „Wie hoch ist der Anteil von Männern und Frauen, die nicht innerhalb der Stellenbefristung erfolgreich ihre Promotion beenden?“ viel diskutiert. Übrigens eine bis heute wichtige Frage, wie die Studie über den wissenschaftlichen Mittelbau, kurz WM-Studie, an der TU zeigt. Denn auch hier stellt sich die Frage nach der Gewichtung der Wahrnehmung von Aufgaben in der Selbstverwaltung, der Lehre und Betreuung, und der eigenen Weiterqualifikation. Aber man muss auch sagen, dass die Arbeitsbedingungen an den Universitäten in Zeiten der Studienreform für den Wissenschaftlichen Mittelbau nicht einfacher geworden sind und es für beide Geschlechter schwierig ist, in der vorgegebenen Zeit erfolgreich die Promotion abzuschließen. Das ist wirklich kein reines „Frauenproblem“.

14

Page 15: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Wenn Sie sich etwas wünschen könnten: Wie sollte die Frauenförderung heute im Wissenschaftsbetrieb aussehen?

Sie meinen reine Vision, ohne Realität? Natürlich, dass wir keine Frauenförderung mehr brauchen, dass wir „Halbe/Halbe“ haben, und dass Männer viel stärker in die von Frauen dominierten Bereiche reinkommen, denn ich denke, sie können eine Menge davon profitieren. Und ich wünsche mir umgekehrt, dass junge Frauen ein selbstverständliches Interesse an Naturwissenschaften und Technik haben. Eine lebenswertere Gesellschaft wäre schön, in der beide Geschlechter die gleiche Verantwortung für die wissenschaftlichen Erkenntnisse übernehmen.

15

Page 16: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

PROF. DR. math. DR. h.c.sc. mult. CHRISTINE KEITEL

„Ich war 1986 die allererste Frau an der TUB, die in Mathematik habilitierte. Man musste damals extra die Habilitationsordnung ändern, weil in ihr natürlich nur von Herren die Rede war.”

Christine Keitel studierte Physik und Mathematik in Köln (Vordiplom) und Mathematik, Soziologie und Philosophie in Berlin (Diplom), sie promovierte an der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld und habilitierte sich als erste Frau an der Fakultät für Mathematik der TU Berlin.Sie war Forschungsstipendiatin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Bildungs-forschung Berlin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Didaktik der Mathematik der Universität Bielefeld und Leiterin des Drittmittelprojekts EPAS, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Oberassistentin/C2-Professorin am Fachbereich Mathematik der TU Berlin. 1992 wurde sie Professorin am Fachbereich Erzie-hungswissenschaft der FU Berlin. Sie war geschäfts-

führende Direktorin des Instituts, Vorsitzende der Ausbildungskommission des Fachbereichs und der Kommission für Lehrangelegenheiten der FU Berlin, Mitglied im Akademischen Senat, langjährige Vorsit-zende des Frauenrats, des Beirats der ZE Frauenstu-dien/Frauenforschung, des Prüfungsausschusses Leh-rerbildung, der Kommission für Nachwuchsförderung (KFN) sowie Vizepräsidentin der FU Berlin 1997-1999 und 2007-2010, unter anderem verantwortlich für Lehre und Studium und Frauenförderung. 1999 erhielt sie den Alexander-von-Humboldt Award for Capacity Building in Südafrika und die Ehrendoktorwürde der University Southampton in England, 2009 die der University Shumen in Bulgarien.

16

Page 17: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

17

Page 18: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Frau Keitel, Sie waren 1986 die erste Frau an der TU Berlin, die sich in Mathematik überhaupt habilitierte. Wie steinig war der Weg vom mathematikbegeisterten Mädchen zur Professorin für Mathematik 30 Jahre später?

Einen großen Teil meiner Kindheit habe ich in der DDR verbracht. Mathematik und Naturwissenschaften waren in der Schule von Anfang an schon meine Lieblingsfächer. In der DDR wurden Natur- und Technikwissenschaften als besonders wichtig erachtet, auch für Mädchen. Die Einstellung, Mathematik und die Naturwissenschaften seien nichts für Mädchen, gab es einfach nicht. Als ich mit 13 Jahren, Ende der 1950er, Jahre mit meinen Eltern nach Westdeutschland gezogen bin, war das erst einmal ein Schock für mich: für Mädchen stand dort die humanistische Bildung im Vordergrund. Mir wurde auch gesagt, dass mein Interesse für Mathematik für Mädchen total ungewöhnlich sei und es für mich auf diesem Gebiet keine Berufschancen gäbe.Nach dem Abitur erhielt ich ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Ich war davon überzeugt, dass mir dies gelang, weil ich Mathematik und Physik als Studienfächer gewählt hatte. Das war ein Plus, weil das so selten war. Das waren dann vor allem Vorteile auf der individuellen Ebene, in den Naturwissenschaften selbst wurden Frauen nicht gefördert, im Gegenteil: Sie mussten besser sein als die Männer, um gute Noten zu erhalten.

Wie sahen Anfang der 1960er Jahre die Studienbedingungen für Frauen in Mathematik und Naturwissenschaften aus?

Im ersten Semester an der Uni Köln saßen wir - drei Frauen - zusammen in einem riesigen Hörsaal mit etwa 200 männlichen Studierenden, und der Professor begrüßte uns alle ganz selbstverständlich mit den Worten „Guten Morgen, meine Herren“. Wir dachten natürlich, dass uns der Professor einfach nicht gesehen hat, also saßen wir in der nächsten Vorlesungsstunde direkt in der ersten Reihe, auffallend bunt gekleidet. Doch der Professor sagte wieder „Guten Morgen, meine Herren!“, so ging das noch zwei Wochen, bis wir es nicht mehr aushielten und ihn fragten, warum er uns Frauen in die Begrüßung nicht mit einbeziehe. Der Professor errötete und gab vor, uns nie gesehen zu haben, was natürlich furchtbar gelogen war, da wir ja in der ersten Reihe saßen, wo er uns sehen musste. Für mich war es ein angenehmes Studium, die jungen Männer haben gern mit uns zusammengearbeitet. Die hatten längst nicht mehr so altmodische Ansichten wie die Professoren.Für mich war dann bald klar, dass ich mich mit Mathematik wissenschaftlich auseinander setzen möchte. Deswegen bin ich nach Berlin gegangen, wo deutlich mehr Frauen Mathematik studierten.

18

Page 19: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Welche Erinnerungen haben Sie an die TU Berlin?

Meine Zeit an der TUB war zunächst ein einsames Ringen um Anerkennung, das hing z. B. auch damit zusammen, dass ich mich für Mathematik UND Mathematikdidaktik interessierte und beides in der Ausbildungspraxis verknüpfend einsetzte. Meine Mitarbeit im Fachbereichsrat war eine wichtige Erfahrung für mich: Ich war sehr davon beeindruckt, dass ich dort konstruktiv und in angenehmer Atmosphäre mitarbeiten konnte. Die Mathematikprofessoren haben mich sowohl im Fachbereichsrat als auch in einer Neukonzipierung der Mathematik-Lehrerbildung durchweg unterstützt. Sie haben schließlich auch meine Karriere gefördert: Ich habe als erste Frau am Fachbereich Mathematik habilitieren „dürfen“, und alle Professoren im Fachbereichsrat haben dem Beschluss zugestimmt. Und gleich zu Beginn des C1/C2-Programms wurde ich auch die erste C2-Professorin, die aus diesem Programm an der TUB gefördert wurde, das war natürlich eine sehr erfreuliche Entwicklung nach meiner Habilitation, und beides trug dazu bei, dass ich bald einen Ruf auf eine Professur an der Freien Universität erhielt.

Sind Frauenfördermaßnahmen an Hochschulen eigentlich immer noch zeitgemäß?

Solche Maßnahmen sind notwendig und werden

noch eine Weile gebraucht werden - bis es völlig selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen auf allen Ebenen haben.Einerseits soll Chancengleichheit durch die familienfreundliche Hochschule, die Kinderbetreuung und Elternzeit ermöglicht werden, und andererseits durch eine sehr effektive Strategie in Berufungsverfahren, wie wir sie in den letzten Jahren an der FU Berlin - als ich Vizepräsidentin war - eingeführt haben: Kein Fachbereich kann eine Ausschreibung zur Wiederbesetzung einer Professur starten, wenn er dem Präsidium nicht vorher auf der Basis von Talentscouting und aktiver Ansprache möglicher Kandidat_innen eine Liste mit mindestens drei weiblichen und drei männlichen potenziellen Bewerber_innen vorlegt, mit denen schon direkt Kontakt aufgenommen und als Rückmeldung Interesse bekundet worden ist. Wenn eine solche Liste nicht vorliegt, wird die Ausschreibung der Professur nicht freigegeben.Auch in Berufungskommissionen muss eine hinreichend ausgeglichene Zahl von weiblichen und männlichen Mitgliedern der Fachbereiche aus allen Statusgruppen eingebunden sein. Und bei der Besetzung von wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen wird heute sehr viel genauer auf die Ausgewogenheit von weiblichen und männlichen Kandidaten geachtet - dabei hat sich z. B. gezeigt, dass weibliche Mitarbeiter sogar häufig als besser eingestuft werden als die männlichen.

19

Page 20: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

PROF. DR. BIRGIT KANNGIEßER

„Es gibt seit der Umstrukturierung der Studiengänge immer weniger Freiräume für Studierende, das könnte vor allem für Frauen einen Nachteil bedeuten. Hier würde ich mir Untersuchungen wünschen.“

Birgit Kanngießer, 1963 in Lüdenscheid geboren, studierte Physik, Astronomie und Philosophie an der Universität Bonn. 1995 promovierte sie im Fach Physik an der Universität Bremen. Im Jahr 2004 erfolgte die Habilitation an der TU Berlin. Seit 2009 leitet sie dort als Inhaberin einer Stiftungsprofessur

die Arbeitsgruppe „Analytische Röntgenphysik”. Für ihre Entwicklungen neuer Methoden zur Anwendung von Röntgenstrahlen in der Mikrostrukturanalytik wurde sie 2008 mit dem Röntgenpreis der Justus-Liebig-Universität Gießen ausgezeichnet.

20

Page 21: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

21

Page 22: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Was empfehlen Sie in Bezug auf Ihre eigene Erfahrung jungen Frauen, die eine wissenschaftliche Laufbahn anstreben?

Um Karriere an der Universität machen zu können, sollten Nachwuchswissenschaftlerinnen an sich und die eigene Vision glauben, auf die eigenen inhaltlichen Interessen hören, vermeintliche Umwege nicht gleich verwerfen, sich vernetzen, Reflexionspartnerinnen und –partner suchen und ein eigenes Verständnis von Wissenschaft, Lehre und Forschung entwickeln. Aber zu jedem Erfolg gehört auch immer eine große Portion Glück, das geben Männer oft nicht zu, aber es stimmt. Ich habe versucht, immer auf meinem Weg zu bleiben, mich nicht von blöden Kommentaren abbringen zu lassen. Es ist zwar etwas kitschig, aber ich wollte schon immer Astronautin werden. Deshalb habe ich angefangen, Astronomie zu studieren und für Astronomie braucht man ein volles Physikstudium. Aber schon zu Schulzeiten bin ich ein bisschen aufgewacht, da waren wir nämlich nur zwei Mädchen im Physikleistungskurs. Als wir beide dann auch noch die besten Klausurergebnisse hatten, war der Physiklehrer stinksauer. Deswegen habe ich mich aber von meinem Traum, Astronautin zu werden, nicht abbringen lassen.

Wie viel Frauenförderung braucht beispielsweise das Physikstudium an der TU Berlin noch heute?

Im Physikstudium hat sich inzwischen vieles geändert: Momentan liegen die Anfängerinnenzahlen bei 20%. Als ich angefangen habe, waren es unter 10%. Auf insgesamt 250 Studierende kamen sechs Frauen. Damals gab es immer noch sehr starre Genderzuschreibungen. Mein politisches Bewusstsein hat mir geholfen, damit klar zu kommen und es nicht persönlich zu nehmen, sondern die Strukturen dahinter zu erkennen.Trotz der Verbesserungen sind gezielte Frauenfördermaßnahmen auch heute noch notwendig. Auf allen Ebenen der TU kann man auf sehr engagierte Menschen treffen, die den entscheidenden Unterschied zu einer verknöcherten Struktur ausmachen. Die TU bietet sehr gute Instrumente mit einem Bündel von geeigneten Maßnahmen. Hervorzuheben sind das Doktorandinnenprogramm, das C1/C2-Programm und das ProFil-Programm. Denn ohne das C1/C2- und das ProFil-Programm wäre ich heute sicherlich nicht Professorin an der TU Berlin. In Zeiten des Bologna-Prozesses und der Exzellenzinitiative bedarf es neuer, zusätzlicher Instrumente, zu der veränderten Situation an den Universitäten passen.

22

Page 23: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Um den Frauenanteil insbesondere in den MINT-Fächern zu steigern, braucht es bekannterweise einen langen Atem. Könnte diese Entwicklung durch eine Quotierung optimiert werden?

Ich bin mir nicht sicher, ob eine Frauenquote in der Wissenschaft etwas verändern würde. Die Quote ist ein legitimes Instrument - in der Wirtschaft sogar noch mehr, weil die ganzen Absichtserklärungen bisher überhaupt nichts bewegt haben. Aber an der Universität hat sich dazu im Vergleich zur Wirtschaft einiges bewegt. Nicht umsonst gab es das C1/C2-Frauenförderprogramm und viele andere Frauenförderinstrumente. Die TU Berlin ist da ja ziemlich stark drin. Deswegen weiß ich nicht genau, ob sich gegenwärtig durch die Forderung nach einer Quote etwas bewegen würde. Dennoch ist zu betonen, dass sich die Karrierechancen für Frauen an den Universitäten in den vergangenen 20 Jahren deutlich verbessert haben. Meine erste Vorlesung begann noch mit einer besonderen Ansprache an die Studentinnen, um ihnen zu erklären, dass sie in der Physik nichts zu suchen hätten. Allerdings ist die Glasdecke immer noch nicht vollständig beseitigt. Viele positive Entwicklungen hängen noch zu sehr an einzelnen engagierten Menschen und müssen weiter verselbstständigt werden.

Sehen Sie sich als Vorbild insbesondere für Studentinnen und junge Wissenschaftlerinnen?

Ich freue mich, wenn ich mitbekomme, dass ich tatsächlich eine Vorbildfunktion habe, dass es einen Unterschied gäbe, wenn ich als Mann vor den Studentinnen sitzen würde. In Gesprächen mit jungen Wissenschaftlerinnen merke ich häufig, gerade wenn es um das Thema Lebensweg und die damit verbundenen Zweifel am eigenen Können geht, dass ich eine bessere Beraterin bin, als ein männlicher Chef. Denn dann handelt es sich um die berühmte „Selbstbewusstseinsfalle“. Den Mädchen wird schon früh eingetrichtert, dass sie in den Naturwissenschaften nichts verloren hätten. Da glaube ich, macht es wirklich einen Unterschied, dass sie eine Betreuerin haben.

23

Page 24: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

DR. CLAUDIA KOSTKA

„Wichtiger als die Quote, finde ich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf innerhalb der Frauenförderung.“

Claudia Kostka wurde 1964 in Bischofswerda (Sachsen) geboren. Sie studierte Krankenpflege an der Medizinischen Fachschule Arnsdorf bei Dresden und von 1989-1995 Maschinenbau und Produktionstechnik an der TU Berlin.1995-1997 promovierte sie im Fach Qualitäts-wissenschaft bei Prof. Dr.-Ing. Gerd F. Kamiske an der TU Berlin. 1998–2005 war sie Oberingenieurin (C2) am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb im Bereich Qualitätswissenschaft an der TU Berlin. In

diesem Zeitraum etablierte sie dort das Fach Change Management. Seit 2005 ist sie freiberufliche Trainerin und Beraterin für Organisations- und Persönlichkeitsentwicklung. Sie entwickelte eigene Trainingsprogramme wie Leading Change, Leading Process, Leading Body & Soul als offene Seminarreihen und gründete 2007 das Trainings- und Beratungsunternehmen Energetic Change GmbH.

24

Page 25: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

25

Page 26: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Frau Kostka, entspricht Frauenförderung an Universitäten dem heutigen Zeitgeist?

Frauenförderung ist heute immer noch sehr wichtig, sollte aber neu konzipiert werden und wesentlich früher einsetzen. Es sollte eine konsequente und systematische Persönlichkeitsförderung geben, die bereits in der Schule beginnt, die Frauen und Männern das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die darin enthaltenen Chancen verdeutlicht. Bildung sollte wesentlich strukturierter auf die Unterschiede von Frauen und Männern eingehen, sie überbrücken und so die Stärken von beiden besser für die gezielte Persönlichkeitsentwicklung nutzen. Beide können voneinander viel lernen. Wir brauchen neue Formen der Organisation. Und dabei ist die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung essenziell.Das C1/C2-Programm war für meine Familienplanung perfekt, aber ich brauchte noch mehr (Gestaltungs-)Freiheit und Handlungsspielraum. Deshalb habe ich mich als Unternehmensberaterin, Trainerin und Coach mit der Gründung der Energetic Change GmbH auf eigene Beine gestellt. Wir kombinieren hier Persönlichkeits- und Organisationsentwicklung als zentralen Bestandteil unserer Beratungstätigkeit.

Wie stehen Sie zu einer Frauenquote in der Wirtschaft, aber auch in Wissenschaft und Forschung?

Für die strukturelle Frauenförderung ist die

Einführung einer Frauenquote in der Wirtschaft und im Wissenschaftsbetrieb sicherlich nicht hinderlich, aber sie reicht nicht aus. Die Quote ist nur ein Mittel von vielen, die den wirklichen Problemen jedoch nicht auf den Grund geht und deshalb nicht die gewünschten Veränderungen mit sich bringen kann.Wichtiger als die Quote finde ich deshalb, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei der Frauenförderung einbezogen wird. Wir sollten uns über Fragen zur Work-Life-Balance Gedanken machen. Dazu gehören „Wie viel Zeit verbringe ich auf der Arbeit, wie viel mit meiner Familie?“ und „Wann gehe ich ins Büro und wann komme ich wieder raus?“. Und zwar Frauen und Männer. Frauenförderung geht nicht ohne Männerförderung, so einfach ist das. Wir sollten uns an den skandinavischen Ländern ein Beispiel nehmen, die haben das mit der Männerförderung schon längst begriffen. In Dänemark ist der Vaterschaftsurlaub für Männer ausdrücklich erwünscht. Männer, die den Erziehungsurlaub nicht annehmen, bekommen nicht die gleichen steuerlichen Vergünstigungen, wie Familien mit Vätern, die den Erziehungsurlaub annehmen.

Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?

Ach, um Himmels Willen! Ich glaube die meisten Ostfrauen sind mit dieser Thematik überfordert, in der DDR wurden wir damit einfach nicht konfrontiert. Ich musste mich mit dieser Thematik das erste Mal

26

Page 27: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

gezwungenermaßen im Studium auseinandersetzen, als ich mich entschieden hatte, an der TU Berlin Maschinenbau zu studieren. Der Frauenanteil lag bei unter 10%. In der DDR war es nichts besonderes, das eine Frau Maschinenbau studiert, das war ganz normal. Frauen wurden in technischen Berufen gefördert, weil ihre Arbeitskraft gebraucht wurde. Im Westen war das alles andere als selbstverständlich.

Haben sich die Karrierechancen für Frauen an Hochschulen in den letzten 20 Jahren in Deutschland verändert?

Sicher, alles verändert sich. Ich denke allerdings nicht, dass es fundamentale Fortschritte hinsichtlich der organisatorischen Strukturen an Hochschulen gegeben hat. Das sind immer nur Einzelne, die sich hervorheben, die den Unterschied machen. Aber immerhin ist der Anteil an Professorinnen auf über 18% gestiegen.

Was sind Ihre Tipps für Nachwuchswissenschaft-lerinnen, die Karriere an der Universität machen?

Wichtig ist, die eigene Rolle zu verstehen und das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie für sich selbst zu klären. Vor allem, eigene Ziele klar zu formulieren und einen Plan zur Realisierung dieser Ziele aufzustellen. Dann braucht es Fleiß und Geduld, um die passenden Chancen kommen zu lassen. Erfolg

entsteht durch Vorbereitung und Gelegenheit. Ehrgeiz würde ich heute minimieren und stattdessen besser meiner Intuition folgen.Gut ist es, die Machtspiele, die um einen herum gespielt werden, möglichst schnell zu durchschauen, zu vermeiden hineingezogen zu werden und die daraus resultierenden Fallen möglichst vorauszusehen. Der Aufbau und die Pflege von beruflichen Netzwerken sind nicht nur in der Wissenschaft für die zukünftige Karriere von großer Bedeutung.

Wenn Sie an ihre Zeit an der TU Berlin zurückdenken, was waren Ihre schönsten Erfahrungen im C1/C2-Programm?

Ich habe die Lehrveranstaltung Change Management aufgebaut und fest im Vorlesungsverzeichnis verankert. Das Fach und die Veranstaltungsform waren 1998 ein Novum. Die Arbeit mit den Studierenden war mir ein Bedürfnis. Wäre ich sofort in die Selbstständigkeit gegangen, hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt, so vielen Studierenden wissenschaftliches Arbeiten zu vermitteln und sie auf ihrem Weg in die Wirtschaft zu begleiten. Das war eine ausgesprochen schöne Erfahrung! Ich denke sehr gerne an die kreativen Veranstaltungen, in denen wir besonders viel gelacht haben.

27

Page 28: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

PROF. SUSANNE HOFMANN

„Der Frauenanteil unter den wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen hat sich meines Erachtens in den letzten Jahren nicht verändert...”

Susanne Hofmann, 1963 in Bad Kissingen geboren, studierte an der TU München, der Akademie der Bildenden Künste München und der Architectural Association School of Architecture in London. Seit 1996 hat sie Lehraufträge an der Westminster University, London, der HAW Hamburg und der TU Berlin. 1998-2003 war sie Wissenschaftliche

Mitarbeiterin an der TU Berlin. 2003 gründete sie das Architekturbüro Susanne Hofmann Architekten und die Baupiloten. Seit 2009 ist sie Vertretungsprofessorin für das Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren, Wohnungsbauten und Kulturbauten an der TU Berlin.

28

Page 29: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

29

Page 30: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Was raten Sie aufgrund Ihrer eigenen Erfahrung Nachwuchswissenschaftlerinnen für ihre Karriereplanung?

Diese Frage ist insofern sehr spannend, da die Wissenschaftlichkeit der Architekturforschung noch immer wenig unter Architekten anerkannt ist. Nur zu oft wird auch an unserem Institut die Meinung vertreten, dass das gebaute Werk einer wissenschaftlichen Forschung vorzuziehen und nur mit der Erfahrung von gebauten Projekten die Lehre sinnvoll durchführbar sei. Eine Karriere im Büro geht jedoch gerade nicht konform mit den Zielen einer engagierten Lehre und Forschung. Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter am Institut für Architektur muss man zwischen den beiden Möglichkeiten Praxis und Theorie in der Regel wählen. Entscheidet man sich für die Lehre und Forschung, gibt es keinen „natürlichen“ weiteren Werdegang. Fortführende Stellen an der Universität sind rar, Forschungsprojekte sind meist unter Obhut einer Professorin oder eines Professors zu akquirieren und auszuführen. Hier bräuchten junge Wissenschaftlerinnen Unterstützung und Hinweise, wie und wo man sich auch unabhängig von der Uni in die Forschung einbringen könnte.Insofern ist mein Rat an junge Nachwuchs-wissenschaftlerinnen sehr gespalten. Ich selbst finde es großartig, zu forschen, Themen weiterzubringen, aber noch immer ist es aufgrund der fehlenden Anschlusschancen ein großes Risiko, sich darauf einzulassen. Es gibt zu wenig qualifizierte Stellen für

die weitere Beschäftigung.

Taugt die Architekturwissenschaft als Berufsmodell für Frauen? Wie steht es um die Vereinbarkeit von Leben und Arbeiten?

In Anbetracht gezielter Frauenfördermaßnahmen muss man sagen, dass unter den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Fachrichtung Architektur der Frauenanteil ausgeglichen ist, in der Professorenschaft steigt der weibliche Anteil. Viele Architektinnen haben sicherlich auf Kinder verzichtet, um sowohl Lehre und Forschung, als auch die Projektarbeit im Büro zu meistern – aus der Angst heraus, ansonsten den Anschluss im Beruf zu verlieren. Allein im Vergleich zu dem gesellschaftlich weiterhin vorherrschenden Familienbild müssten die Frauen immer noch verstärkt gefördert werden. Ich glaube sogar, dass eine Stelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin optimal mit Kindern zu vereinbaren ist. Obwohl man seine festen Betreuungszeiten für die Kinder hat, kann man die Restzeiten flexibel gestalten – auch wenn es in der Nacht ist, denn als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Architektur ist es kein Problem, von zu Hause zu arbeiten.

Welche Auswirkungen hatte Ihre Teilnahme am C1/C2-Programm auf Ihre wissenschaftliche Arbeit?

Für mich war das C1/C2-Programm extrem förderlich. 30

Page 31: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Zum Ende meiner Anstellung als Wissenschaftliche Mitarbeiterin habe ich das Studienprojekt „Die Baupiloten“ aus der Überzeugung heraus gegründet, dass Lehre stärker mit der Praxis verflochten sein sollte. Ein Semester lang habe ich mich trotz eines kleinen Lehrauftrags für dieses Projekt hauptberuflich eingesetzt, mit dem Erfolg, dass es zum Studienreformprojekt bestimmt wurde und schließlich hatte ich die großartige Chance, dieses durch die C1-Förderung weiter zu entwickeln. Das experimentelle Lehrkonzept konnte ich nur erproben und in Vorlesungen und zu weltweiten Veröffentlichungen bringen, weil meine Finanzierung gesichert war. Auch heute bin ich immer noch verantwortlich für die Akquise der Projekte, die Geschäftsführung und die Buchhaltung. Nach wie vor verzahnen wir für die Studierenden Theorie und Praxis, und natürlich hoffe ich, dass das Projekt in die reguläre Lehre übergeht, aber dies scheint sehr schwierig zu sein. Dennoch habe ich den Eindruck, dass wir ziemlich viel ausgelöst haben, denn es gibt immer mehr Projekte, die in die Lehre mit eingebunden sind, das ist sehr auffällig.

Wie steht´s um den Frauenanteil im Wissenschaftsfeld Architektur?

Der Frauenanteil unter den wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen hat sich meines Erachtens in den letzten Jahren nicht verändert, ich habe auch nicht

den Eindruck, dass mehr Frauen das Risiko der Konzentration auf die Forschung und Dissertation eingehen, die Sorge um die Anschlusskarriere an der TU bleibt unverändert. Es gibt mehr Frauen an dem Institut für Architektur, aber nicht Frauen, die promoviert haben, sondern bei denen das renommierte, gebaute Werk im Hintergrund steht statt der wissenschaftlichen Karriere und Forschung.Merkwürdigerweise gibt es bei den Architekten unglaublich wenig Chefinnen in Architekturbüros, obwohl sie an der Uni noch 50 % der Studierendenschaft bilden. Dies ist sehr verwunderlich, weil die Frauen ja nicht schlechter sind, im Gegenteil, sie sind oft zielstrebiger und steigen tiefer ein. Doch trotzdem, anscheinend gehört sehr viel Mut dazu, sich selbstständig zu machen, und deswegen sind in den Architekturbüros wenige Chefinnen. Aber an der Universität muss ja nicht unbedingt die Chefin eines Architekturbüros die Professur übernehmen. In der Realität werden jedoch in Berufungskommissionen nur Professor_innen berufen, die ihr eigenes, erfolgreiches Büro haben. Die Universitäten müssten sich dann ein bisschen öffnen und auch nach geeigneten Frauen ohne eigene Architekturbüros schauen. Meiner Meinung nach ist das ohnehin nicht notwendig, da man als Professor_in ganz andere Qualitäten haben muss.

31

Page 32: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

PROF. DR. REGINE VON KLITZING

„Frauen sollen sich frühzeitig freischwimmen und `ihren Mann stehen´. Sie sollen sich in Diskussionen mit männlichen Kollegen behaupten können, in einem positiven Sinne aggressiv sein.”

Regine von Klitzing wurde 1966 in Braunschweig geboren und studierte Physik an der TU Braunschweig und der Universität Göttingen. 1996 promovierte sie am Institut der Physikalischen Chemie an der Universität Mainz. 1996-1997 war sie Postdoktorandin am Centre de Recherche Paul Pascal in Bordeaux-Pessac in Frankreich und 1998-2003 Wissenschaftliche Assis-tentin am Stranski-Laboratorium für Physikalische

und Theoretische Chemie der TU Berlin. 2003 erfolgte dort die Habilitation. 2004 war sie Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und 2004-2006 Professorin für Physikalische Chemie an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Seit 2006 ist sie Professorin für Angewandte Physikalische Chemie und seit 2007 stellvertretende Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Chemie an der TU Berlin.

32

Page 33: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

33

Page 34: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Frau von Klitzing, wir fragen Sie als erfolgreiche Chemikerin, wie sieht die Formel für eine Karriere in den Wissenschaften heute aus?

Benötigt wird meiner Meinung nach eine gute Mischung aus Selbstständigkeit und Unterstützung eines Mentors/einer Mentorin, der/die dich berät und unterstützt.Die Selbstständigkeit drückt sich in Geld und Personal aus. Das bedeutet, es ist wichtig, Anträge zu schreiben. Ich habe bisher sehr gute Erfahrungen mit der DFG gemacht. Zu dem ist aber auch eine gute Infrastruktur notwendig, um den Zugriff auf Sekretariate, Werkstätten etc. zu gewähren.Gut ist außerdem ein Post-Doc im Ausland und möglichst ein Orts- oder Betreuer_innenwechsel nach jedem Karriereabschnitt (Diplom, Habilitation oder Juniorprofessur). Die meisten Ratschläge gelten übrigens für Männer und Frauen.

Was ist in diesem Zusammenhang gerade für Frauen wichtig zu wissen?

Ich habe leider den Eindruck gewonnen, dass Frauen größere Schwierigkeiten haben, ihre Selbstständigkeit darzustellen und selbstbewusst zu leben. Für die zukünftige Karriere ist das Gift: Bei der Wiederbesetzung von Lehrstühlen gibt es Berufungskommissionen, die sämtliche Veröffentlichungen der Bewerber_innen, bei denen der Chef/die Chefin mit veröffentlicht hat, und

sei es nur an unprominenter Stelle irgendwo in der Mitte der Autorenliste, nicht akzeptieren und aus der Liste der Veröffentlichungen gestrichen werden.Die Frauen müssen in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Selbstständigkeit für Führungspositionen erkennen und das bei Publikationen und Anträgen selbstbewusster gegen die Männer durchsetzen. Es ist nämlich sehr wichtig, dass frau zeigt, dass sie der Kopf eines Projektes ist, dass sie die Führung des Projektes hat. Aus meiner Erfahrung machen dabei Frauen immer noch viel zu viele Abstriche. Einen spezifischen Ratschlag für Frauen hätte ich noch: Stellt euch der männlichen Konkurrenz! Ich persönlich würde keiner Frau raten, darauf zu setzen, dass sie eine Frau ist. Es muss ganz klar sein, dass frau angestellt wurde, weil sie wissenschaftlich qualifiziert ist und Führungsqualitäten besitzt. Aus diesem Grund halte ich auch nicht viel von Quotenregelungen für Frauen. Eine Frau sollte keinen Job bekommen, nur weil sie eine Frau ist. Frauen sollen sich frühzeitig freischwimmen und „ihren Mann stehen“. Sie sollen sich in Diskussionen mit männlichen Kollegen behaupten können, in einem positiven Sinne aggressiv sein. Trotzdem meine ich damit nicht, dass frau alle männlich konnotierten Eigenschaften im Beruf übernehmen sollte. Frauen müssen zum Beispiel nicht den gleichen Führungsstil wie Männer haben, aber sie müssen auf jeden Fall EINEN Führungsstil haben!

34

Page 35: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Was halten Sie von gezielten Frauenfördermaßnahmen, wie dem C1/C2-Programm?

Etwas Analoges zum C1/C2-Frauenförderprogramm finde ich nach wie vor sinnvoll. Ich finde es gut, dass ich mich an der TU habilitiert habe. Ich habe dadurch früh gelernt, meine eigenen Mittel einzuwerben und Einführungsveranstaltungen zu halten. Ich habe während meiner Zeit als Habilitandin zwölf Semester lang eine Einführungsveranstaltung regelmäßig vor 60 Studierenden gehalten. Zurzeit gibt es meiner Meinung nach einen übertriebenen „Genderzwang“ von allen Förder-organisationen. Oftmals muss nach weiblichem, wissenschaftlichem Nachwuchs gefahndet wer-den, den es gar nicht gibt. Das Scheitern der Wissenschaftskarriere begründet sich häufig aus der Unvereinbarkeit von Familie und Beruf. Viele Frauen, mit denen ich gesprochen habe, können sich nicht vorstellen, Familie und Forschung unter einen Hut zu bringen und gehen daher lieber in die Industrie. Daher finde ich eine flexible Kinderbetreuung für die Frauenförderung am wichtigsten.

Erzählen Sie uns doch von ein paar schönen Erlebnissen an der TU Berlin...

Meine bisher schönsten Erlebnisse an der TU beziehen sich zum einen auf ein Erlebnis aus der C1/C2- Zeit, zum anderen auf die Berufung auf die W3-

Professur: Ich habe den Tag, an dem ich mich bei meinem zukünftigen Chef, Herrn Prof. Findenegg, dem damaligen Arbeitsgruppenleiter für physikalische und theoretische Chemie, vorstellte, noch in lebhafter Erinnerung. Vielleicht ist es verwunderlich, aber ich entscheide grundlegende Dinge mit dem Bauch und hatte vor dem Besuch Sorge, dass es mir in meinem zukünftigen Arbeitskreis, wo ich dann letzten Endes sechs Jahre verbracht habe, nicht gefallen könnte. Ich fand Herrn Findenegg und seinen Arbeitskreis auf Anhieb sympathisch und war sehr erleichtert. Zum anderen habe ich den Tag meiner Verhandlung für die W3-Stelle im Jahr 2009 in sehr guter Erinnerung: Ich habe den Eindruck bekommen, das Präsidium, die Fakultät und das Institut für Chemie stehen voll und ganz hinter mir, das war ein besonderer, sehr schöner Moment für mich.

Haben sich die Karrierechancen für Frauen an Hochschulen in den letzten 20 Jahren verbessert?

Ja, sie haben sich deutlich verbessert. Man/frau weiß eben viel besser, wie das eigene Geschlecht „tickt“, und dann ist es immer ein bisschen schwierig, für das andere Geschlecht in eine „monogeschlechtliche“ Domäne einzutreten. Nachdem es dann erstmal ein paar Professorinnen in den Fachbereichen gab, war es leichter für die nächsten Frauen, denn jetzt sitzen auch Professorinnen in den Berufungskommissionen.

35

Page 36: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

DR. PETRA LUCHT

„Mir fehlt wirklich die Fantasie, mir vorzustellen, an welchem anderen Ort ich all diese Dinge gleichzeitig hätte realisieren können. Das war wirklich ein absoluter Glückstreffer.”

Petra Lucht wurde 1967 in Schleswig-Holstein geboren. Sie studierte Physik an der Universität Kiel. 1996-2001 absolvierte sie ein Promotionsstudium an den Universitäten Hamburg, Kiel und Bremen, sowie in den USA an der Boston University, dem Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.) und der Harvard University. 2003 erfolgte ihre Dissertation im Fach Soziologie an der Universität Hamburg. 2001-2003 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin

an der Universität Lüneburg am Lehrstuhl für Naturschutz und Landschaftsökologie für das Projekt „Schöne Natur und selbständiger Naturprozess - Geschlechtersymbolismen im Naturschutzdiskurs”. Sie war von 2008-2009 Gastprofessorin an der Fakultät II für Mathematik und Naturwissenschaften der TU Berlin und ist seit 2004 wissenschaftliche Assistentin am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIFG) der TU Berlin.

36

Page 37: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

37

Page 38: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Frau Lucht, wie wichtig war die C1-Stelle für Ihre wissenschaftliche Karriere?

Speziell meine Stelle am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIFG) an der TU Berlin war für meine Karriere besonders förderlich. Sie ermöglicht mir, in meinem „interdisziplinären Dreieck“ zu arbeiten: an den Schnittstellen von Natur- und Technikwissenschaften, Sozial- und Geisteswissenschaften und Frauen- und Geschlechterforschung. Hier war bereits meine Doktorarbeit verortet, in der ich die Physik als Naturwissenschaft aus soziologischer und geschlechtertheoretischer Perspektive untersucht habe. Aber spätestens mit der Habilitation ist dann doch wissenschaftlich eine disziplinäre Ausrichtung gefordert. Zusätzlich ist das ZIFG für mich der ideale wissenschaftliche Ort für interdisziplinäre Forschung und Lehre. 2008/09 war ich von meiner dortigen C1-Stelle beurlaubt, um eine Gastprofessur an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät II der TU Berlin zu vertreten.

Sie haben eine Tochter. Wie relevant war die Familienfreundlichkeit des Programms?

Sehr relevant. Meine Tochter war gerade einmal dreieinhalb Monate alt, als ich meine C1-Stelle zunächst in Teilzeit angetreten habe. Die C1-Stelle war für mich also nicht nur in inhaltlicher Hinsicht,

sondern auch strukturell ganz hervorragend, um Familienleben und Karriere zeitgleich realisieren zu können. Als ich schwanger war und die C1-Stelle in Aussicht hatte, war das etwas ganz Neues für mich: das war eine sechsjährige Perspektive. Zuvor habe ich auf Stipendienbasis oder in befristeten Drittmittelprojekten gearbeitet. Ich denke, dass es sinnvoll wäre, über längere Zeiträume hinweg diese Sicherheit zu haben, in Elternzeit gehen und/oder in Teilzeit arbeiten zu können. Für die Vereinbarkeit von Familienverantwortung und Karriere in der Wissenschaft spielen natürlich noch andere Punkte eine Rolle. Die Unterstützung in der Partnerschaft, die Sicherheit und Flexibilität der Stelle und die Akzeptanz im Kollegium haben in meinem Fall ermöglicht, parallel ein Kind zu erziehen und die wissenschaftliche Karriere weiter zu verfolgen. Mir fehlt wirklich die Fantasie mir vorzustellen an welchem anderen Ort ich all diese Dinge gleichzeitig hätte realisieren und noch dazu wissenschaftlich an der interdisziplinären Schnittstelle von Frauen- und Geschlechterforschung zu Naturwissenschaft und Technik hätte arbeiten können. Das war wirklich ein absoluter Glückstreffer.

Abgesehen vom C1/C2-Programm, was halten Sie von anderen gezielten Frauenfördermaßnahmen an der Universität, sind sie noch notwendig? Wie würden Sie zu der Einführung einer Frauenquote im Wissenschaftsbetrieb stehen?

38

Page 39: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Die „Quote“ als zeitlich befristete instrumentelle Maßnahme, um Geschlechtergerechtigkeit im Wissenschaftsbetrieb zu erreichen, fände ich gut, denn sie bietet die Chance, ganz unmittelbar auf eine paritätische Besetzung von Positionen auf allen Statusebenen hinzuwirken. Im öffentlichen Diskurs wird Chancengleichheit als etwas diskutiert, das wir bereits erreicht haben. Das Phänomen hat Angelika Wetterer „Rhetorische Modernisierung“ genannt: Zwar wird in der öffentlichen Diskussion Chancengleichheit behauptet, diese ist aber nichtsdestotrotz in der Praxis noch nicht in Gänze erreicht. Frauenförderung in den Wissenschaften sollte nach wie vor beide Seiten der Medaille umfassen, also instrumentelle Maßnahmen wie die „Quote“ einerseits, und eine weitergehende Untersuchung der Aus- und Einschlussmechanismen in den Wissenschaften durch die Frauen- und Geschlechterforschung andererseits. Wir erforschen am ZIFG unter anderem die Fachkulturen der Natur- und Technikwissenschaften. Wir wollen herausfinden, welche Maßnahmen für die unterschiedlichen Disziplinen erfolgversprechend sein könnten, um Frauen noch weiter an die Spitze zu bringen.

Hat sich die Situation für Frauen in den Wissenschaften in den letzten 20 Jahren geändert?

Ich denke schon, dass sich insbesondere im Zuge der neuen oder zweiten Frauenbewegung seit den 1970er Jahren, speziell im Zuge der akademisch ausgeprägten

Frauenbewegung, vieles zum Positiven verändert hat. Einerseits konnte zunehmend eine politische Akzeptanz der Anliegen der Frauenbewegung an den Hochschulen erreicht werden, andererseits ist Geschlechtergerechtigkeit zu einem neuen Legitimationskriterium für Wissenschaft geworden. Dies spiegelt sich beispielsweise in den Vorgaben für Gender Mainstreaming der Europäischen Union wider, die wiederum auf nationalstaatlicher Ebene umgesetzt werden müssen. Auch diese Vorgaben haben dazu beigetragen, dass sich die Karrierechancen von Frauen in der Wissenschaft verbessert haben. Die Veränderungen der Situation für Frauen in den Wissenschaften schlagen sich auch in den Statistiken nieder: Die Studierendenzahlen von Frauen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften steigen nach wie vor stetig an, nicht in allen Fächern gleichermaßen bis an die Spitze, aber die Chancen auf gleichberechtigte Teilhabe sind deutlich gestiegen.

Wenn Sie sich etwas wünschen dürften...

...würde ich mir ein Netzwerk von ein oder zwei verstetigten Professorinnen und Professoren pro Fakultät an der TU Berlin wünschen, die dann in der Lage wären, einen Studiengang zu Frauen- und Geschlechterforschung in Natur- und Technikwissenschaften gemeinsam anzubieten. Das fände ich nicht nur nicht schlecht, sondern ziemlich prima.

39

Page 40: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

PROF. DR. ATHINA ZOUNI

„Frauen sind qualifiziert, überqualifiziert, die sind top! Die Qualifizierung ist kein Argument, Frauen nicht in Führungspositionen zu bringen. Bei uns gibt es reichlich sehr gute Frauen!“

Athina Zouni wurde 1962 in Leipzig geboren und studierte an der Freien Universität Berlin Chemie und promovierte dort 1992. Sie war von 1992-1995 Postdoktorandin am Fritz-Haber-Institut Berlin und 1995-2002 am Max-Volmer Laboratorium der

Physikalischen Chemie und Biophysikalischen Chemie an der TU Berlin. Seit 2008 ist sie dort Gast-Professorin. Im Jahr 2009 erfolgte die Habilitation an der TU Berlin.

40

Page 41: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

41

Page 42: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Was raten Sie jungen Frauen, die nach dem Studium eine wissenschaftliche Laufbahn anstreben?

Die wichtigste Voraussetzung, um Karriere an einer Universität zu machen, ist eine herausragende wissenschaftliche Arbeit. Dieses Ziel kann erreicht werden durch Neugierde, Risikobereitschaft, fachliche Kompetenz, Hartnäckigkeit, Geduld und Kooperativität mit anderen Wissenschaftler_innen. Aber gezielte Frauenfördermaßnahmen sind nach wie vor nötig, da die meisten Frauen, die eine Familie gründen wollen, nach der Promotion eine Karriere an der Universität meiden. Der immense Zeitaufwand für die eigene wissenschaftliche Arbeit spielt hierbei die entscheidende Rolle. Wissenschaftlerinnen benötigen für ihre Arbeiten mehr Unterstützung in Form von qualifiziertem Personal, z. B. technische Assistent_innen, Doktorand_innen etc., um Familie und berufliche Karriere in Einklang bringen zu können. Hier sollte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) den qualifizierten Wissenschaftlerinnen mehr Unterstützung, z. B. in Form von Personalmitteln, zukommen lassen.

Wandel durch Quote – was halten Sie von dem vieldiskutierten Gleichstellungsinstrument?

Eine Frauenquote in der Wissenschaft würde ich gut heißen, weil dadurch Frauen ins System kommen und ihre Erfahrung weitergeben können. Ich denke,

dass dies unbedingt eingeführt werden sollte, um mehr Frauen in den Wissenschaftsbereich und in Führungspositionen zu bekommen! Ich halte es im Übrigen für ein Gerücht, dass es zu wenig qualifizierte Frauen für die vielen Führungspositionen gibt. Es liegt eher daran, dass Frauen sich oft Führungspositionen nicht zutrauen, mitunter mangelt es ihnen an Selbstbewusstsein. Man müsste dies gezielt fördern. Frauen sind qualifiziert, überqualifiziert, die sind top! Die Qualifizierung ist kein Argument, Frauen nicht in Führungspositionen zu bringen. Bei uns gibt es reichlich gute Frauen!

Welche weiteren Hindernisse gibt es Ihrer Ansicht nach auf dem wissenschaftlichen Karriereweg?

Heute scheitert die Karriere von Frauen oftmals an der fehlenden Kinderbetreuung. Frauen müssen sich immer noch zwischen Wissenschaft und Mutterschaft entscheiden. Deswegen habe ich auch keine Kinder. Im Endeffekt hätte ich es mit Kindern nicht schaffen können. Die Wissenschaftlerinnen mit Kindern, ich kenne einige, scheitern, weil sie nicht beides – Karriere und Familie – vereinbaren können, vor allem nicht in meinem Bereich. Forschungen in der Chemie sind sehr arbeitsintensiv, zumindest im praktischen Bereich. In der Theorie geht es, da kann man auch noch von zu Hause arbeiten. Im praktischen Forschungsbereich, im Labor, geht das nicht. Es geht oft bis spät in die Nacht, für manche Experimente gibt es Messzeiten,

42

Page 43: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

die eingehalten werden müssen, man muss dann rund um die Uhr arbeiten, einschließlich der Wochenenden. Dieses Arbeitsprogramm ist mit Kindern nicht zu bewerkstelligen, da nicht genug wissenschaftliches Personal zur Verfügung steht. Ich kenne einige Frauen, die fachlich hervorragend sind, die auch den Weg bis zur Habilitation und Professur gehen könnten. Doch oft schlagen sie diesen Weg nicht ein, weil ihnen Kinder und Familie wichtiger sind. Ich kann aus meiner Praxis sagen, dass es jetzt auch viele Männer gibt, die in Teilzeit arbeiten, um ihre Frauen zu entlasten. Diese Männer haben auf Grund ihres Engagements für ihre Familie, wenn sie z. B. die Kinder von der Kita abholen, die gleichen Probleme wie Frauen: ihre Promotion in der vorgeschriebenen Zeit von zumeist drei Jahren zu schaffen.

Sie sehen also keine Verbindungsmöglichkeit von Familie und Karriere im Arbeitsfeld Wissenschaft?

Die experimentierende Chemie ist nicht familien-freundlich. Wenn man in der Chemie forscht, kann nicht einfach Teilzeit gearbeitet werden, denn chemische Experimente lassen sich meistens nicht einfach um 17.00 Uhr beenden. Die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie ist schwierig. Das sage ich auch allen Frauen, die diesen Weg einschlagen wollen. Ich hoffe, dass die Bedingungen für die Frauen in naher Zukunft besser werden, dass einfach mehr Leute eingestellt werden, denn wenn mehr Personal

vorhanden ist, kann die Arbeit besser verteilt werden. Ich habe zusammen mit einem Post-Doc gearbeitet. Diese Situation war völlig absurd in Anbetracht der wissenschaftlichen Herausforderungen und des entsprechenden Zeitaufwands. Dieser ist schon ohne Kinder schwierig, aber mit Kindern ist das Vorhaben ziemlich aussichtslos. So knallhart ist das.

…und die Karrierechancen in der Wissenschaft?

Ich denke, dass sich die Karrierechancen für Frauen an Hochschulen in den letzten Jahren verändert haben, denn es gibt im Fachbereich Chemie schon etliche Professorinnen. Allerdings sind es immer noch zu wenige Frauen, verglichen mit dem männlichen Anteil von Wissenschaftlern bzw. Professoren. Deshalb sollten herausragende Wissenschaftlerinnen weiterhin intensiv von der Universität durch Förderprogramme unterstützt werden. Darüber hinaus sollte aber auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft herausragende Wissenschaftlerinnen durch zusätz-liche Personalmittel fördern, um den Frauen in den Naturwissenschaften den Traum von Karriere und Beruf an der Universität zu ermöglichen.

43

Page 44: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Seit über 20 Jahren gibt es an der Technischen Universität Berlin das C1/C2-Frauenförderprogramm. Mit der Einführung der W-Besoldung für Professor_innen bot sich die Gelegenheit und Chance einer konzeptionellen Neufassung dieses anerkannten Förderinstrumentes.

Während noch einige Wissenschaftlerinnen auf den auslaufenden C1/C2-Stellen im Programm finanziert werden, wurden die frei werdenden Stellen bereits einer Interimsnutzung zugeführt. Für die Jahre 2010 und 2011 wurde in den Fächern, in denen Frauen bisher unterrepräsentiert sind, eine befristete Anschubfinanzierung für die Einstellung von Frauen auf Qualifikationsstellen ausgeschrieben und erfolgreich umgesetzt. Auch in Zukunft wird die TU Berlin den gesamten Stellenpool, der immerhin 18 Stellen umfasst, für die Förderung von Frauen auf dem Weg zur Professur einsetzen - allerdings angepasst an neue Besoldungsgruppen und Personalkategorien. Das neue Förderkonzept, das 2012 starten soll, wird flexibler auf die Heterogenität der Fächerkulturen und die Diversifizierung von Karrierewegen eingehen, und darum mehrere Förderlinien bedienen. Dadurch werden vielfältige Anknüpfungspunkte für externe Förderangebote und

Kofinanzierungen entstehen, die langfristig den Stellenpool des internen Förderprogramms erweitern.

Folgende Aspekte werden als Eckpfeiler der Neukonzeptionierung dienen:

I Internationalisierung

Unter dem Schlagwort „Internationalisierung“ verbergen sich verschiedene Aspekte, die für Frauenförderung interessant sind. Über Kooperationen auf internationaler Ebene kann ein wesentlich breiteres Feld an Bewerberinnen angesprochen werden. Insbesondere diejenigen Disziplinen, die in Deutschland kaum weiblichen Nachwuchs finden, müssen sich internationale Personalmärkte erschließen. Die gute Vernetzung der TU Berlin zu zahlreichen deutschen, europäischen und außereuropäischen Universitäten wird hier eine wichtige Unterstützung sein. Internationaler Austausch bietet aber auch die Möglichkeit gleichstellungspolitisch zu lernen, so z. B. von Ländern, in denen Wissenschaftlerinnen mit einem viel höheren Anteil in den MINT-Fächern vertreten sind.

UMBRUCH - AUFBRUCH von Dr. Andrea Blumtritt

44

Page 45: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

II Nachhaltigkeit

Personalrekrutierungsstrategien müssen in Zukunft langfristiger angelegt werden. Die Forscherinnen von morgen sollen darum schon frühzeitig die Gelegenheit bekommen, die TU Berlin als spannende Arbeitgeberin kennenzulernen. Auf Post-Doc-Ebene kommt dem TU-internen Stellenpool zur Frauenförderung in der Wissenschaft eine wichtige Rolle zu: über die Gegenfinanzierung von nachhaltig wirksamen Maßnahmen, wie z. B. W2-Professuren auf Zeit oder Juniorprofessuren, erwarten wir sichtbare Veränderungen in den Fachkulturen. Hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen erhalten die Chance, sich an der TU Berlin einen Namen zu machen und innovative Forschung voranzutreiben. Und auch hier gilt es, Wissenschaftlerinnen aus dem Ausland stärker in den Blick zu nehmen, um Talente rechtzeitig zu fördern und für unsere Universität zu gewinnen.

III Exzellenz

Vielen Vorurteilen zum Trotz betreiben wir eine Frauenförderung, die sich an höchsten Qualitätsmaßstäben messen lässt. Denn es sind nicht die Defizite von Frauen,

die wir mit unseren Förderangeboten in den Blick nehmen, sondern vielmehr strukturelle Hemmnisse, die immer noch verhindern, dass talentierte Wissenschaftlerinnen an deutschen Universitäten Karriere machen. Mit unseren Förderprogrammen wenden wir uns darum an den vielversprechenden Nachwuchs, um ihm optimale Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Die Auswahlkriterien orientieren sich an international gültigen Standards.

Damit werden zum einen Qualitätsstandards gesetzt, die ein Kennzeichen heutiger Frauenförderung sind, und andererseits langfristige Ziele anvisiert, nämlich die Zahl hochkarätiger Forscherinnen an der TU Berlin zu steigern.

45

Page 46: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

TEILNEHMERINNEN DES C1/C2- PROGRAMMS IM ÜBERBLICK

Marie-Therese Albert ErziehungswissenschaftenEva BambergGesellschafts- & PlanungswissenschaftenEsther Ben RuizSoziologieGiselind Berg SoziologieUte BormannInformatikMichaela BundschuhProzess- & AnlagentechnikGabriele Carolus VerkehrswesenHelene Decke–Cornill ErziehungswissenschaftenIris Denneler Neue Deutsche LiteraturwissenschaftenIngrid Dill Energie- & Verfahrenstechnik

Brigitte Fahrenhorst AgrarwissenschaftenErika Fischer AgrarwissenschaftenPetra Fromme ChemieElisabeth GrohmannTechnischer UmweltschutzUrsula HartigArchitekturSusanne Hofmann ArchitekturKarin Holm-Müller UmweltökonomieBirgit KanngießerPhysikAmmar KaoutherMathematikChristine Keitel Mathematik

Regine von KlitzingChemieKatrin Kneipp PhysikFriederike KörnerMathematikClaudia KostkaMaschinenbau & ProduktionstechnikDorothea Kolossa Elektrotechnik & InformatikRenate Krätke Technischer UmweltschutzSophie KrögerPhysikDominique Lattard Geologie & MineralogieJudy Libra Energie- & VerfahrenstechnikPetra Lucht Soziologie/ Frauen- & Geschlechterforschung

46

Page 47: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

Kitano Majidi Maschinenbau & ProduktionstechnikRuth Marzi Maschinenbau & ProduktionstechnikJanina Maultzsch PhysikMaria Andrea Mroginski ChemieKatrin MüllerWerkzeugwissenschaftenJolanta Oleksy-Frenzel Techischer UmweltschutzInken PeltzerVerkehrs- & MaschinensystemeAnja Pollei ChemieMarianne Resch Gesellschafts- & PlanungswissenschaftenKatherine RoegnerMathematik

Helga Satzinger Frauen- & GeschlechterforschungGisela Schammler ElektrotechnikElvira Scheich PolitikwissenschaftenRicarda ScheinerBiologieWaltina Scheumann Landschaftsplanung & ÖkologieBeate SemmlerMathematikImke SteinmeyerVerkehrs- & MaschinensystemeDorothea Wagner MathematikUlrike WeilandGeographie & ÖkologieInes WellerUmwelttechnik

Gerta ZimmerElektrotechnikAthina ZouniChemie

47

Page 48: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten

IMPRESSUMHERAUSGEBERINNENTU Berlin & Beirat der Zentralen Frauenbeauftragten der TU BerlinStraße des 17. Juni 135, 10623 Berlin

REDAKTIONJosephine BürgelJennifer Lynn ErdelmeierKatharina Schütz

FOTOGRAFIEUlrich Dahl, Referat für Presse und Information der TU Berlin

GESTALTUNGJennifer Lynn ErdelmeierKatharina Schütz

FÖRDERUNGBeirat der Zentralen Frauenbeauftragten der TU BerlinDr. Andrea Blumtritt, Zentrale Frauenbeauftragte TU BerlinReferat für Presse und Information der TU Berlin

LEKTORATSylvia Rochow

DRUCKAgit Druck, Adalbertstr. 7-8, 10999 Berlin

Berlin 2011

Page 49: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten
Page 50: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten
Page 51: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten
Page 52: C1 C2 - TU Berlin€¦ · C1/C2-Programm - 20 Jahre Qualifikation und Gleichstellung 7. ZU DIESER BROSCHÜRE Die vorliegende Broschüre zieht ein Zwischenfazit über eine der bekanntesten