c25_101113_fuldaer

2
, URL: http://www.fuldaerzeitung.de/nachrichten/schlitzerbote/Schlitz-Graupner-Saal-in-der-Landesmusikakademie- eingeweiht;art112,360515 Drucken Schlitz Graupner-Saal in der Landesmusikakademie eingeweiht SCHLITZMenschen brauchen Namen, um sich mit etwas identifizieren zu können. Damit das den Besuchern der Landesmusikakademie möglich ist, wurde als ein erster Schritt ein Saal von Schloss Hallenburg in „Christoph- Graupner-Saal“ getauft. „Festakt zur feierlichen Namensgebung“– so war die Einladung der Landesmusikakademie Hessen überschrieben. Dieser Festakt fand am vergangenen Sonntag statt. Neben verschiedenen Rednern gestaltete das Kammerensemble der Mainzer Hofkapelle unter ihrem Leiter Florian Heyerick diese Festveranstaltung mit Ausschnitten aus dem Werk des hessischen Barockkomponisten. Eingangs begrüßte der Akademieleiter, Herr Behounek, zahlreiche Gäste, darunter die Vizepräsidenten des Landesmusikrates, die Herren Raach und Sassik, die Geschäftsführerin desselben, Frau Komma, Frau Prof. Kramer, als Gastrednerin, und das Ehepaar Riedesel, deren Leben mit diesem Schloss besonders verknüpft ist. Die Akademie will Schritt für Schritt die bisher nur mit Buchstaben und Ziffern gekennzeichneten Übungsräume im Schloss mit Namen von bedeutenden Musikern und „Kunstschaffenden“, wie Behounek sagte, versehen, um Identifizierungsmöglichkeiten zu schaffen und den bisher namenlosen Räumen ein individuelles Gesicht zu geben. Premiere war dieser Festakt, während dessen der erste Saal des Hauses in „Christoph-Graupner-Saal“ getauft wurde; für den übrigens die Graupner-Gesellschaft, Darmstadt, die Patenschaft übernommen hat. Dies erläuterte Prof. Dr. Ursula Kramer, Musikwissenschaftlerin an der Universität Mainz und Präsidentin der 2003 ins Leben gerufenen Graupner- Gesellschaft. Vergessener wird wiederentdeckt Eingangs wies sie auf die vielfältige Musikgeschichte Hessens hin, sie reiche von Schütz bis Hans-Ulrich Engelmann, und auf das Graupner-Jahr 2010, das Anlass sei, den vor 250 Jahren gestorbenen Darmstädter Barockkomponisten angemessen zu würdigen. Christoph Graupner sei einer der bedeutendsten Kapellmeister und Komponisten in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts gewesen. Johann Sebastian Bach, „als Maß aller Dinge“, habe die Erinnerung an Graupner verblassen lassen, obwohl er zur Zeit Graupners schon ein „Auslaufmodell“ gewesen sei. Womit sie meinte, dass neben beispielsweise Telemann und Fasch der fünfzig Jahre lang in Darmstadt beschäftige Graupner Neues in die Barockmusik eingebracht hätten. Graupner sei ein glücklicher Sonderfall. Nachdem er lange Zeit regelrecht vergessen worden sei, hätte man ihn in den letzten Jahren wiederentdeckt, wofür Florian Heyerick, Professor an der Universität Gent, besonderer Dank gebühre. Er arbeite gegenwärtig an einem Werkverzeichnis des Komponisten. Schließlich sei Graupner auch wieder in Darmstadt angekommen, wo man ihn im Festjahr 2010 mit einem Symposium, einer Ausstellung, mit Konzerten und verschiedenen Präsentationen, vor allem aber auch mit der szenischen Wiederaufführung seiner Oper „Berenice und Ludcilla“ geehrt und dem Vergessen entrissen hätte. Diese Opernaufführung in barocker Originalform sei aktuelles Musiktheater auf höchstem Niveau gewesen. Wer war Christoph Graupner? Christoph Graupner wurde 1683 in Kirchberg/Sachsen geboren, genoss eine gediegene musikalische Ausbildung, so kam er zum Beispiel schon als Neunjähriger auf die Leipziger Thomasschule, wo er bei Johann Kuhnau lernte. Nachdem er drei Jahre als Cembalist an der Hamburger Oper (der damaligen „Met“) gewirkt hatte, wurde er vom Opernfan, dem Hessen-Darmstädtischen Landgrafen Ernst Ludwig, 1709 „eingekauft“ und an die Oper in seiner kleinen Residenz verpflichtet. Hier hat er sich durch zahlreiche Opernkompositionen, wie z. B. die „Berenice…“ ausgezeichnet, hat sich aber nach 1719 mehr der Kirchenmusik und der höfischen Unterhaltungsmusik widmen müssen. Denn Ernst Ludwig konnte sich in seiner winzigen Residenz (Darmstadt zählte rund 2000 Einwohner) eine Oper nicht mehr leisten. Graupner rückte in den nächsten vierzig Jahren zum Hofkapellmeister auf und besetzte damals die bestdotierte Kapellmeisterstelle Deutschlands. Dies auch deshalb, weil ihn der Landgraf schon früh durch die Verdoppelung seines Gehalts in Darmstadt halten konnte, nachdem sich Graupner schon auf die vakant gewordene Stelle des Thomaskantors in Leipzig beworben hatte. Eine Stelle, die nun Johann Sebastian Bach besetzte. Fast fünfzig Jahre lang hat Graupner in Darmstadt gewirkt und unermüdlich komponiert. Über 1 800 Kompositionen sind von ihm erhalten, womit er Bach deutlich übertrifft. „Erhalten“, das ist schon ein besonderer Glücksfall. Denn testamentarisch hatte Page 1 of Fuldaer-Zeitung http://www.fuldaerzeitung.de/nachrichten/s... 08:26:23 Freitag, 19. November 20

description

Graupner rückte in den nächsten vierzig Jahren zum Hofkapellmeister auf und besetzte damals die bestdotierte Kapellmeisterstelle Deutschlands. Dies auch deshalb, weil ihn der Landgraf schon früh durch die Verdoppelung seines Gehalts in Darmstadt halten konnte, nachdem sich Graupner schon auf die vakant gewordene Stelle des Thomaskantors in Leipzig beworben hatte. Eine Stelle, die nun Johann Sebastian Bach besetzte. Wer war Christoph Graupner? Vergessener wird wiederentdeckt Drucken Schlitz

Transcript of c25_101113_fuldaer

, URL: http://www.fuldaerzeitung.de/nachrichten/schlitzerbote/Schlitz-Graupner-Saal-in-der-Landesmusikakademie-eingeweiht;art112,360515 Drucken Schlitz

Graupner-Saal in der Landesmusikakademie eingeweiht

SCHLITZMenschen brauchen Namen, um sich mit etwas identifizieren zu können. Damit das den Besuchern der Landesmusikakademie möglich ist, wurde als ein erster Schritt ein Saal von Schloss Hallenburg in „Christoph-Graupner-Saal“ getauft.

„Festakt zur feierlichen Namensgebung“– so war die Einladung der Landesmusikakademie Hessen überschrieben. Dieser Festakt fand am vergangenen Sonntag statt. Neben verschiedenen Rednern gestaltete das Kammerensemble der Mainzer Hofkapelle unter ihrem Leiter Florian Heyerick diese Festveranstaltung mit Ausschnitten aus dem Werk des hessischen Barockkomponisten. Eingangs begrüßte der Akademieleiter, Herr Behounek, zahlreiche Gäste, darunter die Vizepräsidenten des Landesmusikrates, die Herren Raach und Sassik, die Geschäftsführerin desselben, Frau Komma, Frau Prof. Kramer, als Gastrednerin, und das Ehepaar Riedesel, deren Leben mit diesem Schloss besonders verknüpft ist. Die Akademie will Schritt für Schritt die bisher nur mit Buchstaben und Ziffern gekennzeichneten Übungsräume im Schloss mit Namen von bedeutenden Musikern und „Kunstschaffenden“, wie Behounek sagte, versehen, um Identifizierungsmöglichkeiten zu schaffen und den bisher namenlosen Räumen ein individuelles Gesicht zu geben. Premiere war dieser Festakt, während dessen der erste Saal des Hauses in „Christoph-Graupner-Saal“ getauft wurde; für den übrigens die Graupner-Gesellschaft, Darmstadt, die Patenschaft übernommen hat. Dies erläuterte Prof. Dr. Ursula Kramer, Musikwissenschaftlerin an der Universität Mainz und Präsidentin der 2003 ins Leben gerufenen Graupner- Gesellschaft. Vergessener wird wiederentdeckt Eingangs wies sie auf die vielfältige Musikgeschichte Hessens hin, sie reiche von Schütz bis Hans-Ulrich Engelmann, und auf das Graupner-Jahr 2010, das Anlass sei, den vor 250 Jahren gestorbenen Darmstädter Barockkomponisten angemessen zu würdigen. Christoph Graupner sei einer der bedeutendsten Kapellmeister und Komponisten in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts gewesen. Johann Sebastian Bach, „als Maß aller Dinge“, habe die Erinnerung an Graupner verblassen lassen, obwohl er zur Zeit Graupners schon ein „Auslaufmodell“ gewesen sei. Womit sie meinte, dass neben beispielsweise Telemann und Fasch der fünfzig Jahre lang in Darmstadt beschäftige Graupner Neues in die Barockmusik eingebracht hätten. Graupner sei ein glücklicher Sonderfall. Nachdem er lange Zeit regelrecht vergessen worden sei, hätte man ihn in den letzten Jahren wiederentdeckt, wofür Florian Heyerick, Professor an der Universität Gent, besonderer Dank gebühre. Er arbeite gegenwärtig an einem Werkverzeichnis des Komponisten. Schließlich sei Graupner auch wieder in Darmstadt angekommen, wo man ihn im Festjahr 2010 mit einem Symposium, einer Ausstellung, mit Konzerten und verschiedenen Präsentationen, vor allem aber auch mit der szenischen Wiederaufführung seiner Oper „Berenice und Ludcilla“ geehrt und dem Vergessen entrissen hätte. Diese Opernaufführung in barocker Originalform sei aktuelles Musiktheater auf höchstem Niveau gewesen. Wer war Christoph Graupner? Christoph Graupner wurde 1683 in Kirchberg/Sachsen geboren, genoss eine gediegene musikalische Ausbildung, so kam er zum Beispiel schon als Neunjähriger auf die Leipziger Thomasschule, wo er bei Johann Kuhnau lernte. Nachdem er drei Jahre als Cembalist an der Hamburger Oper (der damaligen „Met“) gewirkt hatte, wurde er vom Opernfan, dem Hessen-Darmstädtischen Landgrafen Ernst Ludwig, 1709 „eingekauft“ und an die Oper in seiner kleinen Residenz verpflichtet. Hier hat er sich durch zahlreiche Opernkompositionen, wie z. B. die „Berenice…“ ausgezeichnet, hat sich aber nach 1719 mehr der Kirchenmusik und der höfischen Unterhaltungsmusik widmen müssen. Denn Ernst Ludwig konnte sich in seiner winzigen Residenz (Darmstadt zählte rund 2000 Einwohner) eine Oper nicht mehr leisten. Graupner rückte in den nächsten vierzig Jahren zum Hofkapellmeister auf und besetzte damals die bestdotierte Kapellmeisterstelle Deutschlands. Dies auch deshalb, weil ihn der Landgraf schon früh durch die Verdoppelung seines Gehalts in Darmstadt halten konnte, nachdem sich Graupner schon auf die vakant gewordene Stelle des Thomaskantors in Leipzig beworben hatte. Eine Stelle, die nun Johann Sebastian Bach besetzte. Fast fünfzig Jahre lang hat Graupner in Darmstadt gewirkt und unermüdlich komponiert. Über 1 800 Kompositionen sind von ihm erhalten, womit er Bach deutlich übertrifft. „Erhalten“, das ist schon ein besonderer Glücksfall. Denn testamentarisch hatte

Page 1 of F uldae r-Ze itung

http://www.fuldaerze itung.de /nachrichten/s... 08:26:23 F re itag, 19. November 20

Graupner verfügt, seine Kompositionen nach seinem Tode zu vernichten. Zeitgenössische Musik vernetzt Ein Streit zwischen den Erben und dem Landgrafen Ludwig VIII. (der die Kompositionen als sein Eigentum ansah, hatte er doch den Komponisten per Gehalt bezahlt) zog sich so lange hin, bis man Graupner vergessen hatte. Seine Kompositionen waren aber zum großen Teil in der Hofbibliothek erhalten geblieben. Und dieser Schatz ist jetzt wiederentdeckt. Ein Werkverzeichnis ist in Arbeit, und man wird in Zukunft noch manches von Graupner hören dürfen. Denn viele seiner Kompositionen zeichnen sich durch Kontraste, dramatisches Spiel und große Affekte aus, und seine Instrumentierungskunst mit der Bevorzugung dunkler Töne bietet unverwechselbar-eigentümliche Reize – so Frau Prof. Kramer. Für die Forschung bilde Graupner auch noch aus einem anderen Grund interessante Aspekte, habe er doch durch und nach Kenntnisnahme von Kompositionen seiner europäischen Kollegen an einer Vernetzung der damals zeitgenössischen Musik mitgewirkt. VerschiedeneGrußworte und Taufe Als Vertreter des Bürgermeisters überbrachte Dr. Puthz die guten Wünsche der Stadt, für die, wie er sagte, die Hessische Landesmusikakademie von Anfang an ein geliebtes Kind sei, was sich an dem Einsatz nicht unbeträchtlicher städtischer Mittel zeige. Wenn die Musiker, die den nun „Graupner-Saal“ genannten Übungsraum beträten, graupnersche Grundsätze beherzigen würden (gewissenhafte Arbeitsweise, keine Flüchtigkeiten, ernsthafte Auseinandersetzung mit modernen Tendenzen, gediegene und sorgfältige Arbeit) würde dieser Saal dem Namengeber alle Ehre machen. Herr Behounek und Frau Prof. Kramer enthüllten danach das Schild mit dem Namen „Christoph-Graupner-Saal“. Der Festakt wurde aufgelockert durch verschiedene Kompositionen des namengebenden Komponisten, dargeboten von dem Kammerensemble der Mannheimer Hofkapelle (Goedele Heidbücher, Sopran; Swantje Hoffmann und Silke Volk, Barockgeige; Peijun Xu, Bratsche; Christian Niedling, Barockcello) unter ihrem Leiter Florian Heyerick am Cembalo. Die vorgestellten Stücke machten recht eindrücklich die Bandbreite des kompositorischen Schaffens Graupners deutlich. So zum Beispiel die anrührende Arie „Brich, du stumme(r) Tränensee“ (Zwiegesang zwischen Geige und Sopran mit pizzicato-accompagnato der übrigen Instrumente) und kontrast- und überraschungsreiche Stücke aus der Entrata GWV 453.- Wer übrigens gehofft hatte, den Komponisten auch im Bild zu sehen, musste sich mit der Mitteilung zufrieden geben, dass bisher kein Porträt des berühmten Musikers bekannt sei. Von unserem Mitarbeiter Volker Puthz Veröffentlicht am 16. November 2010 Zuletzt aktualisiert am 18. November 2010

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit schriftlicher Genehmigung

Page 2 of F uldae r-Ze itung

http://www.fuldaerze itung.de /nachrichten/s... 08:26:23 F re itag, 19. November 20