Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

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Alle Talks 01-06 2011

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BÖRSE EXPRESS

Talk-Format Cafe BEwidmet sich zumDebüt Sinn und Effizienz von Investorenkonferenzen

Osteuropa-Faktor wird wieder zum Pluspunkt

Kitzbühel, Zürs, Stegers-bach sind die Flagship-Konferenzen der heimischenGrossbanken. Welche Erwar-tungen haben Banker undUnternehmen, fragte der BE.

Wenn am Sonntag die Hahnenkamm-Ren-nen in Kitzbühel mit dem Slalom den Ab-schluss gefunden haben und sich die Tri-bünen wieder leeren, steht man andern-orts schon in den Startlöchern. Am Abendbeginnt die „Austrian Investor Conference“der UniCredit mit einem „Warm up“ imHotel Schloss Lebenberg. In den kom-menden zwei Tagen stellen sich dann ins-gesamt an die 40 heimische Unternehmenin Präsentationen und One-on-Ones ge-nannten Einzelgesprächen institutionellenInvestoren aus aller Welt. Diese Konferenzfindet heuer zum 16. Mal statt – ursprüng-lich war sie in der Hahnenkamm-Wocheanberaumt und endete am Freitag.Wer wollte, konnte somit das Wochen-

ende mit Abfahrtslauf und Slalom nochnutzen. Mit der Verschiebung auf die Zeitnach den Rennen wurde der FinanzkriseTribut gezollt. Auf das Investoreninteressehat das aber keinen Einfluss.Was bei der UniCredit unter Kitzbühel

läuft, ist für die Erste Group das burgen-ländische Stegersbach und für die Raiff-

eisen Centrobank der Arlberg-Ort Zürs.Alle grossen heimischen Investmenthäuserhaben jährliche Flagship-Konferenzen eta-bliert und laden dabei in Schi- oder Ther-menregionen Österreichs. Daneben wer-den auch Veranstaltungen im Ausland ab-gehalten oder Konferenzen, die sich einemspeziellen Thema – etwa CEE oder Süd-osteuropa – widmen.Was erwarten Banken undUnternehmen

für die heurige Saison? Und wie steht esbei solchen Konferenzen mit Kosten-Nut-zen-Relationen?Der Börse Express lud zumTalk ins Cafe BE, das von nun an regel-mässig im Schauraum von Griffner Hausam Wiener Schottenring stattfinden wird.

Deutlicher Stimmungswandel

„Wir sehen einen deutlichen Stimmungs-wandel. Österreich wird stärker als je alsEntry Point für Osteuropa betrachtet“, er-zählt Klaus della Torre, Head of Institu-tional Equity Sales der RCB. Die CEE-Fantasie, von der die Wiener Börse in denJahren vor Ausbruch der Finanzkrise pro-fitieren konnte, die sich dann aber in ei-ne CEE-Phobie gewandelt hat, könnte da-mit vor einem Comeback stehen. „Das warauch bei unserer Südosteuropa-Konferenzim November bereits merkbar. Das Inter-esse war gross wie nie – und das für Märk-te, die liquiditätstechnisch noch viel schwie-riger als der Wiener Markt sind“, so der

RCB-Experte. „Die Investoren konzentrie-ren sich wieder stärker auf das Wachs-tum“, pflichtet Dieter Benesch vom Equi-ty Sales der Erste Group in London bei.Der Umstand, dass die CEE-Staaten ei-

ne deutlich geringere Staatsverschuldungals der Durchschnitt der Eurozone auf-weisen und dieWirtschaft schneller wächst,ist somit wieder in den Köpfen der Inve-storen angekommen. „Osteuropa ist nichtuntergegangen, und damit auch Österreichnicht. Ausserdem haben unsere Unter-nehmen ihre Hausaufgaben gemacht“, sagtBenesch zur neuen alten Realität. Im Zugedieses Stimmungsumschwungs konntendie heimischen Broker auch ihr Profil schär-fen, sind die anwesenden Banker sicher.Lokale Präsenz undMarktkenntnismachensich halt langfristig doch bezahlt.„Unsere Investorenanalysen zeigen auch,

dass im Zuge der Staatsverschuldungs-Problematik der Länderfokus wieder eingrösseres Gewicht erhält“, erzählt GernotLiebhart, Head of Equity Sales Austria derUniCredit. Österreich könne davon ten-denziell profitieren. Denn selektieren In-vestoren nach Sektoren, dann sind dieösterreichischen Blue Chips halt doch im-mer nur unter den kleineren Branchen-vertretern zu finden. Auf Ländersicht siehtdas dann anders aus.

Cafe BE Runde (v. l.): Klaus della Torre (RCB), Gernot Liebhart (UniCredit), Dieter Benesch (Erste), Konrad Sveceny (bwin)

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Die Organisation dieser Investorenkonfe-renzen mit Präsentationen und mehrerenhundert One-on-Ones erfordert mittler-weile monatelange Vorarbeit. „Die Pla-nung ist zum mittelfristigen Prozess ge-worden“, so Erste-Banker Benesch. „Spon-tan sind One-on-Ones so gut wie nichtmehr möglich“, schildert della Torre. Beider RCB in Zürs müssen rund 60 Unter-nehmen in zweieinhalb Tagen durchge-peitscht werden. Die Investoren erhaltenvorab Listen und können bekannt geben,mit wem Einzelgespräche gewünscht sind.Ist der Andrang zu gross, gibt es eine Grup-penpräsentation.„Jeder, der ein One-on-One möchte,

kann es auch bekommen“, versucht Kon-rad Sveceny, IR-Chef des Online GamingAnbieters bwin, dennoch stets alle Anfra-gen unter einen Hut zu bringen. Auf dasZeitbudget kann sich das natürlich aus-wirken. Eine Gesprächszeit von einer Stun-de gehört der Vergangenheit an. Mit 45Minuten muss da im Durchschnitt schondas Auskommen gefunden werden.

Speed Investing

„Wir waren auch schon auf sogenann-ten Speed Investing Events im Ausland“,erzählt Sveceny. Ähnlich dem Speed Da-ting wechseln die Investoren dabei im 20-Minuten-Rhythmus.Das Ausmass des Ken-nenlernens bleibt in je-dem Fall beschränkt.„Das ist für die Inve-storen sehr oberfläch-lich, in dieser Zeit kommt man mit derPräsentation nicht wirklich durch.“„Wird untertags die Zeit zu kurz, bietet

sich auch abends die Möglichkeit zu Ge-sprächen im informellen Rahmen und inangenehmer Atmosphäre“, verweist Uni-Credit-Banker Liebhart auf einen wichti-gen Aspekt dieser Investorenkonferenzen.Sei es der Austausch mit Investoren, Ban-kern und Analysten oder der Unterneh-men untereinander. „Letztendlich wird indie Unternehmensphilosophie, in die Leu-te investiert.“ Dieter Benesch pflichtet bei:„Es ist ein knallhartes Geschäft, aber amEnde des Tages ein People’s Business.“Die Bank als Veranstalter biete ein Ge-

samt-Package an. Die teils ungezwunge-ne Atmosphäre mache gerade das Flairdieser Konferenzen aus. „Würde man der-artige Veranstaltungen inWien abhalten, hätteman den Nachteil, dasssich abends schnell al-les auflöst“, sagt RCB-Banker della Torre.Doch nur des Flairs

wegen wird freilich nichtnach Kitz, Zürs oder sonst wohin gefah-ren. „Knallhartes Business“ hat ja be-kanntermassen auch etwas mit knallhar-ter Kalkulation zu tun. Generell laden dieBanken ihre Kunden ein, wobei natürlicheine Selektion unter den Institutionellen

getroffen wird.In immer mehr

Fällen verlangendie Investorenaber, Anreise undAufenthalt selbst

bezahlen zu können. Das wird vom je-weiligen Arbeitgeber vorgeschrieben, manwill ja nicht als voreingenommen gelten.

Rechnung geht auf

Auf die BE-Frage, was so eine Konfe-renz unterm Strich kostet, gibt es zwar kei-ne konkrete Antwort der Banker. Alle be-teuern aber, aber dass sich die Veranstal-tungen unter dem Strich rechnen. „DieUniCredit steht ja nicht im Ruf, Geld ver-lieren zu wollen“, merkt Gernot Liebhartan. Das kann wohl auf alle Institute um-gelegt werden. „Man kann den Nutzen sehrwohl genau analysieren. Und es steht sichdafür“, pflichtet Dieter Benesch bei.

Und Klaus della Torre meint: „Gerade imAktien-Sales-Bereich ist es einfach zu kal-kulieren.“ Der Anstieg des Orderflows nach

den Konferenzensei ein gutes In-diz dafür. Unddabei profitierendie Banken auchimmer von denVeranstaltungender anderen.

Wird den Anlegern Geschmack aufÖsterreich gemacht, steigt generell dieOrderlaune.Die Unternehmen wie bwin wiederum

schätzen die Effizienz dieser Veranstal-tungen. „Wir haben in wenigen Tagen Kon-takt zu sehr vielen Investoren. Diese Kon-stellation ist einmalig“, sagt Konrad Sve-ceny. Auch erhalte man Zugang zu neuenInvestorenkreisen, etwa Institutionelle ausOsteuropa. Denn diese sind im Vormarsch,polnische Fonds etwa finden sich bei et-lichen österreichischen Aktien unter denacht grössten Investoren. Der Anteil vonHedgefonds hat gegenüber der Boomzeitder Wiener Börse allerdings etwas abge-nommen, sind die Banker und bwin-Ma-nager Sveceny einig.Die kurzfristige Einschätzung der Cafe

BE Teilnehmer für den Aktienmarkt istleicht positiv bis positiv. Gute Unterneh-menszahlen werden denMarkt weiter trei-ben, wenn auch die Volatilität hoch blei-ben und es auch immer wieder graueWol-ken am Anlegerhimmel geben sollte. „Essucht nach wie vor viel Liquidität nachVeranlagung“, sagt Sveceny.Kitzbühel ruft. (bs)

Cafe BE hat im Showroom von Griffner Haus seinen Platz gefunden(im Bild: Diskutanten mit Bettina Schragl und Christian Drastil vom BE)

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„Am Ende des Tages istes ein People’s Business“

Dieter Benesch, Erste Group

„Die Konstellation isteinmalig: Viele Investo-ren in wenigen Tagen“

Konrad Sveceny, bwin

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Mittwoch, 26. Jänner 2011

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Cafe BE: Branchentalk mit Finanzagenturen über einer Welt, die immer digitaler wird

Quo vadis, Finanzkommunikation?

Über Transaktionen anAuslandsbörsen, die schwin-dende Bedeutung von Ge-schäftsberichten und dieFrage, ob man Apps braucht.

Im Frühjahr 2010 hatte der börsenotierteHotel-Spezialist Warimpex eine zwar nichtallzu grosse - aber doch richtungsweisen-de - Kapitalerhöhung durchgeführt. Diesdeshalb, weil Warimpex sowohl an derWiener Börse als auch am Warschauer Fi-nanzplatz gelistet war (und ist). Mit unter-schiedlichen Regularien. Das begleitendeJuristenteam von DLA Piper Weiss-Tess-bach musste daher bei der Transaktion so-wohl österreichische als auch polnischeKapitalmarktvorschriften beachten. Ein Ko-stenfaktor, der sich aber unter dem Strichmehr als bezahlt gemacht hat. Rund vierFünftel der Kapitalerhöhung wurdenbei polnischen Investoren platziert.

Erst vor wenigen Wochen, im Schluss-quartal 2010, führte dann Do&Co eine Ka-pitalaufstockung durch, die ebenfalls fastzur Gänze am Wiener Markt vorbeigegan-gen ist. Die Platzierung erfolgte in der Tür-kei. Im Rahmen einer „Cafe BE“-Run-de zum Thema „Neue Herausforderungenfür die Finanzkommunikation“ war diesdas Einstiegsthema.

Im Schauraum von Griffner Haus amWiener Schottenring, in dem die „Cafe BE“-Roundtables abgehalten werden, disku-tierten Roland Mayrl, Geschäftsführer Me-trum Communications, Bernhard Grab-mayr, Geschäftsführer von Scholdan &Company, Nikolaus Pjeta, Geschäftsfüh-render Gesellschafter Yield Public Rela-tions und Veronika Rief, Eigentümerin vonRief Financial Communications.

„Istanbul für Do&Co besser“

Letztere hat den Financial Advisor derDo&Co-Transaktion, die österreichischeQ-Advisers von Ex-CA IB-Banker FritzSchweiger, in Sachen Öffentlichkeitsarbeitberaten. Veronika Rief: „Für Do&Co wardie Wahl der Börse Istanbul die absolutRichtige.“ Aufgrund der Tatsache,dass Do&Co als erste ausländische Aktieam Bosporus angeboten wurde, sei die Auf-merksamkeit sehr hoch gewesen. Die Idee,sich damit neue Investorenschichten zuerschliessen, sei aufgangen. „Das Ange-bot war letztendlich 13-fach überzeichnet“,so Rief. Ein Erfolg, den es in Wien wohlnicht gespielt hätte; da waren sich auchdie anderen Cafe BE-Teilnehmer einig. DiePerson Attila Dogudan habe natürlich inder Türkei ein Heimspiel gehabt, meint et-wa Bernhard Grabmayr, „zudem kocht derMann einfach das beste Essen“.

Unter dem Strich sei es ei-nem österreichischen Unter-nehmen gelungen, eine glaub-hafte Emerging Markets Storyden Investoren zu verkaufen.„Mit dem Effekt, dass nun einstarker Emerging Markets Titelin Wien notiert, der sich zudemauch rein von der Kursperfor-mance her prächtig entwickelthat“, schliesst Rief.

Bei Do&Co ist also die Wert-schöpfung im Zusammenhangmit der Kapitalerhöhung weit-gehend an der Wiener Szene

vorbeigegangen und freilich gehört in die-sem Zusammenhang auch erwähnt, dassDo&Co an der Wiener Börse nie ein Pu-blikumsfavorit gewesen ist und auch kaumCoverage hatte. Aber: Wie sieht es nun ausmit dem Finanzplatz Wien als vielzitiertemTor zu Osteuropa aus? Yield-Mann Niko-laus Pjeta sieht hier beispielsweise Polen,ein Land, in dem es eine weit grössere lo-kale Investorenbasis als in Österreich gibt,mittlerweile als echte Konkurrenz. NebenIstanbul dürfte man auch Moskau nichtvergessen, ergänzt Bernhard Grabmayr.Weiters sei der Finanzplatz Kiew stark imKommen, kapitalkräftige Investoren ausIndien und Persien würden sich dort dieKlinke in die Hand geben, so Grabmayr.

Roland Mayrl sieht in Österreich ein bör-sefeindliches Klima, verursacht durch deneinen oder anderen Skandal, aber auchdurch die politische Schlagrichtung. „Stich-wort Wertpapier-KESt“, ergänzt Mayrl. Da-bei zähle Österreich zu den reichsten Län-dern der Welt und es würde viele guteChancen für Investments geben. NikolausPjeta, der mit Yield vor allem ausländischeFinanzdienstleister bei ihren ersten Schrit-ten in Österreich betreut, argumentiert, dassÖsterreich rein von der Grösse her als in-teressantes deutsches Bundesland gese-

CafeBERunde (v.l.): Drastil,Mayrl, Rief, Pjeta, Grabmayr

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Mittwoch, 26. Jänner 2011

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hen werden kann: „Ein wohlhabendesLand mit vielen regionalen Aspekten.“ DiePreise für Immobilien hätten sich auch inder Krise gut gehalten. Bernhard Grabmayrbetont die „hervorra-gende Imagearbeit“Österreichs. Zudemwären auch die Habs-burger weniger grau-sam als die Ottomanengewesen; sehr kultiviertsei das Ganze also.

Bei soviel Lob: Und wann wird es nunwieder einen Börsegang in Wien - seit derStrabag im Jahr 2007 sind ja bereits mehrals drei Jahre vergangen - geben? Die Teil-nehmer räumten lächelnd ein, dass es nunnatürlich viel Raum für eine verbessertePrimärmarktstatistik geben würde. Bern-hard Grabmayr berichtet über „viele Ge-spräche mit Interessenten“ und RolandMayrl geht davon aus, dass man heuerwieder etwas zu sehen bekommen werde.Corporate Bonds und gute Kapitalerhö-hungen würden auf ein gutes Umfeld stos-sen, denn der Veranlagungsdruck der In-stitutionellen, ja, der sei gross.

Auf der Frage nach den grossen Geld-anlagetrends 2011 nannte Nikolaus Pjeta„geschlossene Fonds, die von guten Ma-nagerpersönlichkeiten gestioniert werden“.Hier hätte man keine Probleme in punctoLiquidität. Bernhard Grabmayr lieferte ei-ne klare Ansage in Richtung StrukturierterProdukte: „2011 wird das Jahr der Zertifi-

kate“. Die Lernkurve habe die kritischeMasse erreicht, was man brauche, sei ei-ne Marktmeinung, so Grabmayr. RolandMayrl schloss sich an: Aufgrund der Wert-papier-KESt würden viele klassische Ak-tienkäufer Alternativen suchen, dies habe

eine aktuelle Me-trum-Studie klarhervorgebracht:„Zumindest un-mittelbar gibt es ei-ne grosse Verunsi-cherung unter denAnlegern und die

Suche nach Alternativen bzw. eine starkeSelektion. Jene, die in den vergangenenzwölf Monaten Aktien gekauft haben, sindauch in Zukunft kaufbereiter.“ Prinzipiellsei aber zumindest kurzfristig das ThemaVeranlagung in Ak-tien aufgrund derWP-KESt ein abso-lutes Experten-The-ma geworden. „Dieohnehin unterent-wickelte Börsenkul-tur in Österreich hat noch einmal einenordentlichen Dämpfer erhalten. Das gilt esin der Kommunikation zu berücksichtigen“,so Mayrl.

Generell sei zu bemerken, dass sich Bil-dung und Wissen der Anleger in den ver-gangenen Jahren deutlich verbessert hät-ten, und das sei dem Web zu verdanken.„In den Geschäftsbericht schauen nur nochwenige“, meint Mayrl, und wenn, dann indie digitale Variante: „Der Trend geht klar

in Richtung Medien - Magazine, Tages-zeitungen, Internet, Apps -, und das zu La-sten der Geschäftsberichte“, präzisiert er.

Bernhard Grabmayr bestätigt, dass auchbei den Finanzagenturen längst ein Um-denken passiert sei. „Inhalte im Netz wer-den immer wichtiger.“ Das Sensorium fürGlaubwürdigkeit würde im Netz viel hö-her als in klassischen Medien sein. Diesbringe markant neue Aufgaben für die bör-senotierten Unternehmen und die Finanz-branche im Ganzen mit sich. „Wer glaubt,dass die Präsenz im Netz lediglich eine bil-ligere Alternative darstellt, wird auf die Na-se fallen“, warnt Grabmayr. Man müssedie gleiche Sorgfalt wie in klassischen Din-gen walten lassen, wenn nicht eine nochgrössere. Die entscheidende Frage sei je-ne nach der richtigen Strategie: „Es führt

kein Weg am So-cial Netz vorbei“,sagt Mayrl. Istman nicht selbstpräsent, würdendie eigenen Pro-dukte von Dritten

thematisiert. Ob man nun wolle oder nicht,man müsse sich diesen Herausforderun-gen stellen. Beim Thema Apps und Face-book rät Nikolaus Pjeta wiederum vonSchnellschüssen ab. Man müsse hier starkhinterfragen, was Sinn macht.

Dass dies auch eine „grosse neue Chal-lenge“ für die Branche ist, darin war sichdie Runde einig. Akquisen, Partnerschaf-ten, Boutiquen, Erweiterung der Geschäfts-felder - nichts wird ausgeschlossen.

v. li.: Nikolaus Pjeta (Yield), Roland Mayrl (metrum), Bernhard Grabmayr (Scholdan), Veronika Rief (Rief Fin. Comm.)

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„Dämpfer durch dieWertpapier-KESt“

Roland Mayrl, Metrum

„Das Netz ist viel mehr alseine billige Alternative“

Bernhard Grabmayr, Scholdan

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Freitag, 28. Jänner 2011

BÖRSE EXPRESS Seite 2

Cafe BE: Aussichten für den Bondmarkt, Rating-Frage, Basel III und Euro-Zukunft

„Gar keine Anleihen ist nicht möglich“

Die Inflationsangstdringt derzeit stärker auf denMarkt durch als reale Gefah-ren bestehen, sind die Bond-Experten beim Cafe BE einig.

CCaaffee BBEE: Die voestalpine zeigt gerade, dassman nicht zwingend ein offizielles Ratingbraucht, um eine Emission erfolgreich amMarkt unterzubringen. Sind Ratings nichtmehr notwendig?CCaarroolliinnee BBäässsslleerr: In den vergangenen Jah-ren hatten wir die Tendenz, dass in Öster-reich verstärkt Unternehmen ohne Ratingauf den Markt gekommen sind. Die Emis-sionen waren durchaus gut platzierbar, derMarkt für Unternehmen ohne Rating ist da.Auf den Anleger kommen aber grössereHeausforderungen zu: Er muss sich selbstein Bild vom Unternehmen machen, wasman aber ohnehin immer vor einem In-vestment machen sollte. Für Unternehmen,die öfter an den Markt gehen wollen, ist ei-ne Rating-Einstufung aber sicher kein Feh-ler. Auch um einem grösseren Publikumzugänglich zu sein. Denn viele institutio-nelle Investoren dürfen nur in geratete Un-ternehmen investieren.SStteeffaann HHuubbeerr:: Ich habe in den vergange-nen Jahren den Eindruck gewonnen, dassin schlechteren Zeiten ein Rating mehr Be-

deutung hat. In guten Zeiten ist mehr oderweniger alles verkaufbar, was jetzt nichtsmit der voestalpine zu tun hat. In guten Zei-ten ist das Rating also kein preislicher Vor-teil. Aber in schlechteren Zeiten.GGiillbbeerrtt TTrraattttnneerr: Wir haben aufgrund der Garantie der Republik ein Triple-A-Rating. Und es stimmt, hätten wir das Ra-ting nicht, könnten wir eine Vielzahl vonInvestoren nicht ansprechen. Unsere Inve-storen sind vor allem im Ausland. Frank-reich ist seit vielen Jahren ein Grossab-nehmer. 2010 war die Verteilung bei mehrals 40 Prozent Frankreich, 20 Deutschlandund zehn Österreich. Investoren sind beiuns vor allem Versicherungen.

CCaaffee BBEE: Wenn die voestalpine ein Ratinghätte, wäre die jüngste Emission günsti-ger gewesen?CCaarroolliinnee BBäässsslleerr: Die voestalpine hat einensehr hohen Bekanntheitsgrad und sprachmit einer niedrigen Nominale gezielt dasRetail-Publikum an. Damit ist eine sehr gu-te Platzierbarkeit gegeben, ein zusätzlichesRating hätte da wahrscheinlich die Kondi-tionen nicht wirklich verbessert.

CCaaffee BBEE: Spricht etwas für eine Überge-wichtung österreichischer Corporates imPortfolio?CCaarroolliinnee BBäässsslleerr: Einiges. Ich freue mich

immer, wenn ein heimisches Un-ternehmen an den Markt geht.Das vergrössert den Markt undverbessert die Liquidität, denn esist ein kleiner Markt. Je mehrEmittenten kommen, desto grös-ser und liquider wird der Markt- es ist eine sich selbst verstär-kende positive Spirale, die vieleGewinner mit sich bringt.

CCaaffee BBEE: Medien sind voll vonSorgen vor der Inflation. Zinsan-hebungen scheinen auch näherzu rücken. Wie beurteilt ein As-set Manager die Asset-Klasse An-leihe in diesem Umfeld?MMaarrttiinn BBoohhnn: Schwierig. Infla -tionsangst haben wir, seit massiv

Geld in den Markt gepumpt wird. Jetzt siehtes aber aus, als ob die Zahlen erstmals auchdafür sprechen, dass die Teuerung durchsteigende Energie- und Nahrungsmittel-preise ansteigt. Die Kernraten sind aberniedrig, da es noch keine Lohnpreisspiralegibt. Die Nervosität steigt jedoch. Wir se-hen das an unseren Anleihenfonds, die eherabgebaut werden. Heisst, wir müssen eben-falls Anleihen verkaufen. Das ist so etwaswie eine Spirale nach unten. Wir solltenauch eher früher als später Zinserhöhun-gen sehen, erzwungen von der Inflation.Das drückt die Stimmung am Anleihen-markt. Ich glaube aber nicht, dass es ex-trem wird und wir negative Performance-daten haben. Dafür ist die Wirtschaft nochzu fragil. Aber grosse Performance werdenwir heuer nicht sehen.PPeetteerr WWaaggeenneeddeerr: Der Inflationsdrucknimmt zu, langlaufende Anleihen sind der-zeit etwas für besonders Mutige, da ist nichtmehr viel drinnen. Ich glaube, dass wir beider Performance knapp über der Nulliniebleiben werden. Wir selbst sind etwas zufrüh hinaus gegangen. Zu den offiziellen In-flationszahlen möchte ich aber folgendeszu bedenken geben: Wir haben jetzt zehnJahre Euro. Nehmen Sie zehn Produkte destäglichen Lebens nach Wahl und die letz-

Cafe BE Diskutanten: S. Huber, C. Bässler, P. Wageneder, M. Bohn, G. Trattner

� Fortsetzung auf Seite 3

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Freitag, 28. Jänner 2011

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ten Schillingpreise. Man wird kaum etwasfinden, das nicht zumindest 50 Prozent teu-rer geworden ist. Das bedeutet eine tat-sächliche Inflation von sechs bis siebenProzent. Denn ich kaufe mir nicht jedenTag ein Flachbildschirm-TV. Da sehe ichdie Gefahr, dass die Kaufkraft sehr raschund stark entwertet wird.GGiillbbeerrtt TTrraattttnneerr: Ich sehe die Inflationsangstin Europa eher als singuläres ProblemGrossbritanniens, und das durch einen Ein-maleffekt. Dort kommt zur importierten In-flation durch Energie und Nahrungsmittelder Effekt der höheren Mehrwertsteuer.MMaarrttiinn BBoohhnn: Solan-ge die Lohnpreisspi-rale nicht in Gangkommt, sehe ich kei-ne nachhaltige Infla-tion. Auch die mei-sten Prognosen gehenvon relativ moderatenKernraten aus. Ich habe Angst vor der Angst,aber nicht vor den Daten der Inflation.

CCaaffee BBEE: Zu welchem Anleihenanteil ratenSie derzeit - oder gleich ganz weglassen?MMaarrttiinn BBoohhnn: Wir präferieren derzeit Ak-tien. Gar keine Anleihen ist aber nicht mög-lich. Heisst, man fährt sie zurück und hältsie kurz. Privat halte ich jetzt 60 ProzentAktien. Obwohl ich in der Branche als kon-servativ gelte.CCaarroolliinnee BBäässsslleerr: Innerhalb der Assetklas-se sind Corporates „the better place to be“.

Ich kann mir Unternehmen genau anse-hen, sie sind transparenter, und ich be-komme auch noch eine Risikoprämie.PPeetteerr WWaaggeenneeddeerr: Auchwir empfehlen, auf diekurze Seite zu gehenund die Situation zu be-obachten. Es gibt abernicht nur den Euro -raum, sondern auch dieMöglichkeiten des FX-Marktes.

CCaaffee BBEE: Stichwort Euro-Rettung und Grie-chenland - ist der Euro gefährdet?PPeetteerr WWaaggeenneeddeerr: Am Thema Euro führt

nichts vorbei, da sag’ich: Es darf nichtsein, was nicht seindarf. Aber man wirdKreativität zeigenmüssen, um dieSpannungen zu ver-ringern. Ich erinnere

nur, dass Griechenland und Italien immerabgewertet haben. Als ich das erste Mal inItalien war, kosteten 1000 Lire mehr als 20Schilling, gewechselt haben wir mit siebenSchilling. Jetzt kann Italien seit zehn Jah-ren nicht mehr abwerten, haben aber im-mer davon gelebt.MMaarrttiinn BBoohhnn: Um das Sparziel zu schaffen,müsste Griechenland jedes Jahr einen Pri-märüberschuss von zwölf bis 13 Prozenterwirtschaften. 2013 gibt es aber Wahlen.Wenn die Regierung abgestraft wird, hatsich das Thema erledigt. Aus meiner Sicht

ist es unrealistisch, dass es Griechenlandohne Haircut auf die Anleihen schafft ...PPeetteerr WWaaggeenneeddeerr: Und dann haben Sie im-

mer noch dasGrundproblemder starkenWährung.MMaarrttiinn BBoohhnn: ...Wobei ich anden Haircutnicht glaube.Griechenland

an sich ist nicht das Problem, das könnteEuropa verkraften. Aber was passiert nacheinem Haircut? Es wird spekuliert, wo esden nächsten gibt. Dann wird es kritisch.Längerfristig gehe ich davon aus, dass esalle aus eigener Kraft schaffen können, aus-ser Griechenland. Wir werden etwas findenmüssen, um Griechenland zu helfen, oh-ne einen Flächenbrand auszulösen. Viel-leicht wäre eine Verlängerung der Laufzei-ten eine Lösung. Dann müssten auch dieBanken nichts abschreiben.SStteeffaann HHuubbeerr:: De facto ist es keine Grie-chenland- oder Euro-Rettung, sondern ei-ne Bankenrettung.PPeetteerr WWaaggeenneeddeerr: Und wieder sind Bankendas Problem. Zuerst holen sie sich Geld zueinem Viertel-Prozent, kaufen damit grie-chische Anleihen und lassen sich dann ret-ten.

CCaaffee BBEE: Was wäre jetzt solch ein „Befrei-ungsschlag“?

Stefan Huber (Wienerberger), Caroline Bässler (3Banken Generali), Peter Wageneder (AAA Asset Management)

� Fortsetzung von Seite 2

„Defacto keine Griechen-land- oder Euro-Rettung,sondern Bankenrettung“

Stefan Huber, Wienerberger

„Ich habe Angst vor derAngst, aber nicht vor den

Inflationsdaten“Martin Bohn, Bawag PSK Invest

� Fortsetzung auf Seite 4

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MMaarrttiinn BBoohhnn: Eurobonds sind für mich dieLösung des Problems. Vielleicht wird mansagen müssen: So wie Österreich sein Kärn-ten und die USA Kalifornien, hat Europasein Griechenland. Müssen wir halt mit-schleppen. Dadurchwerden aber die Kern-länder höhere Zinsenin Kauf nehmen müs-sen. Für mich ist dasdie gangbarste Lösung des Problems. Deutschland hat aber auch 2013 Wahlen.PPeetteerr WWaaggeenneeddeerr: Deutschland profitiertmassiv von der Situation. Die Zinsen sindam Boden, das ist perfekt. Und der Euroist eigentlich viel zu schwach, was die Ex-porte begünstigt.

CCaaffee BBEE: Merkt Wienerberger im operati-ven Geschäft die deutsche Stärke?SStteeffaann HHuubbeerr:: Noch zu wenig. In unseremSegment hängt das Geschäft vom Konsu-mentenvertrauen ab. Bauen ist etwas Lang-fristiges – eigentlich eine Entscheidung, dieman meist nur einmal im Leben trifft. Dabedarf es nachhaltiger Job- und Einkom-menssicherheit. In anderen Ländern sehenwir schon Besserung: Grossbritannien et-wa mit schönen Zuwachsraten von niedri-gem Niveau. Gut auch Westeuropa. Amehesten ist noch ein Fragezeichen über derEntwicklung in manchen Staaten Osteu-ropas. Polen steht etwa aber relativ gut da,Schwierigkeiten gibt es in Rumänien, Bul-

garien und Ungarn. Die Lage ist sehr dif-ferenziert zu betrachten, „das“ Osteuropa-Problem gibt es jedenfalls nicht.

CCaaffee BBEE: Vorher wurde das Stichwort Ban-kenrettung genannt. Eine Folge ist Baselmit all seinen Vorschriften.

GGiillbbeerrtt TTrraattttnneerr:Wenn Basel III sokommt wie jetztdiskutiert, ist eineVerteuerung derKreditkonditionendie Folge. Dann

werden sich immer mehr Unternehmenan den Kapitalmarkt wenden.SStteeffaann HHuubbeerr:: Da stimme ich zu. Die Rei-se hat mit Basel II begonnen. Damals star-teten die Vorbereitungen für eine stärke-re Kapitalmarktfinanzierung. Das ist auchdie Tendenz dernächsten Jahre: Weg von Banken,hin zum Kapital-markt. Die Diversi-fikation der Finan-zierungsquellenwird immer wichti-ger.

CCaaffee BBEE: Da die Nachfrage derzeit gut zusein scheint - Pläne für eine Emission?SStteeffaann HHuubbeerr:: Wir haben aufgrund derRestrukturierung einen sehr geringen Be-darf. Wir haben uns an die Marktgege-ben heiten angepasst und brauchen da-her wenig Refinanzierungsmittel. UnserGeschäft ist sehr cash-flow-stark, auch

haben wir derzeit genug liquide Mittel.Wenn man Kapitalbedarf hat, sollte mandie Möglichkeit jetzt aber nutzen. DieSpreads sind nach wie vor niedrig – wirhaben aber eben den Bedarf nicht.

CCaaffee BBEE: Auch keine Verlängerung derLaufzeiten?SStteeffaann HHuubbeerr:: Der Kurzfristanteil ist beiuns mittlerweile sehr gering, diesen ha-ben wir zuerst verringert. De facto ist dernächste Refinanzierungsbedarf Mitte2012, dem aber schon grosse Teile an li-qui den Mitteln gegenüberstehen.

GGiillbbeerrtt TTrraattttnneerr: Wir finanzieren uns aus-schliesslich über den Kapitalmarkt, Pri-vat platzierungen und die EIB. Wir habenheuer einen grossen Finanzierungsbedarf,etwa drei Milliarden, und werden vor-

aussichtlich zweiBenchmark-An-leihen emittieren.Mit unserem Ra-ting habe ich damomentan keineBedenken. Manhat es bei derletzten Euro-An-

leihe gesehen, die Nachfrage war enorm.China scheint zu kaufen, was geht, es mussnur gut geratet sein. Der Markt ist derzeitaber sehr sensibel. Wenn über eine klei-ne Sparkasse in Spanien geschrieben wird,gehen die Spreads schon auseinander.

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Gilbert Trattner (ÖBB-Infrastruktur), Martin Bohn (Bawag PSK Invest), Robert Gillinger und Bettina Schragl (BE)

� Fortsetzung von Seite 3

„Deutschland profitiertmassiv von der Situation“

Peter Wageneder, AAA

„Mit unserem Rating habeich keine Bedenken. Aberder Markt ist sehr sensibel“

Gilbert Trattner, ÖBB-Infrastruktur

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Dienstag, 8. Februar 2011

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Cafe BE: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der ÖIAG

„Geht das Geschäft aus, gehört zugesperrt“

Was kommt auf den künfti-gen ÖIAG-Vorstand zu, wiegross ist sein Bewegungsspiel-raum, und wie steht’s generellum das Verständnis der Poli-tik für den Kapitalmarkt?CCaaffee BBEE:: Markus Beyrer wurde zum künf-tigen Alleinvorstand der ÖIAG ernannt.Herr Becker, Sie waren lange Jahre ÖIAG-Vorstand: Was erwartet ihn, was kommtauf Herrn Beyrer zu?EErriicchh BBeecckkeerr:: Es kommt gar nicht so Tol-les auf ihn zu, er wird immer abhängig vomjeweiligen Regierungsprogramm sein, undim laufenden ist keinerlei Privatisierungs-schritt vorgesehen. Die ÖIAG ist keine Pri-vatisierungsagentur mehr, sondern eine Ver-mögensverwaltung. Damit sind die Bewe-gungsspielräume relativ überschaubar.

Da möchte ich den Liebling der Pres-se, den Dr. Raidl (voestalpine-VorstandClaus Raidl, Anm.) zitieren, der jetzt beider Bestellung als Vorstandsmitglied derIndustriellenvereinigung das nicht so sa-gen konnte, er hat aber nicht so unrecht,wenn er in der Vergangenheit meinte, einMinisterialrat kann diese verwaltende Tä-tigkeit ebenfalls ausüben und warten, wasdie nächste Regierung macht.

HHeerrmmaannnn MMiicchheelliittsscchh:: Ich möchte einenSatz zur Bestellung von Herrn Beyrer sa-gen: Die Kommentare sind eigentlich er-schütternd und ein Sittenbild der österrei -chischen Innenpolitik. Kaum war er be-stellt, wurde er von Staatssekretär Schiederschon attackiert. Etwas Unfaireres und Un -appetitlicheres kann man sich eigentlichnicht vorstellen. Dann kommen Gerüch-te, er habe keine Industrieerfahrung, er seiein verlängerter Arm des Finanzministers.Ich finde das grenzenlos unappetitlich undbeschämend für Österreich.

CCaaffee BBEE:: War Herr Beyrer Ihrer Meinungnach die richtige Wahl?HHeerrmmaannnn MMiicchheelliittsscchh:: Die Medien habenberichtet, es soll 40 Kandidaten gegebenhaben. Durchgesickert sind allerdings nurdie Namen Nemsic, Ruttenstorfer, Beyrer.Über den anderen liegt der Mantel desSchweigens. Damit weiss man nicht, obes noch andere interessante Bewerber ge-geben hätte. Und weil es mich am Randeauch berührt: Bei Ruttenstorfer gab es imVorfeld Berichte, er hätte sich beworben,dann hiess es, er müsse sich ja nicht be-werben, weil er könne auch gebeten wer-den, etc. Dieses ewige Hickhack, wir sindwirklich eine Bananenrepublik. AAllffrreedd RReeiisseennbbeerrggeerr:: Ich masse mir nicht

an, über Herrn Beyrer ein Urteil abzuge-ben. Man muss eher über die ÖIAG dis-kutieren. Was Herr Becker gesagt hat, undich glaube, es gibt keinen besseren Insider,dem kann ich mich nur vollinhaltlich an-schliessen. ÖIAG-Vorstand ist einem Kö-nig ohne Land ähnlich. Er ist ein Vermö-gensverwalter. FFrraannzz KKuubbiikk.. Eigentlich ist er arm, weil erhat mehr Aufsichtsräte als Mitarbeiter. EErriicchh BBeecckkeerr:: Sagen wir so, ich habe dieNamensnennungen Nemsic, Ruttenstorfereigentlich überhaupt nicht verstanden. Dennwenn ich operativ wirklich etwas geleistethabe, dann bin ich in der ÖIAG seit 1994falsch am Platz. Denn damals wurde dasWeisungsrecht abgeschafft. Vermögensver -waltung und Privatisierung waren derHauptauftrag. Privatisierungen gibt es der-zeit keine. Und welche guten Ratschlägesoll der ÖIAG-Chef den Unternehmens-füh rungen geben? Ich glaube, die gute Nach-rede, die Karl Hollweger und ich als ÖIAG-Vorstände hatten, war, uns nicht als Gschei-terln in die Unternehmensführung einzu-bringen, sondern dafür zu sorgen, dass nachordentlichen Prinzipien gearbeitet wird. DieHauptversammlung der ÖIAG war, ist undbleibt der Finanzminister, und alle gravie-

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renden Letztentscheidungen in der ÖIAGhängen von HV-Beschlüssen ab.

Diese müssen im grosskoalitären Lebenabgestimmt sein. Es gab also in meiner Zeitimmer eine enge Abstimmung zwischenÖVP und SPÖ. Der Minister, der das 1994umgesetzte Konzept ausgearbeitet hat, warViktor Klima, sein Partner der Staatssekre-tär im Finanzministerium, Johannes Ditz.

Beide haben angesichts des Amag-De-sasters gesagt, wir haben die Schnauze voll,jetzt gehen wir privatisieren. Die ÖIAG istin weiterer Folge nicht allzu schlecht ge-laufen. Dann kamen aber schon wieder dieBegehrlichkeiten der Politik. Nach dem Aus-scheiden von Hollweger und mir kamenStreicher und Ditz als ÖIAG-Vorstände.

Wieder ein ganz starkes Signal, dass dieParteien die ÖIAG stärker an die Brust neh-men wollen. Und kaum war Schwarz-Blauan der Macht, waren Streicher/Ditz weg, eswurde „objektiv und parteienfrei“ ausge-schrieben, und es kamen die Herren Michaelis und Wieltsch. Also, so geht das.Da kann man auch einen aus sich selbsterneuerbaren Auf-sichtsrat hinsetzen,aber ab und zu brau-chen Sie einen HV-Beschluss. Und dasist halt immer der Fi-nanzminister.

Von einem ÖIAG-Vorstand verlangeich allerdings auchetwas Zivilcourage,nicht nur vorausei-lenden Gehorsam.Er darf nicht nur anden Lippen der Po-litiker hängen, son-dern muss ihnenvielleicht auch etwasnäher bringen, dassie ursprünglichnicht wollten.

Kleines Beispiel:Es war immer Kli-mas Traum, Post und Telekom gemeinsaman die Börse zu bringen. Es wurden damalsaber international schon getrennt Telekom-und Post-Aktien verkauft. Wir haben da-mals gedacht, wie machen wir das?

Und dann sindwir zu Edlinger, un-serem damaligenFinanzminister ge-gangen, und habengesagt: „Das gehtnicht.“ Er meinte,das glaub’ ich Euchschon, aber wie sa-gen wir das demBundeskanzler?

Wir haben unsdann ein neutralesGutachten einer In-vestmentbank ge-holt, und diesessagte aus: Der Bun-deskanzler hat jazwar recht, Postund Telekom ge-meinsam an dieBörse zu bringen,der Markt verstehtdas aber derzeit nicht. Und so wurden durchein Gesetz Post und Telekom getrennt, undes gab zwei verschiedene Privatisierungen.Wären wir nur an den Lippen der Politiker

gehangen, hättenwir wahrscheinlichden grössten Blöd-sinn gemacht. Unddieses An-den-Lippen-Hängenwerfe ich bei derAUA-Lösung inhöchstem Masseder Führung derÖIAG vor.

CCaaffee BBEE:: Herr Ku-bik, der Markt hät-te die Post-Tele-kom-Story nichtverstanden?KKuubbiikk:: In gebün-delter Form zudiesem Zeitpunktsicher nicht. Insti-tutionelle Inve-storen folgen ja

auch gern internationalen Beispielen. Undinternational waren die Bereiche bereitsgetrennt. Aber zurückkommend auf dieÖIAG: Zuerst muss man einmal definie-ren, wohin die Reise überhaupt gehen soll.

Will man Beteili-gungsverwaltungbleiben, Privatisie-rungsmöglichkeitenausloten, etc.?

In jedem Unter-nehmen gibt es ei-nen Business Planfür die nächstenJahre. Das vermis-se ich hier. Nichtbegeistert bin ich al-lerdings, die ÖIAG-Aktivitäten in einemMinisterium anzu-siedeln. Ich habe infrühen Jahren diePrivatisierung derAUA erlebt. Dieselief über das Mini-sterium, ein müh-samer Weg. Vorteileiner ÖIAG ist und

war die gebündelte Kompetenz. RReeiisseennbbeerrggeerr:: Zur Wertsteigerung der Un-ternehmen trägt die ÖIAG aber nichts bei,kann sie auch gar nicht. In Wirklichkeitgenügt einmal im Quartal ein Kontoaus-zug, wie viel die Beteiligung im Wert ge-stiegen ist. MMiicchheelliittsscchh:: Darf ich eine Frage stellen?Die ÖVP will die ÖIAG aufblähen, dieSPÖ will sie abschaffen. Inwiefern kanneine Dividendenpolitik eine fiskalischeRolle spielen?KKuubbiikk:: In Summe zu den Gesamtschul-den der Republik sind das Peanuts. RReeiisseennbbeerrggeerr:: Es kann schon ein Argu-ment sein, aber im Verständnis des ge-lernten Österreichs geht es doch darum,dass es hier einen Posten zu besetzen gibt,mit dem gewisse macht- und parteipoliti-sche Funktionen verbunden sind. Ich binder Meinung, man könnte die ÖIAG ab-schaffen. Weitere Privatisierungen werdennicht kommen, es gibt keinen Auftrag, wieHerr Becker bereits erwähnt hat. Und selbstwenn, dann gäbe es wieder die Diskus-sionen über den richtigen Zeitpunkt, denPreis. Sie kennen das alles. Es wird abernicht passieren. In Wirklichkeit ist der ÖIAG-Vorstand heute eigentlich eine wun-derbare Position, die perfekt bezahlt ist.

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„Dieses ewige Hick-Hack.Wir sind wirklich eine Bananenrepublik“

Hermann Michelitsch

„Von einem ÖIAG-Vor-stand verlange ich auchetwas Zivilcourage“

Erich Becker

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KKuubbiikk:: Man muss aber fairerweise sagen,es bleibt abzuwarten, welches Konzept derneue ÖIAG-Vorstand vorlegen wird. RReeiisseennbbeerrggeerr:: Aber er ist ein Gefangener.Es hat sich in den letzten Jahren nichtsergeben. Und es werden auch in nächsterZeit OMV, Telekom und Post sicher nichtverkauft werden. MMiicchheelliittsscchh:: Zu meiner Zeit auf Road-shows kam von Analysten oft die Frage,wieweit der Staat noch beteiligt ist, unddies wurde positiv gesehen, etwa als Schutzvor Übernahmen. Gibt es diese Fragenheute auch noch?RReeiisseennbbeerrggeerr:: Nach wie vor, die Beteiligungdes Staates wird negativ gesehen. Es ist aberauch eine Frage der Höhe. Die 28%, dieder Staat bei der Telekom hat, sind egal. BBeecckkeerr:: Die OMV ist für mich als Staats-unternehmen zu sehen, sie ist von zweiStaaten beherrscht. Noch eine Anmerkungzu den Aussagen, man müsse auf die Plä-ne des künftigen ÖIAG-Chefs warten: Erkann natürlich ein Konzept schreiben, aberer ist ja im aktuel-len Umfeld garnicht beauftragt, et-was zu erfinden.

Das war bei unsanders, wir hattenetwa den konkretenAuftrag, ein Privati-sierungskonzept1994 bis 1996 aus-zuarbeiten. RReeiisseennbbeerrggeerr:: Ichfrage mich zudembei weiteren Beteili-gungen für die ÖIAG, woher dasGeld kommen soll-te. Da werden stän-dig neue Steuerla-sten aufgebürdet,und dann soll esplötzlich Geld ge-ben, um neue Be-teiligungen einzuge-hen? Das ist absurd. KKuubbiikk:: Vor allembei den genannten Gesellschaften, um wel-che die ÖIAG erweitert werden soll. Glück auf, kann man da nur sagen.

RReeiisseennbbeerrggeerr:: Aberes gibt scheinbardoch immer wiederGeld, wie man auchbei der Kapitalerhö-hung des Verbundgesehen hat. Es istauch gar nicht so-lange her, dass dieÖIAG bei der OMVwieder aufgestockthat, nachdem sie zu-vor reduziert hatte.

CCaaffee BBEE:: Was hatder Vorstand derÖIAG heute nochzu tun?BBeecckkeerr:: Als grosserPaketinhaber spieltman in spärlich be-setzten Hauptver-sammlungen einegewaltige Rolle.

Über die HV kann Einfluss auf die Zu-sammensetzung des Aufsichtsrates ge-

nommen werden. Als Mitglied des

Aufsichtsrats bzw.als Aufsichtsrats-vorsitzender inden Beteiligungenist der ÖIAG-Vorstand bei derjeweiligen Vor-stands bestellungvon hohem Ein-fluss. Und da stelltsich die Frage, wiefrei kann ich dabeientscheiden? BeiStaatsunterneh-men ist die Ver-suchung gross,dass einem Head-hunter ans Herzgelegt werden. InverschiedenenPhasen der ÖIAGfinden sich übri-gens immer wie-der die gleichen

Namen von Headhuntern. Eigentümlich,kann ich nur sagen. Der Headhunter sucht dann aus, und ei-

genartigerweise er-weisen sich oft diepolitisch Ge-wünschten als dieBesten in diesemWettbewerb. Ammeisten hat michgeärgert, wenn Po-litiker manchmalBesetzungen nahegelegt haben, unddie waren dannam Ende wirklichgut. Ich habe michetwa gegen eineBesetzung wahn-sinnig gesträubt,für die der dama-lige Wirtschafts-minister Schüsselverantwortlich war- und er hat Rechtgehabt. Es war ei-ne glänzende Be-

setzung. (Lachen in der Runde). Ich will damit nicht ausschliessen, dass po-litisch unterstützte Menschen die schlech-teste Besetzung sind. Wenn es sich aber nurum Versorgungsaktionen handelt, dann istdas weniger schön. Doch zurück zu denVorstandsbestellungen: Das sind die we-sentlichen Weichenstellungen, die ein ÖIAG-Vorstand vornehmen kann. Spieltman mit, dass ein wenig Geeigneter einemGeeigneteren vorgezogen wird? Weiters ent-scheidet man im Aufsichtsrat natürlich überAkquisitionen, Grossprojekte etc. mit.

Wirtschaftlicher Sachverstand ist schonnotwendig für einen Vorstand in der ÖIAG. Ansonsten ist er hauptberuflicherAufsichtsrat. Und wenn er seinen Job beiden drei Beteiligungen ordentlich machtund die Unternehmen als Persönlichkeitweitgehend von der Politik abschirmenkann, verdient er Geld. Ob das 500.000oder 700.000 Euro sein müssen, möchteich nicht beurteilen. Unsere Gage lag da-mals übrigens bei rund einem Drittel derderzeitigen. Wahrscheinlich weil wir nurrund ein Drittel so gut waren (schmunzelt).RReeiisseennbbeerrggeerr:: Am Ende des Tages werdendie Geschicke der einzelnen Beteiligungs-Unternehmen aber doch vom Vorstand ge-

� Fortsetzung von Seite 3

„Grosser Vorteil der ÖIAGwar die Öffnung der Wirt-schaft für Investoren. Die

Manager wurden gefordert“Franz Kubik

„Ohne Finanzkrise wüssten die Herren

Faymann und Pröll nicht,dass es eine Börse gibt“

Alfred Reisenberger

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lenkt, der dafür auch verantwortlich ist. BBeecckkeerr:: Der ÖIAG-Vorstand ist als Auf-sichtsratspräsident im jeweiligen Unter-nehmen aber die unmittelbare Ansprech-person des Vorstandsvorsitzenden. Und erist für mich bei den börsenotierten Ge-sellschaften auch der Hüter des Corpora-te Governance Kodex – bis zur letzten Kon-sequenz. Nicht nur das Gesetz, sondernauch die wirtschaftsethischen Grundlagen.

CCaaffee BBEE:: Wenn Sie jetzt das Sagen hätten,wie würde Ihr Vorschlag für die künftigeAusrichtung der ÖIAG aussehen?RReeiisseennbbeerrggeerr:: Im Grunde genommen istes egal, ob diese Vermögensverwaltung jetztÖIAG heisst oder Finanzministerium, Sek-tion 17a/3. Was mich immer etwas erhei-tert, ist die Wichtigkeit, die der ÖIAG heu-te noch zukommt. Ich glaube, in Wirk-lichkeit gibt es die ÖIAG ja nur noch, weiles diese drei Beteiligungen gibt. Und alsAufsichtsrat in den Beteiligungen gilt es eine wichtige Rolle zu erfüllen, auch imHinblick auf Corporate Governance. DieÖIAG ist ein bewährtes Modell, aufgrundder Aufgabenstellung ist eine eigene Ge-sellschaft aber nicht wirklich notwendig.

Ich bin auch der festen Meinung, es wirdnichts hinzukommen, es werden keine Pri-vatisierungen stattfinden. Irgendwann viel-leicht, aber dann kann man sich das Know-how über Invest-mentbanken auchzukaufen. KKuubbiikk:: Ich sehe innächster Zeit auchkeine Privatisie-rungen, aber mansoll das vorhan-dene Know-how nicht zerstören, sondernweiterhin für die Verwaltung nutzen. DieBedeutung der Beteiligung möchte ich aberschon etwas in die Höhe heben. Es sindnicht irgendwelche Firmen, sondern dochKernstücke der Wirtschaft. Damit gibt esschon auch eine höher gestellte Verantwor -tung in Verwaltung und Beaufsichtigung. BBeecckkeerr:: Ich glaube, unsere Zeit ist nichtwiederholbar. Wir sind ja damals ständigangereichert worden und haben ab 1997auch Unternehmen zur Privatisierung über-tragen bekommen, die mit der ÖIAG ei-

gentlich gar nichts zu tun hatten, wie etwaPost und Telekom, Austria Tabak, Doro-theum, Salinen bis hin zu Bergbahnen.

Wir haben abernicht einen Auf-trag von den Län-dern bekommen,denn die hockenja nach wie vorauf ihren Energie-gesellschaften etc.,weil das Versor-gungsposten sind.

Die ÖIAG war wirklich eine Privatisie-rungsagentur, und das Geschäft ist ihr aus-gegangen. Und wenn das passiert, mussman redimensionieren und zusperren.

CCaaffee BBEE:: EinigeEmissionen, etwadie AMS, waren kei-ne klassischen In-dustriekernstücke. Sehen Sie gar keineChance, dass manDerartiges wieder

im ÖIAG-Umfeld positionieren und net-te Börsestories basteln kann?RReeiisseennbbeerrggeerr:: Warum muss etwas vorherin eine ÖIAG überführt werden, damit esdann privatisiert werden kann? Das kannnur parteipolitische Gründe haben.

Aber generell, wo gibt es denn derzeitso ein interessantes Unternehmen?Schlummert noch wo eine Perle?KKuubbiikk:: Ich weiss im Moment keine Perle,und wenn, schimmert sie nur sehr matt.Aber Möglichkeiten muss man sich offenlassen, never say never.

RReeiisseennbbeerrggeerr:: Die kompetente Truppe inder ÖIAG hat aber schon seit Jahren nichtsmehr zu tun gehabt. Wenn ich dort sässe,

hätte ich mir bereitseinen anderen Jobgesucht. BBeecckkeerr:: Expertisensind immer mit Per-sonen verbunden. Früher hatten wir andie 50 Mitarbeiter,heute sind es zwi-

schen 15 und 20. Von den damals füh-renden Leuten sind alle weg. Aber es gibtja auch nichts zu tun. RReeiisseennbbeerrggeerr:: Das grosse Problem spieltsich neben bzw. über der ÖIAG ab. Wennes die Finanzkrise nicht gegeben hätte, binich sicher, die Herren Pröll und Faymannwürden nicht wissen, dass es eine Börsegibt. Das ist das Problem. Ich kann die ÖIAG ja nur mit etwas befüllen, wenn ichdafür Verständnis habe. Aber es gibt keinVerständnis für die Börse. KKuubbiikk:: Hat es das politisch jemals gege-ben?RReeiisseennbbeerrggeerr:: Ich glaube, früher hat esschon mehr Verständnis gegeben.

CCaaffee BBEE:: Mit der ÖIAG wird auch immerdie Bedeutung als Kernaktionär für öster-reichische Unternehmen verbunden. Wiewichtig ist das?RReeiisseennbbeerrggeerr:: Die Kernaktionärsfunktionhat schon ihre Berechtigung. Aber genaudeswegen muss man sich auch eingeste-hen, dass es keine weitere Privatisierung der

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„Es sind nicht irgendwel-che Beteiligungen, sondernKernstücke der Wirtschaft“

Franz Kubik

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„Egal, ob diese Vermögens-verwaltung ÖIAG oder

BMF, Sektion 17a, heisst“Alfred Reisenberger

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aktuellen ÖIAG-Beteiligungen geben wird. BBeecckkeerr:: Ich sehe in der politischen Land-schaft derzeit auch keine Privatisierungs-fanatiker. Gelangt die FPÖ zu einer Re-gie rungsverantwortung, wird es das nichtgeben, weil die FPÖ in dieser Hinsicht,glaube ich, sehr gut zur SPÖ passt. Bei derÖVP halten sich die Privatisierungsfana-ti ker auch in engen Grenzen. Wenn mannach Oberösterreich sieht, haben die jaein eigenes Privatisierungsverständnis ent-wickelt, das stark von einem Bankmana-ger getragen wird. Am Beispiel der voest -alpine fragt man sich schon, ob es die Auf-gabe einer Bank ist, Kernaktionär zu sein. RReeiisseennbbeerrggeerr:: Ich denke, der Wunsch vonDr. Eder (voestalpine-Chef, Anm.) war, sicheinen Kernaktionär zu schaffen, um einermöglichen Übernahme vorzubeugen. BBeecckkeerr:: Die Langfristigkeit einer solchenKernaktionärsrolle hängt aber schon starkvon den Führungspersönlichkeiten der ein-zelnen Institute ab bzw. von Notsituatio-nen, in die eine Bank kommen kann, undsich dann von der Beteiligung trennenmuss. Daher: Stabilität bis zum jüngstenGericht gibt es nicht. RReeiisseennbbeerrggeerr:: Ich glaube, wir sind uns alleeinig: Es gibt keinePrivatisierungenbzw. es gäbe schonUnternehmen,aber es gibt keinenAuftrag, kein Inter-esse, kein Ver-ständnis für dasThema Börse. MMiicchheelliittsscchh:: Esgäbe sicher einigeszu privatisieren. Aber solange die Macht der Landes-hauptleute so gross ist, wird es im Ener-giebereich keine Transaktionen geben. BBeecckkeerr:: Man muss wahrscheinlich die„Kronen Zeitung“ dazu bewegen, das The-ma aufzugreifen, damit es ins Bewusstseinder Politik kommt. Aber ich befürchte, dasgeht den Leuten gar nicht unter die Haut. KKuubbiikk:: Aufgrund der Börsenentwicklungder vergangenen Jahre ist das Thema Ak-tienbesitz generell nicht mehr stark besetzt.

CCaaffee BBEE:: Herr Michaelis hat einmal in ei-nem Interview gemeint, der grösste Erfolg

der ÖIAG sei die AUA-Privatisierung ge-wesen. KKuubbiikk:: Was? Die letzte Privatisierung derAUA?

CCaaffee BBEE:: Ja. Was war denn Ihrer Meinungnach der grösste Erfolg?MMiicchheelliittsscchh:: Die OMV. Wir waren wirk-lich die Lokomotive, hinter uns kamen dieganzen grossen Privatisierungen, wir wa-ren Eisbrecher. Und es gab ja damals dreiwichtige Aufgaben für uns: Die Börse undden Kapitalmarkt verständlich zu machen;zu vermitteln,warum sichder Anlegereine Aktie derOMV kaufensoll; und auchzu erklä ren,dass das Geldnicht in dieOMV, sondern in die ÖIAG fliesst.

KKuubbiikk:: Ich will mich nicht an Einzeler-eignissen der ÖIAG aufhängen. Der gros-se Vorteil der ÖIAG war die Öffnung derösterreichischen Wirtschaft für Investoren- und internationale Institutionelle für denMarkt zu interessieren. Das österreichi-

sche Unternehmer-tum wurde durchdie Entwicklungund von den Anle-gern gefordert, undes wurde sehr vielvorangetrieben.

Und ich glaubeauch, dass die ÖIAG durch ihrenBeitrag in Marke-

tingkampagnen einen wesentlichen Anteilhatte, das Verständnis des Privatinvestorsfür die Aktie zu schärfen. RReeiisseennbbeerrggeerr:: Da bin ich voll bei Ihnen. DasWichtigste war, dass man nach jeder Pri-vatisierung mutig und unbeirrt den Wegfortgesetzt und weitere Privatisierungen ge-tätigt hat. Das hat zur Erziehung des Pri-vat aktionärs beigetragen und gezeigt, wel-che tollen Unternehmen es in Österreichgibt, etwa eine Böhler-Uddeholm oder ei-ne OMV, um nur einige zu nennen. BBeecckkeerr:: Ich würde den gesamten Zeitraumder ÖIAG von 1993 bis heute sehen. Dergrösste Erfolg dieser Periode ist, dass kein

Unternehmen durch die Privatisierung andie Wand gefahren wurde. Alle haben inirgendeiner Form überlebt und sind bessergeworden. Ich weiss kein Unternehmen,das schlechter wurde. Jede Privatisierungwar in sich ein Erfolg, manche sind aller-dings zu spät erfolgt. Insofern kann ich auchbei der eingangs erwähnten AUA-Privati-sierung den Erfolg nicht sehen. Noch inmeiner Zeit, etwa 1998, haben wir eineKlausur zur AUA gemacht. Damals sagtenwir: Am Gescheitesten wäre es, mit Frackund Zylinder nach Frankfurt zur Lufthan-

sa zu fahren. Wir ha-ben gesehen, dass esauf Dauer nicht gehenwird. Und da braucheich nicht x Gutachtendafür. Da hätte mansich seitens der ÖIAGmehr trauen sollen,auch wenn sich Poli-

tiker das nicht gewünscht haben.

BBeettttiinnaa SScchhrraaggll//CChhrriissttiiaann DDrraassttiill

http://www.boerse-express.com/cafebe

� Fortsetzung von Seite 5

„In Oberösterreich wurdeein eigenes Privatisierungs-verständnis entwickelt“

Erich Becker

„Die OMV war Eisbrecher.Wir mussten nicht nur dieAktie erklären, sondernauch, warum das Geld in

die ÖIAG fliesst“Hermann Michelitsch

EErriicchh BBeecckkeerr:: Verbrachte den

grossen Teil seiner Karriere in der

verstaat lichten Industrie. Von 1994

bis 1999 war er stellvertretender Ge-

neraldirektor der ÖIAG, ab 1996 zu-

dem Vorstand der PTBG. Der VA

Tech stand er bis zum Jahr 2004 vor.

FFrraannzz KKuubbiikk: War bis 2001 Vorstand

der CA-IB Investmentbank der Bank

Austria Gruppe und anschliessend drei

Jahre im Vorstand von Do&Co. Aktu-

ell ist Kubik Geschäftsführer der Cube

Consult Unternehmensberatung.

HHeerrmmaannnn MMiicchheelliittsscchh:: War bis En-

de 2000 Kommunikationschef der

OMV, anschliessend als selbständi-

ger Presseberater tätig.

AAllffrreedd RReeiisseennbbeerrggeerr:: Ist Head of

Austrian and CEE Equity Research

bei CA Cheuvreux in Wien.

Die Teilnehmer

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BÖRSE EXPRESS Seite 2

Cafe BE: Talk über eine Welt, die immer chartlastiger wird - worauf Sie achten sollten

„Charttechnik ist kein Allheilmittel“

Wo liegen Möglichkeitenund Grenzen der Charttech-nik? Und was sind die Lieb-lingsindikatoren der Profis?

Dieser Tage testete der ATX den Bruchdes psychologischen Widerstands bei 3000Punkten. Wie es weitergeht und ob mander Charttechnik wirklich vertrauen soll-te, fragten wir Robert Schittler (RCB), Wolf-gang Schimmel (FTC), Christoph Schul-tes (Erste Group), Roland Meier (Tele-Trader) und Markus Weismann (Volksbank).

BE Cafe: Die Erste Group änderte kürz-lich Teile ihrer Research-Publikationenund bringt darin verstärkt Charttechnik.Was war der Auslöser dafür?

Christoph Schultes: Das ist das Resul-tat einer Leserbefragung. Und da gab esdie klare Aussage, dass sich die Leute fürCharts interessieren.

BE Cafe: Hat sich die Nachfrage etwanach Seminaren bzw. entsprechendenTools auch erhöht?

Roland Meier: Früher hatten wir eherSpezialistentreffs – die Nachfrage wird aberimmer breiter. Wir sehen immer mehr An-

leger, die nachvollziehen wollen, wasihnen die Spezialisten gesagt haben. Aberauch das Angebot an Spezialseminarenwird immer grösser.

BE Cafe: Hat sich dabei an den Anfor-derungen etwas geändert?

Roland Meier: Wir sind zunehmend ge-fordert, in die Charts auch Fundamental-daten einzubauen. Wann war die HV, washat sie beschlossen, was waren die Aus-wirkungen? Oder wann und welche Di-rectors Dealings es gab – welche Auswir-kungen hatte das, rückwirkend betrachtet?

Robert Schittler: Ich sehe auch eine ver-stärkte Nachfrage nach Seminaren. Be-gonnen hat es eigentlich mit dem Endedes Neuen Marktes, als bemerkt wurde,dass eine betriebswirtschaftliche Analyseschnell an ihre Grenzen stossen kann.

BECafe: Es heisst, die Info steckt im Kurs– wofür dann noch Charttechnik?

Robert Schittler: Fundamentaldaten sindim Kurs nicht unbedingt reflektiert, wennes Insidertrading gibt. Wenn jemand In-formationen vor anderen hat …

RolandMeier: Die Nachrichten kommen

manchmal zu spät, da Markt-insider Bescheid wussten,

Robert Schittler: … Aber wenndie Info im Preis steckt, was fürden Charttechniker Basisan-nahme ist, muss sie irgendje-mand verarbeitet haben. DerCharttechniker hat draussenzigtausend Leute, sprich Anle-ger, die für ihn quasi gratis ar-beiten. Charttechnik ist inso-fern praktisch, da sie den Preisbildlich erfasst und anhand ge-

wisser Muster feststellen kann, die sichseit 350 Jahren nicht geändert haben, wiesich der Preis weiter entwickeln sollte –auch wie lange und wie weit. Und selbstwenn es nicht aufgehen sollte, lässt sichein Stopp-Limit definieren.

BE Cafe: Vor 350 Jahren war der primäreSektor vorherrschend, aus dem sich dieCandlestick-Charts entwickelt haben. IstCharttechnik heute, mit Industrie und Dienst-leistungen als klar dominierenden Sektoren,wirklich noch ein probates Mittel?

Roland Meier: Ich würde weniger dieLandwirtschaft als den Rohstoffsektor da-mit ansprechen. Das ist weiter ein ganzwichtiges Thema – die Nachfrage nachDaten ist in diesem Bereich enorm.

Wolfgang Schimmel: Wenn wir im We-sten über Charttechnik reden, sprechen wireigentlich über die Zeit von Charles Dowund danach. Japaner haben es etwas frü-her erfunden, haben aber eine andere Her-angehens- und auch Betrachtungsweise.

Robert Schittler:Wir bei Raiffeisen glau-ben, dass es nach wie vor ein Thema ist,wieviel das Scheffel Reis kostet oder Soja

Cafe BE Runde (v. l.):Heismann, Meier, Schultes,Schimmel, Schittler

� Fortsetzung auf Seite 3

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– und planen da eine regelmässige Publi-kation. Die westliche Methodik beschränktsich darauf, andere Charttypen definiertzu haben, nicht mehr ganz so rund, etwaseckiger. Und hat es da-mit vielleicht etwaswertvoller gemacht.

BE Cafe: Wie wichtigist in der Erste Groupdie Charttechnik in derAnalyse?

Christoph Schultes: Wir sind Funda-mentalanalysten. Charttechnik ist etwas,das ich dazu nehme – die Aussage ist abersicher die eines Fundamentalanalysten.

BECafe:Und bei Volksbank Investments?

Markus Weismann: Bei uns hat Chart-technik in der Produktentwicklung für Re-tailkunden eine untergeordnete Stellung.Vor allem im Zertifikatebereich haben wirkein Produkt, das aufgrund von charttech-nischen Ereignissen aufgelegt wurde.Eine grosse Rolle spielt die Charttechnikdann aber beim Hedgen der Produkte.

BECafe:Gibt es da ein Komitee, das ent-scheidet?

MarkusWeismann: Nein, jeder Händlerhat sein Buch, wo alles zusammenläuft.Einer hat etwa das ATX-Buch, der ande-re den EuroStoxx. Aus dem klassischen

Handel ist die Charttechnik nicht wegzu-denken.

BE Cafe:Wie ist es beim Erste Research-Zertifikat. Welches Gewicht hat die Chart-technik dort?

ChristophSchul-tes: Sie fliesst im-mer mehr ein.Auch wenn eineAktie eine Kauf-empfehlung ist -eigentlich die Vor-

aussetzung, um überhaupt im Zertifikat auf-genommen zu werden - kann es sein, dasswir den Titel im Zertifikat aufgrund derCharttechnik untergewichten. Das ist Fein-tuning anhand der Charts. Wenn etwas sehraktiv gemanagtwird, geht dasvor allem überCharts, die Fun-damentaldatenändern sichnicht jeden Tag.

BE Cafe: Und bei FTC?

Wolfgang Schimmel: SystematischeHandelssysteme beschäftigen sich nur amRande mit Charttechnik, basieren heutenicht mehr auf Chartlinien, sondern aufklaren stochastischen Indikatoren oderauch statistischen Gleichgewichtspaarenzwischen unterschiedlichen Märkten.

Trendfolger, wie wir, unterscheiden sichvor allem anhand von zwei Konzepten.

Das eine kommt aus den 1930er-Jahren:der Handel nach gleitenden Durchschnit-ten. Die zweite grosse Familie sind Aus-bruchssysteme. Das Ganze funktioniert imPrinzip immer nach einem mathematischenGenerator. Trendfolger sind keine Progno-semodelle, sondern stellen Marken.

BE Cafe: Als Faustregel gilt , dass manbei Trendfolgesystemen eine Trefferquotevon unter 50 Prozent hat ….

Wolfgang Schimmel:Die Gewinne ent-stehen nicht dadurch, dass man öfter rechthat, sondern dass man mit den Gewin-nern deutlich mehr verdient als mit denVerlierern verliert. Ich glaube auch nicht,dass die Charttechnik ein Prognosemodellist, sondern eine Krücke, um sich die ei-

gene Markt-einschätzungselbst besservisualisierenzu können.

BE Cafe: IstCharttechnik in Wirklichkeit somit vielBauchgefühl?

Robert Schittler: Überhaupt nicht. Esgibt für die Charttechnik rund 20, 25 Re-geln, die richtig angewandt zum Erfolg füh-ren. Die Krücken in die Zukunft legen, wo-hin der Weg wahrscheinlich geht.

BE Cafe:Was halten Sie von den mittler-weile im Internet oft gratis angebotenenCharttools?

v. l.: Christoph Schultes (Erste Group), Wolfgang Schimmel (FTC), Markus Weismann (Volksbank Investments)

„Die Charttechnik istkein Prognosemodell“

Wolfgang Schimmel, FTC

„Würde nie eine Aktie nur auf-grund der Charttechnik kaufen“

Christoph Schultes, Erste Group

� Fortsetzung von Seite 2

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Christoph Schultes: Sie sind nicht un-gefährlich …

MarkusWeismann: Dem stimme ich zu.

Christoph Schul-tes: … Ich würde mirnie eine Aktie nuraufgrund der Chart-technik kaufen.Mir ist nicht wohl,wenn ich nicht weiss, was fundamentaldahinter steht.

Robert Schittler: Charttechnik ist sicherkein Allheilmittel. Nur aufgrund dessen istder Kauf einer Aktie sicher ein grosses Ri-siko. Im Day-Trading ist es nicht andersmöglich. Aber sonst gehe ich mit eigenemGeld keine Position ein, wenn ich nichtweiss, ob etwa am nächsten Tag eine Pres-sekonferenz ist, oder vielleicht der Divi-dendenabschlag. Es macht sicher Sinn,beides zusammen zu nehmen – Chartsund News –, und beide gibt es gratis.

BE Cafe: Wievie-le Aktien kannman aufgrund ih-rer Liquidität bzw.der Underlyings inWien ernsthaft zur Chartanalyse heran-ziehen?

Christoph Schultes: Vom ATX her wohldie liquidesten zehnAktien.

Markus Weismann:Ja, knapp zehn Aktien.Wer es aber auf Ta-gesbasis angehen will,dem bleiben sichernicht viel mehr alszwei, drei Titel.

BE Cafe: Was macheich eigentlich, wenn derUmsatz zu gering ist,mich der Titel aber in-teressiert?

Robert Schittler: Ich

gehe etwa vom Tages- zum Wochenchart.

BE Cafe: Was sind Ihre Lieblingssignale?

MarkusWeismann: Längerfristig bin ichbei den klassischen Tools – Widerstände

und klassische Mu-ster. Gerade bei In-dikatoren ist in denvergangenen Jahrensoviel aufgekom-men, was sichernicht alles sinnvoll

ist, da bin ich eher back to basics.

RolandMeier: Wir haben bei TeleTraderschon mehr als 150 Anwendungen, vieleauf Userwunsch generiert. Die Zahl derwirklich Interes-santen ist 20 bis25, keine Frage.

Christoph Schul-tes: Klassiker wieRSI, MACD, Momentum. Und sehr gutgefallen mir Fibonacci-Wellen – das ist fürmich so etwas wie eine Selffulfilling pro-

phecy.

Robert Schittler:Candlesticks undvor allem Fibo-naccis sind mir in

der Anwendung immer wieder eine Freu-de. Das Zeug funktioniert ganz einfach.

BE Cafe: Die wichtigsten Regeln?

Robert Schittler: Die wichtigste Regelist, sich den Chart einmal anzusehen. Dasklingt einfach, aber man sollte sich dieganze Historie anschauen, um zu sehen,wo man heute im historischen Vergleichsteht. Zweitens Wendepunkte definieren.Dann sollte ich prognostizieren können –und sich langfristig an den Fibonaccis an-halten.

BE Cafe: Wo sehen Sie den ATX chart-technisch?

Christoph Schultes: Der Aufwärtstrend,der sich zuletzt beschleunigt hat, ist intakt.Mittlerweile haben wir den wichtigstenWiderstand bei 2770 überwunden, dasentspricht dem 38,2-Prozent-Fibonacci-

Retracement. Die50-Prozent liegenbei knapp 3200Punkten. Das istmein mittelfristigesZiel für den ATX.

Markus Weismann: Der Aufwärtstrendist intakt. Der kritische Punkt ist vor allemder 3000er. Wenn wir den leicht knacken,geht es bis 3300, vielleicht sogar 3400 Punk-te. Falls nicht, kommen wir sicher wiederzurück bis etwa zum 2770er von Kolle-gen Schultes, um dann eventuell noch ein-mal einen Versuch nach oben zu starten.

Robert Schittler:Der Trendkanal reichtbis 3500 Punkte, dort trifft er auf die Ab-wärtstrendlinie. Das Ziel aus der letzten

Seitwärtsbewe-gung, die immer-hin seit Q4 2009dauert, liegt bei3400 Punkten.Das sollte drinnensein.Die nächste Ziel-marke sehe ich bei3250 Punkten. Ichbin mir sehr sicher,dass wir das sehen.Das Stopp-Limitsetze ich bei 2850Punkten, sonstdrohen 2590.

(gill/dra)

� Fortsetzung von Seite 3

„Das Zeugfunktioniert einfach“Robert Schittler, Raiffeisen

„Der Aufwärtstrendist intakt“

Markus Weismann, Volksbank

„Die Nachfrage nachRohstoffdaten ist enorm“

Roland Meier, TeleTrader

v. l.: Robert Schittler (Raiffeisen), Roland Meier (TeleTrader)

Page 17: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Mittwoch, 23. Februar 2011

BÖRSE EXPRESS Seite 5

Cafe BE: Talk über das Lieblingsbuch Österreichs - das Sparbuch und seine Zukunft

Nur das Sparbuch ist zu wenig

Möglichkeiten und Grenzendes Sparens: Wie lange bin-den, was bedeutet das Ein-schreiten der FMA, undwarum die Laufzeitenvielfalt?

Cafe BE: Die Medien sind voll von In-flations- und Zinserhöhungsängsten. Washeisst das für mein Sparbuch?MMIICCHHAAEELL TTUUTTSSCCHH:: Wir dürfen nicht ver-gessen, dass wir aus einer Krise kommen,auch wenn wir in Österreich relativ gutdurchgekommen sind. Das bedingt jetzt,dass die Zinsen relativ niedrig bleiben,um die Konjunktur nicht abzuwürgen.

Die aktuellen Zuwachsraten kommenprimär über den Nahrungsmittel- undEnergiesektor. Das wird als temporär an-gesehen, wird aber von der EZB genaubeobachtet. Dementsprechend würdensicher Zinsschritte gesetzt. Dass der Spar-buchsparer mit den aktuellen Zinsen dieInflation nicht befriedigend abdecken kann,ist zwar derzeit so, wird aber wie gesagteine temporäre Sache sein. AANNDDRREEAASS SSTTOOSSCCHHKKAA:: Unsere Analysten er-

warten, dass die Zinsen im vierten Quar-tal 2011 zu steigen beginnen. Der Trendder Kunden im Fixzinsbereich geht inRichtung zwei bis drei Jahre, in der Hoff-nung, die Inflation zumindest halbwegsabdecken zu können. Oder eben täglichfällig, um jederzeit dabei sein zu können.MMIICCHHAAEELL BBAAUUMMGGAARRTTHH:: Ich glaube, dass wirgerade beim grössten wirtschaftlichen Ex-periment der Geschichte live dabei sind. Eswurden wesentliche Gesetzmässigkeiten ge-brochen. Ich glaube nicht, dass die EZBweiter die Hüterin der Geldwertstabilitätsein wird, sie geht mehr den amerikani-schen Weg, jenen der Konjunktursteuerung.

Doch zur Inflation: Wenn ich davon aus-gehe, das wir deutlicher zu einer konjunk-turpolitisch gesteuerten Zinspolitik gehen,dann ist die Büchse der Pandora bereits ge-öffnet. Wie sich die Inflation in den näch-sten Jahren entwickelt, traue ich mich da-her nicht zu prognostizieren. Auch ist In-flation nicht Inflation. Es gibt die von Eurostatgemessene, aber jeder von uns ist auch Kon-sument. Ich glaube, dass die effektive Infla-tion höher ist als die gemessenen zwei Pro-zent, und dass der Konsument bereits jetzt

in der Schere ist, eine negative Realver zinsungzu generieren. Dessen sind sich aber die we-nigsten bewusst. Ich glaube, dass wir in zehnJahren bei vielen Sparbuchsparern erken-nen werden, dass sie an Kaufkraft wesent-lich mehr verloren haben, als aus den offi-ziellen Statistiken herauszulesen ist. Wir ra-ten Kunden daher, auch weil wir die Zukunftselbst nicht kennen, das zu tun, was manin so einer Situation macht: zu streuen. WWEERRNNEERR MMEEIISSEELL:: Das Problem der ge-fühlten Inflation sehe ich auch so. Aber esist auch jetzt so, dass jemand, der nur amSparbuch veranlagt hat, unterm Strichnichts verdient.

Und da ist die steuerliche Komponen-te zumeist noch gar nicht berücksichtigt.

Wir versuchen daher, mit dem Kundenzu klären, wieviel Liquidität er für alltäg-lich Fälliges auf dem Sparbuch haben soll-te und welche Fristigkeiten er eingehenkann, und versuchen dann, mit dem Kun-den den Weg dorthin zu gehen, wo erMehrertrag erzielen kann, hoffentlich überder Inflationsrate. Nur auf dem Sparbuchwird das nicht möglich sein.

Cafe BE: Geht es dem Kunden im Ge-spräch eigentlich mehr um die Inflation,oder vor allem um einen Vergleich mit derKonkurrenz?MMEEIISSEELL:: Im Wesentlichen ist es der reineVergleich, ein „Wer bietet mehr?“ Ohne zuschauen, ob das überhaupt das Richtigefür mich ist.BBAAUUMMGGAARRTTHH:: Wir haben die Situation, dassder klassische Sparbuchsparer eine Infla-tionsrate von zwei Prozent fix im Kopfver ankert hat. Wenn die Zinsen darunterliegen, verliert er gefühlt Geld. Da kann dieRealverzinsung theoretisch noch so hochsein, er ist unzufrieden. Es gibt zwar dieZinsgleitklauseln, aber unter zwei Prozentakzeptiert die ein Kunde nicht, da wird’smulmig. Um Kunden und Marktanteile zuhalten, sind wir teilweise gezwungen, mehrzu zahlen, als wir im Interbankenmarktoder Kommerzgeschäft erzielen.Cafe BE: Hat es dann derzeit Sinn, Zin-sen zu verhandeln?

Andreas Stoschka, Werner Meisel, Michael Tutsch, Michael Baumgarth

� Fortsetzung auf Seite 6

Page 18: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Mittwoch, 23. Februar 2011

BÖRSE EXPRESS Seite 6

SSTTOOSSCCHHKKAA:: Das hat ziemlich an Bedeutungverloren, da sich jeder aufgrund der breitenAngebotspalette bezüglich Fristigkeiten odermittels gewisser fixer Anlagesummen seinenZinssatz individuell steuern kann.

Cafe BE: Die FMAsagt überspitzt formu-liert, „Wo Sparen draufsteht, muss auch Spa-ren drinnen sein“, undreagierte damit auf strukturierte Produkte,die mit einem Sparbuch kombiniert warenund unter „Sparen“ verkauft wurden.BBAAUUMMGGAARRTTHH:: Da ist man vielleicht ein bis-serl übers Ziel hinausgeschossen. Die Pro-dukte waren mit einer Kapitalgarantieausgestattet. Das ist zwar nicht der Einla-gensicherungsfonds und natürlich gibt esdabei ein zusätzliches Emittentenrisikozu beachten. Der Schritt von der System-relevanz zur Einlagensicherung ist inÖsterreich aber nicht weit.

Das zusätzliche Risiko war also nichtwirklich eines. Und seit Mifid muss derKunde auch in der schlechtesten Bankdarüber aufgeklärt werden, dass er mit sol-chen Produkten ein Wertpapier kauft unddafür ein Depot eröffnen muss.TTUUTTSSCCHH:: Wir sind sehr froh, dass diesestrikte Trennung gekommen ist. Damitwurden die Konditionen wieder ver-gleichbarer, auch vom Risiko her. Immer-hin haben wir in der Krise gesehen, dassauch Grossbanken Pleite gehen können.SSTTOOSSCCHHKKAA: Wir versu-chen, klassische Spar-einlage und anderesstrikt zu trennen.

Sparbuch ist Spar-buch und Wertpapierist Wertpapier.

Das Sparbuch istdie solide Basis jedesVermögens, wo ichdie Sicherheit der Ein-lagensicherheit habeund jederzeit daraufzugreifen kann. Ichglaube, dass ich esauch innerhalb einesSpareinlagenmix

schaffen kann, mich renditemässig zu-friedenstellend zu bewegen.MMEEIISSEELL: Die grosse Nachfrage war in die-sen Produkten nicht da.

Cafe BE:Wieviel Geld sollte eigentlich auf dem Sparbuch/

Konto liegen?TTUUTTSSCCHH:: Zwei bisdrei Bruttomonats-gehälter sind einguter Richtwert.BBAAUUMMGGAARRTTHH:: Allesdarüber hinaus ist

Luxus und kostet Geld, denn es geht nichtjeden Tag die Waschmaschine ein, oderdas Auto wickelt sich um den Baum. MMEEIISSEELL:: Viele Kunden beschäftigen sich zuwenig damit, wann sie wieviel Geld zurVerfügung ha-ben wollen bzw.müssen. Dassind dann oftjene Leute, dieGeld jahrelangauf dem Spar-buch lassen und Ertragsmöglichkeiten ein-fach liegengelassen haben.

Cafe BE: Es gibt immer mehr ungewohnteLaufzeiten wie 7- oder 21-Monatsspar-bücher. Welche Fristigkeit raten Sie Kun-den, denen es nur um den Zinssatz geht– und sind all das nicht nur Angebote, umnur ja nicht mit der Konkurrenz vergleich -bar zu sein?TTUUTTSSCCHH :: Ein Teil ist sicher ein Marketing-Aspekt. Wir schauen uns den Markt aber

auch ganz genau an und bieten jene Lauf-zeiten an, wo wir attraktive Chancen se-hen. Die Laufzeiten mögen durchaus un-gewöhnlich sein, können für den Kundenaber Sinn machen.MMEEIISSEELL:: Das Angebot orientiert sich na-türlich auch an unserer Zinserwartung.SSTTOOSSCCHHKKAA:: Bei den Laufzeiten kommt esauf die Ertragserwartung und auf die Ri-sikoneigung an – dann kann man denentsprechenden Mix finden, was auch inandere Asset-Klassen führen kann. Dasbedarf aber der Beratung.BBAAUUMMGGAARRTTHH:: Beim 7-Monatssparbuch miteiner Verzinsung von 2,011 Prozent ist si-cher der marketingtechnische Aspekt mitder Jahreszahl im Vordergrund gestanden. Aber 7 Monate tun mir als Kunden in derLaufzeit nicht weh, sind unter einem Jahr

und daher einwenig bera-tungsintensi-ves Produkt.

Cafe BE:Washat es mit der

Ein-Jahres-Schwelle auf sich?BBAAUUMMGGAARRTTHH:: Es ist so, dass, wenn ich michals Sparer länger als ein Jahr binde, ich ineine Entscheidungssituation komme - be-züglich meines Liquiditätsbedarfs und ichmuss eine gewisse Zinsmeinung haben. AlsBerater brauche ich ein Gegenüber, dasgewisse Entscheidungen treffen muss. AlsBank bin ich Entscheidungsauf- und Vor-bereiter, die Entscheidung kann ich abernicht treffen. Das müssen wir uns oft erstmühsam aufbauen. Wenn ich mir aber

die Schulbildung an-sehe, bekommt derdurchschnittlicheÖsterreicher vonZinskurven, Volks-wirtschaft und ähn-lichem recht wenigmit. Wir leisten daoft echte Entwick-lungsarbeit.TTUUTTSSCCHH:: Beim ThemaVolkswirtschaft gebeich Ihnen recht. Dastangiert den Österrei-cher in seinen Über-legungen kaum. Sichzu überlegen, in wel-

� Fortsetzung von Seite 5

„Alte Strukturen aufzu-brechen kann dauern“

Michael Tutsch, RLB Nö-Wien

„Unsere Hauptdienstleistungam Kunden ist die Beratung“

Andreas Stoschka, Bank Austria

v. li.: Michael Tutsch (RLB Nö-Wien), Andreas Stoschka (Bank Austria)

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Mittwoch, 23. Februar 2011

BÖRSE EXPRESS Seite 7

cher Konjunkturphase wir uns befinden,was das für das Zinsniveau bedeutet und obes dann sinnvoll ist, sich länger- oder kurz-fristig zu binden, das fehlt.MMEEIISSEELL:: Es gibt einekleine Gruppe, diehat sich damit be-schäftigt und vor einpaar Jahren Kapital-sparbücher mit vierbis fünf Prozent abgeschlossen, diesind jetzt glücklich.

Cafe BE: Stichwort Online-Sparen. On-line-Banken bieten zumeist höhere Zins-sätze an. Müsste nicht jeder Anlagebera-ter den Kunden dorthin schicken? SSTTOOSSCCHHKKAA:: Der grosse Nachteil des On-line-Bankings ist, dass es keine Beratunggibt, wo auf die jeweiligen Bedürfnisseeingegangen werden kann. Unsere Haupt-dienstleistung für den Kunden ist die Be-ratung, das Produkt kommt dabei erst anzweiter Stelle. Ich glaube, dass der Nor-mal-Kunde mit einem guten Beratungs-gespräche unterm Strich besser fährt.

Es wird aber immer Kunden geben, die„fremdgehen“ und auf Lockangebote rea-gieren. Da schlägt dann die Gier durch.

Das sind aber auch jene Kunden, diesehr schnell wieder zurückkommen, wennman selbst ein attraktives Angebot hat.TTUUTTSSCCHH:: Dass Online-Banken prinzipiellbessere Zinsen bieten, stimmt so nicht. Daskonzentriert sich auf den Bereich täglichfällig und kann vor kom-men. Wenn wir unsereFilialen schliessen undnur noch Online-Ban-king machen, könnenwir das auch. Wir mer-ken aber, dass derKunde grundsätzlichBeratung möchte. Da-bei müssen wir unserenMehrwert beweisen.BBAAUUMMGGAARRTTHH:: Dienst-leistung sollte mannicht rein an den Kon-ditionen ausmachen.

Da geht es nicht nurdarum, bessere Kondi-

tionen auszuhandeln, es geht um Ge-samtpakete. Es gibt durchaus Online-Mit-bewerber, vor allem ausländische, die jenach Marketing-Budget sehr aggressiv inden Markt gehen und sich Neukundenmehr kosten lassen als Bestandskunden.

Wir wollen Be-standskunden nichtschlechter behan-deln als neue. Ichkann ja nicht alsKunde aus der Türrausmüssen, um alsNeukunde wiederhereinkommen.

Cafe BE: Wie hat sich der Zustrom Filial-/Onlinebank während der Krise entwickelt?TTUUTTSSCCHH: Da hat-ten wir die gröss-ten Rückflüsse.Plötzlich standder Sicherheits-aspekt im Fokus.SSTTOOSSCCHHKKAA: DerKunde kanntesich in der Krise nicht mehr aus, undsuchte jemanden, mit dem er möglichstungeschoren durch die Krise gehenkonnte – das war der Berater.BBAAUUMMGGAARRTTHH:: Unterm Strich brachte dieKrise den klassischen Filialbanken Vorteile:Unsere Kunden wissen jetzt, warum sie beiuns zufrieden sind, keine ABS-Fonds oderähnliches verkauft bekommen haben.

Dieses Bewusstsein ist in Zeiten nach ei-ner Krise natürlich wesentlich ausgepräg-ter, als in einem prosperierenden Markt.

In einem boomenden Markt erfolgreichzu sein, ist keine Kunst. Das ist nicht dieQualifikation, die ein Kunde braucht. DenBerater braucht er vor allem, wenn das Wet-ter rauer wird, Risiken schlagend werden.

Da hat der österreichische Konsumentzuletzt bewusst wahr genommen, dass Be-ratung etwas wert ist.

Cafe BE: Jetzt sagte kürzlich die RLB, dassdie City Wiens overbanked ist, und startetden Versuch einer Samstagsöffnungszeit.Was ist die Zukunft der Beratung?SSTTOOSSCCHHKKAA: Die Zukunft ist sicher Beratungausserhalb der klassischen Kassa-Öff-nungszeiten. Das hat nicht zwingend et-was mit der Anzahl der Filialen zu tun.BBAAUUMMGGAARRTTHH:: Wir machen immer wieder

Umfragen mitdem Ergebnis,dass der Kundemit den aktuel-len Öffnungszei-ten zufrieden ist.

Wir müssendabei aber zwi-

schen der „Dienstleistung Bereitstellungvon Infrastruktur“ und der „DienstleistungBerater“ unterscheiden. Diese ist ohnehinvon den Öffnungszeiten unabhängig.

Da ist auch wichtig, dass der Kunde ge-lernt hat, zu terminisieren. Er geht nichtmehr einfach in die Filiale und erwartetkompetente Beratung ohne Vorbereitung.Ich glaube nicht, dass sich mit Samstags-Öffnungszeiten mehr Geschäft machenlässt. Das wird mehr wie im Handel sein,eine Verlagerung des Volumens.

MMEEIISSEELL:: Ich per-sönlich will amSamstag nicht ineine Bank gehen.Das Wochenendeist mir heilig.TTUUTTSSCCHH:: DieSamstagsöffnungs-zeit ist ein Feldver-such in einemEKZ, wir werdensehen, wie es derKunde akzeptiert.Alte Strukturenaufzubrechen, kann aber dauern.

(gill/dra)

� Fortsetzung von Seite 6

„Ich persönlich würdeam Samstag nicht in

eine Bank gehen wollen.“Werner Meisel

„Wir sind beim grösstenwirtschaftlichen Experimentder Geschichte live dabei“

Michael Baumgarth, Volksbank

v. li.: Werner Meisel (Erste Bank), Michael Baumgarth (Volksbank Wien)

Page 20: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Donnerstag, 3. März 2011

BÖRSE EXPRESS NEWS Seite 4

Cafe BE: 1x Industrie-, 1x Versicherungsriese, 1x Börsekandidat, 1x Branchenpionierin

Grünes Licht für Social Media

Heute ist E-Day in derWKO. Im Vorfeld fand imCafe BE eine Expertendis-kussion zu den grossen So-cial Branding-Trends statt.

In der letzten Februar-Woche ging es imCafe BE um das kontroversiell diskutierteThema Social Media. Die Gesprächsrunde:BBeettttiinnaa BBiinnddeerr (Social Media ManagementAllianz), SSaabbiinnee HHooffffmmaannnn (CEO Ambuz -zador), GGeerrhhaarrdd KKüürrnneerr (Kommunika -tionschef voestalpine) und AAlleexxaannddrraa MMüüll--lleerr--EEggeewwaarrtthh (Social Media Managementbeim Cafe BE-Gastgeber und Börsekan-didat Griffner).

CCaaffee BBEE:: Versäumt man etwas, wenn manbei Social Media noch nicht aktiv ist?HHooffffmmaannnn:: So generisch möchte ich dasnicht feststellen, man müsste mittlerweile

auch eigentlich Social Branding statt So-cial Media sagen, denn letzteres betrifft janur die Medien. Ich sage immer: Sobaldsich mein Produkt dafür eignet, wäre esschade, würde ich es auslassen. Man musssich aber sehr gut überlegen, was man tunwill. Frontal-Botschaften absondern, machtkeinen Sinn. Man muss es grösser fassen.BBiinnddeerr:: Versicherungen sind ja leider keinUnterhaltungsprodukt und vom Thema hernegativ behaftet. Wir wollen die neuen Ka-näle daher nützen, um die Marke positivaufzuladen. Ich muss aber zugeben, dasses gewisse Ängste gibt, dass auch z. B. aufFacebook negative Inputs kommen. DieSocial Media-Strategie betrifft jedenfallsden ganzen Konzern; ich glaube, wir sindin Österreich durchaus sehr weit vorne, ha-ben auch bereits Social Media Guide linesbzw. eine wöchentliche Sitzung mit allenLeuten, die es im Konzern betrifft.MMüülllleerr--EEggeewwaarrtthh:: Auch bei uns gerät es

immer mehr ins Laufen. EinenHauskauf macht man halt nureinmal im Leben, es gibt auchkeine allzu hohe Freizügigkeit,weil ein Eigenheim schon sehrprivat ist. Im Aufbau ist dergrösste Teil der Arbeit im inter -nen Bereich, um alle Sorgenund Bedenken aufzulösen. Mankann ja nicht wirklich auf vieleBeispiele zurückgreifen. Inter-ne Skepsis gibt es schon, da istman auf Rückendeckung vonganz oben angewiesen. EinigeMitarbeiter fragen sich, was icheigentlich den ganzen Tag tue.KKüürrnneerr:: Wir waren hier bewusstsehr früh aktiv, weil wir ebenkein Produkt für die Öffentlich -keit haben, wir sind aber z. B.Bestandteil eines BMW oderhaben die Schienen für denschnellsten Zug der Welt. Dasinteressiert die Leute.

Über die voestalpine berichtet man aufden Wirtschaftsseiten und da geht es haltum EBITDAs. Erfreulicherweise zeigt sich,dass es viele Leute gibt, die sich auch fürunsere Produkte interessieren. Mir ist Quantität egal, Qualität zählt.

Wir freuen uns, dass wir ein positives Imagehaben und wissen eigentlich gar nicht exakt die Gründe dafür. Die Zugriffs zahlensind wie ein Lineal nach oben. Wir habennie das Versprechen zum Dialog gemacht,sondern uns mit einem Informations -angebot an die Menschen gerichtet. Daswird sehr gut angenommen.

CCaaffee BBEE:: Welche Wirtschaftszweige ha-ben die besten Chancen bei guten Soci-al-Aktivitäten?HHooffffmmaannnn:: Gut funktionieren Produkte,die per se social sind: Sportartikel, täg liche

Cafe BE Runde (v. l.): Müller-Egewarth, Kürner,Hoffmann, Binder

� Fortsetzung auf Seite 5

Page 21: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Donnerstag, 3. März 2011

BÖRSE EXPRESS NEWS Seite 5

Konsumgüter, Smartphones und so. EinerVersicherung haben wir im Vorjahr bei-spielsweise von Aktivitäten abgeraten. EinFrontalkanal mit Gewinnspiel ist zuwenig.Es muss ja nicht immerFacebook sein, auchBlogs können oft Sinnmachen. Doch nicht je-de Marke hat über-haupt ein Poten zial.KKüürrnneerr:: Bei manchenFacebook-Gruppen hatman den Eindruck, dass wir unter demVerlust des Hausverstandes leiden. ZumBeispiel, wenn man sich unbedingt an jun-ge Leute richten will, aber kein Produktfür junge Leute hat.HHooffffmmaannnn: Genau. Wenn ich mich auf Fa-ce book nur mit Sonderpreis-Werbeban-nern hinstelle, wird keiner mit mir reden.BBiinnddeerr:: Bei uns geht es um Unfall, umFreizeit, um Sport, um Crash-Tests, umSponsoring, um Neuentwicklungen beimSicherheitsgurt. Ein weiterer Kontakt zu-sätzlich zum Vertrieb, der ja nicht öffent-lich mit dem Kunden spricht. MMüülllleerr--EEggeewwaarrtthh:: Auch bei uns geht es u. a. um den klassischen Vertrieb. Wer inMusterhäusern agiert, hat bessere Chan-cen, als jemand, der in der Pampa sitzt.Vor allem Deutschland haben wir eini-

ge, die bei Facebook und Twitter sehr gutsind. Wir richten uns an Kunden, Interes-senten und den Vertrieb.KKüürrnneerr:: Wir kommunizieren intern mit un-

seren Arbeitern auf Papier, wir haben aberIdeen, wie wir das ändern. Selbst in derArbeitskleidung haben die Arbeiter ja dasHandy dabei, d. h. wir wissen, wo wir hin-wollen und -müssen.Wir haben vor ein-einhalb Jahren ein Social Media Manual

an die Mitarbei-ter verteilt, manmuss schon aufpassen, wasman z. B. beimWirten erzählt. Sprachlich spieltDeutsch die

Hauptrolle, Englisch ist im Kommen.HHooffffmmaannnn:: Vor allem Servicesachen ma-chen viel Sinn. Z. B. für Flughäfen, leidernicht beim Flughafen Wien: Man kann einTicket buchen via Facebook, bei Proble-men twittert man.Für Marken er ge-

ben sich nicht nurMöglichkeiten in derKommunikation; nein,man kann vielmehrdie Intelligenz derMasse nutzen. Die Kommunikationsab-teilungen haben es zuerst für sich entdeckt,dann das Marketing, dann die Kunden.KKüürrnneerr:: Ein Hauptpunkt ist ja, dass internund extern hier das Gleiche ist. Man weissja nicht, wer wer ist. Bei Sales-Dingen mitWerbebannern bin ich ebenfalls skeptisch,der Ansatz kann nicht sein, Werbekostensparen zu wollen.BBiinnddeerr:: Die Mitarbeiter gehören einge-bunden, das ist sehr wichtig. Nur an die

Kunden richten, kann es auch nicht sein.

CCaaffee BBEE:: Und wie sieht es mit dem Wer-bemix aus? Verändert der sich trotzdem?KKüürrnneerr:: Wir sehen, dass die Reichweitenin den klassischen Medien zurückgehen,die technische Reichweite kann aber auchnicht alles sein. Es wird keine Einzelreich -weitenkaiser mehr geben, es geht um denMix. Viele haben in der Krise die Kom-mu nikation abgedreht - das ist nicht derrichtige Weg.MMüülllleerr--EEggeewwaarrtthh: Es hat damit begonnen,dass Griffner nach und nach bemerkt hat,dass man jemanden wie mich überhauptbraucht. Bei uns kommt vieles über On-line, die Leute finden uns im Web. UnserBudget ist als kleineres Unternehmen be-grenzt, da sind die neuen Kanäle wichtig.

BBiinnddeerr:: Es wirdmehr Budget inden Online-Teilwachsen, wirwollen dasKnowledge-Sharing leben.

HHooffffmmaannnn:: Es ist wichtig, dass man opti-miert, was man im Netz über sich findet,die Spuren zur eigenen Marke.KKüürrnneerr:: Genau: „Google First“, dazu derMix der anderen Möglichkeiten. Wir ha-ben getestet, wie man im Weichen- undSchienenbereich in der Googlesuche nachoben kommt. Haben es in kürzester Zeitgeschafft, auf dem ersten Trefferbild zusein, weit und breit kein Mitbewerber. Auchbei „Auto der Zukunft“ waren wir vom Er-

v. li.: A. Müller-Egewarth (Griffner), B. Binder (Allianz), G. Kürner (voestalpine), S. Hoffmann (Ambuzzador)

� Fortsetzung von Seite 4

„Hausverstand sollte man schon mitbringen“

Gerhard Kürner, voestalpine

„Die Intelligenz derMasse für sich nutzen“

Sabine Hoffmann, Ambuzzador

Page 22: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Donnerstag, 3. März 2011

BÖRSE EXPRESS NEWS Seite 6

folg überrascht. Man muss sich nur in-tensiv damit auseinandersetzen.

CCaaffee BBEE:: Stichwort Twitter ...BBiinnddeerr:: Da sind wirnoch abwartend, es istnicht leicht, einen Zu-gang für unser Produktzu finden. MMüülllleerr--EEggeewwaarrtthh::Nichts für unser Pro-dukt.KKüürrnneerr:: Hat nebengestellte Bedeutung, vorallem als Newsfeed für Journalisten.HHooffffmmaannnn:: Masseneffekte darf man sichnicht erwarten.

CCaaffee BBEE:: Und wie sieht es mit dem Span-nungsfeld zwischen z. B. Facebook-Akti-vitäten und der eigenen Homepage derUnternehmen aus?BBiinnddeerr: Bei uns wird alles rund um dieHomepage aufgebaut.MMüülllleerr--EEggeewwaarrtthh:: Die Homepage ist dasMutterschiff, Facebook ein Kanal.Küürrnneerr:: Facebook kann ohne die Home-page nicht leben, die Homepage ohneFace book schon. Man muss schauen, woFacebook hingeht. Im HR-Bereich gibt esz. B. noch grosse Möglichkeiten.

HHooffffmmaannnn:: Man muss mediengerecht den-ken, umgestalten, manches geht auch bes-ser in Facebook, z. B. Consumer-Kampa-gnen mit Video- oder Foto-Uploads.Dies auf der Homepage zu tun, würde

eher keinen Sinn machen.

CCaaffee BBEE:: Apps?BBiinnddeerr:: Sind füruns u. a. dieChance, kleineMikroversiche-rungen an den

Mann zu bringen. Oder die Online-Ab-bildung wie ein Foto von einem Schadenoder Sportversicherungen für kurze Zeit-räume, z. B. beim Skiwochenende.MMüülllleerr--EEggeewwaarrtthh:: Apps könnten für denServicebereich Sinn machen, Fassaden-farben oder so. Haben wir derzeitnoch nicht.KKüürrnneerr:: Ich weiss garnicht, wie viele Zu-griffe wir bei der Apphaben. Die aktuelleManie ist sicher übertrieben, man hinter-fragt oft nicht, warum es die eine oder an-dere App - Stichwort Kundennutzen - über-haupt gibt. Sonderfall iPad: Das ist etwasanderes, auch für firmeninterne Themen,wie z. B. Präsentationen. Im Vertrieb ge-

nauso. Die Apps, die sich durchsetzen wer-den, werden jene sein, die sehr aufwändiggestaltet sind. Man hat ja nicht unendlichPlatz auf den Smartphones-Screens.HHooffffmmaannnn:: Für vieles habe ich nur in derU-Bahn Zeit, da ist eine App schön. DerEndkonsument liebt die Apps. Hinterfra-gen muss man natürlich.CCaaffee BBEE: Die Schlussfrage: Facebook willmit Aktien an die Börse. Glauben Sie aneinen Börseerfolg á la Google?

KKüürrnneerr:: Reine Spekulation. Facebook hatmeiner Meinung nach noch nicht begon-nen, richtig zu monetarisieren, die habenderzeit noch eine andere Strategie.Die Frage ist auch: Was passiert, wenn

sich irgend wann zwei dominante Playerden Werbemarkt teilen? Das kann span-

nend werden, we-niger für die klas-sischen Medien.HHooffffmmaannnn:: Ichwürde nicht inve-stieren, ich trauemich nicht zu be-

antworten, ob Facebook in seinem Feldalleine bleibt.BBiinnddeerr:: Auch ich bin eher skeptisch.MMüülllleerr--EEggeewwaarrtthh:: Schliesse mich an. DieForm der Kommunikation ist die Zukunft,aber ob das Facebook selbst sein wird ...?

v. li.: Chladek (BE), Hoffmann (Ambuzzador), Binder (Allianz), Drastil (BE), Müller-Egewarth (Griffner), Kürner (voestalpine)

� Fortsetzung von Seite 5

„Wer in der Pampa sitzt,muss kreativer sein“

Alexandra Müller-Egewarth, Griffner

„Können unsere Marke positiv aufladen“Bettina Binder, Allianz

Page 23: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Montag, 7. März 2011

BÖRSE EXPRESS NEWS Seite 3

Cafe BE: Treiber, Preisprognosen und Überlegungen zum Goldstandard

Der Goldzug ist nicht zu stoppen

Der Goldpreis als Grad-messer für die Systemunzu-friedenheit und das Freiheits-bedürfnis einer Gesellschaft -eine launige Diskussion.

Cafe BE: Ist Gold Geld?Andreas Böger: Da das Geldmonopolzur Zeit vom Staat wahrgenommen wird,sind der USDoder der Euro eher „dasGeld“.Aber trotzdem kann man das Gold nichtentmonetarisieren. Gold wird aktuell qua-si inoffiziell als Ersatzmittel verwendet.Ronald Stöferle: Der Markt hat sich imLaufe der letzten Jahrhunderte und Jahr-tausende das perfekte Zahlungsmittel ge-sucht und das sind grösstenteils Gold undSilber und eben nicht, wie es temporär war,Kaffee, Zigaretten oder Papiergeld.Was sich immer mehr zeigt: Früher ha-

ben die Leute vor allem den schnellen Pro-fit gesucht, indem sie in Gold und Gold-aktien investierten. Jetzt kommt aber dermonetäre Charakter immermehr zumVor-schein, d. h. man besinnt sich auf dieseJahrtausende alte Tradition als Zahlungs-mittel.Adalbert Boschek:Vor allem in den letz-ten Jahren haben sich Edelmetalle wiedermonetarisiert. Wenn wir angesichts dieserunsicheren Wirtschaftslage – wir sprechen

ja dauernd von einer Währungskrise – denBegriff einfach umdrehen und die Metalleals Krisenwährung bezeichnen, dann hatdas heute durchaus seine Berechtigung alsAlternative zu den bestehenden Papier-währungen und als Notgroschen und Not-fallzahlungsmittel.

Gold steigt nun seit mehr als einem Jahr-zehnt. Was sind die Preistreiber?Böger: Gold wird als monetäres Gut in-terpretiert. Manmuss einfach schauen, wodie Zinsen der Alternativen liegen, also vonStaatsanleihen, Sparbüchern etc. Sind die-se real negativ, dann sind die Opportuni-tätskosten von Gold sehr gering.Ein weiterer Faktor ist das Risiko der Al-

ternativen. Wenn dieses steigt, dann wirdGold auch attraktiver, weil es kein Gegen-partei-Risiko hat. Ich würde nicht sagen,Gold steigt, weil die Zentralbanken Goldkaufen. Die Menschen kaufen Gold, weilsie keine Opportunitätskosten und weil siekein Risiko haben. Darunter kann man al-le Preistreiber subsumieren.Bachheimer: Gold steigt nicht, sondernGold ist der Bewertungsmassstab für alles,und die Währungen fallen. Gold ist einZeugnis für dieWirtschaftsverantwortlichenund das Währungssystem. Je grösser dasMisstrauen in die Währung ist, desto hö-her ist der Goldpreis. Im kollektiven Un-

terbewusstsein bildet Gold den Grad desFreiheitsbedürfnisses einer Gesellschaft ab.Je höher der Goldpreis ist, desto mehr wol-len sich die Menschen aus diesem Systembefreien. Für mich ist der Goldpreis ein Re-volutionsindikator. Je höher dieser Preis inmeinem Währungssystem ist, desto eherkommt der Zeitpunkt, wo dieses System(ichmeine damit keine politischen Parteien,sondern das Gesamtsystem) abgelöst wirdvon einer neuenGesellschafts-, Wirtschafts-und Organisationsform. Insofern sehe ichden Goldpreis wichtiger als jeden anderenIndikator an, denn der Goldpreis sagt mirwirklich, wie weit es ist. Ich würde davonausgehen, wenn die Unze zwei durch-schnittliche Monatslöhne kostet, wird dasSystem abgelöst. Das haben wir demnächst,und wir werden sehen, wie es dann weiter-geht. Der Goldpreis zeigt an, wie weit wirim Zerfall der Eliten und Führungsstruktu-ren sind.Boschek: Ich gehe einen Schritt zurück,ganz so dramatisch sehe ich es nicht. Dieaktuelle Zinssituation ist ein Indikator fürden steigendenMetallpreis als Investment-alternative, ein weiterer Indikator ist die wirt-schaftliche Unsicherheit. Und natürlich istalles ein Spiel von Angebot und Nachfra-ge. Das Angebot lässt sich schwer erhöhen,

Cafe BE (v. l.): R. Stöferle (Erste), A. Boschek (Schoeller Münzhandel), A. Böger (Absolute PM). T. Bachheimer (Meridian)

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die jährliche Produktion liegt bei 2500 Ton-nen pro Jahr, dazu kommen aus der Wie-derverwertung 2000 Tonnen dazu, also ins-gesamt 4500 Tonnen. Die Nachfrage ist imMoment noch immer höher als das Ange-bot. Der grösste Verbraucher ist immer nochdie Schmuckindustrie, vor allemChina, Indien und Russland sind Netto-käufer. In den letzten Jahren hat sich Goldauch als Investmentprodukt entwickelt.Stöferle: Indien war im letzten Jahr nochder grösste Nachfrager nach Gold, heuerkönnte es China werden. In Indien wird dieGoldnachfrage zwar als Schmucknachfragesubsumiert, aber in Wirklichkeit ist das einInvestment, wenn es sich etwa um eineMit-gift handelt. Das sind Dimensionen, dieman sich kaum vorstellen kann. Generellist die Investmentnachfrage sicher der trei-bende Faktor im Bullenmarkt. Langsamsieht man auch institutionelle Investorenden Markt betreten, wobei diese noch im-mer massiv unterinvestiert sind. Was wirheute sehen, sind die Zeichen der Zeit. Esist nicht nur Libyen. In den USA waren inWisconsin Streiksmit 100.000 Leutenauf der Strasse, in In-dien und China gibtes Massenproteste.Ich glaube nicht,dass sich die Situa-tion bald wieder be-ruhigen wird. DieProbleme von 2008wurden bei weitemnicht gelöst, ganz imGegenteil, es wurdeversucht, die Krisemit den Mitteln zulösen, die sie verur-sacht haben. Dahermeine ich, dass dienächste Krise nurnoch grösser wird.Bachheimer: In derKauf-Motivation gabes 2008 eine starkeÄnderung. Der indi-scheMarkt ist 2008beim Preis von 1000 USD um 50% ein-gebrochen, aber dies wurde durch das In-vestment der ETFs sofort aufgefangen.

Böger: Es ist nichtdie Schmucknach-frage aus Chinaoder Indien, weil siedort plötzlich so vielGeld haben. Chinahat negative realeZinsen beim Fest-geld und ein Geld-mengenwachstumvon 50% in denletzten Jahren. Beinegativen Real-zinsen wird dannGold gekauft. DieInder machen dasseit 40 Jahren, weilder Staat ihnen ei-ne konstante Geld-entwertung gibt, ih-nen aber verbietet,Goldkonten zuführen. Daher kau-fen sie das physi-scheGold, um sichaus dem staatli-chen Geldsystem herauszuziehen. Gold ist

ein monetäresGut, weil das staat-liche Geldsystemeben missbrauchtwird.

Sie alle leiten so-mit aus dem stei-genden Goldpreiseine Systemunzu-friedenheit ab?Böger: Es ist einstaatliches Geld-monopol, das anseine Grenzenstösst, weil eseine Überschul-dung gibt. DieLeute entziehensich dem staatli-chen Geldmono-pol, indem sie sichder Freiheit zu-wenden.Bachheimer:

Die Leute werden gezwungen, das staatli-che Geld zu verwenden, sehen aber, dasssie damit ständig die Verlierer sind.Mit dem

Geld, das uns auf-oktroyiert wird, kön-nen wir nicht mehroperieren.Und das sind die er-sten Auswirkungen,dieMenschheit be-freit sich davon. Daslässt sich nichtmehr stoppen.

Wie lange erwartenSie einen weiterenAnstieg?Stöferle: Um inKurszielen zu spre-chen: Unser offi-zielles Kursziel liegtfür Juni bei 1600USD.Langfristig se-he ich die 2300USD, was das in-flationsbereinigteAllzeithoch von1980 wäre. Aller-dings beruht das

auf der offiziellen Inflationsrate. Wennmansich die Shadowstats-Daten hernimmt, kä-me man relativ schnell auf 8000 USD.Bachheimer: Bei einer Kurszielberech-nung muss man auch beachten, was seit1980 an Goldmenge und an Geldmengegeschaffen wurde. Und hier ist zehnmal so-viel Geld wie Gold geschaffen worden. Da-mit kommt man auf einen fairen Preis von23.000 USD. Das werden wir aber nichterreichen, weil vorher dasmonetäre Systemzusammenbrechen würde.Stöferle:Generell besteht ein wunderschö-ner Bullenmarkt und am Ende jedes Bul-lenmarktes kommt eine parabolische Trend-beschleunigung, von der wir noch weit ent-fernt sind. Im Zuge dessen sollten wirzumindest 2300 USD sehen. Laut Bloom-berg bin ich weltweit der mit Abstand op-timistischste Analyst aller grossen Häuser.Das Chance-Risiko-Profil ist heute we-sentlich besser als 2006, als ich meine er-ste Goldstudie schrieb und die Welt ober-flächlich noch in Ordnung war. 2300 USDmag bullish klingen, das sehe ich aber eherals Untergrenze.Böger: Man sollte die Kursziele im Sin-

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„Vor allem in den letztenJahren haben sich dieEdelmetalle wiedermonetarisiert“

Adalbert Boschek, Schoeller Münzhandel

„Wenn die Unze Goldzwei durchschnittlicheMonatsgehälter kostet,

wird das System abgelöst“Thomas Bachheimer, Meridian

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ne einer Kaufkrafterhöhung sehen. In den30er Jahren ist Gold in den USA um 50%gestiegen, die Preise sind aber um 90% ge-fallen: Kaufkrafterhöhung ca. 10-fach.In den 70er Jahren ist Gold um das

20-fache gestiegen, aber auch die anderenPreise, sodass sich die Kaufkraft um das10-fache erhöht hat. So ähnlich wird esauch jetzt passieren. Wenn man die De-flation in Form vonMasseninsolvenzen be-kommt, dann wird sich Gold stabil halten,während die anderen Preise sinken. Gibtes eine Geldentwertung, dann wird sich dieKaufkraft auch erhöhen, weil dann Goldals Inflationshedge genommen wird. DieProbleme sind jedenfalls um ein Vielfachesgrösser als in den 70ern. Der klassische Lö-sungsweg, ein Papiergeldsystem zu stabili-sieren, funktioniert über eine Zinserhöhung.Das war schon im 19. Jahrhundert so. Daswäre dann das Ende der Goldhausse.Stöferle: So wie 1980, als Paul Volckerden Bullenmarkt dadurch beendete, dasser die Zinsen auf 16,7% erhöhte. Das istnun absolut illu-sorisch.Bachheimer:DieHäuselbauer kön-nen heute nichteinmal mit NullZinsen ihre Kredi-te bedienen. DasSystem hat sich zuTode gelaufen.Wenn die Zinsenerhöht werden,was absolut wich-tig wäre, dann istalles aus. Insoferngibt es kein Aus-weichen. DieseKrise hat keine hi-storische Entspre-chung, weil es einglobaler Flächen-brand ist. Es ist fastjedes Land betrof-fen.Boschek: Die ge-glättete Prognose bei einer Konferenz imletzten Jahr über alle Teilnehmer lag bei1450USD für heuer, wovon wir nicht mehrweit weg sind.

Auch 1600 sind imBereich des Mögli-chen. Ich möchtemich aber nicht aufeine Zahl fixieren.Mir fehlen momen-tan die Indikatoren,die für Kursrück-gänge sprechenwürden. Daher be-steht weiteres Po-tenzial nach oben.Stöferle: Die be-scheidenen Kurs-ziele in Bloomberg,ich glaube, sie lie-gen aktuell unter1450 USD, entkräf-ten auch jeglicheBubble-Argumenteklar. Ganz am En-de eines Bullen-marktes muss diebreiteMasse extrembullish sein und die Analysten müsstenKursziele haben, die weit vom aktuellen

Kurs entfernt sind.

S ie haben ex-treme Zinserhö-hungen ange-sprochen. Wassonst könnte dieRally beenden?Bachheimer: EinWährungswech-sel oder eineNeustrukturie-rung des Welt-währungssystemswürde ein abrup-tes Ende bewir-ken. Alles anderekann den Gold-zug nicht brem-sen.Böger: Wennman risikoberei-nigt wieder einegute Alternativehat.

Wie viel soll ein Privatanleger prozentuellin Gold investieren?Bachheimer: Ich habe jetzt 400 Euro ein-

gesteckt, aber derRest ist quasi inGold.Ich habe 2002den Aufsatz „Goldund wirtschaftlicheFreiheit“ von AlanGreenspan gele-sen, meinen Jobals Staatsanlei-henhändler in Ir-land gekündigtund verfolge dieSituation seither.Boschek: Ich binda sicher etwaskonservativer underachte zwischenfünf und 15% inEdelmetallen fürsinnvoll.Stöferle: Wirempfehlen einer-seits das physische

Investment und andererseits Aktien ausdem Bereich, wovon wir viele auf unsererEmpfehlungsliste haben. Vor eineinhalbJahren haben wir einen Basket mit kana-dischenGoldaktien aufgelegt, der nun 130%im Plus ist. Das sind schon empfehlens-werte Anlageformen. Innerhalb der Aktienfindet man nach wie vor sensationell gün-stige Bewertungen. Unser Haus empfiehlt5 bis 10% Investments in Gold, persönlichhabe ich ein bisserl mehr.Böger: Ich orientiere mich an der Roth-schildquote von 30%, persönlich allerdingsviel mehr. Genauso wie Thomas Bach-heimer habe auch ich 2002 meinen Le-benslauf umgekrempelt, um auf den Gold-bereich umzuschwenken.Bachheimer: Eine Anmerkung zumBubbleargument: In den 80er Jahren warder Goldanteil 26% und bei BrettonWoods 1944 ware es 40%. Nun ist es 1%.Bubbles fangen erst an, wenn wieder hö-here Goldanteile bestehen.Böger: Ich sehe Gold als Carry-Trade an.Gold ist eine gute Finanzierungswährung.Jeder hat sein Gold verkauft und sein Geldnun in Immobilien, Aktien und Anleihenstecken. So hat niemand mehr Gold aufseinem Konto, aber das wird sich ändern.

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„Ein Preis von 2300 USDollar mag bullish klingen,ich sehe das aber eher als

Untergrenze“Ronald Stöferle, Erste Group Research

„Die Menschen kaufenGold, weil sie keine

Opportunitätskosten undkein Risiko haben“Andreas Böger, Absolute PM

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Wer streut dieses Bubble-Argument?Böger: Verschwörungstheorien sind im-mer problematisch, weil sie nicht objekti-vierbar sind. Alle Märkte werden offizielloder inoffiziell manipuliert. Der Zinssatzwirdmanipuliert. Expectation-Managementist ein Grundpfeiler der Wirtschaftspolitik.Stöferle: Es wird überall interveniert, beiden Zinsen, Aktien, am Währungsmarkt.Wieso sollte am Goldmarkt nicht interve-niert werden? 2008 war das beste Beispiel,als der Goldpreis gefallen ist.Bachheimer: Nachdem der Goldpreis1000 USD erreicht hatte, beim BearStearns-FallMitteMärz 2008, verlor er dann„rein zufällig“ 30%. JP Morgan verdientedann durch die Übernahme von BearStearns mit allen ihren Gold und SilberShort-Positionen eine Unmenge. Dies wardie massivste bewiesene Goldmanipula-tion, die sogar im US-Congress durchGary J. Miller Aufsehen erregt hat.

Nun zu den ETFs – es gibt ja sowohl phy-sische Gold-ETFs als auch ETFs auf Gold-aktienindizes. Wie seriös sind die physi-schen Gold-ETFs? Es gibt ja immer wie-der Gerüchte, dass z. B. der GLDGoldETFnicht oder nicht ausreichend gedeckt seinsoll. Dasselbe liest man da und dort vomSilber-ETF SLV. Wie sehen Sie das?Bachheimer: Die ZKB hat ein enormesGoldlager, ichwar selbst dort.Es ist eines dergrössten LagerderWelt. Denenvertraue ich.Wenn es aberETFs gibt wieden SLV, der sil-bergedeckt seinsoll, aber der Custodian für 50% aller Short-Kontrakte verantwortlich ist, dann wird dasBild schief. So etwas kaufe ich sicher nicht.Böger:Das Grundproblem bei allen ETFsoder ETCs, egal ob ZKB oder Xetra-Goldoder GLD, ist, dass in allen Verkaufspro-spekten steht, dass das Eigentumsverhält-nis nur so lange gilt, als die jeweilige Zen-tralbank nichts dagegen hat. Es gibt aller-dings einige privat organisierte geschlosseneFonds, die diese Klausel nicht haben, was

jedenfalls zu bevorzugen ist.

Ein weiteres Problem ist die Stückelung beider Ausfolgung. Die ZKB verpflichtet sichz. B., nur Standardbarren (400 Unzen) aus-zufolgen.Stöferle: Ich bin auch kein grosser Freundvon ETFs, der ZKB kann man sicherlichtrauen. Eric Sprott hat z. B. bei der Aufle-gung seines Silber-ETFs sechsWochen be-nötigt, um das Silber aufzukaufen. Da siehtman, wie eng der Markt ist. Silber befindetsich nach wie vor in Backwardation, wasdie angespannte Lage am physischenMarktzeigt. Für mich ist hinsichtlich des Kapi-talerhalts physisches Gold zu empfehlen.Geht es mehr um die Kapitalvermehrung,dann Aktien aus dem Bereich. Wenn man

Gold als Versi-cherung gegendas enorme sy-stemische Risikosieht, das wirderzeit haben,dann soll mankein PapiergoldimDepot haben.Bachheimer:

Wozu auch?Warum soll man einem Frem-den noch dazu aus der s.g. Systemwelt ver-trauen, ein Länderrisiko und Risiko der Ver-waltung eingehen?Böger:Man sollte physisches Gold haben.Und zur Diversifizierung des Rechtsrisikos,denn auch physisches Gold kann konfis-ziert werden, Goldaktien, weil die Aktienverbrieftes Eigentumsrecht auf Gold im Bo-den darstellen. Man kann relativ gut kal-kulieren, wie viel man für dieses Gold im

Boden bezahlt, man kann das Risiko be-urteilen, was alles schief gehen kann, mankann über verschiedene Länder streuen unddurch die Produktionskosten hat man nocheinen kleinen Hebel dabei. Das Problembei den Goldaktien ist die Volatilität. Manmuss aber hinzufügen, dass die Goldaktientrotz des schlechten Rufes, den sie wegendes Einbruchs im Jahr 2008 haben, in die-sem Jahrzehnt in Dollar um 1500% ge-stiegen sind, während Gold 500% gestie-gen ist.

Ein Teil der Goldförderer war ja lange shortauf Gold. Ist das vorbei?Böger: Weitestgehend. Das Hedging derFörderer hat aufgehört und die Zentral-banken haben aufgehört, zu verkaufen.Stöferle:Es sind insgesamt noch 180 Ton-nen. Anglo Gold hat letztes Jahr das Hed-gebuch aufgelöst. Barrick, der grösste Pro-duzent und ein sehr umstrittenes Unter-nehmen, hat eine Kapitalerhöhung überfünf Milliarden gemacht, um das Hedge-buch zurückzukaufen. Das ergab in denletzten Jahren auch eine zusätzliche Nach-frage. Auch die Zentralbanken waren lan-ge Verkäufer, aber nun sind sie auf der Käu-ferseite, nur die westlichen Zentralbankensind das noch nicht.Bachheimer: Die Zentralbanken warennach 29 Jahren 2009 erstmals wieder Net-to-Goldkäufer, was einen echten Paradig-menwechsel darstellt. Sie vertrauen sozu-sagen den von ihnen gedruckten Währun-gen selbst nicht mehr.

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„Das war die massivstebewiesene Goldmanipulation,die sogar im US-Kongress

Aufsehen erregt hat“Thomas Bachheimer

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Könnte Gold bei einer Neustrukturierungdes Währungssystems wieder eine Rollespielen?Bachheimer: Meiner Meinung ja – esmuss und es wird eine wesentliche Rollespielen!Stöferle: Ich hoffe ebenfalls. Nimmt mandie Aussagen einiger doch recht honorigerPersönlichkeiten wie etwa von RobertZoellick (Weltbank-Präsident, Anm.) her, indenen auf den „Goldstandard“ eingegan-gen wird, zeigt das schon einen ganz kla-ren Paradigmenwechsel und war vor eini-gen Jahren undenkbar. Es gibt allerdingsnicht DENGoldstandard, es gibt viele ver-schiedene Formen. Ich glaube nicht an ei-ne 100%-ige Deckung. In Mexiko gibt eseine interessante Entwicklung, der Milliar-där Hugo Salinas-Price will parallel zumPeso einen Silberstandard einführen. InMa-laysia wurden in einer Provinz ein Gold-Dinar und Silber-Dirhem parallel einge-führt. Hier tut sich einiges.Bachheimer: Wir brauchen bei jedemWährungssystem einen Gravitationspunkt.Das haben wir mit Nixon 1971 verloren,und alle Länder haben aus logischen, aberbilligen Motivationen heraus mitgemacht.Wir brauchen etwas Physisches, das nichtbeliebig vermehrbar ist. Etwa einen Korbaus Metallen odereventuell anderen„tangible goods.“

Da würde Profes-sor Antal Fekete,der Begründer desGoldstandard-In-stitutes, sofort wi-dersprechen, dernur Gold undeventuell Silber fürgeeignet hält.Bachheimer: Palladium und Platin gehendeshalb nicht, weil man ein geeignetesStock-to-Flow-Verhältnis benötigt (Verhältnisdes vorhandenen geförderten Metalls zurlaufenden Förderung). Man hat offiziell165.000 Tonnen Gold und eine jährlicheProduktion von 2500 Tonnen. Wenn alsodie Produktion gegen Null geht oder sichverdoppelt, dann hat das wenig Einfluss aufden Goldbestand bzw. den Goldpreis. Da-her ist Gold für ein Bewertungssystem sehr

gut. Beim Palladium würde z. B. ein Ex-portstopp durch Russland das Bewer-tungsmodell massiv stören.Böger: Ich unterscheide immer zwischenprivatem Geld-Goldstandard und staatli-chemGeld-Goldstandard. Der private Geld-Goldstandard ist einfach Gold: Wenn derStaat sich nicht einmischt, dann ist es Gold,da braucht man keinen Standard. Wennder Staat dasGeldsystem an sich zieht, danngibt es das staatliche Geldsystem. 1971 ha-ben die Staaten quasi die komplette Kon-trolle zu 100% über das Geldsystem über-nommen.Mometan ent-ziehen die Pri-vaten diesemGeldsystemihr Vertrauen,indem sie um-schichten.Deshalb gibtes die Entwer-tung, und der Goldpreis steigt. Die Staatenwerden versuchen, dagegenzusteuern, in-dem sie wieder etwas zurückstecken undsich einer externen Kontrolle durch Goldunterwerfen. D. h. der Staat kontrolliert nichtmehr 100% des Geldsystems, sondern wiez. B. im 19. Jahrhundert nur 30%.Wenn das Vertrauen immermehr schwin-

det, wird den Privaten also wieder etwasKontrolle in Formeiner partiellenGolddeckung zu-rückgegeben. So-lange es ein staatli-ches System ist, istdas aber alles wie-der nur eine Art derKontrolle, weshalbich die Diskussionüber den Goldstan-dard nicht mag.

Denn die Bevölkerung wird damitwieder um ihr 100%iges privates Geldsy-stem betrogen, d. h. es gibt eine angeblichgute Lösung, die dann in 50 Jahren dienächste Krise hervorruft.Bachheimer: Dem Staat muss das Rechtentzogen werden, uns zu diktieren, welcheWährung wir verwenden. Wir müssen ent-scheiden können, was wir als Tauschmit-tel verwenden. Diese Entscheidung müs-sen die Akteure des Wirtschaftslebens tref-fen. Durchsetzen würde sich in solch einem

System dann das, was für alle Teilnehmeram fairsten ist.Böger:DieMenschenmüssen erst einmalerkennen, dass das Geldsystem nicht zumStaat gehört.

Ich möchte nochmals Professor Fekete zi-tieren: „Die Regierung müsste wieder dasMünzen von Gold erlauben, d. h. jeder-mann, der sein Gold in anerkannte Mün-zen schlagen möchte, müsste dies bei ei-ner Prägeanstalt machen lassen können,ohne Gebühren und Mengenbegrenzun-

gen. Man würde alsodas Gold Unze fürUnze in geprägterForm zurückerhaltenund der Staat müsstedie Prägekosten über-nehmen, so wie derStaat auch für dieWartung der Straßensorgt.“

Stöferle: Professor Fekete und Hugo Sa-linas-Price sind gute Freunde und habendasselbe Grundprinzip „Open the Mint“(siehe oben), in gewissen Facetten beste-hen Unterschiede. Professor Feketes Aus-führungen zum Goldstandard sollte jederlesen, auch wenn es sehr anspruchsvoll ist.Böger: Ich bin skeptisch, denn ich sehenoch nicht den Wandel im Denken derMenschen. Wieso wurde die Golddeckungverlassen? Damit die Staaten mehr Ausga-ben machen können. Und damit wird vielfinanziert: der Wohlfahrtsstaat, der Vertei-digungsapparat in den USA. Würde manden Leuten sagen, „wollt ihr wieder gutesGeld haben, das nicht entwertet wird“, wür-de jeder zustimmen. Dann müsste manaber auch fragen: „Verzichten Sie auf ihreRente, ihr Gesundheitssystem, Girokonto?“Und dann wird es problematisch.Bachheimer: Aber eines ist schiefgegan-gen: Unter dem Deckmantel der Umver-teilung hat man das Währungssystem je-der Gravitation enthoben, damit man dasKapital bzw. die Produktionsmittel vertei-len kann. Hier möchte ich auf meinen vorzwei Jahren verfassten Artikel „Umkehr-schub der Umverteilung“ hinweisen, dennin Wirklichkeit hat es ganz anders funktio-niert. Die Kaufkraft ist aus den Familienherausgekommen. Wir haben zwar schö-

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„In den Aussagen einigerhonoriger Persönlichkeitenzum Goldstandard zeigt

sich ein Paradigmenwechsel“Ronald Stöferle

„Wenn das Vertrauenstärker schwindet, wird denPrivaten etwas Kontrolle inForm einer partiellen Gold-deckung zurückgegeben“

Andreas Böger

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BÖRSE EXPRESS NEWS Seite 8

nere Badezimmer und Autos, aber heutearbeiten zwei für das, was einer 1970 ge-leistet hat. Die Produktivität hat sich aberverdoppelt. Uns wird erzählt, dass die Um-verteilung stattfindet. Sie findet auch statt,aber nicht so, wie es uns Kreisky, Olof Pal-me und Ähnliche erzählten: Vielmehr ha-ben sich die Bankbilanzen seit 1971 ver-zigfacht, die Börsenindizes verzigfacht unddie Parteienförderung verfünfundzwanzig-facht. Der Arbeitnehmer arbeitet noch im-mer gleich lange für eine Flasche Wein,den Friseur oder ein Brot. Aber der Farb-fernseher, den man alle zehn Jahre kauft,oder Fernreisen, die man nie antritt, sindbilliger und imWarenkorb enthalten. Unddas ist die grosse Unverschämtheit. DasGeld, das für die Armen gedacht war, istin Wirklichkeit in die Banken, Börsen undParteien geflossen, und diese Apparaturenhaben sich immens aufgebläht und stel-len nun das grösste Risiko dar.Böger: Die Frage des Goldstandards istnicht nur eine Frage des Geldes, sonderndurchzieht sämtliche Gesellschaftsfragen,weil der Staat durch das Papiergeldsystemsehr viel Macht hat. Alle Ausgaben seit1971 sindmöglich gewesen, weil der Gold-standard verlassen wurde und müsstenrückabgewickelt werden, wenn der Gold-standard in der richtigen Form wieder ein-geführt werden soll.

Wie wird es auf Sicht der nächsten zehnJahre weitergehen?Bachheimer: Wir stehen meiner Ein-schätzung nach vor der grössten gesell-schaftlichen Transformation seit 1789(Anm. Französische Revolution) in Europa.Es wird einen Umbruch geben. Es musssich was ändern und es kann nicht sein,

dass die gesamte Gesellschaft unter derHerrschaft des internationalen Geld-Pö-bels leidet. Das wird die jeweilige Bevöl-kerung in vielen Ländern wahrscheinlichnicht zulassen. Was danach kommt, dar-über gibt’s nur Mutmassungen.Stöferle: Es hilft nicht, nur das Positive zusehen. Manmuss sich auf die Zukunft vor-bereiten. Den klassischen Goldbugs wirdnachgesagt, dass sie extrem pessimistischsind und sich das finanzielle Armageddonwünschen. Das ist völliger Unsinn. Manmuss sich aber auf die historisch beson-dere Situation richtig vorbereiten, undGoldist in diesem Umfeld ein wichtiger Faktor.Böger:Das Grundproblem ist, dass mehrausgegeben als eingenommen wird. Dasist möglich, weil ein ungedecktes Geldsy-stem vorhanden ist, kann aber nicht so wei-tergehen. Es kann sich innerhalb kurzerZeit mit einer sehr grossen Krise lösen oderzieht sich über mehrere Jahre oder Jahr-zehnte hin. Die Ausgabenmuster, die der-zeit vorhanden sind, sind nicht finanzier-bar. Das wird sich ändern und darauf musssich jeder vorbereiten. Man muss die Kri-se einplanen oder mit einem jahrzehnte-langen Korrekturprozess rechnen. So kannsich jeder überlegen, ob er sein Gehalt vomStaat bekommt und inwieweit er sich dar-auf verlassen kann. Eine Möglichkeit ist,sich aus demGeldsystem zu entfernen undins Goldsystem zu wechseln.Boschek: Man sollte nicht in Panik ver-fallen und unüberlegte Aktionen setzen.Man sollte sich aber in aller Ruhe überle-gen, welche Probleme auf einen heran-kommen könnten, und versuchen, sich imRahmen einer Anlagestrategie zu diversi-fizieren. Eine der einfachsten Möglichkei-ten ist, keine Schulden zu haben. Man soll-te sich mit dem Thema auseinanderset-zen, die Lösungen werden nachindividuellen Vorlieben unterschiedlich

ausfallen. Langfristige Planung und guteStreuung sind der Schlüssel zum Erfolg,und auch ich würde mich nicht darauf ver-lassen, dass ich von meiner Pension in einpaar Jahrzehnten mein Auskommen fin-de. Prepare for the worst, hope for the best.

Eine Buchempfehlung zum Abschluss?Bachheimer: Den zuvor erwähntenGreenspan-Artikel. Weiters von RolandBaader „Der papierene Selbstmord.“Stöferle: Als Autoren Mises und MurrayRothbard, ferner von Hayek „Der Weg indie Knechtschaft“, von Ferdinand Lips „DieGoldverschwörung“, von Gregor Hochrei-ter „Krankes Geld, kranke Welt“ und vonStefan Zweig „Die Welt von gestern“.Boschek: Für jemanden, der beginnt, sichfür Edelmetalle zu interessieren, etwaBruno Bandulet „Das geheime Wissender Goldanleger“.Böger: Mises, Hayek, für Einsteiger vonRothbard „Scheingeldsystem“ und für key-nesianisch ausgebildete Volkswirtschaftlervon Mises „Theorie des Geldes und derUmlaufsmittel.“

Durch die Diskussion führtenCChhrriissttoopphh RRoohhrrmmoosseerr,, BBeettttiinnaa SScchhrraaggll

Thomas BachheimerMeridian Commodity Advisors, Vize-Präsident Goldstandard-Institut (Wien)

Andreas BögerAbsolute Performance Management

Adalbert BoschekSchoeller Münzhandel

Ronald StöferleErste Group Research

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Die Diskussionsteilnehmer

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Dienstag, 15. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 4

Cafe BE: Das Thema Börsegang und seine Facetten; was neben der KESt lästig ist

IPO-Wünsche und Ideen für den mid market

Der Talk über IPOs undden Mid Market fand am10. März, einen Tag vor demErdbeben in Japan, statt.

CCaaffee BBEE:: Herr Berger, Sie arbeiten mit demInvestor Toto Wolff seit vielen Jahren inunterschiedlichen Bereichen zusammen,nun hat Wolff gerade seine BeteiligungWilliams an die Börse gebracht. Wie ist esaus Ihrer Sicht gelaufen? Wie aufnahme-bereit waren die Märkte?RReennee BBeerrggeerr: Das Beispiel Williams istsicher atypisch, lässt vielleicht nicht wirk-lich Rückschlüsse auf die generelle Si-tuation zu. Der Bereich Formel 1 ist dochsehr speziell, das haben wir während derBookbuilding-Phase gesehen. Da die Au-to hersteller die F1 lange als Marketing-Plattform gesehen haben, war die F1 halteine Cash Burning Industry. Die Institu-tionellen meinen etwa, dass der einzige,der in der F1 Geld verdient, der BernieEcclestone ist. Die Kosten mussten aller-orts gesenkt werden, vor drei Jahrenbrauchten die Teams noch 250 Motoren,jetzt sind es 25 bis 40 je Saison, der Un-terschied geht direkt in die Bottom Line.Das ist für die nächsten Jahre geregelt

und auch Teil der Story. Mit diesen Vor-

urteilen zu kämpfen, ist immer schwierig.Letztendlich war auch die Börsesituationschwierig. Insgesamt sind wir aber zufrie-den, wir haben die Anleger problemlos zuden Terminen bekommen, in Zürich wa-ren zum Beispeil 160 Investoren, in Lon-don 100. Es war ein bisschen eine Art Tro-phy-IPO, natürlich waren auch einige Wil-liams-Watcher dabei, die nicht wirklicham IPO, sondern eher am Rennstall in-teressiert waren. Nach der Transaktionkönnen wir durchaus sagen, dass der Marktaufnahmefähig ist und war.

Wieviel hat Retail gezeichnet?BBeerrggeerr:: Relativ wenig, in der Gegend vonfünf Prozent, nicht mitgerechnet einigegrosse Private. Die Transaktion war ins-gesamt 60 Mio. Euro gross. Der nicht sostark regulierte Entry Standard in Frank-furt war die Destination, weil IFRS vor-schreiben würde, dass jeder Kunde, dermehr als zehn Prozent vom Umsatz macht,dargelegt werden muss, das ist in der F1bekannterweise unmöglich.

Und wieviel wurde in Österreich platziert?BBeerrggeerr:: Das waren ca. 10 bis 15 Prozentder Transaktion.

Herr Lenzinger, in einem Cafe BE im Fe-

bruar wurde auch im Zusammenhang mitGriffner von der Börse gesprochen. Wiesind hier die Pläne?TThhoommaass LLeennzziinnggeerr:: Für uns als mittel-ständische Firma, die aktuell ca. 50 Mil-lionen Euro Umsatz macht, ist der gesamteProzess der vorbörslichen Gestaltung,Transparenz, Professionalisierung, Mana-gen des Wachstums – wir wachsen mitmind. 30 Prozent p. a. aktuell – jetzt ein-mal im Mittelpunkt. Das Ziel ist es, weltweit erstmals eine

Marke im Wohnungsbau zu machen. Wirsind 30 Jahre alt und haben 27 Jahrenichts anderes getan, als Einfamilien häuserzu bauen. Mit zwei Überschriften: Kom-petenz der Materialien und der Architek-tur. Unsere Branche wandelt sich: Vor we-nigen Monaten ist die neue Gebäude-richtlinie der EU erschienen, hier geht esum Energieeffienz, den Einsatz alternati-ver Energieträger und den Einsatz ökolo-gischer Bau- und Dämmmaterialien. Das ist für Griffner perfekt, denn davor

war der Holzbau jahrezehntelang gesetz-lich diskriminiert. Nun wird es eine Re-naissance geben. Die Vorurteile Brand-schutz, Schallschutz, Statik und Preis sindwissenschaftlich ausgeräumt. Wir können

Cafe BE (v. l.): S. Zapotocky (bast), W. Matejka (Investor), C. Drastil (BE), R. Berger (next march), T. Lenzinger (Griffner)

� Fortsetzung auf Seite 5

Page 30: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Dienstag, 15. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 5

uns auf einen legistisch verursachtenWachstumsschub vorbereiten. Was dieBörse betrifft: Wir sehen, dass Themen wieClean Tech, Green Tech, Green Buildingsim Sinne einer Gesundsheits- und Ener-giediskussion in der Private Equity-Indu-strie grosse Themen sind. Das wird auchin Richtung Börsen gehen. Wir bereitenuns als Marktführer im Bereich „Zero Ener-gy Buildings“ vor. Wir sind in einer Nische,in der die westeuropäischen Länder dieEmerging Markets sind, Österreich hat alsfünfgrösster Holz-Exporteur weltweit einsehr gutes Know-How, einzig die Wert-schöpfung gehört gesteigert. Man darf nichtausschliesslich Billigbretter nach Italienliefern. Aufbauend auf unserer relativ ho-hen Bekanntheit in Österreich kann maneine schöne Story bauen.

Wäre die Destination aus heutiger Sichtdie Wiener Börse?LLeennzziinnggeerr:: Ich bin bekennender Österrei-cher. Man muss sich das dann – etwa2013 - ansehen, wenn es so weit ist. Die Wiener Börsehat den grossen Vor-teil, dass Griffner inÖsterreich sehr be-kannt ist und wirauch Retail schönansprechen könn-ten.

Geplant ist ein IPOmit Kapitalerhö-hung?LLeennzziinnggeerr:: Auf jedenFall, wir wollen janicht Altaktionärebefriedigen, sondernWachstumskapitalfür das Unterneh-men raisen.

Herr Zapotocky, ca.1100 Tage ist esher, dass die WienerBörse mit der Stra-bag ein IPO gese-hen hat. Danach gab es noch die Versu-che von Frequentis, Saubermacher undIhrer Breitenfeld, das Window of Oppor-

tunity, war aber –bildlich gespro-chen – nicht mehrweit genug offen,die IPO-Pläne wur-den abgesagt. Geht das Fensterjetzt wieder auf?SStteeffaann ZZaappoottoocckkyy::Ja, absolut, ich er-warte für heuermindestens drei re-nommierte Indu-striebetriebe, die andie Börse gehen. Was mich immerwieder enttäuschthat, sind die Vor-gänge auf der Ge-setzgebungsseite,ich meine hier dieeuropäische Ebe-ne: Basel III oderdie Solvency-Richt linien für die Versicherungen sind ei-ne Abwehr in eine Richtung, wo man ver-muten muss, dass man nicht bedacht hat,

dass eigentlich dieKapitalsuche vonBanken und Ver-sicherung zu La-sten der Industrieausgehen wird. Die Erforder-

nisse laut Basel IIIkönnten dazu füh-ren, dass es einreiner Banken-und Versiche-rungsmarkt wird.Das will niemand,auch die Bankennicht, das ist einDamokles-schwert, das überden Märktenhängt. Ich hoffesehr, dass span-nende Transak-tionen den Marktwieder belebenwerden. Man hat

das Kind mit dem Bade ausgeschüttet inden vergangenen drei Jahren, ÖsterreichsUnternehmer waren ja an der Krise nicht

schuld. Wir habenin Österreich einendringenden Nach-holbedarf an Ei-genkapital, dieenorme Abhängig-keit von der Kredit-finanzierung mussreduziert werden. Ich weiss, das ist

ein Jahrhundert-wunsch. Aktuellverbessert sich dieStimmungslage, dieUnternehmen be-reiten sich wiederauf grössere Dingevor. Gemeinsammit den Nachbar-börsen könnte hiereiniges Gutes funk-tionieren, ich binsehr vor, dass dieWiener Börse un-

abhängig geblieben ist. Wir können einenzentraleuropäischen Börseplatz aufbau-en, einen für den Mittelstand, für mittel-grosse Unternehmen.

Stichwort Breitenfeld: Hätte man das IPOEnde 2007 durchboxen sollen?ZZaappoottoocckkyy:: Bei Breitenfeld war es richtig,das mit privatem Kapital zu machen. An-stelle des IPOs ist u. a. Morgan Stanleyeingestiegen. Der krisenbedingt massiveAbschwung der Stahlindustrie, den wir2007 nicht so gesehen hatten, brachte fürBreitenfeld schwierige Herausforderungen. Wir haben das bestanden, sind wieder

gut auf Kurs. Es war richtig, den Börsen-gang zu verschieben. Ein Börsegang isttrotzdem - vielleicht nicht kurzfristig, abermittelfristig - wieder ein Thema. Wir ha-ben in der Krise den Standort wesentlichvergrössert und auch technologisch auf-gerüstet. Für Privatanleger wäre die Stahl-krise eine grosse Verunsicherung gewe-sen. Es ist immer besser, in guten Phasenan die Börse zu gehen.

Kann es neben Breitenfeld noch zu an-deren Transaktionen aus Ihrem Umfeldkommen?

� Fortsetzung von Seite 4

„Bei der Wertpapier-KEStgeht es einzig um dieFrage, wann sie wieder aufgehoben wird“

Wolfgang Matejka

„Es braucht eine neue Begeisterung für die Finan-zierung der Wirtschaft“

Stefan Zapotocky

� Fortsetzung auf Seite 6

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Dienstag, 15. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 6

ZZaappoottoocckkyy: Ja, durchaus. Auch generell:Die Wirtschaft läuft gut, wer hätte vor zweiJahren geglaubt, dass Branchen wie Au-tomotive jetzt wieder so stark wachsen.Und dass aus der klassischen, insbe -sondere der metallverarbeitenden und che-mischen Industrie, einiges kommen wird.

Herr Matejka, Sie beobachten die Märk-te berufsbedingt und permanent. Wie istdie Aufnahmebereitschaft der Investorenfür neue Stories?WWoollffggaanngg MMaatteejjkkaa: Sehr selektiv. Die In-stitutionellen als grösste Gruppe sind durchSolvency II und sonstige Unwägbarkeitenziemlich verängstigt. Die IPOs, die Selbst-läufer sind, werden dann nicht mehr Selbst-läufer. Die Vielschichtigkeit des Marktesist nicht mehr gegeben, das Hintergrund-geräusch fundierter Nachfrage fehlt. Es ist sehr stark erkennbar, dass sich ei-

ne IPO-lastige Community gebildet hat.Es wird sehr händlerlastig agiert. Es erin-nert mich stark an die Ära des NeuenMarktes. Nur haltumgekehrt: Heut-zutage wird soforthineingeshortet.Beispiel: Derby

Cycle, das ersteIPO der BHF-Bankseit zehn Jahrenund ein wirklichtolles Unterneh-men mit vollemComittment derBank, ist geradenoch über den Bo-den gekommenund dann wurdegleich voll d’rauf-gehaut. Man musses zwei bis dreimalplatzieren, sonstgeht es nicht. VomPublikum her ist inÖsterreich nochdazu eine Sonder-situation gegeben. Mit der Wertpapier-KESt hat man sich

fast alles zerstört, volkswirtschaftlich wardas die völlig falsche Entscheidung. Derumgekehrte Weg ist der richtige: Die Leu-

te gehören moti-viert, nicht das Spar-buch zum Billa zutragen, sondern zu-kunftsorientierter zuinvestieren. Ich mei-ne damit, dass manden Banken denDruck nehmenmuss, neben Din-gen wie Basel IIIauch noch dieWachstumsfinan-zierungen durch-führen zu müssen. Das Steuerauf-

kommen kann nurüber Wirtschafts-wachstum gestei-gert werden, allesandere endet imGemeindebau. Damit haben wir

uns als Staat keinenguten Dienst getan; das wieder geradezu-biegen, setzt eine politische Revolution

voraus. Es müsstesich jemand hin-stellen und unab-hängig von Partei-büchern über denTellerrand blicken:Eine Börse für In-dustriefinanzie-rungen gehört da-zu.

Und auch die letz-ten grossen Trans-aktionen in Öster-reich sind ja nichtperfekt gelaufen,etwa die Energie-versorger im Vor-jahr ...MMaatteejjkkaa:: Verbundweniger, EVN vielmehr waren durchMachtspiele derinternationalenIPO-Banken ge-

kennzeichnet. Dies erfolgte zu Lasten derStory. Das Sentiment ist vor der beängsti-genden Transaktionshöhe in die Knie ge-gangen. Man wollte einen schnellen Shot

machen, es wareine ziemlich ent-würdigende Trans-aktion, die ein paarHedge Funds be-friedigt hat. Damitwird noch längereZeit herumge-murkst werden,weil viele Investo-ren einfach vorden Kopf gestos-sen wurden. Beim Verbund

kommt dazu, dassdas Managementals Nach-IPO-Behandlung jetztmit einer Dividen-denherabsetzungkommt. Das sindDinge, die meinesErachtens nachnicht wirklich

nach einem IPO oder einer Kapitalerhö-hung passieren sollten.

Stichwort Börsekandidaten: Wen würdenSie sich an der Wiener Börse wünschen?Wer ist börsefähig, wer ist börsewillig?ZZaappoottoocckkyy:: Es sollten Unternehmen sein,die eine gewisse Dimension haben. Sonstist es, wie Herr Matejka gerade ausgeführthat, wirklich zu händlergetrieben, wird plat-ziert und nochmal platziert und nochmalplatziert. Es müssen auch wachstumsori-entierte Unternehmen sein, der Umsatzsollte bei Industrieunternehmen minde-stens 100 Mio. betragen. Da gibt es inÖsterreich 30 bis 50 mögliche Kandida-ten. In Spezialnischen geht das auch mitkleineren Unternehmen, man muss sichaber bewusst sein, dass das private Dealswerden können, mit vielleicht 50 Investo-ren. Vor allem Familienunternehmen sindoft sehr zögerlich. Der Gang an den Pu-blikumsmarkt verlangt viele Standards fürhunderte oder tausende Anleger, da kannein einzelner Investor und Partner mehrSinn machen. Und um auf die Wunsch-namen zurückzukommen: Zum Beispielgrosse chemische Firmen im Donauraumoder Anlagebauer, bitte um Verständnis,

� Fortsetzung von Seite 5

„Die Story des Unter-nehmens ist wichtiger

als der Markt, in dem dasUnternehmen notiert“

Thomas Lenzinger

„Zwischenlösungen á lamid market machen vielSinn. Sonst verhungert

der Kapitalgeber“Rene Berger

� Fortsetzung auf Seite 7

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Dienstag, 15. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 7

dass ich die Namen nicht nennen will.Sehr wünschen würde ich mir auch eineFortsetzung der Privatisierungen, sie ha-ben in meiner Zeit als Börsevorstand denMarkt extrem beflügelt. Weitere regiona-le Energiefirmen würde ich gerne an derBörse sehen.LLeennzziinnggeerr:: Ich kenne ja beide Seiten (Anm.:Lenzinger war jahrelang im Private Equi-ty-Geschäft tätig), ich glaube, dass die mit-telständischen Unternehmen mehr Angstvor einem einzelnen Partner als vor derBörse haben. Und trotz aller Privatisie-rungen: Österreich ist ein Mittelstandsland. Der Versuch aus 1997, die KMU-Börsenamens fit zu bringen, war die richtigeIdee. Gut geführte Familienunternehmenwie Hirsch Servo oder SW Umwelttech-nik müssen natürlich überzeugt werden,die Hürde ist weniger hoch als die HürdeHaifisch.ZZaappoottoocckkyy(lacht): Es gibtauch positiveFische, dienicht allesauffressen.BBeerrggeerr: Mankann nicht sa-gen, wir brau-chen mehrWagniskapital und sperren dann jeglichenExitkanal zu. Von der Phase, in der einUnternehmen ca. 10 Millionen gross ist,bis zu dem Punkt, an dem man 100 Mil-lionen Umsatz macht, verhungert jederWagniskapitalgeber. Daher glaube ich, dass Zwischenlösun-

gen wie der Mid Market sehr viel Sinn ma-chen. Dazu kommen viele anstehende Ge-nerationswechsel bei Familienunterneh-men. Und man weiss ja: Die zweite oderdritte Generation macht oft Unternehmenkaputt. Wenn man es hingegen schafft, einUnternehmen langsam in Richtung Kapi-talmarkt zu bringen – wie es in Amerika,England oder Deutschland funktioniert –dann wäre das sehr gut, aber so etwas gehtin Österreich derzeit leider nicht. Natür-lich wäre es auch schön, wenn die Ener-gieversorger oder eine Red Bull an die Bör-se kommen würden, man darf aber dievielen Perlen im Hintergrund nicht ver-

gessen. Da gibt es viele Unternehmen inÖsterreich, die mit etwas Kapital und neu-em Management viel erreichen könnten. Die Angst ist natürlich gross, wenn man

fünf Investmentbanken zu einem Pitch zuBesuch hat. AmAnfang schickt dieBank die erste Rie-ge, dann die zwei-te Riege, das IPOmacht dann diedritte Riege. Und während

des Börsegangssieht es dann

nicht gut aus für den Unternehmer, der jadarin keine Erfahrung hat. Anders als dieBanken. Wenn man aber das Unterneh-men über Jahre begleitet, kann das andersfunktionieren. Man steigt

ein, machtein PrivatePlacement,kann neueMärkte auf-machen.MMaatteejjkkaa:: Lei-der gibt esimmer den Verdacht, dass man bei einemBörsegang nur abcashen will. Es muss ge-lingen, die vergangenen Jahre abzuhaken. Technologie und Innovation wären zum

Beispiel wichtige Commitments, rund umMünchen gab es einmal einen Biotech-Cluster. So etwas würde ich mir wünschen.Wenn das der Fall ist, ist die Grösse des

Umsatzes nicht wirklich das Kriterium,sondern vor allem die Story. In Wien gibt es ja derzeit so gut wie kei-

ne technologisch hervorragenden Unter-nehmen, Ausnahme ist hier eine Schoel-ler Bleckmann Oilfield. Börse als Ersatzfür Bankkredite, die in Wirklichkeit ja staub-trocken und boring sind; das muss für tech-nologieorien tierte Unternehmen der An-satz sein. Wie soll sich ein Kreditprüferdas Potenzial etwa von Williams aus-rechnen können?BBeerrggeerr:: Oder Intercell, das ist gut gelaufenund war der richtige Zeitpunkt.

... oder bwin. Ohne Website, aber mit ei-ner starken Idee und einem starken Kon-zept zum richtigen Zeitpunkt über die Bör-se finanziert.

LLeennzziinnggeerr:: Genau. Rundum die Intercell wurdeja auch in Wien einCluster gebaut. Darumgeht es, der Umsatz istmeiner Meinung nachnicht so wichtig. Auchrund um AVL ist eini-ges entstanden, dazuauch Energiethemen als

Beispiel. Man muss halt Interessenskon-flikte vermeiden. Da bin ich sehr skeptischbei den Landesenergieversorgern, bei de-nen sich ja dauernd die Politik einmischt. Wenn man die Kelag an die Börse bringt,hat man einen Riesenpallawatsch.

� Fortsetzung von Seite 6

„Ich glaube, dass der Mittelstand mehr Angst

vor einem einzelnen Partnerals vor der Börse hat“

Thomas Lenzinger

� Fortsetzung auf Seite 8

„Ich erwarte für heuermindestens drei renom-mierte Industriebetriebe,die an die Börse gehen“

Stefan Zapotocky

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BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 8

Man muss die Versorger an dieser Stelleauch mal verteidigen, vor allem der Ver-bund war long term ein extrem starkes In-vestment. By the way: Exakt vor elf Jahrenhaben der Nemax 50, der heute in denewigen Jagdgründen ist, und der NasdaqComposite, der heute bei weniger als derHälfte von damals notiert, parallel ihre All-time-Highs gebildet. In der Vorwoche hat-ten wir 5000 Tage fit-Markt. Easdaq, Neu-er Markt gibt es nicht mehr, in Österreichhaben wir jetzt den mid market. Wie se-hen Sie diesen?MMaatteejjkkaa: Der mid market hat das Liqui-ditätsproblem, dass die Investoren ihreEntscheidung, die sie unter Umständensehr lange vorbereiten, dann nicht in ei-nem Schlag exekutieren können. Esbraucht da auch ein anderes Provisionie-rungssystem für Market Maker. Der midmarket ist bisweilen zu einem sehr op-portunitätsgetrieben Kursgemetzel ver-kommen, das bedeutet, dass man sich da-vor schreckt. Man müsste den Handel derAktien auf eine andere Plattform stellen,dann schrecken sich die Investoren unddie Company nicht so sehr. Aktuell ist lei-der der Markt und nicht die Company derAuslöser für starke Kursveränderungen.ZZaappoottoocckkyy:: Der mid market hat das Pro-blem, dass wir es – zumindest in meinerZeit an der Börse – nicht geschafft haben,die Händler dafür zu begeistern. Natürlich ist

auch eine Inter-cell – ich hoffeund gehe auchstark davon aus,dass das Unter-nehmen wiederbessere Zeitensehen wird –nicht im mid market gelandet. Ich habemit meinem Team zwei Jahre dafür ge-kämpft, dass es überhaupt die Wiener Bör-se wird. Ich hoffe, es folgen andere Bio-techunternehmen nach. Die richtige Han-delsplattform und die richtige Methodikmüssen für den mid market noch gefun-den werden, da bin ich bei Herrn Matejka.MMaatteejjkkaa:: Diese Plattform sollte eine In-formationsplattform sein, man wird durchInformation ja auch am Ball gehalten. Nurdie Quartalszahlen sind zu wenig, weil es

ja rundherum auch kein Research oder sogibt. Hier könnte eine verstärkte ad-hoc-Verpflichtung ein Ansatz sein. Der Investor darf sich nicht permanent

im Vakuum fühlen.LLeennzziinnggeerr: Ich würdeIntercell sogar mitStrabag vergleichen.Intercell, sehr negativin den Schlagzeilen,notiert immer nochdeutlich über demEmissionskurs, bei der Strabag ist das nichtso. Österreich hat in manchen Segmen-ten grosse Chancen.

Ist der mid market für Griffner eine Op tion?LLeennzziinnggeerr:: Ich glaube, dass das, was dasUnternehmen zu erzählen hat, wichtiger

ist als der Markt.BBeerrggeerr:: Ich glaube, dassder mid market die rich-tige Idee war. Zuletzt wardas Problem, dass abge-strafte Unternehmen, diefür grössere Segmente zuklein geworden sind, dortgelandet ist. Das trägt

nicht zum Image bei. Ich glaube aber ebenso, dass die Equi-

ty Story viel wichtiger als der Markt ist.Williams ist im Entry Standard, nicht derpopulärste Markt. Aber wenn gemäss Cor-porate Governance reiner Wein einge-schenkt wird und die Zahlen passen, war-um soll der Kurs nicht nach oben gehen? In Österreich ist es auch leider so, dass

man mit kleinen IPOs als Bank nichts ver-dient, damit wird das eher ausgelassen.Da habe ich Verständnis für die Banken.

ZZaappoottoocckkyy:: Was wir wirklich brauchen, isteine neue Begeisterung für die Finanzie-rung der Wirtschaft. Aktuell sind wir mitAngstthemen befasst, es geht um die „ge-

rechte Verteilung“ der Mit-tel, aber nicht um die Fi-nanzierung der Wirtschaft. Medial ist das leider

überhaupt kein Thema.Mir geht einfach die Be-geisterung ab. Wenn wirim Wohlstand leben wol-

len, müssen wir die hiesigen Industrieun-ternehmen entsprechend ausstatten kön-nen. Das ist die Herausforderung an diePolitik.MMaatteejjkkaa:: Ich glaube, dass es im mid mar-ket eine neue technische Lösung gebensollte. Das aktuelle Preisfindungsverfah-ren gehört abgeändert. Zu oft ist der Mar-ket Maker, wenn es gerade ernst wird, beiTisch. Das System könnte sein, dass sichz. B. mindestens zehn Marktteilnehmerverpflichten müssen, einen Kommentarabzugeben. Alle müssten informiert wer-den, um dann ein Statement abzugeben.Eine Mindestliquidität wäre damit abge-sichert.

Quasi ein Quote Request ...MMaatteejjkkaa:: D’accord. Das müsste verpflich-tend erkennbar sein. Und dann die gene-relle volkswirtschaftliche Grundhaltung:Die Börse ist das einzige Medium, das der-zeit noch richtig tickt, dazu noch eine ÖIAGmit Beyrer. Österreich provoziert mit aktu-el len politischen Positionen passive Geld-entnahme durch neue, sinnlose Steuern.

� Fortsetzung von Seite 7

„Für den mid marketbraucht es eine neuetechnische Lösung“

Wolfgang Matejka

� Fortsetzung auf Seite 9

„Williams war einTrophy-IPO“

Rene Berger

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Dienstag, 15. März 2011

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Das leitet die Schlussrunde ein: In Frank-furt sind die Börseumsätze im Jänner undFebruar kumuliert um ca. 14 Prozent ge-stiegen, in Wien sind die Volumina im un-gefähr gleichen Volumen gefallen. Österreichische Broker schlagen wegen

der Wertpapier-KESt schon Alarm. Ist dieKESt die Begrüdung für die scharfen Vo-lumsrückgänge in Österreich?MMaatteejjkkaa:: Es ist die Wertpapier-KESt, diedie Privatinvestoren wirklich schockierthat. In diesem Zusammenhang ist die Un-sicherheit, wann sie wirklich aufgehobenwird, die brennende Frage.

Richtig gehört? Die Unsicherheit, wann sieaufgehoben wird?MMaatteejjkkaa:: Ja sicher, es geht ja gar nicht an-ders. Sogar in gesetzgebenden Gremienist der Terminus „patschert“ des öfterenzu hören. Ich glaube, dass wir eine An-näherung an das deutsche System be-kommen, wobei auch in Deutschland mitt-lerweile wieder volkswirtschaftliche Ver-nunft einkehrt.Weiters gibt es Verunsicherung bezüg-

lich der Fonds, man braucht einen Steu-erberater als Fondsmanager. Auf der anderen

Seite gibt es dieWahrnehmungder unglücklichenKapitalerhöhun-gen und SPOs derVersorger, dieauch die beteilig-ten Broker in Fra-ge stellt. Zudem ist

Österreich ein in-ternational sehr kleiner Markt, und daswar zuletzt kein Thema. Der Trigger fürgrosse Bewegung und grosse Hebel ist imATX aktuell nicht zu finden.ZZaappoottoocckkyy:: Der Schock der vergangenenbeiden Jahre ist noch da. Langfristig aus-gelegte Anlageprodukte haben markantverloren. Die Befassung mit Basel III undSolvency II löst auch grosse Zurückhal-tung aus, ich weiss das zum Beispiel vonden Versicherungen. Das ist ein Riesen-thema. Genau die, die man im vergange-nen Jahrzehnt für Aktien begeistern konn-

te, werden jetzt doppelt belastet. Das isteine europäische Gefahr, denn in Ameri-ka, China oder dem Fernen Osten gibt esdiese Problematik nicht.LLeennzziinnggeerr: Österreichischs Wirtschafts-journalisten haben heutzutages ein ganzgeringes Wissen, was Finanzmärkte be-trifft. In den Lehrplänen der Schulen wird

hier völlig falsch ge-wichtet. Wer soll da mit-reissen?MMaatteejjkkaa:: Die Nischen-investorengruppe derVersicherungen hat inden vergangenen Jah-ren viel mitgemacht.Die meisten sind in dieBonds hineingehetztworden, weil man dieAktien aufgrund der

2008er-Volatilitäten nur mehr gering ge-wichten kann. Jetzt fährt man halt mit 180gegen die Bondmauer. Wachstum überInvestment geht bei Versicherungen nichtmehr. Eine Idee ist, die Bewertungswahl-rechte für Aktien ähnlich der Bewer-tungswahlrechte für Anleihen anzusetzen.Was dann passieren würde, ist auch nichtelegant: Zwei Jahre Rocket-Börse, dannAbsturz. Das vorausblickende Regulativfehlt total.

Durch die Diskussion führte CChhrriissttiiaann DDrraassttiill

- Rene Bergernext march, hat den Investor Toto Wolffbeim Williams-Börsegang beraten

- Thomas Lenzingerwill im Jahr 2013 mit Griffner an dieBörse gehen

- Wolfgang MatejkaMatejka & Partners, Investor

- Stefan Zapotockybast, Ex-Vorstand Wiener Börse

� Fortsetzung von Seite 8

Die Diskussionsteilnehmer

„Die Versicherungenhaben viel mitgemacht

und werden jetzt mit 180 gegen die

Bondmauer gehetzt.“Wolfgang Matejka

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Freitag, 18. März 2011

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Talk-Format Cafe BE widmet sich dem Thema Japan und den Folgen für die Märkte

„Die Zeit des Stockpicking ist angebrochen“

Nach Japan wurden Aktienquerbeet verkauft - auchsolche, die von der Situationprofitieren werden. Das ist derGrundtenor der Expertenmei-nungen im Cafe BE-Talk.

Das Cafe BE lud zum Roundtable - The-ma Japan und die Folgen. Es diskutier-ten: Ulrich Baumann, Fondsmanager beiVolksbank Investments, Klaus Glaser,Head of Product Management der Raiff-eisen Capital Management, und MichaelKukacka, Geschäftsführer der RingturmKAG sowie Managing Director EquitiesDeveloped Markets and Asia EmergingMarkets der Erste Asset Management.

CCaaffee BBEE: Ihre erste Diagnose zu Japan?KKllaauuss GGllaasseerr: Die Finanzwelt reagiert wiewir alle – ratlos. Mit Querbeet-Verkäufenvon Risky Assets, quer über alle Branchen.Wir haben in Europa und den USA eineSchuldenkrise und in Nordafrika und imarabischen Raum eine dramatische Ent-wicklung. Und haben eine Diskus sion, obdas Wirtschaftswachstum im Ab klingenund die Inflation im Anspringen ist. In dieser Situation ist der Tsunami an

den Finanzmärkten stärker ausgefallen,als wenn es nur ein Erdbeben gewesenwäre.

MMiicchhaaeell KKuukkaacckkaa: Mit einem Erdbebenhätten wir umgehen können. Das mit dernuklearen Verseuchung kannten wir bisher aber so nicht. Und da oft der Ver-gleich mit Tschernobyl gebracht wird: Daswar vor allem landwirtschaftliche Fläche,da waren keine Millionenstädte in derNähe. Jetzt reden wir vom weltwirtschaft -lich gesehen drittwichtigsten Land, dassehr hoch technisiert ist und dement-sprechende Industrien hat.Wir kennen die Spätfolgen einfach noch

nicht. Bei einer nuklearen Verseuchungsind ganze Landstriche über Genera tio -nen hinweg nicht mehr verwendbar. Dashätte dann Auswirkungen auf die Welt-wirtschaft. Diese ist so aufgestellt, dassein einzelnes Land nicht autonom seinkann. Wir sind dermassen vernetzt, dassman aufeinander angewiesen ist.Aber es wird, den Horrorfall Verstrah-

lung etwa von Tokio ausgeschlossen, diePhase kommen, wo man erkennt, dassdie Reaktion an den Finanzmärkten dochein bisschen übertrieben ist, aber dafürist es jetzt noch zu früh.UUllrriicchh BBaauummaannnn: Japan ist ein hoch-technologisiertes Land - nun ohne Ener-gie, mit Lebensmittelengpässen, ohneWasser. Das ist für uns eigentlich un-vorstellbar, das kannten wir aus Afrika.Das zeigt, wie verwundbar wir alle sind.Wenn man der Krise etwas Positives ab-

gewinnen muss, dann vielleicht, dass wireinen neuen Vorstoss in Richtung er-neuerbarer Energien haben. Wir erken-nen, wie abhängig wir von Basispro duktenwie auch Strom sind. Da rückt eigentlich für mich komplett

in den Hintergrund, ob jetzt vielleicht dasHandy eine Spur teurer wird.KKllaauuss GGllaasseerr: Japan ist bereits vorher etwa durch die Verschuldung auf dem fal-schen Fuss gestanden. Die nukleare Wol-ke ist der Unterschied zu Kobe. Und dieSchulden sind grösser als damals.MMiicchhaaeell KKuukkaacckkaa:: Kobe 1995 kosteterund 2,5 Prozent des BIP. Jetzt gibt esSchätzungen, dass wir bei fünf, sechs Pro-zent landen werden. Die ohnehin bereitshohe Verschuldung wird auch ent spre-chend steigen. Bisher dachte man, dassJapan von derzeit etwa 210 Prozent inden nächsten Jahren auf 250 Prozent desBIP kommen wird. Jetzt werden es eher300 Prozent sein.KKllaauuss GGllaasseerr: Tschernobyl war ein bis-serl wie die gelbe Karte im Fussball, jetztsehen wir gelb-rot. Ich denke, dass es jetztein Umdenken Richtung Nachhaltigkeits -themen geben wird und glaube, dass mangewissen Technologien gegenüber sehrkritisch sein wird. Dass man erkennt, dassmanche Technologien ökonomisch viel-leicht doch teuer sind. Die Finanzweltmuss das unterstützen, indem sie gewis-

Cafe BE Runde (v. l.): Klaus Glaser (Raiffeisen Capital Management), Michael Kukacka (Ringturm), Ulrich Baumann (Volksbank)

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sen Technologien freundlich gegenüber-steht.

Also alles in Solarwerte investieren?KKllaauuss GGllaasseerr: Ich würde nicht nur in re-generative Energien gehen, da gibt es auchgenug Betrügereien und es wird Schind-luder getrieben. Aber wir müssen weg vonder Kernenergie und vom Verbrennenvon Erdölderivaten. Der Rohstoff ist da-für eigentlich viel zu wertvoll.MMiicchhaaeell KKuukkaacckkaa: Regenerative Energie-werte sind zuletzt deutlich angesprungen.Die Frage ist aber, wie nachhaltig dieseEntwicklung ist. Leider ist es schwer zuglauben, dass jetzt der Wechsel statt findet. In einiger Zeit wird wieder das ökono-

mische Argument kommen, dass Atom-energie günstiger ist - weil man keine Ge-samtkostenrechnung macht. Seit Tscher-nobyl hat sich auch nichts verändert –wir haben heute so viele Atomkraftwer-ke wie noch nie.Wir müssen aber auch sehen, dass

Atomkraftwerke kein CO2 ausstossen.Ohne Atomkraftwerke muss ich die Zer-tifikate kaufen, das ist Geld - Geld, dasich heute sehe; Atommüll sehe ich im-mer erst in der Folge. Jedem Konsumentmuss klar sein, dass regenerative Ener-gie kostet und der Strompreis teurer wird.UUllrriicchh BBaauummaannnn: Wenn man den Ener-gie bedarf sieht und die CO2-Problema-tik, führt heute wahrscheinlich, und ichsage leider, noch kein Weg an Atomkraftvorbei.MMiicchhaaeell KKuukkaacckkaa: Wir müssen uns auchdarüber im Klaren sein, wenn wir in denEmerging Markets Wachstumsraten vonsechs und mehr Prozent haben und auchsehen wollen, dann gibt es zusätzlichenEnergiebedarf. Dazu kommt dort nochdie Land-Stadt-Wanderung, die ebenfallszu einem erhöhten Energiebedarf führt.Allein um das abzudecken, werden be-reits neue Kapazitäten benötigt.UUllrriicchh BBaauummaannnn: Die Frage ist aber auch:Brauchen wir, und jetzt meine ich vor al-lem den Westen, überhaupt immer soviel? Alles ist günstig, also gehen wir nichtressourcenschonend damit um - wir ha-ben keine Achtung mehr davor. Wir wer-fen 30 Prozent der Lebensmittel weg. Wir

suchen nach neuen Energien, statt mitden alten bewusst umzugehen. Es wird wie nach jeder Krise sein: Ein

kurzer Schock, ein kurzes Nachdenken,und dann machen wir weiter wie bisher.Es sollte nicht nur die Frage sein, wienachhaltig wir im Angebot sind, sondernauch in der Nachfrage.KKllaauuss GGllaasseerr: Ich stimme zu, Energie istviel zu billig und darum sind wir zu gie-rig und gehen damit nicht sorgsam um.Energiesparen wird aber nur kommen,wenn die Energie sehr, sehr teuer ge-worden ist.

Ist die Reaktion an den Aktienmärktenin Summe übertrieben?MMiicchhaaeell KKuukkaacckkaa: Wenn die Lage in Ja-pan nicht schlimmer wird als jetzt, ist dieReaktion vor allem an den europäischenund amerikanischen Märkten sicher über-trieben. Sollte allerdings der GrossraumTokio als wichtiges Finanzzentrum rich-tig betroffen sein, dann wird das entspre -chende Auswirkungen auf die Märkte ha-ben. Das gilt dann nicht nur für Japan. An sich ist die japanische Industrie

aber sehr stark im Ausland investiert. Da-her wird die Belastung für die Unter-nehmen zu negativ gesehen.UUllrriicchh BBaauummaannnn: Japan hat vor fünf Jah-ren etwa 25 Prozent der Gewinne aus-ser halb des Landes erzielt, heute sind es35 Prozent.KKllaauuss GGllaasseerr: Wenn wir die Situation glo-bal betrachten, wurde top-down verkauft,Risikoabbau betrieben. Wir sind im Gebot der Stunde der Risk-

Manager, Risiko zu reduzieren. Dabei

werden Dinge gemacht, die in der Brei-te verständlich sind, auf Einzeltitelebeneaber nicht – abverkauft werden auch Un-ter nehmen, die von Japan gar nicht be-troffen sind, oder vielleicht sogar profi-tieren. Wer ab heute risky assets redu-ziert, der kommt aber zu spät.Wenn wir über die nächsten Wochen

hinausschauen, muss man sich über legen,was macht man mit seinem Geld? AmGeldmarkt bleiben, oder wieder in ris-kantere Assets gehen?UUllrriicchh BBaauummaannnn: Geldmarkt und Bondssind angesichts steigender Inflation zu-nehmend unattraktiv. Da ist die Aktie in-teressant. Von der Dynamik her ist dieStory in Südostasien intakt – wenn nichtjetzt, wann dort dann?KKllaauuss GGllaasseerr: Wer Angst vor Inflation hatund noch nichts getan hat, hat jetzt dieChance, die Duration zu verringern, dadie Staatsanleihenkurse mit Japan teilsdeutlich gestiegen sind.

Bauunternehmen gelten so ein bisserl wiedie sichere Bank unter den Gewinnern ...MMiicchhaaeell KKuukkaacckkaa: Sektoren, die profitie-ren, sind sicher Baufirmen. Das mussman sich aber gezielt ansehen. Wer anden Wiederaufbau glaubt, für den sindSpezialangebote wie Infrastruktur-Titelsicher empfehlenswert.Es gibt aber auch grosse Weltkonzer-

ne, die bisher Konkurrenten unserer Un-ternehmen waren und jetzt Probleme ha-ben. Das werden unsere Konzerne teilsnutzen können. Ich würde daher auch nicht auf ein glo-

bale oder europäische Fonds vergessen.

Cafe BE hat im Showroom von Griffner Haus seinen Platz gefunden(im Bild: die Diskutanten Glaser, Kukacka, Baumann - von links)

� Fortsetzung von Seite 4

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Die sind mitgefallen und wir sind ja ei-gentlich alle der Meinung, das zumeistzu Unrecht.UUllrriicchh BBaauummaannnn: Das gilt ähnlich für densüdostasiatischen Raum auch, wo zer-stör te japanische Kapazitäten übernom-men werden können. Es gibt aber auchSachen, die gibt es eben nur in Japan. Der Anleger muss also genau unter-

schei den können, welche Produkte sub-sti tuierbar sind, und welche nicht. Einknappes Drittel des iPhone ist mit japa-nischen Teilen bestückt. DRAM-Preisesind auch bereits sehr stark angestiegen.

Gibt es in Südost-Asien so einen typi-schen Outsourcing-Gewinner?UUllrriicchh BBaauummaannnn: Als Japaner, der out-sourcen will, würde ich nach Thailandgehen. Es ist politisch relativ stabil, In-fra struktur ist da und die Löhne wach-sen nicht so schnell wie in China. Dazugibt es riesige Industrie-Farmen.

Wie beurteilen Sie Japans Börse?UUllrriicchh BBaauummaannnn: Wenn Märkte in eineRichtung gehen, und es gibt eine Natur-katastrophe – ich schliesse da jetzt dennuklearen Ernstfall aus -, gibt es einenkurzen Rücksetzer, dann geht es in deralten Richtung weiter. Das stimmt michfür Japan positiv. Denn Japan ist seit Ok-tober in einem Aufwärtstrend. Bei Kobehatten wir einen Abwärtstrend, es bliebauch dabei. Naturkatastrophen sind ten-denziell ein kurzer Störfaktor, dann gehtes im alten Trend weiter.Und trotz aller Verschuldung: Japan ist

der weltgrösste Gläubiger, hat fast nur In-landsschulden. Die meisten Unterneh-men haben 25 Prozent Cash in den Bü-chern, da gibt es keinen grossen Le verage

– die Unternehmen sind eigentlich at-trak tiv. Viele notieren unter Buchwert. Esist eine Einstiegschance.MMiicchhaaeell KKuukkaacckkaa: Von den Bewertungenspricht vieles für Aktien im Allgemeinen. Wir sind aber in einer Marktphase, da

zählen fundamentale Faktoren nicht. Icherwarte, dass Japan in nächster Zeit einUnderperfomer sein wird. Auch, dass dieVolatilität hoch bleibt und das ist etwas,was der Privatanleger nicht sehr schätzt. An der Seitenlinie zu stehen, kann al-

so auch seine Vorteile haben, den idea-len Einstiegszeitunkt erwischt man aberohnehin nie. Es werden sich Gelegen-heiten ergeben, aber noch ist es zu früh.KKllaauuss GGllaasseerr: Die Händler bei uns, diesich mit Einzeltitel beschäftigen - unddas gilt nicht nur für Japan -, haben der-zeit leuchtende Augen: Endlich kann ich

meine Ideen umsetzen, sagen sie – dieTitel waren vorher schon günstig, jetztnoch mehr. Vielleicht kauft man noch zufrüh, aber es ist eine Chance da.Für Stock picker ist jetzt eine gute Chan-

ce. Vieles war übertrieben. Die Panik-prämie ist bereits erledigt. Wer länger -fristig denkt, kann zu einen Asien-/Pazi-fik-Aktienfonds greifen. Kostolany hatgesagt: „Kaufen, wenn die Kanonen don-nern“ - aber man darf natürlich nicht al-les blind kaufen.UUllrriicchh BBaauummaannnn: Das sehe ich auch so- es ist Stockpicking-Zeit, da alles mit demBade ausgeschüttet wurde. Baufirmensind der einfache Weg, aber der Hypeging mir etwas zu schnell, da wäre ichvorsichtig. Es gibt Lebensmittelproduzen -ten, die nur in Osaka tätig sind und ei-gentlich gar nicht betroffen, aber jetzt 30

Prozent günstiger sind. Ich würde sagen,es ist ein Eldorado für Stockpicker.KKllaauuss GGllaasseerr: Die Asset Manager, die sa-gen: Risiko abbauen, werden auch wie-der aufbauen und trommeln, da hat derStockpicker seine Idee bereits umgesetzt.Nicht immer ist die Idee natürlich

eine gute, man muss einfach diversifi-zieren, muss seine Kühnheit durchDiver sifikation auch etwas bremsen. Undich würde mich nicht nur auf Japan be-schrän ken. Denn es ist nicht so, dass ei-ne solche Katastrophe die Weltwirtschaftumdreht. Die generelle Story ist intakt,dass Aktien mittelfristig eine gute Per-formance zeigen werden.

Was sorgt Sie abseits von Japan?KKllaauuss GGllaasseerr: Wir haben Nordafrika undden arabischen Raum wegen Japan über-sehen. In Japan sind die Explosionen hof-fentlich bereits erfolgt – im arabischenRaum ist der Druckdeckel grossteils nochzu, könnte aber auch wegfliegen.Die starke Ölabhängigkeit der westli-

chen Wirtschaft dürfen wir nicht vomTisch wischen. Irgendwann wird es inSaudiarabien hochkommen, das ist derÖllieferant der Amerikaner. Da werdenwir dann sehen, wie reagiert wird.

Fällt mit Japan jetzt eigentlich ein wich-tiger Finanzier der westlichen Schulden-politik weg?MMiicchhaaeell KKuukkaacckkaa: Japan ist ein wich tigerFinanzier, vor allem der USA - grosseAuswirkungen sehe ich da aber nicht.Was aber klar ist: Alles, was in Japan

gerade passiert, ist inflationstreibend, gibteinen zusätzlichen Schub zur ohnehinbereits gesehenen Tendenz.

Das Gespräch führte Robert Gillinger.

„Wir sind in einerMarktphase, in der fun-

damentale Faktorennicht zählen. Ich er-warte, dass Japan in

nächster Zeit ein Under-perfomer sein wird.“Michael Kukacka, Ringturm

„Ich würde nicht nur inregenerative Energiengehen, da gibt es auch

genug Betrügereien undes wird Schindluder

getrieben.“Klaus Glaser Raiffeisen

„Es sollte nicht nur die Frage sein, wie

nachhaltig wir im Ange-bot sind, sondern auch

in der Nachfrage“Ulrich Baumann, Volksbank

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Dienstag, 29. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 3

Cafe BE: Medienrunde zur Wiener Börse und zur Suche nach „neuen“ Privatanlegern

„Schreiben wir alle ausschliesslich für Profis?“

Die Aufbruchsstimmungaus der Schüssel-Ära ist einerbörsefeindlichen Grundhal-tung gewichen. Die Finanz-medien müssen umdenken.

CCaaffee BBEE:: Was sind bei Ihren Lesern ak- tuell die grossen Themen?MMaarriiuuss PPeerrggeerr:: Bei uns sind es ganz mas-siv Fragen rund um die Vorsorge, erfreu-licherweise wird das auch von jungen Le-sern nachgefragt. Parallel dazu nimmt dasInteresse an Derivaten und Zertifikaten zu,während der klassische Fonds vielen Leu-ten vielleicht etwas zu fad wurde. Wer heu-te eine Finanzzeitung liest, muss jemandsein, der sich aktiv mit der Geldanlage be-schäftigt. Der Sparer braucht das nicht,der Fondsbesitzer auch nicht.MMiicchhaaeell MMüülllleerr:: Das Wissen über Kapi-talanlage ist in Österreich - auch bei Ban-ken und Beratern - im internationalen Ver-gleich wohl eher unterdurchschnittlich.Die so gross in Verruf geratenen Vertrie-

be mit drei Buchstaben sind ausbil-dungsmässig manchmal über einem an-gestellten Bankmitarbeiter in den Bun-desländern. Es ist aber da wie dort eineprodukt- sowie einkommensgetriebeneBeratung. Ich sehe bei den österreichi-schen KAGs nur ein bis zwei Player, diewirklich gut informieren.SSnneezzaannaa JJoovviicc:: Ein Finanzdienstleister ver-kauft österreichische Versicherungs-Pro-dukte, vielleicht die eine oder andere in-ternationale Versicherung, dazu auslän-dische Fonds. Alles andere macht jasowieso der österreichische Bankenver-trieb. Zur Frage, wofür sich die geld ma-gazin-Leser interessieren: Das sind aktu-ell etwa volkswirtschaftliche Trends oderDinge rund um Emerging Markets oderRohstoffinvestments, das Ganze auf ho-hem Niveau.MMüülllleerr:: Altersarmut wird zum grossen The-ma, die droht vielen. Nahezu alle öster-reichischen Versicherungen haben in derVorsorge leider versagt, z. B. durch Aus-stoppen der Garantieprodukte, die Leute

sind jetzt in Zerobonds investiert. Das istin den österreichischen Printmedien tabu,weil Versicherungen ja heilige Kühe sind,welche die Medien füttern.HHaannss--JJöörrgg BBrruucckkbbeerrggeerr:: Ja, da gibt es lei-der immer noch relativ hohe Gebühren -intransparenz. Themen im WirtschaftsBlattsind neben Börse Wien-Dingen Beiträgeüber Rohstoffe, wir haben das ja eigent-lich schon in Zeiten gemacht, als mannoch gar nicht wirklich in Rohstoffe inve-stieren konnte. Wenn wir irgendeinen Roh-stoff - und sei es noch so ein exotischer -aus dem Kursteil nehmen, hagelt es An-rufe. Da melden sich bisweilen auch Land-wirte. Emerging Markets-Berichte kom-men auch gut an, dazu „grüne“, nachhal-tige Investments.MMüülllleerr:: Wie geht es Euren Lesern mitETFs?PPeerrggeerr:: Erst am Beginn, manche Leser fra-gen, ob man das in Österreich überhauptkaufen kann.

� Fortsetzung auf Seite 4

Im Cafe BE (v. li.): Marius Perger (Börsen-Kurier), Michael Müller (Finanzberaterforum), Christian Drastil (BE), Hans-Jörg Bruckberger (WirtschaftsBlatt), Snezana Jovic (geld magazin)

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JJoovviicc:: Das Interesse ist schon da, wir ma-chen bereits zum 4. Mal einen ETF-Kon-gress, das betrifft aber hauptsächlich deninstitutionellen Bereich. Ich glaube, wir al-le sind auch nicht mehr wirklich Medienfür den Privatkonsumenten, sondern fürGutinformierte.PPeerrggeerr:: Ich glaube auch, dass Finanzme-dien sich immer stärker an eine Schichtder Financial Professionals richten. Aberin jedem Unternehmen muss es ja min-destens eine Person geben, die sich in sol-chen Dingen auskennt und die Informa-tionen braucht: Stiftungen, Family Officesund so. Wer hingegen die Zukunftsvor-sorge gekauft hat, ist ja eigentlich vom Ty-pus her nicht ein Aktionär, sondern hatein Produkt, das wie Bausparen klingt, ge-kauft.MMüülllleerr:: Er hat es nicht gekauft, es wurdeihm verkauft ...BBrruucckkbbeerrggeerr:: Finanzjournalisten müssenda sicher auch viel mehr querdenken. Im-mofinanz & Co. wurden ja auch von denMedien gemacht.JJoovviicc:: Aber dasWirtschafts-Blatt hat jadurchaus vorImmofinanzgewarnt.BBrruucckkbbeerrggeerr::Haben wir ... Oder als an-deres BeispielJapan jetzt mitder weltweitenPanikmacheund Hysterie,was zu einemzu starken Ab-sturz geführthat. Wir habendann eine Co-verstory mit„ruhig bleibenbzw. kaufen“gemacht, was aus heutiger Sicht richtigwar. Aber wenn in den ZiBs unreflektiert derAbsturz der Märkte gezeigt wird, ist dasnatürlich stärker.

Herr Müller, wassind aktuell diegrossen Themen inder Finanzbera-tung?MMüülllleerr:: Früher wa-ren es Investments,Finanzierungenund Vorsorge. Finanzierungensind weggebro-chen, weil dieFremdwährungs-kredite nicht mehrattraktiv sind. Esgibt nur mehr ganzwenige, die dastun. Und hier spre-che ich von einemwichtigen Ein-kommenstreiberfür Finanzberater,hier gab es früherviel Volumen. Auch der Investmentbereich ist weitge-hend weggebrochen, kraft des mangeln-den Vertrauens von Kunden in den In-

vestmentbereichganz allgemein.Das Thema Vor-sorge ist nicht zu-letzt dank derneuen Wertpa-pier-KESt amWichtigsten, hierwurden Direktin-vestments im Ver-gleich etwa zuVersicherungs-produkten unat-traktiver gemacht. Die kreativere Ver-sicherungsindu-strie profitiert, z. B.Fondsgebundene,günstige Versi-cherungsmäntel.Darauf habensich die Beraterspezialisiert.

Der Bereich der Portfoliogestionierungwurde viel kleiner, ist aber noch da. Es gibt noch immer einige gute Vermö-gensverwalter, das grosse Thema ist aberdie Vorsorge.

Was erwarten sich Finanzmedien von derWiener Börse?BBrruucckkbbeerrggeerr:: Wir sitzen natürlich mit derWiener Börse in einem Boot, wir sind dieersten, die von einer guten Grundstim-mung profitieren. Und auch redaktionell:Wenn man nur über DAX & Co. schreibt,kann man auch das Handelsblatt kaufen. Umso trauriger ist es derzeit, weil der Kurs-zettel ausdünnt. Ich wünsche mir als Me-dienmacher, dass die Börsevorstände mehrdie Werbetrommel für die gemeinsameSache rühren. Als Finanzmarktmediumwünscht man sich auch mehr Support fürredaktionelle Serien oder Ähnliches.JJoovviicc:: Ich muss sagen, ich bin enttäuscht,was die Wiener Börse betrifft. Wir habenmit dem geld magazin die Wiener Börseviele Jahre lang unterstützt, aber es kommtnichts zurück, ich habe mich daran ge-wöhnt.BBrruucckkbbeerrggeerr:: Mir gefällt, was Stuttgart tut,dort wurden gute Nischen gefunden, bei-spielsweise für Zertifikate. PPeerrggeerr:: Wenn Sie vor 20 Jahren zur Bankgegangen sind, und gesagt haben, Sie brau-chen Geld, lautete die Antwort „da habenwir einen geförderten Kredit“, dazu gibt esfür Anleger „geförderte Sparbücher“. Wirhaben einfach nach wie vor ein kapital-

� Fortsetzung von Seite 3

„Nahezu alle österreichischenVersicherungen haben in der

Vorsorge versagt“Michael Müller

„In jedem Unternehmen muss es mindestens eine Person geben,

die sich in Finanzfragen auskennt“Marius Perger

� Fortsetzung auf Seite 5

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marktfeindliches Umfeld. Ich habe z. B.vor einem halben Jahr mit dem Börse-vorstand Michael Buhl gesprochen, er sol-le doch etwas gegen die Wertpapiersteu-er tun. Doch er signalisierte, dass er danichts ausrichten kann. Im Grunde gab esnur einmal in der 2. Republik ein kapital-marktfreundliches Klima, das war unterSchüssel und Grasser. Wien ist von Hochzu Hoch geklettert und das bei einemDAX, der sehr unter Druck war. Damalshat man sich politisch hinter den Kapi-talmarkt gestellt. Es kamen die richtigenSignale, und damit meine ich nicht die Zu-kunftsvorsorge, die ich aus heutiger Sichtals Fehlprodukt betrachte und die auchin den Umsätzen der Wiener Börse nie ei-ne Bedeutung hatte.BBrruucckkbbeerrggeerr:: Damals waren wir auf einemguten Weg, der Börsevorstand Zapotockywar laufend im ORF präsent, so kann et-was kann dannauch zum Selbst-läufer werden, daswar positiv besetzt.PPeerrggeerr:: Zapotockyhat im Alleingangsehr viel erreicht,da muss ich zu-stimmen. Der hatmehr gebracht alsJim Rogers in denAchtzigern. Nunsind wir wieder inein eigenkapital-feindliches Klimazurückgefallen.JJoovviicc: Die Frage ist,was können wir alsMedium tun? Wiekönnen wir z. B. alsgeld magazin dieWiener Börse un-terstützen, ohnevon der WienerBörse unterstütztzu werden.PPeerrggeerr: Am Wich-tigsten sind die ge-listeten Unternehmen. Zu einem Finanz-platz gehört ja viel mehr als die WienerBörse. Es spielt sich viel Over-the-Counter ab, es läuft viel Information über

das Web, es stelltsich immer mehrdie Frage, wie sehrdie Wiener Börsedie klassischen Kanäle nochbraucht ...

Stichwort „brau-chen“: Was brauchtes von politischerRichtung?BBrruucckkbbeerrggeerr: DieGeschichte rundum den „bösenSpekulanten“ ge-hört beendet. Der Österreicher istdafür besondersempfänglich unddie Regierung spieltdas Thema auch sehr aggressiv. UnterSchüssel war das ganz anders, dem stim-

me ich zu.PPeerrggeerr:: Ein Aktionärwird niemals als Ei-genkapitalgeber oderals Unternehmer be-trachtet, er wird auf denSpekulanten reduziert. Ich glaube, der Börsen-Kurier kann von sichbehaupten, die Anlegerein wenig zu kennen:Da sind nur wenigeSpekulanten dabei.

Herr Müller, eine Fra-ge an den Finanzbera-ter-Experten. WelcheBerührungspunkte ha-ben die Finanzberatermit der Wiener Börse?Gibt es ausserhalb derbörsenotierten Immo-bilienaktien noch et-was?MMüülllleerr: Nein, ich seheausserhalb der Immo-bilienaktien keine Be-zugspunkte. Die The-

men werden woanders gesucht: Gold,Emerging Markets, aber nicht die WienerBörse. Das Beispiel Immobilienaktien istein gutes. Ich kann das Jammern ja ei-

gentlich nicht mehr hören. Hier wurde vonProduzenten ein Nachfragemarkt erzeugt,der eine Zeit lang funktioniert hat. DerMarkt ist das einzige Korrektiv. Ich glau-be, es bringt nichts, wenn man sich Märk-te schönredet.PPeerrggeerr:: Ein wichtiger Gedanke. Wir habenals Medien die Pflicht, unseren Lesern An-lagemöglichkeiten vorzustellen. Wenn ichmir die Wiener Börse anschaue, so ist dieAuswahl gering geworden. Trotz steigen-der Notierungen stagniert die Marktkapi-talisierung, weil Unternehmen den Bör-seplatz verlassen. Man muss es sich ein-gestehen: Wien ist derzeit offenbar alsBörseplatz nicht attraktiv. Einige Unter-nehmen haben zwar gut performt, aberder Gesamtmarkt enttäuscht. Und das istwiederum nicht nur auf die Wiener Bör-se, sondern auch auf einige Unternehmenzurückzuführen, die enttäuscht haben: eine Immofinanz, eine Meinl EuropeanLand oder aktuell eine A-Tec, JoWooDoder S&T. Viele davon waren echte Pu-blikumsfirmen, da waren massiv Privat-anleger investiert. Und der Privatanlegerist jetzt sauer, wütend und resigniert. Vie-le werden nie mehr Aktien angreifen.BBrruucckkbbeerrggeerr:: Leider gibt es im Vergleichzur Grösse des Marktes viele schwarzeSchafe.JJoovviicc:: Ich bin überzeugt, dass der Privat-

� Fortsetzung von Seite 4

„Osteuropa? Der Hype ist vorbei, dieWachstumsstory abernoch lange nicht“Hans-Jörg Bruckberger

„Volkswirtschaftliches, Emerging Mar-kets, Rohstoffe - das wollen die Leser“

Snezana Jovic

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BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 6

anleger auch wieder rasch zurückkommenkann. Wenn die Sicherheit suggeriert wird,dass alles wieder läuft, kommt der Privat-anleger zurück.PPeerrggeerr:: Der Prozentsatz an Leuten, die Ak-tien halten, ist halt leider in Österreichsehr, sehr klein.BBrruucckkbbeerrggeerr: ... erschütternd wenig im in-ternationalen Vergleich. Die Österreichersind Sparer.PPeerrggeerr:: Was die Wie-ner Börse sehr gutgemacht hat, ist dieAkquise von inter-nationalen Handels-teilnehmern, da fehltvon den grossen Na-men niemand.

Die inländischenVersicherungen sindhingegen weitgehendweggefallen, Themenwie Solvency II, Ba-sel III oder Bilanzie-rungsrichtlinien ma-chen die Aktiensa-che sehr schwierig.Themenwechsel: Aneiner Börse sind janicht nur Aktien ge-listet, Stuttgart wur-de als Zertifikate-börse genannt. Welche Nische se-hen Sie für die Wie-ner Börse?PPeerrggeerr:: Der Kapitalmarktbeauftragte Ri-chard Schenz ist ganz massiv hinter derIdee der „Aktien für Startups“, der Idee„Venture-Capital-Vehikel für die Börse“gestanden, daraus wurde leider nichts. Dashätte ich als Chance für die Wiener Bör-se gesehen, auch in Richtung Osteuropa.MMüülllleerr:: Wenn das Wort „Venture Capital“in Richtung FMA oder Politik fällt, ist so-wieso gleich alles aus, Stichwort „Heu-schrecken“.PPeerrggeerr:: Aber wo wäre Microsoft, wo – umein anderes Beispiel zu bringen – Body-shop, wenn nicht irgendjemand diesen Fir-men Geld in die Hand gedrückt hätte.JJoovviicc:: Der Finanzmarkt ist ja durchaus

kreativ, ich bin überzeugt, es werden neueIdeen, neue Produkte kommen. Ob jetztdas Wort kreativ rein positiv besetzt seinmuss, stelle ich in den Raum.BBrruucckkbbeerrggeerr:: Ich bin eigentlich optimi-stisch, dass wieder bessere Zeiten kom-men.PPeerrggeerr:: Mich sorgt lediglich der markanteRückgang der gelisteten Unternehmen imPrime Market, das gibt es an keiner an-deren Börse. Die sind dann natürlich auch

im Aufschwung nicht mehr dabei. Einer-seits waren es Pleiten, Pech und Pannen,andererseits – vielleicht noch schlimmer– die vielen Squeeze-Outs. Schade um dasVerschwinden der Constantia, dann dasgrosse Zusammenlegen bei den Immo-werten. Oder das Verschwinden der BankAustria. Das war eine Katastrophe.

Stichwort Ostbörsen. Interessieren sich dieLeser dafür?PPeerrggeerr:: Das ist gespalten zu betrachten.Einerseits gibt es Ängste vor dem Osten -im Bereich der Börse, im Bereich der Ar-beitsplätze. Dass Wien in den vergange-nen Jahren so abgestraft wurde, lag auch

am Exposure in Osteuropa. Die Liebe derösterreichischen Anleger zu diesen The-men sehe ich noch nicht. Ich glaube, dieFantasie ist eher eine für österreichischeUnternehmen im Osten, weniger für An-leger und Börseplätze. Die Börsen sind jasehr klein, IPOs gibt es auch dort keine.Ich sehe auch ein totales Manko an in-teressanten Unternehmen, was die Bör-sen betrifft. Als Markt für österreichischeUnternehmen sind die Länder interessant.

JJoovviicc:: Bei unssind osteuropäi-sche Börsen keinThema, interna-tionale Leitmärk-te sehr wohl. AlsMonatsmagazinmuss man auchanders denken,wir schauen eher,dass wir mit dengrossen Hinter-grundthemenkommen.BBrruucckkbbeerrggeerr:: Ta-geszeitungen wer-den auch immeranalytischer inder Konkurrenzzu den elektroni-schen Medien.Wir haben Ost-europa-Berichter-stattung durchausals Schwerpunkt,ich glaube, dassdie Story noch

nicht zu Ende ist. Der Hype ist vorbei, dieWachstumsstory bleibt intakt.

Und wo sehen die Medienkollegen denATX zum Jahresende? PPeerrggeerr:: Fundamental bei ca. 3200 bis 3300Punkten, aber es können – wie wir wissen– immer Dinge passieren, die nicht vor-hersehbar waren.JJoovviicc:: Alles ist möglich, das ist nicht wirk-lich greifbar aktuell.BBrruucckkbbeerrggeerr:: Ich bin optimistisch, dieCharttechnik signalisiert Aufwärtstrends. Fundamental sehe ich ähnliche ATX-Re-gionen wie Herr Perger.

DDiisskkuussssiioonnsslleeiitteerr:: Christian DrastilFFoottooss:: Franz-Josef Galuschka

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Finanzmedienrunde im Cafe BE (v. li.): M. Perger (Börsen-Kurier), S. Jovic(geld magazin) H.-J. Bruckberger (WirtschaftsBlatt), M. Müller (Finanzberaterforum)

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Mittwoch, 30. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 4

Talk-Format Cafe BE widmet sich der Immofinanz, Hedging und Knock-Outs

„Wir spekulieren nicht gegen eigene Kunden“

Am 11. März ist der Kursvon Immofinanz in denersten Minuten nach derHandelseröffnung auf2,8 Euro gefallen. Das hatteKnock-Outs und Kunden-Ärger zur Folge.Das Cafe BE lud zum Roundtable -Thema Immofinanz, Knock-Outs undHedging. Es diskutierten: Philipp Arnold,Zertifikate-Experte der Raiffeisen Centro-bank, Thomas Dietrich, Trading Equities& Derivates Raiffeisen Centrobank, undMichael J. Plos, Börse Express.

CCaaffee BBEE: Am 11. März 2011 ist die Aktievon Immofinanz innerhalb weniger Mi-nuten auf exakt 2,8 Euro gefallen. Das hat-te für Besitzer bestimmter Knock Out-Zer-tifikate zur Folge, dass das Knock Out-Ergebnis eintrat. Was sagen Sie einem An-leger, der sagt: „So eine Punktlandung kannkein Zufall sein?“PPhhiilliipppp AArrnnoolldd: Am 11. März 2011 ist dieImmofinanz in den ersten Minuten nachHandelseröffnung von 3,044 bis auf 2,8Euro gefallen. Dies hatte zur Folge, dassinsgesamt 12 Turbo Long-Zertifikate, da-von zwei der RCB, auf Immofinanz aus-geknockt wurden. Die K.O.-Schwellenlagen jedoch nur bei einem Turbo-Zerti-

fikat, einem der Konkurrenz bei genau 2,8Euro. Alle anderen Produkte wurden schonfrüher ausgeknockt.

CCaaffee BBEE: Können Sie die ersten Handels-minuten aus Sicht des Händlers erklären?TThhoommaass DDiieettrriicchh: Nach der zum Schluss-kurs des Vortages schwächeren Eröffnungfiel der Aktienkurs rasch in Richtung3 Euro. Bei dieser Marke wurden offen-sichtlich einige grössere Stopp Loss Ver-kaufs-Orders ausgelöst. Dadurch be-schleunigte sich der Kursverfall, bis dieAktie aufgrund der starken Kursbewegungin eine von der Wiener Börse automatischausgelöste Volatilitätsunterbrechung ging.

Nach zweiminütiger Unterbrechung wur-de der Handel mit einer Auktion unmit-telbar im Bereich des Tagestiefs bei 2,8Euro fortgesetzt. Sogar wir als professio-nelle Marktteilnehmer wurden von derHeftigkeit des Kursverfalls überrascht.

CCaaffee BBEE: Ein mögliches Motiv für einenKnock Out wäre, wenn der Emittent hier-von profitieren würde. Frage: Profitiert dieRaiffeisen Centrobank davon, wenn Zer-tifikate ausgeknockt werden?PPhhiilliipppp AArrnnoolldd:: Nein, ganz im Gegenteil.Da die RCB nicht gegen den Kunden spe-kuliert, sondern sich absichert, ist es in un-serem Interesse, dass der Kunde mit denProdukten Geld verdient und nicht verliert.

Nur ein zufriedener Kunde mit Veran-lagungskapital wird wieder in unsere Pro-dukte investieren.

CCaaffee BBEE: Bevor wir zum Thema Hedgingkommen. Wie verdient die Bank mit die-sen Turbo-Zertifikaten Geld? Ein KnockOutbringt ja offensichtlich kein Geld ...PPhhiilliipppp AArrnnoolldd: Die Bank verdient bei Tur-bo-Zertifikaten einerseits am Spread, alsoder Differenz zwischen Geld- und Brief-kurs, und andererseits von der Zinsmarge,die auf die Finanzierungskosten aufge-schlagen wird.

CCaaffee BBEE: Thema Hedging: Mit welchen In-strumenten und in welchem Umfang wer-den Zertifikate gehedged? Wird immer einvoller Hedge angestrebt? Wer ist die Coun-terparty? Ist Marktneutralität immer dasPrimärziel?PPhhiilliipppp AArrnnoolldd:: Bei Turbo Long-Zertifika-ten ist die Absicherung sehr einfach. Tur-bo Long-Zertifikate gehen eins zu eins mitdem Basiswert mit, also steigt die Aktiebeispielsweise um 2,5 Euro, so steigt auchdas Turbo-Zertifikat um den gleichen Be-trag. Der Hebeleffekt entsteht ja nur da-durch, dass der Anleger einen Teil seinesInvestments, nämlich bis zum Strike desTurbo-Zertifikates, von der Bank vor finan-

Cafe BE Runde (v. l.): Philipp Arnold (RCB Zertifikate), Thomas Dietrich (RCB Handel), Michael J. Plos (Börse Express)

� Fortsetzung auf Seite 5

Page 43: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Mittwoch, 30. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 5

ziert bekommt. Folglich ist auch das Ab-sicherungsgeschäft für die Bank simpel:Wenn ein Anleger ein Turbo Long-Zerti-fi kat kauft, sichert sich unser Händler ab,indem er eins zu eins den Basiswert, imFalle der Immofinanz-Turbos also die Im-mofinanz-Aktie, über die Börse kauft. TThhoommaass DDiieettrriicchh: Prinzipiell wird einemarktneutrale Position angestrebt. Dasheisst, alle Kundengeschäfte werden mög-lichst rasch durch ein Aktiengeschäft ab-gesichert. Als Produkthändler sind wir be-strebt, keine eigenen Marktmeinungen indas Absichern von Kundenaufträgen ein-fliessen zu lassen.

CCaaffee BBEE: Was passiert konkret bei einemKnock Out? Was passiert für Anleger, waspassiert innerhalb der Bank?PPhhiilliipppp AArrnnoolldd: Die meisten Händler be-treuen einige hundert Zertifikate, d. h. siekönnen natürlich nicht jedes einzelne Zer-tifikat laufend beobachten. Berührt alsoein Basiswert die Barriere eines Turbo-Zertifikates, so „schlägt der Computer desjeweiligen Händlers Alarm“. Das klingtspannender als es ist, in der Praxis ertönteinfach ein kurzes Signal. Der Händler istnun informiert, dass ein Turbo-Zertifikatausgeknockt wurde und er sein Absiche-rungsgeschäft auflösen muss.

Bei der Auflösung des Absicherungsge -schäftes wird von RCB so „markt schonend“wie möglich vorgegangen: Angenommenein Turbo-Zertifikat mit einem ausstehen -den Volumen von 100.000 Stück wird aus-geknockt: Zu diesem Zeitpunkt muss derHändler sein Absicherungsgeschäft(100.000 Aktien) auflösen und die Aktienüber die Börse verkaufen.

Um den Aktienkurs nicht weiter unterDruck zu bringen, wird er die 100.000 Ak-tien nicht mit einer einzigen „Bestens-Ver-kaufsorder“ in den Markt stellen, sondernauf mehrere Tranchen aufteilen.TThhoommaass DDiieettrriicchh: Somit war es im Fall desImmofinanz-Turbos, die Barriere lag bei2,82 Euro, bedingt durch den sehr raschenWiederanstieg des Basiswertes auch mög-lich, den Kunden einen deutlich höherenRestwert für dieses Turbo-Zertifikat abzu-melden und automatisch auf ihren Kon-ten gutzuschreiben.

CCaaffee BBEE: Die Raiffeisen Centrobank trittals Market Maker für Immofinanz auf. Se-hen Sie hier einen Interessenskonflikt, inAnbetracht der Tatsache, dass man gleich-zeitig auch als Zertifikate-Emittent tätig ist?TThhoommaass DDiieettrriicchh: Nein, wir sehen die jah-relange Market Maker-Erfahrung an derWiener Börse als grossen Vorteil in punk-to Kenntnisse der Liquidität und Eigen-heiten des heimischen Marktes. Aus die-sem Grund werden nur so viele Zertifika-te aufgelegt und verkauft, wie es die Liqui -dität des zugrundeliegenden Basiswertszulässt. So wurden zum Beispiel in derVergangenheit in einem anderen TurboLong-Zertifikat auf die Immofinanz keineweiteren Briefkurse gestellt, da ein vernünf -tiges Absichern sonst nicht mehr gewähr-leistet gewesen wäre. Geldkurse werdenselbstverständlich fortlaufend gestellt, da-mit der Anleger das Zertifikat wieder andie RCB verkaufen kann.

CCaaffee BBEE: Welchen Regularien ist die Raiff-eisen Centrobank unterworfen?PPhhiilliipppp AArrnnoolldd: Die RCB unterliegt den Re-gularien des jeweiligen Handelsplatzes, wel-che bei österreichischen Basiswerten mehr-heitlich Wien, Stuttgart und Frankfurt sind.

Für die Einhaltung dieser Regularien sinddie jeweiligen Börseaufsichtsbehörden ver-antwortlich. Generell verhindern die ein-schlägigen für Banken geltenden Organi-sationsvorschriften klar eine Beeinflussungdes Kursverlaufs des jeweiligen Basiswerts.

CCaaffee BBEE: Warum wurde am 11. März inden ersten 15 Minuten nach Börseneröff -nung kein einziger Marktkurs gestellt?

TThhoommaass DDiieettrriicchh: Der Handel für öster-reichische Aktien, die im Prime Market,also dem Top-Aktiensegment der WienerBörse gelistet sind, startet nach der Eröff-nungsauktion um ca. 9 Uhr.

Da in vielen Fällen in den ersten Han-dels minuten keine ausreichende Liquidi-tät im Aktienmarkt gegeben ist, werdenRCB-Zertifikate auf österreichische Basis-werte analog zu den Handelszeiten desZertifikate-Segments an der Wiener Bör-se ab 9:15 Uhr fortlaufend quotiert.

CCaaffee BBEE: Was geben Sie Anlegern mit aufden Weg, die am 11. März Geld verlorenhaben? Ist das „part of the game“? MüssenAnleger, die auf Hebelprodukte mitKnock Out setzen, damit rechnen, inner-halb kürzester Zeit viel Geld zu verlieren?Der Kurs ist in den Folgetagen (bis zum 15.März) ja auf 2,685 Euro gefallen.PPhhiilliipppp AArrnnoolldd: Die RCB betont immer,dass Hebelprodukte ein hohes Totalverlu-strisiko nach sich ziehen. In allen Präsen-tationen und öffentlichen Aussendungenzum Thema „Hebelprodukte“ wird diesesRisiko kommuniziert. Hebelprodukte sindnur für erfahrene Anleger, die sich der Funk-tionsweise und deren Risiken bewusst sind,geeignet. Wenn man den österreichischenZertifikatemarkt betrachtt, so machen He-belprodukte lediglich 1,8% des gesamtenausstehenden Zertifikatevolumens aus, dermit Abstand grösste Teil entfällt auf Ga-rantie-Zertifikate. Die meisten österreichi-schen Anleger investieren daher in Zertifi-kate, um das Risiko in ihrem Portfolio zuverringern und nicht zu erhöhen. Das zei-gen die Zahlen des ZFA ganz klar.

Cafe BE hat im Showroom von Griffner Haus seinen Platz gefunden(im Bild: die Diskutanten Arnold, Dietrich, Plos - von links)

� Fortsetzung von Seite 4

Page 44: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Montag, 4. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 3

Cafe BE: Der Analysegipfel zum Quartals-Ultimo mit Blicken zurück und nach vorne

„Immofinanz ist jetzt unser Wiener Top-Tipp“

Die Unicredit liegt nachdem Q1 beim Salus AlphaAnalystAward 2011 hauch-dünn in Front. Es war kein„leichtes“ Quartal, darübersind sich die Profis einig.

CCaaffee BBEE:: Wenn man auf die Titel der Wie-ner Börse im Q1 rückblickt, wer hat posi-tiv, wer hat negativ überrascht?SStteeffaann MMaaxxiiaann: In Summe waren wir imRahmen der Erwartungen. Positiv über-rascht hat Andritz mit starken Margen,operativ waren auch die Immos stark, diePost deutlich über den Erwartungen, Zum-tobel ebenfalls besser, als wir prognosti-ziert hatten. Intercell lag unter den Er-wartungen, die Telekom war operativ imRahmen, aber es hat ein paar Sonder effektegegeben. Auch der Flughafen und Ver-bund lagen unter den Prognosen.GGüünntthheerr AArrttnneerr:: Die Unternehmen, dieStefan Maxian genannt hat, sehe ich ähn-lich. Insgesamt waren die Q4-Zahlen et-

was schwächer als erwartet, vor allem, weildie grossen Berichtsleger ein wenig aus-gelassen haben. Interessant ist, dass dasaber kaum den Ausblick betroffen hat. Für2010 hat es Revisionen nach unten ge-geben, 2011 ziemlich ausgeglichen, für2012 mehr Revisionen nach oben. Alsoein gemischtes Bild: 2010 unter den Er-wartungen, dafür mittelfristig besser.Schwächer waren auch noch Kapsch,AT&S und RHI.Noch nicht genannt bei den Besseren

wurde die voestalpine. Mit der neuen ATX-Gewichtung haben wir nun leicht tiefereGewinnschätzungen für den Index: DieImmos haben höhere KGVs als diejeni-gen Unternehmen, die herausgefallen sind.Das macht den ATX nach KGV etwas we-niger attraktiv, dafür sieht es nach Buch-wert jetzt besser aus.TThhoommaass NNeeuuhhoolldd:: Das meiste ist hierschon gesagt worden. Aufgefallen ist mir,dass im Industriebereich Unternehmen,die früher geringe Auslastungen hatten,jetzt schöne Steigerungen erfahren, Bei-

spiel Zumtobel. Auch die Spätzykliker kom-men ins Laufen, beispielsweise die Postmit den Anstiegen im Paketbereich. DiePost hat mich überhaupt sehr positiv über-rascht. Negativen Einfluss hatten bei ei-nigen Unternehmen die Rohstoffkosten,die nicht jeder ganz weitergeben konnte,z. B. bei Mayr-Melnhof oder RHI.RRoollaanndd NNeeuuwwiirrtthh: Was mir aus der Investo-rensicht am meisten im Kopf geblieben ist:Österreich war sicher vom Reporting herschlechter als international, wo 70 Prozentder Reportings über den Erwartungen lagen. Wie Günther Artner sagte: Vor allem die

Grossen, auch incl. Wienerberger und RHI,waren doch enttäuschend, das hat es inter-national nicht so gegeben. Die Zuversicht –speziell vom Jahreswechsel 2010 /11 – hataber zugenommen, daher auch die Gewinn -revisionen nach oben. Eventuell können ge-rade diejenigen Unternehmen, die mit demQ4-Report enttäuscht haben, vielleicht mitden Q1-Zahlen positiv überraschen.

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Mit Schmäh und Kaffee im Cafe BE(v. l. n. r.): Roland Neuwirth(Salus Alpha), Stefan Maxian (RCB), Günther Artner (Erste), Thomas Neuhold (Unicredit)

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Montag, 4. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 4

SStteeffaann MMaaxxiiaann:: Das Schlussquartal ist haltauch jenes, wo man ehesten Goodwill-Abschreibungen hineinnimmt.

Unser Talk findet 20 Tage nach dem Be-ben in Japan statt. Mit einem jetzt schonetwas gesetzteren Blick: Bei welchen öster-reichischen Aktien haben Sie Auswirkun-gen in der Story gesehen?AArrttnneerr:: So traurig die Geschehnisse in Ja-pan sind, muss man sagen, dass es für dieEnergiepolitik grosse Auswirkungen ha-ben wird. Die Wähler werden sagen: Wirwollen weg von der Atomkraft. Gewinnerist zum Beispiel der Verbund, bei dem jadas Umfeld alles andere als gut war, wassich aber durch Japan grundlegend geän-dert hat. Oder OMV: Man wird Gaskraft-werke bauen. Oder Wasserkraft, da kommtdie Andritz ins Spiel. Ich sehe in Öster-reich eigentlich nur Unternehmen, für diees positive Auswirkungen hat, und zwarindirekt durch einen zu erwartenden Wech-sel in der Energiepolitik. In Summe alsofür die Wiener Börse eher positiv.NNeeuuhhoolldd: DieFrage ist, wieschnell daspassieren wird. Jetzt ist nochjeder ge-schockt, aberdas Bild kannsich auch wie-der ändern. Atomstrom istaktuell sehrgünstig, einAusstieg teuer.Profiteure sindneben demVerbund auchdie EVN, dieBewertung isthier günstig -deutlich unterBuchwert. Indirekt solltedie Andritz deutlich profitieren, im BereichWasserkraft oder auch z. B. mit den Pel-letsanlagen.NNeeuuwwiirrtthh: Die Elektronikindustrie und dieAutomobilindustrie sollte man auch im

Blick haben. DieElektronikindustriewird da wohl relativunbeschadet heraus-kommen, die Auto-mobilindustrie eben-falls, vielleicht ist dasja sogar für die deut-sche Automobilin-dustrie positiv. voest -alpine ist sehr auto-mobillastig. DerMarkt ist sich da aberinsgesamt nochnicht ganz sicher.MMaaxxiiaann:: Für michüberraschend war,dass der Markt dieGeschehnisse sorasch verdaut hat. Der Montag und derDienstag waren kei-ne so schönen Tage, das Bauchgefühl vonvor zwei oder drei Jahren war wieder da. Die Geschwindigkeit der Gegenbewegungwar aber beeindruckend.NNeeuuwwiirrtthh:: Man hat wieder gesehen, wie

stark die Märktevon derivativen In-strumenten ge-trieben sind. Ichsehe aktuell nichtviele Alternativenzu Aktien und dieglobale Wirtschaftwird nicht so be-troffen sein.

Herr Neuwirth, Siehaben einenFonds mit „Spe -cial Situations“ imNamen. Was waren dieSpecial Situationsim 1. Quartal?NNeeuuwwiirrtthh:: In die-sem Quartal waralles dabei, Börsepur. Der Jänner

ist mit grossen Erwartungen, aber nur seit-wärts, losgegangen. Im Februar ging esstark nach oben, dann im März der Fu-kushima-Crash samt unmittelbar darauf-folgender Erholung. Ich glaube, dass die

Märkte nun in ruhigeres Fahrwasser kom-men, sie werden aber anfällig bleiben. Spe-cial Situations waren sicher die Kaufmög -lichkeiten in den Ausverkaufstagen undbei mir im Fonds die deutsche Tognum.Es kam ein Übernahmeangebot, eine Son-dersituation, bei der nicht dramatisch vieldrinnen war – 5 bis 10 Prozent –, abervom Chance/Risiko-Verhältnis her sehrattraktiv. Ich glaube, dass genau jetzt, nach-dem drei Jahre die Bilanzen repariert wur-den, die Phase begonnen hat, in der wirwieder M&A-Aktivitäten sehen werden.NNeeuuhhoolldd:: Sondersituationen bei uns wa-ren die EVN, die wir gut erwischt haben,oder auch eine Zumtobel, die nicht zuletztdurch den geplanten Börsegang derOsram Rückenwind bekommen hat.

RCB und Erste haben Research zertifikate,was waren da die Special Situations?MMaaxxiiaann:: Auch mir fällt da Zumtobel ein,dazu die OMV: Nordafrika ist wahr-scheinlich strukturell noch wichtiger alsJapan. Wir haben uns das Libyen-Expo-sure der OMV genau angeschaut und wirhaben die Aktie nach dem Selloff upge-gradet. In Polen die Bank Millennium, weilman gesehen hat, dass es in Polen zueinem Konsolidierungsprozess kommt, z. B. Raiffeisen übernimmt Polbank.

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„Ohne KESt hätte Wien dieChance gehabt, auf Warschauwieder Terrain gutzumachen“

Günther Artner

„Die WP-KESt ist das Schlechteste,was man dem Wiener Markt in den

vergangenen 50 Jahren zugeführt hat“Roland Neuwirth

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Montag, 4. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 5

AArrttnneerr:: Für unsere Researchzertifikate warbis Anfang Februar die Welt himmelblau.Dann hat uns die OMV Performance ge-kostet oder der Verbund, der nach Fu-kushima nicht zu halten war. Das hat unsauf dem falschen Fuss erwischt.Auch Raiffeisen vs. Erste Group ist für

uns immer ein Thema, die Raiffeisen warhier der Underperformer, was für unsereResearchzertifikate nicht gut ist. Viele der Topperformer 2010 haben in

den ersten Monaten 2011 underperformt,z. B. Kapsch und AT&S.NNeeuuwwiirrtthh:: Richtig. Es war insgesamt auchdeshalb nicht einfach, Performance zu ma-chen, weil die Favoriten aus dem Vorjahreigentlich vom 1. Tag weg nicht mehr dieFavoriten waren. Eine österreichische Son-dersituation war meiner Meinung nachauch die Immofinanz. Die Platzierung desConvertibles und die Marktturbulenzen -der Kursrutsch warschon eine guteGelegenheit, auchder Wandelbondist eine sehr interes -sante Geschichte.

Haben Sie denWandelbond in Ih-ren Fonds genom-men?NNeeuuwwiirrtthh:: Ja.AArrttnneerr:: Auch Wol-ford und Do&Cohaben Gelegen-heiten geboten, wirhaben sie bei tie-fen Kursen aufKauf gestellt, auf-grund der geringenLiquidität ist dasaber für die Re-search-Zertifikatenur begrenzt um-setzbar.

bwin.party handeltjetzt in London. Wie sieht es mit Coverage durch Sie aus?MMaaxxiiaann:: Wir covern sie nicht.AArrttnneerr:: Wir haben die Aktie aufgrund desRechtsstreits mit der Deutsche Bank schon

seit Jahren nicht mehr gecovered.NNeeuuhhoolldd:: Wir covern sie im Moment noch,müssen uns aber erst anschauen, ob esweiter Sinn macht.NNeeuuwwiirrtthh:: Ein Marktteilnehmer hat mirschwerstens ans Herz gelegt, in diebwin.party zu gehen; aufgrund der vielenShorts. Ich habe überlegt, und es war rich-tig, nicht reinzugehen. Konnte das nichteinordnen, vielleicht, weil ich nie ein bwin-affiner Typ war.

Wer darf etwas zur Amag sagen?(Gelächter bei den Banken) NNeeuuwwiirrtthh:: Ichglaube, nur ich. Ich habe das Managementeineinhalbmal getroffen. Eine typischeösterreichische Industriefirma, nischen-orientiert und von den Margen her besserals der Industriedurchschnitt. Wie bei je-dem Konglomerat ist die Investmentstorynicht so ganz einfach zu greifen. Das Ma-nagement ist noch nicht sehr lange anBord; okay, aber wenn man so kurz dabei

ist, tut man sich haltschwer, ein Herzblut ála Raidl zu unterstellen. Die Bewertung? EinenIPO-Discount hätte ichnicht gesehen. Ich ste-he der Amag unterdem Strich aber grund-sätzlich leicht positivgegenüber.

Die Handelsumsätzeim Prime Market derWiener Börse sind imQ1 deutlich gefallen,während es in Deutsch-land schön nach obengegangen ist ...AArrttnneerr:: Ich finde dieUmsatzentwicklungsehr enttäuschend, esist auch schön langsamschwierig für die Markt-teilnehmer, das Ge-schäft bei diesen Volu-mina ohne Primär-marktgeschäft zufinanzieren. Das muss

man offen sagen. Die Wertpapier-KESthat nicht geholfen, eindeutig. Gerade ineiner Situation, in der die polnischen Fonds– aus österreichischer Sicht – endlich ein-

mal weniger Zuflüsse haben und die Wie-ner Börse die Chance gehabt hätte, sichgegen Warschau wieder stärker zu posi-tio nieren, mit der KESt und der Banken-steuer zu kommen, ist politisch falsch. InWarschau ist das Liquiditätsthema vorbeiund Wien kann aufgrund der neuen Steu-ern nicht profitieren. Das ist sehr schade.MMaaxxiiaann:: Ich kann dem nur zustimmen.2010 hatte man in Österreich zudem nochspeziell mit einer Osteuropa-Story gespielt.NNeeuuwwiirrtthh:: Diese Wertpapier-KESt ist dasSchlechteste, das man dem österreichi-schen Markt in den vergangenen 50 Jah-ren zugeführt hat. Osteuropa gefällt mirals Story gut, ist irgendwie der Nachzüg-ler unter den Emerging Markets. Könnteheuer stark kommen.NNeeuuhhoolldd:: Sehe ich genauso. Osteuropawird ein gutes Thema werden. Die ErsteGroup könnte z. B. schöne Gewinn-wachstumsraten zeigen.NNeeuuwwiirrtthh:: Da könnte der Gesamtmarkt im2. Halbjahr einen Schwung bekommen.

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„Die Geschwindigkeitder Gegenbewegung

nach dem Japan-Crashwar beeindruckend“

Stefan Maxian

„Ich bin überzeugt, dassOsteuropa ein gutesThema werden wird“

Thomas Neuhold

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Montag, 4. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 6

AArrttnneerr:: Die Ratingagenturen hinken wie-der einmal hinter den Spreads her. Wenndiese nachziehen in Richtung InvestmentGrade, kann einiges gehen. Freilich ist Ost-europa nicht Asien und die Wachstum-raten vergangener Jahre werden wir nichtmehr sehen. Unter dem Strich aber sehrpositiv.

Bitte um jeweils diedrei Top-Tipps unterden Buys für Öster-reich ...NNeeuuhhoolldd:: Für michganz oben die Im-mo finanz. Die Re-strukturierung ist mitdem Convertible ab-geschlossen, dieMieten steigen wie-der, auch Aufwer-tungen sind wiederdenkbar. Dazu einpositiver Trend in derCash-flow-Entwick -lung, gemäss Dis-count zum NAV istdas Unternehmendas günstigste inÖsterreich. Die Ak-tie sollte deutlichsteigen. Als defensi-ve Beimischung – weil wir der Meinungsind, dass der Markt zwar Aufwärtspo-tenzial hat, es aber ein Aufwärtskampf wer-den wird – gefällt mir die Post, die sehrgute Zahlen gebracht hat. Die offenen Bau-stellen – Filialgeschäft, Paketgeschäft, Di-rect Mailings – sind angegangen worden.Dazu das neue Tarifsystem und eine gu-te Cash-flow-Generierung. Die Post müss-te sich gut entwickeln. Und als dritter Ti-tel die Erste Group, bei der es zu einer po-sitiven Gewinndynamik kommen könnte.AArrttnneerr (schmunzelt): Gratulation an Tho-mas Neuhold für diese Präsentation auseinem Guss, ganz ohne Papier. Ich ma-che es kürzer: Raiffeisen, OMV, Immofi-nanz, die grössten Positionen im Research-Zertifikat. Bei Raiffeisen gilt Ähnliches wiebei der Erste Group, in puncto Bewertungsehe ich Raiffeisen und OMV am günstig -sten. Bei OMV sind die Themen Kapital-

erhöhung und Libyen belastend gewesen,die Aktie ist sehr günstig. Immofinanz hätte ich nicht schöner sa-gen könne, die charttechnische Hürde bei3,30 macht noch Sorgen, aber da solltenwir durchmarschieren und dann in Rich-tung 4 Euro gehen. OMV 40, Raiffeisen55.

Und Sie, Herr Maxian, können Sie die Im-mofinanz schöner beschreiben?

MMaaxxiiaann (schmunzelt ebenfalls): Nein, kannich auch nicht. Immofinanz ist bei unsebenfalls eine Kaufempfehlung. Der Fi-nanzsektor gefällt mir gut: Eine ErsteGroup, die noch sehr konservativ ist, wasdie Risikokosten betrifft. Um einen Ne-ben wert zu nennen: bene - ein Spätzy kliker,ein kleiner Wert mit Dynamik, der Turn -around kann geschafft werden.NNeeuuwwiirrtthh:: Auch ich nenne die Immo finanz.Das Bigger Picture ist, dass wir – glaubeich – das Tal gesehen haben. Die Sachemit den Abwertungen sollte vorbei sein.Eigentlich gefallen mir alle Immos gut, ichnenne hier die drei Grossen. Dazu Spe-zia litäten wie austriamicrosystems undWolford. austriamicrosystems hat konso-lidiert, Wolford gefällt mir auch sehr gut,die Restrukturierung ist abgeschlossen,jetzt im Wachstumsmodus, die Aktie no-tiert nur knapp über dem Buchwert, was

für diese Branche ja sonst nicht üblich ist.

Kurz noch zu Ihrem Produkt, Herr Neu-wirth. Wie sind Sie mit dem ersten Jahrzufrieden?NNeeuuwwiirrtthh: Ca. 20 Prozent Plus in einemStockpickerjahr, ich bin zufrieden. Diewahre Leistung war das geringe Risiko, imSchnitt nur mit 30 bis 40 Prozent in Equi-ty investiert, das drückt sich in einer Shar-pe Ratio über 2 aus. Das Volumen hat

sich sehr schönentwickelt, von 12Millionen zumStart jetzt auf 32Millionen Euro. Bei 50 Millionenwürde ich einenSoft Close ma-chen, dann nurnoch bestehendeInvestoren auf-stocken lassen. Mit einem grös-serem Volumenkann man sich inmeinen Titeln, ichhabe zuerst z. B.austriamicrosy-stems und Wol-ford genannt, jakaum bewegen. Vier Fünftel derInvestments habe

ich in Österreich gemacht.

Wer sind die Investoren?NNeeuuwwiirrtthh:: Instititionelle, Private Banker,Family Offices, durchaus auch Friends &Family, ich habe privat auch etwas drin-nen, weiters natürlich Salus Alpha.

Die klassische Schlussrunde:ATX per Jahresende?MMaaxxiiaann: 3300 Punkte.AArrttnneerr: Mindestens 3100 Punkte.NNeeuuhhoolldd: 3125.NNeeuuwwiirrtthh: Ich sage 3400.MMaaxxiiaann: Wenn sich bei den Large Capswas tut, ist das realistisch.AArrttnneerr:: Das Prognoserisiko ist sicher nachoben. 2012 sind auch 4000 Punkte möglich.

DDiisskkuussssiioonnsslleeiittuunngg:: Christian DrastilFFoottooss:: Franz-Josef Galuschka

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Einigkeit, dass der ATX steigen wird (v. li.): Günther Artner, Stefan Maxian, Christian Drasti, Roland Neuwirth, Thomas Neuhold

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Dienstag, 12. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 7

Cafe BE: Warum Privatanleger die Welt, die ihnen gefällt, nicht mehr verstehen

„Österreich ist das aktionärsfeindlichste Land“

Es war nicht leicht, Privatanleger für ein Round-table-Gespräch zu finden.Der Anti-Börse-Populismus derPolitiker scheint zu greifen.

CCaaffee BBEE ((DDrraassttiill)):: Im Vorgespräch ist dieFrage an mich gefallen, warum ich michfür die Börse interessiere - nun, die Börsenspiegeln wie eine ewige „Education SoapOpera“ das Weltgeschehen wider. Beispiel:Die dramatischen Ereignisse in Japan unddie erwarteten Auswirkungen auf die Ener-giepolitik. Oder Zukunftsthemen, Photo-voltaik, die Wasser-Frage, oder Dinge rundum die Emerging Markets; Zusämmen-hänge zwischen Zinsniveau, Verschuldungund Arbeitslosigkeit. Man lernt unglaub-lich viel on the job. Natürlich sind Börsenauch ein Spiegelbild guter bzw. weniger gu-ter politischer Administrationen.

Und: Wie beantwortet die Runde die Fra-ge? Warum interessieren Sie sich für dieBörse? Wie lange sind Sie dabei?WWoollffggaanngg BBeeiiggll:: Seit der Schulzeit, 7. Klas-se Gymnasium, damals gab es Wirt-schaftsgeografie als Wahlfach. Da bin ichauf den Geschmack gekommen, die ersteAktie war dann VA Tech - mit dem Geldaus einem Ferialjob bei der Post. Mich fas-ziniert, dass man am Unternehmen betei-ligt ist. Einen Zockergedanken habe ich nicht.GGüünntteerr LLuunnttsscchh:: Ich habe immer geglaubt,dass Investments in die richtigen Bran-chen für eine bessere Welt sorgen können.Ich schaue mir auch immer die Haupt-versammlungen an, ich will wissen, washinter den Kulissen läuft; dort hört manDinge, die nie in die Medien dringen. Dabei bin ich schon seit 20 Jahren dabei.In homöopathischen Dosen.JJüürrggeenn SSttoowwaasssseerr:: Ich bin viel kürzer da-bei, ca. fünf Jahre. Was mich reizt, ist die

Komplexität der Kapitalmärkte, das istdurchaus eine intellektuelle Herausforde-rung. Bei der Unternehmensbeteiligungspielen für mich ethische Komponenteneine wichtige Rolle.EErrhhaarrdd SSaallcchheenneeggggeerr:: Die Aktie ist einfachdas langfristig beste Investment. Geradein Zeiten, in denen die Inflation wieder an-zieht, sollte man etwa in Sachwerte inve-stieren. Beim Sparbuch hat man real einenegative Verzinsung. Ich bin jetzt seit 21Jahren an der Börse aktiv. Angefangen hat es bei mir übrigens da-

mit, dass mein Bruder bei einem Raiff ei-sen-Börsespiel die zur Verfügung gestell-ten 20.000 Schilling verdoppeln konnte. Da ist es losgegangen mit dem Interesse.Veitscher, Radex – das waren die erstenInvestments. Anfang 1990 – eine schwie-rige Zeit, aber ich konnte viel lernen.

� Fortsetzung auf Seite 8

Vier Privatanleger im Cafe BE (v.li.): Erhard Salchenegger,Günter Luntsch, Jürgen Stowasser, Wolfgang Beigl

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Dienstag, 12. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 8

CCaaffee BBEE:: Ist der Wiener Aktienmarkt fürEuch als Österreicher ein Schwerpunkt?SSaallcchheenneeggggeerr:: Ja, obwohl ich schon inter-national denke. Es wäre natürlich hoch-interessant, mal mit Warren Buffett zu re-den, ich habe ja in den Staaten mal einInterview mit Jim Rogers machen dürfen.Es ist sehr interessant, aber alles sehr auf-wändig.SSttoowwaasssseerr:: Bei mir nur sehr eingeschränktWien, ich interessiere mich eher für be-stimmte Branchen und möchte mich da-bei nicht auf einen Börsenplatz fixieren;Nachhaltigkeit ist mir wichtig.In Österreich ist aus dieser Per-spektive heraus nicht viel zu fin-den – eventuell Andritz, aberauch die ist ja immer wieder hef-tiger Kritik ausgesetzt. Die Bran-che, in der BWT tätig ist, findeich sehr interessant, die BWTselbst zählt aber nicht zu mei-nen Favoriten.LLuunnttsscchh:: Ich sehe mir fast aus-schliesslich den Wiener Marktan. Hier kommt man wegen derNähe leichter an Informationen.Man sieht, was die Firmen tun,kann sie auch besuchen.BBeeiiggll:: Ich schliesse mich an, derFokus ist auf Wien gerichtet.Werksbesuche oder Unterneh-menstage gibt es leider nichtmehr so häufig, dort hat manviel erfahren.

CCaaffee BBEE:: Und gibt es auch aus-serhalb der o.a. Events Kontaktmit IR-Vertretern?BBeeiiggll:: Das tue ich oft. Die Qua-lität der Antworten ist vollkom-men unterschiedlich.LLuunnttsscchh:: Ich nehme nie Kon-takt mit der IR auf, die dürfennicht alles sagen. Es ist besser, man suchtsich andere Kontakte im Unternehmen.

CCaaffee BBEE:: Wieviele Stunden pro Wochewidmen Sie dem Kapitalmarkt?SSaallcchheenneeggggeerr (lacht): Nebenbei bin ichCroupier im Card Casino Eggenberg inGraz, aber sonst kann man schon sagen,dass ich mein Hobby zu meinem Beruf

gemacht habe und die Zeit jetzt nicht mehreinschätzen kann. Ich schaue eigentlichden ganzen Tag n-tv, DAF, oder CNBC.LLuunnttsscchh: Sehr unregelmässig, aber wennman die Hauptversammlungsbesuche aufsganze Jahr aufteilt, komm ich hier durch-schnittlich auf 5 Stunden pro Woche, plusdie regelmässigen 5 Stunden Zeitungle-sen pro Woche, also insgesamt etwa 10Stunden pro Woche.SSttoowwaasssseerr:: 10 bis 15 Stunden pro Woche.Da geht’s aber nicht nur um Anlageent-scheidungen, sondern auch um ein grund-sätzlicheres Interesse an den Märkten, ih-rer Funktionsweise und den Zusammen-

hängen mit Politik, Wirtschaft etc.

BBeeiiggll: Eine halbe Stunde pro Tag, dazu dieBesuche bei den HVs.CCaaffee BBEE: Wir haben nun die Wertpapier-KESt. Hatte diese Auswirkungen auf IhrAnlegerverhalten?BBeeiiggll:: Eine Katastrophe für den Markt. Ge-nau das Gegenteil, was die Regierung tun

hätte sollen. Es wird aber mein Anleger-verhalten nicht ändern. Fürchterlich ist,dass diese Geschichte für das Budgetnichts bringt. Ein Flop.LLuunnttsscchh:: Unverständlich für mich, dassRegierungspolitiker meinen und viele Re-volverblattln das wiederholen, dass die Rei-chen zahlen sollen, die die Krise verur-sacht hätten, das seien die Aktionäre. Soein Schmarrn, kein österreichischer Ak-tionär hat eine Weltwirtschaftskrise ver-ursacht. Ganz im Gegenteil, die österrei-chischen Kleinstaktionäre sind auch inschwierigen Zeiten voll hinter ihrem Un-ternehmen gestanden und haben teils 80%

und mehr verloren. Aber es isthalt besonders leicht, hier dieSchuldigen zu suchen. Wenn Po-litiker dem Volk das vermittelnwollen, was es hören will, undwas für Menschen Aktionärewirklich sind, das weiss derÖsterreicher nicht, der sein Ak-tionärsbild oft von Medien ver-mittelt bekommt, die genausokeinen Schimmer von der Rea-lität haben wie er. Ich machejetzt nichts mehr in Aktien, ha-be nur mehr an Wohnbauanlei-hen Interesse, die sind bis vierProzent steuerfrei. Alles andereinteressiert mich nicht mehr.Warum soll ich Arbeitsplätze si-chern, das volle Risiko über-nehmen, wenn der Staat bei denGewinnen mitkassiert und michbei den Verlusten alleine lässt?Das Verlustrisiko ist gross, esgehen auch Blue Chips pleite,ich nenne nur mal Maculan undAnkerbrot, wo keiner damit rech-nen hat können. Ich kenne vie-le Anleger, die Hälfte davonmöchte ganz aufhören mit Ak-tien. Der Ärger auf die Politik istgross, es werden Langfristanle-

ger bestraft, gleichzeitig wird behauptet,die Spekulanten würden bestraft. Wir wa-ren Kernaktionäre, viel treuer als inter-nationale Anleger, haben auch in schlech-teren Zeiten die Aktien nicht gleich aufden Markt geschmissen, sondern sind zuden Unternehmen gestanden. Man braucht

� Fortsetzung von Seite 7

„Ich kenne viele Anleger, die Hälftedavon will ganz mit Aktien aufhören“

Günter Luntsch

� Fortsetzung auf Seite 9

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Dienstag, 12. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 9

ja nur auf den Auktionsmarkt schauen,da sind kaum internationale Anleger drin.Dieser Markt hat sich auch in der Kriseviel besser gehalten. Die Österreicher wa-ren die treueren Anleger.BBeeiiggll:: Genau. Man hat das Gegenteil er-reicht, von dem was man wollte und vondem, was Sinn macht. Die Aktionärsquo-te wird immer kleiner. Es geht vor allemum diejenigen, die überlegt haben, viel-leicht einzusteigen. Die haben wieder ab-gewunken. Warum soll ich mich als Feind-bild hinstellen?LLuunnttsscchh:: Dazu kommt dieAbwicklung mit dem Fi-nanzamt. Die Leute würdeneine automatische Gegen-rechnung von Gewinnen undVerlusten akzeptieren, aberVerluste über das Finanzamtzurückholen, das wollen dieLeute nicht und das ist of-fenbar das Kalkül der Politik,dass die Leute auf die Rück-erstattung ihrer zuviel be-zahlten Steuer verzichten. Einpaar Geheimnisse will derÖsterreicher haben, wie beimSparbuch. Auch dass es we-der Verlustvortrag noch Ver-lustausgleich gibt, stört dieLeute. Wenn Kursgewinneschon als Einkommen gese-hen werden: Der Staat willnur in guten Jahren besteu-ern, in schlechten Jahren dieMenschen um Verlustvortragund Verlustausgleich bringen.Selbstverständlich ja zu einerfairen Besteuerung! Selbst-verständlich aber ein klaresNein zu dem Gesetz, dasman noch zwischen Weih-nachten und Neujahr durch-geboxt hat, ohne auf ein Min-destmass an Fairness zu ach-ten.SSttoowwaasssseerr:: Die Argumenta-tion, dass man die Spekulanten treffenkann, ist schierer Populismus. Interna-tionale Player haben es nicht notwendig,an der Wiener Börse abzuwickeln, da gibtes andere Möglichkeiten. Statt dessen trifft

es die langfristig orientierten Anleger.LLuunnttsscchh:: Meine Bekannten behalten jetzteinfach noch ihre Aktien, aber dazuge-kauft wird nichts mehr.SSaallcchheenneeggggeerr: Es laufen ja noch die Kla-gen der Grossbanken. Ich analysiere fun-damental und charttechnisch, wenn derChart nicht gut aussieht, verkaufe ich, un-abhängig von steuerlichen Fristen. Ich ha-be schon viel Steuer gezahlt, vor allem inder Phase, als ich in Deutschland tätig war.SSttoowwaasssseerr:: Persönlich hat es für mich dieAuswirkung gehabt, dass ich im Dezem-ber noch eingekauft habe, obwohl ich vomZeitpunkt her überhaupt nicht überzeugt

war.BBeeiiggll: Der österreichische Trend ist, dassman Langfristanleger nicht mehr will. Buyand Hold ist nicht mehr gewünscht, auchbei Banken und Analysten wird eher in

Richtung kurzfristiger Spekulation infor-miert. Mit dem Buy/Hold-Anleger wird dieBank auch nicht reich.

CCaaffee BBEE:: Welchen österreichischen Un-ternehmen würden Sie eine gute IR- undÖffentlichkeitsarbeit unterstellen?SSaallcchheenneeggggeerr:: Andritz möchte ich zuvor-derst nennen, dann AT&S, bet-at-homeund auch bwin haben auch immer einegute Arbeit gemacht.BBeeiiggll:: Rosenbauer, voestalpine fallen mirspontan ein.LLuunnttsscchh:: Palfinger, die sind immer sehrfreundlich, auf der Gewinn-Messe ladensie mich auf einen Kaffee ein, sowas fin-de ich sehr nett. Früher waren mehrereFirmen auf Messen sehr freundlich – et-wa Jenbacher – das hat sich aber aufge-hört, die Gewinn-Messe ist ja heute schonziemlich klein, und manche Aussteller ha-ben nur proforma einen Stand, und er wirdvon niemandem betreut.BBeeiiggll:: Mir würde auf einer Messe zum Bei-spiel ein ATX-Dörfchen gefallen, dort wä-ren dann wirklich alle dort und man kannThemen besprechen. Aber die Gewinn-Messe wird ja immer kleiner.CCaaffee BBEE:: Ich ziehe den Hut vor Georg Wai-land und seinen Messeaktivitäten, weil jaauch wir die Roadshow-Reihe haben, undich weiss, wie schwer es in einem kleinerwerdenden Markt oft ist. Da wie dort wer-den von den Unternehmen Unkostenbei-träge verlangt und daher kann man – ge-rade als Medium – nicht verlangen, dassda jeder mitmacht. Man will ja Geld da-für. Es bräuchte einen Overall-Sponsor,der sowas gut findet und als Hauptspon-sor auftritt, dann könnte man die Preisefür die Unternehmen auf echte Regiege-bühren reduzieren. Solche generellen Un-terstützer wird es aber im aktuellen poli-tischen Umfeld einfach nicht spielen. Ex-kurs Ende.LLuunnttsscchh:: Ausser Palfinger fallen mir ak-tuell kaum Unternehmen ein, Werksbe-suche gibt es ja wie erwähnt nicht mehr.CCaaffee BBEE:: Da muss ich nochmal kurz ein-haken, am 24.5. sind wir mit einer Ak-tienforum Börse Express Roadshow inOberösterreich und zwar direkt bei Poly-tec. Ausser Polytec werden auch eben Pal-

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„Österreich wird am Pisa-Test fürFinanzwissen nicht teilnehmen.Das sagt ja auch einiges aus“

Jürgen Stowasser

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Page 51: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Dienstag, 12. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 10

finger, HTI, THI und AT&S präsentieren.Die Idee dazu kam von Polytec und ichdenke, es wird auch die Möglichkeit ge-ben, ein bisschen was vom Werk zu se-hen ...LLuunnttsscchh:: Bei den Messen stehen vie-le Unternehmen halt leider auch mitStatisten dort, hübsche Promotion-girls, aber niemand, der Fragen be-antworten kann.SSaallcchheenneeggggeerr:: Ich schaue mir Mes-sen gerne an, Gewinn in Wien undSalzburg oder jetzt gerade vor kur-zem die Invest in Stuttgart, welcheich über n-tv und DAF verfolgte.SSttoowwaasssseerr:: Ich bin nicht der grosseMessebesucher. Was mir aber auf-fällt, ist, dass österreichische Unter-nehmen viel zu wenig mit SocialMedia arbeiten. Hier könnte mansehr gut kleinere Anleger anspre-chen, um das Informationsgefällezwischen den grösseren und denkleineren Anlegern besser ausglei-chen zu können. Gut informierendie voestalpine oder von den Bro-kern brokerjet. Andere tun gar nichts,zum Beispiel der Raiffeisen-Sektor.Dort scheint das keine Rolle zu spie-len, was ich auch auf einer SocialMedia-Tagung aus internen Kreisenso wahrgenommen habe.

CCaaffee BBEE:: Stichwort Broker – ausserdem sehr menschlichen Bedürfnisnach vernünftigen Spesen - was er-wartet sich der Privatanleger vomseinem Broker?BBeeiiggll:: Ich glaube, Herr Luntsch wirdmir beipflichten: Es geht um dieStimmkarten für die HV. Das schaffen diewenigsten problemlos in Österreich. Dasneue Procedere ist zu komplex, oft brauchtes Vollmachten und das funktioniert nichtmehr so leicht. Natürlich könnte man esim Internet anschauen, aber vor Ort isthalt vor Ort.LLuunnttsscchh:: Die Stimmkarte ist mir wichtig,es ist mein Aktionärsrecht, auf die HV zugehen. Viele Banken verlangen da sehr vielGeld für die Abwicklung; subjektiv gesehenfunktioniert das bei brokerjet am besten.SSaallcchheenneeggggeerr:: Das Kundenservice ist mir

sehr wichtig, natürlich die Spesen, auchkostenlose Stimmkarten erwarte ich mir.Stowasser: Ich erwarte mir, dass alle As-set Klassen handelbar sind, das trifft beiösterreichischen Brokern nicht zu. Ich habe deswegen mehrere Broker. Schön

wäre es auch, wenn das Angebot an Kurs-daten besser wäre, sonst muss man sichauch das zukaufen.LLuunnttsscchh:: Ich wünsche mir von brokerjet,dass Anleihen ins Angebot aufgenommenwerden, das ist auch ein schönerer Si-cherheitspolster für etwaige Überziehun-gen. Das löst weniger Margin-Calls ausund zieht auch konservativeres Publikuman.SSttoowwaasssseerr:: Interessanter Punkt – gibt eswirklich so viele, die via Margin-Linien un-terwegs sind?

LLuunnttsscchh:: In meinem Umfeld handeln sehrviele über Kredit.SSttoowwaasssseerr:: Würde ich nicht tun; man mussden Worst Case verkraften können.LLuunnttsscchh: Immofinanz ist ein Beispiel. Plötz-lich steht die Aktie auf 2 Euro. Man glaubt,

dass sie nicht tiefer fallen kannund geht mit allem rein, was mannoch an Kredit kriegen kann, bei1,60 sind dann alle wieder raus-geflogen. Bei 1,40 wieder rein,bei 1,00 wieder rausgeflogen. Un-ten mit 30 Cent konnte mannichts mehr zukaufen. Da hat esviele erwischt.

CCaaffee BBEE: Thema Geschäftsbe-richt – wie wichtig ist der für Sie?SSttoowwaasssseerr:: Bei langfristigen In-vestments definitiv.LLuunnttsscchh: Ich lese gerne Ge-schäftsberichte beim Essen. Manlernt viel, zum Beispiel aus denVorstands- und Aufsichtsratsbe-zügen. Wenn sich die Vorständeund Aufsichtsräte bei Firmen zu-viel gönnen, denen es nicht sogut geht, dann auf alle Fälle Fin-ger weg! Geschäftsberichte ganzdurchzustudieren, dafür fehlt mirdie Zeit. Herr Knap tut das aber,und von seinen Fragen zum Ge-schäftsbericht erfahre ich aufHauptversammlungen sehr viel.SSaallcchheenneeggggeerr:: Geschäftsberichtesind für mich sehr wichtig, ichmuss da wieder Andritz nennen.Inhaltlich gefällt mir das sehr gut.Ich glaube, auch das wirkt sichauf den Aktienkurs aus. Investo-ren sind zudem dankbar, wennman sie besuchen kommt.

BBeeiiggll:: Auch für mich sind Geschäftsbe-richte sehr wichtig, ich hab sie gerne vorder Hauptversammlung zugesandt, dasfunktioniert nicht überall.LLuunnttsscchh:: Entbehrlich finde ich, dass derNachhaltigkeitsbereich bei manchen schonso dick ist wie der Geschäftsbericht. Vielunnötig bedrucktes Papier, schad um dieUmwelt.BBeeiiggll:: ... und dann jedes Jahr das gleichedrinnen steht.

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„Ich habe noch nie eine Werbungfür eine Aktie in einer Bank

gesehen“Wolfgang Beigl

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Dienstag, 12. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 11

CCaaffee BBEE:: Über den BE haben wir uns ken-nengelernt, welche Medien konsumierenSie sonst noch?BBeeiiggll:: Neben dem BE das WirtschaftsBlatt,Presse, Standard, Online-Foren.SSaallcchheenneeggggeerr:: Ich freue mich auch, dasses Apps gibt, von Euch, vom Wirtschafts-Blatt. Zu den genannten Printmedien den„Aktionär“, bei dem ich ja mal gearbeitethabe, auch den Börsen-Kurier, Gewinn,Format, Börse Online, Euro am Sonntag,Fonds Professionell, Die Presse, Der Stan-dard, Kleine Zeitung, Kurier und am Sams-tag die Krone.LLuunnttsscchh:: Beim WirtschaftsBlatt gefällt mir,dass hier auch mal negativ über Firmenberichtet wird, die mit Klage wegen Kre-ditschädigung drohen, also die trauen sichmanchmal was, sowas will ich als Anle-ger lesen. Den Börsen-Kurier lese ich auch.SSttoowwaasssseerr:: Bloomberg, zusätzlich versu-che ich Daten direkt zu holen, z. B. Fedoder Weltbank. Vor allem für Rohstoff-trading ist das wichtig. Bei österreichischen Medien habe ich

eine kleine Beobachtung: Ich schaue mirgerade anhand der Berichte im Staatsar-chiv den Gründerkrach 1873 ziemlich ge-nau an. Was auffällt ist, dass die Mediendamals sehr gut und differenziert berich-tet haben. Die ökonomischen Theoriensind natürlich auf dem Stand des 19. Jahr-hunderts, aber im Vergleich zu heute sinddie Berichte fundiert und erfrischend hoch-wertig.

CCaaffee BBEE:: Themawechsel: Geldanlage un-abhängig von der Aktie – was interessiertdie Runde sonst noch?BBeeiiggll:: Bei mir steht die Aktie im Mittel-punkt, auch deshalb, weil ich bei derHauptversammlung mein Stimmrecht aus-üben kann und auch eine Dividende be-komme. Und ich habe ein Rede- und Aus-kunftsrecht; ich nütze das nicht immer,weil ich HVs nicht in die Länge ziehenwill, aber ich finde es prinzipiell gut, dassgefragt wird. Das alles habe ich bei einemFonds nicht. Es ist schon spannend zu se-hen, wie ein Vorstand auf Fragen reagiert.Es gibt auch genügend Selbstdarsteller beiHVs aber in der Regel kommen überleg-te,fundierte Fragen, und nicht der so ger-ne zitierte Buffet-Pöbel.

SSaallcchheenneeggggeerr:: Auch bei mir stehen Aktienim Mittelpunkt. Mir gefällt, dass ich beider HV fragen kann. Dazu der Austauschmit den anderen Aktionären. Ich macheein wenig mit Zertifikaten und CFDs, ha-be jahrelang Fonds vertrieben, aber dieAktie ist mir am liebsten. Ich trade u. a.im US- und UK-Öl, da kenne mich aus,da ich für ein internationales Öl-Unter-nehmen die Ölprognosen mache.LLuunnttsscchh: Wohnbauanleihen habe ich ge-nannt, dazu Corporate Bonds wie Immo-finanz, das täte mich interessieren.CCaaffee BBEE:: Täte?LLuunnttsscchh:: Es wäre schön, wenn es da mehrInformationen geben würde, z. B. auch vonden Analysten, die Bedingungen sind fürPrivate oft schwer zu durchschauen, Kün-digungsrechte und so. Die Immofinanz-Anleihen wurden z. B. von einem Schwei-zer Medium gut recherchiert und erklärt,damals, als sie nicht einmal ein Fünfteldes Nominales gekostet haben. Ich habemich aber nicht getraut.

SSttoowwaasssseerr: Im Positionstrading setze ichauf Zertifikate und CFDs, längerfristig Ak-tien und Anleihen. Fonds nur dann, wennder Markt oder das Thema passen, ichaber nicht die Kapazitäten für eigenes Re-search habe.

CCaaffee BBEE: Schlussfrage: Was liegt der Run-de am Herzen?LLuunnttsscchh:: Ich wünsche mir, dass der Ak-tionär wieder einen besseren Ruf bekommt. Das geht in Richtung Politik, aber auch

in Richtung Massenmedien. Ich glaub, soeine Feindseligkeit den Aktionären ge-genüber wie in Österreich gibt es sonstnirgendwo auf der Welt. Der BE hat sichja schwer getan, überhaupt vier Privatan-leger für diese Runde zu gewinnen. Esschämt sich jeder. Ich hoffe, dass näch-stes Mal zwanzig Leute hier sitzen.SSaallcchheenneeggggeerr:: An den Massenmedien übeich auch Kritik, an allen Dingen sind „Spe-

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„Ich übe Kritik an den Massenmedien. An allen Dingen sind die ,Spekulanten‘ schuld“

Erhard Salchenegger

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Dienstag, 12. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 12

kulanten“ schuld. Auch Privatisierungensollten forciert werden.LLuunnttsscchh:: Wir Österreicher sind ja froh,wenn die RLB OÖ Aktien von oberöster-reichischen Firmen kauft, dann scheinenPolitikern, Bevölkerung und Mitarbeiterndie Chancen grösser, dass die Firma nichtabwandert.Warum also jetzt die privaten Langfri-

staktionäre von Beteiligungen an inländi-schen Firmen verdrängen? Diese kurz-sichtige Vorgangsweise wird sich garan-tiert einmal rächen, und dann werden diePolitiker wieder Krokodilstränen weinen,wenn Maschinen abgeholt und Werke ge-schlossen werden, weil die Firma in aus-ländischer Hand ist, für die nur Profitezählen, die aber keine emotionale Bezie-hung zu Land und Menschen hat.SSttoowwaasssseerr:: Das Finanzwissen in Österreichist erschreckend gering. Es gibt so gut wiekein Angebot an Schulung und Ausbil-dung, Österreich wird auch am Pisa-Testfür Finanzwissen nicht teilnehmen, dassagt ja auch viel aus. Wenn die Leute dannunwissend sind, hat man es in der Politikund in den Medien mit groben Vereinfa-chungen leichter.Da sollte man ansetzen, aber dafür ist

eine Börserunde wohl das falsche Forum.Auch der Ruf der Banken ist extrem

schlecht, wichtig wären mehr Transparenzund sachliche Information für die breiteÖffentlichkeit. Da ist etwa auch eine Na-tionalbank mehr gefragt.BBeeiiggll:: Ich habe noch nie eine Werbung füreine Aktie in einer Bank gesehen. In Skan-dinavien ist das ganz normal. Wo sind dieganzen Investmentabteilungen?SSaallcchheenneeggggeerr: Heutzutage dürfen in denBanken ja schon gar keine Aktien emp-fohlen werden. Sie werden als zu speku-lativ hingestellt. Es müsste viel mehr gemacht werden inRichtung Kleinaktionäre. Oder ganz ak-tuell: Man sieht ja, was bei der Amag pas-

siert, da war die ganze Information zurZeichnung intransparent.BBeeiiggll: Und es gibt auch keine Roadshowsmehr, der Streubesitz ist mittlerweile nichtmehr im Fokus. Schade.SSaallcchheenneeggggeerr:: Ich interessiere mich sehrfür die Isovoltaic und habe beim Unter-nehmen nach einer Veranstaltung gefragt,wurde aber lediglich auf die Unterneh-menshomepage verwiesen. Auch Researchfindet man keines.

DDiisskkuussssiioonnsslleeiittuunngg:: Christian Drastil

FFoottooss:: Franz-Josef Galuschka

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Donnerstag, 21. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 7

Cafe BE: Digitalexperten zum Thema App-Entwicklung, Strategie und Vermarktung

„Mit Apps zum Kern des eigenen Produkts“

Apps verändern die digi-tale Welt. Ein Cafe BE-Talküber den Zugang von Unter-nehmen zu diesem Thema;Chancen und Strategien.

CCaaffee BBEE:: Fragen, die der Börse Express oftvon Kunden und Partnern hört: Wie seidIhr auf das Thema „App“ zugegangen, wielange habt Ihr entwickelt, mit welchemUnternehmen habt Ihr gearbeitet, wie wur-de das Projekt aufgezogen, wie viele Ab-teilungen habt Ihr da mit einbezogen? Fra-ge an das WirtschaftsBlatt: Ihr seid iPad-Pionier in Österreich gewesen, bereits imMai/April des Vorjahres wurde mit derUmsetzung begonnen ...AAlleexxiiss JJoohhaannnn:: Das spannende war, dassman uns angekündigt hat, das iPad ver-ändert die Zeitungsbranche nachhaltig.Das ist wie der Farbdruck für die Zeitun-gen. Ich konnte es nicht glauben, warumein iPad alles verändert. Aber wir habendarauf vertraut. Die grosse Frage am An-

fang war aber: Was tut man da drauf, dieZeitung oder den Online-Bereich? Wozusoll man eigentlich speziell etwas dafürkonstruieren? Aber wir waren uns einig,wir mussten es machen, weil auch damalsbeim Farbdruck, da hat man nachhaltigneues Geschäft damit erzielen können.Wir haben für die Strategie vom CEO an-gefangen alle mit eingebaut, auch Mar-keting und Redaktion. Wir haben Mockupsgebaut, aber schlussendlich haben wirdann alle Ideen wieder verworfen und dieZeitung draufgestellt. Fürs erste hat sichherausgestellt, dass das richtig ist, weilauch andere wie z.B. der Daily Telegraphes genauso gemacht haben. Da warendann die Kunden begeistert, Werbekun-den und die User. Jeden Tag das Rad wie-der ganz neu zu erfinden und etwas ei-gens dafür zu konstruieren, das geht ganzeinfach von den Kosten her nicht. Zwei-tens wollen die User das fertige Produkt,das sie kennen. So gesehen haben wir eineinfaches Produkt geliefert, für das wirdann nicht die Redaktion, sondern viel

mehr das Marketing gebraucht haben.

CCaaffee BBEE:: Wie ist die Bank Austria das Pro-jekt angegangen? Wurden vorab Kun-den/User befragt oder wurde mit einemklaren Plan für die Umsetzung gestartet?WWaalltteerr RRuubbiikk:: Wir haben ja bekanntlichseit 2003 Mobile Banking. Das wurde ausdiversen Gründen sehr zaghaft genutzt,und wir, ein relativ kleines Team, habenrelativ lang mit der App zugewartet, weilwir überzeugt waren, dass wir mit demMobile Banking alleine gut genug unter-wegs sind. Umgestimmt haben uns dannder explosionsartige Zuwachs der Appsund die Konkurrenzsituation, denn Raiff-eisen und Erste Bank hatten schon Apps.Wir standen da schon mit dem Rückenzur Wand. Auch die Entscheidung für ei-ne Hybridlösung zwischen App und mo-bile banking war vorgegeben, denn unsermobile banking secure war gut entwickeltund mit den erforderlichen Funktionen

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Im Cafe BE (v. li., Uhrzeigersinn): Alexis Johann (WirtschaftsBlatt Digital), Matthias Schodits (Yoc), Robert Ulm (CMC Markets), Christa Grünberg, JosefChladek (BE), Lorenz Edtmayer (Tailored Apps), Walter Rubik (Bank Austria)

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Donnerstag, 21. April 2011

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bestückt. Wir haben also nur ein neuesMascherl rundherum gemacht. Das wur-de jetzt z. B. einmal für die App Stores vonApple gemacht, die Android-Apps werdenin einigen Tagen oder Wochen gelauncht.Die anderen Jobs muss man sich an-schauen, sind die sinnvoll oder nicht, denndas ist natürlich auch ein nicht unerheb-licher Kostenfaktor, den ich als Werbe-verantwortlicher lieber in die Promotionhineinstecken würde als in die Entwick-lung. Jetzt werden vielleicht noch ein Fi-lial- und ein Bankomatfinder mit einge-baut, um das ganze Service-Paket auch et-was zu heben.

Wie lange hat die Projektphase vom Be-ginn bis zum Launch gedauert?JJoohhaannnn:: Zwei Monate.RRuubbiikk:: Sechs Monate, aber das liegt dar-an, dass der Entwickler der App der glei-che Entwickler ist, der gerade sehr vieleErweiterungen beim online banking macht.Ohne diese erschwerten Rahmenbedin-gungen geht das sicher viel schneller.

CCaaffee BBEE:: CMC Marketshat ja kürzlichdie Webplatt-form rel-auncht. Wurdedie App sepa-rat entwickelt?RRoobbeerrtt UUllmm::Wir haben dieneue App par-allel entwik-kelt. Die Ideedahinter war,dass man sichmit den Tra-ding-Ge-schichten vomMarkt abhe-ben muss. Wirhaben schonlange darangearbeitet und wussten, dass wir uns et-was Neues einfallen lassen mussten – auchvon der Usability. Da wir international auf-gestellt sind, haben wir die Apps auch inUK, Deutschland und Österreich, Japan,

Australien und Ka-nada gelauncht.Die Entwickler ha-ben sich sehr vieleinfallen lassen,aber auch die Pro-dukt-Designer.Jetzt testen wir ge-rade die iPad-App.Wir wollen ganzeinfach in den Life-style-Bereich hin-ein. iPad- undiPhone-Kundensind finanzkräftigund interessierensich auch für dieFinanzmärkte. Nurmuss man das einbisschen jüngeraufbereiten, dennwir sind in einer Fun-Gesellschaft. Unse-re Projektphase hat sich sehr lange auf-gebaut und war sehr ressourcenaufwen-dig. Die heisse Phase hat dann drei bisvier Monate gedauert.

CCaaffee BBEE:: Yoc hatim Vorjahr ca. 90Apps für Kundenentwickelt. So-wohl beim Preisals auch der Pro-jektdauer gibt esenorme Unter-schiede. Wie wer-den hier die Kun-denwünsche sokanalisiert, dassdas in einem sinn-vollen Budget-und Zeitrahmenbleibt?MMaatttthhiiaass SScchhoo--ddiittss:: Letzten En-des ist die Frage:Was ist das Zieldes Kunden? Willer eine schnelle,einfache App,

dann kann man das um 10.000 bis 15.000Euro realisieren. Oder will er eine high-end-App, mit der er glänzen kann. Unse-re Kunden gehören Gott sei dank ehermeist zur zweiten Gruppe. Wir haben z.B.

für das Mercedes-Magazin eine App inmedien-adäquater Form gemacht, daskann dann gleich in den sechsstelligenUmsatzbereich gehen und es dauert dannauch gleich vier Monate oder mehr. Diedurchschnittliche App wird allerdings inzwei Monaten gebaut, wobei wir so posi-tioniert sind, dass wir massgeschneiderteLösungen anbieten. Da gibt es dann einKonzeptteam, das überliegt sich die Usa-bility. Das sieht man dann auch an denRankings.

CCaaffee BBEE:: Tailored Apps arbeitet momen-tan an vielen Projekten parallel. Wie lan-ge sind da die Zeitspannen vom erstenKundengespräch bis zur Fertigstellung?LLoorreennzz EEddttmmaayyeerr:: Da wir sogar TailoredApps heissen, sind unsere Ziele auch mass-geschneiderte Lösungen, weil wir glauben,dass die App nur dadurch einen Zusatz-nutzen für den User darstellt. Wir sind jaauch ein sehr junges Team (seit 7 Mona-ten aktiv) und es stellt sich immer die Fra-ge, will ich eine einmalige Lösung anbie-ten mit einem eventuellen Kleinsupport,oder hat der Kunde eine Vision für die Zu-kunft und will ich den Kunden in die Appeinbauen? Insofern kann man die Dauerschwer abgrenzen, aber ich würde sagen:eine durchschnittliche App dauert ca. zweiMonate, sonst bis zu sechs Monate.

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„Wir agieren kurzfristig. Langfristige Strategien sind

eher nicht zielführend“Walter Rubik

„Das Smartphone soll einen durch den Tagesablauf begleiten“

Lorenz Edtmayer

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Donnerstag, 21. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 9

CCaaffee BBEE:: Eine App veröffentlicht zu ha-ben, ist der erste Schritt. Aber dann fängtin Wahrheit die Arbeit erst an. Userfeed-back, Konkurrenzbeobachtung, Forderungder Nutzer nach Updates, nach der iPho-ne-App die Android-App. Nimmt man dasexterne Feedback ernst oder sollte mansich selbst einen Plan zurechtlegen?SScchhooddiittss:: Also auf die User hören ist im-mer wichtig, auf die Bewertung des App-Store zu schauen, schon weniger, weil dorteher das Design als die Usability zählt.Aber es ist richtig, die wirkliche Entwick-lungshölle fängt an, wenn die App ge-launcht ist. Nämlich mit der Frage, wiemach ich mich so wichtig, dass meine Apptäglich als erstes aufgerufen wird. Das istdas eigentliche Brainwork, wo ich auchnoch gar nicht zufrieden bin mit dem waswir tun. Wir arbeiten z.B. viel daran, dieÖffnungsrate/Wiederkehrrate zu erhöhen.Oder wo ich spe-zifisch frage, wassind die Funktio-nen einer Websei-te, die ich täglichbrauche und wassind die Highlights,die bringe ich dannin eine eigene App.Da habe ich dannwirklich einenShortcut.

CCaaffee BBEE:: Bank Au-stria ist zwar erstrelativ kurz im Sto-re, aber in der kur-zen Zeit ist bereitsenorm viel positi-ves User-Feedbackgekommen (imGegensatz zur Appder Erste Bank).Gibt es schon Plä-ne für Erweiterun-gen?RRuubbiikk:: Man musssich natürlich auf das Publikum konzen-trieren: Was können die unterwegs wol-len? Wie stifte ich Ihnen dafür einen Mehr-wert? Und man muss eher eine kurzfristi-ge Strategie fahren. Das wichtigste ist, dass

man die Aufmerk-samkeit des Kun-den gewinnt, indem man durch dieApp – und das istaus unserer Sichtihr grösster Vorteil- auf der Startseitedes User-Handyssteht und das Logoals Branding-Effektist dann endlichwieder zwanzig malam Tag sichtbar.

CCaaffee BBEE:: Herr Ulm,Ihre Updatestrate-gie?UUllmm:: Wir wollen al-le sechs bis achtWochen etwasNeues bieten. Es ist also etwas anderes,als Kontostand abfragen, sondern der Kun-

de soll aktive Geschäf-te damit machen unddas soll uns auch Ge-schäft bringen. Wir sindschon neugierig, wasdie Mitbewerber ma-chen.

CCaaffee BBEE:: Ich vergleichedas jetzt immer mit je-ner Goldgräberstim-mung, die es vor knappzehn Jahren im Netzgegeben hat. Da warman mit einer Seite on-line und wenig späterwar die Ernüchterungda: Wir haben eine Sei-te, jetzt müssen wirauch etwas dafür tun.Herr Schodits, wieschaut das in SachenApps aus?SScchhooddiittss:: In der Regelhaben unsere Kundennicht nur eine App,sondern sie ist eher das

Beiwagerl. Und, wie gesagt, die eigentlicheEntwicklungsarbeit beginnt dann, wenndie App da ist. Und wenn ich mit Appswirklich eine grosse Reichweite erzielenwill, müsste ich mindestens fünf Apps ha-

ben. Das sind fünf Softwarepakete, die ichim Markt draussen habe, die von einerSchnittstelle bedient werden. Wenn ich et-was ändern will, muss ich das also fünf-mal ändern, d.h. ich muss fünf Software-pakete aktualisieren. Ich habe aber nichtdie Sicherheit, dass sich jeder User dasUpdate downloaded, d.h. in Wirklichkeitexistieren dann zehn Versionen dieser Soft-ware und ich brauche eine Schnittstelle,die mit diesen 10 Softwarepaketen arbei-ten kann. Wie sich das dann exponentiellhochrechnet, kann man sich vorstellen.Von da her ist ein Kunde, der nur Appshat, in der Regel immer unglücklich. Undwir kennen da auch Beispiele, die denBrowser komplett vernachlässigt haben,auf die App-Strategie gesetzt und jetzt keinBudget mehr für die Weiterentwicklunghaben, weil die Wartung der Apps allesaufgefressen hat. Deshalb wird aus unse-rer Sicht die Lösung der Zukunft derBrowser sein. Er ist extrem leistungsfähig,gerade im Medienumfeld kann er dassel-be wie die App. Und der Content, der imApp drinnen ist, ist versteckt vor Google.Das heisst, jeder, der mich auf Googlesucht, wird meine App nicht finden. Dassind nur einige wenige Gründe, die für ei-nen Browser sprechen.

CCaaffee BBEE:: Die Frustration der Anbieter ist

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„Wir wollen alle sechsbis acht Wochen etwas

Neues bieten“Robert Ulm

„Der App-Store ist auch Werbevertriebsfläche“

Alexis Johann

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BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 10

hoch, weil man in Wahrheit nur schweralle Endgeräte bedienen kann. Ist es inZeiten von HTML 5, CSS und dem, wasWebbrowser mittlerweile können, nochnotwendig, native Apps zu bauen?

JJoohhaannnn:: Die ganz grosse Chance von Appsist, wieder zum Kern des eigenen Produktszurückzufinden. Ich finde z.B. Facebook(FB) viel schöner als App als auf der Web-site, wo ich so viele Popups und Elemen-te auf FB habe, die mich ablenken undstören. Auf der iPhone-App ist es dagegenso reduziert. Das ist wirklich die Chance,im Content-Design und im Usabilty-De-sign zu sagen, was ist der Kern meinesProdukts und was ist der Kern des End-gerätes und wie mische ich die beiden zu-sammen. Das macht es zwar komplexer,aber vielleicht habe ich dann am Endewirklich bessere Produkte, die besser zuden Menschen passen. Und das kann ichdann auch kommerzialisieren.SScchhooddiittss:: Das kann ich zu 100 Prozentunterstreichen. Ich möchte im Prinzip nichtlange herumsurfen, sondern auf Knopf-druck schnell das Wesentliche an Infor-mationen haben. Aber das ist eigentlicheine Argumentation für einen mobilen Ser-vice, ob der dann als App- oder als Web-lösung umgesetzt wird, ist eine technolo-gische Entscheidung im Hintergrund. Da-durch, dass Browser schon so viel können,kann ich eben genau diese Usability, diemir eine App bietet, auch im Browser ge-währleisten und das ist genau das, wo wirglauben, dass es hingeht.EEddttmmaayyeerr:: Das Smartphone soll einendurch den Tagesablauf begleiten. Einer-seits Information kurz in der Früh auf demWeg zur Arbeit, dann wieder dazwischen.Ich glaube auch, dass eine App nicht al-les abbilden soll, was auf der Website ist,sondern sie muss einen Mehrwert stiften.Also eher kurze und prägnante Funktio-nen, die es immer spannend machen.

CCaaffee BBEE:: Herr Rubik, ihr habt ja den Hy-bridansatz gleich von Beginn an gelebt.Denkt die Bank Austria noch an weiterePlattformen oder wartet man ab?RRuubbiikk:: Wir beobachten und agieren kurz-fristig. Langfristige Strategien sind da eher

nicht zielführend.

CCaaffee BBEE:: Die zen-trale Frage, die sichjeder App-Publis-her stellt: Was kannich finanziell damiterlösen? WelcheZeitspannen, denktzB das Wirt-schaftsBlatt, sindfür die Refinanzie-rung der Entwick-lungskosten nötig?JJoohhaannnn:: Produktedie wir launchen,müssen sich spä-testens innerhalbvon 12 Monatenrefinanziert haben.In Wahrheit müs-sen sie einen Deckungsbeitrag abwerfen,der bei 30 Prozent liegt. Wir wissen, dassder mobile Sektor da ambitioniert ist, weildie Entwicklung viel kostet und die Wer-beformate kleiner sind, aber reaktiver. Dis-kussionen mit Kunden haben wir vor al-lem bei einem: Sie sagen, wir kosten soviel und dann habt ihr auch noch so vielWerbung drinnen. Wie geht denn das zu-sammen? Wenn ich etwas zahle, dannmuss das auch werbefrei sein, das ist dasVerständnis. Tatsächlich stecken wir die-se zusätzlichen Deckungsbeiträge dannauch wieder in die Entwicklung rein. Wirerhöhen dadurch die Budgets und versu-chen bessere Produkte zu liefern. Wenndas gesamte Wettbewerbsumfeld sich än-dert, wenn z.B. Standard, Kurier und Pres-se auf ihren Websites und Apps komplettwerbefrei ist, dann müssen wahrschein-lich auch wir etwas verändern.

CCaaffee BBEE:: Wird die App aus der App be-worben oder über klassische Kanäle, seies Print oder Web?RRuubbiikk:: Zur Ergänzung noch zu dem, wasAlexis Johann gerade gesagt hat: Da gabes kürzlich eine Umfrage: 64 Prozent derBefragten sagen, wenn ich für eine Appbezahle, dann möchte ich keine Werbungsehen. Zu Ihrer Frage: Ja, natürlich mussdie Werbung medienhomogen sein. Alsounsere iPad-App wird auf dem iPad be-worben.

CCaaffee BBEE:: Kerngeschäft von Yoc neben demApp-Bau sind Vertrieb und Marketing fürPartner bzw. auch Ad-Server-Lösungen.Man liest hier von enormen Wachstums-raten beim Erlöspotenzial – trifft das auchauf Österreich zu?SScchhooddiittss:: Yoc ist in Europa der grössteVermarkter für Mobile-Advertising und inDeutschland und Spanien Marktführer. InEngland sind wir unter den Top-Drei oderTop-Vier und in Wahrheit sind wir auchin Österreich Marktführer. Im Endeffekt,so glauben wir, ist das der Geschäftsbe-reich, in dem in Zukunft das meiste zu ho-len sein wird – digitale Mediaspendingsüber den mobilen Kanal. In Österreich ste-hen wir oft noch vor der Herausforderung,dass wir bei Unternehmen sind, die ihremobilen Hausaufgaben – grundsätzlichpräsent zu sein – noch nicht gemacht ha-ben. Und da liegt auch das Wachstum.Die Unternehmen werden nach und nachmit mobilen Websites vertreten sein unddann besteht für sie auch das Bedürfnis,für diese mobilen Services Werbung zumachen. Noch etwas wird sich ändern. InEngland zum Beispiel gibt es einen gros-sen Markt für Performance-Marketing, weildie Werbung schon sehr gut klickt undsehr reaktiv ist. Die Premium-Formate, woman gute TKPs (Tausender-Kontakt-Preis)zu erzielen versucht, gehen immer mehr

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„Die eigentliche Entwicklungsarbeit beginnt dann, wenn die App da ist“

Matthias Schodits

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Donnerstag, 21. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 11

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in Richtung Rich Video und das sind Din-ge, die wir Mitte des Jahres auch in Öster-reich einführen werden. Wir werden ver-stärkt auf Rich Video-Formate setzen, umfür einen Kunden, dereinen guten TKP be-zahlt, auf dem mobi-len Endgerät mehr zuhaben, als einen klei-nen Banner. Es solltevielmehr Werbungsein, die sich bewegtund einen grösserenEindruck beim Userhinterlässt.

CCaaffee BBEE:: CMC Mar-kets hat eine englischeMutter und den Vor-teil, dort in den Markthineinhören zu kön-nen und die Erfah-rungswerte weiterzu-geben. Herr Ulm, istÖsterreich noch ein„mobiles Entwick-lungsland“?UUllmm:: Das will ich jetztso nicht sagen, dashat natürlich immer mit der Grösse undden finanziellen Mitteln des Marktes zutun. Wir versuchen diese mobile Werbungjetzt vorerst in Deutschland auf den Sei-ten von Onvista durchzuführen. Wir ge-hen aber auch den anderen Weg, mit iPho-ne- und iPad-App die Apple-User anzu-sprechen und die auch als Kunden zugewinnen. Aber ich sehe das auch so wieHerr Schodits, hier muss die Werbungmehr sein als nur ein Banner.

CCaaffee BBEE:: Ein viel diskutierter Punkt dervergangenen Wochen war der, dass App-le quasi alles diktieren kann und auf App-Verkäufe 30 Prozent Provision kassiert. Istdiese „70: 30“-Erlösteilung gerechtfertigt?JJoohhaannnn:: Ja, ich finde das absolut gerecht-fertigt, denn sonst würde ich mein eige-nes Geschäft auch nicht rechtfertigen kön-nen. Wir liefern Werbepartnern auch neueKunden und verlangen dafür auch einGeld. Und wenn man es so sieht, dann istder App-Store auch Werbevertriebsfläche.

Was bei Apple nicht in Ordnung ist, dasssie diktieren, welche Preissetzungen ichdort machen kann und wie der Ablauf (z.b.wie lange Tests dauern dürfen) funktio-niert. Aber 30 Prozent finde ich sehr fairfür ein gutes Vertriebssystem. Und auch

wir werden jetzt gezwungenermassen die-ses System launchen. Man wird uns baldauch im App-Store kaufen können, wasman bisher nicht kann. Ich bin ganz si-cher, dass die meisten trotzdem über unsagieren werden und nicht über den App-Store. Aber es ist in Ordnung, wenn bei-de Vertriebssysteme parallel laufen – dasbeste soll gewinnen.

CCaaffee BBEE:: Denkt die Bank Austria darübernach, Teile der Apps kostenpflichtig zumachen?RRuubbiikk: Nein, das ist auch Produktstrate-gie, mit dem habe ich nichts zu tun. Mei-ne persönliche Meinung ist, dass die Usermittlerweile einfach gelernt haben, dassmobile Services gratis sind - und das wirdauch nicht mehr zu ändern sein.

CCaaffee BBEE:: Zwei Trends zeichnen sich ab:Zusätzliche Erlöse durch in-app-purchases einerseits, und andererseits, dassdie Entwicklung verstärkt in-house ge-

macht wird. Ihre Meinung?JJoohhaannnn: In-app-purchases sind sehr sim-pel, daher glaube ich, dass das auch imContent-Bereich funktionieren kann. Undich bin ein Freund des Outsourcens.EEddttmmaayyeerr: Es macht bei grossen Firmen

Sinn, die App-Entwicklung in-house zu ma-chen, aber nichtbei kleinen Un-ternehmen. Dasist ja auch eineKostenfrage,denn die gutenLeute wissen,was sie verlan-gen können.SScchhooddiittss:: Be-züglich App-Entwicklung in-house, das be-gegnet uns eherim Bankenbe-reich, wo es umsensible Datengeht. Zu den In-app-purchases:Das ist für vieleBranchen sicherein interessantes

Thema, wie zum Beispiel in der Spiele-branche. Der Erfolg liegt ja darin, das eseinfach zu bezahlen ist und man es nichtspürt. Das Wirtschaftsblatt zB mit seinemUnique Content, da ist der User auch be-reit, etwas zu bezahlen.

CCaaffee BBEE:: Die drei Lieblings-Apps?JJoohhaannnn: Wall Street Journal, Facebook(FB), Twitter.RRuubbiikk:: Dienstlich schaue ich mir alle an,privat nichts.SScchhooddiittss:: Safari, Google Maps, Drop-box/FB.UUllmm:: Handelsblatt, FB, Konkurrenzbeob-achtung.EEddttmmaayyeerr:: Safari, Mail, FB.BBEE: Teletext, FB, BE.

DDiisskkuussssiioonnsslleeiitteerr:: Josef Chladek RReeddaakkttiioonn:: Christa GrünbergFFoottooss:: Franz-Josef Galuschka

http://www.boerse-express.com/cafebe

Cafe BE digital (v. li.): A. Johann (WirtschaftsBlatt Digital), W. Rubik (Bank Austria), L. Edtmayer (Tailored Apps), R. Ulm (CMC Markets), M. Schodits (Yoc)

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Dienstag, 26. April 2011

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Cafe BE: Talkrunde zu Erneuerbarer Energie, der Zukunft, Chancen und Risken

„Das bessere Immobilien-Investment“

25 Jahre nach Tscher-nobyl und im Jahr 0 nachFukushima talkt eine Exper-tenrunde etwa über Gründe,warum Österreich in SachenErneuerbare Energie keinVorreiter ist.

CCaaffee BBEE: Seit Fukushima sagen wir alle Jazu alternativer Energie. Aber ist das nichtmehr Schein als Sein, reines Wunsch den-ken?

CCoorrnneelliiaa DDaanniieell: Fukushima hat aufge-zeigt, was passieren kann. Mein Wunsch-denken wäre, dass in die Energieszene Ko-stenwahrheit einzieht. Es sind in den bil-ligen Energien viele externe Kosten nichteingerechnet, vor allem bei fossilen Ener-gieträgern und der Atomenergie. Die gün-stigste Kraft ist Wasserkraft, aber auch dortmuss Kostenwahrheit hinein. Es darf nichtgebaut werden, was den meisten Ertrag

bringt, sondern den wenigsten Schadenan der Umwelt anrichtet – das geht na-türlich auf Kosten der Rentabilität. Fürmich ist Photovoltaik so etwas wie dieVolksenergie. Es ist die einzige Energie,die jeder Unternehmer oder Haushalt fürsich nutzen kann.

MMiicchhaaeell RRiicchhtteerr: Deshalb bläst der Foto-voltaik in Österreich ja so der Wind insGesicht, weil es nicht im Interesse der eta-blierten Stromerzeuger ist, dass jeder amDach seinen eigenen Strom produziert.

Volksenergie klingt ein bisserl wie Volks-aktie, mit der wir nicht immer die bestenErfahrungen gemacht haben – glaubenSie an die Wende?

WWeerrnneerr AAllbbeesseeddeerr: Langfristig ja, aber eswird dauern. Die Stärke, die wir Gott seiDank in der Wasserkraft haben, wird lei-der gern als Ausrede verwendet, dass wiralternative Energiequellen nicht ent spre-chend fördern und forcieren müssen, wie

teilweise in anderen Ländern. Auch diejetzt in Vorbereitung befindliche Öko-stromnovellen ist …

RRiicchhtteerr: … ein Witz ...

AAllbbeesseeddeerr: … kann man sagen, richtig –sie geht jedenfalls am Ziel vorbei. Ich glau-be dass es gut wäre, die dezentrale Wir-kung der Erneuerbaren Energie zu för-dern, da es auch dem Prinzip der Selbst-verantwortung des Menschen entspricht,sich mehr auf die eigene Energiegewin-nung zu konzentrieren. Vom Konzept herist es eine gute Sache, die in der Politikviel zu wenig Unterstützung findet.

MMiicchhaaeell SSppoonnrriinngg: Areva hat bereits imVorjahr, also vor Fukushima, um 200 Mil-lionen Dollar einen US-Entwickler fürthermische Solaranlagen gekauft. Dasheisst, es gibt bereits ein Umdenken. Ei-nige Unternehmen haben erkannt, dass

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Im Cafe BE (v. li.): Werner Albeseder (Prime Communication),Peter Maierhofer (WM Maierhofer), Michael Sponring (PwC), Cornelia Daniel (www.oekoenergie-blog.at), Michael Richter (Sonneninvest)

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Dienstag, 26. April 2011

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es so umwelt- und sozialpolitisch so nichtweiter geht. Wir verzeichnen auch im Be-reich Energie Effizienz, etwa Facility Ma-nager, steigende Anfragen. Das ist einTrend, der so weitergehen wird. Es wirdkünftig sicher einige Atomkraftwerksbe-treiber geben, die sich á la ZwentendorfErneuerbare Energien auf ihre Dach flä-chen setzen.

Wie ist die Nachfrage bezüglich Erneu-erbarer Energie-Fonds?

PPeetteerr MMaaiieerrhhooffeerr: 2009 haben wir das er-ste Retailprodukt zu Erneuerbare Ener-gie, einen geschlossenen Fonds, in Öster-reich platziert. Wir haben aufgrund derEreignisse verstärkt Anfragen, welche An-lagemöglichkeiten es im Bereich Erneu-erbare Energien gibt, und bringen in denkommenden Wochen zwei neue Produkte:ein Fotovoltaikprojekt mit Italien mit et-wa 15 MW und einen PortfoliofondsWind, Wasser und Fotovoltaik. Manbraucht für solche geschlossenen Fondsaber immer erst das Asset - ein Asset dassich rechnet.Kurz zur Trendwende. Ich wäre froh, wennwir weltweit so weit wären wie in Öster-reich, nämlich 80 Prozent des Stroms ausWasserkraft zu erzeugen. Eine Trendwendebrauchen wir in Österreich somit eigent-lich nicht, da sind wir auf dem wichtigenWeg.

RRiicchhtteerr: ...da spielen Sie aber sehr in dieArgumentation der Politiker, da muss manaufpassen …

MMaaiieerrhhooffeerr: … nicht falsch verstehen. DieWasserlobby ist viel zu stark, dreht allesandere ab, was der falsche Weg ist. Es istgut, dass wir bereits soviel aus Erneuer-barer Energie gewinnen, aber man solltedeshalb Wind und Photovoltaik nicht ver-nachlässigen und entsprechende Mass-nahmen setzen.Zur Zukunft: Erinnern Sie sich an das er-ste Autotelefon vor 15 Jahren! Es war einriesiger Kasten, hat ohne Stromversorgungexakt fünf Minuten funktioniert und hatsoviel gekostet wie ein kleines Auto. Heu-te bekommt man es zum Auto dazu ge-

schenkt. Wir sindbei der Erneuer-baren Energie ineiner ähnlichen Si-tuation – vor vier,fünf Jahren war sienoch teuer.

RRiicchhtteerr: Die Frageist, was in einemJahr vom aktuellenHype überbleibt. Denn was habenwir aus der Kata-strophe im Golfvon Mexiko ge-lernt – zusam-mengefasst kannman wohl Null sa-gen.

MMaaiieerrhhooffeerr: Ichhabe dazu kürzlich einen Bericht im TVgesehen: Die Strände sind mittlerweilewunderschön - weil dort rund um die Uhrgeputzt wird.BP ist überhaupt so eine Perversität insich. Die haben vor einigen Jahren dasLogo verändert und sind einer der gröss-ten Investoren im Bereich ErneuerbareEnergie, haben auch den Trend erkannt,dass fossile Brennstoffe nicht für die Ewig-keit sind und haben sich ein zweites Stand-bein geschaffen.

RRiicchhtteerr: Was nicht alle erkannt haben. Wirbrauchen nur nach Österreich schauen.Was es einmal kosten wird, das Geländeder OMV in einen normalen Zustand zuversetzen, da werden Beträge notwendigsein, mit denen noch Generationen zutun haben. Das ist wie mit alten AKWs.Wenn das einmal abgeschaltet ist, was inDeutschland bereits der Fall war, sindnoch Jahre später zig Leute dort be-schäftigt – in Japan hätte man auch ger-ne einfach abgedreht, der Schalter ist abernicht so einfach umzulegen.

SSppoonnrriinngg: Bei den Smartgrids sind nochMilliarden an Investitionen notwendig –die Wende wird kommen, aber noch län-ger dauern ...

RRiicchhtteerr: ... dass die Netze so schlecht sind,

hängt mit der Gier der Energieversorgerzusammen. Die haben nur Interesse ge-habt, Milliarden an Dividenden auszu-schütten, haben sehr, sehr wenig für dieNetze gemacht und behindern auch nochdie Durchleitung.

SSppoonnrriinngg: Das ist ein bisserl anders. DieRegulierungsbehörde lässt nur eine ge-wisse Verzinsung zu. Daher haben sichetwa E.ON und RWE bereits von ihrenÜbertragungsnetzen getrennt, bei Vatten-fall laufen die Verkaufsverhandlungen.

Wie sieht es in Österreich mit VentureCapital für den Bereich Erneuerbare Ener-gien aus?

AAllbbeesseeddeerr: Wichtig wäre es, die techno-logische Weiterentwicklung in der Er-neuerbaren Energie stärker zu forcieren– de faco gibt es in Österreich aber keinVenture Capital für junge Technologien. Daher sind die Entwickler auf Family &Friends und gewisse Förderungen ange-wiesen. Damit ist in der Regel aber einProdukt nicht auf den Markt zu bringen.In Österreich wird das Thema VentureCapital total vernachlässigt. Wir hättengenug Brain-Potenzial, können heimischeUnternehmen aber nur mit ausländischem

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„In Österreich wird das Thema Venture Capital total vernachlässigt“

Werner Albeseder

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Venture Capital versorgen – hier bestehtHandlungsbedarf. Die Lösung besteht dar-in, dass man Rahmenbedingungen schafft,die es für Stiftungen und Family Officesattraktiv machen, in junge Technologienzu investieren. Es wird Ausfälle und Kon-kurse geben, das ist bei jungen Techno-logien so – aber man kann die Investmentsdurchaus so streuen, dass sie für den An-leger interessant sind. Je früher wir dieTechnologie weiterentwickeln, desto frü-her erreicht man die entsprechende Preis-degression.

RRiicchhtteerr: Es wäre aber auch wichtig, denEtikettenschwindel zu beenden. Es gibtStromanbieter, die mit 100 Prozent grünwerben. Das funktioniert ganz einfach:Man kauft sich den billigsten Atomstromplus entsprechende Zertifikate und schonist es grüner Strom – das weiss die All-gemeinheit aber nicht.So einen ähnlichen Schwindel gibt es beiAKWs. Es ist zwar seit den 80er-Jahrennicht mehr erlaubt, Atommüll in Fässernim Meer entsorgen. Es ist aber bis heuteerlaubt, Atommüll ins Meer abzulassen,wenn auch nicht stark verstrahlten. Dar-um stehen ja so viele Atomkraftwerke inder Nähe des Meeres. Wenn das der All-gemeinheit bekannter wäre, gäbe es die-se Thematik gar nicht.

SSppoonnrriinngg: Ein anderes Beispiel sind gibtdie klassischen Atomstrompumpspei-cherkraftwerk-Verträge. Da kommt jetztein Umdenken, die Tiwag etwa ist kürz-lich erst daraus ausgestiegen. Dass manetwa Pumpspeicherverträge nicht mehrmit AKW-Verträgen tauscht, sondern zumBeispiel mit norddeutscher Windkraft –die geht bei Tag und Nacht.

Wie beurteilen sie das österreichische För-dersystem?

RRiicchhtteerr: In Österreich haben wir so etwas,was ich eine dumme Förderung nenne.Es ist ein Blödsinn, wenn ich 30 bzw. frü-her 50 Prozent der Kosten zahle. NachFukushima hat der mittlerweile Ex-Mini-ster Pröll gesagt, dass wir etwa in Nieder -österreich so toll fördern.

Man hätte ihm viel-leicht sagen sollen,dass sein Onkel die50-Prozent-Förderung in Nie-derösterreich am31. 12. abgedrehthat. Die Leute kön-nen jetzt beim Kli-maschutzfonds um30 Prozent ansu-chen, wobei derTopf sehr schnellweg ist.

DDaanniieell: Die Inve-stitionsförderungan sich ist ein Blöd-sinn, da sie auf denMarktpreis nichteingeht.

RRiicchhtteerr: In Italiengibt es einen fixen Preis, der auf den nor-malen Strompreis aufgeschlagen wird.

MMaaiieerrhhooffffeerr Wir haben in Europa ein EEG(Erneuerbare Energie Gesetz), nur inÖsterreich nicht. Warum? Da ist die Was-serkraftlobby zu stark. Das EEG sagt nichtsanderes als „wir fördern diese Technolo-gie, reduzieren aber jedes Jahr die Ein-speistarife“, damit wird die Industrie mo-tiviert, günstiger zu produzieren, das warbeim Handy genauso. Langfristig musssich die Energie-Investition mit fünf bissechs Prozent verzinsen, wie auch eineImmobilie.

RRiicchhtteerr: Wir orientieren uns immer an ge-wissen Vorgaben, sagt etwa, man will 20GW Erneuerbare Energie bis 2020 ha-ben, was spricht aber dagegen, wenn es50 GW sind?Als Investor muss man immer unter-schiedliche Rechtsvorschriften beachten.In Deutschland etwa ist man 100-Pro-zent-Eigentümer des Daches. Da ist esegal, wenn der Besitzer der Immobilie dar-unter Pleite ist, in Italien ist das anders.Ausserdem gibt es dort bürokratische Hür-den, die gewaltig sind.

AAllbbeesseeddeerr: Wir beobachten weiter sehrgrosse Nachfrage nach Investionen in Er-

neuerbare Energien in Italien. Dort istaber mittlerweile die Finanzierung dasProblem, die Banken stehen etwas auf derBremse. Der neue Einpeisetarif - monat-liche Absenkung des Tarifs plus eine Dek-kelung - macht die Kalkulierbarkeit vonProjekten sehr schwierig.

RRiicchhtteerr: Deckelungen haben immer dasProblem, dass sie nie erreicht werden.Denn es traut sich keiner, etwas zu pla-nen, wenn er nicht weiss, wann der Deckelerreicht ist.

DDaanniieell: Degressionen sind durchaus sinn-voll, aber ohne Deckelung.

RRiicchhtteerr: Es werden Öko-Gesetze präsen-tiert, und jeder, der sich nicht auskennt,hat den Eindruck, dass da ohnehin etwasgemacht wird.

MMaaiieerrhhooffeerr: Viele wissen auch nicht, dasswir von der Politik her Erneuerbare Ener-gien behindern, aber um Milliarden CO2-Zertifikate kaufen. Würde man diese Be-träge in Erneuerbare Energien investie-ren, wären diese sinnvoller eingesetzt undman hätte etwas für die Umwelt getan.

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„Beim Thema Förderung wird immervergessen, dass der Nutzen für dasLand höher ist als die Förderung“

Michael Richter

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Was wäre in Österreich ein sinnvoller För-derbetrag, sagen wir auf 20 Jahre, um fürInvestoren interessant zu sein?

RRiicchhtteerr: Die Branche wäre schon dank-bar, wenn man sich an Deutschland ori-en tieren würde. Über 20 Cent würde mansich sicher freuen.Es ist heute kein Problem, eine kleinereGemeinde rein mit Fotovoltaik über eineFläche von 2,5 Hektar zu 100 Prozentenergieautark zu versorgen, am bestenkombiniert mit einem mittelgrossen Wind-rad.

SSppoonnrriinngg: Es geht nicht nur um Förde-run gen. Wasserkraft ist à la longue diegünstigste Energieform.

Vorausgesetzt, ich habe lange Nutzungs-zeiten. Unter dem Strich ist es die besteEnergie-Investition.

In welche Richtung steuern die Invest-ments?

SSppoonnrriinngg: In erster Linie geht esbei Investments um Wasserkraft,da haben wir Anfragen wie nochnie. Deshalb steigt auch der Preis.Es ist oft unglaublich, was proMW gezahlt wird, das kann sichnie rechnen. Danach kommtWind. Da glaubt man bereits, dasssich die Leute auskennen und da-her nachhaltig eine gewisse Ren-dite erzielen.Was wir aber sehen, ist, dass esextrem viele Gruppierungen bzw.One-man-Shows gibt, speziell imFotovoltaik-Bereich, die glauben,dass sie bereits die Profis sind. Beschäftigen sich ein paar Mo-nate mit der Materie und kom-men dann mit irgendwelchen Zet-teln daher, wo ich als seriöses Un-ternehmen eigentlich die Fingerdavon lassen muss. Es ist oft einWahnsinn, was teilweise an Pro-jekten präsentiert wird. Es willimmer jeder von Beginn etwasverdienen. Zuerst war es derWind, jetzt ist es die Fotovoltaik.Manche haben es mit Biomas-se versucht. Die haben jetzt dasProblem, dass ihnen die Roh-stoffpreise davon galoppiert sind.

Für einen Berater ist das nichtschlecht ...

SSppoonnrriinngg Für uns ist das natürlich toll,weil es immer wieder etwas zu restruktu-rieren gibt und unsere Beratertätigkeit ge-fragt ist.

Es ist gut, dass sich Unternehmen mitder Materie beschäftigen. Die kommenetwa zu uns und sagen, wir brauchen neunGWh und wollen das im Ausmass einerInvestition selbst erzeugen und im Nach-haltigkeitsbericht ausweisen können. DerAnsatz, mit dem in solche Projekte ein-gestiegen wird, ist oft katastrophal, wasaber gut für den Beratungsaufwand ist.

Wenn ich kurz zusammenfassen darf: Er-neuerbare Energie ist etwas teurer undwir reden von einzelnen Entwicklungenetwa in Italien oder Österreich. Könnensich einzelne Länder den Weg Richtung100-Prozent-Erneuerbarer überhaupt lei-sten?

MMaaiieerrhhooffeerr: … Es gibt EU-weite Ziele ...

… sprich, kann sich die Industrie teurerenGrundlaststrom im Wettbewerb überhauptleisten ...

DDaanniieell: ...Das wäre nur kurzfristig ...

... aber auch kurzfristig kann ich tot sein.Und es wurde gesagt, nicht jeder Projekt -entwickler kennt sich aus. Was heisst dasauch für Anleger?

MMaaiieerrhhooffeerr: Für den „normalen“, kleinenRetailkunden, der in den Bereich inve-stieren und legitimerweise auch verdie-nen möchte, bewegen wir uns nicht inÖsterreich. Da bewegen wir uns inDeutschland, Italien, Spanien, aber auchetwa Slowakei. Dort kann man investie-ren und Rendite machen. Daher mussman auch die Länder einzeln betrachten.

SSppoonnrriinngg: Es wäre trotzdem vielleicht ver-nünftiger, sich in Österreich wieder mehrauf die Wasserkraft zu besinnen, da ichetwa in Spanien für die Fotovoltaik bes-sere Voraussetzungen habe, und damitdie bessere Rentabilität.

RRiicchhtteerr: Was will man über die Rentabi-lität von Fotovoltaik diskutieren, wennman ein Einfamilienhaus nur damit be-heizen kann?

DDaanniieell: Man weiss etwa in Italien nochgar nicht, wie lange die Module die Hit-ze aushalten. Das ist in Österreich sicherlänger, womit wir beim Thema Langfri-stigkeit wären.

RRiicchhtteerr: 30 Jahre wird für die Module si-cher möglich sein, auch in Italien. Wasproblematischer sein könnte, sind Stand-orte in wüstenähnlichen Gegenden.

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„Würde mir wünschen, dass die volkswirtschaftlicheBetrachtungsweise mehr in die Politik Einzug hält“

Cornelia Daniel

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Ein Sandsturm ist für die Technik nichtgut. Wir betreiben in Mitteldeutschlandein sieben Jahre altes Photovoltaikkraft-werk und hatten bisher praktisch keineVerschleisserscheinungen.

Welche Rolle wird China in dem Marktspielen und was heisst das für zu erwar-tende Renditen im Bereich der Erneuer-baren?

MMaaiieerrhhooffeerr: Wir dürfen nicht vergessen,dass sich China die Technologie inDeutschland gekauft hat. Dort ist es keinThema, ein Werk mit zwei Kilometer Län-ge hinzustellen, in Europa haben wir dieBaufläche dazu gar nicht, China produ-ziert in ganz anderen Mengen. Ich ver-gleiche das mit dem Handy. Vor zehn Jah-ren war es unerschwinglich, heute be-kommt man es geschenkt.

Auch Solarmodule etc. werden billigerund wir müssen uns auch einmal auf nor-male Renditen zurückbesinnen. Wir ha-ben jetzt etwa deutsche Produkte mit ei-ner Nettorendite von zehn, elf Prozent.Das ist eine richtig gute Rendite.

Wir müssen uns zurückbesinnen aufnormale Renditen wie bei einer Immobi-lie. Wenn ich dort vier Prozent verdiene -super, das wird auch bei ErneuerbarenEnergien in ein paar Jahren so sein.

RRiicchhtteerr: In Deutschland sehen wir derzeitRenditen von 8,0 bis 8,5 Prozent. Und diebraucht man auch im Projektmanage-ment, sonst wird kein Entwickler etwasanfassen. Wenn sich das Vergütungska-russell weiter so schnell wie derzeit nachunten bewegt, wird es für Unternehmenschwierig werden, in ein zwei Jahren nochRenditen vorzufinden.

MMaaiieerrhhooffeerr: Auf Projektebene brauchtman eine höhere Rendite, das ist klar.

Welche Renditen erwarten eigentlich In-vestoren, wenn Sie zu Ihnen kommen.Oder ist das gar kein Thema?

AAllbbeesseeddeerr: Die Rendite ist ein grosses The-ma. Kommt aber auch auf die Art des In-vestors an. Pensionsfonds sind mit fünf,

sechs Prozent derzeitsehr zufrieden. Esgibt auch private An-leger, die unter 25Prozent nichts an-rühren. Die 25 Pro-zent wird er in einernormalen Anlagenicht bekommenkönnen. Aber alsZwischenfinanziererin einer Bauphasekann er das mituntererhalten. Vor allem,wenn sich die Ban-ken bei der Finan-zierung nobel zu-rückhalten. Und na-türlich geleveragt.Denn eine Projekt -rendite von 25 Pro-zent ist ohnehinnicht möglich.

Kurz zum Ver-gleich mit der Immo -bilie: Tatsächlich sindInvestments in Erneuerbare Energie, inInfrastruktur, mit Immobilien vergleich-bar. In Österreich wurde die Althaussa-nierung über steuerliche Anreize geför-dert. Die ganzen Bauherrenmodelle, andenen sich Heerscharen von Managernund Zahnärzten beteiligt haben, zeigtendurchaus einen volkswirtschaftlichen Nut-zen. Vergleichbares gibt es in Österreichim Bereich Erneuerbarer Energien nicht.Wohl aber in Dänemark, wo man 25 Pro-zent Sonderabschreibung bekommt, wennman sich an einer Solaranlage beteiligt.Und zwar überall, das muss nicht in Dä-nemark sein, solange die Anlage kleinerals 1 MW ist. Deshalb gibt es im Momenteinen Drang der Investoren nach Italien,da diese dort gute Möglichkeiten sehen.

Das wäre ein Modell, das man in Öster-reich auch einsetzen könnte, um privatesAnlegerkapital zu lenken. Diese Mög-lichkeit wird nicht wahrgenommen.

Haben rückläufige Förderungen bzw. dieFinanzkrise etwas an der Finanzierungs-art für EE-Projekte verändert?

SSppoonnrriinngg: Beim Finanzieren muss manvielleicht umzudenken anfangen, wie2004/05 bei der Windkraft. Damals sind

die Investoren zu den Banken gegangenund haben gerade mal fünf Prozent Ei-gen kapital aufgebracht. Und dann viel-leicht noch ein Beteiligungsmodell auf5000 Euro mit Abschichtung aufgelegt.

Heute laufen dieselben Investoren her-um und klagen, dass die Banken 30 Pro-zent Eigenkapital fordern. Da kann ichnur sagen: Früher hat man auch gespartund sich dann etwas gekauft. Diese ex-tremen Leverages sind nicht ungefährlich.

RRiicchhtteerr: In Deutschland gab es sogar Pro-jekte mit Null Prozent Eigenkapital. Eshat aber kein einziges dieser Projekte zer-legt. Aber es gibt in Deutschland heutekeine Bank, ausser vielleicht für Bestands -kunden, die unter 20 Prozent macht. Ansich ist man in Deutschland auf Banken -seite dem Thema viel aufgeschlossenerals in Österreich. Da gab es in Süddeutsch -land Bankberater, wenn zu denen ein Kun-de kam und einen Bausparvertrag wollte,fragte er ihn, ob er nicht ein Dach hat –da gibt es zehn Prozent Rendite.

Sonstige Neuerungen bei der Finanzie-rungsart?

„Es ist ein Wahnsinn, was teilweisean Projekten präsentiert wird, vor

allem in der Photovoltaik“Michael Sponring

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SSppoonnrriinngg: Leasing ist ein Thema, das ichfür interessant halte. Es gibt eine italieni-sche Bank, die sich darauf spezialisierthat. Sie verspricht die Auszahlung der Gel-der binnen zwei Wochen, damit habe ichaber noch keine Erfahrung gemacht.

Leasing ist vor allem für kleinere Pro-jekte, die 1 bis 2 MW-Anlagen, ein Weg.

MMaaiieerrhhooffeerr: Für die Bank ist Leasing an-genehmer, sie ist Eigentümer des Parks,auch wenn der Betreiber aus irgendwel-chen Gründen Pleite gehen sollte. Wennman gut kalkuliert hat, macht man seineRendite, für die Bank ist es daher fast einNull-Risiko.

AAllbbeesseeddeerr: Das Thema Leasing wird beiallen italienischen Grossbanken mittler-weile forciert. Ich habe den Eindruck, dassdie entsprechenden Anträge gegenüberKreditanfragen vorgereiht werden. Ebenda die Bank eine höhere Sicherheit hatund mehr verdient. Die Bearbeitungszeitist ein wesentlicher Aspekt, denn jederProjektentwickler will sein Projekt immermöglichst rasch durchziehen. Noch da-

zu, da die Einspeistarife jetzt inItalien sinken.

RRiicchhtteerr: In Österreich haben dieLeasinggesellschaften dieses Ge-schäft nicht erkannt.

Warum soll ich jetzt ein Solar-modell kaufen bzw. in eines in-vestieren, wenn ich es in zwei Jah-ren günstiger bekomme?

SSppoonnrriinngg: Weil bis dahin der Ta-rif gefallen ist.

RRiicchhtteerr: Ich vergleiche das mit einer angekündigten Zinssenkung. Wenn man weiss, dass einekommt, ist es besser, sich nochden höheren Zinskupon zu kau-fen. Und auf Erneuerbare Ener-gien kann man nur bullish sein,da wir alle miteinander keine an-dere Alternative haben. Investments in den Bereich sindInvestments in die Zukunft undbringen eine Rendite, die über je-ner von Bausparen oder ähnli-chem liegt.

Es gibt aber auch das Problem leererStaatskassen. Wer soll den Umstieg zah-len? Es gab kürzlich bei Börse am Sonn-tag eine Umfrage - das Resultat: Mehr zuzahlen für grünen Strom kommt für 59Prozent nicht in Frage. Das sind aber die-selben Leute, die in Solaraktien investie-ren ...

MMaaiieerrhhooffeerr: Die Kassen der Staaten sindnicht leer, da sie fördern. In Deutschlandetwa gibt es das Umlageverfahren. Wasin Erneuerbaren Energien gefördert wird,wird ohnehin auf die breite Masse um-gelegt.

SSppoonnrriinngg: Der Konsument merkt nichtwirklich, dass er mehr zahlt, da die Auf-schläge im Preis versteckt sind.

AAllbbeesseeddeerr: Aus der Sicht des Investors istjetzt der richtige Zeitpunkt, da die Rendi-ten attraktiv sind und wahrscheinlich blei-ben werden, möglicherweise aber mit sin-kender Tendenz. Im Hinblick auf den er-höhten Stromverbrauch, den wir auch in

den westlichen Industrieländern habenwerden, wird sich insgesamt ein Invest-ment in Erneuerbare Energie für jedenAnleger auf längere Zeit rechnen.

MMaaiieerrhhooffeerr: Erneuerbare Energie habenden Riesenvorteil der Kalkulierbarkeit. DieSonne etwa hat über Tausende von Jah-ren eine Schwankungsbreite in der Strah-lung von wenigen Prozent. Und ich habeeine Technologie, die 30 bis 40 Jahre oh-ne Wartung hält. Die Photovoltaik ist ei-gentlich das bessere Immobilieninvest-ment. Denn das muss ich nach zehn Jah-ren wieder herrichten. Bei einer Anlage,die die ersten drei Jahre nach Plan läuft,ist es fast auszuschliessen, dass die näch-sten zehn Jahre etwas ausser Plan läuft.

AAllbbeesseeddeerr: Und ich habe nie ein Leer-standsrisiko wie bei der Immobilie.

SSppoonnrriinngg: Bei der Wasserkraft wäre dasnatürlich noch besser, da der Erneue-rungszeitraum bei bis zu 70 Jahren liegt.Und der Grossteil der Kosten sind die Er-richtungskosten.

MMaaiieerrhhooffeerr: Im Gegensatz dazu stehtWind. Da hat man oft zwei, drei schlech-te Jahre, dann wieder gute Jahre.

RRiicchhtteerr: Eine Windkraftanlage oder Pho-tovoltaikanlage zu betreiben, ist im Ge-gensatz zu Biomasse fast schon simpel.Dort habe ich ja die Rohstoffabhängig-keit - ich bewundere immer die Leute, diesich in ein 20jähriges Investment stürzen,wo sie von Rohstoffen abhängig sind.

Österreich als Land der Wasserkraft - War-um gibt es hier keine Wasserkraftfonds,wenn das Interesse so gross ist?

SSppoonnrriinngg: Würde es geben, wenn es at-traktive Anlagen gäbe, die man hineinge-ben könnte. Aber wir haben derzeit Prei-se, da schlackert man mit den Ohren. Undwem Anlagen gehören, der bleibt oft auchin seinem Investment drinnen, deshalb istder Markt komplett illiquid. Keiner weiss,wohin der Strompreis geht. Anzunehmenist, dass er steigt. Wer investiert ist, für denist das eine tolle Sache.

„Wir müssen uns auf normaleRenditen zurückbesinnen, wie bei einer Immobilie“

Peter Maierhofer

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Page 65: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Dienstag, 26. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 11

Auch wenn das Leben keine Wunschver-anstaltung ist, was wäre denn ein WunschIhrerseits?

AAllbbeesseeddeerr: Ich würde mir wünschen, dasses in Österreich zur Schaffung und Ab- sicherung langfristiger Rahmenbedin -gungen kommt. Derzeit besteht noch einriesiger Handlungsbedarf. Dazu gehörensteuerliche Rahmenbedingungen nebenInvestitionsförderungen und den Tarifen.In Summe sehe ich Investments in Er-neuerbare Energien als interessante Al-ternative zu anderen Investments. Mansollte es durch die Schaffung von Rah-menbedingungen schaffen, dass öster-reichische Investoren auch in Österreichinvestieren können. Derzeit fliessen er-hebliche Anlegergelder ins Ausland. Venture Capital ist auch mein Anliegen:Dass man bei uns bessere Vorausset-zungen schafft, auch für Fondsstruktu-ren.

DDaanniieell: Ich würde mir wünschen, dass dievolkswirtschaftliche Betrachtungsweise inder Politik mehr Einzug hält.

RRiicchhtteerr: Beim Thema Förderung wird im-mer vergessen, dass der Nutzen für dasLand höher ist als die Förderung.

MMaaiieerrhhooffeerr: Für 2009 gibt es aus Deutsch-land Zahlen. 5,5 Milliarden wurden anFörderungen investiert, die Umweltrenta-bilität lag bei 6,5 Milliarden.

RRiicchhtteerr: Auf meiner Wunschliste ganz obensteht ein Ökostromgesetz, das den Titelauch verdient.

SSppoonnrriinngg:: Auch vernünftige Rahmenbe-dingungen in den Bearbeitungszeiten, nichtwie derzeit jahrelange UVPs. Es muss al-les schneller gehen. Und noch eines: Im-mer die, die „ich bin bei Atomstrom auchdagegen“ schreien, sind auch gegen denAusbau der Wasserkraft. Dort müsste manüberspitzt formuliert eigentlich die Steck-dose abmontieren.

MMaaiieerrhhooffffeerr:: Ein schönes Beispiel, das icheinmal gehört habe: „Wir fahren alle Autos,die meiste Zeit über stehen sie aber sinnlosin der Gegend herum, 80 Prozent der Zeit.

Man ist heute in der Lage, Fotovoltaikso-larmodule als Folie zu produzieren. War-um nicht in die Innenstadt damit fahren,keinen Kurzparkschein ausfülln, sonderndas Auto ans öffentliche Netz anstecken? Wir können einfach vorhandene Flächen,Gebäude etc. viel effizienter nutzen, ohnedass hektarweise landwirtschaft liche Flä-chen verbaut werden. Es ist auch für denInvestor eine gute Story. Alles, was in Japanpassiert, ist eine Momentaufnahme, da gibtes einen kurzfristigen Hype – aber die Was-serkraft-, Atom- und Erdöllobby ist sehr stark. Wir reden alle vom 3-Liter-Auto und wannwir es endlich bekommen – Porsche hates bereits entwickelt, es steht aber seit den60er-Jahren im Museum.

RRiicchhtteerr: Den wirklichen Durchbruch wirddie Fotovoltaik in Österreich erst schaffen,wenn möglichst viele Bundesländer vor-schreiben, dass sich jeder, der ein neuesHaus baut, etwa Solarthermie dabeihabenmuss.

DDiisskkuussssiioonnsslleeiitteerr:: Robert GillingerFFoottooss:: Franz-Josef Galuschka

„Öko“-Runde im Cafe BE (v. li.): P. Maierhofer, W. Albeseder, C. Daniel, M. Richter, M. Sponring

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Montag, 9. Mai 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 4

Der Vorstand des Zertifikate Forum Austria steht im Cafe BE Rede und Antwort

Was der Zertifikate-Verband auf der Agenda hat

Das Gipfeltreffen zumZertifikate Award Austria2011 über Kodex, Koopera-tionen, Kosten, Kommunika-tion, Klassifizierung & Co.

CCaaffee BBEE:: Wie lange gibt es das Zertifika-te Forum Austria jetzt und wie sieht es ak-tuell mit den Mitgliedern aus?HHeeiikkee AArrbbtteerr: Die Gründung war vor fünfJahren, im Jahr 2006. Aktuell sind Volks-bank, Erste Group, UniCredit, RCB unddie Royal Bank of Scotland Mitglieder.Kurzfristig waren es sechs Mitglieder, Sal.Oppenheim ist wieder ausgeschieden.

CCaaffee BBEE:: Ist man offen für weitere Mit-glieder?

AArrbbtteerr:: Einer der Schwerpunkte des Vor-jahres war es, eine breitere Basis für dieMitglieder zu schaffen. Also um nicht nurin den Nimbus zu kommen, ein Vertreterfür die Emittenten zu sein. Es ist uns ge-lungen, die Börsen – Wiener Börse, Eu-wax, Scoach – als Fördermitglieder zu ge-winnen. Auch mit der OeKB gibt es guteGespräche.

CCaaffee BBEE:: Und weitere Emittenten?AArrbbtteerr:: Auch hier gibt es natürlich Inter-esse, die Bedingung ist ein Committmentzum österreichischen Zertifikatemarkt, wirwollen uns an Häuser richten, die ein In-teresse am Mitaufbau des österreichischenMarkts haben und nicht nach einem viel-leicht schwächeren Jahr gleich wieder wegsind.

CCaaffee BBEE:: Wie kann ich mir so eine Ak-quise vorstellen?FFrraannkk WWeeiinnggaarrttss:: Es gibt ja einige bekannteHäuser aus Deutschland, der Schweiz, Be-nelux oder Frankfurt. Das Thema ist, dassviele Banken schon über ihre nationalenVerbände engagiert sind. Wir freuen unsüber jedes neue Mitglied, jedes neue Mit-glied bringt neue Chancen. Ein höheresBudget hilft uns bei der Erreichung unse-rer Ziele. Viele Banken sind auch in meh-reren Ländern Mitglied, wie z. B. wir (dieUniCredit, Anm.). Also der Ansatz ist, dassman nicht dort präsent ist, wo die Emis-sionen herkommen, sondern auch in denLändern, in denen man sie platzieren will.

Im Cafe BE (v. l.): Frank Weingarts (UniCredit), Heike Arbter (RCB) und Thomas Schaufler (Erste Group)

� Fortsetzung auf Seite 5

Page 67: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Montag, 9. Mai 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Seite 5

CCaaffee BBEE:: Werden bis Jahresende weitereMitglieder dazukommen?WWeeiinnggaarrttss (lacht): Wir arbeiten ja an ver-schiedenen Ebenen, es geht um die Emit-tenten, aber auch um die fördernden Mit-glieder. Bei den fördernden Mitgliedern istein Zuwachs nicht unwahrscheinlich. Beiden Emittenten wissen wir, dass der eineoder andere interessiert ist, es ist aber im-mer auch ein budgetäres Thema.

CCaaffee BBEE:: Es geht um einen mittleren fünf-stelligen Betrag, richtig?WWeeiinnggaarrttss:: Wir wollen das nicht öffentlichkommunizieren, aber es ist definitiv so,dass jeder Emittent das gleiche zahlt. Auchbei den Fördermitgliedschaften geht es füralle um die gleiche Summe.

CCaaffee BBEE:: Fünf Jahre Zertifikate Forum Au-stria. Es waren ja wirklich keine leichtenJahre. Worauf ist man stolz, woran mussman noch arbeiten?AArrbbtteerr:: Ich glaube, dass wir die Krise imZertifikatebereich sehr gut bewältigt ha-ben. Das hat meh-rere Gründe. Zumeinen ist es die In-telligenz der Pro-dukte, die geholfenhat. Es gab in Öster-reich keine sachli-che Kritik, von derProduktakzeptanzhaben die Kunden,die auf Zertifikatesetzen, diesen dieTreue gehalten. Esgab keine Abflüsse.Das gibt uns Ver-trauen, dass die ein-gesetzten Instru-mente die richtigensind. Etwas neidischschaue ich auf an-dere Verbände, wasdie Organisation be-trifft. Bei uns ist esso, dass wir das ne-ben unserer Ban-kentätigkeit machen. In Deutschland oderin der Schweiz gibt es Geschäftsführer, diesich um nichts anderes als um die Ver-

bandsarbeit küm-mern. Da ist na-türlich eine ganzandere Schlagzahlmöglich. Wir ha-ben diese Res-sourcen weder per-sonell, noch finan-ziell. Das ist einbisschen die dunk-lere Seite.WWeeiinnggaarrttss:: Wir ha-ben es in den fünfJahren geschafft,das Thema Zertifi-kate bei den Anle-gern, den Vertrie-ben und bei derPresse zu positio-nieren. Die Wahr-nehmung ist ge-stiegen, auch derEinsatz in denPortfolios. Natür-lich ist der öster-reichische Anlegersehr kapitalschutzorientiert. Ich glaube,

dass sich jedesHaus wünschenwürde, wennmehr Teilschutz-produkte oder li-neare Zertifikatemiteingesetzt wer-den können zurBeimischung.Letztendlich istauch die Wahr-nehmung beimGesetzgeber ge-stiegen. Wir warenja jahrelang be-nachteiligt. Mit der aktuellenSteueränderungist die Benachtei-ligung weg, in derÜbergangsphasegibt es jetzt sogarein Window einerBesserstellung füreinige Kategorien.

Wir haben viel in Broschüren, in Marke-ting investiert, auch das möchte ich er-wähnen.

CCaaffee BBEE:: Wie ofttrifft sich der Vor-stand des Forumsphysisch oder z. B.per Mailkonferenzoder Telefonkonfe-renzen?AArrbbtteerr:: Die Vor-standssitzungenfinden einmal imMonat statt, das istquasi die physischeAnwesenheit, Tele-fonkonferenzendann, wenn es not-wendig ist. Mailkontakt in Zei-ten wie diesen täg-lich. Wir haben ei-ne sehr häufigeKommunikation.

CCaaffee BBEE:: Und dieKommunikationmit internationalenVerbänden?

AArrbbtteerr:: Mit dem DDV gibt es viele ge-meinsame Interessen, wir sind auch Mit-glied in der europäischen Vereinigung eu-sipa, die aktuell sechs Verbände umfasst.

CCaaffee BBEE: Welche sechs sind das?WWeeiinnggaarrttss:: Österreich, Deutschland,Schweiz, Italien, Frankreich und Schwe-den. Österreich war hier eines der Grün-dungsmitglieder mit Deutschland, Schweizund Italien. eusipa-Sitzungen finden zwei-mal im Jahr in unterschiedlichen Haupt-städten statt, die eusipa selbst sitzt in Brüs-sel. Die Länderverbände haben immer wieder Veranstaltungen, beispielsweiseAwards. Die Verbindung ist eng.AArrbbtteerr: Und das nicht nur bei Veranstal-tungen, sondern auch bei Arbeitskreisen.WWeeiinnggaarrttss:: Genau, es gibt beispielsweiseein Legal Komitee und ein Kodex Komi-tee, da sind wir aktiv miteingebunden. Dawerden viele Signale in die nationalen Ver-bände geschickt. Das Tempo ist ja durch-aus unterschiedlich. Die Schweiz gehörtsicher zu den führenden Ländern, alleinschon vom Einsatz im Private Banking bei-spielsweise, auch Skandinavien vollzieht

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„Jedes Haus würdesich wünschen, dass

mehr Teilschutzprodukteeingesetzt werden“Frank Weingarts, UniCred

„Zertifikate haben Deri-vate für die breite Masseinteressant gemacht”

Heike Arbter, RCB

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eine starke Entwicklung. Nicht in jedemLand gibt es aktuell einen Kodex.AArrbbtteerr:: Das dritte Thema neben Legal undKodex ist die Produktklassifizierung, dieeinheitliche Einteilung in Anlage- und He-belprodukte. Da gibt es monatliche Callsauf europäischer Ebene.WWeeiinnggaarrttss:: Die Produktinformationsblät-ter, um Finanzprodukte miteinander ver-gleichen zu können, sind auch ein gros-ses Thema. In Deutschland wird das beiden Zertifikaten in Kürze verpflichtend, inÖsterreich noch nicht. Da es aber ab Ju-li bei Fonds auf europäischer Ebene zurPflicht wird, bereiten wir uns auch schondarauf vor.

(Thomas Schaufler, Erste Group, stösstnach einem Termin dazu)

CCaaffee BBEE:: Herr Schaufler, Sie sind im Vor-stand des Forums ja für die Ausbildungzuständig. Es wird da durchaus gute Auf-klärungs- und Transparenzarbeit unter-stellt, daher wohlauch weniger Ab-flüsse in der Krise. Was sind aktuelldie Schwerpunkte?TThhoommaass SScchhaauufflleerr::Zertifikate habenden Vorteil derspäten Geburt. Wirhaben von Beginnan darauf geachtet,dass die Produktean die richtigenLeute verkauft wer-den. Die Branchehat sich kurz vorder Krise selbstüberholt, das mitden komplexenAuszahlungsthe-men hat sich zumGlück wieder re-duziert. In der Aus-bildung geht es unsgemeinsam mitWiener Börse und Finance-Trainer dar-um, das Thema „Rendite und Chance injeder Marktlage“ zu transportieren. Mankann Überraschungen weitgehend aus-

blenden. Daskommt bei Kunden,die das verstandenhaben, sehr gut an.Uns geht es jetztnoch darum, dieLeute, welche dieProdukte verkaufen,noch viel stärker ab-zuholen. Da gibt esnoch Berührungs-ängste.

CCaaffee BBEE:: Es gibt jaseit einem Jahr dieMöglichkeit, seinWissen prüfen zulassen. Wieviele sind an-getreten, wie vielehaben es geschafft?SScchhaauufflleerr:: Es habenalle geschafft, diebisher angetretensind. Mit der absoluten Menge sind wirnicht zufrieden, da hätten wir uns mehr

erwartet. Es ist jaeine Möglichkeit,den eigenenMarktwert zu stei-gern. Man kannzeigen, dass manin der Asset Klas-se fit ist. Ich glau-be, das Setup istgut gewählt, imVertrieb sind wirnoch nicht durch-gekommen, wasdie Entschei-dungsträger be-trifft. Man zögertnoch mit der Bud-getfreigabe. Die Si-gnale von ganzoben sind aber dierichtigen. Bisherhaben knapp 20Leute die Prüfungabgelegt.

CCaaffee BBEE:: Sie arbeiten alle in Grossban-ken. Sind da nicht die Personalchefs einegute Adresse für die Akquise?SScchhaauufflleerr:: Weniger die Personalchefs, son-

dern eher die Ver-triebsverantwortli-chen, die ent-scheiden über dieBudgets. Wenn man wie wirin der Erste Bank900 Berater hat,und die Sache gutist, dann sollteman es allen ge-ben. Inklusive Aus-bildung davor istdas eine Sache, dienicht ohne Pla-nung geht.

CCaaffee BBEE:: Wir ha-ben über die Zu-sammenarbeit mitZertifikateverbän-den untereinandergesprochen. Gibt es auch Zu-

sammenarbeit z. B. mit Fondsverbänden?AArrbbtteerr: Ja, laufend. Viele Leute sitzen jaauch in Arbeitsgruppen in der Wirt-schaftskammer, wo einiges koordiniertwird.SScchhaauufflleerr: Wirtschaftstreuhänder und Wirt-schaftsprüfer sind eine Zielgruppe, die wirim Vorjahr gut erreicht haben. Es ist wich-tig, dass diese Experten mit den Produk-ten gut vertraut sind. In der Kooperationmit der Wiener Börse richten wir uns z. B.an Leute aus dem Private Banking, an In-stitutional Sales. Heuer wird es in Öster-reich acht Termine geben, in allen gros-sen Städten.AArrbbtteerr:: Das wurde im Dialog mit der Wie-ner Börse entwickelt, im Rahmen der För-derpartnerschaft. Es ist gut, dass wir alsForum bei den Roadshows dabei sind, da-zu auch vor Ort bei einigen Banken. Füruns sehr wichtig war auch der Kongressam 5. Mai. Hier haben wir uns bemüht,das Ganze auf eine breitere Basis zu stel-len, 130 Anmeldungen hat es für 2011gegeben, das ist eine deutliche Steigerung.

CCaaffee BBEE:: Was sind die speziellen Aufga-ben von Alexandra Baldessarini, die heu-te leider nicht dabei sein kann, im Vor-

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„Themen und Auszahlungsvariantenkönnen sehr schnell erzeugt werden“

Alexandra Baldessarini, VB SI

„Müssen die Entschei-dungsträger im Vertrieb für Zertifikate gewinnen“

Thomas Schaufler, Erste Group

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stand des Forums?AArrbbtteerr:: Alexandra Baldessarini kümmertsich u. a. um den Veranstaltungsbereich,sie ist z. B. federführend für den Zertifika-te-Kongress verantwortlich. Dazu mit mirgemeinsam für Steuerthemen.

CCaaffee BBEE:: Welche Anliegen hat die Bran-che aktuell?AArrbbtteerr:: Wichtig ist uns, zu zeigen, dass Zer-tifikate Dinge können, die andere Instru-mente nicht können. Nämlich, dass sie De-rivate nutzen und ein-setzen, um für denKunden ein verbes-sertes Auszahlungs-profil zu liefern. Indem Moment, in demman das Wort Derivat in den Mundnimmt, wird es leider gefährlich. Schade,denn das Gegenteil ist der Fall: Man ver-wendet Derivate, um das Risiko heraus-zunehmen. Das ist mein Anliegen.

SScchhaauufflleerr:: Ein Anliegen ist auch, dass beiden Journalisten die Bereitschaft besteht,bei Fragen auch anzurufen. Jeder von unsist erreichbar. Zuletzt wurden verstärkt Din-ge geschrieben, die so einfach nicht rich-tig sind. Immer wieder fällt der Begriff„Black Box“ auch in österreichischen Me-dien.

CCaaffee BBEE:: Der 5. 5. mit Kongress und Award– ist das Euer Jahreshighlight im Forum?AArrbbtteerr: Ja, es ist ganz klar der Tag der Bran-che. Allein schon aus budgetären Grün-den müssen wir da fokussieren. An die-sem Tag wollen wir ganz besonders zei-gen, was wir können und was wir tun.WWeeiinnggaarrttss:: Es ist auch die mediale Auf-merksamkeit da, es gibt auch die Mög-lichkeit einer pointierteren Darstellung undnicht zuletzt ist es eine wichtige Zusam-

menkunft der Branche.

CCaaffee BBEE:: Die halbpri-vate Schlussfrage – wielange seid Ihr dabeiund was fasziniertEuch am Thema?AArrbbtteerr:: Mein Interesse

kommt aus dem Interesse für den BereichDerivate. Das Zertifikat ist das Instrument,welches das Derivat salonfähig und fürden Privatanleger zugänglich gemacht hat.Die Terminbörsen, ich bin seit dem ÖTOB-Start vor fast 20 Jahren dabei, war ja im-mer nur ein Thema für einige wenige. DieAufbereitung für die interessierte breiteMasse ist für mich persönlich die Faszi-nation des Geschäfts.WWeeiinnggaarrttss:: Ich bin seit 1998 dabei, warBörsenhändler für Bundesanleihen, imNeuemissionsgeschäft für Fixed Incomeund Equity-Produkte. Als die ersten Struk-

turierten Produkte gekommen sind, warmein Interesse sofort geweckt. Was michfasziniert: Es gibt Phasen, da gehen nurAktien; es gibt Phasen, da gehen nur An-leihen. Aber Zertifikate gehen immer. Obes nun um Märkte geht oder um Zertifi-kate-Varianten, man kann Portfolios sehrgut diversifizieren. Die Wandelbarkeit derBranche fasziniert mich auch. Wir müs-sen Orientierung geben.SScchhaauufflleerr: Ich komme aus der Beraterecke,bin seit 1997 im Treasury, seit 2004 fürdie Zertifikate verantwortlich. Ich finde esspannend, dass kein Jahr so wie das letz-te ist. Jedes Jahr neue Herausforderungen,neue Märkte, neue Modetrends. Die Pla-nung ist schwierig, auf die Schnelligkeitkommt es an.AAlleexxaannddrraa BBaallddeessssaarriinnii (per Mail einge-holt): Ich in seit 2000 im Zertifikatege-schäft. Faszinierend finde ich die Schnel-ligkeit, wie Themen oder Auszahlungsva-rianten für unterschiedlichste Kundenbe -dürfnisse erzeugt werden können und wieflexibel mit Zertis auf Marktänderungenund Chancen daraus reagiert werden kann.

Diskussionsleitung: CChhrriissttiiaann DDrraassttiill

Fotos: FFrraannzz--JJoosseeff GGaalluusscchhkkaa

Vorstand des ZFA:Heike Arbter (Vorsitz),Alexandra BaldessariniThomas SchauflerFrank Weingarts

� http://www.boerse-express.com/cafebe

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Cafe BE: Medienrunde zur VC- und PE-„Szene“ und zum allgemeinen „Gründerklima“

„Neue Top-Firmen braucht das Land“

Zu wenig Geld, zu wenigBildung und/oder zu wenigSelbstvertrauen? Und kannuns die Politik (noch) retten?

CCaaffee BBEE:: Wie empfinden Sie das aktuelleGründerklima?MMaarrttiinn PPuuaasscchhiittzz:: Wir vertreten von derWirtschaftskammerseite her die Unter-nehmer von 18 bis 40. In Wien sind dieGründungen Spitze. Im Jahr 2010 gab esrund 8800 Neugründungen, wir sind da-mit Vorreiter unter den Bundesländern,Das Klima ist also insgesamt durchauspositiv, erfreulich ist, dass es sich zwischenWeiblein und Männlein total annähert, esist fast schon ausgeglichen, im Momentnoch 48:52. Die Leute wollen wieder et-was tun, sie sehen auch diverse Chancen,die Wirtschaft läuft wieder an und alle sindganz „g’schaftig“.HHeeiinnrriicchh GGrröölllleerr:: Auch wir vertreten (als

Junge Industrie, Anm.) einige Start-Ups.Übrigens empfinde ich die Themen Grün-der und Venture Capital als SEHR bör-senlastig, denn im Wesentlichen sind dasdie Unternehmen, die in 10 bis 15 Jahrenan der Börse notieren werden. Wenn mansich die heutige Wiener Börse ansieht,dann waren von denen im Prime Marketvor 15 Jahren vielleicht zwei oder drei ver-treten, der Rest ist neu.Das komplette Thema Venture Capital

und Private Equity wird leider von der Öf-fentlichkeit viel zu wenig ernst- bzw. wahr-genommen, es gibt auch zu wenig politi-sches Interesse, wir warten seit Jahren aufgesetzliche Änderungen, die nicht statt-finden.Was die Finanzierungsseite betrifft, hat

es in den vergangenen drei Jahren - kri-senbedingt - einen starken Rückgang beiden Start-Ups gegeben. Early Stage, Ven-ture Capital und Start-Up-Finanzie-run-gen sind natürlich mit relativ hohem Ri-

siko behaftet. Aus unserer Sicht verbessertes sich im Moment, es sind auch die Ban-ken wieder bereit, etwas mehr Risiko ein-zugehen. Allerdings sind wir von den Grös-senordnungen her weit entfernt von einemPunkt, wo wir schon einmal waren: 2010war etwa halb so gut wie 2007 ...BBuurrkkhhaarrdd FFeeuurrsstteeiinn:: Uns interessieren na-türlich in erster Linie Themen, wo es dieChance gibt, innerhalb von fünf bis achtJahren wirklich bekannte Unternehmenzu generieren, die dann an die Börse ge-hen können. Das schönste Beispiel warsicher bwin.party (damals bet-and-win) -von Null auf Weltmarktführer in einembestimmten Bereich.Die Rahmenbedingungen sind in Öster-

reich meiner Meinung nach so gut und soschlecht wie in Deutschland, Italien, Frank-reich oder anderswo. In vielerlei Hinsichtist mir Österreich sogar bei weitem lieberals Deutchland (vor allem, was das Ar-beitsrecht angeht).

Im Cafe BE (v. li.): Heinrich Gröller (Junge Industrie Wien), Siddhartha Sampath-Kumar (LPC Capital Partners), Martin Puaschitz (Junge Wirtschaft Wien), Susanne Seifert (Franchise-Verband), Paul Jezek (BE), Burkhard Feurstein (Gamma Capital)

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Der Kern des Problems ist die Skalier-barkeit, deshalb macht z. B. der Franchi-severband sehr viel Sinn - und der Kapi-talmarktzugang, wie er „verkauft“ wird. Wirbrauchen Geschichten: bwin.party war gut,Phion war schlecht.SSuussaannnnee SSeeiiffeerrtt:: Zum Sinn des Franchi-sing für Start-Ups: In den vergangenen Jah-ren wurden durchaus sehr gute Leute frei-gesetzt in einem Alter, wenn sie gesagt ha-ben, sie möchten noch etwas tun, und diehaben sich dann mit Franchising selb-ständig gemacht. In der Franchiseszenegibt es eine sehr positive Stimmung, wasdas Umsatzwachstum betrifft. Laut eineraktuellen Studie, die wir initiiert haben,wollen heuer 86 % der Franchisegeberneue Partner aufnehmen, d. h. es ist ge-nug Raum hier. Umgekehrt liegt dieSchliessungsrate bei etwas mehr als 4%,das ist natürlich sehr wenig, verglichen mitder „konventionellen“ Wirtschaft. Und auchwenn der Franchisenehmer scheitern soll-te, es wird sehr selten ein Standort ganzgeschlossen, der Franchisegeber bemühtsich dann um einen neuen Partner.

Was die Finanzierung betrifft, hat sichder Franchiseverband in den vergangenen

Jahren sehr bemüht,den Banken das Ge-schäftsmodell klarzu-machen, aber die Kre-ditinstitute erkennennach wie vor nicht dieBedeutung des Fran-chising, hier herrschteindeutig Aufholbe-darf bei den Banken! Viel zu häufig hö-

ren wir die Meinung,ein Franchisenehmersei ja kein „wirklicher“Unternehmer, weil ernichts zu entscheidenhätte. Dabei reden wirvon einem Jahresnet-toumsatz der Fran-chisesysteme vonrund acht MilliardenEuro. Kurz: DemFranchising geht’ssehr gut.

Sollten Sie nicht nochmehr am Image ar-beiten? In der Öf-fentlichkeit ist z. B. zu

wenig bekannt, dass Franchising in sehrvielen Branchen existiert.SSeeiiffeerrtt:: Ja, unsere Breite von Rechtsan-wälten über Steuerberater bis hin zu Son-nenstudios und den allgemein bekanntengastronomischen Konzepten ist viel zu we-nig bekannt. Auch die Leistungen des Fran-chisegebers sind zu wenig geläufig. Na-türlich wird es immer da und dort ein Sy-stem geben, das nicht so optimalfunktioniert, aber das ist ja in allen wirt-schaftlichen Bereichen so.Noch einen Hemmschuh gibt es bei der

Mentalität: So wie der Österreicher seineigenes Häuschen bauen will, will er sei-ne eigene Firma haben. Ein absoluter Frei-denker, ein Freigeist mit einer tollen, in-novativen Idee wird beim Franchising nichtglücklich sein.SSiiddddhhaarrttaa SSaammppaatthh--KKuummaarr:: Ich unter-scheide zwischen dem kurzfristigen Grün-derwetter und dem Gründerklima. Beimersterern ist mein subjektiver Eindruck,dass da durchaus Bewegung d’rin ist (z. B.gleich drei Gründungen im Freundeskreisin letzter Zeit).Wir haben auch eine durchaus sehr ge-

prägte Förderlandschaft und ich sehe esbei meinen Bekannten, dass die durchausZugänge finden. Aber ein echter Klima-Wandel?

„Die potenziellen Gründer werden schon in der Schule eben nicht zu Unternehmern erzogen“Heinrich Gröller, Vorstand der Jungen Industrie Wien

„Die Deutschen haben als Unternehmer ein ganz anderes Aussenauftreten und Selbstvertrauen als wir Österreicher“

Susanne Seifert, Generalsekretärin des Österr. Franchise-Verbandes

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Wobei, die politischen Rahmenbedin-gungen sind vielleicht gar nicht so schlecht.Als schlimmer empfinde ich das allge-meine Negativimage, wenn hier in der Öf-fentlichkeit der böse Spekulant bzw. derböse Unternehmer ganz oben stehen.Und noch etwas: Wir haben nach wie

vor einen sehr starken wirtschaftlichen An-alphebetismus. In meiner Karriere bei Ro-land Berger haben wir potenzielle Kandi-daten interviewt - die Top 5% der WU-Ab-gänger -, die wurden mit der Fragestellungkonfrontiert, Bilanz und GuV eines Wür-stelstandes zu berechnen - und das ha-ben 95% nicht geschafft.GGrröölllleerr:: Die meisten haben wohl nicht ein-mal gewusst, was eine GuV überhaupt ist?KKuummaarr:: Auch das Umfeld ist ein Thema,Stichwort „Kultur des Scheiterns“.

Ich möchte noch einmal auf die Rahmen -bedingungen zurückkommen, da gibt esunterschiedliche Meinungen hier in derRunde?

GGrröölllleerr:: Die wesentli-chen Punkte sind,dass Gesetze nichtentschieden werden.Es soll eine steuerli-che Regelung für Pri-vate Equity-Investitio-nen kommen, die seitfünf Jahren diskutiertund nicht und nichtzum Gesetz wird, esist eine provisorischeRegelung herausge-kommen, die aberausdrücklich als pro-visorisch gekenn-zeichnet wurde. Noch etwas Wichtigesist die „kulturelleKomponente“ auf bei-den Seiten. Die po-tenziellen Gründerwerden schon in derSchule eben nichtzum Unternehmer er-zogen. (Die Junge In-dustrie unterstütztdeshalb u. a. die IF-TE, die Initiative fürTeaching Entrepre-neurship.)

Auf der Investorenseite sind und blei-ben die Österreicher eine Sparnation, dasbeginnt sich zwar langsam zu ändern, istaber ein sehr schleppender Prozess. In denUSA ist es einfach leichter, Investorengel-der für Risikoprojekte zu akquirieren, dasist eine Kulturfrage. Natürlich tragen auch die Medien da-

zu bei, die schreiben viel zu oft, dass esnur ein Betrug sein kann, wenn wo Geldverdient wird. Dabei gehen ja bei Start-Up-Finanzierungen von 10 Projekten achtziemlich schief und schon deswegen müs-sen die beiden, die übrigbleiben, total gutsein.

Wir vom Börse Express sehen unheimlichviele Initiativen, Awards und Wettbewer-be, ist das nicht schon inflationär? GGrröölllleerr:: Stimmt, es gibt sehr viele Privat-initiativen, aber praktisch nichts „Institu-tionalisiertes“, Strukturiertes. Es ist extremschwierig, mit Know-how in die Schulenzu kommen - auch mit wirklich guten An-geboten. Es würde viel mehr Sinn machen,wenn solche Initiativen ordentlich ge-bündelt würden und die PS auf die Stras-se kämen.PPuuaasscchhiittzz:: Ich möchte auch das Lehr-lingsthema erwähnen. Viele Unternehmertun sich total schwer: Grundrechenarten

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„Die Wirtschaft läuft wieder an und alle sind ganz g’schaftig“

Martin Puaschitz, Vorsitzender d. Jungen Wirtschaft, Wien

„Wenn jemand wirklich interessiert ist, kann man schon 20.000 bis 50.000 Euro

auftreiben und damit starten“Burkhard Feurstein, Gamma Capital

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funktionieren oft nicht mehr und wennsich der Unternehmer auch noch darumkümmern soll bzw. muss ... Es kommenvon der Schule bzw. von den den HTLsviele, die das nicht können, was sie ei-gentlich gelernt haben sollten.KKuummaarr:: Noch ein Thema ist das „Mind-set“: Probieren die Leute das Gründen hartgenug? Bei meinem Austauschseminaram MTI in Boston habe ich ein Start-Upkennengelernt, bei dem der Gründer ge-meint hat, die eigentlichen Kreditgebersind doch die Kreditkartenfirmen. Der hatbei fünf oder sechs Kreditkartenfirmen je-weils 20.000, 30.000 US-Dollar überzo-gen und damit sein Start-Up finanziert.Hier bei uns ist es eher so, es schreibt

eine(r) einen Business Plan, geht damit zurBank, die Bank sagt, sie will Sicherheitenhaben, die nicht vorhanden sind - und daswar’s. Mein Vorwurf lautet: Es fehlt (auch)an der Einstellung, es hart genug zu pro-bieren.SSeeiiffeerrtt:: Aber bei wem würden Sie es dennprobieren, wenn Sie kein Eigenheim ha-ben?

PPuuaasscchhiittzz:: Ich glaube, es geht ganz emi-nent um das Vertrauen - um die Person.Und es ist richtig, dass wir ein Land derSparer sind. Aber das ist doch auch posi-tiv, es gibt viel Erspartes, man müsste ebenverstärkt Privatpersonen mit Ideen zu-sammenbringen: Investiere in eine neueStart-Up-Idee, dann bekommst Du z. B.steuerliche AnreizeSicher darf man sich nicht nur auf das

Bankensystem verlassen.GGrröölllleerr:: Die Bankenfinanzierungen wer-den durch Basel III ja auch nicht einfa-cher werden.KKuummaarr:: Die Banken sind aber auch nichtdie richtigen Ansprechpartner, z. B. die Er-ste Bank als klassisches Retailinstitut be-kommt das Geld ja nicht von ihren Spa-ren, um damit zu spekulieren.Wenn es um grosse Summen geht, sind

solche Adressen wie Kollege Feurstein dierichtigen Ansprechpartner. Oder ManfredReichl, der ist als Business Angel durchdas Land getingelt und hat mitgeholfen,Apeiron zu finanzieren - und die habenjetzt tolle Meilensteinzahlungen bekom-

men. Eine Nummerkleiner ist z. B. dasBusiness Angels Netz-werk, zu nennen sindauch die Förderbankaustria wirtschaftsser-vice (aws) oder, wennman in Niederöster-reich präsent ist, tec-net.

Die Venture Capital-und Private Equity-„Szene“ war doch voreinem Jahrzehnt auchin Österreich schonviel deutlicher ausge-prägt als heute?FFeeuurrsstteeiinn:: SchauenSie, auch für uns istder Kapitalzugangheutzutage vielschwieriger, wenn Siesich Basel III oderSolvency II anschau-en. Noch ein Detail:Bei unserem aktuel-len Fonds beträgt derAnteil der Privatinve-

storen etwa die Hälfte, bei der „älteren Ge-neration“ der Gamma Capital-Fonds wa-ren es etwa 10% Privatinvestoren.Aber: Wenn jemand wirklich interessiert

ist -, und da bin ich ganz bei Kollege Ku-mar - kann man schon 20.000 bis 50.000Euro auftreiben und damit starten. „Bevorich nicht die erste Million Investment bei-sammen habe, tu’ ich nix“, ist definitiv diefalsche Einstellung. Es ist selten, dass am-bitionierte und talentierte leute gar keineChance bekommen.Noch etwas: Erwarten wir uns nicht zu

viel von der Politik. Wir sind nun einmalrot/schwarz in Österreich und die Schwar-zen möchten keinen Wettbewerb und die-Roten wollen keinen Profit.KKuummaarr:: Vor wenigen Tagen stand in derZeitung, dass bei Austria Tabak rund 320Arbeitsplätze weggefallen - das ist bitteschön Teil unseres Wirtschaftssystems,dass es Lebenszyklen gibt, dass Firmenanfangen, zusätzliche Arbeitsplätze schaf-fen und dann reifen. Und danach ist esvöllig klar, dass die ATX-Grosskonzernein reifen Märkten - Andritz z. B. nicht, aberdie Telekom Austria schon - über die näch-sten zehn Jahre massiv Stellen abbauenmüssen. Darüber braucht man sich nichtaufzuregen, sondern man muss die näch-sten Businesswellen surfen und neue Fir-men und neue Arbeitsplätze schaffen undman muss nach Josef Schumpeter „krea-tiv zerstören“.FFeeuurrsstteeiinn:: Es gibt ein sehr gutes Buch vomführenden Harvard-Forscher Josh Lerner,„Avenue of broken dreams“ über gelun-gene und gescheiterte Versuche staatli-cher Förderung von Start-Ups.Aufgefallen ist mir dabei vor allem das

Beispiel Singapur. Die Asiaten haben ja(auch) keinen „leichtfüssigen“ Zugang zumScheitern und Gesichtsverlust ist ein Rie-senthema. Deshalb hat man in Singapurziemlich früh beim Bündel der Initiativeneinen Phoenix Award gestiftet und zeich-net damit alljährlich jenen Unternehmeraus, der aus einer Pleite heraus den be-sten Re-Start geschafft hat. Motto: „Fallenund wieder aufstehen!”SSeeiiffeerrtt: Noch ein psychologischer Aspekt:Wir verleihen Newcomer Franchise Awardsmit dem Kriterium „maximal zwei Jahream Markt“ und wir bekommen (auch hier)kaum bis keine Einreichungen. Für mich

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„Kreative Zerstörung nachJoseph Schumpeter war und ist Teil unseres Wirtschaftssystems“Siddhartha Sampath-Kumar, LPC Capital Partners

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ist das ganz wesentlich eine Frage des(nicht vorhandenen) Selbstbewusstseins,wenn ich gar nicht glaube, dass ich die-sen Award gewinnen kann - sehr öster-reichischspezifisch, die Deutschen habenda ein ganz anderes Aussenauftreten alsUnternehmer.KKuummaarr:: Institutionelle Finanziers stehendurch Basel III und Solvency 2 vor einemdramatischen Problem auf ihrer Finan-zierungsseite. Und generell haben institu-tionelle Investoren wie Banken, Versiche-

rungen und Pensionskassen bei uns niedie Tradition wie in den angloamerikani-schen Ländern entwickelt, auch einen Teilihres Portfolios - sagen wir 5 bis 10% - inRisikokapital bzw. in Start-Ups zu inve-stieren. Das ist in Österreich ganz dra-matisch! Wobei: Die Banken sollten dasvielleicht eh weniger tun, aber die Versi-cherungen und die Pensionskassen müss-ten sich ganz massiv engagieren. Motto:Mehr Rendite bei längerer Bindungsdau-er! Die Pensionskassen betreiben ihre Ver-anlagungen heute ja so wie die österrei-chischen Sparer mit ihrem Sparkonto: alstäglich fällige Gelder. Dass da natürlichkeine Renditen herauskommen und die

Pensionskassen schlecht performen, liegtauf der Hand.GGrröölllleerr:: Das bringt mich zu den viel zuniedrigen Eigenkapitalquoten in der hei-mischen KMU-Landschaft - und zum ent-sprechenden struktureller Fehler in derösterreichischen Bankenlandschaft. Unddas wird sich leider nicht ändern, ehernoch in die andere Richtung, zu noch we-niger Risikokapital.FFeeuurrsstteeiinn:: Das fürchte ich leider auch.Qualitätstitel für das Publikum müssen

her. Wann immer niederschwelliger Zu-gang zum Kapitalmarkt aufgetan wurde(z. B. Neuer Markt in Deutschland, Wienhat’s vor ein paar Jahren versucht), warenin kürzester Zeit die Scharlatane da, eineRunde Abzocke und die sind dann mitdem Geld irgendwohin verschwunden.Ob man da einen Ethikbeirat machen

kann, der die Zulassung reguliert: WelchesAnreizsystem und welches Regulations-system braucht man? Intercell war ein su-perposititves Beispiel, ist aber unmittelbarvor dem Börsegang beinahe durch einenschlecht recherchierten Artikel „abgesto-chen“ worden, was Gott sei Dank dochnicht funktioniert hat..

GGrröölllleerr:: Für mich ist das Bildungsthemaein ganz wesentlicher Ansatz: Wie berei-te ich junge Leute auf das Unternehmer-tum vor?SSeeiiffeerrtt:: Franchising muss vor allem amImage arbeiten. Darüber hinaus wird Fran-chising auch in der Förderlandschaft sehrstiefmütterlich behandelt, auch hier gibt’sAufholbedarf.PPuuaasscchhiittzz:: Man muss auch verschiedeneUnternehmertypen differenzieren - es gibtz. B. den sehr wichtigen „Erhalter“ und

eben nicht den Freigeist. Der „Erhalter“hat ein gewisses Set, mit dem kann er gutarbeiten, während der „Zauberer“ halt je-de Woche eine neue Idee hat, ein Start-Up mit Venture Capital auf Schiene bringtund dann dem Erhalter gibt. Wir brauchenbeide „Typen“.Und noch ein Wunsch zur Grün-

dungserleichterung: dass es die 10.000-Euro-GmbH geben möge.KKuummaarr:: Auf die Politik zu warten, ist je-denfalls Zeitverschwendung.

DDiisskkuussssiioonnsslleeiitteerr:: Paul Christian Jezek

FFoottooss:: Franz-Josef Galuschka

VC/PE-Runde im Cafe BE (v. l.): M. Puaschitz (Junge Wirtschaft Wien), H. Gröller (Junge Industrie Wien), S. Seifert(Franchise-Verband), B. Feurstein (Gamma Capital), S. Sampath-Kumar (LPC Capital Partners), P. Jezek (Börse Express)

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Cafe BE mit den Börse-Chefs zu Umsätzen, Umfeld, Privatisierungen und Treichl-Sager

„Rückkehr zu kapitalmarktfreundlicherWirtschaftspolitik sehr, sehr dringend“

Interessiert die Politik derKapitalmarkt einfach nichtoder versteht sie dessen Bedeu-tung nicht? „Beides,“ sagen dieBörse-Vorstände Michael Buhlund Heinrich Schaller.

Cafe BE: Im April ist das Handelsvolu-men im PrimeMarket mit 4,05Mrd. Euro(laut FESE) auf den tiefsten Monatswertseit Dezember 2008 gerasselt. Betrachtetauf die ersten vier Monate des Jahres, zeigtsich in Wien ein Minus von 18%, währendFrankfurt und Warschau zweistellig zule-gen konnten. Was läuft falsch?Michael Buhl: Wir haben mittlerweileziemlich intensiv nachgeforscht und mitdenMarktteilnehmern gesprochen. Es ha-ben sich zwei grosse Komplexe als Grün-de herauskristallisiert. Der eine ist rund umdie Wertpapier-KESt zu sehen, deren Ein-führung zu Vorziehkäufen im Dezemberund jetzt zu geringeren Umsätzen undschlechterer Stimmung geführt hat. Dazugehören leider auch die seit einiger Zeit

nicht verstummenden Stimmen, meistensaus der Politik, die Verunsicherung her-vorrufen. Das sind Themen, wie Ideen zurErhöhung der Bankensteuer, zur Einfüh-rung einer Transaktionssteuer, einer Wie-dereinführung der Vermögenssteuer unddie wirklich abstruse Idee, gesetzlich in dieArt und Weise einzugreifen, wie Dividen-den gezahlt werden. Das sind alles Berei-che, die sowohl national als auch interna-tional wahrgenommen werden und zu ei-ner Verunsicherung führen, was wiederumniedrigere Umsätze zur Folge hat. Der zwei-te Themenkomplex ist, dass Österreich unddie anderen osteuropäischen Märkte der-zeit wenig attraktiv sind, auch aufgrund sol-cher Diskussionen. Und es gibt etliche an-dere Emerging Markets, in die das Geldsehr schnell ausweichen kann.Heinrich Schaller: Was man ergänzensollte: Wir machen immer wieder Vor-schläge, wie man den Kapitalmarkt stär-ken könnte, etwa mit Blick auf die Privati-sierungen. Dieses Thema wurde jetzt auchvon Wirtschaftskammer und Industriel-lenvereinigung aufgegriffen. Problematischdabei ist allerdings, dass das in der Politik

sofort als ideologisches Thema aufgefasstwird. Unserer Meinung nach ist das keinideologisches, sondern vielmehr ein wirt-schaftliches Thema. Dafür hat man in deraktuellen politischen Konstellation abernur sehr wenig Verständnis. Es wäre schonsehr, sehr dringend, dass man wieder zueiner vernünftigen kapitalmarktfreundli-chen Wirtschaftspolitik zurückfindet. Dasist für den Standort extrem wichtig.

Wann hat es denn zuletzt eine kapital-marktfreundliche Politik gegeben?Schaller: Eine kapitalmarktfreundlichePolitik hat es sicher in der schwarz-blau-en Regierung gegeben. Aber – und das darfman nie vergessen – die wirklich guten Pri-vatisierungen über die Börse haben in den90er Jahren begonnen, in einer grossenKoalition unter Führung der Sozialdemo-kraten. Da waren wirklich sehr erfolgrei-che Privatisierungen darunter. Man solltedieses Kind nicht weglegen, sondern denGedanken wieder aufgreifen und sehen,was daraus geworden ist.

Sie haben die Einstellung der Politik zum

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Heinrich Schaller (li.) und MIchael Buhl erzählen über „verhaltene“ Polit-Reaktionen zumThemaPrivatisierung

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Kapitalmarkt angesprochen. Die Statementsvon Erste-Chef Andreas Treichl zur hei-mischen Politik werden dieser Tage regediskutiert. Wie finden Sie das?Schaller: So wie vorher gesagt. Wir stehenvoll hinter dem Gedanken, dass eine wirt-schaftsfreundlichere Politik betrieben wer-den muss. Wie man das dann ausdrückt,bleibt jedem selbst überlassen. Aber es istdringendst notwendig.Buhl: In der Sache selbst gebe ich Treichlpersönlich vollkommen Recht. Wir sindmomentan weit entfernt von einer Situati-on, die dem Kapitalmarkt, der Wirtschafthilft. Das wird momentan - wahrschein-lich aus ideologischen Gründen heraus -hintangestellt. Wirtschaft wird fast als et-was Negatives angesehen. Wirtschaft schafftArbeitsplätze, aber all diese Dinge werdenderzeit ausgeblendet. Momentan wird dasFell oftmals ohne den Bären verteilt.

Haben Sie eigentlich mit der neuen Fi-nanzministerin schon Gespräche geführt?Schaller:Wir werden demnächst die kon-kreten Gespräche mit ihr aufnehmen. Mitdem Kabinett sind wir natürlich ständig inVerbindung. Wir sprechen aber mit allenpolitischen Parteien.

Wie es aussieht kommt es zur Verschie-bung der Wertpapier-KESt auf April 2012.Zufrieden?Buhl: Das ändert aus meiner Sicht nochgar nichts. Denn es verschiebt sich ja nichtder Zeitpunkt, ab wann sie gilt, sondernwann sie eingehoben wird. So wie es mo-mentan aussieht, ist nur der unmittelbareEinführungszeitpunkt verschoben, aber je-der Kauf ab dem 1.1.2011 fällt darunter.Wir hoffen nach wie vor, dass die Versu-che, die Wertpapier-KESt zu kippen, er-folgreich sind.

Als diese Steuer entstanden ist, haben sichim Vorfeld eigentlich Politiker bei der Bör-se über mögliche Auswirkungen erkundigt?Schaller: Nein.Buhl: Wir sind zur Politik gekommen.

Zuletzt gab es Berichte über den Wunschzahlreicher Wirtschaftstreibender für dieGründung einer neuen wirtschaftspoliti-schen Partei. IV-Präsident Veit Sorgerspricht von einem Unmut, der vorhanden

ist. Spüren Se diesen auch?Schaller: Der Unmut ist da und ist sehr,sehr gross, das ist überhaupt keine Frage.Was eine mögliche neue Parteigründungbetrifft, davon wissen wir nichts.

Sie haben Privatisierungen angesprochen.Finanzministerin Fekter meinte prinzipiellja, Privatisierungen zum Schuldenabbau.SP-Staatssekretär Schieder sagte daraufhinin einem Interview, ihm fällt zu Privatisie-rungen „gar nichts“ ein....Buhl: Das spricht für sich.

Es gab jedenfalls deutliche Reaktionen.Glauben Sie wirklich, dass es in dieser Le-gislaturperiode noch zu Privatisierungenkommen könnte?Schaller: Ich hoffe, und ich halte es fürnicht ganz ausgeschlossen, wenn man esendlich schafft, die wirklichen Vorzüge derPrivatisierung über die Börse darzulegen.Buhl: Wir konnten aufzeigen, dass eineWin-Win-Situation schnell möglich wäre.Wir haben auf ein potenzielles Volumenvon 24 Mrd. Euro hingewiesen - unterlegtdurch eine Studie - und betont, 25% pluseine Aktie sollen in österreichischer Handbleiben. Damit wollten wir bereits demgrösseren Koalitionspartner und seinen

ideologischen Problemen die Hand rei-chen. Rund 4 Mrd. Euro davon entfallenauf Restprivatisierungen von bereits an derBörse notierenden Unternehmen, die re-lativ schnell das Budget entlasten könnten.

Eine Sperrminorität von 25% ist aber nichtin jeder Branche notwendig?Buhl:Natürlich nicht, das ist prinzipiell ei-ne Frage, wie marktliberal man grund-sätzlich denkt.

Wie war das Feedback der einzelnen Par-teien?Schaller (überlegt kurz):: Verhalten.

Es gibt unterschiedliche Meinungen zu derProblematik: Interessiert die Politiker derKapitalmarkt einfach nicht oder verstehensie Thematik und Bedeutung nicht?Schaller: Offen gestanden, ich glaube fastbeides. Und da geht es wirklich um die Be-deutung eines funktionierenden Kapital-markts in einer Volkswirtschaft. Buhl: Das würde ich genau so sehen. Unddamit sind wir letztendlich wieder beimTreichl'schen Sager.

Um auf die anfangs erwähnten Gründe zu-rückzukommen. Gegen das Argument, dass

„Problematisch ist, dass Privatisierungen in der Politik sofort als ideologisches Thema aufgefasstwerden. Es gibt sehr wenig Verständnis dafür“

Heinrich Schaller

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Osteuropa derzeit nicht so interessant ist,spricht aber der Erfolg des WarschauerMarktes? Buhl: In Warschau haben wir auf der po-litischen Seite das Kontrastprogramm zuuns. Dort wird seit einigen Jahren ein ka-pitalmarktfreundliches Klima stark geför-dert, das ist ein anderes Umfeld. Wenndann laufend Unternehmen an die Börsekommen, darunter einige grosse Privati-sierungen, erhöht sich das Volumen auto-matisch. Wenn die internationalen Invest-mentbanken wissen, dass sie ein Ticket vonder Privatisierungsagentur bekommen, tunsie auch etwas, um diesen Markt zusätz-lich bekannt zu machen. Sie schreiben Re-search, betreiben Sales - auch für kleinereTransaktionen -und engagieren sich alsMarket Maker und Händler. Das bringt inSumme zusätzliches Volumen. Wir hattendie grossen Investmentbanken auch inÖsterreich, in der Zeit der grossen Koaliti-on und dann unter Schwarz-Blau. Jetzt se-hen wir sie in Österreich nicht mehr. Esgibt keine Mandate zu vergeben, und dem-entsprechend wird weniger gehandelt.

Die polnische Kapitalmarktpolitik hättesomit Vorbildfunktion?Schaller: Jetzt wieder. Wobei man durch-aus sagen kann, wir waren früher das Vor-bild für die anderen. Jetzt ist es umgekehrt.

Mit Blick auf die Rolle der Wiener Börsein Osteuropa: Haben Sie nicht Angst, dassIhnen Warschau sämtliche Ränge ablau-fen wird?Buhl: Nein, Warschau ist im Wesentlicheneine nationale Börse und eindeutig domi-niert vom Staat. Wir sind vier Börsen, ha-ben einen dezentralen Ansatz und versu-chen, nach dem lokalen Prinzip Listingsan die Börsen zu bringen. Warschau hathier einen viel zentralistischeren Ansatz. Inallen Bereichen, etwa Umsätze, Marktka-pitalisierung, Internationalität, Datenver-trieb, Indexberechnung, haben wir bei wei-tem die Nase voran. Der grössere Anzie-hungspunkt von Warschau ist derzeit derIPO-Bereich, aber hier handelt es sich umviele kleinere Unternehmen. Schaller: In 98% der Fällen sind es auchpolnische Unternehmen.Buhl: Aber wir unterschätzen die Ent-wicklung Warschaus natürlich nicht. Wir

glauben aber nicht, dass wir in einer Kon-kurrenzsituation sind, sondern dass wirsynergetisch gemeinsam etwas tun könn-ten. Und wir sind auch nach wie vor dazubereit.

Synergien mit Warschau?Buhl: Wir haben uns auf die Fahnen ge-schrieben, die zentral- und osteuropäischenMärkte zu konsolidieren. Ohne Warschausind wir nicht komplett. Genauso wie War-schau nicht komplett ist, wenn es für sichden Anspruch stellt, CEE zu repräsentie-ren. Ich glaube, es gäbe vielschichtige Mög-lichkeiten für eine Zusammenarbeit, abermomentan ist es von polnischer Seite nichtgewünscht. Gemeinsam wären wir jeden-falls stärker.

Nochmals zum Handelsumsatz: Es verla-gert sich immer mehr Volumen der Insti-tutionellen auf alternative Börsen, so ge-nannte multilaterale Handelsysteme (MTF),wie etwa Chi-X. Im Jahr 2009 wurden ca.1,8 Prozent des Handelsvolumens der ATX20 über Chi-X abgewickelt, im Jahr 2010waren es 7,3 Prozent und in den ersten vierMonaten 2011 schon 11 Prozent. Wohinsoll das führen?Schaller: Was die österreichischen Titelanbelangt, so sind die MTFs beim Umsatzim Verhältnis zu uns derzeit stabil, nach-

dem sie im letzten Jahr etwas dazu ge-wonnen haben. Wir sehen darin keine un-mittelbare Gefahr. Tatsache ist aber schon,dass wir gegenüber den gesetzgebendenStellen immer wieder auf die Notwendig-keit von Regeln hinweisen, die die ver-schiedenen Marktplätze gleichstellen. Der-zeit sind geregelte Börsen gegenüber MTFseindeutig benachteiligt.

Ein Beispiel dafür?Schaller: Geregelte Börsen müssen etwadie gesamte Infrastruktur für die Zulassungeines Unternehmens vorhalten. Ein MTFsetzt einen zugelassenen Titel einfach aufdie Plattform und beginnt zu handeln. Buhl: Wir sind im Zuge der MiFID-Re-views guter Dinge, dass die EU hier für ei-ne gleichartige Reglementierung sorgenwird.

Für die weitere Expansion der Wiener Bör-se haben Sie angekündigt, Zukäufe im süd-osteuropäischen Raum ins Auge zu fas-sen. Wie gross ist Ihr finanzieller Spielraumdafür?Schaller: Gross genug, um noch das eineoder andere zu erledigen. Aber derzeit istnichts Konkretes am Tisch.

Ich frage, weil Sie 2009 zur teilweisen Re-finanzierung der Zukäufe in CEE eine Ka-

„In der Sache selbst gebe ich Treichl vollkommenRecht. Wir sind weit entfernt von einer Situation,

die dem Kapitalmarkt, der Wirtschaft hilft“Michael Buhl

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pitalerhöhung für rund 100 Mio. Eurodurchgeführt haben. Damals ging es umden kurzfristigen Teil der Refinanzierungund es hiess, Sie hätten bislang 300 Mio.Euro in die Expansion gesteckt. Wie schau-en die weiteren Pläne in punkto Refinan-zierung aus, brauchen Sie in absehbarerZeit wieder eine Kapitalerhöhung?Schaller: Auf absehbare Zeit brauchen wirkeine. Wenn eine erfolgt, haben wir natür-lich nichts dagegen. Buhl: Wir liegen mit un-seren langfristigen Ka-pitalrückführungen imPlan. Das ist kein Pro-blem. Wenn sich weite-re Möglichkeiten erge-ben, so wissen Sie, wieunser Aktionariat zu-sammengesetzt ist.Wenn die Story stimmt,bin ich überzeugt, dasswir sowohl Financiersals auch Unterstützungunserer Aktionäre fin-den.

Wenn Sie auf Ihre Ak-tionäre ansprechen,macht da eine Tren-nung in ein Banken-und ein Emittenten-konsortium eigentlichnoch Sinn?Schaller: Die beidenGruppen sind in derZwischenzeit eigentlichfast immer einer Mei-nung und kooperierensehr gut. Die Frage sollte eigentlich den Ver-tretern der beiden Gruppen gestellt werden.Wir können nur festhalten, dass die Zu-sammenarbeit derzeit sehr gut funktioniert.

Und was halten Sie von einer Öffnung wei-teren Investoren gegenüber?Schaller: Wir haben grundsätzlich keinProblem damit, in welcher Art und Weiseauch immer. Das ist aber eine Frage, diewir nicht beantworten können.

Wie viel haben Sie insgesamt in die Zu-käufe im Osten investiert?Buhl: Das ist etwas, das wir nicht publi-zieren.

Insofern werden Sie mir jetzt auch nicht sa-gen, welchen Firmenwert Sie dafür noch inder Bilanz stehen haben? Buhl: Das ist die logische Konsequenz.

2010 drohten daraus aber keine Gefahrenmehr über Abschreibungen?Schaller: Nein.

Ihre Verträge wurden zuletzt bis 2016 ver-längert. Wo wird die Wiener Börse dann

stehen?Buhl: 2016 haben wir eine einheitlicheHandelsplattform, ein einheitliches Clea-ring und - so weit rechtlich möglich - eineinheitliches Regelwerk. Wir haben einCross Membership, und zu den vier Bör-sen sind zumindest noch zwei weitere Han-delsplätze dazu gestossen. Und wir habenals Gruppe zumindest das Doppelte Han-delsvolumen von heute. Schaller (schmunzelt): Das ist eine ge-wagte Ansage.

Und wie hoch ist der Privatanleger-Anteilim Jahr 2016?Buhl: Da gebe ich mich keinen grossen Il-

lusionen hin. Wir haben es mit vielen, vie-len Massnahmen, etwa unserem Unter-richtspaket, geschafft, das eine oder ande-re Prozentpunkterl zu gewinnen. Aber dasist ein Generationenprojekt. Dass der Pri-vatanleger-Anteil massiv steigt, sehe ichnicht. Nicht zuletzt wegen der jüngstenMassnahmen, wie Wertpapier-KESt.

Schlussfrage: Wie veranlagen Sie persön-lich?

Buhl: Ich bin ein un-typischer Österrei-cher: Rund 85% inAktien, darunter einegrosse Anzahl öster-reichischer Titel, derRest ist in Cash. Schaller: Völlig ge-mischt, von Cashüber Investmentzerti-fikate bis zu Aktien.Prozentuell oder wert-mässig kann ich esIhnen aber nicht sa-gen.

Es geht auch nur umdie Einstellung. Zahl-reiche österreichischeMinister haben in derVergangenheit ja im-mer wieder betont,nicht in Aktien zu in-vestieren.Buhl: Damit kom-men wir wieder zuTreichl zurück. Wiesoll bei einer solchen

Einstellung eine diesbezügliche Kulturwachsen?

Werden Ihre Schulpakete eigentlich gutangenommen?Schaller: Sehr stark. Buhl: Es besteht Hoffnung für die näch-ste Generation.

Das war ein schönes Schlusswort, herzli-chen Dank..

Das Gespräch führte: BBeettttiinnaa SScchhrraaggllBilder: FFrraannzz--JJoosseeff GGaalluusscchhkkaa

Zu Gast im Cafe BE: www.boerse-express.com/cafebe

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Zertifikatehäuser Socgen und EFG sowie die Broker daoe.at und Sino im Cafe BE

„Wir setzen auf den WienerFinanzplatz, gerade jetzt!“

Markant sinkende Han-delsvolumina, geschlosseneNiederlassungen (Cheuvreux).Es gibt aber auch Institute,die die Aktivitäten am Wie-ner Finanzplatz ausweiten.

CCaaffee BBEE:: Die Überschrift zum Termin lau-tet „neue oder verstärkte Aktivitäten inÖsterreich“. Herr Payami, Sie waren fürABN Amro / RBS in Österreich sehr prä-sent und kehren jetzt als Repräsentant derSchweizer EFG an den Wiener Finanz-platz zurück. Bitte um kurze Vorstellungder EFG und der Österreich-Strategie ...PPeeddrraamm PPaayyaammii: EFG Financial Productsist eine Schweizer Gesellschaft, 2007 ge-gründet, die als Muttergesellschaft eine in-ternationale Privatbankengruppe hat. AlsZertifikateemittent ist die Bonität mass-geblich, man verkauft ja Inhaberschuld-

verschreibungen. Neben dem Kerngeschäftder Strukturierten Produkte haben wir dieBereiche Asset Management, Brokerageund Pensions Solutions ausgebaut. Nachdem Wechsel zu einem neuen Anbieterlag es für mich nahe, dass man auch jeneMärkte wieder angeht, auf denen man sichwohlfühlt und wo man Wachstumspo-tenzial sieht. Der erste Step war es, in derSchweiz für EFG das Retailgeschäft aus-zubauen. Deutschland / Österreich ist auchimmer eine Kombination, die man gernesieht, das kann man auf einmal angehenaufgrund der rechtlichen und sprachlichenGemeinsamkeiten. Nachdem wir inDeutschland aktiv wurden, haben wir nunÖsterreich im Fokus. Die Strategie ist es,kein eigenes Listing in Wien zu machen,die Kunden sind sehr an die deutschenBörsen gewöhnt bzw. auch ausserbörslichmit dem Emittenten zu handeln. Dabraucht man nicht primär ein lokales Li-sting. Also Listing in Deutschland, zum

öffentlichen Vertrieb in Österreich zulas-sen und dann aktiv vermarkten über Mar-ketingaktivitäten in Österreich.

CCaaffee BBEE:: Welche Produkte aus der gros-sen Zertifikatebandbreite werden Sie brin-gen? Anlage oder Hebel?PPaayyaammii:: Den Anlagebereich, da könnenwir das Know-How aus der Schweiz mit-nehmen. Die Zielgruppe sind konservati-ve Anleger, da gibt es ja in Österreich sehrviele davon.

CCaaffee BBEE:: Herr Bösenberg, auch die Zerti-fikate-Unit der Societe Generale ist nunstärker in Österreich präsent. Bitte um einpaar Worte dazu ...PPeetteerr BBöösseennbbeerrgg:: Wir sind seit 20 Jahreninternational tätig, zunächst mit Options-scheinen, seit ca. 10 Jahren auch mit Zer-tifikaten. Österreich hat da immer dazu-

Im Cafe BE (v. l.): Peter Bösenberg (Socgen), Hakan Özal (Sino), Pedram Payami (EFG) und Florian Herfurth (daoe.at)

� Fortsetzung auf der nächsten Seite

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gezählt, wobei wir bisher in Österreichschwerpunktmässig im Institutionellen Be-reich tätig waren. Wir haben dieses Jahrangefangen, die Produkte auch für den öf-fentlichen Vertrieb zuzulassen, das ist jetztim Mai abgeschlossen. Wir werden dieMarketing- und PR-Aktivitäten verstärken.Wir versprechen uns davon, dass wir dasKnow-How und die Expertise, die wir amdeutschen Markt gesammelt haben, aucham österreichischen Markt gut ausrollenkönnen.

CCaaffee BBEE:: Wie sieht das bei Ihnen aus? An-lage- oder Hebelprodukte?BBöösseennbbeerrgg: Prinzipiell sind wir Komplett-anbieter, der Schwerpunkt ist aber der An-lagebereich. Im Rohstoffbereich haben wireines der grössten Handelsbücher mit ho-her Bandbreite an Basiswerten. Die Fran-zosen sind immer ganz stark, wenn es umneue Dinge geht: Innovative Strukturen,ein paar neue Pay-Outs.

CCaaffee BBEE:: Herr Özal, der Broker Sino istbereits seit einigen Wochen in Wien auf-fällig präsent. Wie sind Sie mit dem Startzufrieden?HHaakkaann ÖÖzzaall:: Die er-sten Wochen warendurchaus zufrieden-stellend, es war aberkein Hype, den ha-ben wir auch nichterwartet. Gerade inÖsterreich nicht. DieLeute schauen erstmal: Wer ist da ge-kommen, was bietetder an? Ich glaube,wir haben uns ganzgut ankündigen kön-nen, der Marktweiss Bescheid. Dieersten Kontoeröff-nungen sind da. Al-les angenehm, manmuss jetzt sehen,wie es weitergeht.

CCaaffee BBEE:: WelcheKlientel, welchenAnlegertypus haben Sie als Interessentenausgemacht?ÖÖzzaall: Es gibt zwei grosse Gruppen. Ei-

nerseits die, diesehr aktiv tradenund zum Teilschon ein Aus-landskonto haben.Und es gibt ande-rerseits Kunden,die schon etwastun, aber jetztnachdenken, dasganze aktiver undprofessioneller an-zugehen. In jedemzweiten oder drit-ten Gespräch gehtes darum, dass dieLeute sagen, dasnun zum Berufmachen zu wollen.So etwas gehtnicht von heuteauf morgen, dawird das Gesprächgesucht. Auch hiermuss man wiederdifferenzen: Leute,die bisher zwischen zehn und dreissig Tra-

des im Monatmachten und sol-che, die mehr als50 machten. MitSino vor Ort gibtes einen An-sprechpartner fürdiese Klientel, dasist den Leuten lie-ber als ein Kon-takt in Londonoder Frankfurt.Was nicht pas-siert, ist, dass An-fänger auf uns zu-kommen. Wirsind ein HighEnd-Broker unddas erkennen dieLeute auch. Esgibt interessant-weiser auch guteLeute, die schonseit Jahren traden,aber Sorgen ha-

ben, dass sie nicht zu uns passen könn-ten, weil wir eventuell noch mehr High-End sind. Wir haben auch Kunden, die

mehr als 1000 Tra-des im Monat ma-chen.

CCaaffee BBEE:: Herr Her-furth, Sie sind mitdem BankhausJungholz und Di-rekt-Anlage Öster-reich geographischan der Grenze zwi-schen Österreichund Deutschlandangesiedelt. Wienehmen Sie die ak-tuelle Situationwahr?FFlloorriiaann HHeerrffuurrtthh::Wir finden die ak-tuelle Situation undden Markt sehr in-teressant. Wir sindseit bereits 16 Jah-ren mit der Direkt-Anlage aktiv,schwerpunktmäs-

sig immer in Deutschland. Allerdings stel-len wir seit ein bis zwei Jahren fest, dasswir immer mehr Anfragen aus Österreichbekommen, ohne hier Werbung gemachtzu haben.

CCaaffee BBEE:: Woran, glauben Sie, liegt das? HHeerrffuurrtthh:: Ich denke, das Produkt passt ein-fach gut. Wir sind zwar ein kleines Hausmit knapp 4000 Kunden, haben uns da-für aber auf sehr guten Service mit gut aus-gebildeten Mitarbeitern spezialisiert. Daswissen die Kunden zu schätzen. Dazukommt unsere Unternehmensphilosophie:Wir sind eine Genossenschaft, nicht derGewinnmaximierung verpflichtet, wir ver-suchen sämtliche Gesellschaftsgruppenin Einklang zu bringen. Das merkt manbei den Kunden, zB beim Thema Rekla-mation. Bei Grossbanken landet man imCall Center, bei uns glaube ich passiertdas menschlicher mit Herz und Verstandvon Börsefachleuten. Dazu kommt, dassdie Leute sagen, „die sind ja eine Bank ausÖsterreich mit einer langen Tradition“, sohatten wir 2010 die Situation, dass 25 Pro-zent der Neukunden aus Österreich ge-

„Wenn ich Anlageideen anInstitutionelle ausschicke,dann kaufen die das oft

auch privat“ Peter Bösenberg, Socgen

„Täglich aktuelle Reportszu unseren Zertifikatendownloadbar, sogar inklu-sive Optionskomponenten“

Pedram Payami, EFG

� Fortsetzung auf der nächsten Seite

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kommen ist, ohne dass wir dafür Werbungmachten. Das war für uns der Auslöser,im Heimatland auch etwas präsenter zuwerden.

CCaaffee BBEE:: Wie sind die ersten Monate 2011gelaufen?HHeerrffuurrtthh: Uns geht es ähnlich wie den Kol-legen von Sino. Der grosse Hype ist nochnicht ausgebrochen, wenn ich aber ge-wichte, was wir an Werbung und PR aus-gegeben haben, ist es sehr zufriedenstel-lend. Einige sagen, sie wollen das mal te-sten und können sich vorstellen, späterdas eine oder andere zusätzlich zu unsbringen.

CCaaffee BBEE:: Sie alle setzen auch stark aufedukative Elemente ... PPaayyaammii:: Wenn man als junge Gesellschaftin ein besetztes Geschäftsfeld eintritt, mussman einen guten Plan mitbringen. Wir ha-ben gesehen, dass Emittenten mit denKampagnen und Factsheets in der Zeich-nungsphase sehr stark sind; ist das Pro-dukt aber bereits gelistet, gibt es oft Infor-mationsdefizite.EFG hat eine Platt-form entwickelt,die standardisierteInfos während dergesamten Sekun-därmarktphase an-bietet. Wir habenda täglich aktuali-sierte Reports undgehen sehr tief indie Materie hinein,zB legen wir auchdie Optionskom-ponenten der ein-zelnen Strukturenoffen. BBöösseennbbeerrgg:: Wir se-hen uns als Kom-plettanbieter, ebenvor allem im Be-reich der Rohstof-fe, die Favoritenwechseln hier rela-tiv schnell. Aktuellsind die Bewegungen bei den Edelmetal-len im Fokus, bei Silber war zuletzt dieNachfrage enorm. Komplettanbieter imSinne von Hebel- und Anlageprodukten.

Bei Silber ist Vola-tilität explodiert, dawerden Discounts-oder Bonuszertifi-kate massiv nach-gefragt.

CCaaffee BBEE: StehenRohstoffe auch beiIhren Vorträgen imMittelpunkt? BBöösseennbbeerrgg:: In ei-nem Markt, in dem40 Häuser aktivsind und 20 Häu-ser versuchen,Komplettanbieterzu sein, muss mansich abgrenzen.Das ist etwa mitDiscount-Zertifika-ten auf den Euro-Stoxx nicht soleicht. Bei Rohstoffen können wir Produkteanbieten, die wie wir glauben, sonst kei-ner so anbieten kann. Das steht auch bei

den Vorträgen imZentrum.

CCaaffee BBEE:: HerrÖzal, heute abend(Anm.: die CafeBE-Runde fandam 19. Mai statt)gibt es die 1. Sino-Akademie inÖsterreich. Waswerden die The-men sein?ÖÖzzaall:: Es geht dar-um, einem ausge-wählten Kunden-kreis, einen Mehr-wert zu bieten.Unsere Plattformist High-End undbirgt auch für be-stehende Kundenimmer wiederneue Überra-schungen. In

Österreich haben wir aktuell 15 Kunden,darunter auch zwei Corporates, wo gleichmehrere dahinterstecken. Dazu auch In-teressenten. Ich frage da persönlich nach,

ob das auch passtfür die Interessen-ten. Wir wollen lie-ber einen engenRahmen, wollendie Gäste nichtüberfordern undmit Infos erschla-gen. Die Plattformhat einige Funk-tionalitäten und al-ternative Orderar-ten, dazu Stabilitätund Schnelligkeit.Auch Geschäfts-leitung, Chef-händler und Tra-ding Desk werdenheute Abend da-bei sein.

CCaaffee BBEE:: Wird dasein regelmässiges

Veranstaltungsforum werden? Gibt es dasin Deutschland auch? ÖÖzzaall:: Ja, das Ziel ist, das einmal im Mo-nat durchzuführen, der nächste Termin inWien ist der 9. Juni. In Deutschland ha-ben wir München, Düsseldorf und Berlinim Programm. Heute Abend wird zB einösterreichischer Kunde, der bereits seitJahren bei uns ist, dabei sein. Er freut sich,dass wir das nun auch in Wien sind, under sich für neue Trading-Ideen inspirierenlassen kann. Herzlich willkommen, kannich nur sagen.

CCaaffee BBEE:: Und wie ist die Informations-nachfrage bei der Direkt-Anlage Öster-reich?HHeerrffuurrtthh:: Wir machen immer wieder un-terschiedliche Veranstaltungen, sind zumeinen bei Messen und Börsentagen prä-sent. Wir haben auch den ein oder ande-ren Vermittler, der an uns herantritt, wennes Sonderthemen betrifft, beispielsweise,wenn es um Zertifikate geht oder Wert-papierkredite. Ich halte ebenfalls nichtsdavon, Massenveranstaltungen zu machen.Klein und exklusiv gefällt es uns besser.Uns ist es wichtig, die Kunden mit der Zeitkennen zu lernen, umgekehrt soll auchuns der Kunde besser kennenlernen, wir

„Stellen bei Österreichernsteigende Nachfrage nachAuslandskonten fest“

Florian Herfurth, daoe.at

„Die Wiener Börse sollteviel aktiver gegen die WP-

KESt auftreten“Hakan Özal, Sino

� Fortsetzung auf der nächsten Seite

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haben 12 Kundenbetreuer in der persön-lichen Kundenbetreuung bei Wertpapie-ren. Da baut sich mit der Zeit eine Be-kanntschaft auf, zum Teil Freundschaftund Nähe. Man ruft einfach nicht anonymin einem Call Center an.

CCaaffee BBEE:: Und wie sieht es mit der Tren-nung zwischen B2B und B2C aus, da gibtes aktuell gerade im medialen Bereich einAuseinanderdriften ...PPaayyaammii: Wir sind ganz klar gewachsen mitdem Instititutionellen Anleger, und dasGeschäft mit dem Endanleger ist erst spä-ter losgegangen. Es gibt auch regionaleDifferenzen; was man in der Schweiz alsPrivatanleger bezeichnet, ist in Österreichein Semi-Institutioneller. Sowohl von derGrösse der Positionen her, als auch vomKnow-How her. Wir haben für das B2B-Geschäft, das klar ein One-on-One-Geschäft bei uns ist, ein eigenes Team undfür die Privatanleger ein anderes. Das istklar getrennt.BBöösseennbbeerrgg: Das B2B-Geschäft im Institu-tionellen Bereich muss noch weiter diffe-renziert werden. Mit etwa Versicherungenspricht man ja nicht über Zertifikate, son-dern über massgeschneiderte Lösungenmit Derivaten. Ich glaube, es ist auch einIrrglaube, dass man das strikt trennen muss.Wenn ich beispielsweise Anlageideen anmeine Vermögensverwalter aussende, dannkaufen die das oft auch privat. Wenn mansich unseren Flow ansieht, ist zu vermu-ten, dass sehr sehr viele Tickets von Leu-ten aus der Industrie oder Medienleuten

kommen. Ich glaube, das ist auch unsereStärke, dass da bei uns alles zusammen-läuft. ÖÖzzaal: Institutionelle gehen bei uns direktan die Mutter, die HSBC. Auch ich möch-te die B2Bs ansprechen, die Fondsmana-ger sind ja oft auch selbst sehr aktiv. HHeerrffuurrtthh:: Wir sind von der Ausrichtungher komplett auf Privatanleger zuge-schnitten, wir sind selbst relativ erfolgreichin der Vermögensverwaltung tätig, liegenin diversen Rankings in Deutschland mitSumma cum laude-Auszeichnungen weitvorne. Wir bieten Beratung incl. Besuchenzu Hause, aber auch die Plattform für SelfDirected Trader.

CCaaffee BBEE: Sie alle haben sich für einen Auf-oder Ausbau in Österreich entschieden.Was sind die Wünsche an die Verant-wortlichen für den Standort?BBöösseennbbeerrgg: Das steuerliche Thema gehörtähnlich einfach und transparent wie inDeutschland angegangen. Da ist sehr vielVerunsicherung im Land.ÖÖzzaall: Sino wurde in Österreich freundlichempfangen, der Termin von Seiten derFMA war angenehm. Es besteht grossesInteresse, das läuft auf kollegialer Basis. Die steuerliche Sache ist natürlich ein Pro-blem, das Schlimmste ist, dass alles inSchwebe ist oder verschoben wird, dasmacht keinen Spass. Wenn man Dinge än-dert, muss man sie sofort ändern, das musspassen. Verunsicherung hilft niemandem.HHeerrffuurrtthh: Das kann natürlich auch dazuführen, dass sich österreichische Anleger

entscheiden, direkt in Deutschland zu in-vestieren, dort ist es einfacher, sogar in-klusive Besteuerung der Auslandskontenin Österreich. Wir haben im Oktober einStuttgarter Bankhaus übernommen, undstellen aktuell schon von Seiten der Öster-reicher eine steigende Nachfrage nach ei-nem Auslandskonto fest. Viele warten abereinfach ab.PPaayyaammii:: Für uns als Zertifikateemittent istdie Aufklärung bei den Retailkunden wich-tig. Die deutsche Fachpresse hat zB einengrossen Beitrag geleistet, die Press Cove-rage in Deutschland ist sehr hoch. In Öster-reich gibt es bei den Medien noch viel Po-tenzial.

CCaaffee BBEE:: An die Zertifikateemittenten: Isteine Mitgliedschaft im Zertifikate ForumAustria ein Thema?BBöösseennbbeerrgg: Das kann ich jetzt noch nichtabschliessend beantworten. Wir sind amStart. Wenn es sich mittelfristig so ent-wickelt, wie wir uns das vorstellen, dannist das natürlich ein Thema. Lobbying-Tätigkeiten sind für unsere Branche sehrwichtig. PPaayyaammii:: Ich bin überzeugt, dass man, wennman langfristig in einem Land aktiv seinwill, auch etwas für die Branche tun muss.Für einen Neuling wie uns ist es eine bud-getäre Sache, ich sehe aber sehr wohl denMehrwert eines Verbandes. HHeerrffuurrtthh: Die Privatanleger nehmen dieArbeit für die Branche schon wahr. DieRCB hat gerade wieder den Award ge-wonnen, da wird gleich mehr getradet. Daist schon viel Wahrnehmung rundherum.Wir unterstützen das auch mit einer Free-Trade-Aktion.

CCaaffee BBEE:: Brokerfrage - was wird bei Ihnenvorwiegend gehandelt?ÖÖzzaall:: Ganz klar Aktien, vor allem Deutsch-land und USA. Österreich sehr wenig. Im-mer grösser wird die Nachfrage nach Fu-tures, die sind für den Trader noch ange-nehmer, weil noch transparenter undliquider. Neu seit 2009 ist auch das Tra-ding in Anleihen.

CCaaffee BBEE:: Die Marginanforderungen rundum die Futures; haben das Eure Kunden� Fortsetzung auf der nächsten Seite

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im Griff? ÖÖzzaall:: Unsere Kunden verstehen das,sind sehr diszipliniert, es gibt we-nige Margin Calls. Da wird nichtsliegengelassen. Das kenne ich auchganz anders. HHeerrffuurrtthh:: Bei uns findet eine Kon-zentration auf den DAX statt. Kon-servative Kunden gehen eher in In-dexzertifikate, spekulativere in He-belprodukte. Aber auch Einzeltitelsind gefragt. Der Wertpapierkreditist sehr beliebt, wir können hier mei-nes Wissens nach den günstigstenZinssatz im Markt anbieten. AufKredit gekauft werden auch Anlei-hen, gerade jetzt.

CCaaffee BBEE:: Österreichische Bank,deutsche Kunden. Handeln dieseauch ATX-Titel? HHeerrffuurrtthh: Nein, das muss mein leider sa-gen. Österreich ist für deutsche Anlegernicht allzu attraktiv. Ausnahme sind Ein-zelwerte, die gerade eine gute Story haben.

CCaaffee BBEE:: Die Zinsen steigen. Was heisstdas für Ihr Geschäft?BBöösseennbbeerrgg: Steigende Zinsen sind gut füruns, weil die Volatilität in der Regel steigt.Bei hoher Volatilität wird mehr gehandelt.Bei Anlageprodukten kann ich viel inter-essantere Garantiestrukturen bauen, vie-les, was aktuell nicht so schön aussieht,kann man dann darstellen.

CCaaffee BBEE:: Aber bestehende Garantiepro-dukte fallen dafür im Kurs ...BBöösseennbbeerrgg:: In den vergangenen drei bisvier Jahren sind wenige neue Garantie-produkte gekommen, es gibt also kurzeRestlaufzeiten. Zinsunsensitive Floater wa-ren stärker gefragt und da gibt es ja keineProblem2.PPaayyaammii:: Wir sind bisher eher im Bereichder renditeoptimierenden Produkte, alsoTeilschutzprodukte, unterwegs gewesen,bei steigenden Zinsen sind auch für unsKapitalschutzprodukte besser darstellbar.In Österreich mag man so etwas ja ganzbesonders. HHeerrffuurrtthh:: Langfristige Investoren würdenvielleicht umdenken, eine Verlagerung vonWertpapieren hin zu Festgeld. Spekulati-ver veranlagte Kunden würden hingegenvielleicht wieder stärker zu Hebelzertifi-

katen greifen.ÖÖzzaall:: Für uns ist das gut, wenn die Vola-tilität steigt. Long oder Short, die Leute tunmehr. In Österreich sind Short-Möglich-keiten nicht so bekannt, das Interesse istda, viele Leute trauen sich aber nicht, den-ken, dass das was Aussergewöhnliches ist.Wissen braucht man schon, beispielswei-se bei Dividendenzahlungen.

CCaaffee BBEE:: Vor der Schlussrunde – gibt’snoch ein Anliegen?ÖÖzzaall:: Die KESt ist zu spüren, die Leutegehen raus und halten sich zurück. Dabeiwar ja der Österreicher ohnedies noch lan-ge nicht so weit, wie der deutsche Anle-ger. Ich möchte da auch die Wiener Bör-se auffordern, viel aktiver gegen diese Steu-er und für den Finanzplatz aufzutreten.Rein die Ausbildungsveranstaltungen sindzu wenig. Man muss es schaffen, eine Ge-meinschaft zu erzeugen. Das muss einVolkssport werden. Aktuell fehlt jede Dy-namik. PPaayyaammii:: Die gesamte Grundsatzdiskussi-on, die in Österreich sehr ausgeprägt ist,dass Aktien böse sind, muss durch Auf-klärungsarbeit ganz anders geführt wer-den. Der Kauf eines Fernsehers wird wo-chenlang geplant, im Anlagebereich ver-traut man einem Berater oder nimmteinfach das Sparbuch. Mehr Eigeninitia-tive der Österreicher bei der Geldanlagewäre wünschenswert.

CCaaffee BBEE: Wie werden die Weltbörsen, Roh-

stoffe, Währungen auf Sicht sechs Mona-te performen? Bitte um kurze Inputs, ger-ne auch die private Sicht.ÖÖzzaall:: Meine private Meinung ist, dass dieAktienmärkte drehen werden, steigendeZinsen unterstützen das. Im Bereich Roh-stoffe sage ich, dass alles, was mit Nah-rung zu tun hat, weiter steigen wird.BBöösseennbbeerrgg:: Ich bin auf Sicht sechs Mo-nate bullish, bei Rückgängen wird ja ak-tuell sofort wieder gekauft. Erfahrungsge-mäss braucht der Markt nach Zinserhö-hungen eineinhalb Jahre, bis er dreht. Undwas sind die Alternativen? Die Dividen-denrendite passt auch, ich bin bullish, trotzdunkler Gewitterwolken auf dem Hori-zont.PPaayyaammii:: Dunkle Gewitterwolken gibt esleider immer. Generell sehe ich positiv indie Zukunft. Man hat den Boom in denEmerging Markets-Regionen, die Roh-stoffmärkte sehen auch gut aus, vor allembei Energie- und auch bei den Agrargü-tern. HHeerrffuurrtthh: Ich gehe von steigenden Zinsenaus, die Länder, die heute schon wackeln,werden noch grössere Probleme bekom-men. Die Verunsicherung wird zunehmen,Aktien könnten fallen, Flucht in Rohstof-fe, neue Anstiege bei Edelmetallen.

Diskussionsleitung: CChhrriissttiiaann DDrraassttiillFotos: FFrraannzz--JJoosseeff GGaalluusscchhkkaa

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Viel zu verdauen:WP-KESt und weitere nationale/internationale Unsicherheitsfaktoren

Über den ATX, die Abwärtsspirale,die KESt und das Prinzip Hoffnung

Der Vorstand eines grossenBrokers, ein WP-Club-Chef,ein Halb-Aussteiger und einAussteiger sinnieren im CafeBE über die Wiener Börse.

CCaaffee BBEE:: Herr Proschofsky, man kennt Sievom Austria Börsenbrief und von Anle-gerschützer-Themen; zuletzt hat man je-doch weniger von Ihnen gehört. SchauenSie sich den Wiener Markt noch regel-mässig an? AAlleexxaannddeerr PPrroosscchhooffsskkyy:: Ich schaue mirden Markt jetzt wieder stärker an, inve-stiere immer noch in Österreich. Mein rest-licher Tag hat mit Häusern zu tun, wasmein zweites Standbein wurde; und dasseit mittlerweile acht Jahren. Ich schaueauch mehr international als früher, weilich in Wien langfristig eine Unterwicklungerwarten würde aufgrund der vielfältigschlechteren Rahmenbedingungen.

CCaaffee BBEE:: Die Schreiberei aufgegeben?PPrroosscchhooffsskkyy:: Auf professioneller Basis ha-be ich 20 Jahre lang geschrieben, heutefreue ich mich, wenn ich auf Eure be24.atdie Dinge veröffentlichen kann, die miram Herzen liegen. Hätte ich 40 Stundenmehr Zeit in der Woche, täte ich auch dieSchreiberei vielleicht noch 20 Jahre wei-terverfolgen. Ich habe immer gerne ge-schrieben, aber irgendwann reicht es dannauch mit Redaktionsterminen.

CCaaffee BBEE:: Zur Frage nach der Underper-formance kommen wir später noch. HerrKarasek, Sie sind ja ein Komplettausstei-ger aus dem Markt. Was waren die Be-weggründe - ausser dem Wunsch, etwasvöllig Neues zu tun?HHeeiinnzz KKaarraasseekk (lacht): Also keine, die manjetzt hier .... (alle lachen). Nein, es war ein-fach ein tiefer Wunsch nach Veränderung.Ich glaube auch nicht, dass das die letztegrosse Veränderung in meinem Leben war.CCaaffee BBEE: Ihr Lokal „Das Heinz“ an die Bör-

se bringen? Nein, Spass beiseite. Sie wa-ren im Zertifikatebereich tätig, einige Zeitals Vorstand des Zertifikate Forum Austria.Warum ist gerade der Bereich der Struk-turierten Produkte einer, der auch in denaktuellen Wiener Krisentagen noch gutfunktioniert?KKaarraasseekk:: In den Produkten steckt viel In-novationscharakter. Ich glaube, es ist dieUmstrukturierung eines Ertragsprofils, dieman ja bei klassischen Anlagen nicht hat.Motivierend für Anleger sind auch nega-tive Erfahrungen, die sie mit anderen Pro-duktgruppen gemacht haben und die sichüber längere Zeit summiert haben. Manmuss sehen, wie das nach einer längerenZertifikate-Ära aussieht.

CCaaffee BBEE:: Informieren Sie sich als Privat-person noch laufend über den Markt?KKaarraasseekk:: „Der Markt“ beschränkt sich beimir auf Geschichten an der Theke. Es freutmich, dass viele Leute aus dem Finanz-sektor gerne zu mir ins Lokal kommen.Die sind teilweise sehr heiter, teilweiseaber auch sehr traurig dieser Tage.

CCaaffee BBEE:: Sie werden also nach wie vor mit

Börsethemen vollgeschwatzt, obwohl Siees ja eigentlich gar nicht mehr hören wol-len, oder? KKaarraasseekk:: Ja, kommt vor. Aber ich plaude-re sehr gerne, mache nur selbst nichtsmehr.

CCaaffee BBEE: Herr Siegl-Cachedenier, wie starksteht die Wiener Börse eigentlich im Zen-trum Ihrer brokerjet-Aktivitäten?WWoollffggaanngg SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Wenn mansich rein die Umsätze ansieht, so hattenwir im vergangenen Jahr rund 20 bis 25Prozent unserer Umsätze an der WienerBörse, das hat sich im bisherigen Verlauf2011 halbiert. Das ist quer durch die Bankim ganzen Retailgeschäft zu sehen. Wirstellen gerade deshalb jetzt die WienerBörse in den Mittelpunkt. Die Leute sindsehr verunsichert, was die Wertpapierbe-steuerung in Österreich betrifft, wir wol-len da mit viel Information Hilfe leisten:Webinare, Seminare, Roadshow; alles zumThema Steuern, wir wollen da die Angstnehmen. Da gibt uns das Feedback aufder einen Seite recht, dass sich die Kun-den sehr dafür bedanken. Andererseitsbleibt die Zurückhaltung trotzdem beste-

Im Cafe BE (v. l.): Hans-Peter Schweighofer (Investment-Club Austria), WolfgangSiegl-Cachedenier (brokerjet), Alexander Proschofsky (Investor), Heinz Karasek (Wirt)

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hen, was man an den Volumina ablesenkann. Die Unsicherheit ist das schwierig-ste an der aktuellen Situation, die Ver-schiebung auf April 2012 hat das nochverstärkt; die Eckpunkte der Steuer sindzudem in vielen Punkten noch sehr vage,beispielsweise ist die Besteuerung bei Splitsnoch unklar. Das erhöht die Unsicherheit.

CCaaffee BBEE:: Vor wenigen Tagen hatten Sieden grossen Trading Kongress. Standenauch hier die Steuern im Mittelpunkt oderdoch eher die Anlagechancen?SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Beides. Das Steuerse-minar war eines der Bestbesuchten aufdem Kongress. Die Frage, wie man seineVeranlagung umgestalten kann, ist natür-lich eine Folgethematik. Interessant war,dass auch die Aussagen der einzelnen Re-ferenten unterschiedlich waren. NorbertWalter beispielsweise sagte, dass das 21.Jahrhundert nicht im Zeichen von Chinastehen wird. Jim Rogers hat genau das Ge-genteil gesagt – für die Leute eine Mög-lichkeit, sich ein Bild zu machen. Dasmacht so einen Kongress interessant.

CCaaffee BBEE:: Warummacht man denKongress an einemSamstag? SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr::Ganz offene Ant-wort – weil es eineRetailveranstaltungist und die gehörteinfach an einemSamstag durchge-führt.

CCaaffee BBEE:: Im Ver-gleich mit den Vor-jahren: Wie hat sichdie Dimension derVeranstaltung ent-wickelt? SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr::Wir hatten heuer2500 Teilnehmerbei den Seminaren,das ist im Vergleich zum Vorjahr ca. 40Prozent mehr. Das ist sicher auch daraufzurückzuführen, dass halt einige Fragenoffen sind, andererseits hatten wir guteSpeaker für den Event gewonnen.

CCaaffee BBEE:: Wird es denKongress auch 2012geben? SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr: Ja,aber wahrscheinlichim März, weil wir ge-sehen haben, dass derMai aufgrund desWetters vielleicht nichtganz passend ist. Wirhaben den Kongressfünf Mal gemacht undzum fünften Mal hat-ten wir mehr als 25Grad.

CCaaffee BBEE:: HerrSchweighofer, wäh-rend ich die anderendrei Gäste seit einerEwigkeit kenne, sitzenwir heute das ersteMal zusammen. Kurzdie Vorstellung auchfür unsere Leser: Siesind Chef des InvestmentClub-Austria, der1991 als InvestmentClub der CA mit 100

Mitgliedern ge-gründet wurde. Ab2003 Loslösungvon der Bank Au-stria und Umbe-nennung auf In-vestmentClub-Austria. AlsVerein ins Ver-einsregister einge-tragen. Derzeit333 Mitgliedermit einem Ge-samtvermögenvon 3,7 Mio. Euroin sieben Veran-lagungsgruppen,davon je eine inGraz und Kitzbü-hel. Inwieweitsteht die WienerBörse bei Ihnenim Mittelpunkt?

HHaannss--PPeetteerr SScchhwweeiigghhooffeerr:: Die Wiener Bör-se hat bei uns einen gewichtigen Aspekt.Die Österreicher sind Home Buyer, ver-folgen den Markt sehr intensiv, gehen auchzB gerne auf Hauptversammlungen. Un-

ter unseren Mit-gliedern sind vieledabei, die in Ruhe-stand sind, und sichdie Zeit gut eintei-len können. Dawerden viele HVsabgeklappert. Un-ser Club ist 20 Jah-re alt und sehr gutetabliert, wir ma-chen monatlicheClubtreffen, 11 Malim Jahr, nur derDezember wirdausgelassen.

CCaaffee BBEE:: Wie kannich mir die Club-treffen vorstellen, istdas ein stabilerKreis an Teilneh-mern?SScchhwweeiigghhooffeerr:: Eingewisser Kern an

Stammbesuchern ist da. Bei den Veran-staltungen bewegen wir uns zwischen 30und 50 Personen, in den Spitzenzeiten la-gen wir bei 70 Personen, das hängt na-türlich mit der Börsenphase zusammen.Wir versuchen auch immer, relativ aktu-elle Themen zu finden, die den Mitglie-dern am Herzen liegen. Da hatten wir vorkurzem ebenfalls das Steuerthema mitMatthias Hofstätter von Leitner & Leitneroder zuletzt einen Beitrag von der volks-wirtschaftlichen Stelle der Bank Austria.Die Leute wollen zwischendurch die Hard-Facts haben. Die Veranlagungsgruppensind in sich geschlossen, haben separateStrategien. Da gibt es zB eine reine Fonds-gruppe, die meisten sind aber auf Einzel-aktien fokussiert. Die Ansätze variieren,mal gibt es den Value-Ansatz, mal den re-gionalen Ansatz.

CCaaffee BBEE:: Gibt es eine reine Börse Wien-Gruppe?SScchhwweeiigghhooffeerr:: Direkt nicht, aber ist na-türlich in den Gruppen ein Thema. Wirhaben uns intensiv mit dem Thema Wert-papier-KESt auseinandergesetzt und diePortfolios so aufgestellt, dass InvestmentsEnde 2010 getätigt wurden, um langfristigaufgestellt sein. Natürlich vor dem Hin-

„Österreicher, die im Inland veranlagen,

werden diskriminiert“ Alexander Proschofsky, Investor

„Die Kapitalgarantie hataus der Zukunfsvorsorgeein Nadelöhr-Produkt

gemacht“Heinz Karasek, Ex-Banker, Wirt

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tergrund der Vermögenszuwachssteuer,wenn sie noch so kommt, wie sie geplantwar.

CCaaffee BBEE:: Welche drei Titel würden Sie vonden österreichischen Titeln in Ihren Grup-pen hervorheben? SScchhwweeiigghhooffeerr:: Sicher eine OMV als Blue-Chip Wien, dazu der Verbund und die voe-stalpine.

CCaaffee BBEE:: Ziehen Sie die Gruppen bei derOMV-Kapitalerhöhung mit?SScchhwweeiigghhooffeerr:: Das wird von Gruppe zuGruppe variieren, was ich aber so her-ausgehört habe, ist, dass wohl mit Limitsunter 30 agiert werden wird. Bekommtman die Aktie, dann soll es recht sein,wenn nicht, auch egal.

CCaaffee BBEE:: Und welche Titel sind bei bro-kerjet die Gefragtesten?SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: In den vergangenendrei Monaten wurde bei uns besondersviel (Anm.: zitiert eine Liste) in Intercell,Raiffeisen, voestalpine, Immofinanz, OMV,Erste Group, An-dritz und Verbundgehandelt. Dahin-ter mit Commerz-bank, Conergy undSolarworld dreideutsche Titel. Frü-her stand bwin imMittelpunkt, dawird jetzt kaumnoch etwas gehan-delt.

CCaaffee BBEE:: Der Au-stria Börsenbriefwar und ist be-kannt für dasStockpicking. Wel-che Titel der Wie-ner Börse schautsich die Privatper-son Alexander Pro-schofsky heutenoch an? PPrroosscchhooffsskkyy:: Alsoanschauen tu ich mir weiterhin fast alles,zumindest das, was innerhalb eines ge-wissen Grössenfilters ist. Gut gefallen miraktuell eine Strabag, ich finde immer noch,

dass Andritz ein fan-tastisches Unterneh-men ist, das gleichegilt für Mayr-Melnhof.Im Gegensatz gefal-len mir viele Unter-nehmen, bei denender Staat dabei ist,nicht. Da gehört auchdie OMV dazu, ichfinde das Manage-ment furchtbar. EineKapitalerhöhung aufdem Level EV/EBIT-DA von unter 3 zumachen, statt eine In-vestition wie Tune-sien oder Tankstellenin der Türkei auszu-lassen. Die Aktie istbillig und wird immerbillig bleiben. Auchdie Tatsache, dassman ein Jahr über dieKapitalerhöhung geredet hat, statt sie ein-fach zu machen, sodass das auch der letz-

te Hedgefonds-Manager in denUSA oder Londonweiss; da bin ichnicht so begeistertvon der ganzenTransaktion. Posi-tiver sehe ich dieLenzing-Transak-tion, die Emissionwird auch auf die-sem Preisniveaugut laufen. Kurz-fristig, wenigerlangfristig, ist voe-stalpine glaube ichein ganz guterPick, im Automo-tive-Bereich gibt esgute Signale. Daswars dann in etwa.

CCaaffee BBEE:: Und Sie,Herr Karasek, ha-ben ja gesagt, dass

Sie aktuell nicht aktiv sind. Spricht manim Lokal über Aktien- und Zertifikatetippsoder geht es eher um Gschichtln?KKaarraasseekk:: Befindlichkeiten und Gschich-

ten auch. Das zu-rückgehende Vo-lumen und die zu-nehmende Unsi-cherheit, das istalles eine sichselbst befeuerndeAbwärtsspirale fürdie Umsätze. Im-mer mehr wirdüber Dark Poolsabgewickelt, das istnatürlich auch einSpesenthema. Ichhabe bei den Aus-sagen der anderenGesprächsteilneh-mer zugehört undnachgedacht, wasmich interessierenwürde. Tut mirleid, aber da fallennur die guten al-ten Titel wie Ley-

kam, Lambacher oder so ein. Es ist scha-de, der Platz ist historisch; ich war ja Händ-ler der CA, da sind wir jeden Tag in derFrüh da, wo wir jetzt bei Griffner am Schot-tenring sitzen, am Weg zur Wiener Börsevorbeispaziert. Die Orders wurden hän-disch eingegeben. Da sind die Sensale mitdickem Buch und Bleistift zu den Patro-nanzbanken hingegangen. Am Anfang wur-de das Buch so gehalten, dass man dieOrderlage nicht erkennt, im Verlauf ist dasBuch dann immer waagrechter gelegen.Und dann hat halt der Chefhändler derPatronanzbank eine Kursbildung veran-lasst.

CCaaffee BBEE:: Was muss passieren, damit dieAbwärtsspirale an der Wiener Börse ge-stoppt werden kann?SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Zwei Dinge, einerseitsdie Kommunikation von allen in der Bran-che an die Kunden, Anleger oder Interes-sierten. Zweitens ein faires Gesetz, was dieWertpapiersteuer betrifft.

CCaaffee BBEE:: Was wäre aus Ihrer Sicht fair?SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Zum Beispiel, dass manVerluste sofort mit Gewinnen gegenrech-nen kann.

CCaaffee BBEE: Das hört man ja sehr stark, dass

„Die Österreicher sindHome-Buyer, aktuell

herrscht Verunsicherung“

Hans-Peter Schweighofer, InvestmentClub-Austria

„Informationsnachfragegrösser als vor einem Jahr,aber die Leute halten sich

mit Trades zurück“Wolfgang Siegl-Cachedenier, brokerjet

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das gerade evaluiert wird ...SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Genau. Es ist ja nichtso, dass es kein Verständnis für so eineSteuer gibt, nur fair muss es sein. Gewin-ne sofort zu versteuern und die Verlusteerst im nächsten Jahr zurückholen zu kön-nen, das sieht der Privatanleger zu Rechtnicht ein.PPrroosscchhooffsskkyy:: Was ist das für ein Gesetz, indem ein in Österreicher, der in ÖsterreichWertpapiere veranlagt, gegenüber einemÖsterreicher, der in Deutschland Wertpa-piere verlanlagt, diskriminiert wird?SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Richtig, das hören wirauch sehr stark von den Kunden.

CCaaffee BBEE:: Ein Austro-Aktien-Umsatzminus von 50 Prozent bei den mei-sten Brokern; gibt es da auch einen Dia-log zwischen den Brokern selbst? Einengemeinsamen Strang? Ist was geplant?SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr (lacht): Dialog ja, dawürde ich mal dabei bleiben.SScchhwweeiigghhooffeerr: Durch die ganzen gesetzli-chen Änderungen gibt es mittlerweile nurmehr sehr wenige Investmentclubs inÖsterreich.

CCaaffee BBEE:: Wegen der aktuellen Änderun-gen?SScchhwweeiigghhooffeerr:: Nein, vorher schon. Die Ver-mögen dürfen nicht mehr auf den Vereinlaufen, das ist ein Verstoss gegen das Bank-wesengesetz, daher haben wir eine Treu-handschaft zwischengeschaltet. Das woll-ten sich aber viele andere Clubs nicht an-tun, zu viel Aufwand, zu hohe Kosten.Zurück zum aktuellen Umsatzrückgang:Der steuerliche Aspekt ist hier nicht derHauptgrund, es sind meiner Meinung nacheher die Unsicherheiten wie Fukushima,der arabische Raum oder die Schuldensi-tuation im Euro-Raum. Das führt dazu,dass Entscheidungen hinausgeschobenwerden. Und bei der Vermögenszu-wachssteuer ist die Problematik mit demunklaren Zeitpunkt des Inkrafttretens deut-lich komplexer geworden. Ein weitererwichtiger Punkt: In den Neunzigern hat-ten wir zum Beispiel eine tolle Stimmung,die Leute wollten sich an den Unterneh-men beteiligen. Zuletzt hatten wir eine Dis-kussion, dass der derjenige, der Aktien hat,ein böser Mensch ist, der bestraft gehört.Vergessen wird, dass der Aktionär die tra-

gende Säule der Wirtschaft ist. Wenn dieUnternehmen an Ausländer gehen, ist dasja sicher nicht besser. Da ist die Branchezum Aufrütteln aufgerufen, auch die Po-litik. Und letztendlich darf man auch diebörsenotierten Unternehmen nicht aus derPflicht nehmen. Leider sehen doch immermehr Unternehmen den Aktionär als lä-stig an, man wird ja durch das politischeBild dazu eingeladen. Daher: Wir gehenzu den Hauptversammlungen, stellen Fra-gen, das ist auch das Recht der Aktionä-re. Der Vorstand des Unternehmens sollsehen, dass die Leute kommen und in-teressiert sind.

CCaaffee BBEE:: Herr Proschofsky, wie schätzenSie die Chancen der Banken beim VfGHin Bezug auf die Wertpapiersteuer ein?PPrroosscchhooffsskkyy:: Da tu ich mir schwer, ich habdas alles vor Monaten gelesen. Der Aspekt,

der mir sehr wichtig ist, ist, dass die In-landskonten doch nicht diskriminiert wer-den dürfen. Das Grundübel der Steuer istnichts anderes, als dass man die Sparbuch-KESt auf ein Wertpapier, das eine Kurs-bewegung hat, umlegen wollte. Ich glau-be auch gar nicht, dass das böse Absichtist, sondern politisch und österreichisch,so nach dem Motto „tun wir das doch indas Bestehende dazu“. Und leider hat esniemand gegeben, der da Widerstand ge-übt hat und jetzt haben wir den Salat.

CCaaffee BBEE:: Wie sehen Sie die Steuer, HerrKarasek? KKaarraasseekk:: Ich halte das für eine rein popu-lisitische Massnahme. Ich kann mir nichtvorstellen, dass aus so einer Steuer etwasrauskommt, das irgendwas im Haushalt

bewegt. Es ist eine Showsteuer, die nochdazu schlecht gemacht wurde. Das The-ma Aktieninvestment ist in den vergange-nen Jahren immer mehr vom Beteili-gungscharakter zum Wettcharakter ge-gangen. Die Volatilität, die stellenweise imMarkt war, das war zu viel. Zertifikate ha-ben das noch einmal verstärkt. Und da istwohl auch der Ansatz mit der Steuer zusuchen.

CCaaffee BBEE:: Herr Schweighofer, inwieweit sindZertifikate bei Euch in den Anlagegrup-pen ein Thema? SScchhwweeiigghhooffeerr:: Sind drinnen, aber werdeneher stiefmütterlich behandelt. Wir habenim Club einen langfristigen Horizont, fürValue-Investoren sind Zertifikate von derPhilosophie her nicht so geeignet. Mansieht sich das an und gibt dem InvestmentZeit.

CCaaffee BBEE:: Also lieber gleich die voestalpi-ne-Aktie statt dem Discount-Zertifikat,auch wenn eine eventuell hohe Volatitli-tät eine vielleicht sehr starke Ausstattungergibt ...SScchhwweeiigghhooffeerr:: Genau. Und es ist uns jaauch wichtig, zu HVs zu gehen. Zudemwollen wir in den Gruppen lieber die Lang-fristigkeit. Wir wollen am Unternehmenbeteiligt sein, die Substanz sehen. Ein Be-such eines Stahlwerks in Linz gehört dadazu. Die HVs geben auch wichtige Indi-kationen zur Stimmung. Wird gestritten,geht alles ruhig zu? Wie geht es dem Vor-stand mit dem Aufsichtrat und umgekehrt?Arbeiten vielleicht alle gegeneinander?Man lernt viel über das Unternehmen.

CCaaffee BBEE:: Und wie gross ist der Zertifika-

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te-Anteil bei den brokerjet-Kunden?SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Bei uns sind ca. 50 Pro-zent der Trades mit Zertifikaten.

CCaaffee BBEE:: Wirklich wahr?SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Ja, auf der einen Seiteist das durch die Spesenstruktur bedingt,andererseits hat brokerjet bei den Funk-tionen eine Vorreiterrolle, Kunden kön-nen bespielsweise auch im ausserbörsli-chen Handel Trailing Stopps verwenden.

CCaaffee BBEE:: Hebelprodukte statt Anlagepro-dukte, richtig?SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Ganz klar Hebelpro-dukte.

CCaaffee BBEE:: Und wann wird man Anleihenbei Euch handeln können? SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Seit zwei, drei Mona-ten machen wir auf Facebook recht vielund da kam ebenfalls vor kurzem dieseFrage: Ich habe das mit 2012 beantwor-tet. Anleihen sind für die Diversifikationsehr wichtig, wir hatten es bisher technischnicht aufgesetzt. Also: 2012.

CCaaffee BBEE:: Herr Proschofsky, sind für SieZertifikate ein Thema?PPrroosscchhooffsskkyy:: Ich bin ein Direktinvestor.Bei Zertifikaten sehe ich schon den Punkt,dass es vor Spesen 50:50 steht, je nachDerivateklasse steht es dann nur noch40:60, ohne Anspruch auf Genauigkeit.Ich habe zwar meine Diplomarbeit undDissertation über Derivate geschrieben,setze sie aber selten ein. Ausnahme viel-leicht Hegding. Derivate bräuchten mei-ner Meinung nach mehr Regulierung, siesind Verstärker der Marktdynamik, habendie Krise verstärkt. Ich bin nicht dafür, dassDerivate verboten werden, ich kann miraber nicht vorstellen, dass es sinnvoll ist,dass Aktien verstärkt über Derivate ge-handelt werden. KKaarraasseekk:: Das ist schon zum Teil richtig.Beispiel Zukunftsvorsorge, das war nichtganz durchdacht mit der Kapitalgarantie.Man lässt über Jahre Volumen hinein-tröpfeln, das dann zu einem schlechtemMoment durch ein und das gleiche Na-delöhr wieder raus muss, weil eben eineKapitalgarantie darauf ist.

CCaaffee BBEE:: 2008 hatten wir den ATX-Futu-re 100 Punkte unter der Kassa und unter

dem theoretischen Wert. Jetzt kommt So-zialminister Hundstorfer und möchte diestaatliche Prämie auf ausgestoppte le-benslange Verträge kürzen. Auch das passtins Bild. Ich möchte die klassischen An-bieter von strukturiert verpackten Deriva-ten ein wenig in Schutz nehmen, schliess-lich kann ja, würde es deren Produkte nichtgeben, ein Privatanleger nur schwer zB voneinem erwarteten Rückgang der Vola pro-fitieren können. Bei grossen Institutionel-len sieht es anders aus, da blickt man oftwirklich nicht durch.SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Was ich positiv finde,ist, dass man in Märkte investieren kann,in die man sonst nicht reinkönnte.

SScchhwweeiigghhooffeerr:: Wer eine klare Meinung hat,kann das mit Zertifikaten gut umsetzen,für steuerehrliche Menschen ist das aucheine einfache Handhabe.

CCaaffee BBEE:: Auf zur klassischen Schlussrun-de. Wohin gehen die Märkte? Wo notie-ren ATX & Co per Jahresende, gerne auchdie private Meinung ...SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Ich glaube schon, dasswir bis Ende des Jahres im ATX und auchim DAX noch eine positive Entwicklungsehen werden. Viele warten ab, nicht nurbezüglich der KESt, sondern auch wegenGriechenland oder dem nahen Osten.

CCaaffee BBEE:: Glauben Sie an einen Anstiegder Vola? Das müsste dann ja auch wie-der ansteigende Handelsvolumina geben.SSiieeggll--CCaacchheeddeenniieerr:: Ich denke, dass wir ak-tuell ein historisch tiefes Niveau bei denHandelsumsätzen haben. Das wird schonwieder etwas ansteigen, das ist auch einbisschen eine Hoffnung natürlich. SScchhwweeiigghhooffeerr:: Ich glaube, die Anleger wer-den sich an die Unsicherheiten gewöh-nen, und vielleicht fällt ja die eine oder an-dere Unsicherheit weg. Ich sehe in derzweiten Jahreshälfte durchaus Potenzial.Ich bin optimistisch, der Markt braucht

jetzt ein wenig Zeit, um Luft zu holen. InÖsterreich und Deutschland haben dieUnternehmen gute Arbeit geleistet.KKaarraasseekk:: Ich habe zum Aktienmarkt garkeine Meinung mehr, will auch keine Pro-gnosen abgeben. Die Frage ist, ob einePrognose von mir aktuell nicht eine hö-here Trefferchance hätte als früher. Aberdas, was ich rundherum sehe dieser Tage,gefällt mir gar nicht. Die Krisenherde inEuropa und im Nahen Osten sind bekannt,auch der Aufschwung in Amerika stehtmeiner Meinung nach nicht auf einem ge-sunden Fundament.

CCaaffee BBEE:: Herr Proschofsky, Sie spracheneingangs davon, dass der Wiener Marktnur eine Underperformer-Einschätzungverdiene ...PPrroosscchhooffsskkyy:: Die Märkte haben sich rechtgut gehalten, die Stimmung zeigt jedochdie schlechte Laune. Ich war erst in dervergangenen Woche bei einer Konferenzmit österreichischen und deutschen Un-ternehmen, dort ist die Stimmung erfreu-licherweise sehr gut. Ich glaube, die Un-ternehmen sind viel besser aufgestellt alsvor der Krise. Die Unternehmen haben ih-re Hausaufgaben gemacht. Der DAX ge-fällt mir in Europa am besten, auch derATX könnte am Ende des Jahres ein Stückhöher liegen, aber etwas hinterherhinkend.Hier gibt es noch viele offene Punkt: DasKESt-Thema, die Beachtung der WienerBörse, einige grosse Unternehmen, zB dieStaatsnahen, sind einfach schlecht gema-nagt. Es gibt gute Unternehmen in Öster-reich, aber die Verlagerung der Zentralenweg aus Österreich ist schon ein Problem.Oder Cheuvreux mit der Aufgabe der Nie-derlassung. Weiters sind die Börsegebüh-ren sind viel zu hoch und das Klima istbörsefeindlich. Die Problemlösung ist kom-plex, man kann da nicht einfach an einerSchraube drehen, es geht nämlich um vie-le kleine Faktoren. Ich fürchte, die Um-sätze werden noch weiter bröckeln. Bör-segänge klappen nicht wegen der Histo-rie (Amag, Isovoltaic), aber es ist immereinzeln zu betrachten. Lenzing wird gutlaufen, da bin ich überzeugt.

DDiisskkuussssiioonnsslleeiittuunngg: Christian DrastilFFoottooss:: Franz-Josef Galuschka

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Cafe BE über Managed Futures, Trends, deren Brüche und Performance-Erwartungen

„Was will man mit Anleihen oder Aktienim aktuellen Umfeld noch verdienen?“

Wer Aktien hat, kannauch einen ebenso hohenAnteil an Managed Futuresim Portfolio haben, lautetdie einhellige Empfehlung.

Cafe BE: Lehman-Bankrott, Madoff-Schwindel – wie haben sich diese Ereig-nisse auf die Branche ausgewirkt und wiehat sich das Volumen der Managed Futu-res (MF) weltweit seit 2007 entwickelt?Thomas Steiner: Die Branche hat jetztein Volumen von rund 266 Mrd. USD,1994 waren es erst 20 Mrd. Das Wachs-tum ist überdurchschnittlich im Vergleichzu anderen Asset-Klassen, aber insgesamtist die Industrie noch immer klein. Auch2008/09 gab es keine Einbrüche wegender guten Kursentwicklung.Oliver Prock:Wichtig ist das Wachstum,seit 2007 sind es 40% aufgrund der Un-korreliertheit der Assetklasse und der Per-formance.Gernot Heitzinger: Es sind stete Zu-wächse, weil es im Vergleich zu Aktien ste-te Performance-Zuwächse gibt. 2008, dasJahr von Madoff und Lehman, war unsererfolgreichstes Jahr, wir hatten starke per-formance-bedingte Zuwächse, aber auchAbflüsse, weil viele Kunden einfach Liqui-dität haben wollten. Immer wenn MF einsehr gutes Jahr hatten, war das Umfeld so

schlecht, dass man nicht wie in anderenAssetklassen plötzlich einenmassivenGeld-zufluss bekommt. 2009 spürte man auchbei den MF eine Zurückhaltung.Prock: Massive Zuflüsse gab es eigent-lich nur beim Platzen der New Economy-Blase. Das war ein isoliertes Problem. Wiegesagt, 2009 waren die Anleger zurück-haltend, aber 2010 ist es mit den Zuflüs-sen wieder ganz gut gelaufen.

Prinzipiell sollten Trendfolger zumindestmittelfristig immer Gewinn machen?Warum ging 2009 so schief?Prock:Manmuss es so sehen: 2008 wur-de eine enorme Überrendite erzielt, vonder 2009 wieder etwas abgegeben wurde.Das ist aber an sich nichts Schlimmes, dasgehört dazu. Trends an sich wird es aberimmer geben, da hat sich nichts verändert.Die Assetklasse hat Volatilität, aber dasheisst auch Ertrag.Steiner: 2009 war gefühlsmässig ein Jahrmit Trends, aber de facto das Jahr mit denwenigsten Trends. Es gab viele Trendbrü-che, und das ist eigentlich die grosse Ge-fahr für MF. Wenn man den ganzen Zeit-raum seit der Krise betrachtet, hat sich dieMF-Industrie sehr gut gehalten.Heitzinger: 2009 kann man nicht dazuheranziehen, die Aussage zu widerlegen,dass MF immer Gewinne machen müss-ten. Was ist mittelfristig? Schaut man rol-

lende 5-Jahresperioden an, gibt es kaumeine Assetklasse mit stabileren Ergebnis-sen. Gerade bei den Trendfolgern zeigtsich gut, dass jene, die 2008 besondersgut waren, 2009 besonders schlecht wa-ren. Das ist auch eine Frage der verwen-deten Trendmodelle.Steiner: Wichtiger ist die Frage, wie grossder maximale Drawdown ist. Denn –50%sind für Kunden besonders schmerzlich.Schaut man sich den Barclays-CTA-Index seit 1986 an, dann war der maximaleDrawdown (Einbruch) –15,7%, was sensa-tionell zu den Aktienmärkten ist, wo wirzwei Mal eine Halbierung hatten. Nimmntman den MAN AHL her, ein eher dyna-misches Produkt im MF-Segment, dannliegt der maximale Drawdown bei –18%.Das ist eine andere Welt als die zweimali-ge Halbierung bei Aktien. Dennoch habenviele Leute noch das Gefühl, MF seien et-was wahnsinnig Riskantes, wo man über-legen muss, ob man sich das trauen kann.Für viele Berater sindMF immer noch Pro-dukte, die mal –50%, dann +50%machen.Aber das stimmt nicht, wenn man sich dieIndizes und die grossen Anbieter anschaut.

Wurden wegen der Erfahrungen aus demJahr 2009 strategische Änderungen durch-geführt, also wurde etwa auf kurzfristige-re Trendfolge-Modelle umgestellt? Ist dasüberhaupt sinnvoll?

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Im Cafe BE: Oliver Prock (Salus Alpha), Thomas Steiner (apano), Gernot Heitzinger (SMN), Wolfgang Schimmel (FTC)

Page 90: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Heitzinger:Das ist eine Philosophie-Fra-ge. Wir glauben nicht daran. Wir sind derMeinung, dass die ganze Welt und dieWirtschaft fundamentalen Dingen folgen.Und diese brauchen einfach länger. Ganzkurzfristige Sachen sind stark vom Zufallgetrieben und daher schwer fassbar. Wirhaben uns jedenfalls absolut der langfri-stigen Ebene verschrieben.Prock: Nochmal zurück zur Frage, ob esTrends immer gibt. Die Nobelpreisträgerfür Behavioural Finance, Kahneman undTversky, argumentieren, dass es Trends gibt,weil sich die Leute sehr langsam anpassenund dadurch die Preise nach oben lizitie-ren. Die MF-Branche ist darauf ausgelegt,dass jede Information im Preis ist. Die Kon-sequenz ist, dassManager nun schon auchversuchen, adaptiv unterwegs zu sein, alsoin beide Richtungen gehen zu können.Steiner: Das hat auch MAN gemacht.Man hat 2008 erkannt, dass die Trendsimmer kurzfristiger werden und versucht,das Modell zu adaptieren. MAN ist im-mer noch ein mittelfristiger Trendfolger,das heisst zwei bis drei Monate. DieseTrends sind historisch die besten Rendi-te-Bringer. In den letzten Jahren gab esaber viele kurzfristige Trends und nun hatdas Handelssystem auch die Möglichkeit,Märkte schneller zu handeln.

Kann es sein, dass Trendfolger plötzlichprinzipiell nicht mehr funktionieren?Heitzinger: Diese Frage kommt immerwieder, in meiner Zeit als Aktienfonds-manager hat mich interessanterweise niejemand gefragt, ob Aktienfonds plötzlichnicht mehr funktionieren können. Prinzi-piell sind Szenarien vorstellbar, etwa wennalle nur mehr Trends folgen. Aber davonsind wir noch weit weg. Gerade auch diepolitischen Entwicklungen und Regulato-rien deuten darauf hin, Dinge zu versteti-gen, alles noch länger zu machen und Bla-sen stärker auszubilden.Steiner: Es wird schon immer schwieriger.Es hat einen Grund, dass MAN 120 Leu-te in der Entwicklung hat. 1980 konntenmit ganz einfachenModellen, wie etwa die-sen Turtle-Trader-Geschichten, sehr guteErfolge erzielt werden. Inzwischen ist es sohochgezüchtet, dass die Vorteile immer ge-ringer werden. Ja, Trendfolge wird es wei-ter geben, aber es ist nicht mehr so trivial,

dass sich jeder, der ein wenig vom Pro-grammieren versteht, einen eigenen Trend-folger bauen kann.Prock: Auch wir bei Salus Alpha denkenin diese Richtung. Der Markt, die ganzeWelt, ist ein Makro-Player geworden. Esgibt nur mehr risk on/risk off. Die Modellemüssen dieses Umfeld beherrschen, d. h.schnelle Korrekturen in den Trends.

Was passiert bei Weltuntergangsszenarien?SindMF auch dann eine gute Anlage, wennes z. B. zu einer Hyperinflation käme?Heitzinger: Sowohl Deflations- als auchInflationsszenarien oder auch Szenarienwie jetzt, wo beides denkbar ist, werdenTrends auslösen. Die Frage, wie es in derHyperinflation ausschauen wird, ist ei-gentlich paradox, denn Hyperinflation istein Kollaps der Geldwirtschaft. D. h. ein Fi-nanzprodukt, das einem in der Hyperinfla-tion hilft, ist ein Paradoxon per se. Es wirdwahrscheinlich sehr gut performen: Manbekommt dann zwarMilliarden Euros, diealle nichts wert sind. Es ist also eine Frage,wie stark die Inflation ist. Für ein starkesInflationsszenario, solange Märkte funk-tionieren und offen bleiben, wird es gutfunktionieren. Aber bei einem Kollaps derGeldwirtschaft muss man sich mit Fi-nanzprodukten nicht auseinandersetzen,hier kauft man besser einen Acker.

Wolfgang Schimmel: So würde ich dasauch sehen. Aber ein Szenario wie 2008,das als Untergang der bekannten Finanz-welt erschien, war mit Abstand eines derbesten Jahre, einfach weil die Trendfolgerschon richtig positioniert waren.Prock:Wir versuchen schon, MF als Ab-sicherung gegen Inflation zu sehen. Wirgehen davon aus, dass steigende Preise ei-nen entsprechenden Trend auslösen. An-dererseits ist man bei Inflation am bestenin Hard Assets veranlagt. Ich glaube, manmuss einfach die Vorsilbe „Hyper“ weg-streichen, dann ist man mit MF nicht soschlecht aufgehoben.

Ein Grossteil der Mittel wird ja bei Futu-res-Käufen nicht investiert. Was passiertmit diesem Geld? Ist es in Staatsanleihenangelegt und was passiert dann bei einemStaatsbankrott?Schimmel: Wir haben im Cash-Ma-nagement unterschiedliche Termingelderbei unterschiedlichen Banken und teilskurzlaufende deutsche Staatsanleihen.Steiner: Bei MAN haben wir nur Taggeldbei verschiedenen, AAA-gerateten Ban-ken. Wir versuchen nicht, mit der Cash-Komponente Ertrag zu machen.Heitzinger: Auch wir haben nur kurzfri-stige Staatsanleihen aus v. a. Deutschlandund Österreich und haben Bankeinlagen

„In meiner Zeit als Aktienfondsmanagerhat mich nie jemand gefragt, ob Aktienfondsplötzlich nicht mehr funktionieren können“

Gernot Heitzinger, SMN

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Page 91: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

minimiert.Prock: Wir sind UCITS-konform unter-wegs, wo der Gesetzgeber schon Diversi-fikation vorschreibt und das ist auch dieSicherung gegen Ausfälle.

Welcher Prozentsatz wird in Futures ver-anlagt und was bleibt im Cashbereich?Prock: Margins von 5 bis 20% sind üb-lich.Steiner: Hängt von den Märkten ab, imSchnitt sind die Margins über unsere 200Märkte zwischen 16 und 18%.

Ist es auch üblich, mehr als die Margin zuinvestieren?Steiner: Das wäre dann ein Leverage.Heitzinger:Das hängt davon ab, wie mandas Produkt konzipiert und in welcher Ri-sikoklasse es man aufsetzt. Wir haben 20%Margin to Equity, aber auch ein Spezial-Produktmit 40%. Der Kundemuss nur wis-sen, wie er damit umgeht. Für die breiteMasse ist das aber nichts.Schimmel: Schwankt und hängt von derMarktvolatilität ab, bei uns liegt sie zwi-schen 18 und 22%.Prock: Bei unseren Fonds im Schnitt zwi-schen 10 und 15%.

Sind MF im UCITS-Mantel sinnvoll undwelche Einschränkungen gibt es?Schimmel: Rohstoffe kann man nichtdirekt abbilden, d. h. man kann keinen Fu-tures-Handel im UCITS-Fonds haben.Folglich müsste man die Rohstoffe übereine Swap-Konstruktion indexieren.Heitzinger: Sinnvoll nein, denn einUCITS-Fonds stiftet hier für den Anlegerkeinen zusätzlichen Nutzen. Aber es istein Thema, das der Markt immer mehrhaben will, und als Brand gesehen wird.Steiner: Es hat schon einen gewissenMehrwert, etwa einen rechtlichen. Es istein Luxemburger Fonds, die Leute wissen,was ein Sicav ist, ein rechtlicher Rahmen,der vertraut ist. Bei MAN gibt es immernoch beide Möglichkeiten: offshore mitVorauskasse oder UCITS. Man kann dentäglichen Handel leichter abdecken, wasdie Leute wollen. Auch die Institutionel-len kaufen inzwischen fast ausschliesslichdie UCITS-Tranche bei uns, weil es ver-waltungstechnisch für sie leichter ab-deckbar ist. Aber das kostet etwas, wir sa-gen bis zu 0,4% an Performance pro Jahr.Prock: Ich muss jetzt Flagge zeigen: EinUCITS-Mantel ist auf alle Fälle sinnvoll.Am besten packt man dabei das gesamte

Portfolio in einen In-dex. Nur dadurch hatder UCITS-Investorüberhaupt die Mög-lichkeit, an dieser As-setklasse in vollemUmfang zu partizipie-ren. Warum gibt esüberhaupt UCITS-Konstruktionen? Weiles der Markt will. DerMarkt hat die Kritik-punkte an der altenKonstruktion erkannt:Offshore, keine Zah-lung gegen Lieferung,kein Wertpapier, Illi-quidität. Dass es Ko-sten verursacht, lasseich gelten, aber dafürhat der Anleger einehöhere Liquidität.Heitzinger:Einige derPunkte sind sicher so.Aber anders als beiHedgefonds kannman

MF genauso in einem LuxemburgerFondsmantel abbilden, der genauso funk-tioniert und keinerlei Nachteil gegenübereinem UCITS-Fonds hat. Hingegen kostetein Swap etwas, verursacht ein Counter-part-Risiko usw. Eigentlich wäre vernünf-tiger zu hinterfragen, warum der Gesetz-geber sagt, dass Commodities in keinerForm in UCITS einsetzbar sind. Zusam-menfassend ist meiner Meinung nach dieUCITS-Verpackung nicht sinnvoll, son-dern bringt nur den Investmentbanken vielGeld, das der Anleger nicht bekommt.Schimmel: Weite Teile des Marktes ver-langen UCITS, darum macht man daseben. Notwendig ist es nicht. Der FTCMa-naged Futures Fund Classic ist eine SI-CAV-Konstruktion seit 1998, täglich han-delbar, liquid, völlig transparent. Man kannbeides haben, das eine widerspricht nichtdem anderen.Prock:Nochmals zum Counterpart-Risi-ko beim Swap: Das hängt von der Kon-struktion ab, besteht nicht notwendiger-weise. Wir haben „unfunded Swaps“, da-mit bleibt das Geld komplett im Fonds,es gibt kein Kollateral und damit auch keinAusfalls-Risiko auf das Kollateral. Mankann es aber auch anders machen. Ich se-he es auch kritisch, wenn Anbieter mit110% Kollateral werben, weil das mglw.110% Kollateral mit schlechter Bonität be-deuten kann, was dann ein höheres Aus-fallrisiko bedeutet. Der Anleger ist gefordert,das zu verstehen. Das Gesetz ist nun ausdem Jahr 1986 und veraltet. Da steht auchdrinnen, man darf keine Goldinstrumen-te haben. Das kommt alles aus einer Zeit,als die Futures kein Cash-Settlement hat-ten, also physisch geliefert wurde. Es wer-den sicher Commodity-Futures über kurzoder lang gesetzlich zulässig werden. AmEnde des Tages wird bei der Diskussionzwischen UCITS oder Non-UCITS die Per-formance entscheiden. Noch sind die Sta-tistiken zu jung, das zu beurteilen.Heitzinger: Ich begrüsse den Trend zu ei-ner gewissen Regulierung, es sollte abermöglichst transparent gemacht sein undohne viele Umwege. Wenn die Regulato-ren zulassen wollen, dass Commodity-Ri-siko beim Anleger ankommt, dann soll dasmöglichst direkt realisierbar sein. Es hatkeinen Sinn, alles irgendwie zu verpacken.Prock: Ja und nein. Der Gesetzgeber hat

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„2008, das als Untergang derbekannten Finanzwelt schien, warmit Abstand eines der besten Jahre“

Wolfgang Schimmel, FTC

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viel früher gesagt, dass Commodities imUCITS-Fonds zulässig sind, aber nur alsIndex, weil die UCITS-III-Richtlinie nichtmehr hergegeben hat.

Sieht man sich lang zurücklaufende Indi-zes für die Branche, etwa den CASAM-CISDM-CTA equal weighted bzw. asset-weighted, an, so haben diese seit 1980 rund6000 bzw. 3000% gemacht (14,6 bzw.12,0% p. a). Wie stark sind diese Indizesverzerrt, etwa durch Survivorship-Bias?Schimmel: Dieser Index ist schon durchviele Hände gegangen und wird in seinenSubindizes teilweise gar nicht mehr nach-geführt. Wenn man ihn mit dem Barclays-CTA-Index vergleicht, derzeit der Standard-Index für CTAs, kommt man auf ähnlicheZahlen. Inwieweit nun der Survivorship-Bias eine Rolle spielt, wäre ein akademi-sches Untersuchungsprojekt.Prock: Survivorship-Bias gibt es. Wennman einen Backtest mit den Survivorsmacht, dann erhält man eine ganz ande-re Performance, als wenn auch die pleitegegangenen Fondsleichen mitberücksich-tigt werden.Heitzinger: Ich halte vor allem die zuvorgenannten Zahlen nicht für völlig absurd.Unseren Fonds gibt es nun seit 15 Jahrenund wir haben 10% p. a.Steiner: Das Ziel ist auch bei MAN im-mer noch, bei der Performance zweistel-lig zu sein. Den Fonds gibt es seit 20 Jah-ren, er hat knapp 10% des gesamten MF-Marktes an Volumen und kann daher ganzgut zum Vergleich verwendet werden.Prock: Nicht vergessen sollte man, dassin den 80er Jahren, der Pionierphase, nurwenige Teilnehmer im Index waren unddadurch die Aussagekraft für diese Pha-se, die eine sehr gute Performance auf-wies, stark eingeschränkt ist.

Spielen Rohstoff-Futures beiMF überhauptnoch eine bedeutende Rolle oder konzen-triert sich inzwischen alles auf Zins-, Ak-tienindizes-, und Wechselkurs-Futures?Schimmel: Das kommt aufs Produkt an.Es gibt reine Financial Futures Trader, esgibt sogar reine Agrar-Trader. Bei den inÖsterreich auf demMarkt befindlichen Pro-dukten sind das durchwegs diversifizierteMF-Produkte. Bei uns ist es im Schnitt einViertel des Exposures, und wir sehen den

Rohstoffanteil nach wie vor als wichtigenIndikator, obwohl die Korrelation zwischenRohstoff und Aktien inzwischen weit hö-her ist. Aber es gibt Phasen, wo fast nichtsausser Rohstoffen läuft.Heitzinger:Diversifikation ist extrem wich-tig, wir haben bis zu 40% Rohstoffe.Prock: Die Branche generell hat immernoch einen grossen Anteil an Rohstoffen.Was wir schon sehen: Je grösser Fondswerden, desto stärker geht der Commo-dity-Anteil zurück.Steiner: Je breiter diversifiziert, desto bes-ser. Es kommen auch viele neue Märktedazu. 1990 haben wir 50 Märkte gehan-delt, jetzt sind es 250. Jeder neue Marktbringt weitere Diversifikation, von Aktien-futures bis Stromfutures schaut man sichalles an, was halbwegs liquide ist. Warumkauft man überhaupt MF? Weil mittler-weile einfach keine Diversifikation mehrmöglich ist, nur weil man europäische undamerikanische Aktien hat. MF sind eineder wenigen Assetklassen, mit denen mannoch eine Diversifikation erzielt.Schimmel: In Wahrheit liegt dies weni-ger an den vielen Assets, die wir handeln,sondern das kommt aus dem Assetmix.

Wie hoch sollte der MF-Anteil in einemPrivatanleger-Depot sein?Prock: 15 bis 30% macht Sinn.

Steiner: 15 bis 20%. Gerade jetzt, wo eingrosses Fragezeichen über den Aktien-märkten steht. Das ist auch der Anteil, dendie grossen Investoren seit Jahren fahren,etwa die Universitätsstiftungen Yale undHarvard. Unsere grössten Kunden in denletzten Jahren waren deutsche Pensions-kassen und Versicherungen, also wirklichkonservative Anleger, die in diese Produkt-kategorie investierten. Ein Kunde, der vonseinem Risiko her einen gemischten oderAktienfonds verträgt, kann 15 bis 20%MFbeimischen.Schimmel: Ich bin der Ansicht, das istabhängig vom Aktienanteil. Zwar diversi-fizieren auch die MF ein Anleiheportfoliogut, allerdings wird man bald feststellen,dass das Risiko auch steigt, was solch einAnleger nicht will. Risikominimierung funk-tioniert am besten mit Aktien. Wer jetztetwa 40% Aktien hat, kann davon die Hälf-te in MF tauschen.Heitzinger: Es gibt aus meiner Sicht nichtDEN Privatanleger. Der Veranlagungsho-rizont und der Risikoappetit sind zu ver-schieden. Falsch ist jedenfalls die Denk-weise, langfristig werde man mit Aktienmehr performen als mit Anleihen, dennwir haben schon 30-Jahres-Perioden ge-habt, wo es nicht so war. Aktien wird einzu hoher Stellenwert eingeräumt, dennvom Risiko-/Ertragsverhältnis haben sie

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„Warum kauft man Managed Futures?Weil keine Diversifikation mehr möglich ist,nur weil man europäische und US-Aktien hat“

Thomas Steiner, apano

Page 93: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

über die Jahre erbärmlich performt. WerAktien hat, kann auch einen genauso ho-hen MF-Anteil haben und wer sich nichtüber Aktien traut, sollte auch keine MFhaben.

Sind Österreicher eher MF-Muffel oderbegeisterte MF-Investoren?Schimmel: Im Verhältnis zum deutschenMarkt sind Österreicher geradezu MF-be-geistert, aber das liegt auch am regulato-rischen Umfeld, weil hier publikumsver-triebeneMF-Fonds sehr viel einfacher Fussfassen konnten als in Deutschland.Steiner:Die Berater sind in Österreich re-lativ MF-affin. Ein Grossteil der Vermö-gensverwalter hat sich schon mit dem The-ma befasst.Schimmel: Unser Anteil an Privatanle-gern ist in den letzten drei Jahren stark ge-stiegen. Wir haben vorher fast nur institu-tionelles Geld verwaltet, aber inzwischenist der Anteil der Privatanleger schon deut-lich. Auch bankunabhängige Berater grei-fen das Thema dankbar auf, weil es der-zeit sehr schwierig ist, etwas mit einer be-friedigenden historischen Performance zufinden. Wer vor zehn Jahren Aktien kauf-te, sitzt immer noch auf Verlusten, wäh-rend MF in den letzten Jahren wirklich et-was brachten und auch die Portfolios sehrgut abstützen.Steiner: Bei MAN sieht es in Gesamt-europa und Asien so aus, dass von den24 Milliarden auf Institutionelle und Pri-vate je die Hälfte entfällt.Heitzinger: Für Privatkunden wären MFwegen ihres langen Anlagehorizonts eineideale Anlageklasse. Für Institutionelle mitihrem jährlichen Bilanzdenken ist die star-ke Volatilität ein Nachteil. Wenn er Pechhat, muss er im ersten Jahr abschreiben.Über rollende 10-Jahresperioden be-trachtet gibt es eine extrem hohe Wahr-scheinlichkeit für einen sehr guten, ja bes-seren Anlageertrag als mit den meistenanderen Assetklassen.Prock: Bei uns ist der Anteil der Privat-anleger ca. um die 20%, weil wir UCITS-Fonds haben. Wir sind ausgerichtet aufInstitutionelle, aber Privatanleger nehmendas Angebot auch wahr. Österreich istauch meiner Meinung im Vergleich zuDeutschland bei MF weit vorne, weil dasUmfeld in Österreich von der regulativen

Seite besser war. An sich kann ich das nurunterstreichen, dass MF ein ideales Pro-dukt für Privatanleger sind. Der Vertriebliebt oder hasst MF, er versteht das Pro-dukt oder versteht es nicht. MF machenSinn, auch für die Zeiten, die kommen.Was will man noch mit Anleihen oder Ak-tien im aktuellen Umfeld verdienen? MitMF hat man mit einem Produkt ein glo-bales Portfolio und ist in allen Märktenaktiv. Man kann auch weit mehr als 30%MF nehmen.

Wenn ich zur Bank gehe und MF von Ih-nen kaufen will, geht das?Allgemeines Nicken.Heitzinger: Sie können es gerne probie-ren, uns interessiert das Feedback sehr.Prock: Ich habe einmal einen solchenFeldversuch gemacht. Kaufen, ja. Aber dieBankberater am Schalter konnten keinebefriedigende Beratung anbieten, die be-kommt man nur beim Anbieter.Schimmel:Das wird aber allmählich bes-ser, es gibt schon Private Banking Abtei-lungen, die MF in ihren Musterportfoliosdrinnen haben.

Sind Managed Futures schuld an den ho-hen Rohstoffpreisen?Steiner: In jeder Diskussion kommt derVorwurf, MF seien schuld am schwachen

Euro-Kurs, am festen Euro-Kurs, am ho-hen Weizenpreis, am teuren Kaffee etc.Hier kann man nur sagen: Die MF-Indu-strie ist zu klein, um Märkte zu bewegenund will es als Trendfolger auch nicht. Wirhaben 266Milliarden, aber allein anWäh-rungsmärkten werden jeden Tag 3000Mil-liarden USD gehandelt. Wir sind auchnicht die, welche die Rohstoffe treiben,weil wir ja long und short gehen. Aber al-lein in Deutschland sind über 100 Milli-arden Euro in den letzten fünf Jahren inRohstoff-long-only-Produkte geflossen.Das sollte man sich mal anschauen.Schimmel: Die gesamte Indexindustrieim Rohstoffbereich hat eine Kapitalisie-rung von 300 Milliarden. Die gesamtenMF liegen mit 266 Mrd. weit darunter.

Ein Schlusswort?Prock:MF sind definitiv eine Alternativezu long-only-Aktien und es macht Sinn,nicht nur des Airbag-Charakters in der Kri-se wegen, sondern auch langfristig, MF imPortfolio zu haben.

Das Gespräch führten:CChhrriissttoopphh RRoohhrrmmoosseerr,, BBeettttiinnaa SScchhrraaggll

Bilder: FFrraannzz--JJoosseeff GGaalluusscchhkkaa

Bilder und frühere Cafe BE-Runden: hhttttpp::wwwwww..bbooeerrssee--eexxpprreessss..ccoomm//ccaaffeebbee

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„Managed Futures sind ideal für Privatanleger.Man hat mit einem Produkt ein globales Portfolio

und ist in allen Märkten aktiv“Oliver Prock, Salus Alpha

Page 94: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

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IR-Talk:Warum Online-Reports ungeliebt sind, die C.I.R.A wichtig ist und vieles mehr

IR-Job zwischen GBs, Roadshows,(Bezahl)Research und Social Media

Investor Relations imUmbruch. Wo gespart wird,was wichtiger wird. Hier dieZusammenfassung eines Ex-perten-Talks im Cafe BE.

CCaaffee BBEE:: Wie ist die IR-Abteilung bei Ih-nen dimensioniert, wo hierarchisch ange-siedelt? Beginnend vielleicht gleich mitWienerberger ...BBaarrbbaarraa BBrraauunnööcckk: Wir sind angesiedeltbeim CFO, wobei wir natürlich auch sehreng mit dem CEO zusammenarbeiten. Wirdecken die Bereiche Finanzmarktkom-munikation mit Aktionären, Analysten ab,aber auch den Teil der Berichte, der nicht„Anhang“ ist, also Geschäftsberichte, Quar-talsberichte. Und dann gibt es auch im-mer wieder Sonderaufgaben.

CCaaffee BBEE:: Wie gross ist die Abteilung, dieSie leiten?BBrraauunnööcckk:: Fünf Leute mit mir.

CCaaffee BBEE:: Und wie sieht es mit Mehrspra-chigkeit aus?BBrraauunnööcckk:: Alles fokussiert auf englisch.Die Investoren, die für uns relevant sind,sprechen englisch.

CCaaffee BBEE: Weiter in der Runde geht die Fra-ge an einen Vorstand, der den IR-Bereichmitmacht. Wie ist das Thema IR bei BrainForce strukturiert, Herr Melzer?TThhoommaass MMeellzzeerr: Strukturiert ist es in Wahr-heit überhaupt nicht, die IR-Abteilung gibtes nicht, Investor Relations-Dinge macheich nebenbei mit – auch wenn „nebenbei“ein bisschen abwertend klingt, aber so istes. Ich habe einen Mitarbeiter, der mir beider Erstellung der Quartals- und Ge-schäftsberichte hilft und auch für Präsen-tationen zuarbeitet. Er macht aber auchTreasury, M&A, Bewertungen, Risk Ma-nagement und das hauptsächlich. Ichselbst widme etwa 10 Prozent meiner Ar-beitszeit der Investor Relations. Das sind

vor allem intensive Kontakte zum Kern-aktionär Cross.

CCaaffee BBEE:: Und wie sieht das bei updateaus, Frau Schabhüttl?KKeerrssttiinn SScchhaabbhhüüttttll: Bei update ist das The-ma auch beim CFO angesiedelt, die IR-Abteilung besteht aus mir. Die Tätigkeitumfasst den klassischen Bereich der Ge-schäftsberichte, rechtliche Abwicklungen,gemeinsam mit der Legal-Abteilung vorallem deutsches Recht. Dazu Investoren-kontakte, wir haben doch etwas mehr FreeFloat; Investorenkontakte stellen sich na-türlich für eine Ein-Personen-Mannschaft doch etwas schwierig dar.Aber es funktioniert recht gut.

CCaaffee BBEE: update ist ein österreichischesUnternehmen, notiert aber in Deutsch-land. Wo fliesst mehr Zeit rein? DeutscheInvestoren nehme ich an ...SScchhaabbhhüüttttll:: Definitiv Deutschland, unserUnternehmen ist auch am deutschenMarkt viel stärker vertreten. Seit ich im Un-ternehmen bin, haben wir begonnen, auchden österreichischen Investorenmarkt stär-

ker in den Fokus zu nehmen. Wir sind daein Aussenseiter, das wissen wir. Es wirdmehr und es ist ein Spagat. In Deutsch-land nimmt man uns nur begrenzt wahrund in Österreich ist es auch nicht leicht,aber der Weg stimmt.

CCaaffee BBEE:: Wie kann man sich den typischenTagesablauf eines IR-Mitarbeiters bei Wie-nerberger vorstellen, wobei schon klar ist,dass nicht jeder Tag gleich ist?BBrraauunnööcckk:: Auch wenn wir grösser sind, istes nicht so, dass es ganz fixe Zuordnun-gen gibt. Jeder macht alles und es ist sehrjahreszeitenabhängig. Wenn Geschäfts-berichts-Zeit ist, dann arbeiten alle am Ge-schäftsbericht. Da kann die Investoren-und Analystenkommunikation schon ta-geweise etwas in den Hintergrund rücken.Nach den Ergebnissen richtet sich der Fo-kus wieder auf Roadshows, Meetings, Con-ference Calls.

CCaaffee BBEE: Wieviele Roadshowtage machtWienerberger in einem Jahr?BBrraauunnööcckk:: Zwischen 35 und 40 netto.

Im Cafe BE (v. li.): Barbara Braunöck (Head of IR Wienerberger), Thomas Melzer(Vorstand /IR Brain Force) und Kerstin Schabhüttl (IR update software)

Page 95: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

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CCaaffee BBEE:: Und wie hat sich diese Zahl inden vergangenen Jahren verändert?BBrraauunnööcckk:: Das ist relativ stabil, weil auchdie geografische Verteilung unserer Ak-tionäre relativ stabil geblieben ist. Das be-deutet, dass wir regelmässig die selben De-stinationen anfliegen.

CCaaffee BBEE:: Welche sind das?BBrraauunnööcckk:: Nordamerika, wir haben vieleangelsächsische Investoren, dazu die eu-ropäischen Finanzzentren; London, Frank-furt, Paris ...

CCaaffee BBEE:: ... Warschau?BBrraauunnööcckk: Warschau weniger, weil die pol-nischen Investoren auf die österreichischenBankenkonferenzen kommen und dortstark vertreten sind. Wir nennen diese Kon-ferenzen von UniCredit, Erste Group undRCB „Speed Dating“, das ist sehr effizientfür uns.

CCaaffee BBEE: Und wie viele One-on-Onesmacht Wienerberger im Jahr? Ist das eherCEO- oder CFO-Sache?BBrraauunnööcckk: Ich würde sagen zwischen 300und 400. Es liegt ein bisschen mehr beimCFO, aber es wird grundsätzlich geteilt.Wir gehen immer gleichzeitig mit zwei Vor-standsteams auf Roadshow, ein Vorstandfliegt mit ein Mal IR nach Frankfurt, einanderer gleichzeitig mit ein Mal IR nachParis zum Beispiel. Auf manchen Konfe-renzen macht auch die IR-Abteilung ta-geweise die One-on-Ones alleine.

CCaaffee BBEE: Herr Melzer, wie oft präsentie-ren Sie Brain Force im Jahr? Ich zähle Siedoch zu den auffälligeren Unternehmenunter den Kleinen ...MMeellzzeerr:: Ehrlich gesagt hab ich noch niedie Roadshowtage gezählt, in den vergan-genen zwei Jahren war das aber auch aneiner Hand abzählbar. Man muss sich jaauch immer überlegen, was man den In-vestoren eigentlich erzählen soll. Wenn ichmir die Entwicklung der Brain Force inden vergangenen Krisenjahre ansehe, dannstanden Restrukturierung und Optimie-rung im Mittelpunkt. Solange ich ergeb-nismässig keinen wirklichen Erfolg auf-zeigen kann, kann ich auch schwer aufRoadshow gehen. Ich war 2010 zwei Ta-ge in Deutschland unterwegs und eben

bei Euch auf einer Ro-adshow. Für 2011möchte ich das inten-sivieren, da sich die Er-gebnisse bessern. Ichwar vor kurzem inDeutschland unter-wegs und es hat michsehr gefreut, dass mansowohl im Kurs alsauch besonders imHandelsvolumen et-was gesehen hat. DerPlan ist jetzt, die sichabzeichnende erfolg-reiche Restrukturie-rungsstory der BrainForce ein bisschenstärker wieder in denMarkt hinauszutragenund bei diversen Ver-anstaltungen zu prä-sentieren, zB am 16.Juni am Small CapDay in Wien, dazu En-de August auf einer Small Cap Konferenzin Frankfurt. Weiters das Eigenkapitalfo-rum im November – hier überlegen wir,ob wir gemeinsam mit unserem MarketMaker Silvia Quandt ein paar Investoren-termine organisieren. Ein Microcap wiewir muss sich das alles gut überlegen. Ichtraue mich zu behaupten, dass man michim österreichischen Kapitalmarkt – ja ebenauch jahrelang Wienerberger - ein wenigkennt, viele Fondsmanager und Bankerhabe ich mal getroffen und denen die Sto-ry erzählt. Es ist aber schwer, wirklich spe-zialisierte Microcap-Investoren zu finden.Da bin ich in Deutschland, wo wir ja auchan die Börse gegangen sind, wahrschein-lich besser aufgehoben.

CCaaffee BBEE: Frau Schabhüttl, Sie haben beivielen Dingen, die Herr Melzer eben ge-sagt hat, genickt ...SScchhaabbhhüüttttll: Im Endeffekt ist es von derUnternehmensgeschichte in den vergan-genen Jahren ganz ähnlich gewesen – derUmsatz ist weggebrochen, das Ergebnisist weggebrochen, wir haben ebenfalls ei-nen Umbau des Geschäftsmodells ge-macht. Das ist keine Zeit für Roadshows.Heuer sehen wir, dass sich das alles wie-der gut entwickelt, im 2. Halbjahr werden

wir uns wieder aufRoadshows bege-ben. Beim Eigen-kapitalforum ha-ben wir versucht,reinzukommen,das aber nicht ge-schafft. Wir werdenaber dort sein.MMeellzzeerr:: Wir werdenbeim Eigenkapital-forum auch nichtpräsentieren, aberTermine vor Ortmachen.SScchhaabbhhüüttttll:: InMünchen machenwir im Dezembereinen Termin,Wien wahrschein-lich erst 2012. Wirhaben eine guteGeschichte dahin-ter, verfügen abereher über einzelne

Investoren, seit Dezember zB einen sehrinteressierten Fünf-Prozent-Investor.

CCaaffee BBEE:: Neues Thema, der Geschäftsbe-richt. Wieviele Ressourcen werden da in-vestiert bei Wienerberger?BBrraauunnööcckk:: Relativ viele Ressourcen, dieEndverantwortung liegt bei mir, inhaltlichin Abstimmung mit dem Vorstand undControlling. Wir beginnen im Dezembermit den Vorbereitungen, veröffentlicht wirder im März. Dazwischen absorbiert derGeschäftsbericht gut und gerne zwei Drit-tel unserer Zeit.

CCaaffee BBEE:: Der gesamten IR-Abteilung?BBrraauunnööcckk:: Ja, das muss alles abstimmtwerden, geschrieben werden, übersetzt wer-den, die Zeit fliesst eigentlich mehr in dieKorrekturarbeiten ein.

CCaaffee BBEE:: Und wie läuft der optische Krea-tivprozess, da gibt es ja recht nette Stücke,auch der von Wienerberger kann ja eini-ges ...BBrraauunnööcckk:: Das wird mit der Agentur ab-gestimmt, das kreative Briefing kommt zu-nächst einmal von mir. Vorschläge wer-den dem Vorstand präsentiert, der ent-scheidet dann, welche Variante wir

„Wenn Geschäftsbe-richts-Zeit ist, müssenwir einige andere Dinge

hintanstellen“Barbara Braunöck, Wienerberger

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machen.

CCaaffee BBEE:: Und auch hier die Frage nachder Dimension. Ist der Kostenrahmen überdie Jahre stabil geblieben?BBrraauunnööcckk:: Wir haben das Budget für denGeschäftsbericht gekürzt, also ein biss-chen weniger Aufwand, zB bei Fotostrek-ken, aber insgesamt genauso viel Arbeit.

CCaaffee BBEE:: Inwieweit ist der Online-Ge-schäftsbericht eine wesentliche Karte ge-worden?BBrraauunnööcckk:: Ich persönlich sehe das nicht.Wir haben sehr geringe Zugriffsraten aufden Online-GB. Das mag auch daran lie-gen, dass sämtliche Informationen ohne-dies auch auf der IR-Homepage stehen.Der Online-GB ist eine Zusatzübung, dienicht intensiv genützt wird.

CCaaffee BBEE:: Dafür merken wir selbst dieserTage, dass die Geschäftsberichte als sim-ples PDF, sei es nun über unser DigitalPaper-Tool auf Issuu oder in der IReport-App für das iPad, stark gelesen werden.Ihr seid ja mit Wie-nerberger, dankedafür, dabei, 5500Abrufe in einemMonat für den GB2010 ist eine schö-ne Zahl. Ich selbsthab ihn auch aufdem iPad durch-gewischt und kennich daher gut ...MMeellzzeerr:: PDF istgut, den alternati-ven Online-GBbraucht man ei-gentlich eher, umbei Awards dabeizu sein. Ich finde,das ist eine absur-de Entwicklung.Ich selbst stelleauch das PDF on-line, wir sind jaauch bei Euch inder App dabei. DieTablet-PCs haben das PDF greifbarer ge-macht.BBrraauunnööcckk:: Wir haben das umgestellt, ma-chen nicht mehr den Online-GB, sondern

ein PDF mit ein paar Gustostückerln. Dakonnten wir viel sparen. Im Verhältnis zuden Zugriffsraten hat sich der Online-GB nicht gerechnet.

CCaaffee BBEE: Wieviele Stück druckt Wiener-berger physisch?BBrraauunnööcckk:: Rund 20.000, etwas mehr inenglisch als in deutsch. Ein paar tausendStück werden direkt über uns bestellt.MMeellzzeerr:: Wenn ich mir den Geschäftsbe-richt von einem Unternehmen ansehe,dann mache ich das nicht online. Ich willdas blättern können, in der Hand haben.Die Idee des Online-GB mit Querverwei-sen ist recht gut, aber aus meiner Sichtfunktioniert das nicht, ich kann mir zB aufeine elektronische Sache keine Notizenmachen.

CCaaffee BBEE:: Wieviel Zeit fliesst bei Brain For-ce in den GB?MMeellzzeerr:: Ich würde sagen, dass wir ein Mo-nat ziemlich intensiv daran arbeiten. Wirhaben ein schiefes Wirtschaftsjahr, wollenimmer vor Weihnachten fertig sein. Da ar-

beiten im Unter-nehmen drei Leu-te sehr intensivdaran: Mein Kon-solidierer für dasZahlenwerk undden Anhang, dannder Treasury-Mit-arbeiter für denText, mein Job istdas Redigierenund das Einbrin-gen von ein paarIdeen. UnsereMarketingabtei-lung in Deutsch-land setzt den GBinhouse. Für unsist das ein grosserAufwand, 100 Sei-ten Informationliefern ein Riesen-potenzial an mög-lichen Fehlern.

CCaaffee BBEE:: Wieviel Stück machen Sie phy-sisch?MMeellzzeerr:: Unter 1000, einige hundert in eng-lisch. Die brauchen wir für unsere Toch-

tergesellschaften und die brauchen daswiederum für die Kunden. In den drei Jah-ren, in denen ich bei Brain Force bin, hat-te ich noch keinen einzigen englischspra-chigen Investorenkontakt. Wir konzen-trieren uns ganz klar auf Deutschland undÖsterreich.SScchhaabbhhüüttttll:: Bei uns ist es ebenso ein in-tensives Thema, beginnt im Dezember, en-det mit dem Druck Anfang Mai. Aktuellproduzieren wir 600 Stück, das hat sichimmer weiter reduziert. Auch wir produ-zieren alles selbst, ganz ohne externeDienstleistung. Zuständig sind IR und Con-trolling, dazu eine Abstimmungsrunde mitdem Marketing. Marketing wird wichtiger,weil der GB vom Finanzinformationsin-strument auch zum Marketinginstrumentwird. Die Möglichkeiten sind ja vielfältig.Online haben wir auch ein PDF mit einwenig Navigation, ein weiterer Aufwandwürde nicht in Relation stehen. Eine Agen-tur wickelt uns das dann mit Druck undso ab.

CCaaffee BBEE: Die Performance der update-Aktie passt, Ihr liegt year-to-date schön imPlus. Wie schafft man es, dass die Leutedas überhaupt mitbekommen, wie schafftman Visibilität für das Unternehmen, fürdie Aktie, ohne jetzt einen Batzen Geld indie Hand zu nehmen?SScchhaabbhhüüttttll:: Das ist wirklich schwer, es gehtvor allem über persönliche Kontakte. Wirhaben auch früher gesehen, dass – selbst,wenn wir wirklich gute Quartale hatten –sich kaum etwas im Kurs getan hat. Esfängt jetzt an, weil die Story eine andere,eine spannendere, ist. Cloud-Computing,die ganze SaaS (Anm.: Software as a Ser-vice)-Geschichte ist mehr in den Medien,so bekommen wir mehr Visibilität. Soci-al-CRM bringt uns nach vorne, da geht eseher um Innovationskraft beim Produkt.

CCaaffee BBEE: Neue Story kann ja ein Fall fürResearch sein ...SScchhaabbhhüüttttll: Wir haben mit der MM War-burg einen guten Researcher und viele un-abhängige in Deutschland, die über unsberichten. Die tun das gerne und intensiv.In Österreich sind wir nicht abgedeckt.Kontakte mit Banken in Österreich sindnicht vorhanden, was Research betrifft.MMeellzzeerr: Natürlich ist es positiv, wenn zwei

„Es war ein Fehler, vonFrankfurt nach Wien zugehen. Ich nehme das auf

meine Kappe“Thomas Melzer, Brain Force

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oder drei Analysten eine Aktie covern, weiles dann auch zwei oder drei externe Mei-nungen zur Aktie gibt. Wir müssen ja fürResearch zahlen. Uns macht niemand Gra-tis-Research, weil das daraus erzielbareVolumen für die Händler zu gering wäre.

CCaaffee BBEE:: Eure Aktie ist ja year-to-date auchim Plus ...MMeellzzeerr:: Ich glaube, wenn die Branche nichtim Trend liegt, wenn sich alle auf LargeCaps konzentrieren, wenn grosse Makro-Themen vorherrschend sind, kann mantun, was man will, es wird nichts helfen.Das ist eine ganz andere Welt. Man ist teil-weise sehr weit unter jeder Wahrneh-mungsgrenze. Was bleibt, ist, dass mansich die Stockpicker heraussuchen kann.Da gibt es Microcap-Spezialisten. Und dasgeht nur über persönliche Kontakte undMeetings. Die Investoren wollen auch denVorstand sehen.

CCaaffee BBEE:: Sie waren jahrelang bei Wiener-berger; ein Unternehmen, das nicht für Re-search bezahlen muss, jetzt bezahlen Sie.Besteht da nicht die Gefahr einer anderenWertigkeit?MMeellzzeerr:: Die Gefahr besteht natürlich. Daist es wichtig, dass man sich gute und in-tegre Analysten sucht. Felix Ellmann vonWarbung, der das bei uns macht, würdeniemals eine Meinung von sich geben, vonder er selbst nicht überzeugt ist. Der Be-zahl-Research ist auch so gestaltet, dassman zu Jahresbeginn zahlt, damit mandann keinen Druck ausüben kann.SScchhaabbhhüüttttll: Ellmann hat viel Ahnung vonder Branche, macht auch update software.Der lässt sich da auch nicht dreinreden.

CCaaffee BBEE: Fehlt kostenpflichtiges Researchaus österreichischer Hand oder wäre dasgar nicht marktfähig?SScchhaabbhhüüttttll: Wenn man sich nicht nur aufden österreichischen Markt spezialisiert,kann das schon funktionieren.MMeellzzeerr: Ich kann die Wirtschaftlichkeitnicht beurteilen, aus Unternehmenssichtwäre das sicher interessant. In Österreichmüssen ja nur die ATX-Unternehmen nichtfür Research bezahlen. Insofern glaube ichschon, dass so etwas gut wäre.BBrraauunnööcckk: Ich glaube, es ist wahnsinnigschwierig, Industrieexperten aufzubauen,

die dann auch Auslastung erzielen. Undjemand, der alles abdeckt, weiss zwar vonallem ein bisschen was, aber das ist zu we-nig.

CCaaffee BBEE: Und wie sieht es mit der Analy-sten-Coverage bei Wienerberger aus?BBrraauunnööcckk:: 20 Analysten covern uns, dasist eher ein Luxusproblem, weil das na-türlich auch sehr viel Aufwand in der Be-treuung ist. Es ist zwar schön, ein breitesSpektrum zu haben, aber viel Arbeit mitTreffen und regelmässigen ConferenceCalls. Es gibt Analysten, die sich regel-mässig melden, und solche, die vielleichteinmal im Jahr updaten.

CCaaffee BBEE: Die Umsätze sind in Wien deut-lich zurückgegangen heuer, einige IhrerKollegen machen sich Sorgen, dass Inve-storen vergrault werden, weil man even-tuell aus den einmal gekauften Aktien nichtmehr rauskommt ...BBrraauunnööcckk: Bei uns ist das kein grosses The-ma, wir haben noch immer ausreichendeLiquidität.

CCaaffee BBEE: Eine kleine Runde mit Anliegen...

MMeellzzeerr: Ich glaube, die Wiener Börse musssich überlegen, wie sie mit dem Prime Mar-ket weiter umgeht, irgendwann kommendie ganzen Unternehmen abhanden, wennsich die Entwicklung so fortsetzt, das kannnicht im Sinne des Handelsplatzes sein.Rückwirkend betrachtet war es für uns si-cher ein Fehler, in Frankfurt zu delisten.Das wird die Wiener Börse nicht gerne hö-ren, aber dem muss sie sich stellen. Wirsind aus dem Wiener Prime Market ge-fallen aufgrund des Grössenkritieriums, inFrankfurt gibt es dieses Kriterium nicht.Ich sehe den Prime Market als Qualitäts-segment und Qualität hat nichts mit Grös-se zu tun. Wenn ich als kleines Unter-nehmen ohnehin schon schwer Auf-merksamkeit bekomme, dann hilft es nichtviel, wenn ich mich aus dem Prime Mar-ket verabschieden muss, weil ich klein bin.Das hilft imagemässig natürlich nicht.Wenn sich unser Kurs nicht verdoppelt,sehe ich derzeit auch keine Möglichkeitfür unser Comeback im Prime Market.

CCaaffee BBEE: Und der mid market?MMeellzzeerr:: Die Herumspringerei in den Seg-menten bringt meiner Meinung nach über-haupt nichts. Wir halten uns immer nochan Prime Market-Regelwerk, sind abernicht drinnen aufgrund der Streubesitz-kapitalisierung. Ob ich nun im Standardmarket continues oder im mid market, derja ohnedies nicht wirklich funktioniert, bin,ist mir egal. Ich verstehe es nicht, dass manden ohnedies kleinen Wiener Markt in soviele Segmente aufteilt. Ich finde es scha-de, wie mit dem österreichischen Kapi-talmarkt umgegangen wird. Wien ist oh-nedies sehr klein, da ist alles Negative um-so verheerender. Die Investoren spüren es,wenn die Sozialdemokratie den Kapital-markt am liebsten in Grund und Bodenstampfen will. Viel mehr kleine Unter-nehmen sollten an den Kapitalmarkt strö-men, jedoch fehlen die Rahmenbedin-gungen.BBrraauunnööcckk: Vor allem auch im Hinblick aufBasel III, wo die Finanzierung ja ohnediesschwieriger wird. Gerade da ist es not-wendig, dass man einen Rahmen schafft,damit sich Unternehmen Eigenkapital ho-len können.MMeellzzeerr: Der Börse Express schreibt oh-nedies laufend über den Rückgang der

„Bezüglich Social Mediahaben wir einen Vorteil.Das ganze Unterneh-

men ist jung und techno-logie-affin“

Kerstin Schabhüttl, update software

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Handelsumsätze, was auch richtig ist.

CCaaffee BBEE: Wir werden dafür durchaus kri-tisiert. Es ist dies aber das einzige „be-weisbare“ Argument, das die aktuelle Fehl-entwicklung in unserem Land, nämlichentgegen dem internationalen Trend, auf-zeigt. Alles andere fällt in den Bereich derParteiprogramme, der Ideologie. Und nichtnur die Sozialdemokratie ist daran schuld,das Finanzministerium hat meiner Mei-nung nach auch ausgelassen, obwohl dortwie ich höre die KESt-Befürworter internklar in der Minderheit sind. Der Preis ei-ner nicht funktionierenden Koalition zuLasten des Standorts. Bei den aktuellenVolumina mit Hälfte-Rückzug der Inlän-der wäre das KESt-Auf-kommen ein Witz.MMeellzzeerr:: Über die Sinn-haftigkeit der KESt brau-chen wir nicht reden.Ein Drama.

CCaaffee BBEE: Ist für updatedie Börse Wien ein The-ma?SScchhaabbhhüüttttll: Ausschlies-sen möchten wir dasnicht, aber so wie es sichaktuell entwickelt, ist es kein Thema.MMeellzzeerr: Seit wir mit Silvia Quandt einenDesignated Sponsor haben, wird inDeutschland wieder deutlich mehr ge-handelt, das Volumen hat sich verdoppelt.Wir sind wieder im Fliesshandel, das ko-stet aber Geld. Ich nehme den Fehler, aufzwei Börseplätze aufzuteilen, auf mich.Man kann nicht so einfach zwischen zweiBörseplätzen umbuchen, das ist auch fürden Market Maker komplex.

CCaaffee BBEE: Hat Wienerberger eigentlich nochADRs in New York?BBrraauunnööcckk: Ja, aber ohne grössere Bedeu-tung. Mittlerweile bekommen wir Unter-nehmen sogar ein bisschen Geld dafür,ich bin da emotionslos. Zum vorher ge-sagten: Das Verständnis, dass der Kapi-talmarkt in Österreich eine volkswirt-schaftliche Bedeutung hat, fehlt. Es istschade, denn es geht ja auch um Arbeits-plätze.

CCaaffee BBEE:: Und ich denke, die Frage be-züglicher Shareholder ID geht auch ex-

klusiv an Wienerberger ...(alle lachen) BBrraauunnööcckk: Wir führen daszweimal im Jahr durch, zum Halbjahr undzum Geschäftsbericht. Wir wollen vor denRoadshows einfach aktuellere Daten ha-ben.

CCaaffee BBEE: Thema C.I.R.A.. Wie erleben Siedie Verbandstätigkeit?BBrraauunnööcckk: Vor zwei Jahren wurde die Or-ganisation und die Struktur der Veran-staltungen geändert, hin zu Round Tableszu gewissen Themenschwerpunkten. Dasfinde ich sehr gut und sehr spannend. Lei-der habe ich persönlich sehr oft keine Zeitdafür - zu viel unterwegs oder zu viel zutun. Ich finde das schade, weil das Format

sehr gut für einen Austausch ist.SScchhaabbhhüüttttll: Die C.I.R.A. hat zuletzt sogareine Telco angeboten, das war interessant.BBrraauunnööcckk: Je später am Abend, desto eherhaben die Leute Zeit, aber das ist wiederfür die vielen Kollegen aus den Bundes-ländern kompliziert.MMeellzzeerr: Ich glaube, die C.I.R.A. hat mit derGeneralsekretärin Marlene Binder sehr anServicekompetenz gewonnen. Früher ha-ben wir das alle ehrenamtlich nebenbeimitgemacht. Jetzt gibt es mit der – dan-kenswerten – starken Unterstützung derWiener Börse eine viel bessere Plattform.Man merkt ganz klar, dass, wenn sich je-mand auf eine Aufgabe konzentriert, allesviel besser läuft. Man bekommt auf Fra-gen innerhalb kürzester Zeit schönes Feed-back.SScchhaabbhhüüttttll: Wir waren länger nicht in derC.I.R.A., ich sehe das jetzt aber extrem po-sitiv. Die Themen sind spannend, Themen,die beschäftigen, zB Social Media im IR-Bereich.BBrraauunnööcckk: Es ist ein institutionalisierterBest-Practice-Austausch, und das ist po-

sitiv. Sonst müsste man mit all diesen Men-schen Mittagessen gehen und das geht jazeitlich nicht.

CCaaffee BBEE: Und wie sieht es mit dem The-ma Social Media bei Ihnen aus? Hat dasfür die IR eine Bedeutung?SScchhaabbhhüüttttll: Es ist ein Dialog mit dem Mar-keting, wir wollen gute, aber auch die we-niger guten Nachrichten bringen. Marke-ting sieht das anders. In Österreich gibt esda insgesamt Aufholbedarf. Wir haben ei-nen Vorteil, weil das komplette Unter-nehmen jung und technologie-affin ist. Fa-cebook, Twitter, LinkedIn, das sind schonwichtige Kanäle für uns. update hat auchein Social-CRM-Tool entwickelt. Die Nach-

frage ist gross, obwohl ein Toolnicht alle Fragen beantwortet. MMeellzzeerr:: Bei uns ist das noch keinThema, wir haben die Ressour-cen nicht dafür. Twitter nutze ichgerne als Empfänger. Die Lan-desgesellschaften haben teilwei-se eigene Twitter-Accounts. Xingund LinkedIn verwenden wir vor-wiegend für das Recruiting.BBrraauunnööcckk: Ich glaube, dass wir andiesem Thema nicht vorbeikom-men. Auch ich sehe das eher im

Marketing angesiedelt. Im IR-Bereich binskeptisch. Man muss sich erst die Frage„was will ich damit erreichen?“ stellen undmacht man das intensiv, man muss sichauch die Kosten/Nutzen-Frage stellen.Weiters muss man die rechtlichen Pflich-ten bzgl. Veröffentlichungen beachten.

CCaaffee BBEE: Abschliessend je zwei kurze Sät-ze zur HV bitte ...BBrraauunnööcckk: Es kommen rund 400 Leute,Anwesenheitsquote zwischen 30 und 40Prozent.MMeellzzeerr:: Bei uns ist das umgekehrt, 30 bis40 Personen anwesend, Präsenz aber über50 Prozent. In einer Streubesitzgesellschafthat es eine andere Relevanz.SScchhaabbhhüüttttll: Bei uns ca. 40 bis 50 Perso-nen, etwas mehr als 30 Prozent Anwe-senheitsquote.

DDiisskkuussssiioonnsslleeiittuunngg: Christian DrastilFFoottooss:: Franz-Josef Galuschka

� http://www.boerse-express.com/cafebe

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Page 99: Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

Cafe BE mit Managern von Immofinanz, s Immo und Warimpex

„Unter gewissen Bedingungen bildetsich eben einfach kein Markt“

Viele Investoren sind zuwenig an der nachhaltigenEntwicklung der Unterneh-men interessiert, ist ein Tenorder Cafe BE Runde. Weitersging es um Zweitlistings, In-dizes, Dividenden und Kapi-talmarktstimmung.

Cafe BE: Mit Blick auf Osteuropa heisstes immer wieder, Investoren glauben denWertansatz der Immobilien in den Bilan-zen nicht. Wie sehen Sie das und wie lau-tet Ihre aktuelle Einschätzung der Immo-bilien- und Transaktionsmärkte?Eduard Zehetner: Ich glaube, das ist einvordergründiger Aspekt. Dahinter stehtwahrscheinlich auch, dass viele Investorenund Unternehmen bzw. Fonds, die früherheftig in der Region investiert waren, derosteuropäischenWirtschaft nicht ganz trau-en. Generell gesprochen resultiert das letzt-lich betrachtet in einer geringen Zahl anTransaktionen, obwohl sich das nicht in al-len Ländern gleich verhält. Der nächste inder Kette - der Analyst oder Fondsmana-ger, der in Real Estate Papiere investiert -sagt dann, das wird wahrscheinlich deshalbsein, weil die Bewertungen nicht stimmen.

Das ist natürlich eine furchtbare Fiktion.Es gibt keine Transaktionen, weil sich derMarkt zu den Einschätzungen eben nichtbildet. Die, die verkaufen wollen, tun dasnicht zu Preisen, die von den Käufern be-zahlt würden bzw. zu jenen Preisen, dieletztlich die internationalen Bewerter in dieGutachten hineinschreiben. In Russlandgalt bis Mitte 2010 der klassische Spruch:'Es kommt ein Amerikaner und sagt: I wan-na buy distressed assets.' Es gab aber kei-ne distressed assets bzw. nur solche, diedann wirklich keiner haben wollte. Wir in-teressierten uns z.B. für zwei, drei Büro-häuser in Moskau und sind mit Bewer-tungen ins Feld gezogen. Das führte dazu,dass die Developer - nur aufgrund unseresInteresses - Geld aufstellen konnten unddie Projekte jetzt fertig bauen. Es bildet sicheben kein Markt zu den Preisen, wie sie inden Gutachten stehen. Wo sich die Dingeannähern, wie in Polen, gibt es einenMarktund Transaktionen finden statt. Aufgrundeiner allgemeinen Flucht in die Sachwertesteigen dann die Preise wieder sehr rasch.Friedrich Wachernig: Ich sehe es durch-aus ähnlich, man muss bei den Märktenaber klar differenzieren. In Polen und Russ-land gibt es durchaus Transaktionen, wennauch auf einer geringen Basis. In Rumä-nien, Ungarn, Bulgarien kam derMarkt hin-

gegen definitiv zum Erliegen. Daher ist esauch sehr schwierig, anhand von Transak-tionen Bewertungen aufzustellen. CEE alseine einheitliche Region zu sehen, ist oh-nehin nicht leicht. Wir als s Immo kon-zentrieren uns eher auf die Märkte der eu-ropäischen Union. Was die Bewertungenals solche betrifft, muss man einfach nochzuwarten. Die bereits angesprochenen 'dis-tressed assets', die mit Sicherheit in denBanken noch irgendwo schlummern, hates am Markt aber nicht gegeben. Uns wur-den diverse Objekte zum Kauf angeboten,das waren aber im Grunde genommenSchrottimmobilien. Ich denke trotzdem,dass es sehr starke Märkte gibt, wie Polenoder Tschechien, die wieder kommen wer-den, wenn auch nicht mehr in dieser Aus-formung und Expansion, die wir in den Jah-ren 2002 bis 2007 gesehen haben, als diePreise explodiert sind.Daniel Folian: Das Gute ist, es finden wie-der Transaktionen statt. 2009 herrschte inOsteuropa eine Schockstarre, 2010 gab esschon wieder eine kleinere Anzahl, aberkeine Portfoliotransaktionen. Von JännerbisMai 2011wurden in CEE 4,4Mrd. EuroImmobilientransaktionen durchgeführt. Dasist eine Steigerung um 180%. Wir sind abernatürlich noch weit von den Volumina aus2007 oder 2008 entfernt.

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Im Cafe BE: E. Zehetner (Immofinanz), D. Folian (Warimpex), F. Wachernig (s Immo), B. Schragl (BE)

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Nochmals zur Fiktion desMarktes. Wie löstman das Problem?Zehetner: Die Bewertungen in unseren Bi-lanzen unterliegen einer Fiktion, nämlichjener, dass sich zu jedemZustand desMark-tes ein solcher bildet. Das heisst, dass wirgenügend Transaktionen haben, damit sichPreise bilden und die Bewerter aufgrundvon Referenztransaktionen einen Wert derImmobilien feststellen können. Das war inden vergangenen Jahren nicht der Fall, ineinzelnen Ländern funktioniert das bis heu-te nicht. Wir müssen in unseren Bilanzenaber so tun. Meiner Meinung nach gehörtdieser Blödsinn allerdings raus unseren Ab-schlüssen - und zwar in der Form, dass dieVeränderungen in den Wertansätzen nichtmehr über die Gewinn- und Verlust-Rech-nung zogen werden. Wir könnten etwa ei-nen eigenen Eigenkapitalspiegel oder ei-nen Anlagenspiegel aufstellen, in dem dieAufwertungen, Abwertungen, etc. dargestelltsind. Unsere GuV wird verseucht von denBewertungen, das ist in Wahrheit uner-träglich. Unerträglich für die Unternehmen,unerträglich für das Management und un-erträglich für die Aktionäre.Wachernig: Bei den Bewertungen bin ich100% d'accord mit Herrn Zehetner. Das istein Spiel, das uns durch die IFRS (Inter-national Financial Reporting Standards)vorgegeben wird. Nichtsdestotrotz gibt esTransaktionen, und es ist sehr viel Geld imUmlauf, das investiert werden will. Ich den-ke da nur an Pensionsversicherungsfondsoder Versicherungen generell, die natürlichauch in Immobilien anlegen. Aber manmuss sich die Objekte eben genau anse-hen, dieMieterstruktur, Cashflows, etc. Dar-aus kann man sehr wohl eine Bewertungableiten. In weiterer Folge stellt sich natür-lich die Frage, zu welcher Rendite gekauftwird bzw. wie die weitere Zukunft einge-schätzt wird. Und hier hat sicher die ge-samte Branche aus den vergangenen Jah-ren die Lehre zu ziehen, nicht wieder ir-gendwelchen Träumen und Projekten, dieeine unbändige Expansion darstellen, nach-zulaufen. Vielmehr muss man sich dasWachstum, das auf einem niedrigeren Ni-veau stattfindet, in den einzelnen Regionenansehen und dann entscheiden, welcheProjekte gemacht werden.Zehetner: DieMärkte bilden sich dort, woeine positive wirtschaftliche Entwicklung

sichtbar wird, deswegen Polen, deswegenMoskau. Das ist ganz typisch. Immobilienund Immobilienentwicklung sind keine Lea-ding Indikatoren, sondern Trailing Indika-toren des Zyklus.Wachernig: Das stimmtmich auch durch-aus positiv. Denn ich glaube, dass die wirt-schaftliche Entwicklung in diesen Länderndeutlich besser als im Westen sein wird.Deswegen ist der Nachholbedarf in dennächsten Jahrzehnten gegeben, wenn auchin einer anderenGeschwindigkeit. Mit Blickauf den Hotspot Polen bin ich allerdingsetwas vorsichtig. Auch wir werden immerwieder gefragt, warum wir nicht nach Po-len gehen. Aber das kann sich auch wiederals Lauf der Lemminge erweisen, wenn al-le in Polen investieren....Zehetner: ... es ist dort teilweise schon jetztwieder zu teuer.Wachernig: Und Russland ist ein Markt,der spannend ist, aber auch mit sehr gros-sen Risiken verbunden ist. Das ist eine kla-re Unterscheidung, die der Investor treffenmuss: Investiert er in ein Unternehmen, dasvorsichtiger und langsamer wächst, oderwill er durchaus ein gewisses Risiko einge-hen und ist auch bereit, dieses zu tragen.Folian: In der Hotellerie vermieten wir denQuadratmeter ja quasi auf Tagesbasis undsind damit viel zyklischer als ein Büroin-vestor. Wir sehen ganz klar, dass es in Ost-europa steil bergauf geht. Wir sind in War-schau mit den Zahlen bereits wieder dort,

wo wir 2007 waren. Es gibt natürlich Un-terschiede, in Bukarest wird es wahr-scheinlich noch länger dauern. In unserenHotels in München und Berlin beobach-ten wir auch, dass die deutsche Wirtschaftsehr stark ist. Zu den Büroentwicklungen:Es wurden in Osteuropa in den letzten zweiJahren sehr wenig neue Entwicklungspro-jekte gestartet. Wenn die Wirtschaft sehrstark wieder kommt, müssten eigentlichauch die Mieten in 2012 und 2013 mas-siv steigen, weil einfach nichts Neues aufden Markt kommt.

Die Immofinanz hat zuletzt einige Trans-aktionen getätigt. Wenn Sie verkaufen, wel-che Spanne über Buchwert streben Sie an?Zehetner: Wir haben alle Transaktionenzum oder über dem Buchwert realisiert.Das ist eine Grenze, die wir nicht verletz-ten wollen, allenfalls in Einzelfällen, um et-was zu bereinigen. Im Schnitt ist die Ziel-setzung für die Transaktionsabteilung, zehnProzent über Buchwert zu verkaufen. Wo-bei gemäss IFRS ist der Buchwert letztlichimmer jener Wert, zu dem realisiert wird.Wir ziehen die letzte Jahresbilanz als Ver-gleichswert heran, hier streben wir dann10% an. Im Residential Bereich, etwa wennwir aus der Buwog heraus verkaufen, ist dasrelativ einfach, weil die Bewertungen imSchnitt sehr konservativ sind und wir in derRegel 20% bis 30% im Einzelwohnungs-verkauf darüber liegen. In den anderen Be-

„Unsere GuV wird verseucht von den Bewertungen,das ist in Wahrheit unerträglich“

Eduard Zehetner, Immofinanz

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reichen in Westeuropa tun wir uns mit denVerkäufen ebenfalls nicht schwer und le-gen uns mit den Asking Preisen über dieBuchwerte. In Osteuropa ist es halt so: Dortwo es billig ist, haben wir genug, und wowir nicht genug haben, wird es schon wie-der relativ teuer. Wir setzen daher sehr vielstärker auf eigene Entwicklungen. Eine bör-senotierte Aktiengesellschaft hat eine Ko-stenstruktur, die mit einem Fonds nicht ver-gleichbar ist. Wir müssen einfach mehrWertschöpfung generieren undauch mehr Risiko nehmen. Wirhaben ja von den Anlegern auchRisikokapital erhalten. Daher set-zen wir mehr auf diese Seite undweniger auf grossflächige Akqui-sitionen.Folian: Unsere Strategie sah im-mer den Verkauf einer Immobi-lie vor, die schon länger imMarktist und einen stabilisiertenCashflow hat. Mit diesen Mittelnhaben wir dann neue Entwick-lungsprojekte begonnen. In denvergangenen zwei Jahren war essehr schwierig, Immobilien zu ver-kaufen. Aber da wollen wir wie-der hin. Wir sind sehr engagiertbei Budgethotels, vor allem in Po-len und Tschechien, wo wir be-reits sieben Grundstücke gekauftund mit dem Bau von zwei be-gonnen haben.Wachernig: Ich sehe es ähnlich,dass die Objekte, die zu kaufensind, entweder zu viel kosten odernicht die entsprechende Quali-tät haben. Daher gehen wir inOsteuropa ebenfalls tendenziellin Richtung Development, auchwenn wir die grössten Projektevorerst hinter uns haben und jetztauch darauf achten müssen, das Portfoliozu optimieren. Es werden uns immer wie-der Objekte zum Kauf angeboten, bei de-nen wir aber unserer Meinung nach nochnicht das untere Ende der Preisstange ge-sehen haben. Generell denke ich, dass esin Osteuropa derzeit zu wenig Immobiliengibt, die man tatsächlich zu einem ver-nünftigen Preis kaufen kann. Somit bleibtnur die Abarbeitung der Landbank, die jaalle Gesellschaften in der Vergangenheitaufgebaut haben. Die berühmte antizykli-

sche Investition wäre halt sehr ratsam.Noch eine Anmerkung zum Hotelbereich:Auch wir haben gesehen, dass die Hotelsdie ersten waren, die unter der Krise gelit-ten haben, vor allem in Budapest, Prag, aberauch inWien. Und hier hat tatsächlich wie-der eine Erholung eingesetzt. Wir bekom-men zwar noch nicht überall die selbenPreise wie vor der Krise, aber die Ausla-stung ist wieder da - ein weiterer Puzzle-stein, dass es wieder aufwärts geht.

Zehetner: Weil Sie gerade das Wort anti-zyklische Verhaltensweise erwähnt haben:Einer von zehn Fondsmanagern oder Ana-lysten hat mich je gefragt, warum wir nichtantizyklisch investieren. Die anderen neunsagen: ‘Der Kurs ist unter dem NAV, alsokauft eigene Aktien.’ Nur so viel dazu, wel-ches Sentiment bei den sogenannten Aus-gebildeten, Wissenden im Markt - unserenKunden auf der Aktionärsseite - herrscht.

Also ein deutlich zu kurzfristiges Denken?

Zehetner: Natürlich. Quartalszocker.

Was sind momentan die wichtigsten The-men, die Investoren bewegen?Zehetner: Einfach steigende Kurse. Dasist alles. Es gibt bei den Investoren eine zugeringe Bereitschaft für eine langfristige,nachhaltige Entwicklung. Jeder möchteschnelle Kursgewinne und möglichst raschdie Lücke zwischen Kurs und NAV ge-schlossen sehen. Das ist das Thema.

Wachernig: Bei unserer letztenHauptversammlung war interes-sant, die unterschiedlichen Inter-essensgruppen bei den Aktionä-ren zu sehen. Die einen wollen un-bedingt eine Dividende, dieanderen sagen hingegen, es passtalles, investiert das Geld lieber undschaut, dass der Wert der Aktiesteigt. Ich denke, dass der Fokusder Anleger verstärkt auf denHaus-aufgaben, auf der Arbeit mit denImmobilien und der Stärkung derCashflows liegen wird und weni-ger auf den Bewertungen. Dannwird für die Investoren auch wie-der sichtbarer, welche Unterneh-men tatsächlich stark sind und dasGeschäft beherrschen.Folian: Es ist immer wieder er-staunlich, wie hoch der Abschlagzum NAV nach wie vor ist. Deut-sche offene Immobilienfonds - al-so jene, die noch offen sind - ha-ben massive Zuflüsse. Dort kauftsich der Investor eigentlich zumNAV ein. Immobilienaktienge-sellschaften notieren noch immermit einemAbschlag von 30%, 40%und es spricht eigentlich nichts da-gegen, dass die Immobilienwertein Osteuropa steigen sollten. Die

Yields werden dieses Jahr weiter fallen, dieMieten sollten aufgrund der geringen Neu-bautätigkeit ab 2012 steigen. Das erstauntmich.Wachernig: Das Problem ist auch, dasssich viele Anleger die Finger mit Immobi-lienaktien verbrannt haben. Und da hat dieBranche einiges selbst dazu beigetragen.Folian: Bei den Immobilienfonds sind auchetliche gesperrt.Wachernig: Es wäre zwar vernünftig, Im-mobilienaktien zu kaufen. Aber da müssen

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„Die berühmte antizyklischeInvestition wäre halt sehr ratsam“

Friedrich Wachernig, s Immo

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wir alle darauf achten, dass das Vertrauenwieder zurückkehrt. Ich glaube, man musshier Geduld haben.

Man könnte angesichts der Meldungenüber Probleme bei den offenen Immobi-lienfonds auch fragen, warum eine Immo-bilien AG sicherer sein soll?Folian: Sie ist nicht sicherer, aber der An-leger kann jederzeit verkaufen, es findet kei-ne Schliessung statt.Zehetner: Die beiden Dinge kann mannicht vergleichen: Eine Immobilien AG istfür eine wesentlich längere Dauer angelegt,hat eine wesentlich breitere Kompetenz,Werte zu schaffen, Cashflows zu generie-ren, hat unvergleichbar mehr Freiheitsgra-de in ihremGeschäftsmodell. Das sind zweiverschiedene Assetklassen. Immobilien AGssind letztlich die Unternehmen, die Im-mobilien so aufbereiten, entwickeln, opti-mieren, dass ein Fonds die Objekte über-nimmt, ein paar Jahre hält und möglichstohne Wertverlust aussteigt, wenn die Miet-verträge abreifen. Denn dann würde die Ar-beit ja wieder anfangen, und der Fonds hatniemanden, der diese Arbeit erledigen kann.Wachernig: Die Langfristigkeit spiegeltsich auch in den Entwicklungen wider. Esdauert ja teilweise bis zu sieben Jahre, biseine Immobilie überhaupt einmal ins Geld-verdienen kommt. Diese Langfristigkeit kön-nen die offenen Fonds nicht abwickeln.Zehetner: In vielen Köpfen steckt nochimmer das alte Model der Immobilien AGMarke 'Karl Petrikovics': Wertsteigerungenund Bewertungen hinauf schrauben, nichtzuletzt weil in den Märkten sehr viel mehrGeld als kaufbare Objekte verfügbar war.Von diesem Thema muss man sich verab-schieden. Das ist kein tragbaresModell, dasüber mehr als einen halben Zyklus hinausfunktionieren kann. Sinuskurven besteheneben nicht aus Geraden - nur über sehrkurze Zeiträume. Da muss man komplettumdenken und sagen: Was kann eine Im-mobilen AG tatsächlich für einen langfri-stigen Anleger leisten.

Stichwort Bewertungen und Darstellung inder Ergebnisrechnung: Es ist aber jetzt ein-mal nicht davon auszugehen, dass sich dieIFRS-Standards gleich ändern….Zehetner: Aber sorry, man muss das Be-wusstsein dafür schaffen. Wenn keiner et-

was sagt, wird sich nichts ändern. Das istwie bei unseren Politikern.Folian: Dieser IFRS-Standard hatte ja ur-sprünglich eine andere Intention: Es gingum Industriekonzerne, die nicht-betriebs-notwendige Grundstücke und Immobilienhatten, die auf Null abgeschrieben waren.Natürlich war es für den Investor relevantzu sehen, welche stillen Reserven hierschlummern. Bei dieser Überlegung wur-de aber vergessen, dass es Unternehmengibt, derenGeschäftsmodell das Halten vonImmobilien ist.Zehetner: Ich kann nicht eine GuV durcheine Bewertung verseuchen. Wenn Sie sichdie Bewertungshandbücher ansehen, stehtin vielen sinngemäss: Die errechnete Be-wertung gilt letztlich in einer Bandbreitevon plus/minus 15%. Wissen Sie, was 15%in unserer Bilanz sind? Allein auf die Stan-ding Investments sind das 2,7 Mrd. Euro.Unser Verlust 2009 war knapp grösser alsdie 2,7 Mrd. Euro. Das kann doch nicht fürdie Ergebnisfindung in einer Periode eineKomponente sein?Daher raus aus der GuV!Das geht in eine Rücklage, atmet im Ei-genkapital, und jeder Investor kann ent-scheiden, ob er diesen Posten für seine Be-urteilung heranzieht oder nicht.Folian: Die Entwicklung geht aber leiderin die ganz andere Richtung. Früher wur-den nur Bestandsimmobilien zum Markt-wert bewertet, jetzt sind auch Entwick-

lungsprojekte davon betroffen. Für ein De-velopment ist es noch viel schwieriger, ei-nen künftigen Marktwert zu berechnen.

Bei der anhaltenden Markterholung wer-den die grossen Ergebnissprünge nach obendaher wieder zurückkehren?Zehetner: Nicht unbedingt die Sprünge,weil die Erholung hoffentlich nicht in demAusmass zyklisch ist. Es wird eine Zeit langhinauf gehen, und dann wieder hinunter.Unter der herrschenden Lehre, ja. Das Ma-nagement der einzelnen Gesellschaften istallerdings gefordert, konservativ darauf zuachten, was in der Bilanz steht. Und wenndie persönliche Einkommenssituation vonManagern daran hängt, kann leicht einmalder Frömmste schwach werden.

Nochmals zur Bewertungslücke: Was ant-worten Sie einem Investor, der sagt, Sie kön-nen morgen nicht ihr gesamtes PortfoliozumNAV verkaufen. Deshalb sei der Kurs-abschlag zum NAV gerechtfertigt?Zehetner: Das ist bescheuert. Das kannkeiner. Das ist auch nicht das Thema, soist derMarktwert nicht definiert. Jeder weiss,dass Transaktionen einen gewissen Zeit-raum dauern. Können Sie morgen ein In-dustrieunternehmen liquidieren und dieWerte realisieren, die in der Bilanz stehen?Da reden wir von Zerschlagungswerten, dasist etwas ganz anderes. So einen Ansatz

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„Wir sind zwar eine kleine Gesellschaft, profitierenaber klar von unserem Zweitlisting in Polen“

Daniel Folian, Warimpex

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kann ich nicht einmal denken.

Die Dividenden wurden vorher schon an-gesprochen. Die Immobilienaktien warenja ursprünglich die klassischen Thesaurie-rer. Jetzt sind in denmeisten Unternehmenbereits Dividendenstrategien eingezogen,zumindest in der Ankündigung. Wie wardas bei der Warimpex?Folian: Wir haben als privates Unterneh-men immer Dividende gezahlt, auch in denersten zwei Jahren nach dem Börsegang.Das Problem in 2006/2007 war, dass eskeine Cashgewinne imUGB-Abschluss gab,sondern Buchgewinne durch Aufwertun-gen. Der operative Cashflow war negativ.Man muss Immobilien verkaufen und mitihnen arbeiten, um liquide Mittel aus-schütten zu können. Ich glaube, die Ten-denz geht eindeutig dahin, dass die Ge-sellschaften mit Dividendenausschüttun-gen auf ein nachhaltiges Geschäftsmodellhinweisen wollen, bei dem ein Cashflowübrig bleibt.Zehetner: Aus meiner Sicht ist es absolutnotwendig, dass eine Immobilien AG Di-videnden zahlt. Das Modell muss daraufausgelegt sein, dem Aktionär Cashflow zu-rückzugeben – und zwar konsequent undnachhaltig. Nur das dokumentiert eine lang-fristige Strategie.Was Sie gesagt haben, stimmt absolut: DieImmofinanz hat zum ersten Mal im Jahr2009/10 aus dem normalen operativenGeschäft Cash generiert. In allen Jahrendavor, die ichmir angesehen habe, bis zumJahr 2001 oder 2000, bestanden die Ge-winne nur aus Aufwertungen. Für die Di-vidende, die wir für das Jahr 2008 stornierthaben, war das Geld nie da, nicht einmalzum Zeitpunkt des Beschlusses. So geht’sdoch nicht.Wachernig: In der Vergangenheit war derAktionär meist zufrieden, wenn der Kursgestiegen ist. Damit wurde die Aktie mehrwert. Nachdem alle Titel massiv eingebro-chen sind und deutlich unter demNAV no-tieren, wollen viele Aktionäre zumindest ei-neDividende erhalten. Aber auch hier mussman sich genau ansehen, ob die Gesell-schaft das verdient. Über eine Fremdfi-nanzierung eine Dividende auszuschütten,ist Schwachsinn. Es ist eine klare Änderungder Strategie, wenn man weg vom thesau-rierenden Papier hin zum Dividendenpa-

pier geht. Und ein Unternehmen kann nichteinmal ausschütten und dann wieder nicht.Es muss eine klare Perspektive geben.

Welche Grössenordnungen schweben Ih-nen für die Ausschüttung vor?Zehetner: In Relation zum heutigen NAVstreben wir drei bis vier Prozent an.Folian: Wir haben immer 25% bis 30% desKonzerngewinns ausgeschüttet. In den Jah-ren mit Verlust, haben wir nichts gezahlt.

Mit Blick auf die Aktienkurse würde ichnoch gern auf die Bedeutung von Indizesund die Rolle von Zweitlistings eingehen.Warimpex ist in Wien und Warschau geli-stet, die Immofinanz überlegt wieder eineNotiz in Polen. Warum?Zehetner: Ein Zweitlisting ist in Zeiten, indenen die Welt technologisch zusammen-wächst, eigentlich ein Anachronismus. Fak-tum ist allerdings, dass die EU aus Natio-nalstaaten besteht, die ihre eigene Wirt-schafts- und Sozialpolitik betreiben undgewisse Anlagen und Aktien, die im Landnotieren, in Fonds, Produkten bevorzugtwerden. Solange es das gibt, mussman sichmit dem Thema auseinandersetzen. UnserVolumen mit der Immoeast in Warschaulag bei rund 40 Mio. Aktien, etwas mehrals 5%. Wir wollten dieses Listing für dieImmofinanz (nach der Fusion, Anm.) auf-recht erhalten, die polnischen Behörden er-wiesen sich aber als sehr bürokratisch. PerAutomatik, aber mit viel Mühen, fiel dieNotiz dann weg. Gleich danach und in pe-riodischen Abständen immer wieder fragtdie Börsen nun an, ob wir nicht zurück-kommen wollen. Der polnische Markt istbei den Investitionen für uns eine wesent-liche Kategorie, und damit ist natürlich einListing in Warschau interessant, zumal wirin Wien ja nicht gerade unter steigenden

Umsätzen leiden. Wir sind in den ATX ge-kommen, und der Leitindex ist einge-schlafen. Auch wenn ich mir nicht vorstel-len kann, dass das mit uns Immobilienak-tien zusammenhängt. Grundsätzlich: Wenndie Entwicklung in Österreich auch hin-sichtlich der Kapitalmarktfeindlichkeit derRegierung so weitergeht, muss man sichdas überlegen – und zwar intensiv. Undvielleicht nicht nur ein Listing inWarschau,sondern auch in anderen Märkten, die beiden Investitionen bedeutend sind.

Je kleiner das Unternehmen, desto grösserist aber doch die Gefahr für die Liquidität?Folian: Wir sind mit einer Marktkapitali-sierung von rund 150 Mio. Euro eine klei-ne Gesellschaft, nichtsdestotrotz profitie-ren wir sehr von dem Listing in Polen. Un-sere grössten Kleinaktionäre sind einpolnischer Pensionsfonds und ein polni-scher Mutual Funds. Die polnischen Inve-storen betrachten uns eigentlich als polni-sches Unternehmen, der Grossteil unsererHotels steht in Polen, man liest in den Zei-tungen über Warimpex. Der polnische Ka-pitalmarkt ist zudem sehr aktiv, es gibt lau-fend Privatisierungen, ein eigenes Segmentfür ukrainische Unternehmen wird geradeüberlegt. Die polnischen privaten Pensi-onskassen haben 60 Mrd. Euro in Poleninvestiert, verzeichnen weiterhin massiveZuflüsse und müssen erstmals in 20 Jah-ren auszahlen. Es herrscht ein kapital-marktfreundliches Umfeld in Warschau.Wachernig: Ich glaube, die Pensionsfondsdürfen auch nur in polnische Unterneh-men investieren….Zehetner: Das ist dieser Nationalismus,den ich angesprochen habe. Wir haben dasmit der Zukunftsvorsorge auch gemacht,die ja super funktioniert und den Kapital-markt dramatisch belebt hat.

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Montag, 7. März 2011

s Immo bleibt in Wien?Wachernig: Wir bleiben der Börse Wientreu, sind auch klar als österreichisches Un-ternehmen in der Region positioniert. Viel-leicht macht es Sinn, sich ein Polen-Listingzu überlegen, wenn man in diesem Markttätig ist. Man muss aber auch den admi-nistrativen Aufwand vor Augen haben.Folian: Der Aufwand für das Doppel-Li-sting ist relativ gering: Wir müssen einfachalle Geschäftsberichte und Publikationenins Polnische übersetzen und die Veröf-fentlichungen in Wien auch in Warschautätigen. Es kommen aber keine zusätzli-chen Aufwendungen hinzu.Wachernig: Ich denke, viel wichtiger wä-re eine neue Ausrichtung der internatio-nalen Indizes. Es ist sehr zu hinterfragen,warum weder Immofinanz noch s Immoim EPRA-Indexabgebildet sind.Eine solche Ge-wichtung wäre fürinternationale in-stitutionelle Inve-storen, die durch-aus indexgetriebensind, interessanter.Zehetner: Es gibtjetzt relativ vielDruck von Investoren, die in der Immofi-nanz engagiert sind, die EBITDA-Grenzenfür die Aufnahme in die EPRA-Indizes zuverändern. In den kommenden Wochengibt es eine Sitzung, in der dies entschie-den werden soll – gerüchteweise mit Ef-fektivität im nächsten März, also wiederblitzartig sozusagen. Wir werden sehen, obes passiert oder nicht. Natürlich würde dasautomatisch den Umsatz in der Aktie be-leben. Die Titel werden damit aber auchstärker zu einem Makro-Play. Wir gehenmit den Bankaktien rauf und gehenmit denBankaktien runter. Das bestimmt eigent-lich heute die kurz- undmittelfristigen Kurs-verläufe.

Diese Änderung würde der s Immo eben-falls nutzen?Wachernig: Ja, absolut.

Die Kapitalmarktfeindlichkeit wurde an-gesprochen. Wie beurteilen Sie die Lage?Zehetner: Es ist grundsätzlich eine kapi-talmarktfeindliche Stimmung entstanden,die mit der Finanz-, der Bankenkrise, mit

tatsächlichen und vermeintlichen Skanda-len, über die wir täglich in den Zeitungenlesen, zu tun hat. Und es ist halt für die Po-litiker en vogue geworden, auf Kapital-marktteilnehmer, Banken, Manager einzu-prügeln und diese für – ja wofür eigentlich?– verantwortlich zumachen. Dasmuss sichändern. Die Voraussetzungen, in diesemLandGeschäfte zumachen, Investoren undKapital zu erhalten und anzuziehen, müs-sen sich ändern. Nur in der Regierung gibtes überhaupt nicht das Bewusstsein, dasswir ein Problem haben, welches sich imLauf der Jahre dramatisch verschärfen wird.Wenn Sie heute mit Ministern sprechen,sagen diese: 'Es geht uns doch gut, schau-en Sie sich unsere Wirtschaftsdaten an.'Als ob die Politiker etwas dafür könnten?Das einzige, das sie getan haben, war eine

Hybris von Bankin Südösterreichaufrechtzuerhal-ten. Ansonst ha-ben sie Geldverliehen, wel-ches anderswoausgeborgt wur-de. Das war daseinzige, um dieKapitalmarktkri-

se zu bekämpfen.Wachernig: Ich sehe den Kapitalmarkt ineinemDornröschenschlaf und glaube nicht,dass sich das sehr schnell ändern wird. Dieinternationalen Institutionellen sind teil-weise auch in anderen Regionen unterwegs.Insofern kann ich nur nochmals betonen:Wir müssen unser Geschäft ordentlich er-ledigen sowie dementsprechend transpa-rent darstellen und verkaufen. Wir müssendas positive Sentiment durch unsere be-ständige und konsequente Arbeit reakti-vieren.Zehetner: Das ist vollkommen richtig. AusSicht unseres Unternehmens muss mannatürlich auch sagen „nostra culpa“, wir ha-

ben zu diesen Skandalen beigetragen. Gä-be es allerdings eine raschere Bereinigungdieser Themen, wie in anderen Länderndurchaus möglich, könnten wir wieder ra-scher zur Tagesordnung und zum norma-len Geschäft zurückkehren.

Dann wäre es für Warimpex ja fast naheliegend, komplett nach Polen zu wechseln?Folian: Wir sind trotz allem ein österrei-chisches Unternehmen und wollen an derWiener Börse bleiben. Aber für eine Volks-wirtschaft ist ein funktionierender Kapital-markt natürlich ganz wichtig, gerade auchin Zeiten von Basel III.

Ich sehe schon, Herr Zehetner wird nachder Zeit bei Immofinanz eine Wirtschafts-partei gründen.Zehetner: Das werde ich ganz sicher nicht.Ich werde in Pension gehen.

Eine Frage noch an Sie, Herr Zehetner: Sieerwähnten bei der Verleihung derCEO/CFO-Awards, dass Sie nie in derBankbranche arbeiten wollten. Warum ei-gentlich nicht?Zehetner: Es gibt zwei Gründe: Zum ei-nen komme ich vom beruflichen Werde-gang aus der Industrie und hatte immersehr viel Bezug zum Produkt. Da tut mansich mit einer Immobilie bereits schwerer,aber es geht noch. Der Bezug zu digitalenDingen, zu Geld, ist inhaltlich schwer. Zwei-tens: Wenn Sie sich ansehen, welchen Re-gularien Banken und Bankvorstände heu-te unterliegen, dann laufen Sie vor einemJob in diesem Umfeld so schnell wie mög-lich davon.

Durch das Gespräch führte:BBeettttiinnaa SScchhrraaggll

Bilder: FFrraannzz--JJoosseeff GGaalluusscchhkkaa

Bilder und frühere Cafe BE-Runden: hhttttpp::wwwwww..bbooeerrssee--eexxpprreessss..ccoomm//ccaaffeebbee

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„In der Regierung gibt esnicht das Bewusstsein, dasswir ein Problem haben, welches sich dramatisch

verschärfen wird“Eduard Zehetner, Immofinanz

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Im Cafe BE: Ein Vermögensverwalter, ein Broker und ein Journalist über Schule, Unis & Co.

Bestandsaufnahme Finanzbildung:Es hapert an allen Ecken und Enden

In den Unis lernt man pra-xisferne Dinge, in der Schulefast gar nichts über Finan-zen. Auch die Politik unter-nimmt alles, damit nur jakein Interesse aufkommt.

CCaaffee BBEE:: Herr Friedl, eine aktuelle Studiedes Aktienforum zeigt, dass sich immerweniger Österreicher für Aktien interes-sieren. Wie erlebt brokerjet die Nachfragenach Einsteigerinformation?TThhoommaass FFrriieeddll: Wir haben eine eigene Aka-demie, diese wurde bereits 2002 gegrün-det. Der ursprüngliche Antrieb war eher„wie funktioniert das Internet, wie kannich überhaupt auf der Plattform navigie-ren“? Dabei sind wir draufgekommen, dassviele Anleger enormen Wissensdurst anWertpapier-Basics haben und wenig biskein Know-How über z.B. Handelsregelnan den Börsen mitbringen. Dazu kommenProbleme, das richtige Instrument auszu-wählen. Am leichtesten tun sich die Leu-te mit der Chartanalyse, mit fundamenta-len Dingen tut man sich schon schwerer.Das Interesse ist ungebrochen, wir sehendas bei unseren Webinaren, bei denen wirzwischen 18 und 19 Uhr doch um die 50Teilnehmer haben. Ich glaube, das Übelliegt in der Bildungspolitik hierzulande, inSkandinavien gibt es zB eine Aktionärs-quote von mehr als 20 Prozent.

CCaaffee BBEE: Habt Ihr auch die echten Ein-steigerdinge a la „Was ist eine Aktie“?FFrriieeddll: Gibt es, die Seminare waren immerhoffnungslos überbucht. Das Problem isthier, dass es doch erhebliche Unterschie-de beim Vorwissen gibt. Dazu melden sichfast schon zu viele Teilnehmer. Wir habendaher die wichtigsten Themenblöcke alsVideo aufbereitet, das ist über die Home-page abrufbar und erfreut sich hoher Be-liebtheit.

CCaaffee BBEE: Und wie hat sich das Interesse

über die Zeitschiene entwickelt?FFrriieeddll:: Wir haben seit dem Akademie-Startim Jahr 2002 einen kontinuierlichen An-stieg bei der Kundenanzahl und bei denTrades gesehen, was die Wiener Börse be-trifft. Mit Ende 2010 ist das abgeflaut, weildie KESt einfach für zu grosse Verunsi-cherung sorgt. Österreich-spezialisierteBroker wie wir sind im Umsatzrankingdeutlich nach hinten gefallen. Die Inlän-der haben einen geringeren Anteil an oh-nehin geringeren Umsätzen.

CCaaffee BBEE:: Auch wir hatten schon mal mehrZugriffe ...FFrriieeddll:: Es ist so schade, dass da ein Trendgebrochen wurde. Die Kleinanleger feh-len, die waren ja manchmal sogar wichti-ge Market Maker bei Nebenwerten.

CCaaffee BBEE: Die Orderbuchbuchtiefe ist weg,nur noch die Spitzen gehen über die Bör-se, der Rest OTC.FFrriieeddll: Genau.

CCaaffee BBEE: Herr Klocker, bitte stellen Sie

sich unseren Lesern kurz vor.SStteeffaann KKlloocckkeerr: Ich bin seit 2007 bei derSemper Constantia, war anfänglich An-leihenfondsmanager für Lokalwährungen,seit einem Jahr bin ich Leiter der Vermö-genswaltung. Da geht es vor allem um dieLeitung des Asset Allocation-Prozesses.D.h., wie teilen wir das Vermögen der Kun-den, das wir diskretionär verwalten, in Ak-tien, Anleihen und Alternative Investmentsauf. Im Konjunkturzyklus eben entspre-chend zB Aktien über- oder untergewich-tet. Das ist die Hauptaufgabe. Aber ichkümmere mich auch mit einem Team umDepots oder Fonds.

CCaaffee BBEE: Führen Sie auch persönliche Ge-spräche mit den Kunden?KKlloocckkeerr: Ja, ich bin auch beim Private Ban-king-Team regelmässig in Gespräche mitKunden eingebunden.

CCaaffee BBEE: Manche Leute kommen rechtschnell zu Vermögen, beispielsweise beieiner Erbschaft. Wie geht man als Bankmit „reichen“ Einsteigern um?

Im Cafe BE (v. li.): Stefan Klocker (Leiter Vermögensverwaltung Semper Constan-tia), Thomas Friedl (Produktmanager Sales brokerjet), Florian Godovits (Journalist)

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KKlloocckkeerr: Hier ist das Beratungsgesprächmeist ein sehr langer Prozess. Man musserkennen, wie der Zeithorizont und die Ri-sikobereitschaft aussieht. Welche Ver-pflichtungen finanzieller Natur gibt es zBin einem Jahr? Wichtig ist auch, dass derKunde ein Grundverständnis mitbringt. Esgibt schon viele Fälle, bei denen die Ex-ponierung bezüglich Kapitalmarkt bishersehr gering war. Da kommt es schon aufAufklärung durch uns an, vor allem be-züglich der Risken. Das ist eine grosse Auf-gabe. Das ist auch Voraussetzung für ei-ne erfolgreiche Arbeit. Man muss Enttäu-schungen vorbeugen, das Verständnis aufder Kundenseite geschaffen werden.

CCaaffee BBEE:: Herr Godovits, Sie waren langebei der APA tätig, haben auch viele eige-ne Projekte gemacht. Wie hat sich IhrerMeinung nach das Berufsbild des „Jour-nalisten im Finanzbereich“ in den ver-gangenen Jahren verändert?FFlloorriiaann GGooddoovviittss: Ich glaube nicht, dasses sich sehr stark verändert hat. Die gröss-te Problemzone ist, dass die wirklichenExperten meistens keine guten Schreibersind. Natürlich gibt es Leute, bei denendas zusammenkommt, aber das ist relativselten. Finanzjournalismus muss ja garnicht trocken und langweilig sein, Ihr machtdas recht gut vor, seid in der Kollegen-schaft ein gern gelesenes Medium ...,

CCaaffee BBEE: ... danke ...GGooddoovviittss:: ... im Allgemeinen wirkt der Fi-nanzjournalismus aber fad. Und wenndann bunt geschrieben wird, ist es oft nichtgut recherchiert und der Kollege kommtvielleicht aus dem Chronik-Ressort. DieKriterien sind aber die gleichen wie vorzehn Jahren: Man muss gut schreiben kön-nen, die Sprache beherrschen, auch dasjournalistische Handwerkszeug.

CCaaffee BBEE: Die Leser haben ganz an-dere Recherchemöglichkeiten alsfrüher, kommen via Internet an fastalles ran. Ist der Journalist nun ei-ner der kommentiert oder hinter-fragt?GGooddoovviittss: Leider ist er meistens Schreib-vieh. Ich hatte öfters den Gedanken, obda draussen Konsumenten bereit sind, fürein Printprodukt zu bezahlen, das wirklich

unabhängig ist. Dasmüsste anzeigenfreisein. Sobald manauch nur eine An-zeige drin hat, istman in einemSpannungsfeld. Dagefallen mir dieBlogs recht gut, reinüber die PageViews macht manein wenig Umsatz.Journalist ist zudemschon fast jederzweite. Wieviele da-von sind seriös, wie-viele können davonleben? Nur die An-gestellten. Vielefreie Journalistenschreiben wieder-um nichts, womitsie anecken könn-ten. Die österrei-chische Medien-landschaft ist ge-prägt von wenigengrossen Anzeigen-kunden.

CCaaffee BBEE: Wir habenvor vier, fünf JahrenBewerbungen en masse gehabt, weil dieLeute woanders unter Druck gekommensind, weil sie damals – so wie heute aufFacebook – während der Arbeitszeit aufBrokerage-Seiten herumnavigiert haben.Das ist völlig abgerissen, heute bewirbtsich fast überhaupt niemand Börseinte-ressierter mehr. Nicht bei uns, aber auchnicht bei den Kollegen von der Konkur-renz. Herr Friedl, was sagen Sie zur Bil-dungspolitik, was Finanzwissen betrifft?TThhoommaass FFrriieeddll: Da habe ich persönliche

Erfahrungen. Meine Töchter sind22 bzw. 24 Jahre alt, ich habe denAHS-Werdegang mitbekommen.Positiv finde ich zB die Aktivitätenmit dem Raiffeisen-Börsespiel fürSchüler, aber auch dort fehlen die

Basics wie das Treffen der richtigen Aus-wahl. Nach welchen Kriterien kauft manösterreichische oder internationale Aktien?Im Unterrichtsplan gibt es keine Zeit da-für, ich glaube, das Interesse der Schüler

wäre da. Wir hattenimmer wiederSchulklassen beibrokerjet zu Be-such. Was machtein Händler? Wieentscheide ichmich für welcheAktien? Aus der Er-fahrung herauskann ich sagen,dass das die Hälf-te der Schüler sehrinteressiert hat, dieandere Hälfte nicht.Ich glaube, das istaber bei jedemThema so und 50Prozent ist sogarein guter Wert. InSumme passiertviel zu wenig.GGooddoovviittss: Wieviellernt man allge-mein über dasKaufen und Ver-kaufen als Kind?Hie und da beglei-tet man Eltern inden Supermarkt,aber das wars dannschon. Ich glaube,

DKT ist eine gute Sache.

CCaaffee BBEE: Eine Erfahrung ist auch das ei-gene Taschengeld, wenn man 10 Euro un-nötig versenkt, kann das schon prägendsein ...KKlloocckkeerr: Wenn ich mich an die Wirt-schaftsuni zurückerinnere, so war das so,dass man das Thema Finanzen nur beiden spezialisierten Richtungen hatte, sonstkonnte man das Thema eigentlich sehrleicht meiden, wenn man das wollte odernicht danach suchte. Das müsste alles vielverpflichtender sein, weil es ja zu unseremLeben einfach dazugehört. Jeder hat mitGeld zu tun und ist dann ins kalte Was-ser gestossen. Es wäre bildungspolitischein Auftrag da. Börsespiele sind das Ein-zige - optimal ist aber nicht, dass da mei-stens der Sieg nur über sehr riskante Po-sitionen möglich ist.GGooddoovviittss: Ich hatte Geografie und Wirt-schaftskunde, aber dieses winzige Büch-

„Wenn jemand, der vonder WU kommt, michfragt, was ein KGV ist,dann passt etwas nicht“

Thomas Friedl, brokerjet

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lein (Anm: „9 Steps to Financial Freedom“)brachte mehr Erhellung als die ganzeSchulzeit, in der es nicht um einen selbstgeht. Der beste Theoretiker kann ein ab-solutes Schwammerl in der Praxis sein.Was helfen mir angelernte Begriff, wennich mir im täglichen Leben dann ganz an-dere Fragen stellen muss? Ein übersetzterSatz aus dem Buch: „Dein Geld wird fürDich arbeiten und Du wirst immer genughaben – mehr als genug - wenn Du Ener-gie, Zeit und Verständnis widmest“. Manmuss Geld wie einen Freund beachten, esnie fürchten oder denken, dass es nichtexistiert. Die Börse ist ja nicht die einzigeMöglichkeit, Geld zu veranlagen. Bildung,was den Umgang mit Geld anbelangt, istin Europa sehr mager – eine Auswirkungvon sozialistisch-kommunistischem Den-ken, dass der Staat alles für mich macht.Meine Liebe zu den Amerikanern hat sichin der Zeit, in der ich dort angesiedelt war,zwar etwas reduziert,aber in Gelddingensind sie schon fit.

CCaaffee BBEE: Die Ausbil-dung bei den Bankenfür Bankmitarbeitergilt als hervorragend...FFrriieeddll: Ich habe jetztaktuell nicht so denEinblick. Aber das,was wir früher da an-geboten bekommen,wäre ein tollesSchwerpunktthemaauf der Uni gewesen.Das würde etwasbringen. Dann könn-te man Leute von derUni relativ rasch ein-setzen. Was heutevon der Wirtschafts-uni kommt, hat oftnicht viel mit Wirt-schaftswissen zu tun,da fehlt viel.GGooddoovviittss:: Was fehlt Ihrer Meinung nach?FFrriieeddll: Wenn jemand, der von der WUkommt, mich dann fragt, was ein KGV ist,dann passt da etwas nicht. Das zieht sichdurch. Wir reden hier ja von der Spitzen-gruppe: Bankmitarbeiter bekommen eine

gute Ausbildung, an der Uni beschäftigtman sich auch damit, aber der Normal-verbraucher findet da kaum Zugang.GGooddoovviittss: Wenn man sich interessiert, gehtaber viel. Ich habe Tischler ken-nenlernt, die unglaubliches Wissenüber das Investieren haben. Ichglaube, man kann sich das aneig-nen. Die Frage ist, ob man sich dieZeit nimmt.FFrriieeddll: Das ist ja der Punkt. Das Interessezieht sich durch alle Gesellschaftsschich-ten, es ist relativ unabhängig vom Ausbil-dungsgrad und es geht auch durch alle Al-tersgruppen. Es geht natürlich auch umden Ehrgeiz, besser als der Finanzmarktzu sein. Andere wollen Vermögensaufbaubetreiben. Das vielfältige Angebot im In-ternet kann auch ein Problem sein.GGooddoovviittss: Sich selbst auszukennen, ist einguter Rat. Wer sinnvoll an der Börse agie-ren möchte, muss sich wohl täglich damit

beschäftigen. Während der Arbeitszeit wirddas nicht möglich sein.FFrriieeddll: Für Daytrader gilt das. Ich glaube,dass sonst 10 Minunten am Tag reichen,um die wesentlichsten Dinge zu lesen.Man entwickelt ein gutes Wissen on the

job.

CCaaffee BBEE: Frage an die Privatbank. Ihr habtEuer Logo nicht an jedem Häuserblock.

Wie kommt man an neue Kunden?KKlloocckkeerr: Die beste Werbung istMundpropaganda, dazu Veranstal-tungen. Private Banking-Mitarbei-ter leben von ihrem Kontaktnetz-werk, das oft über Jahre aufgebaut

wurde.

CCaaffee BBEE: Welche Zielgruppen laden Siezu Veranstaltungen ein?KKlloocckkeerr:: ZB Ärzte, oder zB Veranstaltun-gen, die auf Stiftungen ausgerichtet sindoder Events, die institutionelle Anleger in-teressieren. Manchmal probiert man auch,verwandte Zielgruppen zu einem Eventeinzuladen. Ich möchte auch noch etwaszur Diskussion davor sagen. Eine Vermö-genswaltung kann da natürlich helfen,wenn man selbst nicht die Zeit hat. AuchAktien müssen nicht immer langfristig aufBuy/Hold-Basis funktionieren, der 10-Jah-res-Horizont passt bei Japan schon langenicht, und jetzt auch immer mehr bei uns.Da kann eine Vermögensverwaltung guteinspringen und Ein- bzw. Ausstiegspunkteim Zyklus aktiv auswählen.

CCaaffee BBEE: Was gefällt Ihnen momentan?KKlloocckkeerr: Anleihenseitig sind wir bei denIndustriestaaten schon eher vorsichtig, dieZinsen sind tief und die Schuldenkrise Tagfür Tag in den Märkten. Chancen sehenwir in exportorientierten Wachstums-märkten, auch China. Bei den Unterneh-mensanleihen gibt es auch gute Möglich-keiten, viele haben gesunde Bilanzen undsind weit weniger in der Verschuldungs-problematik gefangen. Daher gefallen unsauch Aktien, das KGV vom DAX liegtknapp unter zehn. Wir glauben, dass es daPotenzial bis Jahresende gibt. Kurzfristigbleibt alles schwer einschätzbar, die Vo-latilität wird bleiben. Auf der Alternative-Seite sehe ich einen intakten Aufwärts-trend bei den Rohstoffen, die Preise wer-den nachfragebedingt steigen. Uns gefälltauch der Markt der Rückversicherungs-Risken. Nach den Katastrophen in Au-stralien, Neuseeland und zuletzt in Japansind die Prämien stark nach oben gegan-gen, Katastrophen-Bonds sind jetzt inter-

„Man kann dem Thema Finanzen auf der Uni leicht ausweichen“

Stefan Klocker, Semper Constantia

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essante Beimischungen, noch dazu ohneKorrelation. Mir gefallen auch Portfolio-Beimischungen aus Skandinavien, Nor-wegen ist stabil und interessant.

CCaaffee BBEE: Eine österreichische Privatbankwird ja hie und da auch die Frage nachder Wiener Börse gestellt werden, vielleichtauf Kundenwunsch. Welche Titel gefallenIhnen?KKlloocckkeerr: Unserem Österreich-Aktien-Fondsmanager Walter Harecker gefällt ak-tuell beispielsweise der Verbund.

CCaaffee BBEE: Herr Friedl, direktanlage.at bie-tet Vermögensverwaltung aktiv und er-folgreich an. Ist da bei Euch auch etwasgeplant?FFrriieeddll: Auf absehbare Zeit glaube ich ehernicht. Es gehört eine Vertriebsstruktur da-zu, das hat man dort gut gelöst. In einerGrossbank ist das alles ein bisschen an-ders aufgestellt. Ich sehe auch einen gros-sen Unterschied zwischen den Kunden ei-ner Privatbank und einer Brokerage: Beigrossen Vermögen geht es ja vor allem umden Vermögenserhalt und vielleicht einenZuwachs über der Inflation. Bei kleinerenVermögen kann man auf diese Dienstenicht zugreifen. Daher geht unser Augen-merk stark in die Ausbildung in die Zur-Verfügstellung von Research-Material. Dawerden wir unser Angebot noch ausbau-en, eventuell durch Research von anderenBanken. Vor allem, was den internationa-len Markt betrifft. Deutschland, die Nr. 2beim Interesse bei uns, wird zum Beispielvon österreichischen Researchteams sogut wie nicht abgedeckt. Die Tschecheninteressieren sich wiederum klarerweisefür den Heimatmarkt, dahinter aber gleichfür den amerikanischen Markt.

CCaaffee BBEE: brokerjet ist in Tschechien sehrpräsent. Wie unterscheidet sich dertschechische Anleger vom Öster-reicher?FFrriieeddll: Ich denke, dass die Anzahlder Leute, die für Aktieninvestmentsin Frage kommen, weit geringer istals in Österreich. Dafür ist Wissen da, daswurde von Mitbewerbern gut aufbereitet.Man interessiert sich für FX und Levera-ge. Der Tscheche hat ja die Krone gegendie internationalen Leitwährungen, die er

handeln kann. Was man noch feststellenkann: Je weiter man nach Osten kommt,desto höher ist die Risikobereitschaft, bishin zum Thema „Alles oder Nichts“. Unddas durchaus mit hohen Beträgen.

CCaaffee BBEE: Herr Godovits, Sie beobachtenEdelmetalle, sagten Sie mir einleitend ...GGooddoovviittss: Für mich sind das keine Roh-stoffe, sondern Geld. Ich glaube, man wirdmit Edelmetallen auch in Zukunft nichtfalsch fahren. Leute, die Geld haben, set-zen stark auf Edelmetalle. In physischerForm Gold oder Silber zu besitzen, ist si-cher kein Nachteil, es lässt sich in jeder

Wirtschaftslage gegen andere Sachen tau-schen.

CCaaffee BBEE: Münzen oder Barren?GGooddoovviittss: Barren, Münzen sind für Samm-ler, haben Aufschläge. Bei Aktien nur Din-

ge, die ich verstehe, dessen Zahlennachvollziehbar sind, die Dividen-de zahlen. Auch der Kunstmarkt ge-fällt mir, hier nicht der völlig ver-rückte Markt moderner Kunst, son-dern klassische Dinge wie

realistische Malerei oder zB historischeStreichinstrumente. In Osteuropa wäre ichgenerell vorsichtig, im zuvor genanntenTschechien sehe ich die positive Ausnah-me. Nicht investieren würde ich auch in

China, weil ich das vor denen, die nachmir kommen, nicht verantworten könnte.Die Zerstörung des Planeten durch die chi-nesische Regierung im Inland, aber auchin Ländern, in denen China die Finger imSpiel hat, ist nur ein Aspekt davon. Wirt-schaftlicher Aufschwung bringt nicht au-tomatisch eine Verbesserung der Moralim Land, 25 Jahre zweistelliges Wirt-schaftswachstum brachten menschen-rechtliche Verschlechterungen und eineZerstörung der Umwelt. Auch in Öster-reich gibt es tolle Firmen, vielleicht nichtzum schnell reich werden, aber solide: Mirgefallen Verbund und voestalpine.

CCaaffee BBEE: Herr Friedl, Sie sind mehr als 25Jahre am Wiener Markt tätig. Gibt es Ti-tel, die Ihnen besonders gefallen oder ansHerz gewachsen sind?FFrriieeddll:: Natürlich, und da deckt sich meinBauchgefühl sehr oft mit dem Researchder Erste Group. Die OMV ist aktuell sehrgünstig, weiters gefällt mir eine BWT, in-teressant ist auch Kapsch. Internationalsollte man auch die Türkei nicht verges-sen. Abschliessend möchte ich sagen: Ak-tien kaufen, die man kennt. Marken, dieeinem im täglichen Leben begegnen.

DDiisskkuussssiioonnsslleeiittuunngg: Christian DrastilFFoottooss:: Franz-Josef Galuschka

„Ich kenne Tischler, die ein unglaubliches Finanz-wissen haben. Man kann sich das aneignen“

Florian Godovits, Journalist (ex APA finance)

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Im Cafe BE: Österreich-Aktienresearch-Chefs analysieren, woran es im 1. Halbjahr haperte

ATX wird Outperformance zugetraut,Top-Picks sind Immofinanz und RHI

Halbjahresgipfel der Ana-lysten über Timing, Tipps,Bildungsdefizite, Bezahlrese-arch und das Hobby ATX.

CCaaffee BBEE:: Herr Neuhold: Immofinanz, Post,Erste Group waren Ihre Favoriten für das2. Quartal. Wie sind Sie rückblickend da-mit zufrieden bzw. hat sich bei den Favo-riten etwas verändert?TThhoommaass NNeeuuhhoolldd: Wir haben die Top-empfehlungsliste leicht verändert. Daswichtigste Thema im 2. Quartal war dieGriechenland-Krise, die dazu geführt hat,dass ein Small Cap Markt wie Wien, dernoch dazu Banken stark gewichtet hat,schlechte Karten hatte. Die Berichtssaisonwar ähnlich wie im 1. Quartal, wir hattenwenig positive Ausreisser, Ausnahmen An-dritz und voestalpine. Bei den Indu-strieunternehmen hat man gesehen, dassdie Weitergabe von Preissteigerungen aufder Rohstoffseite teilweise recht schwierigist. Bei den Banken waren die Zahlendurchaus in Ordnung, aber eben keine po-sitive Überraschung. Bei der RBI kommtdazu, dass immer mehr Leute der Über-zeugung sind, dass eine Kapitalerhöhungnotwendig ist, daher hat RBI schlechterperformt als die Erste Group. Was die Top-empfehlungen aus dem Q2 betrifft, so se-he ich alle drei weiter positiv. Ich glaube,dass bei der Erste Group das Gewinn-wachstum sehr schön ausschauen wird,ich glaube an ein Kreditwachstum, gleich-zeitig sollten die Risikovorsorgen in denkritischen Märkten sinken. Bei der Im-mofinanz gibt es eine sehr gute operativeEntwicklung, der Discount zum NAV be-trägt nach wie vor mehr als 50 Prozent.Der Immobilienaufschwung in Osteuro-pa wird sich fortsetzen, aufgrund der po-sitiven wirtschaftlichen Entwicklung wer-den Cashflows generiert werden können,weiters sollten Aufwertungsgewinne mög-lich sein. Das Unternehmen hat zudemvor kurzem angekündigt, die Dividende

von 0,10 auf 0,20 Euro ansteigen zu las-sen. Damit wäre Immofinanz ein starkerDividendentitel mit einer Bruttodividen-denrendite von 7 Prozent. Das ist eine gu-te Überleitung zur Österreichischen Post,die mir aus der Dividendenperspektivesehr gut gefällt, wir haben acht ProzentDividendenrendite, die aus meiner Sichtmittelfristig sogar noch nach oben gehenkönnte, weil sich das Geschäft operativsehr gut entwickelt, kaum Verschulung daist und viel Cash-flow generiert wird. DieDividende kann in Richtung 1,90 bis 2,00Euro gehen in den nächsten Jahren.

CCaaffee BBEE: Das heisst, Sie bleiben bei die-sen drei Top-Picks Erste Group, Immofi-nanz und Post?NNeeuuhhoolldd: Ja, das sind nach wie vor mei-ne heissesten Tipps.

CCaaffee BBEE: Herr Artner, die Erste Group fälltfür Sie aus. Sie hatten Raiffeisen, OMVund ebenfalls Immofinanz für das Q2 ge-nannt ...GGüünntthheerr AArrttnneerr: Die drei Titel sind aus Va-lue-Gesichtspunkten günstig bewertet undbleiben Kaufempfehlungen. Timingmäs-sig waren das im Q2 sicher nicht die be-

sten Titel, das muss man rückwirkend klarsagen. Bei der RBI haben die anhaltendenDiskussionen über Kapitalmassnahmennicht gut getan, langfristig bleibt die Aktieein Buy. Bei der Immofinanz verstehe ichdie zuletzt schwache Performance nicht,sie bleibt eine lupenreine Kaufempfeh-lung. Bei der OMV wäre nach der abge-schlossenen Kapitalmarkttransaktion ei-gentlich der Befreiungsschlag fällig gewe-sen, aber genau zu diesem Zeitpunkt sinddann die Rohstoffpreise gefallen. Die Ak-tie ist spottbillig auf dem aktuellen Niveaumit der Gewinnschätzung von 5 Euro undKGV von unter 6, OMV bleibt ein Buy.

CCaaffee BBEE: Bleibt das Ihr Top-Trio?AArrttnneerr:: Alle drei bleiben ein Buy, aber ti-mingmässig würde ich im Q3 die RHI derRBI vorziehen, bei der RHI wurden zuletztklare Statements gebracht, dass es ebenkeine Kapitalerhöhung gibt und die Ex-pansion aus dem Cash Flow finanziertwerden kann. Die Aktie ist ganz unten.

CCaaffee BBEE:: Herr Maxian, die RCB nannteImmofinanz, Erste Group und bene ...SStteeffaann MMaaxxiiaann:: Das Quartal war kein Fi-nanzquartal, da waren die fundamentalen

Im Cafe BE (v. li.): Thomas Neuhold (UniCredit), Günther Artner (Erste), Stefan Ma-xian (RCB), Alfred Reisenberger (Noch-Cheuvreux) und Christian Drastil (BE)

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Stories der österreichischen Unternehmennicht so dominierend, das Thema hiessvielmehr Griechenland und die Schul-denkrise in den Euro-Peripherieländernallgemein. Zur Erste Group: Die Zahlenwaren ganz gut, die Bottom Line hat ge-passt, einzig das Nettozinsergebnis warschwächer als erwartet. Die Aktie bleibtein Buy, Sorgen macht die Entwicklungbei den Bankensteuern. Erstmal in Öster-reich, dann die Slowakei. Das politischeRisiko bleibt ein hohes, weitere Länderkönnten dazukommen, der für die ErsteGroup wichtige tschechische Markt ehernicht. Auch der Bankenstresstest steht be-vor, ich glaube aber, das wird, nachdemder OeNB-Bankenstresstest schon durchist, kein so grosses Thema sein. Erste bleibtein Buy, aber nicht unter den Top Drei.Immofinanz bleibt weiterhin ein Buy, dortsehen wir fundamental die meiste Upsi-de, auch conwert ist ein schöner Immo-bilienpick für defensivere Investoren, mehrUpside sehe ich aber eben bei Immofi-nanz. Unser dritter Tipp war bene, da gabes die Sondersituation der extrem gerin-gen Sekundärmarktliquidität in Wien, ge-rade kleine Titel hatten es schwer. Auchuns gefällt die RHI sehr gut. Die Q1-Zah-len erfüllten dieErwartungennicht ganz, aberQ2 sollte besserwerden, auchSemperit gefälltuns jetzt sehr gut.

CCaaffee BBEE:: Zu-sammengefasstalso Immofi-nanz, RHI undSemperit?MMaaxxiiaann: Ja.

CCaaffee BBEE:: HerrReisenberger,sind Sie noch beiCheuvreux?AAllffrreedd RReeiisseenn--bbeerrggeerr: Noch bisEnde Juli.

CCaaffee BBEE:: Kann man schon sagen, was Siekünftig machen werden?RReeiisseennbbeerrggeerr:: Nein.

CCaaffee BBEE:: Aber wir werdenheuer noch von Ihnen hö-ren?RReeiisseennbbeerrggeerr: Ja.

CCaaffee BBEE: Bitte ein paarWorte zum Q2, Cheuvreuxist ja beim Salus AlphaAnalystAward zum Halb-jahr vorne ...RReeiisseennbbeerrggeerr: Es ist schonviel gesagt worden, das 2.Quartal war weniger durchunternehmensinterne Din-ge getragen, als mehr durchmakroökonische Dinge.Wobei es interessant ist,wenn man sich die Top-performer ansieht: Nur voe-stalpine und Andritz konn-ten mit den Zahlen positivüberraschen und sind auchdie einzigen Gewinner. Wir haben ja einetwas anderes Rating, die Selected List.Aus dem ATX hatten wir voestalpine, An-dritz, CA Immo und Zumtobel. Zumtobelwar die einzige Enttäuschung von den Zah-len her, und das hat sich im Kurs nieder-geschlagen. Ich glaube, dass voestalpine

und Andritz weiterhin guteZahlen bringen, ich sehe einsehr geringes Enttäu-schungspotenzial. CA Immoist unser dritter Titel, den wirfavorisieren. Warum die Im-mofinanz im Q2 so schwachwar? Ich glaube, da gibt eshalt immer noch die eineoder andere Altlast, die inden Köpfen der Investorenherumschwebt. Sonst allessehr durchwachsen, SBOhatte gute Zahlen, trotzdemim Kurs schwach. Bankenmuss man aussen vorlassen,leider. Die Stimmung ist ein-fach schlecht. Die TelekomAustria lieferte schwacheZahlen, hat zwar eine guteDividende gezahlt, aber jetztkeine Chance auf Erholung.Was mich überrascht, ist,

dass der Verbund im 1. Halbjahr gut ab-geschnitten hat. Rein fundamental hat esdafür keine Berechtigung gegeben. Die Ka-

pitalerhöhung ausdem Vorjahr, daswar eigentlichschrecklich.AArrttnneerr:: Ohne Fu-kushima hätte diePerformance auchbeim Verbund an-ders ausgehen.

CCaaffee BBEE:: Fukushi-ma ist eine guteÜberleitung: Grie-chenland war so-wieso in einer Ne-gativliga mit sichselbst, aber dannkam bereits Wienbei den Negativ-performern, nochschwächer als Ja-pan, erst in den

letzten beiden Juni-Handelstagen hat Wiennoch aufgeholt. Wird Wien in der zweitenJahreshälfte ein Underperformer bleiben?NNeeuuhhoolldd:: Es steht ja schon in der Bibel,dass die Letzten die Ersten sein werdenund umgekehrt.RReeiisseennbbeerrggeerr: Auch die Bibelseite parat ...?NNeeuuhhoolldd (lacht): Nein, im Jahr 2010 warder Wiener Markt einer der besten, davoreiner der schwächsten, danach auch. DieGriechenland-Krise bzw. die Risikoaver-sion war zudem nicht gut für eine Index-zusammensetzung „Banken, Zykliker, SmallCaps“. Das Griechenland-Thema solltejetzt kurzfristig vom Tisch sein, ich sehedurchaus die Chance, dass wir eine Rallyhinlegen könnten, um das aufzuholen. DasWachstum ist hoch, die Firmen haben ei-ne starke Position in Deutschland undOsteuropa. Die Bewertungen sind abso-lut, relativ und auch im historischen Ver-gleich günstig. Es bestehen ganz gute Chan-cen für viele Titel. Das Gewinnwachstum2011 und 2012 wird stark ausfallen. Wirsehen 40 Prozent für 2011 und 20 Pro-zent für 2012, das findet man in Europanicht so oft.AArrttnneerr: Ich bin vom jetzigen Niveau wegebenfalls klar optimistisch. Ein Bela-stungsfaktor waren ja auch die Vorzieh-käufe im Zusammenhang mit der Wert-papier-KESt Ende 2010, darauf folgte derDurchhänger. In Osteuropa geht es stabil

„RHI, OMV und Immofinanz“

Günther Artner, Erste Group

„Erste Group, Postund Immofinanz“Thomas Neuhold, UniCredit

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und positiv weiter. Der für österreischischeUnternehmen sehr wichtige südosteuro-päische Raum dreht erst jetzt schön lang-sam, Rumänien ist beispielsweise für dieErste Group, die OMV, die Immofinanz,die VIG, auch für eine Raiffeisen ein ganzwesentliches Land. In Rumänien gab esauch hohen Griechenlandbezug. Für denFinanzsektor sehe ich nicht mehr so ne-gativ in Österreich, wir haben vor allemgegen Jahresende hinaus durchaus posi-tives Überraschungspotenzial.MMaaxxiiaann: Auch wir sehen keinen unmittel-baren Grund, dass Wien weiter under-performen sollte. Wir sind ebenfalls posi-tiv, die geringen Handelsvolumina sindaber schon ein grosses Problem, obwohldie Bewertungsniveaus günstig sind. Manmuss sich ja immer fragen, ob man auseinem Titel wieder herauskommt. Fi-nanzthemen rund um Griechenland wer-den weiter bestimmend sein, allein aus

dem politischen Druck werden wir auchkünftig Schlagzeilen haben, die uns nichtso gut gefallen werden. Es wird holprigbleiben. Viele Länder in Osteuropa habenim 1. Halbjahr besser performt als Öster-reich, darauf kann man sich nicht ausre-den, die Nachzieheffekte bei Südosteuro-pa wurden schon erwähnt. Zusammen-fassend glauben auch wir, dass das 2.

Halbjahr besser wird. Wir trauen dem ATXeine leichte Outperformance zu, Bela-stungsfaktoren wie die OMV-Kapitaler-höhung sind ja nicht mehr da.RReeiisseennbbeerrggeerr: Alles, was die drei Herrengesagt haben, ist richtig oder zumindestteilweise richtig. Eine Outperformance desATX sehe ich aber nicht. Der Wiener Marktist ja für viele Kunden maximal ein Hob-by, oftmals aufgrund persönlicher Bezie-hungen. Viele unsere Kunden haben sichdas nur angesehen, weil wir ihnen das na-hegebracht haben. Das grosse Thema sinddie Volumina, bei um die 5 Mrd. Mo-natsvolumen geht nicht viel. Kunden brau-chen die Sicherheit, auch wieder ausstei-gen zu können. Auch Dinge wie nicht statt-gefundene IPOs, völlig schiefgegangeneIPOs oder verpatzte Kapitalerhöhungenstören. Wenn alle anderen performen, kannauch der ATX performen, aber das sagtnicht viel. Das Traurige ist, dass immerwenige Anleger das Hobby Wien spielen,es muss ja nicht sein. Viele Unternehmenhaben auch zu wenig Wert geschaffen, zBdie Telekom.

CCaaffee BBEE: Zwischenfrage – bleiben Sie künf-tig überhaupt am österreichischen Markttätig?RReeiisseennbbeerrggeerr:: Das nehm ich an, man wirdsich aber eventuell auch in Richtung Ost-europa stärker orientieren müssen.

CCaaffee BBEE: Was bedeutet das sinkende Vo-lumen für die Dimension Ihrer Abteilung,Herr Neuhold?NNeeuuhhoolldd: Wir sind vier Analysten in Wien,da wird es keine Kürzungen gehen. Auchwir beobachten die sinkenden Voluminasehr kritisch. Es ist zu aber beachten, dassder Wiener Markt auch historisch von star-ken Schwankungen heimgesucht wurde.Positiv zu sehen ist, dass sich viele Un-ternehmen operativ ganz gut entwickeln.Leider können Benchmarkinvestoren Wienganz gut meiden, auch wenn es wirklicheinige gute Geschichten gibt, das habenwir zuletzt zum Beispiel bei Andritz undvoestalpine gesehen.

CCaaffee BBEE: Herr Artner, Ihre Abteilung istgrösser als vier Personen ...AArrttnneerr: Wir sind über neun Länder aktiv,haben viele Sektoranalysten in Wien sit-

zen, das kann man also nicht so ganz ver-gleichen, es ist ein bisschen vermischt. Wirhatten Anfang des Jahres 13 Personen, ge-hen jetzt in Richtung 11. Wir haben wäh-rend der Krise in Osteuropa etwas redu-ziert, tun das jetzt in Wien, aber nur imAktienbereich. Im Bondresearch wird auf-gestockt, also ein „leider“ nur aus Aktien-sicht. Wir haben stagnierende Volumina,haben ein stagnierendes Pricing, als Ana-lyst kann man das nicht besonders attraktivsehen.

CCaaffee BBEE: Herr Maxian, Klaus Ofner ist zuWienerberger gegangen ...MMaaxxiiaann: Wir werden nachbesetzen; auchwir haben in Wien ein Zentral- und Ost-europaresearch, wir covern von Wien auspolnische, russische, tschechische, rumä-nische Werte und vieles mehr. Wir sind al-so diversifiziert. In Osteuropa gab es eini-ge Emissionen, die brauchen alle Research.Unser Ausblick ist stabil.RReeiisseennbbeerrggeerr: Cheuvreux hatte drei Ana-lysten in Wien, die Vergleichbarkeit mitden anderen ist nur begrenzt gegeben. Ichhabe drei als eine ausreichende Anzahlbetrachtet. Letztendlich muss man ja auchetwas verdienen. Wir hatten beim Kun-dengeschäft gute Top3-Marktanteile in ei-nigen Monaten, taten uns trotzdem schwer,Geld zu verdienen. Es kommen ja auch

„voestalpine, Andritzund CA Immo“

Alfred Reisenberger (Cheuvreux)

„Immofinanz, RHI und Semperit“Stefan Maxian, RCB

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noch Kosten für IT oder die Miete dazu.Was immer vergessen wird, ist die enor-me Anzahl an Marktteilnehmern in Wien,auf die sich die paar Milliarden im Mo-nat aufteilen.

CCaaffee BBEE: Es macht den Eindruck, als wür-de Research zuletzt wieder restriktiver ver-teilt. Haben sich die Geschäftsmodelle ver-ändert, vielleicht hin in die Richtung „we-niger an Retail“ oder sogar „hin zubezahlten Researchtätigkeiten“?MMaaxxiiaann:: Es stimmt schon, Research ist inerster Linie für die Institutionellen gedacht,aber es gibt auch Retail-Produkte in deut-scher Sprache. Bezahl-Research? Ich hal-te das für ein interessantes Modell, aberman muss aufpassen, dass man nicht ineinen Interessenskonflikt kommt. AArrttnneerr: Wir glauben, dass wir das Ge-schäftsmodell doch überdenken müssen.Für viele Werte rechnet sich die Covera-ge nicht, rein vom Sekundärmarktumsatzher. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entwe-der, wir stellen immer mehr Werte ein,dann dreht sich die Negativspirale weiter.Oder wir stellen einige Titel auf Bezahlre-search um. Wir haben uns für zweiteresentschieden. Wir haben uns überlegt, wodie Grenze ist und sehen diese bei einemTagesumsatz von durchschnittlich 500.000Euro. Wir werden das mit Jahresbeginn2012 einführen, als Basis dient die ATX-Beobachtungsliste. Das Ganze beruht aufgegenseitiges Einvernehmen. Wollen dasdie Unternehmen? Haben wir das Know-How zur Branche überhaupt? Ich versu-che damit, die Negativspirale zu beenden.Als Grossbank müssen wir ein Committ-ment zum Markt haben und können nichtpermanent alles zurückschrauben. Wirmüssen hier auf Kostenwahrheit schau-en. In den Vorabgesprächen gibt es durch-aus positives Feedback bei Small Caps,die wir aktuell nicht covern. Bei Titeln, diewir jetzt covern, muss es um Stichtage ge-hen. Unter 500.000 sind aktuell eine BWT,Rosenbauer, Wolford, Agrana, Warimpex- interessante Werte, bei denen es sich vomSekundärmarkt her nicht rechnen kann.Wir wollen uns das mal für ein Jahr an-schauen.

CCaaffee BBEE: Sehr spannend, sind auch an-dere Länder denkbar?

AArrttnneerr:: Ja, wenn es in Österreich funktio-niert. Wir wollen da nicht Geld verdienendamit, sondern nur Kostenwahrheit errei-chen. Den Unternehmen geht es wenigerum Ratings, sondern um mit aktuellenSchätzungen in den Systemen wie Bloom-berg und Reuters zu stehen. Wir wollenunabhängig bleiben, alles klar offenlegenund die Unternehmen wollen ein Ratinghaben. Es ist ein Add-on-Service.

CCaaffee BBEE: Wie sieht das die UniCredit?NNeeuuhhoolldd: Ich sehe auch die Interessens-konflikte und dazu das „cui bono?“ wieder Lateiner sagt. Ich bezweifle, dass sichgravierend was ändert, weil ja die Fonds-

manager auch erst gewonnen werden mus-sen.RReeiisseennbbeerrggeerr: Dass es für kleine Unter-nehmen Schätzungen gibt, finde ich gut,ich glaube aber auch nicht, dass es die Li-quidität steigert. Das Thema ist ja auch„wie bezahle ich meine Leute“.

CCaaffee BBEE: Ich möchte die Schlussrunde ein-läuten. Gibt es Anliegen, die man zumHalbjahr loswerden möchte?AArrttnneerr:: Ich würde mir wünschen, dass beiIPOs und Kapitalerhöhungen die Firmenerkennen, dass diejenigen österreichischenBanken, die ein Committment zum Marktabgeben, dann auch in den entsprechen-den Konsortien vertreten sind. Niemandkennt die Kunden für österreichische Ak-tien besser als Raiffeisen, UniCredit undwir bzw. auch Cheuvreux vor ein paar Mo-naten. Ich glaube, so ein Konsortium hät-te Isovoltaic an die Börse gebracht.MMaaxxiiaann: Das stimmt, Transaktionen sindwichtig für den Markt, wir brauchen FreeFloat. Lenzing hat ja zum Beispiel durch-

aus belebt. Es sollten nun ähnliche Kali-ber folgen.RReeiisseennbbeerrggeerr: Ich möchte noch etwas zuden Volumina sagen. Die vielen Markt-teilnehmer waren ja auch ein Verdienstder Börse. Die Börse sollte sich jetzt über-legen, inaktive Marktteilnehmer vielleichtmit höheren Gebühren zu versehen, dassdiejenigen belohnt werden, die mehr tunund Research schreiben. Das Hauptthe-ma ist, dass es keine Kapitalmarktkulturin Österreich gibt. Das kann nur durch An-reizmodelle verändert werden, das dauertaber einige Jahre. Leider ist viel Falschin-formation im Markt.NNeeuuhhoolldd: Mittel- bis langfristig ist die At-traktivitätssteigerung das Wichtigste. Kaumwirtschaftliche Ausbildung in der Schule,kaum jemand kann Umsatz vom Gewinnunterscheiden, die Politik denkt börse-feindlich. Ich würde mir Massnahmen wiein anderen Ländern wünschen, um hierzB die Fondsindustrie zu stärken. Auchdie Exekutive war nicht immer schnell. Dieganzen Immo-Sachen oder Libro mit ei-ner Entscheidung jetzt nach zehn Jahren.Man hat den Eindruck, als würde es kei-ne Rechtssicherheit in Österreich zu ge-ben.RReeiisseennbbeerrggeerr:: Das mit der Bildung ist einguter Schlusspunkt. Ich bin in der glück-lichen Situation, seit letzter Woche keinschulpflichtiges Kind mehr zu haben, bei-de haben maturiert ...

AAllllee//CCaaffee BBEE: ... Gratulation ...RReeiisseennbbeerrggeerr:: ... danke, nicht mein Ver-dienst. Es gibt aber auch in der Schule kei-nerlei inhaltliche Ausbildung. Das wäreein abendfüllendes Thema. Ich vergleichedas immer mit den Schikursen. Wenn eskeine Schikurse gibt, wird man nicht Schi-fahren lernen. In der AHS gibt es keiner-lei Ausbildung in Finanzfragen.

CCaaffee BBEE: Genau das, die „Initiative Fi-nanzwissen“, wird dafür unser Schwer-punkt im 2. Halbjahr. Vielen Dank, mei-ne Herren, wir sehen uns Ende des Q3wieder.

DDiisskkuussssiioonnsslleeiittuunngg: Christian DrastilFFoottooss:: Franz-Josef Galuschka

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