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Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Mensch und Sicherheit Heft M 182 Cannabis und Verkehrssicherheit

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Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen

Mensch und Sicherheit Heft M 182

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Cannabis undVerkehrssicherheit

ISSN 0943-9315ISBN (10) 3-86509-558-5ISBN (13) 978-3-86509-558-9

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Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen

Cannabis undVerkehrssicherheit

Mensch und Sicherheit Heft M 182

von

Christian P. MüllerBianca Topic

Josef P. Huston

Institut für Physiologische PsychologieHeinrich-Heine-Universität, Düsseldorf

Peter Strohbeck-KühnerBeate Lutz

Gisela SkoppRolf Aderjan

Institut für Rechtsmedizin und VerkehrsmedizinKlinikum der Universität, Heidelberg

Mangelnde Fahreignung nachCannabiskonsum: Leistungs-

defizite, psychologische Indika-toren und analytischer Nachweis

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Die Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlicht ihre Arbeits- und Forschungs-ergebnisse in der Schriftenreihe Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Die Reihebesteht aus folgenden Unterreihen:

A - AllgemeinesB - Brücken- und IngenieurbauF - FahrzeugtechnikM- Mensch und SicherheitS - StraßenbauV - Verkehrstechnik

Es wird darauf hingewiesen, dass die unter dem Namen der Verfasser veröffentlichtenBerichte nicht in jedem Fall die Ansicht desHerausgebers wiedergeben.

Nachdruck und photomechanische Wieder-gabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmi-gung der Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit.

Die Hefte der Schriftenreihe Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen können direkt beim Wirtschaftsverlag NW, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bgm.-Smidt-Str. 74-76, D-27568 Bremerhaven, Telefon (04 71) 9 45 44 - 0, bezogen werden.

Über die Forschungsergebnisse und ihre Veröffentlichungen wird in Kurzform imInformationsdienst BASt-Info berichtet.Dieser Dienst wird kostenlos abgegeben;Interessenten wenden sich bitte an dieBundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit.

Impressum

Bericht zum Forschungsprojekt FE 82.238/2002:Cannabis und Verkehrssicherheit

ProjektbetreuungAnja Knoche

ISSN 0943-9315ISBN (10) 86509-558-5ISBN (13) 978-3-86509-558-9

Bergisch Gladbach, November 2006

HerausgeberBundesanstalt für StraßenwesenBrüderstraße 53, D-51427 Bergisch GladbachTelefon: (0 22 04) 43 - 0Telefax: (0 22 04) 43 - 674

RedaktionReferat Öffentlichkeitsarbeit

Druck und VerlagWirtschaftsverlag NWVerlag für neue Wissenschaft GmbHPostfach 10 11 10, D-27511 BremerhavenTelefon: (04 71) 9 45 44 - 0Telefax: (04 71) 9 45 44 77Email: [email protected]: www.nw-verlag.de

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Kurzfassung – Abstract

Cannabis und Verkehrssicherheit

Das Ziel der vorliegenden Untersuchung zu denverkehrssicherheitsrelevanten Folgen des Canna-bisgebrauchs war es, Daten zur potenziellen undtatsächlich verkehrsbezogenen Gefährlichkeit imHinblick auf die Fahreignung zu evaluieren.

Im ersten Teil der Untersuchungen wurde durch dieDüsseldorfer Arbeitsgruppe eine detaillierte Analy-se der vorhandenen Forschungsliteratur zu denneuropsychologischen und psychiatrischen Effek-ten des Cannabiskonsums durchgeführt, die so-wohl die Konsistenz eines Beeinträchtigungsnach-weises als auch die Qualität der vorhandenen Stu-dien berücksichtigt hat. Die meisten konsistentnachgewiesenen Defizite wurden dabei für dieKonsumsituation des „Gelegenheitskonsumentennach akutem Konsum” gefunden. Für abstinenteoder sich in der Residualphase befindliche Gele-genheitskonsumenten sind bisher keine Defiziteauf Verhaltensebene konsistent nachgewiesenworden. Weiterhin wurden keine Hinweise dafürgefunden, dass bei regelmäßigen Cannabiskonsu-menten nach akutem Cannabiskonsum oder wäh-rend der Abstinenz mit stärkeren Verhaltensdefizi-ten zu rechnen ist als bei Gelegenheitskonsumen-ten. Diese Befunde machen eine Unterscheidungzwischen gelegentlichen und regelmäßigen Canna-biskonsumenten bezüglich der zu erwartendenVerhaltensdefizite hinfällig.

Im zweiten Teil wurden durch die Heidelberger Ar-beitgruppe als Cannabinoid-positiv ermittelte Fälleaus 3 Jahren (2000–2002), die im Straßenverkehrbeobachtete Auffälligkeiten zeigten, unter Berück-sichtigung der gemessenen Cannabinoid-Plasma-konzentrationen betrachtet. Dabei wurde geprüft,ob und ggf. welcher Zusammenhang zwischen denanalytisch ermittelten Konzentrationen an THC undseinen Metaboliten und den Auffälligkeiten, die imärztlichen Blutentnahmeprotokoll und im polizeili-chen Bericht vermerkt sind, besteht. Weder die Ge-samteinschätzung der Auffälligkeiten durch die Po-lizei und den Blutentnahmearzt noch die Beurtei-lung des Beeinflussungsgrades durch den Arztwaren jeweils mit den Serumspiegeln an THC oder11-OH-THC korreliert. Die Ergebnisse zeigen, dassdurch Einschätzungen von Polizei und Arzt wederArt und Grad der Beeinträchtigung konsistent er-fasst noch Personen mit regelmäßigem und gele-

gentlichem Konsum sich mit der notwendigen Si-cherheit voneinander trennen lassen. WelcheAspekte sich daraus in Hinblick auf die Fahreig-nungsdiagnostik ergeben, wird im letzten Kapitelangesprochen.

Cannabis consumption and traffic safety

The purpose of the present study on road safety related consequences of cannabis consumptionwas the evaluation of data about potencial and actual hazards in road traffic concerning drivingabilities.

In the first part of the investigation a detailedliterature survey was performed considering theneuropsychological and psychiatric effects ofcannabis use. The survey especially dealt with thedegree of evidence for impairment and weighedthe quality of the available studies. The largestnumber of consistently impaired behavioralfunctions was found for the consumer setting of an“occasional user after acute consumption”. Noconsistent impairments were found for theabstinent occasional consumers nor in the residualphase. There is no consistent evidence for moresevere impairments of behavioral functions inheavy cannabis users, neither acutely nor duringabstinence. The results of the literature surveysuggest a re-evaluation of the differentiationbetween occasional and heavy cannabis users interms of their expected behavioral deficits relatedto driving.

In the second part of the study data from personswhich were tested cannabionid-positive following a deviant driving performance during 3 years(2000–2002) were evaluated with respect to theiractual cannabinoid concentrations in the plasma. The relationship between THC and THC-metabolite concentrations in the plasma and thebehavioral impairment scoring by the police andphysicians was investigated. Neither the evaluationby the police nor by the physicians correlatedclosely with THC or 11-OH-THC values in serum.The results suggest that neither the behavioralscoring by police nor by physicians are prone both,to reflect psychotomimetic and other Cannabisactions effectively or to differentiate between

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occasional and heavy cannabis consumption withan acceptable degree of certainty. Hence,regarding the diagnosis of driving aptitude the last chapter deals with some aspects deducedfrom the results.

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Inhalt

Teil A: Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.1 Cannabis – Chemie und Botanik . . . . 7

1.2 Verkehrsrelevanz der Cannabis-wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.2.1 Epidemiologische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.2.2 Experimentelle Untersuchungen . . . . . 9

1.2.3 Untersuchungen bei Straßen-verkehrsteilnehmern . . . . . . . . . . . . . . 11

1.3 Zusammenhang von Plasma-konzentration und Wirkung . . . . . . . . . 12

1.4 Cannabiswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

1.5 Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

1.6 Pharmakologische Daten . . . . . . . . . . 19

1.6.1 Physikalisch-chemische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

1.6.2 Pharmakokinetische Daten . . . . . . . . . 20

1.7 Das endogene Cannabinoid-system . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

1.7.1 Cannabinoid-Rezeptoren . . . . . . . . . . 23

1.7.2 Die endogenen Cannabinoide . . . . . . . 25

1.7.3 Die Funktion des endogenen Cannabinoidsystems . . . . . . . . . . . . . . 27

1.7.4 Das endogene Cannabinoid-system und Drogeneffekte . . . . . . . . . 27

2 Zielsetzung der Studie . . . . . . . . . . . 29

2.1 Ziele der Literaturanalyse . . . . . . . . . . 29

2.2 Ziele der Analyse forensisch- toxikologischer Fälle . . . . . . . . . . . . . . 29

2.3 Diskussion über den Zusammen-hang von Konsummuster undFahreignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Teil B: Literaturanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3 Material und Methode . . . . . . . . . . . . 31

3.1 Regelmäßiger und gelegentlicher Cannabiskonsum . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3.1.1 Die Notwendigkeit der Unterteilung . . 31

3.1.2 Verhaltenskriterien zur Differen-zierung eines gelegentlichen von einem regelmäßigen Konsum . . . . . . 32

3.1.3 Chemisch-toxikologische Differen-zierung eines gelegentlichen von einem regelmäßigen Konsum . . . . . . 35

3.2 Cannabiskonsum: möglicheKonsumsituationen . . . . . . . . . . . . . . 36

3.3 Kriterien für die Analyse der Verhaltenseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . 38

3.3.1 Suche und Auswahl relevanter Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

3.3.2 Was sind verkehrsrelevante Leistungsparameter? . . . . . . . . . . . . 41

3.3.3 Definition konsumrelevanter Zeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

3.3.4 Vorgehen bei der Verhaltens-analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

4 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

4.1 Verkehrsrelevante Leistungs-defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

4.1.1 Naive Konsumenten nach dem erstmaligen Konsum . . . . . . . . . . . . . 48

4.1.2 Gelegenheitskonsumenten: abstinent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

4.1.3 Gelegenheitskonsumenten: nach akutem Konsum . . . . . . . . . . . . 56

4.1.4 Regelmäßiger Konsument: abstinent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

4.1.5 Regelmäßiger Konsument: akuter Konsum . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

4.1.6 Cannabis und psychiatrische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

5 Diskussion der Verhaltens-befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

5.1 Cannabis-induzierte Verhaltens-defizite und mögliche Marker . . . . . . 129

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5.1.1 Prinzipielle Überlegungen . . . . . . . . . 129

5.1.2 Können forensisch-toxikologische Marker für verkehrsrelevante Leis-tungsdefizite bei Cannabiskonsu-menten etabliert werden? . . . . . . . . . 130

Teil C: Analyse forensisch-toxikologischerFälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

6 Material und Methode . . . . . . . . . . . 134

6.1 Selektionskriterien . . . . . . . . . . . . . . . 134

6.2 Zusammenhang zwischen Cannabi-noidkonzentrationen und den im „Torkelbogen” dokumentierten Ausfallserscheinungen . . . . . . . . . . . . 135

6.3 Zusammenhang zwischen Cannabinoidkonzentrationen und den im ärztlichen Bericht dokumentierten Ausfalls-erscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

6.4 Ermittlung von Beeinträchtigungs-kennzahlen und -scores anhand der Beobachtungsparameter . . . . . . 139

6.5 Statistische Analyse – Serum-cannabinoidkonzentrationen und Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . 140

7 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

7.1 THC-Befunde in rechtsmedizinisch untersuchten Serumproben . . . . . . . . 141

7.1.1 THC-Befunde der Jahre 2000 bis 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

7.1.2 Auswertekollektiv . . . . . . . . . . . . . . . . 142

7.2 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

7.2.1 Ausmaß der Auffälligkeiten im Torkelbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

7.2.2 Ausmaß der Auffälligkeiten im ärztlichen Untersuchungsbefund . . . 146

7.2.3 Ermittlung der prozentualen Beeinträchtigungsscores der Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

7.2.4 Ergebnisse der statistischen Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

8 Diskussion der forensisch-toxikologischen Fälle . . . . . . . . . . 156

8.1 THC-Befunde in rechtsmedizinisch untersuchten Serumproben . . . . . . . . 156

8.2 Zusammenhänge zwischen den polizeilichen und ärztlichen Fest-stellungen sowie den Beeinträchti-gungsscores und den Cannabinoid-konzentrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

8.2.1 Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

8.2.2 Polizeiliche Feststellungen und Cannabinoidkonzentrationen . . . . . . 158

8.2.3 Ärztliche Feststellungen undCannabinoidkonzentrationen . . . . . . 161

8.2.4 Auswertung der Zusammenhänge zwischen Beeinträchtigungsgrad und Konzentrationen an THC, 11-OH-THC und THC-COOH . . . . . . 163

Teil D: Zusammenfassung und Relevanz der vorliegenden Berichter-gebnisse für die Frage derFahreignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

9 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

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Gisela Skopp, Beate Lutz und Rolf Aderjan

Teil A: Allgemeiner Teil

1 Einleitung

1.1 Cannabis – Chemie und Botanik

Cannabisarten (C. indica Lamarck, C. ruderalis Ja-nischewsky, C. indica Linne und Züchtungen)gehören mit der Gattung Humulus (Hopfenge-wächse) der Familie der Cannabaceae an. DasHarz der weiblichen Blütenstände und die Blätterdes Hanfes enthalten neben ätherischem Öl vorallem Cannabinoide, von denen bis heute mehr als60 in ihrer Struktur aufgeklärt sind. Der Cannabi-noidgehalt von Stängeln und Wurzeln ist im Ver-gleich zu Blättern und Blütenständen deutlich ge-ringer, die Samen enthalten keine Cannabinoide.Cannabinoide sind lipophile, stickstofffreie, meistphenolische Monoterpene. Hauptcannabinoidesind (-)-trans-∆9-Tetrahydrocannabinol (THC),Cannabidiol (CBD), Cannabinol (CBN) und die je-weiligen Carbonsäuren. Chemotaxonomisch lässtsich Hanf in Faser- und Drogenhanf einteilen,wobei THC das Leitcannabinoid für Drogen- undCBD das Leitcannabinoid für Faserhanf darstellt.CBD und die korrespondierende Carbonsäure sindbiogenetische Vorläufer des THC und der Tetrahy-drocannabinolcarbonsäure, während CBN ein Oxi-dationsprodukt des THC darstellt, das durch Ein-wirkung von Licht, Wärme und Sauerstoff entsteht.Das in geringer Menge in der Pflanze vorhandene∆8-Isomer des THC wird als Artefakt angesehen.Für die psychotrope Wirkung der Pflanze ist vorallem das THC verantwortlich, das im Jahre 1940erstmals isoliert und dessen Struktur 1964 aufge-klärt wurde (GROTENHERMEN, 1999). Die Canna-binoide liegen in der Pflanze, abhängig vom Reife-grad, auch als pharmakologisch inaktive Car-bonsäuren vor, die erst nach Erhitzen durch Decar-boxylierung in die psychotrop wirksamen Stoffeumgewandelt werden.

Die für den Drogengebrauch üblichen Zubereitun-gen sind Haschisch und Marihuana, seltener Ha-schischöl. Diese Präparate unterliegen in Deutsch-land als nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel denBestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes.Unter Marihuana (Cannabiskraut) versteht man die

getrockneten, blühenden oder schon Früchte tra-genden grünen Spitzentriebe der Hanfpflanze. Ma-rihuana, das auch unter den Synonymen „Gras“,„Kif“, „Bhang” und „Ganja” bekannt ist, enthältzwischen 1 bis 10 % THC. Als Haschisch (Canna-bisharz) wird das vorwiegend durch Ausklopfenoder Abschaben von Hanf gewonnene Harz derDrüsenschuppen bezeichnet. Das Harz hat einencharakteristisch süßlichen Geruch, es kommt inForm von gepressten Stangen oder Platten in denHandel. Die THC-Gehalte können je nach Qualitätzwischen 2 bis 20 % schwanken (BAKER et al.,1980a, 1980b). Haschischöl (Cannabisextrakt) istein durch Lösemittelextraktion oder Destillation ausdem Kraut oder Harz gewonnener, dunkelbraunerExtrakt, der einen THC-Gehalt von bis zu 65 %haben kann. Marihuana und Haschisch werdenmeistens mit Tabak gemischt oder pur in Zigaret-tenform oder in der Wasserpfeife geraucht. Eineorale Aufnahme der Droge z. B. in Gebäck zählt zuden weniger üblichen Konsumformen. Teilweisewird die Droge sowohl inhalativ als auch oral kon-sumiert.

Der Gehalt der Cannabispflanzen an THC nahm imVerlauf der vergangenen Jahrzehnte immer mehrzu. Während 1980 der mittlere Gehalt an THC inkonfisziertem Marihuana in den USA weniger als1,5 % betrug, lag der Gehalt im Jahre 1997 im Mit-tel bei 4,1 % (ELSOHLY et al., 2000). Durch Kreu-zung und gezielte, genetische Manipulationensowie durch eine Optimierung der Kultivierung inTreibhäusern wurden in den Niederlanden in denvergangenen Jahren Spitzengehalte an THC bis zu33 % erzielt (NIESINK et al., 2002).

1.2 Verkehrsrelevanz der Cannabis-wirkung

Unbestreitbar ist, dass Cannabis aufgrund seinesWirkungsspektrums das Potenzial besitzt, dieFahrtüchtigkeit zu vermindern. Der Begriff Fahr-tüchtigkeit (synonym gebrauchter Begriff: Fahrsi-cherheit) umschreibt die momentane psychischeund physische Befindlichkeit und Befähigung, einKraftfahrzeug führen zu können. Über diese Leis-tungsausstattung geht der Begriff der Fahrtaug-lichkeit (synonym gebrauchter Begriff: Fahreig-nung) hinaus, der auch Aspekte zur selbstkriti-schen Verhaltensbeobachtung und -kontrolle mitumfasst. Fahrfertigkeit, die man u. a. durch Fahr-praxis erwerben kann, Verkehrszuverlässigkeit, diepersönliche und soziale Verlässlichkeit beinhalten

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sowie Fahrtüchtigkeit sind drei Teilfaktoren, dienotwendig sind, ein Kraftfahrzeug sicher imStraßenverkehr zu führen (TÄSCHNER et al., 1994).Das konkrete Fahrverhalten wird durch ein Wech-selspiel von äußeren Faktoren wie z. B. Witterungsowie personell bedingten Faktoren wie physischeLeistungsfähigkeit, Leistungsdisposition, Leis-tungsreserve und Leistungsbereitschaft beeinflusst(MÜLLER-LIMMROTH, 1974). Eine Veränderungjedes einzelnen Faktors kann eine Minderung derFahrsicherheit zur Folge haben, kann unter Um-ständen auch durch andere Faktoren kompensiertwerden.

Neben der Dauer und Intensität der Beeinträchti-gung durch Cannabis bei einmaliger oder allenfallsgelegentlicher Einnahme ist auch unklar, inwiefernbei chronischem Konsum eine Toleranzentwicklunggegenüber den fahrrelevanten Beeinträchtigungeneintreten kann oder ob bei chronischer Einnahmedauerhafte Effekte auftreten, die die Fahrsicherheitvermindern. Das Risiko, unter CannabiseinflussFahrfehler zu begehen oder einen Unfall zu verursa-chen, ist bislang nur unzureichend geklärt. Es gibtverschiedene Ansätze, dieses Risiko abzuschätzen.Während epidemiologische Ansätze, auch road-side surveys (MOVIG et al., 2004) und Einzelfallbe-schreibungen oftmals einen Unfall, eine Fahr- oderVerhaltensauffälligkeit voraussetzen, können bei ex-perimentellen Untersuchungen nur Einzelkompo-nenten geprüft werden, die eine potenzielle Gefahrfür das Führen eines Kraftfahrzeuges darstellen.

1.2.1 Epidemiologische Untersuchungen

Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illega-le Droge in Deutschland. In einer bundesweitenStudie, die im Jahr 2003 durchgeführt wurde,gaben 24,3 % der befragten 18- bis 59-Jährigen(18 bis 34 Jahre: 35,9 %) an, in ihrem Leben min-destens einmal Cannabis konsumiert zu haben, die12-Monats-Prävalenz beträgt 6,8 % (18 bis 34Jahre: 14,3 %). Die Gruppe der jungen Erwachse-nen im Alter von 18 bis 24 Jahren weist die am wei-testen verbreitete Lebenszeiterfahrung mit Canna-bis auf (42,7 %; 12 Monate: 21,6 %) (Die Drogen-beauftrage der Bundesregierung, 2004). Der Jah-resbericht der europäischen Drogenbeobach-tungsstelle (EMCDDA, 2002) zeigt, dass bereits seitden neunziger Jahren der Konsum von Cannabisdeutlich angesteigt.

Ebenfalls gestiegen ist die polizeiliche Erkennungvon Verkehrsteilnehmern, die zuvor Drogen konsu-

miert haben. Um den tatsächlichen Einfluss vonCannabis auf die Fahrsicherheit zu untersuchen,werden neben experimentellen Studien, die denEinfluss von Cannabis auf perzeptive, kognitiveoder emotionale Fähigkeiten aufzeigen, epidemio-logische Untersuchungen durchgeführt. NachGROTHENHERMEN (2002) legen epidemiologi-sche Untersuchungen den Fokus auf folgende dreiAspekte:

1. Häufigkeit Cannabis konsumierender Verkehrs-teilnehmer.

2. Häufigkeit von Cannabiskonsum bei Verkehrs-teilnehmern, die in einen Unfall verwickeltwaren.

3. Häufigkeit von Cannabiskonsum bei Verkehrs-teilnehmern, die schuldhaft in einen Unfall ver-wickelt waren.

In Deutschland wurde bislang lediglich ein „road-side survey” durchgeführt, wobei ohne bestehen-den Anfangsverdacht eine Zufallsstichprobe voninsgesamt 2.017 Fahrern aus dem Straßenverkehrgezogen und innerhalb dieses Kollektivs die Anzahlder Cannabiskonsumenten ermittelt wurde (KRÜ-GER et al., 1996). An diesem Untersuchungskollek-tiv konnten bei 0,57 % der Fahrer Cannabinoide imSpeichel nachgewiesen werden, bei einer Ent-scheidungsgrenze von 20 ng THC-COOH-Äquiva-lenten/mL-Speichel. In einem Review von RAMAE-KERS et al. (2004) lag der Anteil Cannabis-positiverFahrer bei „road-side surveys” in verschiedenenLändern zwischen 4 bis 14 %, gelegentlich wurdenbei jüngeren Personen auch höhere Werte gefun-den.

Einen Rückschluss auf die Beeinträchtigung desFahrverhaltens durch Cannabis wird durch denVergleich der Häufigkeiten cannabisbeeinflussterFahrer mit und ohne Unfallbeteiligung ermöglicht.Zahlreiche epidemiologische Studien verfolgendiesen Ansatz. Bei diesen so genannten Case-con-trol-Studien kann kein relatives Risiko für das Ein-treten des Ereignisses im Laufe der Zeit bestimmtwerden, denn es ist bereits eigetreten. Stattdessenwerden die Chancen (Odds) als das Verhältnis derHäufigkeit des eingetretenen Ereignisses (case:Unfallfahrt) zur Häufigkeit des nicht eingetretenenEreignisses (control: unfallfreie Fahrt) bestimmt.

Nach dieser Gruppenbildung wird festgestellt, wieviele Personen in jeder Gruppe (case und control)Cannabis konsumiert haben und wie viele Perso-nen drogenfrei gefahren sind. Da das interessieren-

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de Ereignis (Unfall) bereits eingetreten ist, wird dasOdds Ratio berechnet. Hierbei wird ein Quotientgebildet aus den Chancen (Odds) als Cannabis-konsument an einem Unfall beteiligt gewesen zusein und den Chancen (Odds), als drogenfreierFahrer an einem Unfall beiteiligt gewesen zu sein.Ist der gebildete Quotient signifikant größer als 1,so kann davon ausgegangen werden, dass diecannabisbeinflussten Fahrer ein Sicherheitsrisikofür die Verkehrsteilnahme darstellen.

In einer aktuellen niederländischen Studie wurdedie Prävalenz von Cannabinoiden in Blut- oder Urinproben verunfallter Fahrer, die in einer Klinikbehandelt wurden, der Prävalenz von Cannabinoi-den bei im Rahmen einer Verkehrskontrolle zufälligausgewählten Fahrern gegenübergestellt. Als limi-tierende Faktoren für die Aussagekraft dieser Un-tersuchung sind die Freiwilligkeit der Studienteil-nahme sowie Unterschiede in den Untersuchungs-materialen der verletzten und der zufällig ausge-wählten Fahrer (bei Unfallverletzten meist Blut, beiden im Straßenverkehr kontrollierten Personenmeist Urin), die beschränkte Anzahl der Monokon-sumenten (n = 13) und die insbesondere hinsicht-lich von Cannabinoiden deutlich unterschiedlicheNachweisbarkeitsdauer des Konsums in beidenMaterialien zu sehen. Während nur bei 0,9 % derverunfallten Personen Cannabinoide nachweisbarwaren, lag der Prozentsatz bei der Verkehrskontrol-le bei 4,8 % (MATHIJSSEN et al., 2002). Für Cannabis wurde im Rahmen dieser Studie einOdds Ratio von 1,22 (95 % Vertrauensintervall:0,55 bis 2,73) ermittelt, bei ausschließlicher Alko-holbeeinflussung für Blutakoholkonzentrationenunter 0,50 Promille zu 1,00 und für Blutalkoholkon-zentrationen zwischen 0,50 und 0,79 Promille be-reits zu 5,46 ermittelt (MOVIG et al., 2004).

Ein Problem bei der Durchführung derartiger Stu-dien ist jedoch, dass die Ermittlung der Prävalenzvon Drogenwirkstoffen bei unauffälligen Verkehrs-teilnehmern aus praktischen, ethischen und recht-lichen Gründen in Zusammenhang mit der Erhe-bung einer Blutprobe ohne begründeten Anfangs-verdacht nicht möglich ist. Ein weiterer großerNachteil dieser Case-control-Studien liegt in derungeklärten Schuldfrage der Unfallbeteiligten.

Wegen der Schwierigkeiten, Daten an einer „Kon-trollgruppe” unbeeinflusster Fahrer zu erheben,wurde ein alternatives Design für die Risikobestim-mung anhand epidemiologischer Daten entwickelt.Diese als Verursacheranalyse (culpability study)

bezeichnete Methode ermittelt auf der Grundlageder Informationen Dritter, welche Faktoren kausalfür den betreffenden Unfall waren. Neben einerweitgehend lückenlosen Erfassung von verunfall-ten Personen und einer zeitnahen Entnahme vonBlutproben über einen definierten Zeitraum ist eineeindeutige Klärung der Schuldfrage wesentlicheVoraussetzung für die Ermittlung des Risikos an-hand einer Verursacheranalyse. Der odds ratio wirdhier aus dem Quotienten der Unfallversursachermit und ohne Drogeneinfluss gebildet.

HAUSMANN, MÖLLER und OTTE (1988) führten inDeutschland in den Jahren 1983 bis 1985 solcheine Untersuchung an verunfallten Personen durch.Mittels Radioimmunoassay wurde an einem Ge-samtkollektiv von 501 verunfallten Personen diePrävalenz der Cannabinoide von 2,8 % ermittelt.Es ergab sich kein Hinweis auf eine signifikanthöhere Schuldzuweisung bei der Gruppe Canna-bis-positiver Personen. Ein wesentlicher Nachteilder Untersuchung liegt in der Verwendung des Ra-dioimmunoassays, da es sich um eine unspezifi-sche Analysemethode handelt.

Im Ausland wurden in den vergangenen Jahrenmehrere größer angelegte Studien mit dieser Me-thodik durchgeführt, die in RAMAEKERS et al.(2004) zusammengefasst und diskutiert sind.

1.2.2 Experimentelle Untersuchungen

Experimentelle Untersuchungen umfassen psycho-motorische Leistungstests, die die Wirkung auffahrrelevante Fähigkeiten und das Verhalten mes-sen, sowie Fahrsimulatortests und Fahrversuche.Sie bieten die Möglichkeit, unter kontrollierten Be-dingungen an definierten Kollektiven die Auswir-kung festgelegter Substanzmengen auf Teilfunktio-nen, die für eine sichere Teilnahme am Straßenver-kehr als wichtig erachtet werden, zu untersuchen.Die Aufnahme von Cannabis führte bei experimen-tellen Studien zu einer Beeinträchtigung fahrrele-vanter Testparameter wie Trackingleistung, Auf-merksamkeit, Wahrnehmung und Gleichgewichtund es kam zu einer Verlängerung der Reaktions-zeit (EMCDDA, 1999). Nachteilig ist, dass Zusam-menhänge zwischen Testkriterium und tatsächli-cher Fahrsicherheit im realen Straßenverkehr oftnicht geklärt sind. Eine Prüfung von Einzelleistun-gen schränkt die Aussagekraft aus folgendenGründen ein: Die Probanden schöpfen bei experi-mentellen Studien ihre volle Leistungskraft aus,nicht jedoch bei üblichen Anforderungen im

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Straßenverkehr, und das Führen eines Kraftfahr-zeuges erfordert ein gleichzeitiges, koordiniertesErbringen zahlreicher Teilleistungen.

Eine studienübergreifende Betrachtung experimen-teller Ergebnisse ermöglicht eine Erhöhung der Va-lidität experimenteller Befunde. BERGHAUS führteeine Metaanalyse experimenteller Studien durch(BERGHAUS et al., 1998a; BERGHAUS, 2000). BeiAnalyse der Ergebnisse von 66 Studien nachRauchkonsum und 21 Studien nach oraler Aufnah-me wurden bei Leistungstests in verschiedenen fürfahrrelevant erachteten Testbereichen (Tracking,Psychomotorik, Reaktionszeit, visuelle Funktionen,Aufmerksamkeit, geteilte Aufmerksamkeit, Simula-torfahrt und reale Fahrt sowie En- und Decodie-rung) Beeinträchtigungen festgestellt. In der erstenStunde nach Rauchbeginn war bei allen getestetenDosierungen (< 9 mg THC, 9 bis 18 mg THC sowie≥ 18 mg THC) eine deutliche Leistungseinschrän-kung experimentell nachzuweisen. Bei oraler Ein-nahme kam es bei Mengen von > 12 mg THC imZeitraum von 1 bis 1,5 Stunden zu deutlichen Defi-ziten. In der zweiten und dritten Stunde nachRauchbeginn von THC-Dosen bis zu 18 mg sowiein der 4. Stunde bei Mengen über 18 mg THC undbis einschließlich der 3. Stunde nach oralem Kon-sum erwiesen sich die Prozentsätze der signifikantverschlechterten Leistungstests gegenüber denZeiten maximaler Leistungsausfälle zwar als redu-ziert, jedoch nicht als erheblich verringert. Am häu-figsten traten Defizite bei Tracking und Psychomo-torik sowie bei einem Rauchkonsum für das Merk-mal Aufmerksamkeit auf. Insgesamt fanden sichBeeinträchtigungen am ehesten bei automatisier-ten Handlungen, gefolgt von kontrollierten Hand-lungen. Die in beiden Bereichen erfassten Einzel-leistungen fielen schlechter aus als die aus ihnenzusammengesetzte komplexe Gesamtleistung, re-präsentiert durch Simulator- und Fahrversuche,was als Hinweis auf eine Kompensationsfähigkeitunter Cannabiseinfluss gewertet wurde.

Im Rahmen einer Studienübersicht wurden nur we-nige Hinweise für ein Auftreten von „Hangover-Ef-fekten” festgestellt. Über Flashbacks und Echoräu-sche, die angeblich nach Wochen oder Monatenauftreten können, liegen keine Untersuchungen vor(MÜNZHUBER, 1995).

In drei unterschiedlichen Fahrsituationen, auf einerabgesperrten Autobahn, im normalen Autobahn-sowie im Stadtverkehr, zeigte sich nach Rauchkon-sum von 100, 200 bzw. 300 µg THC/kg Körperge-

wicht als Haupteffekt eine erhöhte seitliche Abwei-chung von der Spurmitte (Querregulation oderQuerabweichung: Abweichung von der Idealspuroder der Mitte der Fahrbahn nach rechts oderlinks). Diese war dosisabhängig, überschritt jedochdie Wirkung einer Blutalkoholkonzentration von 0,8Promille nicht. Marihuana, das in einer Dosis von100 µg THC/kg geraucht wurde, beeinflusste diedurchschnittliche Fahrtüchtigkeit nur unerheblich.Andere Testparameter, wie der Abstand zu einemvorausfahrenden Auto sowie die Reaktionszeit aufein vorausfahrendes Auto, wiesen geringfügigeVeränderungen auf, wobei die Richtung der Ände-rung überraschend war. Je höher die Dosis, destogeringer war die Verlängerung der Reaktionszeitund desto geringer war die Vergrößerung des Ab-standes zum vorausfahrenden Auto. Eine Ver-gleichsstudie mit Alkoholkonsumenten im Stadt-verkehr zeigte, dass eine geringe Menge an Alko-hol, die zu Blutkonzentrationen von 0,3 Promilleführte, eine bedeutende Beeinträchtigung derFahrtüchtigkeit zur Folge hatte (ROBBE, 1994).

Die Folgen des Langzeitkonsums auf die Leis-tungsfähigkeit waren bislang Gegenstand nur we-niger Studien. Bei einer Metaanalyse von Daten zurLeistungsverschlechterung in Abhängigkeit von derRauchgewohnheit (SCHEER-ERKENS, 2002) wur-den Hinweise darauf erhalten, dass erstmaligeCannabiskonsumenten vergleichsweise starke Be-einträchtigungen im Vergleich zu regelmäßigenKonsumenten mit 1 bis 2 Konsumeinheiten pro Tagaufwiesen, wobei der geringe Umfang der Daten-basis (33 bzw. 17 Wirkbefunde) die Aussagekraft li-mitiert. Bei MÜNZHUBER (1995) findet sich eineZusammenfassung der vorliegenden Untersuchun-gen. Bei 90 % der Langzeittests (n = 9) ergab sicheine deutliche Leistungsbeeinträchtigung bei chro-nischen Cannabiskonsumenten. Beim Vergleichmit Kontrollpersonen waren Defizite bei wahrneh-mungs-motorischen Aufgaben, kognitiven Funktio-nen sowie der mentalen Leistungsfähigkeit erkenn-bar. Im Rahmen einer Literaturdurchsicht kamKANNHEISER (2000) u. a. zu dem Schluss, dassbei regelmäßigem Konsum, den er als annäherndtäglichen Konsum definierte, der Bereich der Auf-merksamkeitsleistung – insbesondere die ver-kehrsrelevante Fähigkeit, die Aufmerksamkeit ef-fektiv zu fokussieren, aufrechtzuerhalten und irrele-vante Reize auszuschalten – sowie die Verarbei-tungsgeschwindigkeit tangiert werden. Beeinträch-tigungen können als Residualeffekte so lange an-halten, wie der regelmäßige Konsum andauert, und

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können bei chronischem Konsum – zumindest füreinige Zeit – fortbestehen. Die genaue Ausprägungund Dauer der Beeinträchtigung sind jedoch unklar.SOLOWIJ (2003) kam zu dem Schluss, dass derLangzeitkonsum von Cannabis keine starken Be-einträchtigungen kognitiver Funktionen verursacht,dass jedoch feine und selektive Beeinträchtigun-gen auftreten. Der Grad der Beeinträchtigungdurch chronischen Konsum von THC liegt nachbisherigem Wissensstand unter dem des Alkohols.Im Rahmen einer neuen Arbeit von GRANT et al.(2003), die unter Anwendung strenger Einschluss-kriterien im Rahmen einer Metaanalyse unter Ein-beziehung von 11 Studien die neurokognitive Be-einträchtigung chronischer moderater und schwe-rer Cannabiskonsumenten (Konsumfrequenz min-destens 3,5-mal pro Woche, Konsumdauer min-destens 2 Jahre, Abstinenzdauer seit dem letztenKonsum mindestens 17 Stunden) auswerteten,stellten im Vergleich zu den Kontrollpersonen beiden häufig Konsumierenden einen geringen negati-ven Effekt auf die Lernfähigkeit und das Erinne-rungsvermögen fest. In anderen Bereichen wie z. B. bei der Aufmerksamkeit, den motorischenFähigkeiten, der Reaktionszeit und der Ausdrucks-fähigkeit waren keine signifikanten Defizite gegenü-ber den Kontrollpersonen erkennbar.

1.2.3 Untersuchungen bei Straßenverkehrs-teilnehmern

Eine Betrachtung von Auffälligkeiten im Straßen-verkehr während der Kontrollsituation und der Blut-entnahme, z. B. bei Fällen aus dem rechtsmedizini-schen Untersuchungsgut, kann helfen, retrospektivbestimmte Einnahmekonstellationen herauszuar-beiten, die im Hinblick auf die Teilnahme am Stra-ßenverkehr problematisch sind. EpidemiologischeAussagen sind anhand dieser Untersuchungennicht möglich, da die untersuchten Personen zu-meist bereits einem Selektionsprozess (Anfangs-verdacht der Polizeibeamten als Grundlage für dieAnordnung einer Blutentnahme) unterzogen wur-den.

Nachteilig für die Bewertung der polizeilich oderärztlich festgestellten Ausfallserscheinungen imHinblick auf die Fahrsicherheit ist daher, dassderen Auftretenshäufigkeit bei unbeeinflussten, fol-genlos am Straßenverkehr teilnehmenden Fahrernunbekannt bleibt und dass der tatsächliche Zu-sammenhang zwischen Testkriterium und Fahrsi-cherheit nur ansatzweise geklärt ist.

In den entsprechenden Studien wurden unter-schiedliche Effekte beobachtet. Manche Untersu-chungsparameter zeigten bei Cannabisbeeinflus-sung eine Verbesserung, andere wiederum wiesenvermehrt Defizite auf.

Eine retrospektive Analyse forensisch-toxikolo-gisch untersuchter Verkehrsdelikte (BRANDT,2000) ließ bei Verkehrsteilnehmern mit positivemCannabinoidbefund vermehrt Defizite (> 12 %)beim Gang mit Kehrtwendung, der Finger-Finger-und der Nasen-Finger-Probe erkennen. Es wareneine Verlangsamung und Fingertremor festzustel-len, die Konjunktiven waren vermehrt gerötet, diePupillen zeigten eine träge Reaktion auf Lichteinfallund waren erweitert. Bei einem Vergleich der Be-obachtungsparameter einer vergleichsweise klei-nen Anzahl überprüfter Personen, bei denen so-wohl ein negativer Befund für Drogen als auch fürAlkohol in Blut und Urin erhalten wurde (n = 19), miteinem Kollektiv von Personen, in deren Blutprobezwar weder Drogen noch Alkohol nachweisbar war,deren Urin jedoch einen positiven Cannabisbefundergab (n = 25) sowie mit einem Kollektiv von Per-sonen mit positivem Cannabinoidbefund im Blutwar bei den motorischen Untersuchungspunktenwie dem Gang geradeaus sowie dem Gang mitKehrtwendung bei den Personen mit positivemBlutbefund sogar eher eine geringere Auffälligkeitals bei den beiden anderen Kollektiven erkennbar.Auch bei den psychischen Untersuchungsparame-tern war dieses Phänomen erkennbar. Finger-Fin-ger- und Nasen-Finger-Probe wiesen hingegenvermehrt bei Urin-positiven und bei Blut-positivenPersonen Auffälligkeiten auf. Bei den vegetativenBefunden wie Rötung der Augenbindehäute, ver-langsamte Pupillenreaktion, Mydriasis, Rötung derNasenschleimhaut, Fingertremor war eine Tendenzzu einem häufigeren Auftreten von völlig Drogen-negativen Personen über Urin-positive (ausschließ-lich) zu Blut-positiven Personen erkennbar.

Bei 26 Personen, bei denen ein positiver Befund fürCannabinoide erhalten wurde (VOLLRATH et al.,2002), konnten neben Informationen über die Leis-tung in der Fahrsimulation auch Daten über Auffäl-ligkeiten in der Kontrollsituation mittels des Blut-entnahmeprotokolls erhoben werden. In zwei Fäl-len waren wesentliche Auffälligkeiten wie verwa-schene Aussprache und/oder verzögerte Reaktionbei der Beobachtung erkennbar. Eine Person wiesauch in der Fahrsimulation deutliche Ausfälle auf(zu hohe Fahrgeschwindigkeit, sehr schlechte Re-aktion). Die zweite Person wies hingegen normale

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bis gute Leistungen in der Fahrsimulation auf. Sie-ben Personen, die schlechte Leistungen bei derFahrsimulation zeigten, waren hingegen bei derBeobachtung unauffällig. Ein Vergleich dieser Per-sonen mit Kontrollpersonen mit negativem Drogen-befund zeigte, dass auch bei den Kontrollpersonenteilweise schlechte Leistungen in der Fahrsimula-tion auftraten, sodass ein statistischer Vergleichder Gruppen keine signifikanten Unterschiede er-brachte.

Ein Vergleich von 20 Personen mit nachweisbaremCannabiskonsum, die an Leistungstests teilnah-men und deren Verhalten in einem Beobachtungs-bogen dokumentiert wurde, versus 25 Drogen- undAlkohol-negative Kontrollpersonen zeigte Defizitewie eine verwaschene Sprache, verzögerte Reak-tion, unangemessene Fröhlichkeit, einen schlep-penden Gang sowie eine träge Reaktion der Pupil-le auf plötzlichen Lichteinfall. Die Ausfallserschei-nungen waren allerdings bei Cannabiskonsumen-ten in der postakuten Phase, in der nur noch THC-COOH im Blut nachweisbar war, am stärksten aus-geprägt, und die Auffälligkeiten gingen nicht zwin-gend mit einer Beeinträchtigung der Leistung in derFahrsimulation einher.

1.3 Zusammenhang von Plasma-konzentration und Wirkung

Beziehungen zwischen den Plasmakonzentratio-nen an THC und seinen Metaboliten sowie phar-makokinetischen, -dynamischen und -genetischenEinflussfaktoren sind bislang erst ansatzweise ge-klärt. Konzentrationsgrenzen für THC oder psy-chotrop wirksame Stoffwechselprodukte, ab denensicher von einer fahrrelevanten Straßenverkehrsbe-einträchtigung ausgegangen werden kann, existie-ren bislang nicht.

In einer Übersichtsarbeit wurde in Studien, indenen simultan Wirkung und Plasmakonzentrationbei Testpersonen untersucht wurden, eine zeitlicheVerschiebung zwischen Wirkungs- und Konzentra-tionsmaxima gezeigt (AGURELL et al., 1986). Diepharmakologischen Effekte wie Erhöhung der Puls-frequenz und das subjektive „High“-Empfinden er-reichten ihre maximale Ausprägung auch bei intra-venöser Gabe erst ca. 15 Minuten nach den Peak-konzentrationen an THC im Blut. Die THC-Konzen-trationen fielen anschließend rasch ab, währenddie Wirkungen andauerten. Daher ließ sich ein li-nearer Zusammenhang zwischen Wirkungs- undKonzentrationsverlauf im Blut nicht darstellen.

BARNET et al. (1982) sowie COCHETTO et al.(1981) beschrieben die Beziehung von Plasmakon-zentration und Wirkung als eine Hysteresiskurve imGegenuhrzeigersinn.

Als problematisch erscheint nicht nur der bei ein-maliger Aufnahme zu beobachtende Hysteresisver-lauf der Konzentrations-Wirkungskurve, wesentlicherscheint zusätzlich die Entstehung von Toleranzgegenüber den Effekten bei mehrmaliger Aufnah-me. Eine Toleranzentwicklung wurde von HUNTund JONES bei wiederholter Gabe von THC für dasHigh-Gefühl, die Herzfrequenz und die Hauttempe-ratur berichtet (HUNT & JONES, 1980). Bei einemVergleich häufiger und gelegentlicher Konsumen-ten mit einer Placebogruppe war in Bezug auf dieHerzfrequenz der Wirkungsverlauf nach Aufnahmederselben Dosis unabhängig vom Konsummuster.Die Plasmakonzentrationen in der Gruppe der häu-figen Konsumenten lagen jedoch deutlich oberhalbder der gelegentlichen Konsumenten (LINDGRENet al., 1981).

Einen methodisch interessanten Ansatz zur Ermitt-lung von Beziehungen zwischen Plasmakonzentra-tionen und Wirkungen in experimentellen Untersu-chungen stellten BERGHAUS et al. (1998a, 1998b)in ihren Untersuchungen dar. Aufgrund mangelnderDaten über simultane Befunde zu Plasmakonzen-trationen und Ausfallserscheinungen wurden meta-analytisch ermittelte Befundverschlechterungen inBezug zu theoretisch – anhand eines Kinetikmo-dells – ermittelten Plasmakonzentrationen gesetzt(STICHT & KÄFERSTEIN, 1998). Die einzelnen Leistungsbereiche erwiesen sich als unterschied-lich anfällig gegenüber der Cannabiswirkung. BeiRauchkonsum waren Tracking sowie Psychomoto-rik im Vergleich zu anderen Leistungsbereichen be-reits bei geringen Konzentrationen beeinträchtigt.Erst bei höheren THC-Konzentrationen waren Aus-wirkungen auf die En- und Decodierung, die Reak-tionszeit und die visuellen Funktionen zu erkennen.Ein Vergleich mit der Alkoholwirkung (BERGHAUSet al., 1998b) zeigte, dass, wie bei Alkohol, bei derMetaanalyse experimenteller Befunde nach THC-Konsum ein Anstieg der Beeinträchtigung mit derTHC-Konzentration erkennbar war. Die kontrollier-ten Handlungen zeigten eine angenähert gleich-mäßig linear abfallende Leistung bis hin zu THC-Konzentrationen über 10 ng/mL. AutomatisierteHandlungen wurden bis zu THC-Werten von etwa 5ng THC/mL vergleichsweise weniger beeinträch-tigt. Ab THC-Gehalten von 5 bis 7 ng/mL war dieLeistungsverminderung dagegen deutlicher ausge-

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prägt. Ein Vergleich der Leistung in allen Leistungs-bereichen nach Aufnahme von Cannabis mit derLeistung nach Aufnahme von Alkohol ergab beieiner BAK von 0,73 Promille eine signifikante Ver-schlechterung von 50 % der experimentell in ver-schiedenen Tests ermittelten Leistungen. Bei THCwurden 50 % signifikant verschlechterte Befundebei einer Plasmakonzentration von 11 ng/mL-THCbeobachtet.

Bei inhalativer Aufnahme wurde auch bei metaana-lytischer Betrachtung zwischen Konzentrations-und Wirkmaximum eine Zeitverzögerung von 20 bis30 Minuten ermittelt (SCHEER-ERKENS, 2002). DieStudienergebnisse wiesen auf eine geringe Beein-trächtigung bei niedrigen THC-Konzentrationenhin, sodass ein Wert im Bereich der Nachweisgren-ze von 0,5 ng THC/mL-Serum nach Ansicht derAutorin nicht immer mit einer Leistungsminderungeinhergeht. Mit steigender THC-Konzentration imSerum nahm der Grad der Leistungsbeeinträchti-gung bis zu einer Konzentration von 10 ng/mL steilzu, darüber flachte der Verlauf ab. In der Eliminati-onsphase schien die Leistungsbeeinträchtigungbei gleicher Plasmakonzentration unabhängig vonder Applikationsart zu sein. Verglichen mit Alkoholentsprach die Wirkung einer Konzentration von 5 ng THC/mL-Serum in etwa einer Wirkung von 0,5Promille Blutalkohol.

In einer neueren Studie an Straßenverkehrsteilneh-mern wurde die Wirkung zumindest im unterenng/mL-Bereich insgesamt als sehr gering erachtet(VOLLRATH et al., 2001): Bei 3 Gruppen von Can-nabiskonsumenten (13 Personen mit qualitativnachgewiesenem Konsum in einer der drei Körper-flüssigkeiten Blut, Speichel oder Urin, 14 Personenunter akutem Einfluss bei mittleren Plasmakonzen-trationen an THC von 3,4 ng/mL und an THC-COOH von 49,0 ng/mL sowie 9 Personen mit post-akutem Konsum bei nicht nachweisbarem THCund mittleren Plasmakonzentration an THC-COOHvon 21,8 ng/mL), die sich freiwillig einer Leistungs-kontrolle am Fahrsimulator unterzogen, warenkeine potenziell die Fahrsicherheit verminderndenEffekte im Vergleich mit einer nüchternen Kontroll-gruppe erkennbar. In allen Cannabisgruppen zeig-te sich die Querregulation bei der Fahrsimulationals verbessert, bei postakuter Cannabiswirkungwar zudem die Fahrgeschwindigkeit gegenüber dernüchternen Kontrollgruppe drastisch reduziert. DieReaktion war bei keiner der drei Gruppen beein-trächtigt.

Bei einer Analyse an rechtsmedizinischem Fallgutwar partiell eine Konzentrationsabhängigkeit an-hand der von den Polizeibeamten oder dem blut-nehmendem Arzt beobachteten Ausfallserscheinun-gen erkennbar. Bei Verkehrs- und Kriminaldeliktenwar bei der Finger-Finger- und der Nasen-Finger-Probe eine Abhängigkeit zwischen Konzentrationund Auffälligkeiten bei der Durchführung der Testserkennbar (BRANDT, 2000). Die Auffälligkeit stiegvon Personen mit vollständiger Drogenfreiheit überPersonen mit positivem Urinbefund und Personenmit einer Konzentration von 0 bis 2 ng THC/mL-Serum bis zu einer Konzentration von 2 bis 5 ng THC/mL-Serum an. Beim Gehen sowiebei der plötzlichen Kehrtwendung waren auffälligeBefunde bei Cannabis-positiven Personen hingegeneher geringer als bei drogen- und alkohol-negativenPersonen. Hier spielte sicherlich die Problematik derAnfangsverdachtsgewinnung eine Rolle, da generellnur eine Untersuchung bei Personen angefordertwurde, bei denen Verhaltensauffälligkeiten zu beob-achten waren. Weiterhin waren in dieser Gruppevermehrt Personen, die im Anschluss an ein Unfall-geschehen getestet wurden, sodass unfallbedingteVerhaltensweisen, z. B. im Sinne eines „Unfall-schocks“, nicht auszuschließen sind. Störungen derSprache waren ab Konzentrationen von 5 ngTHC/mL-Serum und eine Verlangsamung ab 2 ngTHC/mL-Serum häufiger feststellbar. Bei vegetati-ven Funktionen war bei allen Untersuchten, die aus-schließlich Cannabis konsumiert hatten, eine höhe-re Auffälligkeit als bei der Drogen- und Alkohol-ne-gativen Gruppe festzustellen, es zeigte sich jedochkeine Konzentrationsabhängigkeit. Wurde nur derGesamteindruck des Arztes in Zusammenhang zurSummenkonzentration von THC und 11-Hydroxy-THC (11-OH-THC) gesetzt, ergab sich sowohl beiden folgenlosen Trunkenheitsfahrten (9 ng THC/mL-Serum bei den auffälligen Personen versus 5 ngTHC/mL-Serum bei den unauffälligen Personen) alsauch bei den Straßenverkehrsgefährdungen (11 ngTHC/mL-Serum bei auffälligen Personen versus 1 ng THC/mL-Serum bei unauffälligen Personen)eine Tendenz zu einer erhöhten Auffälligkeit beihöherer Plasmakonzentration. Ein ähnlicher Kon-zentrationsbezug konnte zwischen dem analyti-schen Ergebnis für THC und der Weitstellung derPupille gezeigt werden. Während in experimentellenUntersuchungen an Tieren eine Mydriasis bei Dosenab 5 mg THC/kg Körpergewicht beobachtet werdenkonnte, ergaben sich bei mehreren Probandenstudi-en keine Anhaltspunkte für eine Änderung der Pupil-lenweite unter akutem Einfluss.

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An einem kleinen Kollektiv rechtsmedizinisch un-tersuchter Verkehrsdelikte mit Cannabinoid-positi-vem Befund (28 Personen mit einem Befund < 1 ngTHC/mL-Blut und 42 Personen mit einem THC-Be-fund > 1 ng/mL-Blut), bei denen jedoch Fälle miteiner BAK < 0,6 Promille eingeschlossen waren,war eine deutliche Erhöhung der Ausfallserschei-nungen bei den meisten der durch den blutneh-menden Arzt beobachteten Parametern (Gang,Kehrtwendung, Finger-Finger- sowie Nasen-Fin-ger-Probe, Bewusstsein, Verhalten, Trunkenheits-grad) bei höheren Blutkonzentrationen an THC zuerkennen (LOHRMANN, 1994). Nur bei der Spra-che war ein entgegengesetzter Trend erkennbar.Von insgesamt 14 Personen mit einer BAK < 0,3Promille wiesen 9 Personen mindestens einen ver-schlechterten Untersuchungsparameter bei derBlutentnahme auf (Mittelwert der THC-Konzentrati-on im Blut: 4,26 ± 3,78 ng/mL). 5 Personen warenunauffällig (Mittelwert der THC-Konzentration imBlut 3,26 ± 1,10 ng/mL).

DALDRUP fand in einem Forschungsprojekt keinendirekten Zusammenhang zwischen der THC-Kon-zentration und Auffälligkeiten. In einem Untersu-chungskollektiv von 106 Personen waren 38 Per-sonen mit einem mittleren Wert von 8,52 ± 11,29 ngTHC/mL-Plasma laut Arztbericht ohne Ausfallser-scheinungen. Bei 68 Personen mit einer Konzen-tration von 5,57 ± 6,77 ng THC/mL-Plasma warenhingegen Ausfallserscheinungen vorhanden (DAL-DRUP & MEININGER, 1998). Als Ursache wurdeeine durch die Substanzeigenschaften bedingteDiskrepanz zwischen Blutkonzentration und Gewe-bekonzentration diskutiert. Der Cannabis-influen-ce-factor (CIF), der sich nach folgender Formel alsQuotient aus der Summe der molaren Konzentra-tionen an THC und 11-OH-THC, dividiert durch diemit dem Faktor 0,01 multiplizierte molare Konzen-tration an THC-COOH, wie folgt errechnet,

CIF = (THC-Konzentration [ng/mL]/314,5 + 11-OH-THC-Konzentration [ng/mL]/330,5)/(THC-COOH-Konzentration [ng/mL] * 0,01/344,5).

erwies sich nach Ansicht der Autoren als bessermit der Beeinträchtigung korreliert als die alleinigePlasmakonzentration an THC. Die für die akuteCannabiswirkung typischen Symptome wie lethar-gisches Verhalten, verzögertes Auffassungsvermö-gen oder Müdigkeit sowie Fahren in Schlangenli-nien wurden bei zunehmendem CIF vermehrt durchdie Polizeibeamten festgestellt. Weniger typischesVerhalten wie z. B. Erregtheit oder Aggression

waren vermehrt bei Konsumenten mit niedrigemCIF zu beobachten.

Bei einer weiteren Studie an rechtsmedizinisch un-tersuchten Cannabinoid-positiven Fahrern (585Fahrer mit einer THC-Konzentration ≥ 1 ng/mL imSerum) wurden sowohl die durch die Polizeibeam-ten als auch die durch den blutnehmenden Arzt be-obachteten Ausfallserscheinungen analysiert undin einen Bezug zur Plasmakonzentration des THCsowie zum CIF gesetzt (DRASCH et al., 2003). BeiUntersuchungen zum Zusammenhang zwischenTHC-Konzentration und Beeinträchtigung ergabsich eher ein gradueller Anstieg der Beeinträchti-gung bis zu einer Konzentration von 8,9 ngTHC/mL-Serum. Bei höheren THC-Werten gingdas Ausmaß der Auffälligkeiten wieder zurück. Beieiner Gruppierung in 5 Kollektive mit CIF-Faktorenvon < 10, 10 bis 14,9, 15 bis 19,9, 20 bis 29 sowie≥ 30 waren hinsichtlich der Parameter „Konzentra-tionsmängel“, „vergisst ständig etwas“, „kann län-geren Sätzen nicht folgen“, „Anordnungen müssenmehrfach wiederholt werden” sowie dem Einbein-stand und dem Nasen-Finger-Test klare Zusam-menhänge zwischen den Auffälligkeiten und derHöhe des CIF-Faktors erkennbar. Zudem war in derGruppe mit einem CIF-Wert < 10 die Beeinträchti-gung in der Summe aller Parameter deutlich gerin-ger als bei einem CIF-Faktor von oder über 10.

Das Modell des CIF-Faktors kann im Einzelfallmehr oder weniger stark von den tatsächlichen Ge-gebenheiten abweichen. So zeigten in der vonDALDRUP durchgeführten Studie einige Personenkeinerlei Beeinträchtigungen bei CIF-Werten vonoder über 40, während Personen mit vergleichs-weise niedrigem CIF-Wert beeinträchtigt erschie-nen. Ein evaluiertes, pharmakologisches Modellliegt dem CIF nicht zugrunde. Die Gefahr einer Fehlinterpretation lässt sich z. B. aufgrund dergroßen interindividuellen Schwankungen hinsicht-lich der Bildungsgeschwindigkeit von THC-Meta-boliten im Einzelfall nicht sicher ausschließen.

1.4 Cannabiswirkung

Die Wirkungen von Cannabispräparaten und THCist dosisabhängig. Die für eine Wirkung ermittelteMindestaufnahmemenge an THC beträgt ca. 50mg/kg bei Rauchkonsum und 120 mg/kg bei oralerAufnahme bzw. etwa 2 bis 6 mg bei Rauchkonsumund etwa 10 bis 20 mg bei oraler Aufnahme (GRO-TENHERMEN, 2002). Ob weitere Phytocannabinoi-

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de mit zur Wirkung von THC beitragen, ist nurwenig geklärt. CBD, das selbst keine psychotropeWirkung besitzt, wirkt anxiolytisch und reduziertAngstzustände beim Menschen. Im Tierversuchkonnte gezeigt werden, dass CBD zu einem erhöh-ten THC-Spiegel im Gehirn führt (WILLIAMSON &EVANS, 2000).

Die wichtigsten klinischen Anwendungen von THCbzw. Cannabiszubereitungen betreffen Krankhei-ten, bei denen konventionelle Behandlungsmetho-den nicht befriedigend erscheinen, z. B. die Tumor-kachexie und das Erbrechen unter Chemotherapie,chronische, nicht beherrschbare Schmerzzuständeund neurologische Erkrankungen wie z. B. MultipleSklerose (WILLIAMSON & EVANS, 2000). Von denzahlreichen Effekten sind in Tabelle 1 wesentlichephysiologische und klinische Aspekte und die Häu-figkeit ihres Auftretens in Anlehnung an RAD-BRUCH und NAUCK (2003; Tabelle 1.) zusammen-gefasst.

Die physiologischen Auswirkungen eines akutenCannabisrausches auf die Pupille werden in derwissenschaftlichen Literatur kontrovers diskutiert.HEPLER und Mitarbeiter (1972) fanden bei regel-mäßig konsumierenden Probanden 5 Minuten nachdem Rauchen einer Marihuanazigarette mit einemGehalt von 30 mg THC eine signifikante Abnahmeder ursprünglichen Pupillenweite um durchschnitt-

lich 10 % bereits nach 5 Minuten. Danach nahmdie Pupillenweite wieder zu und erreichte innerhalbvon 2 Stunden ihre Ausgangsweite wieder. AuchBROWN et al. (1977) fanden nach dem Rauchkon-sum von Marihuana mit Gehalten von 15 mg bzw.8 mg eine Verengung der Pupille um 7,4 % (signifi-kant, p < 0,05) bzw. 2,5 % (nicht signifikant). DieVerengung der Pupille nahm mit steigender THC-Menge zu, zeigte allerdings ab 20 mg THC bereitseinen Sättigungseffekt. Auch in dieser Studie warnur initial innerhalb der 1. Stunde ein Einfluss aufdie Pupille zu sehen.

Bei Cannabiskonsumenten wurde ein breitesSpektrum an physischen Auswirkungen dokumen-tiert. TÄSCHNER et al. (1994) differenzierten diesein Wirkungen bei einmaligem sowie bei chroni-schem Konsum, wobei bei einmaligem Konsumzwischen einem typischen und einem atypischenRauschverlauf unterschieden wurde.

Die Autoren beschrieben folgende psychische Wir-kungen nach einmaligem Konsum mit typischemRauschverlauf:

· gehobene Stimmung, Euphorie,

· verminderter Antrieb, Passivität, Apathie, Le-thargie,

· Denkstörungen, bruchstückhaftes Denken,Herabsetzung der gedanklichen Speicherungs-fähigkeit, Verlust der Erlebniskontinuität, Ord-nung nach assoziativen Gesichtspunkten,ideenflüchtiges Denken,

· Störungen der Konzentration und der Aufmerk-samkeit: erhöhte Ablenkbarkeit, abnorme Reiz-offenheit (Störung des Kurzzeitgedächtnisses),abnorme Fokussierung der Wahrnehmung,Ausrichtung auf irrelevante Nebenreize,

· Wahrnehmungsstörungen: Illusionen, Pseudo-Halluzinationen, Synästhesien,

· Gedächtnis- und Erinnerungsstörungen (Lang-zeitgedächtnis),

· Körperschemastörungen,

· Störung der Kritikfähigkeit (erhöhte Risikobe-reitschaft),

· Störungen der Psychomotorik: verändertesAusdrucksverhalten (Mimik, Gestik).

Folgende Symptome wurden bei atypischemRauschverlauf nach einmaligem Konsum beobach-tet:

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Tab. 1: Wirkungen von Cannabis bzw. THC (RADBRUCH &NAUCK, 2003)

Auswirkung Häufigkeit

Stimmung Euphorie„High”-Gefühl Dysphorie

14 %35 bis 84 %

13 %

Kognition Müdigkeit Konzentrationsstörungen

40 bis 50 %49 %

Psyche Paranoia Halluzinationen Auslösen einer Schizo-phrenie und Depression

5 %6 %

Einzelfälle,evtl. kein Zu-sammenhang

Kardiovaskuläres System

arterielle HypotensionTachykardie und kardialeIschämie

25 % Einzelfälle

RespiratorischesSystem

Bronchitis, Kanzerogenität

unbekannt

Immunsystem Suppression evtl. nichtrelevant

Embryonal-entwicklung

Kanzerogenität beim Kind nicht geklärt

Reproduktions-system

Infertilität evtl. nicht relevant

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· niedergedrückte Stimmung (Depression, Ver-stimmung),

· gesteigerter Antrieb (Agitation, motorische Un-ruhe),

· innere Unruhe, Angst, Panik,

· Desorientiertheit, Verwirrtheit,

· paranoide Erlebnisproduktionen, Wahnerlebnis-se (eigenbezügliches Denken und Erleben),

· aggressive Impulse gegen die eigene Personbeziehungsweise gegen die Umgebung.

Bei Dauerkonsum von Cannabis konnten folgendeSymptome registriert werden:

· Abhängigkeit vom Cannabistyp: psychischeAbhängigkeit, geringe Tendenz zur Dosissteige-rung, Toleranzbildung gegen die wesentlichenWirkungen der Droge,

· euphorisch gehobene Stimmungslage,

· allgemeine Antriebsverminderung (Mangel anInitiative, Spontanität, Interesse),

· Störungen des Kurzzeit- und des Langzeitge-dächtnisses (Konzentrations- und Gedächtnis-störungen),

· Kritikschwäche, Scheintiefsinn,

· Einstellungs- und Haltungsveränderungen(„Wesensveränderung“) in Richtung vermehrterSelbstzuwendung, Selbstbeobachtung undSelbstbeschäftigung (Rückzug auf die eigenePerson),

· Leistungsnachlass, Mangel an sozialem Interes-se.

DALDRUP und MEININGER unterschieden – unterEinbeziehung verkehrsmedizinisch relevanter Ef-fekte – zwei bzw. drei Phasen des Rauschverlaufes(DALDRUP & MEININGER, 1998):

Die akute Phase nach Konsum einer größerenCannabismenge soll ca. 1 bis 2 Stunden, evtl. auchlänger, andauern. In dieser Phase wird der Konsu-ment als verlangsamt und begriffsstutzig beschrie-ben. Als typische Fahrauffälligkeiten werden eingrundloses Wechseln der Fahrgeschwindigkeitbzw. der Fahrspur, eine leichte Ablenkbarkeit undKonzentrationsschwächen genannt, die z. B. zuVorfahrtsmissachtungen bzw. dem „Übersehen”von roten Ampeln und Fußgängern führten.

Auf die akute Phase schließt sich eine etwa 4 bis 6Stunden andauernde subakute Phase an bzw.diese wird unterstellt, wenn nur wenig konsumiertwurde. Der Konsument zeigt eine ausgelassene,euphorische und unbekümmerte Grundstimmung.Als Fahrauffälligkeiten wurde eine deutlich über-höhte Geschwindigkeit berichtet, ansonsten wer-den ähnliche Auffälligkeiten wie in der akutenPhase beobachtet.

Als letzte Phase der Cannabiswirkung wird diepostakute Phase (ca. 12 bis 24 Stunden) genannt.In dieser Phase sollen noch Konzentrations-schwächen mit leichter Ablenkbarkeit und Gedan-kenverlorenheit vorkommen.

Andere Autoren unterscheiden dagegen in Studienzur Leistungsmessung lediglich eine akute undeine residuale Phase. Die akute Phase dauert dabeibis zu 8 Stunden, wonach sich unmittelbar die re-siduale Phase anschließt (CHAIT et al., 1985). Dieresiduale Phase wurde von LEIRER et al. (1989;1991) mit einer maximalen Dauer von bis zu 48Stunden angenommen. Nach der residualen Phasekann von einer Abstinenz ausgegangen werden.Häufig wurde aber auch die residuale Phase alsdeutlich kürzer angesehen (z. B. RAY et al., 1979;MENDHIRATTA et al., 1978; SCHAEFFER et al.,1981; VARMA et al., 1988; POPE et al., 2001, 2002;SOLOWIJ et al., 2002a).

Bei regelmäßigem Konsum muss nach DALDRUPund MEININGER (1998) mit dem Auftreten vonWahnvorstellungen gerechnet werden. Allgemeinscheint es gerade im Hinblick auf den psychomi-metischen Wirkungscharakter von Cannabinoidenund die Produktion psychose-ähnlicher Wirkungenin der experimentell-psychopharamakologischenForschung Nachholbedarf zu geben (JOHNS,2001, D’SOUZA et al. 2004).

1.5 Rechtslage

Der Umgang mit Cannabisprodukten ist auf unter-schiedlichen Ebenen gesetzlich geregelt. DerSpross (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile derzur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen), dasCannabisharz (Haschisch, das abgesonderte Harzder zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen)sowie zahlreiche Tetrahydrocannabinole sind derAnlage I des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) un-terstellt. Sie sind damit nicht verkehrsfähig, d. h.,Erwerb, Besitz, Umgang und Handeltreiben sindmit geringfügigen Ausnahmen, wie z. B. dem Be-

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sitz von Cannabissamen ohne Anbauabsicht oderdem behördlich genehmigten Anbau von zertifizier-tem, wirkstoffarmem Hanf, verboten und werdenstrafrechtlich geahndet. THC als Arzneisubstanzzur Herstellung pharmazeutischer Präparate unter-liegt Anlage II des BtmG. Die fertig zubereitetenPräparate fallen unter Anlage III des BtmG und sinddamit in Deutschland sowohl verkehrs- als auchverschreibungsfähig.

Der Konsum von Betäubungsmitteln ist im Gegen-satz zu Erwerb, Umgang, Besitz und Handel nichtstrafbewehrt. Kommt es jedoch zu einer Straßen-verkehrsteilnahme unter dem Einfluss von Canna-bisprodukten, liegt ein Verstoß gegen das Straßen-verkehrsgesetz (StVG) sowie gegebenenfallsgegen §§ 315c und 316 des Strafgesetzbuches(StGB) vor.

Voraussetzung für die strafrechtliche Ahndungeiner Fahrt unter Drogeneinfluss sind, neben einemNachweis der Wirksubstanz THC im Blut, immercharakteristische Fahrfehler bzw. Ausfallserschei-nungen, die Fahruntüchtigkeit begründen. Beieinem Verdacht auf eine drogenbedingte Fahrunsi-cherheit bildet wie bei Fahrten unter Alkohol § 81aStPO die Gesetzesgrundlage für die Entnahmeeiner Blutprobe und die Veranlassung einer che-misch-toxikologischen Untersuchung. Eine der1,1-Promille-Grenze vergleichbare Grenze absolu-ter Fahruntüchtigkeit nach Cannabiskonsum istbisher wissenschaftlich nicht begründbar, sodassnur ein Tatbestand der relativen Fahruntüchtigkeitbegründet werden kann. Es muss daher individuellbei jedem Fall anhand weiterer Anknüpfungstatsa-chen wie Ausfallserscheinungen, Fehlleistungenoder Auffälligkeiten geprüft werden, ob die Canna-bisaufnahme zur Fahruntüchtigkeit geführt hat. § 315c StGB findet dann Anwendung, wenn derFahrzeugführer infolge typischer substanzinduzier-ter Beweisanzeichen für Fahrunsicherheit oder in-folge geistig-seelischer oder körperlicher Mängelmittelbar Leib und Leben eines anderen oder frem-de Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Bei § 316 StGB kann bereits ein abstrakter Gefähr-dungstatbestand für eine Verurteilung ausreichen,wenn neben dem analytischen Nachweis von THCweitere Beweisanzeichen wie drogentypischeFahrfehler oder charakteristische neurologischeund psychopathologische Ausfälle vorliegen.Während einige Oberlandesgerichte (OLG Düssel-dorf, 1994) fast nur Fahrfehler oder/und extremeAusfallserscheinungen wie Torkeln, Hinfallen oderAbstützen beim Gehen für den Nachweis der rela-

tiven Fahrunsicherheit ausreichen ließen, haben1997 und 1999 zwei weitere Gerichte (ObLG BA1997, 188 f; BGH, 1999) entschieden, dass auchIndizien während der Kontrolle und Blutentnahmefür eine Beurteilung der Fahruntüchtigkeit herange-zogen werden können, wie z. B. Begriffsstutzigkeit,die eine mehrmalige Wiederholung von Fragen er-forderlich mache, eine lallende, verwaschene Spra-che, ein benommener apathischer Eindruck oderein leicht unsicherer Gang.

In Fällen, in denen zwar ein positiver chemisch-to-xikologischer Befund vorliegt, eine relative Fahr-untüchtigkeit jedoch nicht mit der für das Strafver-fahren erforderlichen Sicherheit belegt werdenkann, greift § 24a Abs. 2 StVG. Danach ist die Teil-nahme am Straßenverkehr nach Cannabiskonsumohne konkrete oder abstrakte Verkehrsgefährdungeine Ordnungswidrigkeit, wenn der psychoaktiveWirkstoff THC im Blut nachgewiesen werden kann.Diese Ordnungswidrigkeit wird derzeit – bei erst-maliger Auffälligkeit – mit einem 1-monatigen Fahr-verbot und einer Geldbuße von 250 € sanktioniert.

Aufgrund § 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV)(BGBl. I S. 2214), die letztmalig am 07.08.2002geändert wurde (BGBl. I S. 3267), ist grundsätzlichjeder am öffentlichen Straßenverkehr zugelassen.Nach den Begutachtungsleitlinien führen Einnahmeoder Abhängigkeit von Betäubungsmitteln zurNichteignung zum Führen von Kfz, wobei beiCannabis Einschränkungen formuliert wurden.Dennoch stellt sich auch bei Cannabiskonsumen-ten, die im Straßenverkehr auffällig wurden, dieFrage nach der generellen Fahreignung. Rechts-grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist§ 3 des StVG. Die Fahrerlaubnis ist zu entziehen,wenn sich der Erlaubnisinhaber als ungeeignet zumFühren von Kraftfahrzeugen erweist.

Die FeV regelt die näheren Einzelheiten bei der Er-teilung oder Wiedererteilung der Fahrerlaubnis.Entsprechend § 11 Absatz 1 FeV müssen Bewer-ber um eine Fahrerlaubnis die hierfür notwendigenkörperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen.Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt,wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anla-ge 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder diebedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugenausgeschlossen wird. Unter den Punkten 9.2 und9.3 in Anlage 4 FeV wird detaillierter auf die Bewer-tung der Fahreignung durch Cannabis auffällig ge-wordener Fahrer eingegangen. Eine Abhängigkeitvon der Droge und die regelmäßige Einnahme von

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Cannabis schließen eine Fahreignung aus. Bei ge-legentlicher Einnahme von Cannabis kann Fahreig-nung gegeben sein, wenn Konsum und Fahren ge-trennt werden (können), kein zusätzlicher Gebrauchvon Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkendenStoffen, keine Störung der Persönlichkeit und keinKontrollverlust vorliegt. Damit wird bei Cannabis-konsumenten die Konsumhäufigkeit zum Dreh-punkt der Begutachtung. Unproblematisch scheintdie Beurteilung eines Drogenkonsumenten als ab-hängig oder zu Missbrauch neigend, bei der Maß-stäbe internationaler Klassifikationen zugrunde ge-legt werden. Schwieriger erscheint jedoch die ge-forderte Differenzierung der Konsumgewohnheitenals gelegentlich, falls zunächst nur das Analysener-gebnis aus einer anlassbezogenen Blutprobe vor-liegt. Dabei ist dreierlei zu berücksichtigen:

(1) Mit der Einführung des § 24a StVG wurde prak-tisch eine Null-Lösung als Auffangtatbestand dafürgeschaffen, dass für illegale Drogen Gefahren-oder Fahruntüchtigkeitsgrenzwerte weder zu defi-nieren waren noch auf absehbare Zeit zuverlässigzu bestimmen sind. Hierbei war der Gesetzgebervon einer Koinzidenz zwischen möglicher Wirkungung Nachweisbarkeitsdauer ausgegangen DasBundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei-dung vom 21.12.2004 (BVerfG) diese Gesetzesre-gelung nicht beabstandet, wenn sie verfassungs-konform ausgelegt wird. Allerdings geht es nun-mehr unter Berufung auf die Wissenschaft davonaus, dass für Messwerte kleiner 1 ng/mL die vomGesetzgeber angenommenen Koinzidenz nichtmehr gegeben ist.

(2) Unabhängig davon ist bezüglich der Erfordernis,Konsum und Fahren zu trennen, kein speziellerMesswert für THC im Serum definiert, sodass die-ser Wert von 1 ng/mL Serum an die Stelle einesGefahrengrenzwertes treten könnte, wobei dann inder Praxis allerdings eine noch zu ermittelnde nichtzu vermeidende Messunsicherheit berücksichtigtwerden müsste.

(3) Den Empfehlungen und Regulierungen für Nord-rhein-Westfalen folgend hat das niedersächsischeOberverwaltungsgericht entschieden, dass (im Ge-gensatz zu einer acht Tage nach Einbestellung ent-nommenen Blutprobe, bei der eine Grenze von 75ng THC-COOH/mL-Serum gelte) bei einer anlass-bezogenen Blutentnahme erst ab einem Messwertvon 150 THC-COOH/mL-Serum von regelmäßigemKonsum ausgegangen werden könne (Beschlussvom 11.07.2003 – 12 ME 287/03 – veröffentlicht inBlutalkohol 41: 183 bis 185).

§ 14 FeV beschäftigt sich noch einmal speziell mitder Klärung von Eignungszweifeln in Hinblick aufBetäubungs- und Arzneimittel. Entsprechend Ab-satz 1 ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbe-reitung von Entscheidungen über die Erteilung oderdie Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über dieAnordnung von Beschränkungen oder Auflagen an,dass ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 Satz 3)beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme be-gründen, dass eine

· Abhängigkeit von Betäubungsmitteln im Sinnedes Betäubungsmittelgesetzes in der Fassungder Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl.I S. 358), zuletzt geändert durch Artikel 4 desGesetzes vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 160),in der jeweils geltenden Fassung, oder von an-deren psychoaktiv wirkenden Stoffen,

· Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne desBetäubungsmittelgesetzes oder

· missbräuchliche Einnahme psychoaktiv wirken-der Arzneimittel oder anderer psychoaktiv wir-kender Stoffe vorliegt.

Die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens kannangeordnet werden, wenn der Betroffene Betäu-bungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgeset-zes widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Dasärztliche Gutachten nach Satz 1 Nr. 2 oder 3 FeVkann auch von einem Arzt, der die Anforderungenan den Arzt nach Anlage 14 erfüllt, erstellt werden.Die Beibringung eines medizinisch-psychologi-schen Gutachtens kann angeordnet werden, wenngelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt undweitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begrün-den.

Entsprechend Absatz 2 ist die Beibringung einesmedizinisch-psychologischen Gutachtens für dieZwecke nach Absatz 1 anzuordnen, wenn

· die Fahrerlaubnis aus einem der in Absatz 1 ge-nannten Gründe entzogen war oder

· zu klären ist, ob Abhängigkeit oder Einnahmenach Absatz 1 nicht mehr vorliegt.

Die Praxis der auf Basis der Vorschriften durch dieVerkehrsbehörde häufig angeordneten Fahreig-nungsüberprüfungen wurde durch ein Urteil desBundesverfassungsgerichtes vom 20.06.2002 – 1 BvR 2062/96 in ihrer Verfassungsmäßigkeit Be-grenzungen unterworfen. Die Verfassungsmäßig-keit der Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen ver-weigerter Beibringung eines behördlich angefor-

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derten Drogenscreenings infolge des Besitzeseiner geringen Menge an Haschisch (ohne Bezugzur Straßenverkehrsteilnahme) wurde verneint.

Im Sinne einer Gleichbehandlung scheint es jedochnotwendig, genauer festzulegen, welcher Konsum-umfang (Zeitraum, Menge, Frequenz) für die siche-re Teilnahme am Straßenverkehr eine relevante Ge-fährdung darstellt und welche diagnostischen Kri-terien (physiologisch-psychologisch sowie che-misch-toxikologisch) eine standardisierte Erken-nung von Konsumenten mit nachgewiesener-maßen problematischen Konsummustern ermögli-chen. Bislang existieren keine einheitlichen Krite-rien, die eine Differenzierung zwischen regelmäßi-gem und gelegentlichem Cannabiskonsum erlau-ben. Die Begriffe „regelmäßig” und „gewohnheits-mäßig” lassen keine Aussagen über die Häufigkeitdes Cannabiskonsums und/oder die Menge deskonsumierten Cannabisproduktes zu (VGH Mün-chen, 1997). Wie SKOPP et al. (1999) und BERG-HAUS (2000) darstellten, bestehen zu den Begrif-fen „regelmäßiger” und „gelegentlicher” Konsumzudem sehr unterschiedliche Vorstellungen. Unter„regelmäßigem” Konsum wurde z. B. in einer Stu-die (PERKONIGG et al., 1999) die Cannabisaufnah-me von mehr als 5-mal in der gesamten bisherigenLebenszeit definiert, während ALBURGES et al.(1986) unter dem Begriff „regelmäßig” einen einma-ligen Cannabisgebrauch pro Tag verstanden.

Vor diesem Hintergrund scheint eine Erfassung desKonsumumfanges daher wesentlich. Die Differen-zierung einer gelegentlichen von einer regelmäßi-gen Konsumfrequenz im Sinne der FeV kann je-doch nur vor dem Hintergrund entsprechender wis-senschaftlich gesicherter Daten erfolgen. Grundla-ge für die mit dem regelmäßigen Gebrauch verbun-dene Entziehung der Fahrerlaubnis ist eine ver-kehrszulassungsrechtliche konkrete Gefahr, die bei„hinreichender Wahrscheinlichkeit eines Scha-denseintritts” „in absehbarer Zeit” angenommenwerden darf (GEHRMANN, 2002). Wie angemerktwurde, liegen hinreichende Erkenntnisse dafür,dass bei regel- bzw. gewohnheitsmäßigem Canna-biskonsum die körperlich-geistige Leistungsfähig-keit eines Kraftfahrers ständig unter das erforderli-che Maß herabgesetzt sei oder mit einer unvorher-sehbaren und plötzlichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit aus anderen Gründen als demWiederaufflammen von Rauschsymptomen ge-rechnet werden müsse, offenbar ebenso wenig vor,wie ohne weiteres angenommen werden könne, einals regel- oder gewohnheitsmäßig beschriebener

Cannabiskonsum indiziere gleichsam aus sich her-aus die fehlende Fähigkeit des Konsumenten, sei-nen Konsum und das Führen von Kfz zu trennen(VGH München, 1997).

Es gilt daher zu überprüfen, ob bei einem als regel-mäßig definierten Konsum auch außerhalb der je-weiligen Rauschphase eine potenziell die sichereTeilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigendekörperlich-geistige Minderung der Leistungsfähig-keit oder der Fähigkeit zu verantwortlichen Ent-scheidungen eintreten kann.

Benötigt werden aktualisierte Kenntnisse darüber,wie Konsummuster zutreffend zu beschreiben sindund ob regelmäßiger Konsum, unabhängig voneinem akuten Rauschzustand, zu einer Minderungder Fahreignung führen kann. Im Sinne einer ein-heitlichen Begutachtung von Cannabiskonsumen-ten ist es wichtig, vegetativ-physiologische, psy-chiatrische, neurologische und neuropsychologi-sche Parameter sowie Anhaltspunkte für Konzen-trationsprofile von THC und seinen Hauptmetaboli-ten in Körperflüssigkeiten zur Hand zu haben, diekritische Einnahmemuster erkennen lassen. Es sollüber eine Analyse der vorhandenen Forschungsli-teratur und die Auswertung von Datenmaterial ausder konkreten Verkehrssituation heraus eine mög-lichst klärende Aktualisierung der derzeit bekann-ten Zusammenhänge versucht werden. Die Ergeb-nisse beider Teile sollen es ermöglichen, derzeitigegesetzliche Bestimmungen kritisch zu betrachtenund unter Zugrundelegung der bislang bekannt ge-wordenen wissenschaftlichen Befunde auf ihre An-gemessenheit zu prüfen. Falls erforderlich, soll derBedarf an weiterer Forschung konkretisiert werden.

1.6 Pharmakologische Daten

Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Ka-pitel wird die Pharmakologie der Cannabinoidekurz erläutert. Die am besten untersuchte Substanzist THC. Für CBN und CBD liegen nur wenige phar-makokinetische Daten vor, die für eine ähnlicheVerstoffwechselung wie für THC sprechen. Daherwird nachfolgend vorrangig auf THC eingegangen.

1.6.1 Physikalisch-chemische Eigenschaften

THC (6αR,10αR)-6α,7,8,10α-Tetrahydro-6,6,9-tri-methyl-3-pentyl-6H-dibenzo[b,d]pyran-1-ol, CAS-Nr. 1972-08-3) leitet sich biogenetisch aus einemMonoterpen und einem Phenol ab. Die neuereNummerierung (IUPAC-Nomenklatur) dieser Ver-

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bindungen bezieht sich auf das Dibenzopyran-Grundgerüst (Bild 1). Die Summenformel von THCist C21H30O2, seine relative Molmasse beträgt314,5. THC ist ein Öl (Siedepunkt 200 °C bei 0,02mm Hg), das praktisch wasserunlöslich ist.

Das UV-Spektrum in Ethanol zeigt 2 Maxima bei283 und 276 nm. Der Octanol/Wasser-Verteilungs-koeffizient wurde für THC auf über 6.000 ge-schätzt, er betrug für 11-Nor-∆9-THC-Carbonsäure(THC-COOH) und das Säureglucuronid 175 bzw.17,5 bei einem pH-Wert der wässrigen Phase von7,4 (SKOPP et al., 2002). Der pKa-Wert von THCliegt bei 10,6 (REYNOLDS, 1996).

1.6.2 Pharmakokinetische Daten

THC wird beim Menschen rasch und extensiv vor-rangig in der Leber und im geringeren Umfang inden Lungen verstoffwechselt (WALL & PEREZ-REYES, 1981; HALLDIN et al., 1982). Neben einerinitialen mikrosomalen Hydroxylierung und nach-folgender nichtmikrosomaler Oxidation sind auchKonjugatbildungen mit Schwefel- und Glucu-ronsäure beschrieben. Nichtkonventionelle Konju-gate mit langkettigen Fettsäuren ähneln Membran-lipiden. Man vermutet, dass sie über längere Zeit inKörpergeweben zurückgehalten werden. Die Meta-bolisierung ist nicht geschlechtsspezifisch, inwie-weit es unterschiedlich rasch metabolisierendePersonen gibt, ist zurzeit noch ungeklärt (AGU-RELL et al., 1986; GROTENHERMEN, 2002).

Beim Menschen wurden bisher mehr als 20 Meta-bolite gefunden, die überwiegend durch Oxidati-onsreaktionen an C-8 und C-11 entstehen. DurchHydroxylierung an C-11 durch CYP 2C9 entstehtder primäre Hauptmetabolit 11-Hydroxy-THC (11-OH-THC). Obwohl der Abbau von THC in den Mi-krosomen stattfindet, gibt es keine Belege dafür,dass mikrosomale Induktoren wie Arzneimittel oder

Hormone den Abbau modifizieren. 11-OH-THCzeigte im Tierversuch eine dreifach stärkere Wir-kung im Vergleich zu THC (FORD et al., 1977),während andere Autoren die Effekte etwa gleichbeurteilten. 11-OH-THC wird über eine Aldehydde-hydrogenase unter Beteiligung von Isoenzymeneines Cytochrom-P450-Systems zu THC-COOHverstoffwechselt, dem quantitativ bedeutsamsten,aber psychotrop unwirksamen Endprodukt derPhase-I-Reaktionen im Blut und Urin. THC undseine hydroxylierten und carboxylierten Metabolitewerden teilweise mit Glucuronsäure konjugiert, wo-durch besser eliminierbare, wasserlösliche Sub-stanzen entstehen (WALL & PEREZ-REYES, 1981;SKOPP et al., 1999). Nur etwa 15 bis 30 % der auf-genommenen THC-Menge werden als polare Säu-ren renal eliminiert, der Hauptmetabolit im Urin istTHC-COOH. Der Hauptanteil, etwa 30 bis 65 %(Hydroxy- und Carboxymetabolite sowie Spurenvon THC), wird biliär ausgeschieden (HUESTIS &CONE, 1998). Die biliär ausgeschiedenen Substan-zen unterliegen einem ausgeprägten enterohepati-schen Kreislauf.

Über metabolische Wechselwirkungen zwischenden wichtigsten Phytocannabinoiden ist nur wenigbekannt, allerdings scheint Cannabidiol die hepati-sche, mikrosomale Oxidation des THC zu inhibie-ren (GROTENHERMEN, 2002).

THC und 11-OH-THC sind zu 97 bzw. 99 % anPlasmaproteine, vorzugsweise an Lipoproteine,gebunden (GARRETT & HUNT, 1974; WIDMAN etal., 1974). Nur etwa 10 % des THC werden anErythrocyten gebunden. Das Blut/Plasma-Verhält-nis von THC wurde zu 0,55 bestimmt und betrugjeweils 0,65 für THC-COOH und ihr Glucuronid(SKOPP et al., 2002). Die Plasmaproteinbindung fürTHC-COOH und ihr Glucuronid betrug in authenti-schen Proben 92 ± 8,7 % bzw. 96,4 ± 3,0 %(SKOPP et al. 2002).

THC besitzt ein Verteilungsvolumen von ca. 4 bis14 l/kg, wobei sich ein Teil dieser Spannbreite da-durch erklärt, dass die Volumina auf unterschiedli-che Eliminationsphasen bezogen wurden. Das Ver-teilungsvolumen von CBD wurde zu 30 l/kg be-rechnet (OHLSSON et al., 1982). Die hohen Wertefür die Verteilungsvolumina belegen eine Akkumu-lation dieser Substanz in tiefere Körperkomparti-mente.

Die pharmakokinetischen Parameter und damitauch die Ausprägung der Wirkung von Cannabis-zubereitungen bzw. von THC hängen u. a. von der

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Bild 1: Dibenzopyrannummerierung von THC

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Applikationsart ab. Die gängigste Applikationsartist der Rauchkonsum, daneben gibt es oralen undauch Mischkonsum. Maximale Plasmaspiegel anTHC treten unmittelbar nach Beginn des Rauchensnach ca. 3 bis 10 Minuten auf. Bei oraler Aufnahmekommt es nach 1 bis 4 Stunden zu Konzentrati-onsmaxima. Nach Absorption wird THC aufgrundseiner Lipophilie rasch vom zentralen Komparti-ment in periphere Gewebe mit hohem Fettgehaltumverteilt (HUNT & JONES, 1980). Für die Berech-nung kinetischer Daten anhand des THC-Konzen-trations-Zeit-Verlaufes im Plasma nach Rauchkon-sum wurden meist Mehrkompartimentmodelle (3-,4-, oder 5-Kompartmentmodelle) eingesetzt (AGU-RELL et al., 1986). Die Elimination von THC ausdem Blutkompartiment erfolgt aufgrund der Vertei-lungsvorgänge und der Biotransformation in denersten Stunden sehr rasch. Daran schließt sich einePhase an, in der die Cannabinoidspiegel im Blutnur noch langsam absinken, da diese kontinuierlichin geringen, nicht mehr wirksamen Mengen ausden Speichergeweben freigesetzt werden (HUES-TIS et al., 1992; KELLY & JONES, 1992). Das Auf-treten von Flashbacks, sog. Echoräuschen, istheute aufgrund pharmakokinetischer Daten als wi-derlegt anzusehen, da eine Art „gepulste", schlag-artige Freisetzung ausreichender Mengen an THCoder psychoaktiv wirksamen Metaboliten aus denKörperdepots ausgesprochen unwahrscheinlich ist(EDWARDS, 1983; HOLLISTER, 1986).

In der Literatur finden sich stark unterschiedlicheEliminationshalbwertszeiten für THC von wenigenStunden bis zu mehreren Tagen, die teilweise vondem untersuchten Zeitraum, der Analysemethode,der Art des eingesetzten THC und den verwende-ten Berechnungsmodellen abhängig sind. NachRauchkonsum von deuteriertem THC wurde imPlasma bei einer Beobachtungszeit von 10 bis 15Tagen eine terminale Halbwertszeit von 4,3 Tagenfestgestellt (JOHANSSON et al., 1989). Die Kon-sumhäufigkeit scheint keinen Einfluss auf die Elimi-nationskinetik von THC auszuüben. HUNT undJONES bestimmten die terminale Halbwertszeit imBereich von 13,8 bis 26 Stunden unabhängigdavon, ob es sich um starke bzw. gelegentlicheKonsumenten von Cannabisprodukten handelte(HUNT & JONES, 1980). Als Durchschnittswertwird für THC eine Eliminationshalbwertszeit von 1bis 4 Tagen angesehen. Die terminale Halbwerts-zeit von 11-OH-THC wurde im Bereich von 12 bis33 Stunden bestimmt (WALL et al., 1983). Die ter-minale Halbwertszeit von THC-COOH ist länger alsdie des THC. WALL et al. ermittelten Werte im Be-

reich von 25 bis 55 Stunden (WALL et al., 1983).Die Konsumhäufigkeit scheint keine Bedeutung aufdie Halbwertszeit der THC-COOH zu haben.KELLY und JONES (1992) bestimmten die Plasma-halbwertszeit der THC-COOH bei Dauerkonsu-menten im Mittel zu 5,2 Tagen und bei gelegentli-chen Konsumenten zu 6,2 Tagen.

Im Urin war THC-COOH nach gaschromatogra-fisch/massenspektrometrischer Bestimmung beiimmunologisch positiv getesteten Urinproben (cut-off 10,3 ng THC-COOH Äquivalente/mL-Urin) nachAbstinenz bei Konsumenten, die in der Vorge-schichte nahezu täglichen Konsum angaben, 5 bis30 Tage und bei Konsumenten, die weniger als 1-mal wöchentlich konsumierten, 4,5 bis 5,4 Tagenachweisbar (SMITH-KIELLAND et al., 1999). Ineiner weiteren Untersuchung wurden bei ehemalschronischen Konsumenten über einen Zeitraumvon 46 Tagen kontinuierlich positive EMIT-Befundefür Cannabinoide im Urin bei einem cut-off von 20 ng THC-COOH Äquivalenten/mL im Urin erhal-ten (ELLIS et al., 1985).

1.6.2.1 Plasmakonzentrationen nach Rauch-konsum/Inhalation

Beim Rauchen stehen nur etwa 20 bis 62 % der ur-sprünglich im Ausgangsmaterial vorhandenenTHC-Menge zur Verfügung. Die Angaben zur Bio-verfügbarkeit schwanken zwischen 2 bis 56 %(LINDGREN et al., 1981; OHLSSON et al., 1982).Diese Unterschiede bedingen eine Streuung derpharmakokinetischen Parameter in experimentel-len Studien und werden auf eine Zersetzung vonCannabinoiden beim Rauchen, eine unvollständigeInhalation und Absorption sowie auf eine Metaboli-sierung in den Lungen zurückgeführt (IVERSEN,2000). Wenig erfahrene Raucher absorbieren ca. 10 %, erfahrene Raucher mehr als 30 % des THC.Wie anhand der Daten einer Kinetikstudie von HUESTIS et al. (1992) aus dem Jahre 1992 gezeigtwerden konnte, bei der 6 Probanden Marihuanazi-garetten mit jeweils 15,8 mg sowie 33,8 mg THCrauchten, war THC bereits Sekunden nach dem ersten Zug im Blut nachweisbar. Der THC-Spiegelim Blut stieg sehr rasch an und Maximalkonzentra-tionen wurden bereits vor Rauchende erreicht.Nach Überschreiten des Maximums kam eszunächst zu einem raschen Abfall der THC-Kon-zentration im Plasma. Die Konzentrationsmaximades 11-OH-THC waren deutlich niedriger als diedes THC und traten unmittelbar nach Rauchendeauf. Die Konzentration an THC-COOH stieg hinge-

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gen langsam an, zeigte ihr Maximum im Mittel nach1,8 Stunden und fiel nachfolgend langsam ab. Bild2, das aus den Mittelwerten (n = 6) der Konzentra-tions-Zeit-Verläufe nach Konsum eines Joints mit33,8 mg THC, der innerhalb von 10 Minuten ge-raucht wurde, erstellt wurde, gibt einen Überblicküber einen typischen Kinetikverlauf nach Rauch-konsum.

Maximale Spiegel wurden nach Rauchen einer Ma-rihuanazigarette mit 15,8 sowie 33,8 mg THC be-reits nach 5 bis 10 Minuten erreicht, d. h. spätes-tens bei Rauchende. Die Spitzenwerte für THC va-riierten deutlich und lagen bei Aufnahme des nied-riger dosierten Joints zwischen 50 bis 129 ngTHC/mL-Plasma und bei Konsum des höher do-sierten Joints zwischen 76 bis 267 ng THC/mL-Plasma. Die THC-Plasmakonzentrationen fielen beibeiden Dosierungen innerhalb von 2,5 Stunden aufWerte ≤ 5,6 ng/mL. Die Plasmakonzentrationen an11-OH-THC erreichten nach 9 bis 23 Minuten ihrMaximum zwischen 3,3 bis 10,4 ng/mL nach Kon-sum der geringen Dosis bzw. 3,8 bis 16 ng/mLnach Konsum der höheren Dosis. Die Konzentra-tionen der THC-COOH stiegen langsam bis auf einPlateau an. Aufgrund des Plateaueffekts betrug dieZeit bis zum Erreichen des Maximums 0,53 bis 4Stunden, die Konzentrationsmaxima lagen bei derniedriger dosierten Zigarette im Bereich von 15 bis54 ng/mL und bei der höher dosierten Zigarette bei22 bis 101 ng/mL.

OHLSSON et al. (1980) bestimmten bei 11 Män-nern nach Rauchen von 11,6 bis 15,6 mg THC über5 bis 7 Minuten Konzentrationsmaxima von 33 bis118 ng THC/mL-Plasma innerhalb der ersten 3 Mi-

nuten nach Rauchende. Nach 0,5 Stunden lagendie Plasmakonzentrationen von THC zwischen 5,4bis 18 ng/mL und nach 4 Stunden zwischen 0,58bis 2,8 ng/mL.

1.6.2.2 Plasmakonzentrationen nach oralemKonsum

Die Absorption des THC bei oraler Aufnahme er-folgt langsam, seine Bioverfügbarkeit variiert stark(4 bis 20 % (OHLSSON et al., 1980; IVERSEN,2000)). Gründe hierfür sind gleichzeitige Nahrungs-aufnahme – wobei fettreiche Nahrung die Absorp-tion verbessert –, Verweildauer im Magen und eineZersetzung im Magen bei niedrigen pH-Werten.Auch ein First-pass-Effekt führt zu einer Reduktionvon systemisch verfügbarem THC. Bild 3 zeigt dentypischen Verlauf der Konzentrationen an THC, 11-OH-THC und THC-COOH nach oraler Aufnahmevon 20 mg THC in Sesamöl in einer Gelatinekapselim Verlauf der ersten 6 Stunden. Die Kurven wur-den nach Daten von WALL und PEREZ-REYES(1981) erstellt. Im Gegensatz zum Rauchkonsumwerden bei oraler Aufnahme wesentlich flachereKonzentrations-Zeit-Verläufe beobachtet. Die Kon-zentrations-Zeit-Verläufe von 11-OH-THC und THCim Plasma verlaufen nahezu identisch. So wurdenmaximale Konzentrationen an THC und 11-OH-THC von 6 bis 8 ng/mL 2 bis 3 Stunden nach Ein-nahme erreicht. Es folgte eine Plateauphase bis zu6 Stunden nach Einnahme. Nach 24 Stundenwaren im Mittel 1,3 ng THC/mL-Plasma und 1,1 ng11-OH-THC/mL-Plasma nachweisbar. Die Plasma-konzentration an THC-COOH erreichte nach 2,75Stunden ihr Maximum von durchschnittlich 65

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Bild 2: Plasmakonzentrations-Zeit-Verlauf nach Rauchkonsum von 33,8 mg THC (HUESTIS et al., 1992a). THC [•], 11-OH THC [�],THC-COOH [∆]

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ng/mL. Nach 24 Stunden waren im Mittel noch 21ng/mL im Plasma nachweisbar. Bei einer weiterenStudie mit 11 Probanden wurden nach Einnahmevon 20 mg THC in einem Schokoladenkeks beieiner Bioverfügbarkeit des THC von 4 bis 12 %Konzentrationsmaxima an THC im Plasma von 4,4bis 11 ng/mL nach 1 bis 6 Stunden erreicht (OHLS-SON et al., 1980).

Christian P. Müller, Bianca Topic und Joseph P. Huston

1.7 Das endogene Cannabinoidsystem

Lange Zeit war unklar, über welche Mechanismen∆9-THC und andere Cannabinoide ihren Einflussauf Verhalten sowie physiologische und subjektiveParameter ausüben. ∆9-THC, der psychoaktiveBestandteil von Cannabis, wurde von GAONI &MECHOULAM 1964 isoliert. Es konnte gezeigtwerden, dass ∆9-THC mit einem endogenen Trans-mittersystem, das als endogenes Cannabinoidsys-tem bezeichnet wurde, interagiert. Man kennt mitt-lerweile verschiedene Rezeptoren, an denen ∆9-THC bindet, deren Signaltransduktionsmechanis-men, die endogenen Liganden zu diesen Rezepto-ren, deren Synthesewege, Ausschüttungs- und In-aktivierungsmechanismen. Zudem wurden die zel-lulären und neurochemischen Effekte der Aktivie-rung des endogenen Cannabinoidsystems unter-sucht (MECHOULAM et al., 1998). Obwohl die Er-kenntnisse über das endogene Cannabinoid-system schnell fortschreiten, ist die Erforschungder genauen Funktion des Systems bei der Organi-sation von Verhalten bisher noch am Anfang.

Neben der funktionalen Aufklärung des endogenenCannabinoidsystems zeichnet sich auch immermehr dessen großes Potenzial im therapeutischenBereich ab (PIOMELLI et al., 2000; PORTER & FEL-DER, 2001).

1.7.1 Cannabinoid-Rezeptoren

Innerhalb des endogenen Cannabinoidsystemssind bisher zwei verschiedene Cannabinoid-Re-zeptoren (CB) beschrieben worden: der CB1- undder CB2-Rezeptor. Die Exprimierung von CB1-Re-zeptoren konnte bisher bei verschiedenen Verte-braten wie Menschen, Ratten, Mäusen, Katzen,Vögeln und Fischen nachgewiesen werden. DerCB2-Rezeptor wurde bisher beim Menschen, derRatte und bei Mäusen gefunden (ELPHICK &EGERTOVA, 2001). Die Homolgie zwischen huma-nen CB1- und CB2-Rezeptoren ist mit 44 % relativgering. Beide Rezeptoren gehören zur Klasse derG-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Das Vorhan-densein von CB1-Rezeptoren im Gehirn wurdeerstmals von DEVANE et al. (1988) nachgewiesen.MATSUDA et al. (1990) gelang die erste Klonierungund funktionale Expression des CB1-Rezeptors.CB1-Rezeptoren findet man sowohl im ZNS alsauch in der Peripherie. Bisher bekannt sind peri-phere CB1-Rezeptoren im Uterus, in den Hoden, inder Blase, im Herz, im gastrointestinalen Trakt, inden Ganglien sensorischer Nerven, in der Lunge,der Thymusdrüse und in der Milz (LUTZ, 2002). Diehöchste Dichte von CB1-Bindungsstellen im Ge-hirn wurde in der Substantia nigra, dem Globuspallidus, im Cerebellum und im Hippokampus ge-messen. Eine sehr hohe CB1-Rezeptordichte inverschiedenen Kerngebieten der Basalganglienund im Cerebellum könnte damit die anatomischeGrundlage für die Effekte von ∆9-THC auf die mo-torische Kontrolle sein. Dagegen könnten hippo-kampale CB1-Bindungsstellen für die Effekte von∆9-THC auf die Gedächtnisleistung verantwortlichsein. Eine etwas niedrigere Dichte wurde in Teilendes Archikortex gefunden. Der Neokortex weist nureine mittlere Dichte an CB1-Bindungsstellen auf,die jedoch für die Effekte von ∆9-THC auf kogniti-ve Leistungen verantwortlich sein könnte. Die Dich-te der CB1-Bindungsstellen ist besonders geringim Thalamus und in den meisten Arealen im Hirn-stamm, wie z. B. den monoaminergen Zellkernen,der Formatio retuicularis und in den Kerngebietender primär sensorischen, visceromotorischen undmotorischen Hirnnerven (HERKENHAM et al. 1990;TSOU et al., 1998). Eine geringe CB1-Rezeptor-

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Bild 3: Plasmakonzentrations-Zeit-Verlauf nach oralem Kon-sum von 20 mg THC. (WALL & PEREZ-REYES, 1981)THC [•], 11-OH THC [�], THC-COOH [∆]

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dichte in einigen wichtigen Hirnarealen, die zum„Belohnungsschaltkreis des Gehirns” gezählt wer-den, wie dem ventralen tegmentalen Areal (VTA)und dem Nucleus accumbens (GARDNER, 1997;WISE, 1998; SPANAGEL & WEISS, 1999), lasseneine relativ schwache Interaktion des endogenenCannabinoidsystems mit Belohnungs- und Verstär-kungsprozessen vermuten.

CB1-Rezeptoren fand man im ZNS nicht nur inNeuronen, sondern auch in Astrozyten und Gliazel-len. Eine sehr geringe Dichte der Bindungsstellenfür ∆9-THC in Atmung und den Herz-Kreislauf re-gulierenden Kerngebieten im Hirnstamm ist wahr-scheinlich die Ursache für die geringe Toxizität von∆9-THC. Auf zellulärer Ebene kann zwischen Zellenmit hoher CB1-Rezeptordichte und Zellen mit nied-riger CB1-Rezeptordichte unterschieden werden(MARSICANO & LUTZ, 1999), wobei CB1-Rezepto-ren sowohl im Soma als auch in den Dendriten undAxonen nachgewiesen werden konnten (TSOU etal., 1998). Bei der Mehrzahl der Zellen, die denCB1-Rezeptor exprimieren, handelt es sich umGABAerge Interneurone. Nur ein Teil der Zellen mitgeringer CB1-Rezeptordichte sind nicht GABAergeProjektionsneurone. Damit haben CB1-Rezeptorenauf zellulärer Ebene sowohl Einfluss auf exzitatori-sche glutamaterge Projektionen als auch Einflussauf lokale inhibitorische Schaltkreise (MARSICANO& LUTZ, 1999). Darüber hinaus werden CB1-Re-zeptoren mit anderen nicht-cannabinoiden Rezep-toren koexprimiert. Zellen mit hoher CB1-Dichtekoexprimieren z. B. den Serotonin3-Rezeptor. Da-gegen sind in Zellen mit geringer CB1-Rezeptor-dichte Dopamin D1 und D2 und auch Serotonin1B-Rezeptoren kolokalisiert (HERMANN et al., 2002).Die Kolokalisation des CB1-Rezeptors mit dopa-minergen und serotonergen Rezeptoren ist einemögliche anatomische Grundlage für die Interakti-on der jeweiligen Transmittersysteme mit dem en-dogenen Cannabinoidsystem (GIUFFRIDA et al.,1999). Im Gegensatz zu den klassischen Transmit-tersystemen sind bisher keine primär cannabinoi-den Neurone oder cannabinoide Projektionsbah-nen im Gehirn bekannt. Die bisherigen Erkenntnis-se sprechen zwar für einen eigenständigen Trans-missionsmodus, der aber sehr eng mit den be-kannten Transmittersystemen verwoben ist. CB1-Rezeptoren wurden nicht nur im Gehirn gefunden,sondern auch in peripheren Geweben und Immun-zellen. Dort kommen sie in geringerer Dichte vor alsin den Hirnregionen, die eine relativ hohe Rezep-tordichte aufweisen.

CB1-Rezeptoren sind über ein GS- oder Gi-Proteinmit der cAMP-Synthese gekoppelt (SIM et al.,1995). Eine Stimulierung des CB1-Rezeptors kannin Abhängigkeit des verwendeten Rezeptor-Agonis-ten sowohl zu einer Aktivierung als auch zur Inhi-bierung der cAMP-Synthese führen. ∆9-THC ver-stärkt die Forskolin-stimulierte cAMP-Synthesedabei zu 47 %. Allerdings wurde ebenfalls eine In-hibierung um 33 % beobachtet (BONHAUS et al.,1998). Die Autoren gehen davon aus, dass ver-schiedene endogene und exogene Liganden desCB1-Rezeptors unterschiedliche Affinitäten zu GS-und Gi-Protein-gekoppelten CB1-Rezeptorenhaben. Die funktionale Bedeutung dieses dualenMechanismus ist jedoch bisher unklar. Unklar istauch, welche Bedeutung eine unterschiedlicheKoppelung der CB1-Rezeptoren an die G-Proteinein den verschiedenen Hirnarealen hat. Die Aktivitätvon CB1-Rezeptoren kann zudem durch Protein-kinase-C-abhängige Phosphorylierung moduliertwerden. Einer großen Menge an CB1-Rezeptor-Protein steht im Gehirn jedoch nur eine relative ge-ringe Liganden-Bindung gegenüber, was auf einehohe Rezeptor-Reserve schließen lässt. Aufgrunddieser Beobachtungen kann nicht automatischdavon ausgegangenen werden, dass CB1-Rezep-tor-Agonisten die stärksten Effekte in Regionen mitder höchsten CB1-Rezeptordichte haben (PERT-WEE, 1997). Neben den Effekten auf die cAMP-Synthese sind auch Effekte auf Ionenkanäle nach-gewiesen worden. So führt eine CB1-Rezeptor-Sti-mulierung über Gi- oder GO-Proteine zu einer Inhi-bierung spannungsabhängiger Calciumkanäle.Man geht ebenfalls davon aus, dass CB1-Rezepto-ren positiv mit Kaliumkanälen gekoppelt sind undüber eine Koppelung an Serotonin3-Rezeptorenderen Aktivierung inhibieren können.

Es ist bekannt, dass zumindest ein Teil der CB1-Rezeptoren im Gehirn präsynaptisch an Axonter-minalen lokalisiert sind. Eine solche Lokalisationbildet zusammen mit den bisher bekannten Signal-transduktionsmechanismen des CB1-Rezeptorsdie Grundlage für die Annahme, dass es sich dabeium ein retrogrades Signalsystem handelt (OHNO-SHOSAKU et al., 2001; WILSON & NICOLL, 2001).Werden präsynaptische CB1-Rezeptoren aktiviert,verringert sich die Calciumleitfähigkeit. Gleichzeitigwird die Kaliumleitfähigkeit erhöht. Es kommt zueiner stärkeren Negativierung des Membranpoten-zials. Diese wiederum verringert die Wahrschein-lichkeit für eine pre- und postsynaptische Depola-risation und damit die Wahrscheinlichkeit einer Im-

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pulsübertagung (PERTWEE, 1997). Allgemeinwurde gefunden, dass Cannabinoide eine verrin-gerte GABAerge Aktivität im Hippokampus bewir-ken (OHNO-SHOSAKU et al., 2001; WILSON & NI-COLL, 2001). Sie können aber auch zu einer Ab-schwächung der glutamatergen Aktivität führen(SHEN et al., 1996; AZAD et al., 2003). Neben denEffekten auf die primären exzitatorischen und inhi-bitorischen Transmitter Glutamat und GABA führtdie pharmakologische Stimulierung des CB1-Re-zeptors auch zu einer verringerten Ausschüttungverschiedener modulatorischer Transmitter, wie z. B. Noradrenalin (SCHLICKER et al., 1997),Azetylcholin (GIFFORD & ASHBY, 1996) und Sero-tonin (EGASHIRA et al., 2002). Eine wichtige Rolledes noradrenergen und cholinergen Systems beiAufmerksamkeitsprozessen (COULL, 1998; SAR-TER & BRUNO, 1997; ASTON-JONES et al., 1999)und des serotonergen Systems bei Lernen und Ge-dächtnis (BAILEY et al., 1996; BYRNE & KANDEL,1996; KANDEL & PITTENGER, 1999) gilt als gesi-chert. Die Verringerung der Aktivität dieser Trans-mittersysteme ist damit eine mögliche Grundlagefür die beobachteten Verhaltenseffekte von ∆9-THC. Lediglich in der dopaminergen (DA-)Aktivitätwurde nach Gabe von ∆9-THC im Nucleus accum-bens von einigen Autoren eine Erhöhung gefunden(CHEN et al., 1990; TANDA et al., 1997; GESSA etal., 1998). Die maximalen extrazellulären DA-Levelwerden dabei etwa 30 bis 40 Minuten nach intra-peritonealer Injektion erreicht. Die Dauer des DA-Anstiegs betrug zwischen 80 und mehr als 120 Mi-nuten (CHEN et al., 1990; TANDA et al., 1997). Esgibt aber auch Befunde, die keine Effekte von ∆9-THC auf die dopaminerge Transmission im Nucleusaccumbens finden (CASTANEDA et al., 1991). DieEffekte einer Droge auf die dopaminerge Aktivitätim Nucleus accumbens ist von besonderem Inter-esse, weil ein Anstieg der dopaminergen Transmis-sion im Nucleus accumbens häufig als neuroche-mischer Indikator für mögliche Verstärkereffekteeiner Droge angesehen wird (WISE, 1980; DI CHI-ARA & IMPERATO, 1988; KOOB, 1992). DasGleichsetzen der dopaminergen Aktivität im Nucle-us accumbens mit einem Verstärkersignal wird je-doch auch kritisch diskutiert (z. B. ROBBINS &EVERITT, 1992; SALAMONE et al., 1997; SALA-MONE & CORREA, 2002) und sollte deshalb nichtautomatisch als Nachweis für ein mögliches Sucht-potenzial von CB1-Agonisten wie ∆9-THC verstan-den werden. Insgesamt muss aber betont werden,dass sich das Profil der neurochemischen Effektevon ∆9-THC mit Ausnahme der Effekte auf das do-

paminerge System deutlich von anderen verkehrs-gefährdenden Suchtdrogen unterscheidet (RIEDELet al., 1998). Ein Analogieschluss von anderenSuchtdrogen auf ∆9-THC bezüglich der einschrän-kenden Wirkung auf die Fahrtüchtigkeit ist auf-grund der neurochemischen Effekte allein nichtmöglich.

Der CB2-Rezeptor wird im Gegensatz zum CB1-Rezeptor nicht im Gehirn, sondern ausschließlichin der Peripherie exprimiert (MUNRO et al., 1993).CB2-Rezeptoren wurden bisher beim Menschen,bei der Ratte und bei Mäusen nachgewiesen. IhreExpression ist auf das Immunsystem (Milz und Im-munzellen) und die Retina beschränkt (LUTZ,2002). Man geht davon aus, dass der CB2-Rezep-tor über G-Proteine negativ an Adenylcyklase ge-koppelt ist und so die cAMP-Synthese inhibiert.Daneben gibt es aber auch Evidenzen für eine Sti-mulation von MAP-Kinase durch den CB2-Rezep-tor, die unabhängig von den Effekten auf diecAMP-Synthese ist. Andere Mechanismen sind fürden CB2-Rezeptor bisher noch nicht bekannt(PERTWEE, 1997). Da der CB2-Rezeptor lediglichin der Peripherie vorkommt, ist er prinzipiell für dieEntwicklung von Pharmaka interessant, dürfte aberbezüglich der psychotropen und Verhaltenseffektevon Cannabinoiden nur eine untergeordnete Rollespielen.

Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass dieendogenen Liganden für den CB1- und CB2-Re-zeptor auch eine Affinität für andere Bindungsstel-len haben. Diese Beobachtung ist konform mitphysiologischen Befunden, die zeigen, dass einigeEffekte von Cannabidiol und ∆9-THC, wie z. B.deren antioxidative und neuroprotektive Wirkung,nicht ausschließlich über die bisher bekanntenCannabinoidrezeptoren vermittelt werden (HAMP-SON et al., 1998; MARSICANO et al., 2002a). DieExistenz noch weiterer Cannabinoidrezeptoren giltdeshalb als sehr wahrscheinlich (LUTZ, 2002; DePETROCELLIS et al., 2004).

1.7.2 Die endogenen Cannabinoide

Als die ersten Peptidtransmitter identifiziert waren,welche an dieselben Rezeptoren wie Morphin bin-den, wurden diese als „endogene Morphine” oderauch „Endorphine” bezeichnet. In Analogie zumendogenen Opiatsystem wurden die endogenCannabinoid-Rezeptorliganden „endogene Canna-binoide” oder „Endocannabinoide” genannt (DiMARZO & DEUTSCH, 1998; MECHOULAM et al.,

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1998). Der erste bekannte Vertreter der Endocan-nabinoide wurde von DEVANE et al. (1992) isoliertund beschrieben. Dabei handelte es sich um dasEicosanoid Arachnoidyl-ethanolamid, bestehendaus der 20 Kohlenstoffe enthaltenden, ungesättig-ten Fettsäure Arachidonsäure und über die Amid-Gruppe gekoppeltes Ethanolamid. DEVANE et al.(1992) führten dafür den Namen „Anandamid” inAnlehnung an die Sanskrit Bedeutung des Wortes„ananda” (Glückseligkeit) und die chemischeStruktur (-amid) ein. Anandamid kann die Verhal-tenseffekte von ∆9-THC, wie Hypothermie, Analge-sie, Hypomotilität und Katalepsie, nachahmen(FELDER & GLASS, 1998). Anandamid wurde bis-her in verschiedenen Geweben nachgewiesen.Man fand es nicht nur im Gehirn, sondern auch inden Hoden, den Nieren, im Herz und in der Milz. ImGehirn wurden die höchsten Konzentrationen imHippokampus und in angrenzenden archikortikalenArealen, im Thalamus, im Striatum und im Cerebel-lum gemessen. Die Anandamid-Level im Gehirnsind dabei mit denen der klassischen Neurotrans-mitters Dopamin und Serotonin vergleichbar, aberetwa 10-mal geringer als die von Glutamat undGABA. Die zellulären Effekte von Anandamid sindschwächer als die von ∆9-THC. Sie sind jedochschneller und von kürzerer Dauer. In geringen Do-sierungen kann Anandamid sowohl stimulierendals auch inhibierend wirken und damit auch dieWirkung von ∆9-THC abschwächen. Eine Modulie-rung der ∆9-THC-Effekte durch Endocannabinoidekönnte somit ein neurochemischer Mechanismusfür die starke Abhängigkeit der subjektiven undVerhaltenseffekte von Cannabis vom jeweiligen„Setting“, d. h. der gerade herrschenden Umge-bungssituation, sein.

Neben Anandamid wurden noch weitere Endo-cannabinoide identifiziert. Mit 2-Arachidonyl-glyce-rol (2-AG) identifizierten MECHOULAM et al. (1995)und SUGIURA et al. (1995) einen weiteren endoge-nen Liganden mit Affinität zu Cannabinoidrezepto-ren, der nach Stimulation im Hippokampus ausge-schüttet wird und inhibitorisch auf die Induzierungvon Langzeitpotenzierung wirkt (STELLA et al.,1997). Weitere in der Folge identifizierte Moleküle,die als endogene Cannabinoidrezeptor-Ligandendiskutiert werden, sind 2-Arachidonyl-glycerylether(Noladin), O-Arachidonoyl-ethanolamine (Virhoda-mine) und N-Arachidonoyl-dopamin (Di MARZO &DEUTSCH, 1998; De PETROCELLIS et al., 2004).Diese Cannabinoidrezeptor-Liganden haben einesgemeinsam: Sie binden nicht ausschließlich an die

bekannten Cannabinoidrezeptoren. Anandamidbesitzt z. B. auch eine Affinität zum Vanilloid-Re-zeptor, der an der Schmerzverarbreitung beteiligtist (Di MARZO et al., 2000, 2001; PRICE et al.,2004).

Um als eigenständiges Transmittersystem klassifi-ziert zu werden, ist jedoch der Nachweis von Re-zeptoren und endogenen Liganden nicht hinrei-chend. Erst die Kenntnis der Synthese, Speiche-rung und Ausschüttungsmechanismen sowie derInaktivierung berechtigen zu dieser Annahme (DiMARZO et al., 1998). Für einige endogene Canna-binoide konnten bereits die Synthesewege identifi-ziert werden. Man nimmt an, dass Anandamid ent-weder durch eine Kondensation von Arachi-donsäure und Ethanolamin oder durch eine Phos-pholipase-D katalysierte Hydrolyse von ehemaligenmodifizierten Membranbestandteilen (N-Arachido-noyl-phosphatidyl-ethanolamin) synthetisiert wird(Di MARZO et al., 1994). Da Anandamid stark lipo-phil ist, kann es nicht wie klassische Transmitter inVesikeln gespeichert werden. Man geht mittlerwei-le von einer De-novo-Synthese und Ausschüttungnach Bedarf aus, ohne dass es zu einer Speiche-rung in Vesikeln kommt (PIOMELLI et al., 1998). DieAnandamid-Biosynthese erfolgt nach Membrande-polarisation, welche zunächst einen Calcium-Ein-strom in die Zelle bewirkt. Dieser stimuliert die Frei-setzung des Anandamit-Vorgänger-Moleküls ausder Zellmembran, was wiederum zu einer Stimulie-rung von Phospholipase D führt, die das Molekülzu Anandamid umsetzt (Di MARZO & DEUTSCH,1998). Anandamid wird dabei in der Zelle syntheti-siert. Die Ausschüttung erfolgt dann entweder übereinen Membrantransporter oder über Lipid-binden-de Proteine. Man geht davon aus, dass Anandamidverglichen mit klassischen Neurotransmittern alslangsamer Transmitter wirkt. Ähnlich wie für ande-re modulierende Transmitter (AGNATI et al., 1995;DESCARRIES & UMBRIACO, 1995) nimmt man so-wohl eine synaptische als auch eine extrasynapti-sche Wirkung von Anandamid an. Nach der Aus-schüttung muss es wieder inaktiviert bzw. aus demExtrazellulärraum entfernt werden. Dies geschiehtüber einen Anandamid-Transportmechanismus inNeuronen und Astrozyten (BELTRAMO et al.,1997). Ein bestimmter Teil des ausgeschüttetenAnandamids gelangt jedoch auch durch passiveDiffusion zurück in die Zelle. Nach der Wiederauf-nahme gelangt Anandamid zeitweise in einen Li-pidspeicher. Es wird dann durch das membrange-bundene Enzym Fettsäureamid-Hydrolase zu Ara-

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chidonat und Ethanolamin hydrolysiert (Di MARZOet al., 1994; PIOMELLI et al., 1998).

1.7.3 Die Funktion des endogenen Cannabi-noidsystems

Ausgehend von der Lokalisation der CB1-Rezepto-ren im Hippokampus, den Basalganglien und imCerebellum kann von einer Rolle des endogenenCannabinoidsystems bei Gedächtnisprozessenund bei der motorischen Kontrolle ausgegangenwerden. Es konnte gezeigt werden, dass CB1-Re-zeptoren einen stimulierenden Effekt auf die loko-motorische Aktivität haben (ZIMMER et al., 1999).Die Effekte einer pharmakologischen CB1-Rezep-tor-Stimulierung sind jedoch sehr dosisabhängig.Lediglich eine niedrige bis moderate Aktivierungdes CB1-Rezeptors führt zu einem Anstieg der Lo-komotion. Eine starke Aktivierung kann dagegen zuHypoaktivität und Katalepsie führen (für eine Über-sicht siehe: van der STELT & DI MARZO, 2003).

Besonders die Beteiligung an den physiologischenProzessen, die Lernen und Gedächtnis zugrundeliegen, wurde intensiv untersucht (SULLIVAN,2000). Die gewonnenen Befunde weisen auf eineRolle des endogenen Cannabinoidsystems als re-trogrades Botensystem im Hippokampus hin.Dabei bewirken endogene Cannabinoide eine Un-terdrückung der depolarisations-induzierten Hem-mung der GABA-Transmission, die zu einer verrin-gerten GABA-Ausschüttung führt (WILSON & NI-COLL, 2001). Endocannabinoide fungieren als re-trograde Signale von depolarisierten postsynapti-schen Neuronen zurück zu präsynaptischen Termi-nalen, wo sie zu einer Verringerung der Transmit-terausschüttung führen (OHNO-SHOSAKU et al.,2001). Diese Inhibierung ist bei starker Aktivierungmit einer faszilitierenden Rolle bei der Ausbildungvon Langzeitpotenzierung (LTP) assoziiert. Die In-duktion von LTP wird allgemein als ein physiologi-sches Korrelat für die Gedächtnisbildung diskutiert(z. B. BLISS & COLLINGRIDGE, 1993; KANDEL,2001). Es konnte aber auch gezeigt werden, dassendogene Cannabinoide die Ausbildung von LTPund Langzeit-Inhibierung (LTD) im Hippokampusinhibieren können (STELLA et al., 1997; SULLIVAN,2000). Eine tonische Inhibierung von LTP durchCB1-Rezeptoren wurde auch durch Studien anMäusen ohne funktionalen CB1-Rezptor (CB1-Re-zeptor-Knock-out) nachgewiesen (BOHME et al.,2000). Die inhibitorische Wirkung des CB1-Rezep-tors auf die Ausbildung von LTP und LTD ist mögli-cherweise das physiologische Korrelat für die kon-

sistent beobachteten Gedächtnisdefizite nachCannabinoidrezeptor-Aktivierung (HAMPSON &DEADWYLER, 1999) oder für die gedächtnisför-dernden Effekte nach pharmakologischer Cannabi-noidrezeptor-Blockade (TERRANOVA et al., 1996).Neuere Forschungen mit CB1-Rezeptor-Knock-Out-Mäusen legen zudem eine Rolle des Endo-cannabinoidsystems bei der „spontanen” Extinkti-on von aversiven Gedächtnisinhalten nahe, wobeidie Ausbildung und Konsolidierung aversiverGedächtnisinhalte scheinbar CB1-Rezeptor-unab-hängig sind (MARSICANO et al., 2002b).

Neben der Beteiligung des endogenen Cannabi-noidsystems an Lernen und Gedächtnis wurdeauch eine Beteiligung an emotionalem Verhaltengefunden. Eine pharmakologische Stimulierungdes Cannabinoidsystems führt dabei zu einer Ver-ringerung aggressiven Verhaltens bei Mäusen, Rat-ten und nicht-humanen Primaten (MICZEK, 1978).Dagegen wurde nach pharmakologischer Blockadedes CB1-Rezeptors ein Anstieg von Angst-indu-ziertem Verhalten gemessen (NAVARRO et al.,1997). CB1-Rezeptoren scheinen darüber hinausauch an der Regulierung des Arousal-Levels undan der Kontrolle des Schlaf-Wach-Rhythmus betei-ligt zu sein (SANTUCCI et al., 1996).

Sowohl zentrale CB1- als auch periphere CB2-Re-zeptoren spielen eine wichtige Rolle bei derSchmerzverarbeitung. Eine verringerte Aktivierungdes CB1-Rezeptors führt zu Hyperalgesie (RICH-ARDSON et al., 1997; 1998), was einen tonisch in-hibitorischen Einfluss des CB1-Rezeptors auf dieSchmerzwahrnehmung nahe legt. Stimulierung mit∆9-THC führt dagegen zu Hypoalgesie, die zumin-dest teilweise CB1-Rezeptor unabhängig ist (LE-DENT et al., 1999; ZIMMER et al., 1999). In der Pe-ripherie inhibieren CB1- und CB2-Rezeptoren synergistisch die Induktion von Schmerz-induzier-tem Verhalten (CALIGNANO et al., 1998). Auf zel-lulärer Ebene haben Cannabinoide konsistent neu-roprotektive Effekte, die jedoch in Neuronen nurzum Teil über den CB1-Rezeptor vermittelt werden(HAMPSON et al., 1998; MARSICANO et al.,2002a; 2003).

1.7.4 Das endogene Cannabinoidsystem undDrogeneffekte

Die Entdeckung des endogenen Cannabinoidsys-tems geht ursprünglich auf die Erforschung derWirkung von Cannabis und dessen psychoaktivemBestandteil ∆9-THC zurück. Parallel dazu wurden

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auch andere neurochemische Systeme erforscht,von denen man heute annimmt, dass sie die physiologische Grundlage für die akuten und chro-nischen Verhaltenseffekte von Drogen mit hohemSuchtpotenzial bilden (FELDMAN et al., 1997). Man geht heute davon aus, dass Suchtdrogen wieHeroin oder Kokain ihre Verstärkerwirkung durcheine Interaktion mit dem Belohnungssystem desGehirns entfalten (GARDNER, 1997; SPANAGEL & WEISS, 1999; HASENÖHRL et al., 2002). Chroni-sche Effekte auf das Verhalten werden zudem überdie Ausbildung eines so genannten „Sucht-gedächtnises“, das zum Teil auch außerhalb desBelohnungssystems lokalisiert sein dürfte, mediiert(HYMAN & MALENKA, 2001; NESTLER, 2002). Der Zugriff auf das Belohnungssystem hängt dabeivon dem charakteristischen Wirkungsmechanis-mus der Suchtdroge ab. Als neurochemisches Kriterium für das mögliche Suchtpotenzial einerDroge wird häufig deren Effekt auf die dopaminer-ge Aktivität im Nucleus accumbens herangezogen,da gezeigt werden konnte, dass Drogen, die vomMenschen präferiert werden, zu einem Anstieg derDopamin-Konzentration im Nucleus accumbensführen. Nicht präferierte Drogen führen dagegennicht zu einem Dopamin-Anstieg im Nucleus accumbens (Di CHIARA & IMPERATO, 1988;KOOB, 1992; PONTIERI et al., 1995). Neuere Forschungen stellen jedoch die alleinige Rolle vonDopamin im Nucleus accumbens in Frage (ROCHAet al., 1998; SORA et al., 2001; MÜLLER et al.,2002). Demnach scheint für die Expression der Verstärkereffekte einer Droge neben dem dopa-minergen System zumindest auch das serotonergeSystem eine wichtige Rolle zu spielen (z. B. MÜL-LER et al., 2003a). Auch für ∆9-THC wurde akut einAnstieg der dopaminergen Aktivität im Nucleus accumbens gefunden (TANDA et al., 1997), jedochauch ein Abfall der serotonergen, noradrenergenund cholinergen Aktivität in anderen verstärkungs-relevanten Hirnstrukturen (GIFFORD & ASHBY,1996; SCHLICKER et al., 1997; EGASHIRA et al.,2002). Damit unterscheiden sich, anders alszunächst angenommen (WICKELGREN, 1997), die akuten neurochemischen Effekte von ∆9-THCinnerhalb suchtrelevanter Transmittersystemedeutlich von denen anderer Suchtdrogen wie Kokain (MÜLLER et al., 2003b) oder Heroin (DiCHIARA & NORTH, 1992). Den deutlichen Unter-schieden bei den neurochemischen Effekten stehtauf der Verhaltensebene eine unterschiedlicheAusprägung der Verstärkereffekte gegenüber.Während diese bei Morphin und Kokain dosis-

abhängig ansteigen, fand man für ∆9-THChauptsächlich aversive Effekte bei allen untersuch-ten Dosierungen. Innerhalb des Paradigmas derkonditionierten Platzpräferenz, mit dem die Ver-stärkereffekte einer Droge im Tiermodell gemessenwerden können (TZSCHENTKE, 1998), bewirkten∆9-THC und die synthetischen Cannabinoide CP 55,940 und WIN 55212-2 eine Platzaversion,was für aversive und nicht für verstärkende Effektevon ∆9-THC spricht (LEPORE et al., 1995; McGREGOR et al., 1996; SANUDO-PENA et al.,1997; CHAPERON et al., 1998; MALLET & BENNINGER, 1998). Diese Beobachtungen werdenzusätzlich durch Befunde gestützt, die eine Platz-präferenz nach pharmakologischer Blockade desCB1-Rezeptors mittels des CB1-Rezeptor-Antago-nisten SR 141716 beobachtet haben (SANUDO-PENA et al., 1997). In ihrer Eigenschaft, Platz-aversion hervorzurufen, unterscheiden sich Canna-binoide deshalb deutlich von anderen bekanntenSuchtdrogen, die zu einer deutlichen Platzpräfe-renz führen (TZSCHENTKE, 1998) und bei denenunter anderem diese Verstärkereigenschaften fürdas hohe Suchtpotenzial verantwortlich gemachtwerden (ROBINSON & BERRIDGE, 2003). Es mussan dieser Stelle jedoch eingeräumt werden, dass in experimentellen Humanstudien auch Hinweiseauf Verstärkereigenschaften von ∆9-THC gefundenworden sind (CHAIT & ZACNY, 1992). Außer für Cannabinoide ist für keine der bisher bekanntenSuchtdrogen eine Affinität zum CB1- oder CB2-Rezeptor bekannt. Allerdings konnte gezeigt werden, dass die Verstärkereigenschaften vonOpiaten in starkem Maße vom CB1-Rezeptor ab-hängen. Fehlt ein funktionaler CB1-Rezeptor, wiebei CB1-Rezeptor-Knock-Out-Mäusen, verliert Morphin seine Verstärkerwirkung (MARTIN et al.,2000) und wird nicht mehr selbst verabreicht (LEDENT et al., 1999; COSSU et al., 2001). Mor-phin führt dann nicht mehr zu einem Anstieg derDopamin-Konzentration im Nucleus accumbens(MASCIA et al., 1999). Diese Befunde legen dieVermutung nahe, dass zumindest ein Teil der verstärkenden Effekte von Morphin über CB1-Rezeptoren vermittelt wird. Dagegen sind die Verstärkereffekte von KoKain, Amphetamin und Nikotin scheinbar CB1-Rezeptor unabhängig(MARTIN et al., 2000; COSSU et al., 2001).

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2 Zielsetzung der Studie

Seit die Fahrerlaubnisverordnung im Jahre 1998geändert und an die europäischen Vorschriften an-gepasst wurde, sind durch das geänderte Rechtzum Drogenkonsum im Straßenverkehr vermehrtpraktische Erfahrungen gewonnen worden. Zu-gleich sind neuere experimentelle Erkenntnisseüber die verkehrssicherheitsrelevanten Folgen desCannabisgebrauchs verfügbar. Beide Kenntnis-quellen sind nicht nur für die strafrechtliche Beur-teilung der aktuellen Fahrtüchtigkeit von Bedeu-tung, sondern stellen zugleich auch die wissen-schaftliche Basis der – für die Betroffenen recht fol-genreichen – verwaltungsrechtlichen Vorschriftenzur Überprüfung und Beurteilung der Fahreignungdar. Ziel dieser Studie ist die Aktualsierung und Zu-sammenfassung des gegenwärtigen Kenntnisstan-des zu dieser Problematik.

Christian P. Müller, Bianca Topic und Joseph P. Huston

2.1 Ziele der Literaturanalyse

Im Rahmen einer Literaturanalyse sollen die aktuel-len wissenschaftlichen Befunde zur Beeinträchti-gung verkehrssicherheitsrelevanter Leistungen zu-sammengefasst und ausgewertet werden. Dabei istzunächst zu klären, welche neuropsychologischenund psychiatrischen Defizite bei akutem Cannabis-konsum auftreten und ob deren Auftreten mit denphysiologischen und chemisch-toxikologischenMarkern korreliert. Weiterhin soll aufgezeigt werden,welche neuropsychologischen, psychiatrischen undneurologischen Langzeiteffekte bei regelmäßigemCannabiskonsum, bzw. Cannabisabhängigkeit auf-treten. Hier ist die Frage zu klären, ob regelmäßigerKonsum oder Cannabisabhängigkeit auch ohneakuten Cannabiskonsum (d. h. auch in Abstinenz-phasen) zu chronischen verkehrssicherheitsrelevan-ten Verhaltensdefiziten führt und ob diese wiederummit physiologischen oder/und chemisch-toxikologi-schen Markern korrelieren. Dabei sollen insbeson-dere Adaptationen im Cannabiskonsum beim Über-gang von einem gelegentlichen zu einem regelmäßi-gen Konsum ausgewertet werden, wie z. B. die Kon-trolle der eingenommenen Dosis, eine veränderteSelbsteinschätzung der Cannabiswirkung. Abzu-klären ist auch, inwieweit sich zu erwartende Leis-tungsdefizite in einfacher, einheitlich durchführbarerWeise klinisch-diagnostisch ermitteln lassen.

Peter Strohbeck-Kühner, Beate Lutz, Gisela Skopp und Rolf Aderjan

2.2 Ziele der Analyse forensisch-toxikologischer Fälle

Neben diesen durch die Literaturanalyse gewonne-nen Einschätzungen bezüglich der verschiedenenEinnahmekonstellationen, die zu verkehrsrelevan-ten Verhaltensdefiziten führen können, sollen unterBeachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben tat-sächlich im Straßenverkehr beobachtete Auf-fälligkeiten unter Berücksichtigung der gemesse-nen Cannabinoid-Plasmakonzentrationen betrach-tet werden. Als Untersuchungsgut dienen hier die im Institut für Rechtsmedizin und Verkehrs-medizin Heidelberg in 3 Jahren (2000–2002) alsCannabinoid-positiv ermittelten Fälle, bei denenkeine Anhaltspunkte für den Beikonsum weitererpsychotroper Substanzen, z. B. Alkohol oderBetäubungsmittelwirkstoffe, vorlagen. Bei den Personen, deren Blutproben im Rahmen von Poli-zeikontrollen oder im Anschluss an einen Verkehrs-unfall routinemäßig auf Cannabinoide untersuchtwurden, wird nach Zustimmung durch die Staats-anwaltschaft und Anonymisierung der Daten geprüft, ob und falls ja welcher Zusammenhangzwischen den analytisch ermittelten Konzentra-tionen an ∆9-THC sowie seiner Metaboliten undden Auffälligkeiten, die im ärztlichen Blutentnah-meprotokoll sowie im polizeilichen Bericht ver-merkt sind, besteht.

Auf Basis der in der Literatur verfügbaren Informa-tionen zur Kinetik von ∆9-THC und zu Konzentra-tionen an Cannabinoiden bei verschiedenen Kon-summustern können die forensisch-toxikologischuntersuchten Fälle anhand der gemessenen Kon-zentrationen einer orientierenden Einteilung z. B. ingelegentliche (akute oder zurückliegende) oderaber regelmäßige (akute oder zurückliegende) Kon-sumenten unterzogen werden.

Hierdurch zeichnet sich die Möglichkeit ab, Kon-zentrationskonstellationen herauszuarbeiten, beidenen im Straßenverkehr sowie bei der polizeili-chen und ärztlichen Beobachtung Auffälligkeitenfestzustellen waren. Darüber hinaus können ver-schiedene, gegenwärtig im Rahmen der FeV alskritisch in Bezug auf die Fahreignung eingeschätz-te Konsummuster auf ihre tatsächliche Bedeutungim Untersuchungsgut auffälliger Kraftfahrer geprüftwerden.

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2.3 Diskussion über den Zusammen-hang von Konsummuster und Fahreignung

Grundlage für die gegenwärtig entsprechend derFeV mit dem regelmäßigen Gebrauch verbundeneEntziehung der Fahrerlaubnis ist eine verkehrszu-lassungsrechtliche konkrete Gefahr, die bei „hinrei-chender Wahrscheinlichkeit eines Schadensein-tritts” „in absehbarer Zeit” angenommen werdendarf. Es muss daher sichergestellt sein, dass beieinem als regelmäßig definierten Konsum potenzi-ell eine körperlich-geistige Minderung der Leis-tungsfähigkeit oder der Fähigkeit zu verantwortli-chen Entscheidungen eintreten kann, welche diesichere Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchti-gen.

Der Begriff „regelmäßig” im Sinne der FeV ist imRahmen einer Diskussion zu konkretisieren und essind diagnostische Kriterien sowie chemisch-toxi-kologische Marker für die Begutachtungspraxisvon Cannabiskonsumenten hinsichtlich der Ver-kehrseignung abzuleiten. Alternativ wären abwei-chend von den Begriffen „gelegentlich” oder „re-gelmäßig” anhand der erhaltenen Ergebnisse fahr-relevante kritische Einnahmekonstellationen zu dis-kutieren.

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Teil B: Literaturanalyse

3 Material und Methode

3.1 Regelmäßiger und gelegentlicherCannabiskonsum

Christian P. Müller, Bianca Topic und Joseph P. Huston

3.1.1 Die Notwendigkeit der Unterteilung

Epidemiologische Studien zeigen, dass sich dieKonsummuster einzelner Cannabiskonsumentensehr stark voneinander unterscheiden können (z. B.SCHULZE, 1999). In der deutschsprachigen Litera-tur hat sich eine dichotome Einteilung der Kon-summuster in entweder gelegentlichen oder regel-mäßigen Konsum durchgesetzt. Dabei summierenbeide Begriffe eine Vielzahl verschiedener Eintei-lungen, so wie sie in wissenschaftlichen Studienmit Cannabiskonsumenten vorgenommen wurden.Beide Begriffe beinhalten mehrere Dimensionen,die das eigentliche Konsummuster eines Canna-biskonsumenten beschreiben. Dazu zählen a) dieHäufigkeit oder Frequenz des Konsums, b) die zeit-liche Dauer des Konsums und c) die konsumierteMenge Cannabis pro Konsumphase (Bild 4). Unterder Häufigkeit oder Frequenz des Konsums kanndabei die Anzahl der Konsumphasen pro Zeitein-heit, z. B. pro Woche, Tag oder Jahr, verstandenwerden. In der englischsprachigen Forschungslite-ratur entsprechen dieser Dimension Begriffe wie

„frequent“, „infrequent“, „occasional“, „casual”oder „intermittent“. Diese Dimension des Konsum-musters einer Person stellt zudem die am häufigs-ten zur Klassifizierung herangezogene Größe dar.Unter der zeitlichen Dauer des Konsums kann dieZeitspanne vom erstmaligen Konsum bis zum ge-genwärtigen Zeitpunkt oder bis zum Einhalten einerAbstinenz verstanden werden. Dieser Dimensionentsprechen in der englischsprachigen LiteraturBegriffe wie „long term“, „short term” oder auch„chronic“. Unter der konsumierten Menge Canna-bis pro Konsumphase ist streng genommen dieMenge an ∆9-THC in einem „Joint” oder in einerZubereitung für den oralen Konsum zu verstehen,die in einer einzigen, zeitlich abgrenzbaren Sessionkonsumiert wird. Eine solche Konsumphase kannunterschiedlich lang sein und die Einnahme mehre-rer Einzelpräparate, wie z. B. Joints, umfassen. Be-züglich der einzelnen Dimensionen des Konsumsist besonders hervorzuheben, dass diese in gewis-sem Maße voneinander unabhängig variiert werdenkönnen. So kann z. B. jemand sehr lange schonCannabis konsumieren, aber nur in geringer Fre-quenz (z. B. 1-mal pro Woche) und Menge (z. B. einJoint mit geringer ∆9-THC-Menge). Dagegen kannein anderer Konsument ebenfalls einen sehr langenKonsum aufweisen, diesen aber mit sehr hoherFrequenz (z. B. mehrmals täglich) und hoher Kon-summenge (z. B. Cannabis mit hohem ∆9-THC-Gehalt). Wenn man also eine dichotome Einteilungaller Cannabiskonsumenten vornehmen möchte,müssen diese Faktoren zumindest mit berücksich-tigt werden, und es sollte stets klar sein, dass Kon-sumenten die in eine der beiden Gruppen, gele-gentliche oder regelmäßige Konsumenten, einge-ordnet werden, im Detail durchaus sehr unter-schiedliche Konsummuster aufweisen können.

Warum sollte überhaupt eine Unterteilung in gele-gentliche und regelmäßige Konsumenten sinnvollsein? Der Grund dafür liegt wahrscheinlich im prin-zipiellen Verständnis der Effekte von Suchtdrogenund der Annahme, dass Cannabis eine solche dar-stellt (ZIMMER & MORGAN, 1997). Es wird davonausgegangen, dass der nur gelegentliche Konsumeiner Suchtdroge noch nicht ausreicht, um über dieakuten Effekte hinaus noch weitere physiologischeund Verhaltenseffekte zu induzieren, die eine Klassifizierung der Droge als Substanz mit Sucht-potenzial rechtfertigen würde. Der gelegentlicheKonsum wird deshalb auch nur mit geringen so-zioökonomischen Konsequenzen in Verbindunggebracht. Mit Ausnahme der akuten und postaku-

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Bild 4: Die drei Dimensionen des Cannabiskonsums

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ten Effekte geht demnach vom gelegentlichen Kon-sum in der Regel ein eher geringes Gefahrenpoten-zial aus (ALTMAN et al., 1996). Im Gegensatz dazuumfasst der regelmäßige Konsum einer Suchtdro-ge all jene konkreten Konsummuster, die mitschwerwiegenden Konsequenzen für den Konsu-menten, aber auch für seine Umgebung assoziiertsind. Dazu zählt in erster Linie das Entwickeln einerAbhängigkeit oder Sucht von der Droge. Dies gehtmit einem Verlust der Kontrolle über die Drogenein-nahme einher. Die Beschäftigung mit der Droge,die Beschaffung der Droge und die Einnahme derDroge bekommen einen zwanghaften Charakter.Im Falle der Drogensucht wird davon ausgegan-gen, dass eine betroffene Person den Konsum derDroge und andere Tätigkeiten, wie z. B. Fahrzeug-führen oder das Ausüben eines Berufes, nicht mehrgenügend trennen kann. Das Gefahrenpotenzial,das vom regelmäßigen Drogenkonsum für den Ein-zelnen und sein soziales und gesellschaftlichesUmfeld ausgeht, wird dementsprechend als sehrhoch eingestuft (COX et al., 1983). Es kann als sehrwahrscheinlich angesehen werden, dass sich diedichotome Einteilung der Konsummuster historischaus der Einteilung der Konsumenten so genannter„harter Drogen” wie Kokain und Heroin ableitet(ABEL, 1980). Die Übernahme dieser Klassifizie-rung für die Cannabiskonsumenten hat aber auchdie Gefahrenbewertung, die mit der Klassifizierungverbunden ist, übernommen, ohne dass dafürgenügend stichhaltige Evidenzen vorlagen (ABEL,1980). So ist zum Beispiel bis heute nicht klar, obes eine Cannabisabhängigkeit gibt, die in derZwanghaftigkeit der Einnahme z. B. mit der einesCocain-Binges vergleichbar ist (GAWINL, 1991),oder ob eine regelmäßige Einnahme von Cannabistatsächlich zu so schweren und lang anhaltendenneurologischen und psychiatrischen Defiziten führt,wie es für Alkohol beschrieben wurde (z. B. FELD-MAN et al., 1997). Die Frage, ob eine dichotomeEinteilung der Cannabiskonsumenten, analog zurEinteilung der Konsumenten so genannter „harterDrogen” (z. B. MÜLLER et al., 2004), wirklich sinn-voll ist, bleibt also noch zu klären. Fest steht je-doch, dass die wissenschaftliche Literatur, die sichmit der Erforschung der Auswirkungen des Canna-biskonsums beschäftigt, eine, wenn auch unschar-fe und nicht standardisierte Einteilung vorgenom-men hat. Insbesondere im Verlauf der Etablierunginferenzstatistischer Methoden in der Cannabisfor-schung zu Beginn der 70er Jahre war es nötig, eineVergleichbarkeit der untersuchten Stichproben (d. h. der Cannabiskonsumenten) unter anderem

hinsichtlich ihrer Cannabisvorerfahrung zu gewähr-leisten. Die Festlegung, welche konkreten Kon-summuster dabei als miteinander vergleichbar gal-ten, war somit unumgänglich, hat aber auch zusehr verschiedenen Ergebnissen bezüglich der ver-wendeten Begriffsdefinitionen geführt (siehe auch:SKOPP et al., 1999; BERGHAUS, 2002). Die Aus-sagen zum Cannabiskonsum, die auf gut kontrol-lierten wissenschaftlichen Studien basieren, lassensich heute anhand der untersuchten Konsumen-tengruppen ordnen. Ob nach Auswertung der Ef-fekte von Cannabis auf gelegentliche und regel-mäßige Konsumenten tatsächlich eine dichotomeEinteilung noch sinnvoll ist, soll im Folgenden ge-klärt werden.

3.1.2 Verhaltenskriterien zur Differenzierungeines gelegentlichen von einem regel-mäßigen Konsum

Gelegentlicher kann von regelmäßigem Cannabis-konsum anhand der oben definierten Konsumdi-mensionen getrennt werden. Dabei handelt es sichausschließlich um Verhaltenskriterien, d. h. um Ver-halten, das prinzipiell beobachtbar ist. Es mussaber in diesem Zusammenhang angemerkt wer-den, dass man anhand der beobachteten Einnah-me von Cannabis keine eindeutigen Aussagen überdie tatsächlich bioverfügbare Menge von ∆9-THCmachen kann. Dies geht nur anhand der toxikologi-schen Messung der ∆9-THC-Konzentration im Blutbzw. damit korrespondierender Marker (ADAMS &MARTIN, 1996). Parallel zu einer Konsumenten-klassifizierung nach Verhaltenskriterien sollte des-halb auch eine Klassifizierung nach toxikologi-schen Markern, d. h. anhand der Frage, wie viel∆9-THC tatsächlich bioverfügbar in den Organis-mus gelangt ist, möglich sein. Die Frage, wie dieVerhaltenskriterien mit toxikologischen Kriterienkorrespondieren, muss jedoch erst noch geklärtwerden.

Eine Einteilung der Cannabiskonsumenten anhandvon Verhaltenskriterien in gelegentliche und regel-mäßige Konsumenten wurde bisher sehr häufig inder Forschungsliteratur vorgenommen. Dennochgibt es noch immer keine allgemein anerkannte De-finition (für eine Diskussion siehe: SKOPP et al.,1999; BERGHAUS, 2002). Um eine gezielte Analy-se der Literatur vornehmen zu können, ist eine hin-reichend klare Definition jedoch unbedingt erfor-derlich. Eine gültige Definition der Begriffe „gele-gentlicher” und „regelmäßiger Konsum” kanndabei letztlich nur aufgrund einer Einigungsproze-

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dur unter Experten erarbeitet werden. In diesemRahmen kann deshalb nur ein Vorschlag gemachtwerden, der möglichst viele Klassifizierungen ausder vorhandenen Literatur berücksichtigt.

Um die Klassifizierung der Cannabiskonsumentenanhand ihres Konsums zu analysieren, wurden diein diesem Projekt ausgewerteten Studien zumThema Cannabis auf die Verwendung eines Klassi-fizierungsschemas durchgesehen. Klassifizierun-gen wurden dabei entweder in Einzelarbeiten vor-genommen, um die untersuchten Versuchsgrup-pen zu definieren bzw. einzuschränken, oder inÜbersichtsarbeiten als eine Diskussionsgrundlage.Bei den analysierten experimentellen Arbeiten han-delte es sich entweder um epidemiologische, phar-makologisch-toxikologische oder Verhaltensstudi-en zum Thema Cannabis. Bei der Erstellung einerÜbersicht über die verwendeten Klassifizierungenkonnten zudem nur Studien berücksichtigt werden,die neben einem nachvollziehbaren Begriffsinven-tar (z. B. „light user“) auch noch eine damit im Zu-

sammenhang stehende Verhaltensquantifizierungvornahmen. Die am häufigsten verwendete Dimen-sion zur Klassifizierung der Konsumenten war die„Häufigkeit oder Frequenz des Konsums“, bezo-gen auf die Zeiträume Tag, Woche oder Monat. Diehier vorgeschlagene Begriffsdefinition basiert des-halb ausschließlich auf dieser Konsumdimension.Folgende, in den einzelnen Studien verwendetenBegriffe wurden als Umschreibung des gelegentli-chen Konsums zusammengefasst: „gelegentlich“,„light“, „ocassional“, „casual“, „infrequent” und„intermittent“. Unter regelmäßigem Konsum wur-den folgende Begriffsinventare zusammengefasst:„regelmäßig“, „schwer“, „Langzeit“, „heavy“,„chronic” und „frequent“. Einige der analysiertenStudien nahmen dabei keine Zweiteilung der Kon-sumentenpopulation vor, sondern eine Dreiteilung.Neben gelegentlichem und regelmäßigem Konsumwird dabei von einem „mittleren Konsum” gespro-chen, der auch als „intermediate” und „moderate”beschrieben wurde. Tabelle 2 zeigt, welche Kon-sumhäufigkeiten mit entweder gelegentlichem,

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Tab. 2: Einteilung der Cannabiskonsumenten in experimentellen Studien und Übersichtsarbeiten. Dargestellt sind nur Studien, dieeine explizite Zuordnung zu mindestens einer Konsumentengruppen vornehmen. Die verwendeten Einordnungen wurdendabei anhand in der relevanten Literatur verwendeter Begriffe wie folgt vorgenommen: „gelegentlich” = light, occasionaly,casual, infrequent, intermittend; „mittel” = intermediate, moderate; „regelmäßig” = regelmäßig, schwer, Langzeit, heavy,chronic, frequent. Die in Klammern angegebene Dauer des Konsums bezieht sich jeweils auf Mittelwerte in Jahren

Klassifizierung desKonsums als:

MonatKonsumpro Woche

Tag Art der Studie Referenz

gelegentlich < 1 --- --- Revoew ROBBE (1994)

gelegentlich 1 --- --- neuropsychlogische Studie POPE et al. (1997)

gelegentlich ≤ 2-3 --- --- Urin- und Blutanalyse KELLY & JONES (1992)

gelegentlich > 2 --- --- neuropsychologische Studie JONES (1971)

gelegentlich 3 --- --- neuropsychologische Studie GRUBER & YURGELUN-TODD (1996)

gelegentlich 1-4 --- --- Fahreignungsstudie REEVE et al. (1983)

gelegentlich 1-4 --- --- epidemiologische Studie MIRIN et al. (1971)

gelegentlich 2-4 --- --- neuropsychologische Studie BRUHN & MAAGE (1975)

gelegentlich --- < 1 --- Urinanalyse ELLIS et al. (1985)

gelegentlich --- < 1 --- Urinanalyse JOHANSSON et al. (1990)

gelegentlich --- < 1 --- Urinanalyse SMITH-KIELLAND et al. (1999)

gelegentlich --- < 1 --- Urinanalyse SKOPP et al. (1999)

gelegentlich --- < 1 --- Befragung zu Konsumgewohnheiten KLEIBER & SOELLNER (1998)

gelegentlich --- ≤ 1 -- neuropsychologische Studie MEYER et al. (1971)

gelegentlich --- ≤ 1 --- Review POPE et al. (1995)

gelegentlich --- 1 --- neuropsychologische Studie HOSKO et al. (1973)

gelegentlich (> 1 J.) 8 --- --- neuropsychlogische Studie ROSSI et al. (1977)

gelegentlich --- 1-2 --- neuropsychologische Studie BEAUTRAIS & MARKS (1976)

gelegentlich --- ≤ 2 --- Flugsimulatorstudie JANOWSKY et al. (1976)

gelegentlich --- ≤ 2 --- ERP-Studie SOLOWIJ (1998)

gelegentlich --- ≤ 2 --- Motivationsstudie CREASON & GOLDMAN (1981)

gelegentlich (6 J.) < 10 --- --- PET-/Verhaltensstudie O’LEARY et al. (2002)

gelegentlich (5.3 J.) 11.5 --- --- Verhaltensstudie MENDELSON et al. (1976)

gelegentlich --- ≤ 3 --- neuropsychologische Studie RICKLES et al. (1973)

gelegentlich --- ≤ 3 --- Konsumentenbefragung MUSTY & KABACK (1995)

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Tab. 2: Fortsetzung

Klassifizierung desKonsums als:

MonatKonsumpro Woche

Tag Art der Studie Referenz

gelegentlich --- 1-4 --- neuropsychologische Studie BLOCK & GHONEIM (1993)

gelegentlich --- 2-4 --- neuropsychologische Studie MILLER et al. (1977a, 177b, 1977c)

gelegentlich --- --- < 1 Urin- und Speichelanalyse NIEDBALA et al. (2001a, 2001b)

mittel ~ 7 --- --- neuropsychologische Studie BRAFF et al. (1981)

mittel --- ≥ 3 --- Flugsimulatorstudie JANOWSKY et al. (1976)

mittel --- 1-4 --- Review POPE et al. (1995)

mittel --- 3-4 --- neuropsychologische Studie BEAUTRAIS & MARKS (1976)

mittel ~ 20 --- --- Befragung zu Konsumgewohnheiten KLEIBER & SOELLNER (1998)

mittel --- 1-6 --- neuropsychologische Studie HEISHMAN et al. (1997)

mittel --- 2-6 --- Urinanalyse ELLIS et al. (1985)

mittel --- 2-6 --- Fahreignungsstudie REEVE et al. (1983)

mittel --- 5-6 --- neuropsychologische Studie BLOCK & GHONEIM (1993)

mittel --- 1-7 --- Urinanalyse SKOPP et al. (1999)

mittel --- --- ≤ 1 neuropsychologische Studie BRUHN & MAAGE (1975)

mittel --- --- ≥ 1 Review AGURELL et al. (1986)

regelmäßig --- > 2 --- ERP-Studie SOLOWIJ (1998)

regelmäßig (< 5 J.) > 11 --- --- neuropsychologische Studie RAY et al. (1979)

regelmäßig --- 3 --- neuropsychologische Studie HOSKO et al. (1973)

regelmäßig --- ≥ 3 --- Motivationsstudie CREASON & GOLDMAN (1981)

regelmäßig --- ≥ 3 --- Konsumentenbefragung REILLY et al. (1998)

regelmäßig --- ≥ 4 --- Konsumentenbefragung MUSTY & KABACK (1995)

regelmäßig (5 J.) > 20 --- --- neuropsychologische Studie VARMA et al. (1988)

regelmäßig --- ~ 6 --- Befragung zu Konsumgewohnheiten KLEIBER & SOELLNER (1998)

regelmäßig (4 J.) --- ~ 6 ~ 4 neuropsychologische Studie HART et al. (2001)

regelmäßig --- ≥ 7 --- Urinanalyse ELLIS et al. (1985)

regelmäßig --- ≥ 7 --- neuropsychologische Studie BLOCK & GHONEIM (1993)

regelmäßig --- ≥ 7 --- PET/MRT-Studie BLOCK et al. (2000)

regelmäßig --- ≥ 7 --- neuropsychologische Studie JONES (1971)

regelmäßig --- --- ~ 1 neuropsychologische Studie MEYER et al. (1971)

regelmäßig --- --- ~ 1 Urin- und Blutanalyse KELLY & JONES (1992)

regelmäßig (23.9 J.) --- --- ~ 1 neuropsychologische Studie SOLOWIJ et al. (2002a)

regelmäßig (10.2 J.) --- --- ~ 1 neuropsychologische Studie SOLOWIJ et al. (2002a)

regelmäßig --- --- ~ 1 neuropsychologische Studie BEAUTRAIS & MARKS (1976)

regelmäßig --- --- ≥ 1 Urinanalyse JOHANSSON & HALLDIN (1989)

regelmäßig --- --- ≥ 1 Urinanalyse SMITH-KIELLAND et al. (1999)

regelmäßig --- --- ≥ 1 Urin- und Speichelanalyse NIEDBALA et al. (2001a, 2001b)

regelmäßig --- --- ≥ 1 Review ROBBE (1994)

regelmäßig (< 13 J.) --- --- ≥ 1 neuropsychologische Studie POPE et al. (2001)

regelmäßig --- --- ≥ 1 Fahreignungsstudie REEVE et al. (1983)

regelmäßig --- --- > 1 Review POPE et al. (1995)

regelmäßig --- --- > 1 Urinanalyse JOHANSSON et al. (1990)

regelmäßig --- --- > 1 Urinanalyse SKOPP et al. (1999)

regelmäßig --- --- > 1 neuropsychologische Studie BRUHN & MAAGE (1975)

regelmäßig 28 --- --- Neuropsychologische Studie GRUBER & YURGELUN-TODD (1996)

regelmäßig 29 --- --- neuropsychologische Studie POPE et al. (1997)

regelmäßig (4.4 J.) 20-30 --- --- epidemiologische Studie MIRIN et al. (1971)

regelmäßig (> 2 J.) 33 --- --- neuropsychologische Studie ROSSI et al. (1977)

regelmäßig (5.6 J.) 42 --- --- Verhaltensstudie MENDELSON et al. (1976)

regelmäßig --- --- ≥ 10 Review AGURELL et al. (1986)

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mittleren und regelmäßigem Konsum in Verbindunggebracht werden. Die Häufigkeiten für gelegentli-chen Konsum reichen dabei von weniger als 1-malpro Tag bis zu weniger als 1-mal pro Monat. DerMedian der Häufigkeit des Konsums liegt bei weni-ger als 1-mal pro Woche. Nur wenige der analy-sierten Studien postulieren einen mittleren Kon-sum. Er reicht von mindestens einmal pro Tag bisminimal etwa 7-mal pro Monat, bei einem Medianvon etwa 6-mal pro Woche. Regelmäßiger Konsumweist eine Häufigkeit von mindestens 11-mal proMonat bis mehr als 10-mal pro Tag auf, wobei eineBegrenzung nach oben für diese Konsumenten-gruppe nicht vorgenommen werden kann. Der Me-dian der angegebenen Kriterien liegt bei minde-stens 1-mal pro Tag. Die Analyse ergibt damit einBild, nachdem mit gelegentlichem Konsum eineungefähre Häufigkeit von bis zu 1-mal pro Woche,mit mittlerem Konsum eine Häufigkeit von 2 bis 6-mal pro Woche und mit regelmäßigem Konsumeine Häufigkeit von mindestens 7-mal pro Wochebzw. mindestens 1-mal täglich korrespondiert.

Um bei einer Analyse der Verhaltenseffekte vonCannabis die untersuchten Cannabiskonsumentenmöglichst sicher zuordnen zu können, erscheinteine Zweiteilung der Konsumentenpopulation letzt-lich aber am sinnvollsten. Da eine nicht geringe An-zahl von Studien, die mit einer dichotomen Eintei-lung arbeiten, gelegentlichen Konsum noch bei biszu 4-mal pro Woche ansiedelt, wird vorgeschlagen,für eine Zweiteilung die Konsumenten mittlererHäufigkeit aufzuteilen und je nach Studie denen mitgeringem oder regelmäßigem Konsum zuzuordnen.Gelegentlicher Konsum von Cannabis korrespon-diert demzufolge mit einer Konsumhäufigkeit vonbis zu 4-mal pro Woche (Median: bis zu 2-mal proWoche). Um von regelmäßigem Konsum zu spre-chen, muss mindestens eine Konsumhäufigkeitvon > 4-mal pro Woche vorliegen (Median: 1-mal pro Tag).

Absolute Angaben darüber, wie viel Prozent der ge-genwärtigen Cannabiskonsumenten in Deutsch-land den so ermittelten Konsumhäufigkeiten ent-sprechen, sind schwer zu finden. Eine Erhebungaus den Niederlanden aus dem Jahr 1997 bei Per-sonen, die mindestens 12 Jahre alt waren, gibt an,dass ungefähr 59 bis 74 % der gegenwärtigenKonsumenten Gelegenheitskonsumenten und 26bis 41 % regelmäßige Konsumenten nach demoben definierten Kriterium sind (RIGTER & vanLAAR, 2002).

Gisela Skopp

3.1.3 Chemisch-toxikologische Differenzierungeines gelegentlichen von einem regel-mäßigen Konsum

Nur wenige Arbeitsgruppen haben sich bislang mitMöglichkeiten zur analytischen Differenzierung desKonsumverhaltens auseinandergesetzt. Um denVerdacht eines regelmäßigen Konsums analytischzu stützen, wurden Untersuchungen von Blut-,Urin- oder Haarproben als geeignet erachtet (OVGBautzen, 1998).

Ergebnisse aus Haaranalysen lassen für Cannabi-noide, die aufgrund ihrer physikochemischen Ei-genschaften (GARRETT & HUNT, 1974) und hohenSerumproteinbindung (WIDMAN et al., 1974; ITEN,1994) in nur geringen Konzentrationen in den Haar-schaft eingebaut werden, Aussagen zur Konsum-häufigkeit nur eingeschränkt zu (PÖTSCH et al.,1997). Ein sporadischer Konsum lässt sich auchbei Nachweisgrenzen von 0,05 ng THC/mg-Haarnur selten belegen. Bei positiven Befunden übermehrere Haarabschnitte von 1 bis 2 cm ist aller-dings von einem regelmäßigen Gebrauch auszuge-hen. Korrelationen zwischen Aufnahmemenge undKonzentration im Haar gibt es bisher nicht, wobeinachvollziehbar ist, dass kontrollierte Studien zumEinbau von Cannabinoiden in das Haar am Men-schen über längere Zeiträume aus ethischen Grün-den nicht durchführbar sind. KAUERT und RÖH-RICH (1996) erachten Konzentrationen von 0,1 bis1,0 ng THC/mg-Haar als hinweisend für einenwöchentlichen bis täglichen und Konzentrationenüber 1,0 ng THC/mg-Haar als hinweisend für einenmehrfachen, täglichen Konsum. Dem gegenüberstehen Untersuchungsergebnisse, die eine hoheVariabilität der Ergebnisse allein aufgrund umwelt-bedingter Einflüsse wie natürliche Sonneneinstrah-lung und eine exogene Kontamination des eigenenHaares beim Rauchkonsum vermuten lassen(SKOPP et al., 2000; THORSPECKEN et al., 2004).

Im Urin wurde der Nachweis freier THC-COOH alsHinweis für einen häufigen Konsum gewertet,während gelegentliche Konsumenten nur Glucuro-nide ausscheiden sollen (ALBURGES et al., 1986).Dieses Kriterium konnte in neueren Untersuchun-gen nicht bestätigt werden, da das Glucuronid inAbhängigkeit von pH-Wert und Temperatur sehrrasch hydrolisiert und sich freie THC-COOH als Ar-tefakt erwies. Eine geeignetere Unterscheidungs-möglichkeit ergab sich bei einem Vergleich

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der THC-COOH-Glucuronid-Konzentrationen – be-zogen auf 100 mg Kreatinin/dL-Urin – in unter-schiedlichen Konsumentengruppen. SKOPP et al.(1999) untersuchten Urinproben an einem Kollektivvon Entzugspatienten in Abhängigkeit von derKonsumfrequenz. Das Konsumverhalten in diesemKollektiv wurde folgendermaßen klassifiziert: regel-mäßig schwer (> 1 Joint/Tag), regelmäßig moderat(> 1 Joint/Woche, aber ≤ 1 Joint/Tag) sowie spora-disch (≤ 1 Joint/Woche). Die Glucuronidkonzentra-tionen in Urinproben, die bis zu 1 Tag nach Been-digung des Konsums entnommen wurden, ließeneine Differenzierung zwischen den einzelnen Klas-sen zu, die Mittelwerte der einzelnen Gruppen un-terschieden sich signifikant (p ≤ 0,005).

Ein Nachweis von 8,11-Dihydroxytetrahydrocanna-binol im Urin (> 15 bis 20 ng/mL) und/oder vonTHC im Blut (> 2 ng/mL) (MCBURNEY et al., 1986) lässt den Schluss auf einen allenfalls wenigeStunden zurückliegenden Gebrauch von Can-nabisprodukten zu. WALL et al. (1983) erachtenWerte ab 50 ng THC-COOH/mL-Plasma in anlass-bezogenen Proben als ausreichend, um einen regelmäßigen Gebrauch der Droge zu belegen.DALDRUP et al. (2000) gehen bei Vorliegen einerKonzentration an freier THC-COOH oberhalb von150 ng/mL im Serum von regelmäßigem Konsumaus, wenn die Blutprobe nur wenige Stunden nachdem letzten Konsum abgenommen wurde.

Insgesamt erscheint ein toxikologisches Kriteriumzur Trennung von gelegentlichem und regelmä-ßigem Cannabiskonsum wünschenswert unddenkbar. Die bisherigen Ansätze basieren aber ent-weder auf einer vorangestellten Klassifizierungnach reinen Verhaltenskriterien und sind somit sel-ten eigenständig, oder sie können nur sehr schwerin quantifizierbare Angaben umgesetzt werden.Das könnte letztlich auch der Grund sein, warum inder Cannabisverhaltensliteratur bisher lediglichVerhaltenskriterien und kaum toxikologische Krite-rien zur Stichprobenklassifizierung herangezogenwurden.

Christian P. Müller, Bianca Topic und Joseph P. Huston

3.2 Cannabiskonsum: mögliche Konsumsituationen

Cannabis ist eine in der Bundesrepublik Deutsch-land illegale Droge, mit der Personen im Laufe ihresLebens unter sehr verschiedenen Umständen inKontakt kommen können. Der Kontakt mit Canna-bis reicht dabei von der erstmaligen Einnahme bishin zum chronischen Konsum. Er erstreckt sichaber auch noch auf Zeitabschnitte, die nicht unmit-telbar mit der Einnahme in Verbindung stehen, wiez. B. eine langjährige Abstinenz nach chronischemKonsum. Auch die physiologischen und Verhalt-enseffekte, die der Konsum von Cannabis habenkann, gestalten sich dementsprechend vielschich-tig. Die wissenschaftliche Literatur zum ThemaCannabis reflektiert die sehr unterschiedlichenKonsumsituationen zum Teil sehr detailliert, was je-doch auch zur Konfusion beim Einordnen der Ein-zelarbeiten und damit einhergehender Inhomoge-nität der einzelnen Befunde geführt hat. Das Fehlenordnender Kriterien bezüglich der Konsumsituatio-nen bei Cannabiskonsumenten hat die Bewertungder physiologischen, psychiatrischen, neurologi-schen und neuropsychologischen Konsequenzensehr erschwert und wahrscheinlich auch verzerrt.Um eine sinnvolle Analyse der wissenschaftlichenLiteratur vorzunehmen, soll deshalb zunächst ver-sucht werden, die möglichen Konsumsituationen,in denen sich ein Cannabiskonsument befindenkann, genau zu definieren.

Personen, die mit Cannabis Kontakt hatten, kön-nen zunächst in Cannabis-naive und Cannabis-er-fahrenen Personen unterteilt werden. Cannabis-naive Personen sind in diesem Zusammenhang nurin dem Moment von Interesse, in dem sie das ersteMal in ihrem Leben Cannabis konsumieren. DieKonsumsituation des „erstmaligen Cannabisge-brauchs bei vorher Cannabis-naiven Personen” istdeshalb besonders zu berücksichtigen, da Canna-bis die Eigenart hat, beim erstmaligen Konsumkeine oder eher untypische Effekte zu haben (z. B.MILSTEIN et al., 1975). Zudem unterliegt die erst-malige Cannabiseinnahme einer starken Suggesti-bilität (CAMI et al., 1991) und Abhängigkeit vonUmgebungsparametern (JONES, 1971). Im Falledes erstmaligen Konsums einer bis dahin nochnicht konsumierten Droge, muss davon ausgegan-gen werden, dass ein so genanntes Drogenge-

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dächtnis (HEYNE et al., 2000; BOENING, 2001) fürdiese Droge nur in eingeschränktem Maße existiert.Die Person verfügt zwar möglicherweise über se-kundäre Informationen zur Droge (z. B. Berichtevon Freunden, Medien etc.), hat aber noch keineErinnerungen an subjektive Akut- und Residualef-fekte oder an mögliche chronische- oder Entzugs-effekte. Sie verfügt ebenfalls noch nicht über dieFähigkeit, anhand dieser Gedächtnisinhalte die Do-sierungen oder Einnahmeprozedur gezielt zu be-einflussen, so wie es bei sehr erfahrenen Konsu-menten der Fall ist. Das Fehlen dieses Drogenge-dächtnisses hat dann unter Umständen die Konse-quenz, dass die Wirkungen der Droge beim erstenKonsum aufgrund ihres Neuheitscharakters unddes noch nicht erfahrenen Kontrollgefühls bzw.Wissens um eine zeitliche Begrenztheit der Dro-geneffekte eher aversiv sind (TART, 1970). Die Ef-fekte der erstmaligen Cannabiseinnahme beiCannabis-naiven Personen sind deshalb nur in ein-geschränktem Maße mit denen nach wiederholterEinnahme zu vergleichen und sollten deshalb se-parat bewertet werden.

Entsprechend der in Kapitel 3.1 vorgenommenenEinteilung können Cannabis-erfahrene Personen ingelegentliche und in regelmäßige Konsumenten un-terteilt werden. Gelegentliche Cannabiskonsumen-ten weisen dabei eine Konsumhäufigkeit von bis zu4-mal pro Woche auf (Median: bis zu 2-mal proWoche). Gelegenheitskonsumenten haben im Ver-gleich zum Cannabis-naiven Erstkonsumenten be-reits einige Erfahrungen mit der Einnahmeprozedurund den akuten subjektiven und Verhaltenseffektenvon Cannabis gemacht, sodass man bereits voneinem Drogengedächtnis für Cannabis ausgehenkann. Beim erneuten Konsum von Cannabis kanndann auf diese Gedächtnisinhalte zurückgegriffenwerden, was auch eine begrenzte Kontrolle und„Optimierung” der gewünschten Effekte erlaubt(HEISHMAN et al., 1989; KELLY et al., 1997). Gele-genheitskonsumenten können in Bezug auf Canna-bis generell in zwei verschiedenen Situationen an-getroffen werden: zum einen nach akutem Konsumund zum anderen während Cannabisabstinenz.Aufgrund der zu erwartenden Effekte verdient dieKonsumsituation „Gelegenheitskonsument nachakutem Konsum” dabei die meiste Aufmerksam-keit. Da man aber mögliche Langzeiteffekte vonCannabiskonsum auch bei gelegentlichen Konsu-menten nicht a priori ausschließen kann, soll dieKonsumsituation „Gelegenheitskonsument wäh-rend Abstinenz” separat betrachtet werden.

Regelmäßige Konsumenten unterscheiden sichvon den Gelegenheitskonsumenten deutlich in derHäufigkeit des Konsums, der in Kapitel 3.1 mit min-destens 5-mal pro Woche (Median: 1-mal pro Tag)definiert wurde. In der Regel unterscheiden sichbeide Konsumentengruppen aber auch noch in derkonsumierten Menge pro Konsumeinheit und in derDauer des Konsums in Jahren. Regelmäßige Kon-sumenten verfügen deshalb in der Regel über mehrErfahrungen im Umgang mit Cannabis als Gele-genheitskonsumenten. Ihr Drogengedächtnis fürden Umgang mit und für die Effekte von Cannabisist größer und stärker „elaboriert“. Es umfasst unterUmständen auch Inhalte wie „chronische Effektedes Konsums“, „eventuelle Entzugseffekte“, „ver-suchte Konsumabbrüche” und ein Gedächtnisüber die Entwicklung der Akuteffekte bei langjähri-gem Konsum bedingt durch z. B. Toleranzeffekte.Analog zu den Gelegenheitskonsumenten kannauch ein regelmäßiger Cannabiskonsument in zweiSituationen angetroffen werden: nach akutemCannabiskonsum und während der Abstinenz vonCannabis. Jede neue Konsumepisode und alle da-durch bedingten subjektiven und Verhaltenseffektefinden vor diesem Hintergrund statt. Zum einen istdabei von einer starken Instrumentalisierung desKonsums bei regelmäßigen Konsumenten auszu-gehen (BOYS et al., 1999; AMENDT, 2003), die indem umfassenden Drogengedächtnis ihre Basishaben dürfte, zum anderen aber auch von einermöglichen Kontrolle der Effekte, z. B. durch Inhala-tionsregulierung (HEISHMAN et al., 1989). Inwie-weit diese Konsumsituation als Zwangshandlungaufzufassen ist, so wie das bei Abhängigkeit vonso genannten „harten Drogen” der Fall sein kann(ALTMAN et al., 1996), ist für Cannabis noch zuklären. Aufgrund dieser Unterschiede in der psy-chologischen Ausgangssituation soll der akuteKonsum bei Gelegenheits- und regelmäßigen Kon-sumenten zunächst aber getrennt betrachtet wer-den.

Unterschiede in der psychologischen Ausgangssi-tuation gibt es bei gelegentlichen und regelmäßi-gen Cannabiskonsumenten auch während der Ab-stinenz. Auch in der Konsumsituation „regelmäßi-ger Konsument während der Abstinenz” ist davonauszugehen, dass das Drogengedächtnis bei re-gelmäßigen Konsumenten stärker ausgebildet istals bei Gelegenheitskonsumenten. So kann es zumBeispiel auch Erinnerungen an versuchte oder er-folgreiche Abbrüche des chronischen Konsumsbeinhalten (GRUBER et al., 1997). Auch die Absti-

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nenz von gelegentlichen und regelmäßigen Canna-biskonsumenten soll deshalb zwei voneinander un-terscheidbare Konsumsituationen darstellen.

Insgesamt können also fünf verschiedene Kon-sumsituationen voneinander unterschieden wer-den: 1.) Cannabis-naive Konsumenten nach Erst-konsum, 2.) gelegentliche Cannabiskonsumentennach akutem Konsum, 3.) gelegentliche Cannabis-konsumenten während der Abstinenz, 4.) regel-mäßige Cannabiskonsumenten nach akutem Kon-sum und 5.) regelmäßige Cannabiskonsumentenwährend der Abstinenz (Bild 5).

3.3 Kriterien für die Analyse der Verhaltenseffekte

3.3.1 Suche und Auswahl relevanter Studien

Mit der Frage der Verhaltenseffekte von akutemoder chronischem Cannabiskonsum beschäftigtesich eine relativ große Anzahl von wissenschaftli-chen Studien. Als erste experimentelle Studie zuden psychologischen Effekten von Cannabiskon-sum, die modernen wissenschaftlichen Anforde-rungen genügt, wird in der Regel eine Studie vonWEIL et al. (1968) angeführt, in der mehr essenziel-le Informationen zum Design der Studie gegebenund potenziell konfundierende Variablen kontrolliertwurden als bis dahin üblich. In der Folgezeit wur-den die wissenschaftlichen Ansprüche an Studienzum Thema Cannabiskonsum stetig erweitert.

Neuere Untersuchungen verfügen deshalb zumeistüber deutlich mehr Designinformationen und Kon-trollen möglicher konfundierender Variablen als äl-tere Studien. Prinzipiell können vier Kriterien, wel-che die Qualität einer wissenschaftlichen Studie zuden Verhaltenseffekten von Cannabiskonsum maß-geblich beeinflussen, identifiziert werden: 1.) Gibtdie Studie Detailinformationen zum Design?, 2.)Wurden in hinreichendem Umfang potenziell kon-fundierende Variablen kontrolliert?, 3.) Wurden vali-de und reliable Verhaltenstests verwendet? und 4.)Wurden angemessene statistische Test verwen-det? Eine genaue Beschreibung des Studiende-signs inklusive der untersuchten Stichprobe er-scheint aus heutiger Sicht selbstverständlich fürdie Bewertung der Studienergebnisse. Eine umfas-sende Wiedergabe aller erforderlichen Informatio-nen ist jedoch in den meisten älteren und in einigenneueren Studien nicht gegeben, was eine seriöseInterpretation der Ergebnisse einschränkt bzw. zumTeil auch unmöglich macht (z. B. LUNDQVIST,1995a, 1995b). Wichtige Informationen, die in man-chen Studien fehlen, sind z. B. eine hinreichend ge-naue Beschreibung der Zusammensetzung der un-tersuchten Stichprobe hinsichtlich ihrer sozio-de-mografischen Charakteristika, ihrer Drogenkon-sumgewohnheiten, und möglicher neurologischerund psychiatrischer Erkrankungen. Wenn derartigeInformationen fehlen, muss davon ausgegangenwerden, dass die damit verbundenen Konfundie-rungsvariablen nicht oder nur unzureichend kon-trolliert wurden. Wenn z. B. eine Studie über dieLangzeiteffekte von chronischem Cannabiskonsumkeine Angaben über das Vorhandensein schizo-phrener Symptomatiken bereits vor Konsumbeginnmacht, können die beobachteten Leistungsdefizitenicht eindeutig dem langjährigen Cannabiskonsumzugeschrieben werden (z. B. SOUEIF, 1975, 1976).Aber selbst wenn eine detaillierte Beschreibung derStudienparameter vorliegt, muss das nicht auto-matisch bedeuten, dass diese auch systematischund im Sinne der Fragestellung der Studie kontrol-liert wurden. Beispielsweise kann in einer Studie zuden Verhaltenseffekten chronischen Cannabiskon-sums eine genaue Beschreibung des Beikonsumsanderer psychoaktiver Drogen vorliegen, wenn die-ser jedoch nicht systematisch ausgeschlossenwird, kann trotzdem keine eindeutige Zuschreibungder Effekte bezüglich des Cannabiskonsums vor-genommen werden (z. B. CULVER & KING, 1974;BRUHN & MAAGE, 1975). Die Qualität der Kontrol-le konfundierender Variablen spielt ebenfalls einewesentliche Rolle bei der Beurteilung einer Canna-

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Bild 5: Verhaltensrelevante Konsumsituationen (Ovale) beiCannabiskonsumenten

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bis-Verhaltensstudie. GONZALES et al. (2002)haben bei der Analyse verschiedener Störvariablen7 Minimalkriterien isoliert, die eine Studie kontrol-lieren sollte. Dazu zählen 1.) die Geschichte desprimären Drogenkonsums der Versuchspersonen,2.) angemessene Kontrollgruppen (z. B. Placebo-Gruppe bei Studien zu akuten Cannabiseffekten),3.) die Verwendung valider neuropsychologischerMaße, 4.) die validierte Drogenfreiheit der Ver-suchspersonen am Teststag, 5.) Kontrolle des Ab-stinenzzeitraumes, 6.) Kontrolle des Beikonsumsanderer Drogen und 7.) Kontrolle der Geschichtemöglicher neurologischer und psychiatrischerSymptome (GONZALES et al., 2002).

Unabhängig von den Angaben zum Studiendesignund der Kontrolle konfundierender Variablen ist dieAuswahl der verwendeten Leistungstests. Dabeilässt sich dieselbe neuropsychologische Leistungin der Regel mittels verschiedener Tests messen.Ein neuropsychologischer Test lässt sich dabeidurch seine Validität, die Fähigkeit, das zu messen,was gemessen werden soll (z. B. Aufmerksamkeit,Gedächtnis), und seine Reliabilität, das Ausmaßseiner Konsistenz oder Stabilität, charakterisieren(COMER, 2001). Aber selbst wenn zwei Testverfah-ren eine vergleichbare Validität besitzen, z. B. beidemessen sehr gut Kurzzeitgedächtnis, können siesich in ihrer Reliabilität bezüglich der Detektion vonDefiziten deutlich unterscheiden. Die Verwendungdes einen oder anderen Tests hat damit einen ent-scheidenden Einfluss auf die mögliche Identifizie-rung von Leistungsdefiziten nach Cannabiskonsumund sollte deshalb stets bei der Beurteilung undeinem Vergleich der Ergebnisse berücksichtigt wer-den (vgl. PARROT, 1991).

Ein vierter wesentlicher Punkt bei der Bewertungder Aussagen von Leistungstests nach Cannabis-konsum sind die jeweils verwendeten inferenzsta-tistischen Methoden. Häufig werden in den rele-vanten Studien mehrere Leistungsparameter andenselben Versuchspersonen erhoben. Die infe-renzstatistische Auswertung dieser Daten erfolgtjedoch zumeist so, als wäre nur ein einziger Para-meter erhoben worden, d. h. ohne eine Korrekturdes α-Niveaus, das für die Beurteilung einer infe-renzstatistischen Signifikanz festgelegt wurde. Beider Erhebung von mehr als einer abhängigen Va-riablen steigt jedoch auch die Wahrscheinlichkeitfür den Fehler erster Art an (BORTZ, 1993). Bei derVerwendung neuropsychologischer Testbatterienoder bei Real- und Simulatorfahrten nach Canna-biskonsum, die zumeist sehr viele Einzelmaße er-

heben, steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Feh-ler erster Art deutlich an. Ein Signifikanzniveau vonin der Regel α = 0.05 wird somit nicht mehr einge-halten. Die Folge davon ist, dass vermehrt signifi-kante Beeinträchtigungen berichtet werden, die nurzufällig signifikant sind und keine „echte” Leis-tungsbeeinträchtigung reflektieren (BORTZ, 1993).Dadurch werden besonders in Studien mit einerVielzahl erhobener Maße und ohne entsprechendeα−Adjustierung die Leistungsbeeinträchtigungennach Cannabiskonsum systematisch überschätzt.

Neben dem Problem der Einhaltung des angege-benen α−Niveaus steht generell die Frage der Aus-wahl angemessener statistischer Tests. In derRegel wird dabei auch bei sehr kleinen Stichprobena priori von einer Normalverteilung der Daten aus-gegangen, was zusammen mit weiteren Annah-men, wie Unabhängigkeit der Daten und Varianz-homogenität, zur Verwendung von inferenzstatisti-schen Verfahren auf Intervallskalenniveau (häufig:t-Test oder Varianzanalyse) berechtigt. Da die Nor-malverteilung und Varianzhomogenität der Datenzumeist nicht überprüft werden (bzw. es werdenkeine Angaben zur Überprüfung gemacht), ist eineVerwendung dieser Tests zumindest fraglich. Wür-den stattdessen nicht parametrische Tests verwen-det, die keine Normalverteilung der Daten voraus-setzen (KRAUTH, 1988), wäre die Anzahl der signi-fikanten Effekte wahrscheinlich deutlich geringer.Eine sehr „liberale” Auswahl der inferenzstatisti-schen Verfahren bei der Auswertung der Verhal-tensmessung führt ebenso wie die fehlende α−Ad-justierung bei mehreren abhängigen Variablen zueiner systematischen Überschätzung der Leis-tungsbeeinträchtigungen nach Cannabiskonsum(z. B. MILNER, 1977).

Obwohl eine große Anzahl von Studien zu den Ver-haltenseffekten von Cannabis vorliegt, sind die si-cheren Aussagen, die man daraus ableiten kann,relativ begrenzt. Die Ursachen dafür sind zum Teilin der stark unterschiedlichen Qualität der Studienzu suchen. In der Vergangenheit wurde versucht,die große Zahl der Befunde zu den Verhaltensef-fekten des Cannabiskonsums innerhalb einer Me-taanalyse zu ordnen (z. B. BEGHAUS et al., 1998;SCHEER-ERKENS, 2002). Eine solche metaanaly-tische Auswertung ist zwar sehr wünschenswert,jedoch müssen dabei aufgrund der qualitativen He-terogenität des vorhandenen Datenmaterials fol-genreiche Kompromisse eingegangen werden. Ins-besondere Metaanalysen, die lediglich die infe-renzstatistische Signifikanz als Kriterium verwen-

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den, sind stark anfällig für eine systematische Ver-zerrung durch eine fehlerhafte statistische Auswer-tung innerhalb der einzelnen Studien (z. B. falscheTestauswahl, keine α-Adjustierung). Würde man je-doch beim gegenwärtigen Wissensstand nur Un-tersuchungen in eine Metaanalyse aufnehmen, diehinreichend exakten Kriterien genügen, würdekaum noch Datenmaterial übrig bleiben, welcheseine Metaanalyse rechtfertigt. Hinzu kommt, dassdie bekannten Metaanalysen unterschiedlich relia-ble, d. h. auch unterschiedlich schwierige Tests füreinzelne Leistungsparameter in der Auswertungvermischen. In der Gesamtbetrachtung wird dannvon einer vergleichbaren Schwierigkeit der Testsausgegangen, die de facto nicht vorlag. Das signi-fikant beeinträchtigte Leistungsniveau in einemschwierigen Test wird dann genauso behandelt wiedie Beeinträchtigung in einem sehr leichten Test.Dadurch kommt es zu einer unsystematischen Ver-zerrung bei der Einschätzung der Leistungsbeein-trächtigungen nach Cannabiskonsum. Die bisherbekannten Metaanalysen zu den Verhaltenseffek-ten von Cannabiskonsum können deshalb nur Hin-weise auf ein Beeinträchtigungsprofil liefern. Einekausale Interpretation insbesondere im Zusam-menhang mit dazu korrelierten (separat extrapolier-ten) Plasmakonzentrationen von ∆9-THC (BERG-HAUS et al., 1998a) sollte nach Ansicht der Auto-ren deshalb nur mit größter Vorsicht vorgenommenwerden.

Um der oben dargestellten Varianz in der Qualitätder einzelnen, über einen relativ langen Zeitraumhinweg entstandenen Verhaltensstudien Rechnungzu tragen, soll hier eine prinzipielle Einordnung derjeweiligen Befunde entsprechend ihres Zustande-kommens vorgenommen werden. Dabei sollen dreiQualitätsstufen definiert werden, die eine entspre-chend konservative Interpretation der Daten nahe-legen. Die Qualität einer Studie soll entweder alsA) hoch (= sehr gut kontrolliert), B) hinreichend (=hinreichend gut kontrolliert) oder C) ungenügend (=nicht hinreichend gut kontrolliert) eingestuft wer-den. Eine Studie genügt dabei hohen Qualitätsan-sprüchen, wenn sie folgende Parameter erfüllt: 1.)eine detaillierte Beschreibung der Stichprobe ent-hält (inklusive Geschichte möglicher neurologi-scher und psychiatrischer Symptome, Geschichtedes Cannabiskonsums und Beikonsums andereDrogen), 2.) mit einem Doppelblind-Design arbeitetund angemessene Kontrollgruppen enthält, 3.) eineStichprobengröße von n ≥ 8 aufweist, 4.) valideVerhaltenstests verwendet und nachvollziehbar be-

schreibt, 5.) Informationen zum Abstinenzzeitraumund zur Drogenfreiheit am Testtag enthält, 6.) Infor-mationen zur verabreichten Cannabismenge (abso-lute ∆9-THC-Menge) und Testlatenz zur Einnahmegibt, und 7.) nachvollziehbare und angemessenestatistische Tests verwendet (siehe auch: GONZA-LES et al., 2002). Die Ergebnisse einer Studie, diediese Kriterien in hinreichendem Masse erfüllt, sol-len ohne Einschränkungen für die Interpretationund Schlussfolgerungen verwendet werden. EineStudie soll als von hinreichender Qualität (B) be-zeichnet werden, wenn einzelne Informationennicht vollständig sind bzw. nur einzelne Punkte soverletzt sind, dass eine eingeschränkte Interpretati-on noch sinnvoll ist. Einschränkungen sollen ge-genüber Studien mit hoher Qualität wie folgt er-laubt sein: 1.) die Beschreibung der Stichprobe istlückenhaft (z. B. bei der Geschichte möglicher neu-rologischer und psychiatrischer Symptome oderbei der Geschichte des Cannabiskonsums undBeikonsums andere Drogen), 2.) bei angemesse-nen Kontrollgruppen und Doppelblind-Design istkeine Einschränkung erlaubt, 3.) die Stichproben-größe beträgt 3 < n < 7, 4.) die Verhaltenstestsmüssen auch hier valide und reliabel sein, 5.) dieInformationen zum Abstinenzzeitraum und Drogen-freiheit am Testtag sind lückenhaft, 6.) die Informa-tionen zur verabreichten Cannabismenge (absolute∆-THC-Menge) müssen vollständig sein und 7.) dieverwendeten statistischen Tests sind nicht ganzvollständig, aber immer noch nachvollziehbar, bzw.es wurde keine Adjustierung des α−Signifikanzni-veaus vorgenommen. Eine Studie mit hinreichen-der Qualität erfüllt damit wesentliche Kriterien,kann aber aufgrund einzelner Unzulänglichkeitennur mit Einschränkungen interpretiert werden. DieMehrheit der Studien zu den Verhaltenseffektenvon Cannabis ist dieser Gruppe zuzuordnen. Vorallem viele ältere Studien erfüllen die meisten der 7definierten Qualitätskriterien nicht. Eine Studie sollimmer dann als von ungenügender Qualität (C) an-gesehen werden, wenn mindestens ein wesentli-cher Punkt, der zur sinnvollen Interpretation unab-dingbar ist, verletzt wurde. Dazu zählt z. B. wenn ineiner Studie zu den Akuteffekten von Cannabis dieabsolute Menge des verabreichten ∆9-THC nichtangegeben wurde (z. B. nur Prozentgehalt-Anga-ben), keine Placebo-Kontrollgruppe getestetwurde, die verwendeten Leistungstests nicht nach-vollziehbar sind, keine oder nur eine unangemes-sene statistische Auswertung erfolgte. Da in die-sem Überblick Angaben zu den absoluten Mengendes jeweils konsumierten ∆9-THC essenziell sind,

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sollen auch jene Studien als von nicht hinreichen-der Qualität eingestuft werden, die mehrere Dosie-rungen ∆9-THC getestet haben, aber keine statis-tisch Vergleiche zwischen den einzelnen Dosierun-gen ∆9-THC und Placebo vornehmen. Solche Stu-dien verwenden häufig eine Varianzanalyse(ANOVA) mit dem Faktor „Dosis“. Wenn die ANOVAsignifikante Ergebnisse liefert, weist das zwar aufeine signifikante Leistungsbeeinträchtigung nachCannabiskonsum hin. Bei welcher der getestetenDosierungen diese zustande kam, kann jedochohne weitere statistische Verfahren, wie z. B. Post-hoc-Tests, nicht nachvollzogen werden (z. B. MOS-KOWITZ & McGLOTHLIN, 1974; MACAVOY &MARKS, 1975). Eine Studie soll auch dann als vonungenügender Qualität angesehen werden, wennaus der Beschreibung hervorgeht, dass die unter-suchte Stichprobe deutlich abgrenzbare Konsu-mentengruppen wie Cannabis-naive und Gelegen-heitskonsumenten vermischt (z. B. RAFAELSEN etal., 1973a, 1973b, 1973c). Derartige Studien sindnicht sinnvoll zu interpretieren, können aber trotz-dem Hinweise auf Effekttendenzen geben. Das istbesonders dann der Fall, wenn es zu einer be-stimmten Testsituation, z. B. aus ethischen Grün-den, nur wenige Studien gibt, wie bei der Untersu-chung der Akuteffekte von Cannabis bei Cannabis-naiven Versuchspersonen (MILSTEIN et al., 1975;MAcCANNELL et al., 1977) oder den psychosein-duzierenden Effekten akuter ∆9-THC-Überdosie-rung (JOEL & FRÄNKEL, 1926). In diese Kategoriefallen insbesondere ältere Studien, die zum Zeit-punkt ihres Entstehens richtungsweisend waren,heutigen Kriterien jedoch nicht mehr genügen (z. B.ABEL, 1970, 1971a, 1971b, 1971c). Sie sollen hierwie „graue Literatur” behandelt werden, d. h., ihreErgebnisse sollen lediglich als Hinweise oder Ten-denzen interpretiert werden. In die tabellarischeÜbersicht der vorhandenen Befunde sollen eben-falls nur Studien mit den Qualitätsmerkmalen A undB aufgenommen werden, wobei die Studienqualitätsymbolisch kenntlich gemacht wird (A, ++++ und+++; B, ++ und +).

3.3.2 Was sind verkehrsrelevante Leistungs-parameter?

Das Konstrukt „Fahrtüchtigkeit” basiert auf demkomplexen Zusammenwirken einzelner sensori-scher, mentaler und motorischer Fähigkeiten, dieanhand einzelner neuropsychologischer Leistun-gen charakterisiert werden können. Es kann ange-nommen werden, dass die zur Fahrtüchtigkeit er-

forderlichen neuropsychologischen Leistungen beinormaler Verkehrsteilnahme in ihrem Vermögennicht konstant voll ausgeschöpft werden müssen.Anders wäre zum Beispiel eine Leistungsadapta-tion in extremen Verkehrssituationen nicht denkbar.Innerhalb des komplexen Leistungsgefüges derFahrtüchtigkeit besteht demnach unter normalenUmständen eine gewisse Leistungsreserve, diesich auf zwei unterschiedlichen Ebenen manifes-tiert. Auf der untersten Ebenen gibt es eine Leis-tungsreserve innerhalb der einzelnen neuropsycho-logischen Leistungen. Die Leistungsgrenze wirdunter normalen Bedingungen selten erreicht, kannaber unter Extrembedingungen bzw. bei Bedarf (z. B. nach Instruktion oder besonderer Leistungs-motivation) kurzzeitig erreicht werden (z. B. PIHL &SIGAL, 1978; KLIEGL & BALTES, 1991; SCHREI-BER et al., 2000). Es gibt aber ebenso eine Leis-tungsreserve auf Ebene der Interaktion zwischenden Einzelleistungen. So kann z. B. die Reaktions-zeit durch eine erhöhte Aufmerksamkeitsleistungverbessert werden. Auf dieser Ebene können auchDefizite in einem Leistungsparameter durch andereLeistungen kompensiert werden, sodass die Ge-samtleistung als unbeeinträchtigt erscheint (PRO-SIEGEL, 1991). Ein Defizit beim Abruf aus demLangzeitgedächtnis kann zum Beispiel durch ver-besserte kognitive Abrufstrategien kompensiertwerden. Kompensatorische Prozesse auf Ebeneder Interaktion einzelner neuropsychologischerLeistungen können dabei sehr lang anhaltend sein(PROSIEGEL, 1991).

Um die Frage zu beantworten, welche EffekteCannabiskonsum auf die Fahrtüchtigkeit hat, kön-nen prinzipiell zwei verschiedene Vorgehensweisenverfolgt werden. In einem Top-down-Ansatz wirddas komplexe neuropsychologische Leistungsge-füge, das zum Führen eines Fahrzeuges notwenigist, in seiner Gesamtheit betrachtet. Eine Operatio-nalisierung dieses Ansatzes findet man in Real-fahrtstudien und zum Teil in Studien im Fahrsimula-tor. In beiden Fällen wird die Fahrtüchtigkeit direktgemessen. Eine Operationalisierung, die eine ähn-liche, jedoch nicht identische Leistung misst, sindStudien im Flugsimulator. Der Vorteil des Top-down-Ansatzes bei der Untersuchung der Auswir-kungen von Cannabiskonsum auf die Fahrtüchtig-keit besteht in der hohen Face-Validität der Mes-sung, auch wenn die Operationalisierung eine Un-terteilung in einzelne, jedoch komplexe Leistungs-parameter vorsieht. Dieser Ansatz hat aber auchverschiedene Nachteile. So kann er nur bedingt die

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Beeinträchtigungen in den neuropsychologischenEinzelleistungen, die zum Konstrukt „Fahrtüchtig-keit” erforderlich sind, aufdecken. Werden bei Ex-perimenten mit dem Top-down-Ansatz keine Be-einträchtigungen in der Gesamtleistung gefunden,bedeutet das nicht automatisch, dass keine Beein-trächtigungen auf Ebene der Einzelleistungen vor-liegen. Es ist durchaus denkbar, dass Einzelleistun-gen beeinträchtigt sind, diese aber durch Aus-schöpfung der Leistungsreserve auf Ebene der Leistungsinteraktionen kompensiert werden. Ineinem solchen Falle wäre eine normale Fahrtüch-tigkeit gegeben. Da die Leistungsreserve aber aus-geschöpft ist, könnte unter Umständen eine weite-re unerwartete Belastung nicht mehr durch zusätz-liche Aktivierung von Leistungsreserven ausrei-chend kompensiert werden. Werden dagegen mitdem Top-down-Ansatz Defizite in der Gesamt-leistung gefunden, ist nicht klar, woher dieserühren. Zum einen können sie durch nicht mehrkompensierbare Defizite bei den Einzelleistungenbedingt sein, zum anderen aber auch durch einegestörte Interaktion der Einzelleistungen.

Eine Alternative zum Top-down-Ansatz stellt derBottom-up-Ansatz dar. Dabei wird von der Annah-me ausgegangen, dass sich die Gesamtleistungder Fahrtüchtigkeit in verschiedene miteinander in-

teragierende Einzelleistungen zerlegen lässt (Bild6). Diese Einzelleistungen entsprechen einzelnenneuropsychologischen Fähigkeiten, die einzelnoperationalisierbar sind. Eine Beurteilung der Ge-samtleistungsfähigkeit erfolgt dann anhand derUntersuchung jeder einzelnen neuropsychologi-schen Leistung. Einzelne neuropsychologische Leistungen können dann zu komplexen Leistungenzusammengefasst werden, die wiederum für dieeinzelnen Komponenten der Fahrtüchtigkeit rele-vant sind. Dabei kann es natürlich auch zu Über-schneidungen in den erforderlichen neuropsycho-logischen Einzelleistungen kommen. Der Vorteildes Bottom-up-Ansatzes ist, dass jede einzelneneuropsychologische Leistung, die letztlich zur si-cheren Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichist, separat nach Cannabiskonsum getestet wer-den kann. Einzelne Parameter der Aufgaben kön-nen systematisch variiert und die Untersuchungkann sehr gut kontrolliert werden. Dabei ist auchohne weiteres eine Testung der noch vorhandenenLeistungsreserven auf Ebene der Einzelleistungenmöglich. Der Nachteil dieses Ansatzes ist jedoch,dass die Untersuchung auf der Interaktionsebeneder verschiedenen Einzelleistungen zumeist be-grenzt ist. Das trifft auch für die Leistungsreserveauf Interaktionsebene zu. Werden also mit demBottom-up-Ansatz keine Defizite in einer bestimm-

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Bild 6: Leistungsebenen und Analysestrategien (L-Einzelleistung)

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ten Einzelleistung, wie der selektiven Aufmerksam-keit, gefunden, kann davon ausgegangen werden,dass diese Leistung auch in allen komplexen Leis-tungen, zu denen sie beiträgt, z. B. zum Spurhaltenoder zur Geschwindigkeitskontrolle, voll funktions-fähig sein dürfte. Werden dagegen in einer neurop-sychologischen Einzelleistung Defizite detektiert,bleibt unklar, ob sich diese auch tatsächlich in denkomplexeren Leistungen manifestieren oder obdiese auf der Ebene der Leistungsinteraktionenkompensiert werden können. Im Falle einer Kom-pensation auf Ebene der Interaktion einzelner neu-ropsychologischer Leistungen muss in dem Fallaber mit einer verringerten Leistungsreserve ge-rechnet werden, da ein Teil bereits für die kompen-sierten Defizite in der Einzelleistung gebunden ist.Die größten Interpretationsprobleme bei Ergebnis-sen, die mit dem Top-down-Ansatz gewonnen wur-den (Realfahrt-, Fahr- und Flugsimulatorstudien)bestehen deshalb darin, von fehlenden Defizite inder Gesamtleistung auch auf unbeeinträchtigteEinzelleistungen und damit auch auf eine noch invollem Maße vorhandene Leistungsreserve zuschließen. Das bedeutet, mögliche Gefahren in Ex-tremsituationen werden vom Top-down-Ansatz systematisch unterschätzt. Dagegen besteht beimBottom-up-Ansatz die Gefahr, von Defiziten in denEinzelleistungen automatisch auch auf Defizite inder Gesamtleistung zu schließen. Diese könnenauftreten, müssen aber nicht aufgrund der Leis-tungsreserve auf Interaktionsebene. Auch wenndann die noch verfügbare Leistungsreserve verrin-gert ist, werden die Defizite in der Gesamtleistungunter normalen Bedingungen vom Bottom-up-An-satz eher überschätzt. Andererseits muss bei derInterpretation von Daten, die mittels des Bottom-up-Ansatzes gewonnen wurden, auch auf die Ge-fahr einer potenziellen Unterschätzung von Defizi-ten durch experimentelle Nulleffekte aufmerksamgemacht werden. Zum Führen eines Fahrzeuges istes häufig notwendig, einfache und komplexe Auf-gaben nicht nur sequenziell durchzuführen, son-dern auch parallel, was die Schwierigkeit für jedeeinzelne Aufgabe deutlich erhöht. Werden nun mit-tels des Bottom-up-Ansatzes keine Defizite in einerneuropsychologischen Einzelleistung gefunden,darf nicht automatisch darauf geschlossen werden,dass diese Leistung bei paralleler Ausführung einerweitern Aufgabe ebenfalls unbeeinträchtigt ist. Auf-grund methodischer Schwierigkeiten wurde sichdiesem Problem innerhalb der neuropsychologi-schen Literatur nur in sehr wenigen Studien gewid-met.

Diese methodische Betrachtung sollte aufzeigen,dass bei der Verwendung des Top-down und desBottom-up-Ansatzes als Untersuchungsstrategienfür die Effekte von Cannabiskonsum auf die Fahr-tüchtigkeit zwangsläufig mit Ergebnissen zu rech-nen ist, die nicht völlig deckungsgleich sind. DieVor- und Nachteile des jeweiligen Ansatzes müs-sen also bei der Bewertung stets mit berücksichtigtwerden. Hinzu kommt, dass die Zahl der neuropsy-chologischen Studien, die einen Bottom-up-Ansatzverfolgt, weit größer ist als die der Realfahrt-, Fahr-und Flugsimulatorstudien, die einen Top-down-An-satz verfolgen. Aus quantitativer Sicht wird sicheine Analyse der Effekte von Cannabiskonsum aufdie Fahrtüchtigkeit also mehr auf Datenmaterialaus dem Bottom-up- als aus dem Top-down-An-satz stützen.

Die zur Führung eines Fahrzeugs notwendigenkomplexen Leistungen können nach DONGES(1978) und WALLENTOWITZ et al. (2001) drei Hier-archieebenen zugeordnet werden. Auf der obers-ten Ebene, die von WALLENTOWITZ et al. (2001)als Navigation bezeichnet wird, legt der Fahrer dieFahrtroute innerhalb des bestehenden Straßennet-zes fest und verfolgt diese Route während derFahrt. Die Routenplanung erfolgt dabei zum Teil vorAntritt der Fahrt, kann aber während der Fahrtdurch situative Umstände auch noch angepasstwerden. WALLENTOWITZ et al. (2001) gehen inihrem Modell davon aus, dass dabei Kenntnisseüber das Streckennetz und die zu erwartende Ver-kehrssituation mit einbezogen werden. Die Naviga-tion beinhaltet weiterhin die Wahrnehmung undBerücksichtigung notwendiger Informationen zurEinhaltung der Route (Verkehrsschilder, Richtungs-hinweise etc.). Auf der nächst untergeordnetenEbene der Bahnführung wird ebenfalls die Fahrt-route realisiert. Unter Bahnführung verstehen WAL-LENTOWITZ et al. (2001) die Anpassung der Fahr-weise an den wahrgenommenen Straßenverlaufund den umgebenden Verkehr. Dazu zählen unteranderem die Teilaufgaben „Spurhalten“, „Folgefah-ren“, „Überholen” und „Reaktion auf Verkehrszei-chen“. Die Bahnführung wird zudem in Quer- undLängsführung unterteilt, wobei Querführung dasFolgen des Straßenverlaufes innerhalb des jeweiliggewählten Fahrstreifens beschreibt. Dazu zählenauch das Ausweichen vor Hindernissen und derFahrspurwechsel beim Überholen. Die Längs-führung umfasst die Wahl der Fahrzeuggeschwin-digkeit bedingt durch Verkehrsregelung, den Ver-kehrszustand und die vorausfahrenden Fahrzeuge.

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Auf der untersten Ebene siedeln WALLENTOWITZet al. (2001) die Stabilisierung an. Stabilisierung be-schreibt die „Umsetzung der Zielgrößen des Fah-rerwunsches in Bezug auf Quer- und Längsführungin die Fahrzeugbewegung“. Diese Ebene enthältdamit die „Umwandlung in die fahrzeugseitigenStellgrößen wie Lenkbewegung, Gaspedal, Bremseund Gangstellung“. Dabei findet ein permanenterAbgleich zwischen Soll- und Istwerten statt. Vo-raussetzungen für die Stabilisierung des Fahrzeugssind das stetige Wahrnehmen und Bewerten derUmgebungsbedingungen, die einen Einfluss aufdie Dynamik des Fahrzeuges haben, wie z. B. Sei-tenwind oder Straßenoberfläche. Die drei EbenenNavigation, Bahnführung und Stabilisierung wur-den von DONGES (1978) und WALLENTOWITZ etal. (2001) hierarchisch konzipiert. Das bedeutet, eskann auf einer übergeordneten Ebene nur dann er-folgreich agiert werden, wenn die Aufgaben auf un-tergeordneter Ebene hinreichend gut erfüllt wer-den.

Jeder der drei Ebenen können nun verschiedeneneuropsychologische Leistungen zugeordnet wer-den, die zu einer erfolgreichen Ausführung notwen-dig sind. Im folgenden Abschnitt soll der Versuchunternommen werden, jede Ebene hinsichtlich derdafür notwenigen neuropsychologischen Einzel-leistungen zu analysieren. Die dabei isolierten neu-ropsychologischen Einzelleistungen (LEZAK, 1995)bilden dann die Grundlage für eine Analyse der Li-teratur zu den Verhaltenseffekten von Cannabis-konsum innerhalb eines Bottom-up-Ansatzes. An-hand der Effekte von Cannabis auf diese neuro-psychologischen Einzelleistungen unter kontrollier-ten Bedingungen sollen zu erwartende Beeinträch-tigungen komplexer Leistungen beim Führen einesFahrzeuges bzw. die Fahrtüchtigkeit selbst einge-schätzt werden. Neuropsychologische Leistungen,die nicht für eine der drei Ebenen relevant sind, sol-len zwar erwähnt, aber nicht detailliert diskutiertwerden.

Auf der untersten Ebene bei der Fahrzeugführunghaben WALLENTOWITZ et al. (2001) die Stabilisie-rung angesiedelt. Zum einen müssen dabei ver-schiedene Zielgrößen in fahrzeugseitige Größenumgesetzt werden, und zum anderen müssendiese Größen für eine bestimmte Zeit konstant ge-halten bzw. geregelt werden. Dazu sind auf motori-scher Seite eine gute Kontrolle der Feinmotorik undeine möglichst schnelle Reaktionszeit notwendig.Die motorische Geschwindigkeit im Sinne anhal-tend schneller motorischer Antworten und die

Standfestigkeit bzw. das Körpergleichgewicht sinddabei von untergeordneter Bedeutung. Zum Verfol-gen wichtiger visueller Stimuli ist zudem eine guteKontrolle der Augenbewegung erforderlich. Aufsensorischer Ebene spielt insbesondere die visuel-le und auditorische Wahrnehmung, aber auch dieZeitwahrnehmung eine wichtige Rolle. Von unter-geordneter Bedeutung auf dieser Ebene sind dietaktile und olfaktorische Wahrnehmung. Um aufStörgrößen reagieren zu können, ist eine gute se-lektive Aufmerksamkeit erforderlich. Dagegen er-fordert das parallele Monitoring verschiedenerStellgrößen über einen längeren Zeitraum sowohldie geteilte als auch die dauerhafte Aufmerksam-keit. Gedächtnis- und kognitive Leistungen sind ander direkten Umsetzung der Zielgrößen in fahr-zeugseitige Stellgrößen von untergeordneter Be-deutung. Sie spielen aber eine wichtige Rolle abder nächsthöheren Ebene der Fahrzeugführung(Tabelle 3).

Nach dem Modell von WALLENTOWITZ et al.(2001) ist das erfolgreiche Agieren auf einer unterenOrganisationsebene die Voraussetzung für die Er-fordernisse der jeweils übergeordneten Ebenen.Das bedeutet, die neuropsychologischen Leistun-gen, die zur Stabilisierung erforderlich waren, sindeine Bedingung für die nächsthöhere Ebene derBahnführung. Zusätzlich kommen aber noch weite-re erforderliche neuropsychologische Leistungenhinzu, die zur erfolgreichen Bahnführung unab-dingbar sind. Auf der Ebene der Motorik sind daszum einen die visumotorische Koordination undzum anderen eine gute Trackingfähigkeit. Viele mo-torische Prozesse bei der Quer- und Längsführungverlaufen dabei scheinbar automatisch bzw. unbe-wusst. Dafür ist ein Abruf dieser motorischen Pro-zesse aus dem nicht-deklarativen prozeduralenGedächtnis, d. h. dem Gedächtnis für automati-sierte Fähigkeiten und Fertigkeiten (MILNER et al.,1998), erforderlich. Von besonderer Bedeutungsind zusätzlich deklarative Gedächtnisprozesse.Um z. B. Verkehrszeichen zu beachten, ist es nichtnur erforderlich, diese wahrzunehmen und alsSymbol zu erkennen.

Es ist ebenfalls erforderlich, ihre semantische Be-deutung aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen.Ist das geschehen, muss diese Bedeutung übereine begrenzte Zeitspanne im Gedächtnis behaltenwerden, was ein intaktes Kurzzeitgedächtnis erfor-dert. Von besonderer Bedeutung sind dabei visuel-le und visuell-räumliche, aber auch verbale Ge-dächtnisinhalte (z. B. Orts- und Straßennamen erin-

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nern). Von untergeordneter Bedeutung sind das au-ditorische und konzeptuelle Gedächtnis. Verkehrs-zeichen legen Regeln fest, die für jeweils einen be-grenzten Straßenabschnitt gelten. Bestimmte Re-geln sind dabei primär für die Bahnführung (z. B.

Überholverbot) andere für die Navigation (z. B. Um-leitungsschilder) relevant. Das bedeutet, bereits aufder Ebene der Bahnführung ist die Fähigkeit, Re-geln des Handelns flexibel zu wechseln, d. h. diekognitive Leistung der mentalen Flexibilität, erfor-derlich. Um Verkehrszeichen richtig in Fahrverhal-ten umsetzten zu können, ist nicht nur deren visuel-les Erkennen, sondern auch das Verständnis derBildinhalte bedeutsam. Kognitive Leistungen, diedafür benötigt werden sind zum einen die verbalenFähigkeiten (z. B. Sprachverständnis) und zum an-deren ein gewisses Abstraktionsvermögen.

Weitergehende kognitive Fähigkeiten sind auf die-ser Ebene noch von untergeordneter Bedeutung.Sie werden aber zusätzlich relevant auf der Ebeneder Navigation (Tabelle 3).

Auf der Ebene der Navigation finden planerischeProzesse vor und während der Fahrt statt. Bei derPlanung vor Fahrtbeginn ist ein Abruf visuell-räum-licher Informationen aus dem Langzeitgedächtnis(z. B. Streckenführung, Verkehrsaufkommen, Stra-ßensperrungen etc.) von großer Bedeutung. Die soabgerufenen Informationen müssen dann anhandunterschiedlicher Vorgaben wie Fahrziel oder Fahr-zeit mittels verschiedener isolierbarer kognitiverProzesse verknüpft und optimiert werden. Dafüressenzielle kognitive Leistungen sind logischesDenken und arithmetische Fähigkeiten. Ist die Pla-nung vor Fahrtantritt abgeschlossen, muss der soentwickelte Plan im Gedächtnis behalten bzw. insLangzeitgedächtnis eingelagert werden. Von die-sem muss er während der Fahrt abrufbar sein. Diekognitive Leistung der mentalen Flexibilität istdabei wiederum erforderlich, um situationsbeding-te Anpassungen dieses Plans während der Fahrtvorzunehmen (Tabelle 3).

3.3.3 Definition konsumrelevanter Zeiträume

Gelegentliche und regelmäßige Cannabiskonsu-menten können in zwei verschiedenen Situationenuntersucht werden: während der Abstinenz odernach akutem Konsum. Für die Konsumsituationsoll nochmals zwischen einer akuten und einer re-sidualen Phase unterschieden werden. Die akutePhase erstreckt sich über einen Zeitraum von biszu 8 Stunden nach der Einnahme. Die residualePhase beginnt dem entsprechend nach 8 Stunden(CHAIT et al., 1985). Eine Begrenzung des Zeitrau-mes für die residualen Effekte wurde in den empiri-schen Studien bei maximal 48 Stunden festgelegt(LEIRER et al., 1989, 1991).

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Tab. 3: Aufgaben der Fahrzeugführung nach WALLENTOWITZet al. (2001) und die dazu essenziell benötigten neuro-psychologischen Leistungen. Man beachte, dass daserfolgreiche Agieren auf einer unteren Organisations-ebene die Voraussetzung für die Erfordernisse der je-weils übergeordneten Ebene darstellt. Dem entspre-chend sind auch alle neuropsychologischen Leistun-gen, die auf einer unteren Ebene erforderlich waren, aufden nächst höheren Ebenen erforderlich

StabilisierungFahraufgabe Bahnführung

Navigation

Sensorik

- Zeitwahrnehmung

- visuelle Wahrnehmung

- auditorischeWahrnehmung

alle Leistungen,

die zur

Stabilisierung

erforderlich

waren

alle Leistungen,

die zur

Stabilisierung

erforderlich

waren

Aufmerksamkeit

- selektive Aufmerksamkeit

- geteilte Aufmerksamkeit

- dauerhafte Aufmerksamkeit

Motorik

- Feinmotorik

- Reaktionszeit

- Kontrolle der Augenbewegung

Motorik

- visummotorische Koordination

- Tracking

alle Leistungen,

die zur

Bahnführung

erforderlich

waren

Gedächtnis

Kurzzeitgedächtnis

- verbales Kurzzeitgedächtnis

- visuelles Kurzzeitgedächtnis

- visuelles-räumlichesKurzzeitgedächtnis

- auditorisches Kurzzeitgedächtnis

Langzeitgedächtnis

- deklaratives Gedächtnis

- nichtdeklaratives Gedächtnis

Kognition

- mentale Flexibilität

- verbale Fähigkeiten

- Abstraktion

Kognition

- logisches

Denken

- Arithmetik

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Eine Unterteilung des Zeitraumes nach dem Kon-sum in akute und postakute Phase, so wie es fürdie Beschreibung der Verhaltenseffekte andererMissbrauchsdrogen Sinn macht (MÜLLER et al.,2004), ist für die Untersuchung der Verhaltensef-fekte von Cannabis wenig nützlich. Im Falle derVerhaltenseffekte von Kokain kann nach einer biszu 4 Stunden andauernden akuten Phase innerhalbder darauffolgenden postakuten Phase (ab 4 Stun-den) unter Umständen mit einer Umkehrung, d. h.mit einer Verschlechterung, wenn zunächst eineVerbesserung beobachtet worden war, einiger Ver-haltenseffekte gerechnet werden (MÜLLER et al.,2004). Eine vergleichbare Umkehrung der akutenVerhaltenseffekte im Sinne eines Rebound-Effektswurde für Cannabis bisher nicht beobachtet.

Bei der Untersuchung regelmäßiger Cannabiskon-sumenten wurde zwischen Abstinenz und akutemKonsum unterschieden. Die Frage, ab welchem zeit-lichen Abstand zum letztmaligen Konsum bei einemCannabiskonsumenten von Abstinenz gesprochenwerden kann, ist jedoch nicht trivial und wurde inder Forschungsliteratur sehr unterschiedlich ent-schieden. Streng genommen sollte Abstinenz nichtvor dem Abklingen möglicher residualer Verhaltens-effekte angenommen werden, d. h. nach der hiervorgenommenen Definitionen nicht vor 48 Stundennach letztmaligem Konsum. Eine solche strenge De-finition hätte aber zur Folge, dass eine Vielzahl derStudien zu den Verhaltensleistungen regelmäßigerCannabiskonsumenten nicht sinnvoll interpretierbarwären. Die Autoren geben in diesen Studien ledig-lich Mindestabstinenzzeiträume an, die zum Teildeutlich geringer sind als 48 Stunden (z. B. RAY etal., 1979; MENDHIRATTA et al., 1978; SCHAEFFERet al., 1981; VARMA et al., 1988; POPE et al., 2001,2002; SOLOWIJ et al., 2002a). Die jeweiligen Auto-ren geben die Testsituation jedoch als Abstinenz an.Da eine klare Definition der Zeiträume für residualeEffekte und Abstinenz bisher nicht vorliegt und sichdie Studien zu den Residualeffekten von Cannabis-konsum bisher lediglich auf Gelegenheitskonsu-menten beziehen, soll hier der Interpretation der je-weiligen Autoren gefolgt werden. Mögliche residua-le Effekte aufgrund des kurzen verifizierten Absti-nenzzeitraumes bei den getesteten gelegentlichenCannabiskonsumenten können jedoch nicht immerganz ausgeschlossen werden.

3.3.4 Vorgehen bei der Verhaltensanalyse

Eine Analyse, der Verhaltenseffekte von Cannabis-konsum, die mit dem Bottom-up-Ansatz arbeitet,

muss zunächst die einzelnen isolierbaren neuro-psychologischen Leistungen betrachten. Dabei istdie Frage zu klären, welche Kriterien erfüllt seinmüssen, damit man von Cannabis-bedingten Defi-ziten ausgehen kann. Generell kann angenommenwerden, dass jede neuropsychologische Leistung,die auf einer „normalen” Funktion der neuronalenVerarbeitungsmechanismen beruht, ab einer be-stimmten akut eingenommenen Dosis einer psy-chotrop wirkenden Substanz nicht mehr optimalerbracht werden kann. Die Frage ist demzufolgenicht, ob eine bestimmte Leistung nach Cannabis-konsum gestört ist, sondern ab welcher Dosis dasgeschieht. Folgt man dem historisch begründetenVorgehen bei der Erforschung der Cannabiseffekteauf Verhalten, so wurde zunächst lediglich nachdem „Ob” einer Beeinträchtigung nach Cannabis-konsum gefragt. Die daraus abgeleiteten Experi-mente erbrachten Schlussfolgerungen in der Formeines „beeinträchtigt” oder „nicht beeinträchtigt“,je nachdem, in welchem Dosierungsbereich mansich bewegte. Bei der Auswahl der getesteten Do-sierungen ließ man sich häufig davon leiten, wieviel ∆9-THC von einem Konsumenten für das Er-langen eines „normalen High” benötigt werdenwürde (z. B. ABEL, 1970). Das Spektrum der beidiesen Dosen beeinträchtigten neuropsychologi-schen Leistungen ist sicherlich sehr interessant,stellt aber nur einen Ausschnitt der möglichen Ef-fekte dar. Das gilt insbesondere, da Cannabis eineillegale Droge ist, deren ∆9-THC-Gehalt dem Kon-sumenten meist nur unzureichend bekannt ist. Eineunwillentliche Überdosierung bezüglich der er-wünschten subjektiven Effekte kann deshalb be-sonders bei unerfahrenen Konsumenten leicht auf-treten. Die damit verbundenen Leistungsbeein-trächtigungen auf neuropsychologischer Ebenebedürfen deshalb ganz besonders der Klärung.Erst in einem fortgeschrittenen Stadium der For-schungen wurden Dosis-Wirkungs-Kurven ermitteltund auch durch statistische Einzeldosierungsver-gleiche abgesichert. Dieses Vorgehen zielt prinzi-piell auf das Finden einer kritischen Dosis ab. Die-sen experimentellen Bemühungen sind natürlichdurch ethische Überlegungen Grenzen gesetzt, so-dass für einige, besonders robuste neuropsycholo-gische Leistungen, ∆9-THC bedingte Beeinträchti-gungen in einem für die systematische Verabrei-chung verantwortbaren Dosierungsbereich mögli-cherweise nicht detektierbar sind (bei zu hohenDosierungen ist mit dem Auftreten einer Cannabis-psychose zu rechnen; JOEL & FRÄNKEL, 1926).Bei der Analyse der Cannabis-induzierten Leis-

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tungsbeeinträchtigungen soll also in einem erstenSchritt geklärt werden, ob für eine bestimmte Leis-tung bereits ein konsistenter Nachweis der Beein-trächtigung nach Cannabiskonsum erbrachtwurde. In der hier vorliegenden Verhaltensanalysesoll generell erst dann von einem konsistentenNachweis einer beeinträchtigten neuropsychologi-schen Leistung nach Cannabiskonsum gespro-chen werden, wenn mindestens 3 unabhängige Ar-beitsgruppen in mindestens hinreichend gut kon-trollierten Studien ein signifikantes Defizit zeigenkonnten. Dieses Kriterium soll hier unabhängigdavon gelten, wie viele Studien die jeweils relevan-te Leistung untersucht haben. Wenn weniger als 3verwertbare Studien zu einer Leistung vorliegen,sollen die Ergebnisse lediglich als Tendenz inter-pretiert werden. In dem Fall soll auch auf die Be-stimmung einer für die beobachteten Defizite kriti-schen ∆9-THC-Dosis verzichtet werden. Die Fest-legung eines Konsistenzkriteriums für den Defizit-nachweis erscheint angesichts der kaum noch zuüberschauenden Fülle an vorliegenden Arbeiten,anhand derer sich bei selektiver Auswahl jedemögliche Position scheinbar „beweisen lässt“,dringend erforderlich (z. B. NOLTE, 2002). Da derüberwiegende Teil aller vorhanden Studien zu denVerhaltenseffekten von Cannabis aus den USAstammt, muss angenommen werden, dass Defizit-berichte häufig unter erheblichem politischemDruck und individuellem Bias zustande gekommensind (für eine Kritik der Cannabisforschung siehe:WEIL, 1998). Das Publizieren negativer Resultateim Sinne nicht nachweisbarer Defizite gestaltetsich nicht nur aus editorischer Sicht problematisch,da Nulleffekte für Cannabis besonders schwer zupublizieren sind. Es kann in den USA zudem auchpolitisch gefährlich sein und zum Verlust der finan-ziellen Unterstützung weiterer Forschungsvorha-ben aus öffentlichen Mitteln führen (persönlicheMitteilung: J. P. HUSTON). Dem starken Bias in derDatenerhebung, Datenpräsentation, Dateninterpre-tation und Publikationspolitik in Richtung positiverEffekte, und damit eines Defizitnachweises, solldas hier definierte Konsistenzkriterium entgegen-wirken und eine objektivere Einschätzung der wirk-lich beweisbaren Defizite ermöglichen.

Wenn anhand dieses Kriteriums von konsistentnachgewiesenen Defiziten in einer neuropsycholo-gischen Leistung bedingt durch Cannabiskonsumausgegangen werden kann, stellt sich im zweitenAnalyseschritt die Frage: Ab welcher Menge desaufgenommenen ∆9-THC treten derartige Defizite

auf? Diese Frage ist von besonderer Relevanz beider Betrachtung der akuten bzw. residualen Effek-te von Cannabis, d. h. in Studien, in denen Canna-bis unter kontrollierten Bedingungen verabreichtwurde. In Analogie zu BERGHAUS et al. (1998a)soll dabei die Annahme gemacht werden, dass imFalle der Identifizierung einer bestimmten ∆9-THC-Dosis, die mit konsistenten Leistungsbeeinträchti-gungen einhergeht, auch alle höheren Dosierungenmit mindestens diesem Grad der Leistungsbeein-trächtigung verbunden sind. Um eine ∆9-THC-Dosis zu ermitteln, ab der mit Leistungsbeeinträch-tigungen in einem neuropsychologischen Parame-ter gerechnet werden muss, sollen weiterhin fol-gende Kriterien gelten: 1.) Bei ansteigender Dosie-rung des verabreichten ∆9-THC muss zu vergleich-baren Latenzzeiten der Messung die Wahrschein-lichkeit einer Beeinträchtigung ebenfalls ansteigen.Das heißt, die Studien, die Leistungsbeeinträchti-gungen finden, sollten nicht zufällig über den ge-samten untersuchten Dosierungsbereich verteiltsein. Vielmehr sollten sich Beeinträchtiguntgen ver-mehrt im Bereich der höchsten Dosierungen kon-zentrieren. 2.) Die ∆9-THC-Dosis soll als Kriteriumherangezogen werden, ab der bei weiterer Dosiser-höhung bei mindestens 50 % der Studien eine Leistungsbeeinträchtigung nachweisbar ist. Einzweischrittiges Vorgehen hat den Vorteil, dass auchfür Leistungsbereiche, die nur in einem sehr be-grenzten Dosierungsbereich untersucht wurden, indem eine Aussage über eine kritische Dosis nurwenig Sinn macht, eine generelle Gefahrenbewer-tung aufgrund gesicherter Daten möglich ist. Solltedagegen bei einer häufig untersuchten Leistungeine Studie dabei sein, die im Gegensatz zu allenanderen Studien zufällig signifikante Effekte findet,so muss mit diesem Vorgehen nicht automatischvon einer gesichert nachgewiesenen Beeinträchti-gung ausgegangen werden.

Neben diesen quantitativen Kriterien für die Dosis-ermittelung soll jedoch auch die Qualität der vor-handenen Studien mit in die Analyse einfließen, dadiese, wie oben ausgeführt, sehr unterschiedlichist. Der Versuch einer Dosisfindung anhand reinquantitativer Kriterien, wie z. B. der prozentualeAnteil der signifikanten Befunde, birgt nach Ansichtder Autoren die Gefahr einer unsystematischenVerzerrung bei gleichzeitiger Suggestion einer defacto nicht vorhandenen Aussagekraft. Anhand deroben beschriebenen Qualitätsmerkmale sollendeshalb alle Studien zu einem Leistungsbereichgewichtet werden. Studien, die den Kriterien für die

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Qualitätsstufe A genügen, sollen als voll aussage-kräftig, Studien, die B. genügen, als eingeschränktaussagekräftig und Studien mit einer C-Bewertungals lediglich tendenziell und nicht im Hinblick aufeine Dosisfindung interpretiert werden. Daraus er-gibt sich am Ende ein Dosisbereich, der sowohl diegefundenen Effekte als auch die Qualität des Nach-weises mit berücksichtigt.

Nachdem für möglichst viele der neuropsychologi-schen Leistungen, die als relevant für das Führeneines Fahrzeugs erkannt wurden, ein ∆9-THC-Wertermittelt wurde, ab dem mit konsistenten Beein-trächtigungen der jeweiligen Leistung zu rechnenist, sollen die einzelnen Werte zusammengeführtwerden. Wenn möglich sollen auch Werte berück-sichtigt werden, die für eine Beeinträchtigung nichtunmittelbar verkehrsrelevanter Leistungen stehen.Am Ende soll eine ∆9-THC-Menge extrahiert wer-den, deren Einnahme zum Auftreten von konsistentnachgewiesenen verkehrsrelevanten Leistungsdefi-ziten führt. In einem weitern Analyseschritt soll danndiskutiert werden, welche toxikologischen MarkerIndizien für die akute Aufnahme von mindestensdieser kritischen Menge ∆9-THC sein können.

4 Ergebnisse

4.1 Verkehrsrelevante Leistungs-defizite

4.1.1 Naive Konsumenten nach dem erstmali-gen Konsum

Eine besondere Konsumsituation, die sich wederdem Gelegenheits- noch dem regelmäßigen Kon-sum zuordnen lässt, ist der erstmalige Konsum beieiner bis dahin Cannabis-naiven Person. Da sowohlspätere Gelegenheits- als auch regelmäßige Konsu-menten nur einmal Erstkonsumenten waren, wirddiese Konsumsituation vergleichsweise selten an-getroffen. Durch den Anstieg der Lebenszeitpräva-lenz des Cannabiskonsums in Deutschland (KRAUSet al., 2004) ist aber auch mit einem vermehrtenAuftreten dieser Konsumsituation zu rechnen.

Für den Fall, dass ehemals Cannabis-naive Perso-nen unmittelbar nach ihrem ersten Cannabiskon-sum am Straßenverkehr teilnehmen, muss auf-grund verschiedener Erwägungen von einer beson-deren Gefahr ausgegangen werden. Wie oben dar-gestellt unterscheiden sich Cannabis-Erstkonsu-menten von Gelegenheits- und regelmäßigen Kon-sumenten vor allem darin, dass sie noch nicht über

ein so genanntes Drogengedächtnis (z. B. HEYNEet al., 2000; BOENING, 2001) verfügen. Die Ge-dächtnisinhalte, welche für die Kontrolle der Can-nabiseffekte relevant sind, kann man dabei in zweiwesentliche Gruppen unterteilen. Sie können beiGelegenheitskonsumenten bereits zu einer teilwei-sen Verringerung des Konsumrisikos beitragen.Zum einen sind das Gedächtnisinhalte bezüglichder externen Stimuli und Handlungen der Cannabis-einnahme selbst und zum anderen Gedächtnisin-halte bezüglich der internen bzw. subjektiv emp-fundenen Zustände nach Cannabiseinnahme. Vonbeidem gehen beim erstmaligen Konsum Gefahrenaus, die auch verkehrsrelevant sein können. DasFehlen von Erfahrung mit der Einnahme von Can-nabis, wie z. B. die Auswahl einer „geeigneten” Do-sierung, konsumvorbereitende Handlungen (Jointpräparieren) oder soziale Interaktionsformenwährend des Konsums (Joint herumreichen) stelltein spezifisches Risiko dar, das beim erstmaligemKonsum bereits zu einem Kontrollverlust führenkann (ZINBERG, 1984). Die größte Gefahr dürftedabei von einer möglichen initialen Überdosierungausgehen. Eine sehr hohe Dosis ∆9-THC kann be-reits nach einmaligem Konsum zu einer Cannabis-psychose führen. Cannabispsychosen sind diffe-rentialdiagnostisch kaum von einer Schizophreniezu trennen (TÄSCHNER, 1983, 1986; THOR-NICROFT, 1990; JOHNS, 2001) und stellen damitdie Fahrtüchtigkeit einer Person prinzipiell in Frage(KARUS & GROTENHERMEN, 2002). Ab welcherDosierung mit dem Auftreten einer schizophrenenSymptomatik bei erstmaligem Konsum gerechnetwerden muss, kann am ehesten einer Studie vonD’SOUZA et al. (2004) an Versuchspersonen mitgeringem vorausgegangenem Cannabiskonsumentnommen werden. Die Autoren berichten darinsowohl positive als auch negative schizophreniear-tige Symptome mit einer Dauer von bis zu 200 Mi-nuten nach der intravenösen Verabreichung von2,5 und 5 mg ∆9-THC. Die Symptome waren 10Minuten nach Verabreichung am stärksten ausge-prägt und zeigten einen ähnlichen Zeitverlauf wiedas subjektiv empfundene „High” (D’SOUZA et al.,2004). Diese Befunde werden zudem von einerfrühen Untersuchung von JOEL & FRÄNKEL (1926)gestützt, in der die Autoren detailliert schizophre-nieartige Symptome nach der einmaligen oralenEinnahme von 100 mg eines hochwirksamen Hanf-Extraktes beschreiben. Obwohl die Gefahr einerdurch Überdosierung induzierten Cannabispsycho-se wahrscheinlich bei naiven Erstkonsumenten amgrößten ist, bleibt sie auch bei wiederholtem, gele-

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gentlichem und regelmäßigem Konsum bestehen.Bei einer initialen Überdosierung ist das Risiko fürdas Herz-Kreislaufsystem, für Infarkte, oder dieLungenfunktion aufgrund der hohen therapeuti-schen Breite von ∆9-THC relativ gering (KRAUSZ & MEYER-THOMPSON, 1998; IVERSEN,2000). Cannabis unterscheidet sich damit wesent-lich von den so genannten harten Suchtdrogen,wie Kokain oder Heroin, bei denen die Risiken einerÜberdosierung, insbesondere im Zusammenhangmit weiteren externen Faktoren, als sehr hoch ein-geschätzt werden müssen (z. B. SIEGEL et al.,1982; MARZUK et al., 1998). Generell wird davonausgegangen, dass Cannabiskonsum auch beisehr hohen Dosierungen beim Menschen nicht letalist (IVERSEN, 2000; EARLYEWINE, 2002).

Zu den besonderen Risiken, die durch fehlende Er-fahrung beim Umgang mit Cannabis bei Erstkon-sumenten auftreten, trägt auch die Unerfahrenheitmit dem neuen subjektiven Status und den inter-nen Stimuli nach dem Erstkonsum bei. Generell istzu beachten, dass Cannabis beim erstmaligenKonsum häufig keine Euphoriegefühle induziert,sondern gar keine Wirkung oder aversive Effektehat (WASKOW et al., 1970; HALIKAS et al., 1971;BELGRAVE et al., 1979; BIRD et al., 1980; vanTREECK, 1997). Zudem fehlt bei einem Erstkonsu-menten noch das Wissen über den zeitlichen Ver-lauf und die Begrenztheit der subjektiven Effekte,was akut zu Angstzuständen oder Panik führenkann. Mit dem erstmaligen Konsum setzt somitnicht nur das Erlernen der „lustvollen Wahrneh-mung der Drogenwirkung” (JONES, 1971; HOCKE& SCHULZ, 1998), sondern auch das Erlernenmöglicher aversiver Zustände und ihrer zeitlichenBegrenztheit ein. Zudem macht insbesondere beiunerfahrenen Konsumenten eine hohe Suggestibi-lität der subjektiven Cannabiseffekte – d. h. eine In-teraktion zwischen internen und externen Faktoren– die Vorhersage der initialen Wirkung fast unmög-lich (JONES, 1971).

Für die Abgrenzung der Konsumsituationen „erst-maliger Cannabiskonsum” und „Gelegenheitskon-sument nach akutem Konsum” muss an dieserStelle angemerkt werden, dass sich der Übergangvon einem zum anderen nicht mit dem Abklingender Effekte des erstmaligen Konsums und der voll-ständigen Ausscheidung aller aufgenommenenCannabinoide und ihrer Metaboliten vollzogen hat.Vielmehr handelt es sich um einen graduellen Pro-zess, der sicherlich noch weitere Konsumgelegen-heiten umfasst. Während dieser „ersten Male” wer-

den dabei in der Regel verschiedene Parameter,wie aufgenommene Menge, Applikationsart (ge-raucht vs. oral), eigener Zustand (set) oder Kon-sumumgebung (setting) variiert, sodass sich all-mählich ein Drogengedächtnis für sowohl externeals auch interne Inhalte zum Cannabiskonsum bil-det. Wenn der Cannabiskonsum nach einer sol-chen Probierphase oder aufgrund aversiver Effektenicht bereits wieder abgebrochen wurde (KLEIBER& SOELLNER, 1998), kann davon ausgegangenwerden, dass der ehemals Cannabis-naive Konsu-ment nun ein gewisses Maß an subjektiv empfun-dener Kontrolle über die Droge wahrnimmt. Einegewisse subjektiv empfundene Kontrolle über denCannabiskonsum ist dann für Gelegenheitskonsu-menten charakteristisch (z. B. REILLY et al., 1998).Erst bei regelmäßigen Konsumenten wird berichtet,dass diese subjektiv empfundene Kontrolle zumin-dest bei einigen Konsumenten wieder verloren geht(STEPHENS et al., 1993).

4.1.1.1 Neuropsychologische Effekte

Für die Effekte des erstmaligen Cannabiskonsumsbei bis dahin Cannabis-naiven Personen liegennach unseren Kenntnissen keine Studien im Fahr-oder Flugsimulator bzw. auch keine Realfahrtstu-dien vor. Die Anzahl der neuropsychologischen Un-tersuchungen mit Cannabis-naiven Versuchsper-sonen ist zudem sehr begrenzt. Die Qualität derhier vorliegenden Studien kann jeweils als hinrei-chend gut bewertet werden. Es handelt sich durch-weg um Studien, die Cannabis in gerauchter Formapplizieren. Der dabei untersuchte Dosisbereichdeckt mit Dosierungen bis zu 18 mg ∆9-THC einenrelativ großen Bereich ab. Aufgrund der begrenztenAnzahl der vorhandenen Studien zu dieser Kon-sumsituation können die Erkenntnisse bisher ledig-lich den Charakter von Tendenzen haben.

Stabilisierung

In einer Untersuchung der visuellen Wahrnehmungfanden MILSTEIN et al. (1975) 15 Minuten nachdem Rauchen von Marihuana mit 6 mg ∆9-THCkeine signifikante Beeinträchtigung (Tabelle 4). Da-gegen konnten CARLIN et al. (1974) in einerschwierigeren Aufgabe zur Erkennung versteckterBildinhalte unmittelbar nach dem Rauchen vonMarihuana mit 7,5 mg ∆9-THC signifikante Defizitezeigen (CARLIN et al. 1974). Ergänzend dazu un-tersuchten CLARK & NAKASHIMA (1968) in einerPilotstudie an Cannabis-naiven psychiatrischenPatienten und Studenten die Effekte oralen Canna-

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Tab. 4: Fahrrelevante Leistungsbeeinträchtigungen nach dem ersten Cannabiskonsum (geraucht) bei bis dahin Cannabis-naivenPersonen. Die angegebenen Leistungsunterschiede vs. Placebobedingung beruhen auf den Ergebnissen der jeweils ver-wendeten statistischen Tests (↑/↓ signifikant verbessert/verschlechtert; --- nicht signifikant verändert). Die Ebene der Fahr-zeugführung, für die eine Leistung relevant ist, wurde mit S: Stabilisierung, B: Bahnführung oder N: Navigation ausgewie-sen. Studienqualität: gut kontrollierte Studie (++++ und +++); hinreichend kontrollierte Studie (++ und +)

getestete Leistung EbeneverabreichteMenge THC

Testlatenz zurEinnahme

Effekt Studien- Qualität

Referenz

Wahrnehmung

visuell

Buchstaben erkennen S 6 mg 15 min --- + MILSTEIN et al. (1975)

versteckte Bilder erkennen S 7,5 mg 0 min ↓ ++ CARLIN et al. (1974)Aufmerksamkeit

selektive Aufmerksamkeit

Farbwort-Interferenz-Test S 7,5 mg 0 min ↓ ++ CARLIN et al. (1974)

dauerhafte Aufmerksamkeit

Reaktion auf visuellen Stimulus S 4,5 mg 40 min --- + WEIL et al. (1968)

Reaktion auf visuellen Stimulus* S 4,5 mg 40 min --- + WEIL et al. (1968)

Reaktion auf visuellen Stimulus* S 4,5 mg 90 min --- + WEIL et al. (1968)

Reaktion auf visuellen Stimulus S 4,5 mg 90 min --- + WEIL et al. (1968)

Reaktion auf visuellen Stimulus S 18 mg 40 min --- + WEIL et al. (1968)

Reaktion auf visuellen Stimulus* S 18 mg 40 min --- + WEIL et al. (1968)

Reaktion auf visuellen Stimulus S 18 mg 90 min --- + WEIL et al. (1968)

Reaktion auf visuellen Stimulus* S 18 mg 90 min --- + WEIL et al. (1968)

* mit AblenkungMotorik

visumotorische Koordination

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 4,5 mg 40 min ↓ + WEIL et al. (1968)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 4,5 mg 90 min ↓ + WEIL et al. (1968)

Auge-Hand-Koordination (vertikal) B 6 mg 15 min ↓ + MILSTEIN et al. (1975)

Auge-Hand-Koordination (horizontal) B 6 mg 15 min ↓ + MILSTEIN et al. (1975)

Auge-Hand-Koordination (2D) B 6 mg 15 min --- + MILSTEIN et al. (1975)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 7,5 mg 0 min ↓ ++ CARLIN et al. (1974)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 18 mg 40 min ↓ + WEIL et al. (1968)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 18 mg 90 min ↓ + WEIL et al. (1968)

Tracking

Folgetracking B 4,5 mg 40 min ↓ + WEIL et al. (1968)

Folgetracking B 4,5 mg 90 min ↓ + WEIL et al. (1968)

Folgetracking B 18 mg 40 min ↓ + WEIL et al. (1968)

Folgetracking B 18 mg 90 min ↓ + WEIL et al. (1968)Gedächtnis

Kurzzeitgedächtnis

verbales Assoziationslernen B 7,5 mg 0 min --- ++ CARLIN et al. (1974)Denken

mentale Flexibilität

Wortassoziationen bilden B 7,5 mg 0 min ↓ ++ CARLIN et al. (1974)

Alternative Nutzung B 7,5 mg 0 min --- ++ CARLIN et al. (1974)

Nicht fahrrelevante LeistungenWahrnehmung

taktil

Formen diskriminieren 7,8 mg 15 min ↓ + MaCCANNELL et al. (1977)Motorik

motorische Geschwindigkeit

Fingertippen 6 mg 15 min --- + MILSTEIN et al. (1975)

Fußzehtippen 6 mg 15 min --- + MILSTEIN et al. (1975)

Koordination

Handruhe 6 mg 15 min --- + MILSTEIN et al. (1975)

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biskonsums auf die visuelle und auditorischeWahrnehmung. Die Autoren fanden 1 Stunde nachCannabisapplikation in Dosierungen von 0,028,0,044 und 0,066 mg/kg ∆9-THC keine Hinweise aufeine Beeinträchtigung der visuellen oder auditori-schen Wahrnehmung. Es wird sogar eine Verkür-zung des visuellen Nachbildes nach Cannabis be-richtet (CLARK & NAKASHIMA, 1968). Diese Be-funde müssen jedoch mit Vorsicht interpretiert wer-den, da sämtliche Angaben in der Studie sehr un-vollständig sind und eine statistische Auswertungder Daten nicht vorgenommen wurde. Insgesamtliegen aber bisher noch nicht genügend minde-stens hinreichend gut kontrollierte Studien densensorischen Leistungen in dieser Konsumsituati-on vor, um sichere Aussagen über zu erwartendeLeistungsbeeinträchtigungen machen zu können.

Die Aufmerksamkeitsleistungen sind bei Cannabis-naiven Personen nach dem ersten Konsum bisherlediglich in zwei hinreichend gut kontrollierten Stu-dien untersucht worden. CARLIN et al. (1974) be-richten dabei ein signifikantes Defizit in einer Auf-gabe zur selektiven Aufmerksamkeit unmittelbarnach dem Rauchen von Marihuana mit 7,5 mg ∆9-THC. In einer frühen Studie, die bis heute als dieerste hinreichend gut kontrollierte Studie zu denneuropsychologischen Effekten von Marihuana gilt,fanden WEIL et al. (1968) dagegen nach Dosierun-gen von 4,5 und 18 mg ∆9-THC keine signifikantenDefizite in der dauerhaften Aufmerksamkeit mit undohne zusätzliche Distraktion nach 40 und 90 Minu-ten. In einer weiteren frühen, aber nur unzureichendkontrollierten Studie untersuchten CASSWELL &MARKS (1973) die Effekte des Cannabisrauchensauf die geteilte visuelle Aufmerksamkeit bei Canna-bis-naiven Versuchspersonen, operationalisiertdurch Reaktionen auf einen zentralen und einenperipheren visuellen Stimulus. Die Autoren berich-ten signifikant mehr Fehler in der peripheren undzentralen Wahrnehmung 30 bis 40 Minuten nachdem Rauchen von Cannabis mit 3,3 oder 6,6 mg∆9-THC, wobei sich die Leistungseinbußen beiCannabis-naiven Versuchspersonen nicht signifi-kant von denen der Cannabis-erfahrenen Ver-suchspersonen unterschieden. Leider wurden indieser Studie keine statistisch untermauerten Er-gebnisse für die einzelnen Dosierungen berichtet,sodass eine Aussage darüber, welche der unter-suchten Dosierungen zu den beobachteten Effek-ten geführt hat, nicht mit Sicherheit möglich ist.Auch für die Aufmerksamkeitsleistungen könnenaufgrund der relativ wenigen, mindestens hinrei-chend gut abgesicherten Daten keine sicheren

Aussagen über zu erwartende Leistungsbeein-trächtigungen gemacht werden.

BEAUTRAIS & MARKS (1976) untersuchten aber ineiner nicht hinreichend gut kontrollierten Studie dieFeinmotorik bei Cannabis-naiven Versuchsperso-nen nach dem erstmaligen Konsum bzw. nachdemvorher bereits viermal unter Cannabiseinfluss trai-niert worden war. Die Autoren konnten dabei keinesignifikante Verschlechterung unmittelbar nachdem erstmaligen Rauchen von Marihuana mit 7 mg∆9-THC feststellen. Das Training unter Cannabis-einfluss hatte ebenfalls keine signifikante Leis-tungsverbesserung zur Folge, wenn der Test unterCannabiseinfluss ausgeführt wurde (BEAUTRAIS &MARKS; 1976). Allerdings ist die Gruppengröße mitzum Teil nur n = 4 in dieser Studie sehr klein. Ineiner weiteren nicht hinreichend gut kontrolliertenStudie zur Motorik fanden CLARK & NAKASHIMA(1968) Hinweise auf eine Beeinträchtigung der ein-fachen und komplexen Reaktionszeit eine Stundenach oraler Cannabisapplikation in Dosierungenvon 0,028, 0,044 und 0,066 mg/kg ∆9-THC.

Insgesamt muss auch für die motorischen Leistun-gen auf Ebene der Stabilisierung festgestellt wer-den, dass bisher für keine neuropsychologischeLeistung nach erstmaligem Cannabiskonsum beibis dahin Cannabis-naiven Personen eine signifi-kante Beeinträchtigung konsistent nachgewiesenwerden konnte.Wahrnehmung taktil

Bahnführung

Die visumotorische Koordination wurde von ver-schiedenen Arbeitsgruppen in mindestens hinrei-chend gut kontrollierten Studien untersucht. Dabeizeigten sich signifikante Beeinträchtigungen der vi-sumotorischen Koordination nach dem Rauchenvon Marihuana mit 4,5 mg (WEIL et al., 1968), 6 mg(MILSTEIN et al., 1975), 7,5 mg (CARLIN et al.,1974) und 18 mg ∆9-THC (WEIL et al., 1968). DieDefizite wurden im Zeitraum von 0 bis 90 Minutennach dem Rauchen beobachtet. BEAUTRAIS &MARKS (1976) untersuchten in einer nicht hinrei-chend kontrollierten Studie die visumotorische Ko-ordination und das Folgetracking bei Cannabis-naiven Versuchspersonen nach dem erstmaligenKonsum bzw. nachdem vorher bereits viermalunter Cannabiseinfluss trainiert worden war. DieAutoren konnten dabei jedoch keine signifikanteVerschlechterung unmittelbar nach dem erstmali-gen Rauchen von Marihuana mit 7 mg ∆9-THCfeststellen. Das Training unter Cannabiseinfluss

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hatte ebenfalls keine signifikante Leistungsverbes-serung zur Folge, wenn der Test unter Cannabis-einfluss ausgeführt wurde (BEAUTRAIS & MARKS,1976). Fehlende statistische Einzelgruppenverglei-che und Gruppengrößen von n = 4 machen jedocheine sichere Interpretation der Daten hinfällig. Fürdiese Konsumsituation kann aber insgesamt einkonsistenter Nachweis signifikanter Beeinträchti-gungen der visumotorischen Koordination als si-cher gelten.

Beim Folgetracking, einer weiteren motorischen Leistung auf Ebene der Bahnführung, fanden WEILet al., (1968) ebenfalls signifikante Leistungsbeein-trächtigungen nach dem Rauchen von Marihuanamit 4,5 und 18 mg ∆9-THC nach 40 und 90 Minu-ten. Diese Ergebnisse konnten in einer nicht hinrei-chend gut kontrollierten Studie von KIPLINGER etal., (1971) bestätigt werden. Die Autoren fandendabei Hinweise auf einen dosisabhängigen Gradder Beeinträchtigung nach dem Rauchen von Ma-rihuana mit 0.00625, 0,0125, 0,025 oder 0,05mg/kg ∆9-THC. Da aber bei der Testung Cannabis-naive und -erfahrene Versuchspersonen vermischtwurden, können diese Befunde nicht mehr eindeu-tig interpretiert werden.

Die Leistungen aus dem Bereich des Gedächtnis-ses sind bisher ebenfalls nur in sehr geringem Um-fang in mindestens hinreichend gut kontrolliertenStudien untersucht worden. Im verbalen Kurzzeit-gedächtnis wurden dabei unmittelbar nach demRauchen von Marihuana mit 7,5 mg ∆9-THC keinesignifikanten Defizite beobachtet (CARLIN et al.,1974). In einer anderen, jedoch nicht hinreichendgut kontrollierten Studie verglichen CASSWELL &MARKS (1973) die Effekte des Rauchens von Mari-huana mit 3,3 und 6,6 mg ∆9-THC auf das Kurz-zeitgedächtnis bei Cannabis-naiven Versuchsper-sonen und Gelegenheitskonsumenten. Das Rau-chen von Cannabis hatte dabei keine signifikantenEffekte in zwei Tests zum verbalen Kurzzeitge-dächtnis. Die Autoren fanden in dieser Studiezudem keine signifikanten Unterschiede zwischenCannabis-naiven Versuchspersonen und Gelegen-heitskonsumenten (CASSWELL & MARKS, 1973).Allgemein sind die statistischen Auswertungsver-fahren in dieser Studie jedoch nur schwer nach-vollziehbar, sodass sowohl die Einzeleffekte fürCannabis-naive Versuchspersonen als auch derVergleich mit den Gelegenheitskonsumenten nurmit großer Vorsicht bzw. nur als Tendenz interpre-tiert werden dürfen. CLARK & NAKASHIMA (1968)fanden in einer ebenfalls als nicht hinreichend gut

kontrolliert bewerteten Pilotstudie an Cannabis-naiven psychiatrischen Patienten und StudentenHinweise auf eine Beeinträchtigung im verbalenKurzzeitgedächtnis (Zahlenreihen erinnern) eineStunde nach oraler Cannabisapplikation in Dosie-rungen von 0,028, 0,044 und 0,066 mg/kg ∆9-THC.WASKOW et al. (1970) untersuchten in einer nichthinreichend gut kontrollierten Studie die Effektevon oral verabreichtem Cannabis mit 20 mg ∆9-THC auf das Kurzzeitgedächtnis bei Gefängnis-insassen mit und ohne Musik als Distraktor nach90 und 210 Minuten. Bezüglich der Cannabisvorer-fahrung war die untersuchte Population jedochnicht homogen. Die Autoren geben an, dass 7 der32 untersuchten Personen bereits über einigeCannabiserfahrung verfügten. Cannabis führte indieser Studie nicht zu signifikanten Defiziten imverbalen Kurzzeitgedächtnis (Zahlenspanne vor-wärts und rückwärts). Musik hatte als Distraktorweder Effekte auf das Leistungsniveau noch aufdie subjektive Wahrnehmung der Cannabiseffekte(WASKOW et al., 1970). Insgesamt kann bishernicht von konsistent nachgewiesenen Beeinträchti-gungen im Bereich des Gedächtnisses bei Canna-bis-naiven Personen unmittelbar nach dem erst-maligen Konsum ausgegangen werden.

Im Bereich der kognitiven Leistungen wurde ledig-lich die mentale Flexibilität in hinreichend gut kon-trollierten Studien zu dieser Konsumsituation un-tersucht. Eine nicht hinreichend gut kontrollierteStudie von KIPLINGER et al. (1971) fand aber Hin-weise auf eine Beeinträchtigung in mehreren Auf-gaben zur mentalen Flexibilität nach dem Rauchenvon Marihuana mit 0,00625, 0,0125, 0,025 oder0,05 mg/kg ∆9-THC. Da aber bei der TestungCannabis-naive und -erfahrene Versuchspersonenvermischt wurden, können diese Befunde nichtmehr eindeutig interpretiert werden. Auch CARLINet al. (1974) fanden unmittelbar nach dem Rauchenvon Marihuana mit 7,5 mg ∆9-THC in einem vonzwei Tests zur mentalen Flexibilität signifikante De-fizite. In einer nicht hinreichend gut kontrolliertenStudie untersuchten zudem WASKOW et al. (1970)die Effekte von oral verabreichtem Cannabis mit 20mg ∆9-THC auf die mentale Flexibilität bei Gefäng-nisinsassen mit und ohne Distraktor. SignifikanteDefizite konnten unter keiner Bedingung gefundenwerden (WASKOW et al., 1970). Für die kognitivenLeistungen auf Ebene der Bahnführung müsseninsgesamt aber erst noch gut kontrollierte Studienabgewartet werden, bis eindeutige Aussagen überLeistungsdefizite möglich sind.

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Navigation

Mindestens hinreichend gut kontrollierte neuropsy-chologische Studien, die Leistungen mit Relevanzfür die Navigation testen, liegen zum gegenwärti-gen Zeitpunkt noch nicht vor. KIPLINGER et al.(1971) fanden in einer nicht hinreichend gut kon-trollierten Studie bisher keine Hinweise auf signifi-kante Beeinträchtigungen in 4 Tests zu den arith-metischen Fähigkeiten nach dem Rauchen vonMarihuana mit 0,00625, 0,0125, 0,025 oder 0,05mg/kg ∆9-THC. Da aber bei der Testung Cannabis-naive und -erfahrene Versuchspersonen vermischtwurden, können diese Befunde nicht mehr eindeu-tig interpretiert werden. In einer anderen Studieverglichen CASSWELL & MARKS (1973) die Effek-te des Rauchens von Marihuana mit 3,3 und 6,6mg ∆9-THC auf die kognitiven Fähigkeiten beiCannabis-naiven Versuchspersonen und Gelegen-heitskonsumenten. Die Autoren berichten dabeivon einer signifikant verschlechterten Leistung inzwei verschiedenen Tests zur seriellen Subtraktion(Arithmetik) nach sowohl 3,3 mg als auch 6,6 mg∆9-THC, wobei keine signifikanten Unterschiedezwischen Cannabis-naiven Versuchspersonen undGelegenheitskonsumenten sichtbar waren (CASS-WELL & MARKS, 1973). Aufgrund der statistischenAuswertung der Daten in dieser Studie können dieErgebnisse jedoch lediglich als Hinweis interpre-tiert werden. In einer weiteren nicht hinreichend gutkontrollierten Studie untersuchten WASKOW et al.(1970) die Effekte von oral verabreichtem Cannabismit 20 mg ∆9-THC auf die arithmetischen Fähig-keiten bei Gefängnisinsassen mit und ohne Musikals Distraktor. Cannabis führte in dieser Studienach 90 und 210 Minuten zu einer signifikanten Be-einträchtigung der seriellen Addition, einem Maßder arithmetischen Fähigkeiten. Musik hatte als Di-straktor keine Effekte auf das Leistungsniveau(WASKOW et al., 1970).

Neben den Leistungen, die für das Fahrzeugführenunmittelbar relevant sind, wurden noch weitere Lei-stungen in hinreichend gut kontrollierten Studienbei Cannabis-naiven Versuchspersonen getestet(Tabelle 4). MACCANNELL et al. (1977) fandennach dem Rauchen von Marihuana mit einer Dosisvon 7.8 mg ∆9-THC eine signifikante Beeinträchti-gung der taktilen Wahrnehmung (Formen diskrimi-nieren). Keine Defizite fanden dagegen MILSTEINet al. (1975) in zwei Tests der motorischen Ge-schwindigkeit und in der Koordination (Handruhe)nach dem Rauchen von Marihuana mit 6 mg ∆9-THC.

Fazit

Aufgrund der relativ geringen Anzahl gut kontrol-lierter Studien, die neuropsychologische Parameternach Cannabiskonsum bei bis dahin Cannabis-nai-ven Versuchspersonen messen, sind Aussagenüber diese Konsumsituation bisher nur in einemsehr begrenztem Maße möglich. Die einzige Leis-tung, bei der von konsistenten nachgewiesenenDefiziten ausgegangen werden kann, ist die visu-motorische Koordination. Hierbei treten Defizitebereits ab einer Dosis von 4,5 mg ∆9-THC (ge-raucht) auf, die auch bei allen höheren Dosierungenzu beobachten waren. Für die anderen untersuch-ten Leistungsbereiche gibt es für den Erstkonsumvon Cannabis bei zuvor Cannabis-naiven Personenzwar erste Hinweise auf Cannabis-induzierte Defi-zite in für die Fahrzeugführung relevanten neuro-psychologischen Leistungen. Angesichts der sehrdünnen Datendecke und der lediglich hinreichen-den Qualität der vorhandenen Studien kann jedochnicht von konsistent nachgewiesenen Defiziten ge-sprochen werden. Weitere Studien zu dieser Kon-sumsituation bleiben deshalb abzuwarten.

Bedeutung für die Fahrtüchtigkeit

Als einzige neuropsychologische Leistung wurde dievisumotorische Koordination bei Cannabis-naivenPersonen nach dem ersten Konsum konsistent alsbeeinträchtigt nachgewiesen. Dabei handelt es sichum eine Leistung auf Ebene der Bahnführung, dieerheblich zur Fahrtüchtigkeit beiträgt. Da es aber dieeinzige beeinträchtigte Leistung ist, kann gegenwär-tig nicht ausgeschlossen werden, dass diese Leis-tung auf Interaktionsebene noch kompensiert wer-den kann (z. B. durch erhöhte Aufmerksamkeit,langsameres Fahren etc.). Basierend auf nur einereinzigen konsistent nachgewiesenen neuropsycho-logischen Leistung auf Ebene der Bahnführung aufeine eventuelle Fahruntüchtigkeit in dieser Konsum-situation zu schließen, erscheint derzeit noch zuvoreilig. Ohne weitere Untersuchungen dazu sinddeshalb keine gesicherten Aussagen möglich.

4.1.2 Gelegenheitskonsumenten: abstinent

Als Gelegenheitskonsumenten sollen entspre-chend der vorangestellten Literaturanalyse alleKonsumenten von Cannabis gelten, die eine Kon-sumfrequenz von bis zu viermal pro Woche (Me-dian: bis zu 2-mal pro Woche) aufweisen. Es darfangenommen werden, dass Gelegenheitskonsu-menten allgemein bereits ein Gedächtnis bezüglich

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der äußeren Umstände der Cannabiseinnahme undder zu erwartenden subjektiven Effekte ausgebildethaben (ZINBERG, 1984). Damit verfügen sie auch

über ein gewisses Maß an Kontrolle über die aku-ten Effekte des Konsums. Gelegenheitskonsumen-ten können sich prinzipiell in zwei verschiedenenKonsumsituationen befinden. Entweder sind sie ineinem auf Cannabis bezogen nüchternen bzw. ab-stinenten Zustand oder sie befinden sich in einemakuten Konsumzustand. Bisher schien die Unter-teilung „akuter Konsum” versus „nüchtern/absti-nent” vor allem für regelmäßige Konsumenten sinn-voll zu sein. Da aber für Gelegenheitskonsumentenbisher noch nicht geklärt wurde, ob diese Konsum-form zu Langzeitschäden führt, soll sie hier separatbetrachtet werden. Die Ursache für das Fehleneiner solchen Bewertung dürfte vor allem in derbisher herrschenden Unklarheit bezüglich der Kon-sumentenklassifizierung zu suchen sein. Da diesein der Regel anhand der Konsumdimension „Fre-quenz” vorgenommen wurde, wurde die Fragenach der Konsumdimension der „Dauer” zumeistausgeblendet. Es kann jedoch bisher nicht mit Si-cherheit ausgeschlossen werden, dass auch beiGelegenheitskonsumenten ab einer bestimmtenDauer des Konsums Langzeitverhaltensdefiziteauftreten. Die Frage, ob nach Beendigung desKonsums bei Gelegenheitskonsumenten mit ernst-haften Entzugseffekten zu rechnen ist, scheintdabei eher im Hintergrund zu stehen.

4.1.2.1 Neuropsychologische Effekte

Aufgrund der bisher vernachlässigten Trennung beiGelegenheitskonsumenten zwischen Abstinenz undakutem Konsum sind bisher nur drei hinreichendgut kontrollierte Studien bekannt, die eine Konsum-situation „abstinenter Gelegenheitskonsument” mitvorangegangenem Langzeitkonsum untersucht.POPE et al. (2001) haben in einer gut kontrolliertenStudie die neuropsychologischen Leistungen vonLangzeitkonsumenten mit hoher und niedriger Kon-sumfrequenz mit der von wenig Cannabis-erfahre-nen Personen (< 1-mal/Jahr) verglichen. In einerspäteren Studie (POPE et al., 2002) wurde die un-tersuchte Population noch um 29 weibliche Test-personen ergänzt. Relevant für die Gruppe absti-nenter Gelegenheitskonsumenten ist in beiden Be-richten die Gruppe der Langzeitkonsumenten(> 5.000 Rauchepisoden insgesamt) mit niedrigerKonsumfrequenz (< 12-mal in letzten 3 Monaten).Untersucht wurden die Gelegenheitskonsumentenund Kontrollpersonen nach 0, 1, 7 und 28 Tagen ve-rifizierter Abstinenz (tägliche Urinprobe). Regel-

mäßige Cannabiskonsumenten mit Langzeitkon-sum wiesen in dieser Studie einen gegenüber denKontrollpersonen signifikant verringerten verbalenIQ auf, der ein Maß für die Abschätzung der prä-morbiden Intelligenz darstellt. Gelegenheitskonsu-menten mit Langzeitkonsum unterschieden sich imverbalen IQ dagegen nicht von den Kontrollen.

Stabilisierung

Als einzige relevante Leistungen auf Ebene derStabilisierung wurden von POPE et al. (2001, 2002)die selektive visuelle und die dauerhafte auditori-sche Aufmerksamkeit untersucht. Weder nach 0, 1,7 noch nach 28 Tagen kontrollierter Abstinenzwaren dabei Defizite bei den Gelegenheitskonsu-menten im Vergleich zu den Kontrollen nachweis-bar (Tabelle 5). Eine ebenfalls gut kontrollierte Stu-die von SOLOWIJ et al. (1995) konnte die Ergeb-nisse bezüglich der selektiven Aufmerksamkeit be-stätigen. Die Autoren fanden dabei keine Hinweiseauf eine signifikante Beeinträchtigung nach 24-stündiger Abstinenz bei Cannabiskonsumenten,deren Konsumdauer im Mittel 6,7 Jahre betrug, beieinem Konsum an 6 Tagen im Monat.

In einer nicht hinreichend gut kontrollierten Studieuntersuchten JONES et al. (2003) die visuelleWahrnehmung bei vornehmlich Gelegenheitskon-sumenten während der Abstinenz, wobei jedochkeine Angaben zur Abstinenzdauer gemacht wur-den. Die Autoren konnten dabei keine signifikantenUnterschiede in der Wahrnehmung von Bildunter-schieden zwischen Gelegenheitskonsumenten undNicht-Konsumenten finden (JONES et al., 2003).CULVER & KING (1974) hatten in einer Studie anjungen Marihuanakonsumenten die Effekte einesmindestens zwölfmonatigen Konsums mit einerFrequenz von > 2-mal/Monat untersucht. Nach 7Tagen Abstinenz konnten die Autoren keine Hin-weise auf signifikante Defizite bei der auditorischenund taktilen Wahrnehmung und in der Feinmotorikbzw. beim Fingertapping finden. Diese Studiewurde aufgrund der hohen Anzahl der Einzeltestsohne entsprechende statistische Adjustierung undden starken Beikonsum von Alkohol in der Gruppeder Gelegenheitskonsumenten, aber nicht in derKontrollgruppe als nicht hinreichend kontrollierteingestuft. Beide Faktoren dürften aber eher zueiner Überschätzung von Defiziten geführt haben.

Bahnführung

Aus dem Bereich der Motorik wurde bisher ersteine Leistung untersucht. POPE et al. (2001, 2002)

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konnten dabei in einer Aufgabe zur visumotori-schen Koordination nach 28 Tagen Abstinenz keinesignifikante Beeinträchtigung feststellen. SALVEN-DY & MCCABE (1975) fanden in einer frühen, je-doch nur unzureichend kontrollierten Studie, Hin-weise auf eine verringerte Leistung bei der visumo-torischen Koordination und beim Folgetracking beiehemaligen Gelegenheitskonsumenten, die bereits11 bis 19 Monate vor dem Test den Konsum been-det hatten. Aufgrund der nur sehr lückenhaften Be-

schreibung des Experiments und der unzureichen-den teststatistischen Auswertung müssen dieseErgebnisse jedoch mit Vorsicht interpretiert werden(SALVENDY & MCCABE, 1975).

Eine Studie von POPE et al. (2001, 2002) unter-suchte die Gedächtnisleistung bei abstinenten Ge-legenheitskonsumenten mit mindestens hinrei-chender Kontrolle von Störvariablen. Dabei warenim visuellen Kurzzeitgedächtnis nach 0, 7 und 28

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Tab. 5: Leistungsbeeinträchtigungen bei Gelegenheitskonsumenten von Cannabis während der Abstinenz. Die angegebenen Leis-tungsunterschiede vs. THC-naiven Personen beruhen auf den Ergebnissen der jeweils verwendeten statistischen Tests(↑/↓) signifikant verbessert/verschlechtert; --- nicht signifikant verändert; J: Jahr, M: Monat, T: Tag). Die Ebene der Fahr-zeugführung, für die eine Leistung relevant ist, wurde mit S: Stabilisierung, B: Bahnführung oder N: Navigation ausgewie-sen. Studienqualität: gut kontrollierte Studie (++++ und +++); hinreichend kontrollierte Studie (++ und +)

getestete Leistung Ebene Dauer des KonsumsTestlatenz zur letzten Einnahme

EffektStudien-Qualität

Referenz

Motorik

Visumotorische Koordination

Komplexe Figur kopieren B > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Aufmerksamkeit

Selektive Aufmerksamkeit

Reaktion auf auditorische Stimuli S 6.7 J. (6 T./M.) 24 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (1995)

Farbwort-Interferenz-Test S > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Dauerhafte Aufmerksamkeit

Reaktion auf auditorische Stimuli S > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 0 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Reaktion auf auditorische Stimuli S > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 1 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Reaktion auf auditorische Stimuli S > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 7 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Reaktion auf auditorische Stimuli S > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Gedächtnis

Kurzzeitgedächtnis

Geometrische Figuren erinnern B > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 0 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Geometrische Figuren erinnern B > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 7 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Geometrische Figuren erinnern B > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Langzeitgedächtnis

Verbales Material erinnern B > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 0 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Allgemeines Wissen B 5.5. J. (1-4-mal/W.) 24 h --- +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Wortschatz B 5.5. J. (1-4-mal/W.) 24 h --- +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Verbales Material erinnern B > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 1 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Verbales Material erinnern B > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 7 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Verbales Material erinnern B > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Kognitive Fähigkeiten

Abstraktion

Visuelle Muster abstrahieren B > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Kategorien bilden/wechseln B > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Mentale Flexibilität

Wortassoziationen bilden B > 5.000-mal (< 4-mal/M.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

verbale Fähigkeiten

Sprachproduktion B 5,5 J. (1 bis 4-mal/W.) 24 h --- +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Sprachverständnis B 5,5 J. (1 bis 4-mal/W.) 24 h --- +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Synonyme finden B 5,5 J. (1 bis 4-mal/W.) 24 h --- +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Logisches Denken

Quantitatives Denken N 5,5 J. (1 bis 4-mal/W.) 24 h --- +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

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Tagen kontrollierter Abstinenz keine Defizite nach-weisbar. Auch für das verbale Langzeitgedächtniswurden nach 0, 1, 7 und 28 Tagen Abstinenz kei-nerlei Defizite gefunden, weder in der Gesamtge-dächtnisleistung noch in der Gedächtnisbildungoder im verzögerten Abruf (POPE et al., 2001,2002). Ebenfalls keine signifikanten Defizite beimAbruf aus dem Langzeitgedächtnis fanden BLOCK& GHONEIM (1993) in einer gut kontrollierten Stu-die an Gelegenheitskonsumenten mit mehr als 2-jährigem Konsum und einer Konsumfrequenzvon mindestens 1-mal pro Woche nach 24 StundenAbstinenz. In einer nicht hinreichend gut kontrol-lierten Studie untersuchten GIANUTSOS & LIT-WACK (1976) das verbale Kurzzeitgedächtnis fürWorte bei abstinenten Gelegenheitskonsumenten,wobei eine Einordnung der Versuchspersonen(Konsumkriterium: > 2-mal/Woche in den letzten 3Monaten; Gesamtdauer: 2 bis 6 Jahre) und die Be-stimmung des Abstinenzzeitraumes nicht mit Si-cherheit möglich sind. Die Autoren fanden bei die-ser Population eine signifikante Beeinträchtigungim verbalen Kurzzeitgedächtnis (GIANUTSOS & LI-TWACK, 1976). In einer ebenfalls als nicht hinrei-chend kontrolliert eingestuften Studie erfasstenCULVER & KING (1974) die Effekte eines mindes-tens zwölfmonatigen Marihuanakonsums mit einerFrequenz von > 2-mal/Monat bei jungen Gelegen-heitskonsumenten. Nach 7 Tagen Abstinenz konn-ten die Autoren keine signifikanten Defizite im ver-balen Kurzzeitgedächtnis und im Langzeitgedächt-nis finden (CULVER & KING, 1974).

POPE et al. (2001, 2002) untersuchten die kogniti-ven Fähigkeiten bei Gelegenheitskonsumentenwährend der Abstinenz in drei verschiedenen Tests.Weder beim Abstrahieren, Kategorien bilden nochbei den verbalen Fähigkeiten konnten nach 28Tagen kontrollierter Abstinenz Hinweis auf Defizitegefunden werden. In einer weiteren gut kontrollier-ten Studie erfassten BLOCK & GHONEIM (1993) dieverbalen Fähigkeiten und das logische Denken beiGelegenheitskonsumenten nach 24-stündiger Ab-stinenz. Die Konsumdauer dieser Population betrugim Mittel 5,5 Jahre bei einer Konsumfrequenz von1- bis 4-mal pro Woche. Weder in den drei Tests derverbalen Fähigkeiten noch im Test zum logischenDenken konnten BLOCK & GHONEIM (1993) signi-fikante Defizite gegenüber einer Nicht-Konsumen-ten-Kontrollgruppe finden. Auch die nicht hinrei-chend gut kontrollierte Studie von CULVER & KING(1974) erbrachte keine Hinweise auf signifikantenDefizite bei den verbalen Fähigkeiten, der Abstrak-tion und in der mentalen Flexibilität.

Navigation

Neuropsychologische Leistungen mit Relevanz fürdie Navigation wurden bisher nur von BLOCK &GHONEIM (1993) in einer mindestens hinreichendgut kontrollierten Studie untersucht. Die Autorenkonnten nach 24-stündiger Abstinenz keine signifi-kanten Veränderungen im logischen Denken beiGelegenheitskonsumenten zeigen. CULVER &KING (1974) erfassten in einer nicht hinreichendgut kontrollierten Studie nach 7 Tagen Abstinenzdie arithmetischen Fähigkeiten bei jungen Gele-genheitskonsumenten. Auch hierbei fanden die Au-toren keine Hinweise auf signifikante Defizite.

Fazit

Aufgrund der bisher bekannten Befunde lassensich noch keine sicheren Schlussfolgerungen hin-sichtlich möglicher Leistungsdefizite bei abstinen-ten Gelegenheitskonsumenten ableiten. Das weni-ge vorhandene Datenmaterial ergibt derzeit keineHinweise auf neuropsychologische Defizite in die-ser Konsumsituation. Unklar ist aber, inwieweit Ge-legenheitskonsum von Cannabis nach langer undsehr langer Konsumdauer zu neurologisch undneuropsychologisch relevanten Veränderungenführt. Allerdings zeigt auch die Analyse der Leis-tungsdefizite bei regelmäßigen Konsumentenwährend der Abstinenz nur sehr wenig konsistentnachweisbare Defitzite (siehe Kapitel 4.1.4). An die-ser Stelle wird deshalb vorgeschlagen, die Kon-sumsituation des abstinenten Gelegenheitskonsu-menten von Cannabis in Zukunft als separateGruppe zu untersuchen, wobei insbesondere dieDimension der Konsumdauer als unabhängige Va-riable beachtet werden sollte.

Bedeutung für die Fahreignung

Inwieweit bei einem abstinenten Gelegenheitskon-sumenten von einer langfristigen Beeinträchtigungder Fahreignung ausgegangen werden muss, lässtsich beim derzeitigen Wissenstand noch nicht sicher entscheiden. Die bisherigen Befunde spre-chen jedoch dafür, dass damit nicht zu rechnen ist.

4.1.3 Gelegenheitskonsumenten: nach akutem Konsum

Für die Analyse der Verhaltenseffekte von Cannabisstellt der akute Konsum eines Gelegenheitskonsu-menten eine zentrale Konsumsituation dar. Nach

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dem gegenwärtigen Stand des Wissens kann manin dieser Situation davon ausgehen, dass es zueiner direkten Interaktion der Droge, bzw. ihrer zen-tral aktiven Komponenten, mit dem endogenenCannabinoid-System kommt und dass diese Inter-aktion für die zu beobachtenden Leistungsdefiziteverantwortlich ist. Wie oben bereits dargelegt, ver-fügt ein Gelegenheitskonsument von Cannabiszwar über ein Gedächtnis für die in der Regel zu er-wartenden Effekte von Cannabis. Dieses Gedächt-nis kann dafür sorgen, dass es nicht mehr zu un-kontrollierten Reaktionen hinsichtlich der subjektivwahrgenommenen Veränderungen nach Einnahmeder Droge kommt. Weiterhin kann man davon aus-gehen, dass dieses Gedächtnis auch bereits eta-blierte Kompensationsstrategien für subjektiv wahr-nehmbare Leistungsdefizite beinhaltet (z. B. RAFA-EALSEN et al., 1973a). Verschiedene Studien bele-gen, dass die Einschätzung der Leistungsbeein-trächtigung nach dem akuten Konsum von Canna-bis bei Gelegenheitskonsumenten eher realistischist bzw. Gelegenheitskonsumenten überschätzendie Defizite sogar noch, was sie deutlich von Alko-holkonsumenten abhebt, die ihre Leistungsdefizitegenerell unterschätzen (BERGHAUS et al., 1998b).Auch wenn die realistische bis verstärkte Defizitbe-wertung bei Cannabiskonsumenten zu einer teilwei-sen Überkompensation von Leistungsdefizitenbeim Fahren führt, kann sie dennoch als ein relativpersistenter Kontrollmechanismus betrachtet wer-den. Das bei Gelegenheitskonsumenten ausgebil-dete Drogengedächtnis für Cannabis dürfte auchder Grund dafür sein, dass Gelegenheitskonsumen-ten nach akutem Konsum in der Regel auf dasFühren eines Fahrzeuges verzichten (KRÜGER etal., 1996; WALSH & MANN, 1999) bzw. nur unterdringenden Umständen dazu bereit wären (ROBBE,1994). Die kompensatorischen Mechanismen aufder Ebene komplexer Fähigkeiten sind jedoch be-grenzt und können nach Ausschöpfung aller Leis-tungsreserven auch durch ein etabliertes Drogen-gedächtnis die Cannabis-induzierten Defizite unterUmständen nicht mehr ausgleichen.

4.1.3.1 Leistungen im Fahrsimulator, Flugsimu-lator und während der Realfahrt

4.1.3.1.1 Realfahrt

Die direkteste Methode, um zu erwartende Leis-tungsbeeinträchtigungen nach Cannabiskonsumbeim Führen eines Fahrzeuges zu untersuchen, istdie Realfahrt. Realfahrten nach Cannabiskonsum

wurden bisher nur in relativ wenigen Studien durch-geführt. Obwohl die Validität einer Messung derFahrtüchtigkeit durch die Realfahrt im ersten Mo-ment sehr hoch erscheinen mag, ergeben sich beider praktisch-experimentellen Durchführung einigenicht triviale Probleme. Fahrtüchtigkeit als situati-ons- und zeitbezogene Fähigkeit zum Fahren einesKraftfahrzeuges (MÖLLER et al., 1998) ist ein kom-plexes Konstrukt, das nicht unmittelbar beobacht-bar ist, sondern sich bereits auf der Ebene der Fahr-zeugführung aus komplexen Einzelleistungen zu-sammensetzt. Wie viele und vor allem welche dieserkomplexen Einzelleistungen beeinträchtigt seinmüssen, damit man von einer Fahruntüchtigkeitsprechen kann, ist nur schwer festzulegen. Die Be-wertung der Fahrtüchtigkeit setzt sich in Realfahrt-studien deshalb stets aus einer Vielzahl von Einzel-leistungen zusammen, anhand derer man zu einemGesamturteil kommt. Dieses Gesamturteil kann manteilen – oder nicht. Logisch nachvollziehbare Krite-rien, wie man in einer Realfahrt von den Einzellei-stungen, die statistisch signifikant beeinträchtigtsind oder nicht, zu einem Gesamturteil kommt, sindbisher nicht beschrieben worden. Alternativ wurdedie Bewertung der Fahrleistung zusätzlich durchFahrlehrer vorgenommen (z. B. ROBBE, 1994). Einederartige „Verhaltensmessung” wird zwar demPraktikabilitätsanspruch sehr gut gerecht, kann auf-grund der Gefahr eines subjektiven Bias wissen-schaftlichen Kriterien jedoch nur schwer genügen.Im Folgenden soll versucht werden, die einzelnengemessenen Leistungen während der Realfahrt ent-sprechend dem Schema von DONGES (1978) undWALLENTOWITZ et al. (2001) den Bereichen Stabi-lisierung, Bahnführung oder Navigation zuzuordnen.

Stabilisierung

Zu den Parametern, die man mit einiger Sicherheitdem Bereich der Stabilisierung zuordnen kann,zählen die allgemeine Fahrzeugkontrolle und -handhabung, die Verkehrsbeobachtung, die visu-elle Suche und die Reaktionszeit. Diese Parameterwurden sowohl bei Fahrten im weiteren Stadtge-biet als auch in der Innenstadt untersucht. DasRauchen von Marihuana mit 0,1 mg/kg ∆9-THCführte in keinem dieser Parameter zu einer signifi-kanten Beeinträchtigung (ROBBE, 1994; LAMERS& RAMAEKERS, 2001; LAMERS, 2004). Nach demRauchen von Marihuana mit einer Dosierung von0,2 mg/kg ∆9-THC wurde lediglich die Reaktions-zeit untersucht. Auch hierbei zeigten sich keine sig-nifikanten Defizite (RAMAEKERS et al., 2000).

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Bahnführung

Am häufigsten wurden bei der Realfahrt Parametererfasst, die sich der Ebene der Bahnführung zuord-nen lassen. Zu den untersuchten Parameternzählen: das Wenden des Fahrzeugs, das Spur-tracking, das Spurverlassen, die Geschwindigkeits-kontrolle, das Variieren der Geschwindigkeit, dasLenkverhalten und die Kontrolle des Fahrzeugab-standes. Nach dem Rauchen von Marihuana miteiner Dosierung von 0,1 mg/kg ∆9-THC zeigten sichkeine signifikanten Defizite beim Wenden, beimSpurverlassen und bei der Kontrolle und Variationder Geschwindigkeit (ROBBE, 1994; RAMAEKERSet al., 2000). ROBBE (1994) fand sogar eine verbes-serte Leistung bei der Kontrolle des Fahrzeugab-standes. Sowohl die Studie von ROBBE (1994) alsauch die Studie von RAMAEKERS et al. (2000) fan-den eine signifikante Beeinträchtigung beim Spur-tracking in einem Zeitfenster von 30 bis 100 Minutennach dem Konsum. Obwohl die Effekte statistischsignifikant waren, kann jedoch nur von einer gerin-gen Effektstärke gesprochen werden. In der Studievon RAMAEKERS et al. (2000) betrug die lateraleFahrspurabweichung im Mittel lediglich 2,7 cm. DasSpurtracking ist die einzige untersuchte Leistung,die auch nach dem Rauchen von Marihuana mit Do-sierungen von 0,2 und 0,3 mg/kg ∆9-THC in unter-schiedlichen Testsituationen signifikant beeinträch-tigt war. Auch bei den höheren Dosierungen war dasAusmaß des Effektes relativ gering. Ob die vonROBBE (1994) gefundene signifikante Beeinträchti-gung der Geschwindigkeitskontrolle bei einer Fahrtauf nicht abgesperrter Autobahn nach dem Rauchenvon Marihuana mit einer Dosis von 0,2 mg/kg ∆9-THC tatsächlich aussagekräftig ist, darf bezweifeltwerden, da diese bei einer höheren Dosierung von0,3 mg/kg ∆9-THC in derselben Testsituation nichtmehr zu beobachten war. In einem anderen Experi-ment desselben Autors war zudem weder nach demRauchen von Marihuana mit 0,2 mg/kg noch nach0,3 mg/kg ∆9-THC bei einer Fahrt auf abgesperrterAutobahn ein Defizit in der Geschwindigkeitskon-trolle zu beobachten (ROBBE, 1994). Bei der höchs-ten getesteten Dosierung von 0,3 mg/kg ∆9-THCwaren außer im Spurtracking keine weiteren Leis-tungen der Bahnführung signifikant beeinträchtigt.

Navigation

Leistungen, die der Ebene der Navigation zuzuord-nen sind, wurden nur nach dem Rauchen von Ma-rihuana mit einer Dosis von 0,1 mg/kg ∆9-THC un-tersucht. Weder bei der Fahrtvorbereitung, beim

allgemeinen Verhalten im Verkehr, bei Entscheidun-gen während der Fahrt noch bei der Gefahrenab-schätzung waren signifikante Defizite zu beobach-ten (ROBBE, 1994, LAMERS & RAMAEKERS,2001; LAMERS, 2004).

Neben den hinreichend und gut kontrollierten Stu-dien gibt es noch einige, vor allem ältere Studien,die sich ebenfalls mit den Leistungen in der Real-fahrt nach akutem Cannabiskonsum bei Gelegen-heitskonsumenten beschäftigt haben, deren De-sign und Darstellung jedoch keine eindeutigenSchlüsse zulassen. So berichtet KLONOFF (1974)in einer frühen und nach heutigen Kriterien nichthinreichend gut kontrollierten Studie von einer ver-besserten Fahrleistung nach mehrmaligem Durch-fahren einer Strecke im Stadtbereich nach Place-bo. Das Rauchen von Marihuana mit 4,9 mg oder8,4 mg ∆9-THC verhinderte in diesem Experimentdie Leistungsverbesserung. In der Studie von KLO-NOFF (1974) wurden noch keine Einzelleistungengemessen, sondern eine Bewertung nach Stre-ckenabschnitt vorgenommen, woraus am Ende einGesamtscore gebildet wurde. Die von KLONOFF(1974) erfassten Variablen sind kaum mit anderenStudien vergleichbar, weshalb dieser Studie ledig-lich noch eine historische Bedeutung zukommt(siehe auch: SMILEY, 1989). In einer weiteren Stu-die untersuchten HANSTEEN et al. (1976) die Fahr-leistung in einem abgesteckten Parkour nach demRauchen von Marihuana mit 0.021 mg/kg oder0,088 mg/kg ∆9-THC nach 5 bis 10 Minuten bzw.nach 3 Stunden. Gemessen wurden dabei das Um-werfen der Begrenzungsmarkierungen, die allge-meine Fahrzeughandhabung und die Zeit, die zumDurchfahren des Parkours benötigt wurde. Die Au-toren berichten signifikant mehr Verletzungen derFahrspurbegrenzung nach 0,088 mg/kg, aber nichtnach 0,021 mg/kg ∆9-THC verglichen mit Placebowährend der ersten Testung. Ebenfalls die Zeit zumDurchfahren des Parkours war bei der hohen Dosisnach 5 bis 10 Minuten signifikant verlängert. Nach3 Stunden wurden beide Effekte nicht mehr beob-achtet. Keine signifikanten Unterschiede wurden inder allgemeinen Fahrzeughandhabung nach Cann-abiskonsum gefunden (HANSTEEN et al., 1976).Obwohl die Ergebnisse dieser Studie die Defiziteim Bereich des Spurtrackings zu bestätigen schei-nen, sollten sie nach unserem Ermessen nicht zurErmittelung einer kritischen ∆9-THC-Dosis heran-gezogen werden. Die aus heutiger Sicht sehrlückenhafte Darstellung der Ergebnisse und derStatistik, auf der die gefundenen Unterschiede be-

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ruhen, lässt nur noch eine tendenzielle Interpretati-on der Cannabiseffekte zu. Von Leistungsbeein-trächtigungen beim Fahren in einem Geschicklich-keitskurs berichten auch LUFF et al. (1972) nachdem Rauchen von Marihuana, wobei jedoch keineAngaben über die verabreichte ∆9-THC-Mengeund über verwendeten Messverfahren gemachtwerden. PECK et al. (1989) untersuchten die Fahr-leistung nach dem Rauchen von Marihuana mit 19mg ∆9-THC in einem Testkurs. Die Autoren kom-men dabei zu dem Schluss, dass Marihuana zueiner signifikanten Beeinflussung der Fahrleistungführt, die sich insbesondere in einer verringertenkognitiven Leistung, erhöhter Geschwindigkeit undeiner beeinträchtigten Fahrzeitabschätzung zeigt.Sowohl die ungenügende Beschreibung der unter-suchten Stichprobe als auch die Darstellung derErgebnisse und die relativ unübliche statistischeDatenanalyse sind dafür verantwortlich, dass dieErgebnisse ebenfalls nur als Hinweise interpretiertwerden können.

Fazit

Eine bisher noch zu kleine Anzahl mindestens hin-reichend gut kontrollierter Studien hat die Effektedes Cannabisrauchens auf die Fahrleistungwährend einer Realfahrt in einem Dosisbereich von0,1 bis 0,3 mg/kg ∆9-THC untersucht. Die vorhan-denen Studien zeigen keine konsistenten Leis-tungsdefizite auf der Ebene der Stabilisierung undder Navigation. Auf der Ebene der Bahnführungwurden signifikante Defizite lediglich beim Spur-tracking gefunden. Diese Defizite treten zwar be-reits ab einer Dosierung von 0,1 mg/kg ∆9-THC(geraucht) auf, sind aber in ihrer Effektstärke nur re-lativ gering ausgeprägt (RAMAEKERS et al., 2004).Insgesamt ergeben die wenigen gut kontrolliertenStudien, wenn überhaupt, dann nur Hinweise aufeine moderate Beeinträchtigung der Fahrleistungnach Cannabiskonsum bis zu 0,3 mg/kg ∆9-THC(geraucht). Der konsistente Nachweis einer Beein-trächtigung durch akuten Cannabiskonsum konntebisher noch für keine Leistung innerhalb der Real-fahrt erbracht werden. Diese Einschätzung decktsich mit der von ROBBE (1994, 1998). ROBBE(1994) weist zudem darauf hin, dass es sich bei dergefundenen Erhöhung des Fahrzeugabstandes be-reits um einen Kompensationsmechanismus han-deln kann. Bereits frühere Übersichtsarbeiten beto-nen aber, dass die Ergebnisse von Realfahrtstudienin Bezug auf die Fahrtüchtigkeit nach Cannabis-konsum immer mit Vorsicht zu interpretieren sind,

da insbesondere unerwartete Verkehrssituationenin Realfahrtstudien kaum erfasst werden können(MOSKOWITZ, 1985; SMILEY, 1989). Für ∆9-THC-Dosierungen von > 0,3 mg/kg (geraucht) werdenzudem von RAMAEKERS et al. (2004) schwere De-fizite im Fahrverhalten postuliert. Auch hier bestehtoffensichtlich noch weiterer Forschungsbedarf.

4.1.3.1.2 Fahrsimulatorstudien

Im Gegensatz zu Realfahrten unter Cannabisein-wirkung können im Fahrsimulator auch besondereBelastungssituationen untersucht werden. Auch imFahrsimulator werden dabei verschiedene Einzel-maße erfasst, aus denen sich die Gesamtbeurtei-lung der Fahrtüchtigkeit ableitet. In der Regel kön-nen die im Fahrsimulator erhobenen Maße besserquantifiziert werden, als das bei einer Realfahrtmöglich ist.

Stabilisierung

Als Parameter, die der Ebene der Stabilisierung zu-geordnet werden können, wurden die visuelleSuche, die Bremslatenz und die Startlatenz unter-sucht (Tabelle 6). Bei den letzten beiden Maßenhandelt es sich im Prinzip um verdeckte Maße derReaktionszeit. MOSKOWITZ et al. (1976a) fandenin einer gut kontrollierten Studie nach dem Rau-chen von Marihuana mit 0,05, 0,1 und 0,2 mg/kg∆9-THC eine signifikante Beeinträchtigung der vi-suellen Suche unmittelbar nach Beendigung desRauchens. MOSKOWITZ et al. (1976a) hatten dievisuelle Suche dabei parallel zu allen anderen Fahr-leistungen in einem Paradigma zur geteilten Auf-merksamkeit operationalisiert. Der Anstieg der Re-aktionszeit auf einen visuellen Stimulus betrugdabei im Mittel 5,3, 10,6 und 11,6 %. Die statisti-sche Auswertung in dieser Studie (keine Korrekturfür Mehrfachtestung) führt allerdings tendenziell zueiner Überschätzung der Effekte des akuten Mari-huanakonsums.

Bahnführung

Ähnlich wie bei Realfahrtstudien sind auch in Fahr-simulatorstudien die Maße zur Bahnführung über-repräsentiert. Zu den erfassten Variablen zählen dieGeschwindigkeitskontrolle, das Beschleunigungs-verhalten, das Bremsverhalten, das Lenkverhalten,das Spurtracking, der Gangwechsel, die mittlereGeschwindigkeit und das Einhalten einer vorgege-benen Geschwindigkeit (Tabelle 6). In der Studievon MOSKOWITZ et al. (1976a) wurden weder

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Tab. 6: Leistungen im Fahrsimulator und während einer Realfahrt nach akutem Cannabiskonsum (geraucht) bei Gelegenheitskon-sumenten in Abhängigkeit von der verabreichten THC-Dosis. Die angegebenen Leistungsunterschiede vs. Placebo-Bedin-gung beruhen auf den Ergebnissen der jeweils verwendeten statistischen Tests (↑/↓ signifikant verbessert/verschlechtert;--- nicht signifikant verändert). Die Ebene der Fahrzeugführung, für die eine Leistung relevant ist, wurde mit S: Stabilisie-rung, B: Bahnführung oder N: Navigation ausgewiesen. Studienqualität: gut kontrollierte Studie (++++ und +++); hinrei-chend kontrollierte Studie (++ und +)

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

RealfahrtFahrzeugkontrolle/Stadt S 0.100 mg/kg 25 min --- ++++ LAMERS & RAMAEKERS (2001)Fahrzeughandhabung/Stadt S 0.100 mg/kg 25 min --- ++++ LAMERS & RAMAEKERS (2001)Verkehrsbeobachtung/Stadt S 0.100 mg/kg 25 min --- ++++ LAMERS & RAMAEKERS (2001)Verkehrsbeobachtung/Innenstadt S 0.100 mg/kg 30 min --- ++++ ROBBE (1994)Visuelle Suche/Stadt S 0.100 mg/kg 25 min --- ++++ LAMERS & RAMAEKERS (2001)Fahrzeugkontrolle/Innenstadt S 0.100 mg/kg 30 min --- ++++ ROBBE (1994)Reaktionszeit/Stadt S 0.100 mg/kg 30 min --- ++++ RAMAEKERS et al. (2000)Wenden/Stadt B 0.100 mg/kg 25 min --- ++++ LAMERS & RAMAEKERS (2001)Wenden/Innenstadt B 0.100 mg/kg 30 min --- ++++ ROBBE (1994)Spurtracking/Stadt B 0.100 mg/kg 30 min ↓ ++++ RAMAEKERS et al. (2000)Spurtracking * B 0.100 mg/kg 40 min ↓ ++++ ROBBE (1994)Spurtracking** B 0.100 mg/kg 85 min --- ++++ ROBBE (1994)Spurtracking * B 0.100 mg/kg 100 min ↓ ++++ ROBBE (1994)Spurverlassen/Stadt B 0.100 mg/kg 30 min --- ++++ RAMAEKERS et al. (2000)Geschwindigkeitskontrolle* B 0.100 mg/kg 40 min --- ++++ ROBBE (1994)Geschwindigkeitskontrolle** B 0.100 mg/kg 85 min --- ++++ ROBBE (1994)Geschwindigkeitskontrolle* B 0.100 mg/kg 100 min --- ++++ ROBBE (1994)Geschwindigkeitsvariabilität** B 0.100 mg/kg 85 min --- ++++ ROBBE (1994)Lenkverhalten** B 0.100 mg/kg 85 min --- ++++ ROBBE (1994)Fahrzeugabstand B 0.100 mg/kg 55 min ↓ ++++ ROBBE (1994)Fahrzeugabstand B 0.100 mg/kg 140 min ↓ ++++ ROBBE (1994)Verkehrsverhalten/Stadt N 0.100 mg/kg 25 min --- ++++ LAMERS & RAMAEKERS (2001)Fahren/Innenstadt N 0.100 mg/kg 30 min --- ++++ ROBBE (1994)Entscheidungen/Innenstadt N 0.100 mg/kg 30 min --- ++++ ROBBE (1994)Gefahrenabschätzung/Innenstadt N 0.100 mg/kg 30 min --- ++++ ROBBE (1994) Fahrtvorbereitung/Innenstadt N 0.100 mg/kg 30 min --- ++++ ROBBE (1994) Verkehrsverhalten/Innenstadt N 0.100 mg/kg 30 min --- ++++ ROBBE (1994) Reaktionszeit/Stadt S 0.200 mg/kg 30 min --- ++++ RAMAEKERS et al. (2000)Spurtracking/Stadt B 0.200 mg/kg 30 min ↓ ++++ RAMAEKERS et al. (2000)Spurtracking * B 0.200 mg/kg 40 min ↓ ++++ ROBBE (1994)Spurtracking** B 0.200 mg/kg 85 min ↓ ++++ ROBBE (1994) Spurtracking * B 0.200 mg/kg 100 min ↓ ++++ ROBBE (1994) Spurverlassen/Stadt B 0.200 mg/kg 30 min --- ++++ RAMAEKERS et al. (2000)Geschwindigkeitskontrolle* B 0.200 mg/kg 40 min --- ++++ ROBBE (1994)Geschwindigkeitskontrolle** B 0.200 mg/kg 85 min ↓ ++++ ROBBE (1994) Geschwindigkeitskontrolle* B 0.200 mg/kg 100 min --- ++++ ROBBE (1994) Geschwindigkeitsvariabilität** B 0.200 mg/kg 85 min --- ++++ ROBBE (1994) Lenkverhalten** B 0.200 mg/kg 85 min --- ++++ ROBBE (1994)Fahrzeugabstand B 0.200 mg/kg 55 min --- ++++ ROBBE (1994) Fahrzeugabstand B 0.200 mg/kg 140 min --- ++++ ROBBE (1994) Spurtracking * B 0.300 mg/kg 40 min ↓ ++++ ROBBE (1994) Spurtracking** B 0.300 mg/kg 85 min ↓ ++++ ROBBE (1994)Spurtracking * B 0.300 mg/kg 100 min ↓ ++++ ROBBE (1994) Geschwindigkeitskontrolle* B 0.300 mg/kg 40 min --- ++++ ROBBE (1994) Geschwindigkeitskontrolle** B 0.300 mg/kg 85 min --- ++++ ROBBE (1994)Geschwindigkeitskontrolle* B 0.300 mg/kg 100 min --- ++++ ROBBE (1994) Geschwindigkeitsvariabilität** B 0.300 mg/kg 85 min --- ++++ ROBBE (1994) Lenkverhalten** B 0.300 mg/kg 85 min --- ++++ ROBBE (1994)Fahrzeugabstand B 0.300 mg/kg 55 min --- ++++ ROBBE (1994) Fahrzeugabstand B 0.300 mg/kg 140 min --- ++++ ROBBE (1994) * auf abgesperrter Autobahn ** auf nicht abgesperrter Autobahn

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Tab. 6: Fortsetzung

getestete Leistung Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

SimulatorfahrtVisuelle Suche S 0.050 mg/kg 0 min ↓ ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Geschwindigkeitskontrolle B 0.050 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Beschleunigungsverhalten B 0.050 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Bremsverhalten B 0.050 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Lenkverhalten B 0.050 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a) Spurtracking B 0.050 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Visuelle Suche S 0.100 mg/kg 0 min ↓ ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Geschwindigkeitskontrolle B 0.100 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a) Beschleunigungsverhalten B 0.100 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Bremsverhalten B 0.100 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Lenkverhalten B 0.100 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a) Spurtracking B 0.100 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Visuelle Suche S 0.200 mg/kg 0 min ↓ ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Geschwindigkeitskontrolle B 0.200 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a) Beschleunigungsverhalten B 0.200 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Bremsverhalten B 0.200 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)Lenkverhalten B 0.200 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a) Spurtracking B 0.200 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)

SimulatorflugHöhenkontrolle 0.090 mg/kg 30 min ↓ + JANOWSKY et al. (1976)Richtungskontrolle 0.090 mg/kg 30 min ↓ + JANOWSKY et al. (1976)Kurskontrolle 0.090 mg/kg 30 min ↓ + JANOWSKY et al. (1976)Höhenkontrolle 0.090 mg/kg 120 min --- + JANOWSKY et al. (1976)Richtungskontrolle 0.090 mg/kg 120 min --- + JANOWSKY et al. (1976)Kurskontrolle 0.090 mg/kg 120 min --- + JANOWSKY et al. (1976) Höhenkontrolle 0.090 mg/kg 240 min --- + JANOWSKY et al. (1976) Richtungskontrolle 0.090 mg/kg 240 min --- + JANOWSKY et al. (1976) Kurskontrolle 0.090 mg/kg 240 min --- + JANOWSKY et al. (1976)Höhenkontrolle 0.090 mg/kg 360 min --- + JANOWSKY et al. (1976) Richtungskontrolle 0.090 mg/kg 360 min --- + JANOWSKY et al. (1976) Kurskontrolle 0.090 mg/kg 360 min --- + JANOWSKY et al. (1976) Verschiedene Flugmanöver 10 mg 60 min --- ++ LEIRER et al. (1989)Verschiedene Flugmanöver 10 mg 240 min --- ++ LEIRER et al. (1989)Verschiedene Flugmanöver 10 mg 480 min --- ++ LEIRER et al. (1989)Laterale Kontrolle (Anzahl) 19 mg 60 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985)Laterale Kontrolle (Intensität) 19 mg 60 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985)Vertikale Kontrolle (Anzahl) 19 mg 60 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985)Vertikale Kontrolle (Intensität) 19 mg 60 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985)Schubregulierung 19 mg 60 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985) Landeabweichung 19 mg 60 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985) Laterale Abweichung beim Landeanflug 19 mg 60 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985)Vertikale Abweichung beim Landeanflug 19 mg 60 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985) Laterale Kontrolle (Anzahl) 19 mg 240 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985) Laterale Kontrolle (Intensität) 19 mg 240 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985)Vertikale Kontrolle (Anzahl) 19 mg 240 min --- + YESAVAGE et al. (1985) Vertikale Kontrolle (Intensität) 19 mg 240 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985) Schubregulierung 19 mg 240 min --- + YESAVAGE et al. (1985)Landeabweichung 19 mg 240 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985)Laterale Abweichung beim Landeanflug 19 mg 240 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985) Vertikale Abweichung beim Landeanflug 19 mg 240 min ↓ + YESAVAGE et al. (1985) Verschiedene Flugmanöver 20 mg 15 min ↓ ++ LEIRER et al. (1991)Verschiedene Flugmanöver 20 mg 60 min ↓ ++ LEIRER et al. (1989)Verschiedene Flugmanöver 20 mg 240 min ↓ ++ LEIRER et al. (1991)Verschiedene Flugmanöver 20 mg 240 min ↓ ++ LEIRER et al. (1989)Verschiedene Flugmanöver 20 mg 480 min --- ++ LEIRER et al. (1989)Verschiedene Flugmanöver 20 mg 480 min ↓ ++ LEIRER et al. (1991)

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nach 0,05, 0,1- noch nach 0,2 mg/kg ∆9-THC sig-nifikante Beeinträchtigungen der Geschwindig-keitskontrolle, des Beschleunigungsverhaltens,des Brems- und Lenkverhaltens oder des Spur-trackings unmittelbar nach dem Konsum gefunden.

Navigation

Leistungen auf Ebene der Navigation wurden inFahrsimulatorstudien bisher nicht untersucht.

Die Leistungen im Fahrsimulator wurden nach aku-tem Cannabiskonsum bei Gelegenheitskonsumen-ten auch noch in weiteren Studien untersucht, diejedoch alle als nicht hinreichend gut kontrolliert be-urteilt wurden. In einer frühen, jedoch nur ungenü-gend kontrollierten Studie untersuchten CRANCERet al. (1969) die Effekte des Marihuanarauchens aufdie Leistung im Fahrsimulator. Die Gesamtleistungsetzte sich dabei aus den Fehlern in 6 Einzel-maßen, die in ihrer Erhebung jedoch nur schwernachzuvollziehen sind, zusammen. Ebenfalls unklarist in dieser Studie die verabreichte Dosis ∆9-THC,da alle Versuchspersonen bis zum Erreichen einessubjektiven „High“-Gefühls rauchen sollten. DieAutoren berichten eine signifikante Beeinträchti-gung der Leistung nach dem Marihuanakonsum le-diglich in einem von sechs Maßen (Geschwindig-keitskontrolle; CRANCER et al., 1969). Auf die sehrbegrenzte Aussagekraft der Daten wurde bereitsfrüh aufmerksam gemacht (KALANT & CRANCER,1969).

In einer späteren Studie haben LIGUORI et al.(1998) die Effekte von Marihuana auf die Leistun-gen im Fahrsimulator untersucht. Die Autoren ma-chen in ihrer Studie leider keine quantitativen An-gaben über die verabreichte Menge ∆9-THC, so-dass die Ergebnisse nicht für eine vergleichendeAbwägung der Defizite herangezogen werdenkann. LIGUORI et al. (1998) berichten eine leichte,aber statistisch nicht signifikante Erhöhung derBremslatenz in einer unerwarteten Situation (Stabi-lisierung) unmittelbar nach dem Rauchen einer Ma-rihuanazigarette mit entweder 1,77 % oder 3,95 %∆9-THC. Die Fahrspurbeurteilung/Risikoabwägung(Bahnführung) war ebenfalls nicht signifikant beein-trächtigt (LIGUORI et al., 1998). Keine signifikantenEffekte auf die Bremslatenz im Fahrsimulator wur-den von derselben Arbeitsgruppe auch in einerspäteren Studie 2 Minuten nach dem Raucheneiner Marihuanazigarette mit 1,77 % oder 3,33 %∆9-THC gefunden (LIGUORI et al., 2002). Absolute∆9-THC-Mengen wurden auch in dieser Studie

nicht angegeben. Weitere Fahrsimulatorstudienhaben die Leistungen auf Ebene der Stabilisierungnach oralem Konsum untersucht. RAFAELSEN etal. (1973a, 1973b) fanden dabei eine signifikantverlängerte Bremslatenz nach oraler Gabe vonCannabis mit 12 und 16 mg ∆9-THC, aber nicht mit8 mg ∆9-THC. Die Leistungsdefizite traten sowohl105 als auch 150 Minuten nach der Einnahme auf.Ebenfalls signifikant beeinträchtigt war die Startla-tenz nach oraler Gabe von 16 mg ∆9-THC nach105 und 150 Minuten. Eine Dosis von 8 oder 12 mg∆9-THC hatte keinen Effekt auf die Startlatenz (Sta-bilisierung). Bei Leistungen der Bahnführung fan-den RAFAELSEN et al. (1973a, 1973b) keine Defizi-te beim Gangwechsel und bei der mittleren Ge-schwindigkeit nach 8 und 12 mg ∆9-THC in einemZeitraum von 105 und 150 Minuten nach Einnah-me. Nach oraler Gabe von Cannabis mit 16 mg ∆9-THC zeigte sich jedoch ein signifikantes Defizitbeim Einhalten einer vorgegebenen Geschwindig-keit, die hier überschritten wurde. Obwohl die Ef-fekte in diesen Studien relativ robust erscheinen,muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass 3der 8 Versuchspersonen der beiden Studien vonRAFAELSEN et al. über keine Cannabiserfahrungverfügten, was sehr wahrscheinlich zu einer ten-denziellen Überschätzung der Cannabis-induzier-ten Defizite führt bzw. einen direkten Vergleich mitStudien an Gelegenheitskonsumenten generellfraglich erscheinen lässt.

Fazit

Zu den Effekten von Cannabis auf die Leistungenim Fahrsimulator liegt neben einigen nicht ausrei-chend kontrollierten Studien nur eine hinreichendgut kontrollierte Studie vor. Diese untersuchte dieEffekte des Marihuanarauchens in einem Dosisbe-reich von 0,05 bis 0,2 mg/kg ∆9-THC, was für die-sen Applikationsweg lediglich als geringe bis mitt-lere Dosierung angesehen werden kann (vgl.:ROBBE, 1994). Die einzige Leistung, für die auf derEbene der Stabilisierung Defizite gefunden wurden,ist die visuelle Suche. Defizite wurden hier bereitsab einer Dosis von 0,05 mg/kg ∆9-THC (geraucht)gefunden und bei höheren Dosierungen bestätigt.Da es dazu bisher aber erst eine verwertbare Stu-die gibt, kann man beim gegenwärtigen Wis-senstand noch nicht von konsistent nachgewiese-nen Defiziten ausgehen. Auf der Ebene der Bahn-führung wurde eine Vielzahl einzelner Variablen un-tersucht. Dabei wurden bisher ebenfalls keine kon-sistent beeinträchtigten Einzelleistungen gefunden.

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Fahrsimulatorstudien haben sich bisher noch nichtmit dem Einfluss von Cannabis auf die Leistungenauf Ebene der Navigation beschäftigt.

4.1.3.1.3 Flugsimulatorstudien

Verschiedene Studien haben sich in der Vergan-genheit mit den Effekten von Cannabis auf die Leistungen im Flugsimulator beschäftigt (Tabelle 6).Das Leistungsprofil, das dabei untersucht wurde,kann als relativ komplex angesehen werden. Undobwohl sich die Einzelleistungen im Flugsimulatorzum Teil deutlich von denen bei der Fahrzeug-führung unterscheiden, wurden sie häufig als Indi-kator für zu erwartende Beeinträchtigungen derFahrtüchtigkeit nach Cannabiskonsum mit heran-gezogen (z. B. BERGHAUS et al., 1998a; GRO-TENHERMEN, 2002). Inwieweit die einzelnen Leis-tungen im Flugsimulator tatsächlich mit Leistungenim Fahrsimulator oder beim Führen eines Fahr-zeugs korrespondieren, ist jedoch unklar. Mankann allerdings mit einiger Sicherheit davon ausge-hen, dass die komplexen Leistungen im Flugsimu-lator, wie z. B. die Kurskontrolle, aus ähnlichen Ein-zelleistungen zusammengesetzt sind, wie die kom-plexen Leistungen beim Führen eines Fahrzeugs.Allerdings dürfte sich die Art der Zusammenset-zung, d. h. die Gewichtung der einzelnen Leistun-gen, deutlich voneinander unterscheiden. Beein-trächtigungen in den komplexen Leistungen imFlugsimulator können demnach durch Defizite inden zugrunde liegenden Einzelleistungen selbstoder aber auch in einer Störung der Interaktion undKoordination dieser Einzelleistungen begründetsein. Die komplexen Maße im Flugsimulator sinddamit lediglich grobe Indikatoren für mögliche Leis-tungsbeeinträchtigungen beim Führen eines Fahr-zeuges. Durch ihren hohen Schwierigkeitsgradbzw. die Erfordernisse einer parallelen Bearbei-tung sind diese Maße jedoch insgesamt geeignet,Situationen mit einer hohen Belastung zu operatio-nalisieren. Bezüglich der Aussagen zur Fahrtüch-tigkeit stellen sie damit eine Art Obergrenze bei derInformationsverarbeitung dar, die weder in Real-fahrtstudien noch in Fahrsimulatoren bisher hinrei-chend operationalisiert werden konnte. Eine Zu-ordnung der komplexen Variablen aus Flugsimula-torstudien zu den drei Ebenen der Fahrzeug-führung erscheint jedoch nicht sinnvoll, weshalbdie Leistungen davon unabhängig bewertet wer-den sollen.

JANOWSKY et al. (1976) untersuchten in einerfrühen und hinreichend gut kontrollierten Studie die

Höhen-, Richtungs- und Kurskontrolle im Flugsi-mulator nach dem Rauchen von Marihuana mit0,09 mg/kg ∆9-THC. Signifikante Leistungsdefizitefanden die Autoren in allen drei Parametern 30 Mi-nuten nach dem Konsum. Nach 120, 240 und 360Minuten waren keine signifikanten Defizite mehr zubeobachten. Die Leistung im Flugsimulator wurdeweiterhin von LEIRER et al. (1989) bei jungen undälteren Piloten untersucht. Der Gesamtscore derFlugleistung setzte sich dabei aus 10 verschiede-nen Flugsegmenten zusammen, die jeweils in einerturbulenten und in einer nicht turbulenten Bedin-gung getestet wurden. Die Autoren fanden keinenHinweis auf signifikante Defizite 60, 240 oder 480Minuten nach dem Rauchen von Marihuana mit 10 mg ∆9-THC. Eine Dosis von 20 mg ∆9-THCführte dagegen zu einer signifikanten Beeinträchti-gung der Gesamtleistung nach 60 und 240 Minu-ten. Diese Beeinträchtigung war jedoch bereitsnach 480 Minuten nicht mehr zu beobachten. Wei-terhin konnten die Autoren zeigen, dass sich dieleistungsvermindernden Effekte von Cannabis stär-ker auf die älteren Piloten auswirkten bzw. auch beiTurbulenzen, die ein erhöhtes Maß an feinmotori-scher Kontrolle erforderten, signifikant stärkerwaren. Diese Beobachtungen konnten in einer wei-teren Studie derselben Arbeitsgruppe zum größtenTeil bestätigt werden (LEIRER et al., 1991). Dabeikonnten nach 15 und nach 240 Minuten signifikan-te Defizite in der Gesamtleistung im Flugsimulator,die sich dieses Mal aus 8 verschiedenen Maßen beiturbulentem Flug zusammensetzte, gezeigt wer-den. Im Gegensatz zur vorangegangenen Studiezeigte sich aber auch noch nach 480 Minuten einsignifikantes Defizit, was möglicherweise durch dieschwereren Bedingungen des Fluges bedingt war(LEIRER, 1993). Inwieweit aber die einzelnen kom-plexen Leistungen im Flugsimulator, aus denen dieGesamtleistung ermittelt wurde, in den beiden Stu-dien von LEIRER et al. beeinträchtigt waren, lässtsich aus den Berichten leider nicht entnehmen. Ineiner Studie von YESAVAGE et al. (1985) wurden 8komplexe Leistungen im Flugsimulator bei erfahre-nen Piloten nach dem Rauchen von Marihuana mit19 mg ∆9-THC gemessen. Die Autoren berichten60 Minuten nach dem Konsum signifikante Beein-trächtigungen in der lateralen Kontrolle (Anzahl undIntensität), der vertikalen Kontrolle (Anzahl und In-tensität), in der Schubregulierung und in der gene-rellen, lateralen und vertikalen Landeabweichung.Nach 240 Minuten sind bis auf die Schubregulie-rung und die vertikale Kontrolle (Anzahl) noch 6 von8 untersuchten komplexen Leistungen signifikant

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beeinträchtigt. Zu dieser Studie ist jedoch anzu-merken, dass die Leistungen der Piloten nach demCannabiskonsum nicht mit denen einer Placebobe-handlung, sondern lediglich mit den Basalwertenderselben Personen verglichen wurden (YESAVAGEet al., 1985). Eine fehlende Adjustierung des Signi-fikanzniveaus bei multipler Testung dürfte weiterhindazu beitragen, dass durch die Auswertungsproze-dur die Effekte des Marihuanarauchens in dieserStudie wahrscheinlich überschätzt werden.

Fazit

Eine Vielzahl komplexer Leistungen wurde nachCannabiskonsum im Flugsimulator untersucht. Dievorliegenden Studien sind jedoch lediglich von hin-reichender Qualität für eine Interpretation mögli-cher ∆9-THC-Grenzwerte. Untersucht wurde mit0,09 mg/kg bis 20 mg ∆9-THC (geraucht) ein relativbreiter Dosisbereich. Eine frühe Studie fand bereitsbei der niedrigsten untersuchten Dosierung (0,09mg/kg ∆9-THC) eine signifikante Leistungsbeein-trächtigung, die jedoch bei einer höheren Dosis (10mg) nicht beobachtet wurde. Dagegen finden dreiverschiedene Studien signifikante Defizite in meh-reren komplexen Leistungen nach dem Rauchenvon Marihuana mit einer Dosis von 19 bzw. 20 mg∆9-THC über einen Zeitraum von 15 bis 240 Minu-ten nach dem Konsum. Diese komplexen Leistun-gen sind zwar nicht identisch mit denen bei derFahrzeugführung, sie können jedoch generell alsIndikator für eine starke Belastungssituation inter-pretiert werden. Da alle drei Studien von derselbenArbeitsgruppe stammen, kann jedoch nicht vonkonsistent nachgewiesenen Defiziten ausgegan-gen werden. Dafür müssen erst noch Befunde an-derer Arbeitsgruppen abgewartet werden.

Bedeutung für die Fahrtüchtigkeit

Weder die mindestens hinreichend gut kontrollier-ten Studien der Realfahrt noch die im Fahrsimula-tor haben bisher eine Beeinträchtigung von Einzel-leistungen der Fahrzeugführung konsistent nach-weisen können. Demzufolge erlaubt dieses Daten-material auch keine Schlüsse auf eine relative oderabsolute Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeitnach Cannabiskonsum bei Gelegenheitskonsu-menten. Es kann wahrscheinlich davon ausgegan-gen werden, dass mögliche beeinträchtigte neu-ropsychologische Einzelleistungen auf der Ebeneder Leistungsinteraktion, d. h. innerhalb komplexerLeistungen, kompensiert werden können. Inwie-weit die Leistungsreserven damit aufgebraucht

werden und somit keine adäquate Leistungssteige-rung in kurzzeitigen Extremsituationen mehr mög-lich ist, konnte bisher nicht geklärt werden. Die De-fizite innerhalb der sehr komplexen Leistungsanfor-derungen im Flugsimulator, die jedoch ebenfallsbisher nicht konsistent nachgewiesen werdenkonnten, sprechen zumindest für diese Möglich-keit. Einer Untersuchung der Effekte des akutenCannabiskonsums auf die Leistungsreserve inkomplexen Leistungen sollte deshalb in der Zu-kunft mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

4.1.3.2 Neuropsychologische Effekte

Zur Konsumsituation des Gelegenheitskonsumen-ten nach akutem Cannabiskonsum liegt eine Viel-zahl von unterschiedlichen Studien vor. Dabei kannzwischen Studien, die neuropsychologische Leis-tungen nach dem Rauchen von Cannabis oder Marihuana untersuchen, und solchen, welche dieLeistungen nach oralem Cannabiskonsum messen,unterschieden werden. Da sich der zeitliche Verlaufder Verhaltenseffekte nach beiden Applikationsfor-men deutlich unterscheidet, sollen hier die unter-suchten Defizite nach Applikationsform unterteiltdargestellt und diskutiert werden.

4.1.3.2.1 Leistungen nach dem Rauchen vonCannabis

Stabilisierung

Die neuropsychologischen Leistungen, die derEbene der Stabilisierung zugeordnet werden kön-nen, umfassen die Bereiche Sensorik, Aufmerksam-keit und Motorik. Innerhalb dieser großen neurop-sychologischen Leistungsbereiche können noch-mals Unterteilungen vorgenommen werden. Im Be-reich der sensorischen Leistungen wurden die Zeit-wahrnehmung und die visuelle und die auditorischeWahrnehmung nach dem Rauchen von Canna-bis/Marihuana untersucht (Tabelle 7). Eine Dosie-rung von 2,25 mg ∆9-THC führte 30 Minuten nachdem Rauchen nicht zu einer signifikanten Beein-trächtigung der Zeitwahrnehmung (MEYER et al.,1971). Erst ab einer Dosis von 0,1 mg/kg ∆9-THCwar die Zeitwahrnehmung 15 Minuten nach demRauchen signifikant beeinträchtigt (ROBBE, 1994).In verschiedenen Studien, die als hinreichend gutkontrolliert angesehen werden können, wurde einesignifikante Beeinträchtigung der Zeitwahrneh-mung auch nach dem Rauchen von Marihuana mitDosierungen von 8, 12, 25 und 29 mg ∆9-THC ge-funden (PIHL & SIGAL, 1978; CAPPELL & PLINER,

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1973; VACHON et al., 1974; CHAIT et al., 1985).Eine Beeinträchtigung der Zeitwahrnehmung nachdem Rauchen von Cannabis äußerte sich stetsdarin, dass im Versuch vorgegebene Zeitintervallesubjektiv überschätzt wurden. Die Dauer dieses De-fizits wurde bisher in Zeitintervallen von bis zu 25Minuten nach dem Rauchen nachgewiesen (nach29 mg ∆9-THC; CHAIT et al., 1985). Andere Autorenkonnten jedoch in hinreichend gut kontrolliertenStudien keine signifikanten Defizite nach dem Rau-chen von Marihuana mit Dosierungen von 7,1, 14,2,15 und sogar 28,4 mg ∆9-THC beobachten (HEISH-MAN et al., 1997; CARLIN et al., 1972). Die Ursa-chen für das Fehlen der ansonsten häufig beschrie-benen Defizite in diesen beiden Studien sind bisherunklar. CHAIT & PERRY (1994) berichten in einerStudie, die wegen der fehlenden Angabe einer ab-solut verabreichten ∆9-THC-Menge nicht als hinrei-chend gut kontrolliert eingestuft werden kann,ebenfalls von signifikanten Defiziten in der Zeit-wahrnehmung. Getestet wurde die Leistung 75 Mi-nuten nach dem Rauchen von Marihuana mit 3,6 %∆9-THC, zwei mal im Abstand von zwei Stunden(insgesamt: 8 Züge). Insgesamt kann von konsi-stent nachgewiesenen Defiziten in der Zeitwahr-nehmung unmittelbar nach dem Rauchen vonCannabis ausgegangen werden, die für eine Zeit-dauer von bis zu 25 Minuten nach dem Rauchennachgewiesen wurden. Angesichts der gut kontrol-lierten Datenbasis kann von einem Beginn der Defi-zite in der Zeitwahrnehmung ab einer Dosis vonetwa 12 mg ∆9-THC ausgegangen werden.

Die visuelle Wahrnehmung ist einer der am häufigs-ten im Zusammenhang mit dem Rauchen vonCannabis/Marihuana untersuchten Leistungsberei-che (Tabelle 7). Sie umfasst verschiedene Parame-ter, die bei der Wahrnehmung und frühen Verarbei-tung visueller Stimuli relevant sind. Bei Dosierun-gen von < 6 mg ∆9-THC wurden bisher keine sig-nifikanten Beeinträchtigungen im Bereich der visu-ellen Wahrnehmung berichtet. MEYER et al. (1971)konnten 30 Minuten nach dem Rauchen von Mari-huana mit 2,25 mg ∆9-THC keine signifikante Be-einträchtigung beim Erkennen einer verborgenenvisuellen Figur, d. h. bei einer relativ komplexen vi-suellen Leistung, finden. Die Helligkeitsdiskrimina-tion war unmittelbar nach dem Rauchen von Mari-huana mit 3,93 mg ∆9-THC genauso wenig verän-dert wie die periphere Stimulusdetektion oder dasAuftreten des autokinetischen Phänomens, einemMaß für unwillkürliche Augenbewegungen, nachdem Rauchen von Marihuana mit 0,05 mg/kg ∆9-THC (CALDWELL et al., 1969; MOSKOWITZ et al.,

1972; SHARMA & MOSKOWITZ, 1972). Nach demRauchen von 6 mg ∆9-THC fanden MILSTEIN et al.(1975) und BRAFF et al. (1981) ebenfalls keine sig-nifikanten Defizite beim einfachen Erkennen vonBuchstaben 15 bzw. 10 Minuten nach dem Rau-chen. Wird das Erkennen der Buchstaben jedochdurch zusätzliche Maskierung der visuellen Stimulierschwert, können auch bei 6 mg ∆9-THC signifi-kante Defizite 10 Minuten nach dem Rauchen be-obachtet werden (BRAFF et al., 1981). Ab einer Do-sierung von 0,1 mg/kg ∆9-THC wurden auch einesignifikante Verschlechterung der peripheren Sti-mulusdetektion und eine Erhöhung des autokineti-schen Phänomens gefunden. Eine solche Er-höhung trat dann auch bei einer höheren Dosierungvon 0,2 mg/kg ∆9-THC auf (MOSKOWITZ et al.,1972; SHARMA & MOSKOWITZ, 1972). Nach demRauchen von Marihuana mit einer Dosierung von 8mg ∆9-THC waren weder die statische Sehschärfe,d. h. das Erkennen ruhender Objekte, noch die dy-namische Sehschärfe, d. h. das Erkennen beweg-ter Objekte, bei hohem und geringem Kontrastse-hen signifikant beeinträchtigt (ADAMS et al., 1975).Auch die Diskrimination der Farben Blau, Rot, Gelbund Grün war weder 30 noch 90 Minuten nach demRauchen von Marihuana mit 8 mg ∆9-THC signifi-kant beeinträchtigt (ADAMS et al., 1976). Bei einerDosierung von 15 mg D9-THC waren weder diestatische Sehschärfe noch die dynamische Seh-schärfe bei geringem Kontrast 15 Minuten nachdem Rauchen signifikant beeinträchtigt. War derKontrast jedoch hoch, so konnte nach 15 mg ∆9-THC eine signifikante Beeinträchtigung der dyna-mischen Sehschärfe gezeigt werden (ADAMS etal., 1975). Bei dieser Dosis war zudem die Farbdis-krimination für die Farben Blau und Rot, aber nichtfür Gelb und Grün, 30 Minuten nach dem Rauchensignifikant beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigungwar nach 90 Minuten nicht mehr zu beobachten.Auch das Erkennen von Figuren, die in einem Bildversteckt waren, konnte unmittelbar nach demRauchen von Marihuana mit 15 mg ∆9-THC als sig-nifikant beeinträchtigt nachgewiesen werden(CARLIN et al., 1972). Der Effekt des Cannabisrau-chens auf die Flimmerverschmelzungsfrequenz, d.h. auf die Frequenz, ab der einzelne Lichtstimuli alsein zeitlich zusammenhängender Stimulus wahrge-nommen werden, wurde nach dem Rauchen vonMarihuana mit 15 und 19 mg ∆9-THC untersucht.SCHWIN et al. (1974) fanden unmittelbar nach demRauchen von Marihuana mit 15 mg ∆9-THC einesignifikante Erhöhung der Flimmerverschmel-zungsfrequenz, was für eine verbesserte Sensiti-

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Tab. 7: Sensorische Leistungen nach akutem Cannabiskonsum (geraucht) bei Gelegenheitskonsumenten in Abhängigkeit von derverabreichten THC-Dosis. Die angegebenen Leistungsunterschiede vs. Placebobedingung beruhen auf den Ergebnissender jeweils verwendeten statistischen Tests (↑/↓ signifikant verbessert/verschlechtert; --- nicht signifikant verändert). DieEbene der Fahrzeugführung, für die eine Leistung relevant ist, wurde mit S: Stabilisierung, B: Bahnführung oder N: Navi-gation ausgewiesen. Studienqualität: gut kontrollierte Studie (++++ und +++); hinreichend kontrollierte Studie (++ und +)

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

ZeitwahrnehmungZeitspanne abschätzen S 2.25 mg 30 min --- + MEYER et al. (1971)Zeitspanne abschätzen S 0.1 mg/kg 15 min ↓ ++++ ROBBE (1994)Zeitspanne abschätzen S 0.1 mg/kg 90 min --- ++++ ROBBE (1994)Zeitspanne abschätzen S 7.1 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)Zeitspanne abschätzen S 8 mg 10 min ↓ ++ PIHL & SIGAL (1978)Zeitspanne abschätzen S 14.2 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)Zeitspanne abschätzen S 15 mg 0 min --- ++ CARLIN et al. (1972)Zeitspanne abschätzen S 12 mg 0 min ↓ ++ CAPPELL & Pliner (1973)Zeitspanne abschätzen S 25 mg 0 min ↓ ++ VACHON et al. (1974)Zeitspanne abschätzen S 28.4 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)Zeitspanne abschätzen S 29 mg 25 min ↓ ++ CHAIT et al. (1985)

Wahrnehmungvisuell

Verborgene Figur erkennen S 2.25 mg 30 min --- + MEYER et al. (1971)Helligkeitsdiskrimination/hell S 3.93 mg 0 min --- ++ CALDWELL et al. (1969)Helligkeitsdiskrimination/dunkel S 3.93 mg 0 min --- ++ CALDWELL et al. (1969)Autokinetik-Test S 0.05 mg/kg 0 min --- +++ SHARMA & MOSKOWITZ (1972)Periphere Stimulusdetektion S 0.05 mg/kg 0 min --- ++ MOSKOWITZ et al. (1972)Buchstaben Erkennen S 6 mg 15 min --- + MILSTEIN et al. (1975)Buchstaben Erkennen S 6 mg 10 min --- +++ BRAFF et al. (1981)Buchstaben Erkennen (m. Maskierung) S 6 mg 10 min ↓ +++ BRAFF et al. (1981)Autokinetik-Test S 0.1 mg/kg 0 min ↓ +++ SHARMA & MOSKOWITZ (1972)Periphere Stimulusdetektion S 0.1 mg/kg 0 min ↓ ++ MOSKOWITZ et al. (1972)Dynam. Sehschärfe/geringer Kontr. S 8 mg 30 min --- + ADAMS et al. (1975)Dynam. Sehschärfe/hoher Kontrast S 8 mg 30 min --- + ADAMS et al. (1975)Farbdiskriminationstest/Blau S 8 mg 30 min --- + ADAMS et al. (1976)Farbdiskriminationstest/Rot S 8 mg 30 min --- + ADAMS et al. (1976)Farbdiskriminationstest/Gelb S 8 mg 30 min --- + ADAMS et al. (1976)Farbdiskriminationstest/Grün S 8 mg 30 min --- + ADAMS et al. (1976)Farbdiskriminationstest/Blau S 8 mg 90 min --- + ADAMS et al. (1976)Farbdiskriminationstest/Rot S 8 mg 90 min --- + ADAMS et al. (1976)Farbdiskriminationstest/Gelb S 8 mg 90 min --- + ADAMS et al. (1976)Farbdiskriminationstest/Grün S 8 mg 90 min --- + ADAMS et al. (1976)Statische Sehschärfe/geringer Kontr. S 8 mg 0 min --- ++ ADAMS et al. (1975)Statische Sehschärfe/hoher Kontrast S 8 mg 0 min --- ++ ADAMS et al. (1975)Autokinetik-Test S 0.2 mg/kg 0 min ↓ +++ SHARMA & MOSKOWITZ (1972)Periphere Stimulusdetektion S 0.2 mg/kg 0 min ↓ ++ MOSKOWITZ et al. (1972)Statische Sehschärfe/geringer Kontr. S 15 mg 0 min --- ++ ADAMS et al. (1975)Statische Sehschärfe/hoher Kontrast S 15 mg 0 min --- ++ ADAMS et al. (1975)Versteckte Bilder erkennen S 15 mg 0 min ↓ ++ CARLIN et al.. (1972)Dynam. Sehschärfe/geringer Kontrast S 15 mg 30 min --- + ADAMS et al. (1975)Dynam. Sehschärfe/hoher Kontrast S 15 mg 30 min ↓ + ADAMS et al. (1975)Farbdiskriminationstest/Blau S 15 mg 30 min ↓ + ADAMS et al. (1976) Farbdiskriminationstest/Rot S 15 mg 30 min ↓ + ADAMS et al. (1976) Farbdiskriminationstest/Gelb S 15 mg 30 min --- + ADAMS et al. (1976) Farbdiskriminationstest/Grün S 15 mg 30 min --- + ADAMS et al. (1976) Farbdiskriminationstest/Blau S 15 mg 90 min --- + ADAMS et al. (1976) Farbdiskriminationstest/Rot S 15 mg 90 min --- + ADAMS et al. (1976) Farbdiskriminationstest/Gelb S 15 mg 90 min --- + ADAMS et al. (1976) Farbdiskriminationstest/Grün S 15 mg 90 min --- + ADAMS et al. (1976) Flicker-Fusions-Test S 15 mg 0 min ↓ + ADAMS et al. (1974) Flicker-Fusions-Test S 19 mg 0 min ↓ +++ ADAMS et al. (1992)

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vität der visuellen Wahrnehmung spricht. Demge-genüber stehen die Befunde von BLOCK et al.(1992), die eine signifikante Verringerung der Flim-merverschmelzungsfrequenz unmittelbar nachdem Rauchen von Marihuana mit 19 mg ∆9-THCberichten. Dies würde wiederum für eine verringer-te Sensitivität der visuellen Wahrnehmung spre-chen. Auch andere Studien, die jedoch nicht alshinreichend gut kontrolliert bewertet wurden,haben sich mit den Effekten von Cannabis auf dievisuelle Wahrnehmung beschäftigt. Besonders her-vorzuheben ist dabei die Studie von LIGUORI et al.(1998) zur Flimmerverschmelzungsfrequenz. DieAutoren fanden unmittelbar nach dem Raucheneiner Marihuanazigarette mit entweder 1,77 % oder3,95 % ∆9-THC keine signifikante Veränderung indieser Leistung. Eine Abschätzung der verabreich-ten Dosis ∆9-THC ist anhand des Berichts von LI-GOURI et al. (1998) jedoch nicht mit hinreichenderSicherheit möglich. Ebenfalls unbeeinträchtigt wardie statische Sehschärfe nach dem Rauchen vonMarihuana mit 0,2 mg/kg ∆9-THC in einer Studievon MOSKOWITZ et al. (1976b). Aufgrund der par-allelen Untersuchung von Alkohol-Effekten in die-ser Studie wurden jedoch nur Personen mit sehrstarkem Alkoholkonsum untersucht, sodass die Er-gebnisse nicht ohne weiteres generalisierbar sind.

ADAMS et al. (1978) untersuchten die Hell-Dunkel-Adaptation 20 Minuten nach dem Rauchen vonMarihuana mit 8 oder 15 mg ∆9-THC. Die Autorensprechen zwar von einer signifikanten Verschlech-terung nach dem Rauchen von 8 mg ∆9-THC,geben den entsprechenden p-Wert jedoch mit p < 0,055 an, weshalb an dieser Aussage sicherlich

gezweifelt werden darf. Der „signifikante” Canna-biseffekt auf die Hell-Dunkel-Adaptation konntezudem bei einer Dosierung von 15 mg ∆9-THCnicht mehr beobachtet werden (ADAMS et al.,1978). Ähnlich fraglich erscheinen die Effekte ineiner Studie von SCHAEFER et al. (1977) zur einfa-chen und komplexen visuellen Wahrnehmung. DieAutoren berichten dabei eine signifikante Beein-trächtigung in der einfachen, aber nicht in der kom-plexen visuellen Wahrnehmung unmittelbar nachdem Rauchen von Marihuana mit 10 oder 20 mg∆9-THC. Die statistische Auswertung in dieser Stu-die erlaubt aber ebenfalls keine Aussagen über diescheinbar effektive Dosis ∆9-THC (SCHAEFFER etal., 1977). EMRICH et al. (1991) berichten zudemüber eine Beeinträchtigung der binokulären Tiefen-inversion, einer unter normalen Umständen zu be-obachtenden optischen Täuschung des dreidimen-sionalen Sehens, nach der Einnahme von 222 bis373 mg Cannabisharz. Wie das Cannabis aufge-nommen wurde und welche Mengen ∆9-THC ent-halten waren, geben die Autoren jedoch nicht an.Da auch keine Placebokontrolle untersucht wurde,bzw. weder blind noch doppelblind gearbeitetwurde, sind die beobachteten Effekte kaum zu in-terpretieren. Insgesamt finden zwar die gut kontrol-lierten Studien zu den Effekten des Cannabisrau-chens auf die visuelle Wahrnehmung häufig keinesignifikanten Leistungsverschlechterungen. Einzel-ne Parameter der visuellen Wahrnehmung könnenjedoch unter bestimmten Umständen bereits abeiner Dosierung von 6 mg ∆9-THC selektiv beein-trächtigt sein. Basierend auf diesen Beobachtun-gen muss von konsistent nachgewiesenen Defizi-ten in der visuellen Wahrnehmung nach dem Rau-

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Tab. 7: Fortsetzung

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

auditorischLautheitsdiskrimination/Differenz S 3.93 mg 0 min ↓ ++ CALDWELL et al. (1969)Lautheitsdiskrimination/Abgleich S 3.93 mg 0 min --- ++ CALDWELL et al. (1969)Lautheitsdiskrimination/Fehler S 3.93 mg 0 min --- ++ CALDWELL et al. (1969)Frequenzdiskrimination/Differenz S 3.93 mg 0 min --- ++ CALDWELL et al. (1969)Frequenzdiskrimination/Abgleich S 3.93 mg 0 min --- ++ CALDWELL et al. (1969)Frequenzdiskrimination/Fehler S 3.93 mg 0 min --- ++ CALDWELL et al. (1969)Auditorischer Schwellwert S 3.93 mg 0 min --- ++ CALDWELL et al. (1969)Frequenzdiskrimination/Fehler S 4.8 mg 0 min ↓ + LOW et al. (1973) Frequenzdiskrimination/Fehler S 9.1 mg 0 min ↓ + LOW et al. (1973)

Nicht fahrrelevante sensorische Leistungen Wahrnehmung

taktilMuster wahrnehmen 6.9 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)Formen Diskriminieren 7.8 mg 15 min ↓ + MACCANNELL et al. (1977)Muster wahrnehmen 13.6 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

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chen von Cannabis bei Gelegenheitskonsumentenausgegangen werden. Aufgrund der Verschieden-heit der einzelnen Tests zur visuellen Wahrneh-mung und der starken Streuung der einzelnen sig-nifikanten Effekte über einen großen Dosisbereichist die Bestimmung einer kritischen Dosis beimderzeitigen Kenntnisstand jedoch noch nicht mithinreichender Sicherheit möglich. Dazu müssenerst noch weitere Studien für einzelne Bereiche dervisuellen Wahrnehmung durchgeführt werden.

Neben der visuellen Wahrnehmung spielt auch dieauditorische Wahrnehmung eine wichtige Rolle beider Stabilisierung (Tabelle 7). CALDWELL et al.(1969) haben verschiedene Parameter der auditori-schen Wahrnehmung unmittelbar nach dem Rau-chen von Marihuana mit 3,93 mg ∆9-THC unter-sucht. Lediglich in einem von 7 Tests, beim Diffe-renzmaß der Lautheitsdiskrimination, wurde einesignifikante Verschlechterung unmittelbar nachdem Rauchen gefunden. Keine signifikanten Effek-te fanden die Autoren dagegen beim Abgleich undder Fehleranzahl innerhalb der Lautheitsdiskrimina-tion, bei der Frequenzdiskrimination (Differenz, Ab-gleich und Fehler) und beim auditorischen Schwell-wert (CALDWELL et al., 1969). In einem höherenDosisbereich von 4,8 und 9,1 mg ∆9-THC unter-suchten LOW et al. (1973) die Frequenzdiskrimina-tion unmittelbar nach dem Rauchen von Marihua-na. Die Autoren konnten dabei für beide Dosierun-gen eine signifikante Beeinträchtigung der Fre-quenzdsikrimination zeigen (LOW et al., 1973).MOSKOWITZ & MCGLOTHLIN (1974) untersuch-ten die auditorische Wahrnehmung unmittelbarnach dem Rauchen von Marihuana mit 0,05, 0,1oder 0,2 mg/kg ∆9-THC. Die Ergebnisse der Studiezeigen signifikant weniger richtige Antworten undmehr Fehler nach dem Rauchen von Marihuana. Dadie Autoren jedoch keine statistische Auswertungfür die einzelnen Dosierungen vorgenommenhaben, können die Daten nur als allgemeiner Hin-weis auf eine beeinträchtigte auditorische Wahr-nehmung nach dem Rauchen von Marihuana ge-wertet werden. In einer Studie von O’LEARY et al.(2002) wurde die auditorische Wahrnehmung inner-halb eines Wahlreaktionsparadigmas innerhalbeiner PET-Studie untersucht. Unmittelbar nachdem Rauchen einer Marihuanazigarette mit ~20 mg∆9-THC sollten die Versuchspersonen dabei aufunterschiedliche auditorische Stimuli mit verschie-denen Reaktionen (Knöpfe drücken) reagieren. DieAutoren fanden keinen signifikanten Effekt des Ma-rihuanarauchens auf die auditorische Wahrneh-

mung. Die Autoren räumen jedoch ein, dass auf-grund des sehr geringen zeitlichen Abstands zwi-schen Marihuana- und Placebobedingung (50 bis60 Minuten), auch unter Placebo ein noch andau-ernder ∆9-THC-Einfluss als relativ wahrscheinlichangesehen werden muss (O’LEARY et al., 2002),was wiederum die Bewertung der Studie als min-destens hinreichend gut kontrolliert nicht mehr zu-lässt. Zu den Effekten von Cannabis auf die audi-torische Wahrnehmung liegen insgesamt nur sehrwenige hinreichend gut kontrollierte Befunde vor,weshalb bisher nicht von konsistent nachgewiese-nen Defiziten ausgegangen werden kann.

Der Bereich der Aufmerksamkeitsleistungen kannin selektive, geteilte und dauerhafte Aufmerksam-keit unterteilt werden, die alle bereits auf der Ebeneder Stabilisierung erforderlich sind (Tabelle 8). Dieselektive Aufmerksamkeit beschreibt die Fähigkeitzur selektiven Auswahl von Reizen und Reaktionen(KELLER & GRÖMMINGER, 1993). Keine signifi-kante Beeinträchtigung der selektiven Aufmerk-samkeit wurde in hinreichend gut kontrolliertenStudien nach dem Rauchen von Marihuana mitKonzentrationen von 0,003, 0,006, 0,009, 0,025mg/kg, 2,25 mg und 10 mg ∆9-THC in einem Zeit-raum von > 5, 20, 30 bzw. 35 Minuten nach demRauchen gefunden (EVANS et al., 1973; MILLER etal., 1972; MEYER et al., 1971; MANNO et al.,1970). Erst eine Dosis von 10,7 mg ∆9-THC führtezu einer signifikanten Beeinträchtigung der selekti-ven Aufmerksamkeit 15 Minuten nach dem Rau-chen (HOOKER & JONES, 1987). Eine signifikanteBeeinträchtigung wurde dann auch bei höherenDosierungen von 15 und 19 mg ∆9-THC unmittel-bar nach dem Rauchen beobachtet (CARLIN et al.,1972; BLOCK et al., 1992). Weitere, jedoch nichthinreichend gut kontrollierte Studien zur selektivenAufmerksamkeit nach dem Rauchen von Marihua-na sind von WILSON et al. (1994) und HART et al.(2001) durchgeführt worden. Beide Studien findenkeine Anhaltspunkte für eine signifikante Leis-tungsverschlechterung 20 und 30 Minuten nachdem Rauchen von Marihuanazigaretten mit 1,75 %und 3,5 % (WILSON et al., 1994) bzw. 1,8 % und3,9 % ∆9-THC (HART et al., 2001). Da beide Stu-dien aber lediglich Prozentangaben zur konsumier-ten ∆9-THC-Menge machen, können sie zur Dosis-bestimmung nicht mit herangezogen werden. Ins-gesamt muss deshalb von konsistent nachgewie-senen Beeinträchtigungen in der selektiven Auf-merksamkeit nach dem Rauchen vonCannabis/Marihuana ausgegangen werden. Defizi-

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te in der selektiven Aufmerksamkeit sind demnachab einer Dosis von etwa 11 mg ∆9-THC (geraucht)in einem Zeitraum von bis zu mindestens 15 Minu-ten nach dem Rauchen zu erwarten.

Die geteilte Aufmerksamkeit ist die Fähigkeit, dieAufmerksamkeit auf mehrere Reize zu richten odermehrere Tätigkeiten zur gleichen Zeit durchzu-führen (KELLER & GRÖMMINGER, 1993). Bereitsnach der niedrigsten untersuchten Dosis von 0,05mg/kg ∆9-THC wurden unmittelbar nach dem Rau-chen signifikante Defizite bei einer visuellen Wahl-reaktionsaufgabe gezeigt. Diese Defizite wurdenauch nach dem Rauchen von Marihuana mit einerhöheren Dosis von 0,1 und 0,2 mg/kg ∆9-THC ge-funden (MOSKOWITZ et al., 1976a). Eine gut kon-trollierte Studie von HEISHMAN et al. (1989) fandjedoch keine signifikanten Defizite 5 Minuten nachdem Rauchen von Marihuana mit 12 oder 21 mg∆9-THC. Dabei wurde die geteilte Aufmerksamkeitdurch eine Kombination aus Folgetracking und vi-sueller Suchaufgabe operationalisiert, was sicher-lich keine leichtere Aufgabe ist als die von MOS-KOWITZ et al. (1976a) verwendete. In einer nichthinreichend gut kontrollierten Studie untersuchten

MARKS & MACAVOY (1989) die Effekte des Cannabisrauchens auf die geteilte Aufmerksam-keit. Dabei fanden sie eine signifikante Beeinträch-tigung 5 Minuten nach dem Rauchen einer Canna-biszigarette mit 5,2 mg ∆9-THC, jedoch keine sig-nifikanten Effekte nach dem Rauchen von Marihua-na mit 2,6 mg ∆9-THC. Die statistisch signifikantenEffekte beruhen in dieser Studie auf dem Poolenvon Cannabis-naiven und Cannabis-erfahrenenVersuchspersonen und sind deshalb für die Identi-fizierung einer kritischen Dosis bei Gelegenheits-konsumenten nicht geeignet. In einer früheren Stu-die von denselben Autoren wurde ebenfalls einesignifikante Beeinträchtigung der geteilten visuel-len Aufmerksamkeit nach dem Konsum von Mari-huana mit 2,6 oder 5,2 mg ∆9-THC berichtet, diesich sowohl in einer signifikant verschlechtertenzentralen als auch peripheren visuellen Wahrneh-mung äußerte (MACAVOY & MARKS, 1975). Leiderwurden auch in dieser Studie Cannabis-naive undCannabis-erfahrene Versuchspersonen bei der sta-tistischen Auswertung vermischt bzw. es wurdenkeine Angaben zu den Effekten der einzelnen Do-sierungen gemacht, sodass auch diese Studie le-diglich als Hinweis auf Defizite in der geteilten vi-

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Tab. 8: Aufmerksamkeitsleistungen nach akutem Cannabiskonsum (geraucht) bei Gelegenheitskonsumenten in Abhängigkeit vonder verabreichten THC-Dosis. Die angegebenen Leistungsunterschiede vs. Placebobedingung beruhen auf den Ergebnis-sen der jeweils verwendeten statistischen Tests (HA: hohe Aufmerksamkeitsforderung, NA: niedrige Aufmerksamkeitsfor-derung; ↑/↓ signifikant verbessert/verschlechtert; --- nicht signifikant verändert). Die Ebene der Fahrzeugführung, für dieeine Leistung relevant ist, wurde mit S: Stabilisierung, B: Bahnführung oder N: Navigation ausgewiesen. Studienqualität:gut kontrollierte Studie (++++ und +++); hinreichend kontrollierte Studie (++ und +)

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Selektive AufmerksamkeitFarbwort-Interferenz-Test S 0.003 mg/kg > 5 min --- + EVANS et al. (1973)

Farbwort-Interferenz-Test S 0.006 mg/kg > 5 min --- + EVANS et al. (1973)

Farbwort-Interferenz-Test S 0.009 mg/kg > 5 min --- + EVANS et al. (1973)

Farbwort-Interferenz-Test S 0.025 mg/kg 20 min --- ++ MILLER et al. (1972)

Farbwort-Interferenz-Test S 2.25 mg 30 min --- + MEYER et al. (1971)

Farbwort-Interferenz-Test S 10 mg 35 min --- + MANNO et al. (1970)

Farbwort-Interferenz-Test S 10.7 mg 15 min ↓ ++ HOOKER & JONES (1987)

Farbwort-Interferenz-Test S 15 mg 0 min ↓ ++ CARLIN et al. (1972)

Reaktion auf visuellen Stimulus S 19 mg 0 min ↓ +++ BLOCK et al. (1992)

Geteilte Aufmerksamkeit Visuelle Wahlreaktionsaufgabe S 0.05 mg/kg 0 min ↓ ++ MOSKOWITZ et al. (1976a) Visuelle Wahlreaktionsaufgabe S 0.1 mg/kg 0 min ↓ ++ MOSKOWITZ et al. (1976a) Visueller Stimulus & Tracking S 12 mg 5 min --- +++ HEISHMAN et al. (1989)

visuelle Wahlreaktionsaufgabe S 0.2 mg/kg 0 min ↓ ++ MOSKOWITZ et al. (1976a)

Visueller Stimulus & Tracking S 21 mg 5 min --- +++ HEISHMAN et al. (1989)

Dauerhafte Aufmerksamkeit/VigilanzReaktion auf visuelles Signal S 2.25 mg 30 min ↓ + MEYER et al. (1971)

Reaktion auf auditorischen Stimulus S 10.7 mg 15 min --- ++ HOOKER & Jones (1987)

Reaktion auf visuellen Stimulus/NA S 0.2 mg/kg 0 min ↓ ++ SHARMA & MOSKOWITZ (1974)

Reaktion auf visuellen Stimulus/HA S 0.2 mg/kg 0 min ↓ ++ SHARMA & MOSKOWITZ (1974)

Visuelle Wahlreaktionsaufgabe S 25 mg 0 min --- ++ VACHON et al. (1974

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suellen Aufmerksamkeit nach Cannabisrauchenbetrachtet werden kann. Auch in einer weiterenfrühen Studie zu den Effekten des Cannabisrau-chens auf die geteilte visuelle Aufmerksamkeit,wiederum operationalisiert durch Reaktionen aufeinen zentralen und einen peripheren visuellen Sti-mulus, wurden signifikante Defizite gefunden.CASSWELL & MARKS (1973) berichten signifikantmehr Fehler in der peripheren und zentralen Wahr-nehmung 30 bis 40 Minuten nach dem Rauchenvon Cannabis mit 3,3 oder 6,6 mg ∆9-THC. Auch indieser, ohnehin nur rudimentär beschriebenen Stu-die wurden keine statistisch untermauerten Ergeb-nisse für die einzelnen Dosierungen berichtet, so-dass eine Aussage darüber, welche der untersuch-ten Dosierungen zu den beobachteten Effekten ge-führt hat, nicht mit Sicherheit möglich ist.

MOSKOWITZ & MCGLOTHLIN (1974) untersuch-ten die geteilte Aufmerksamkeit mit zwei Aufgabenzur auditorischen Wahrnehmung unmittelbar nachdem Rauchen von Marihuana mit 0,05, 0,1 oder 0,2mg/kg ∆9-THC. Die Ergebnisse der Studie zeigen,wie bereits bei der auditorischen Wahrnehmung al-lein, signifikant weniger richtige Antworten undmehr Fehler nach dem Rauchen von Marihuana. Dadie Autoren jedoch keine statistische Auswertungfür die einzelnen Dosierungen vorgenommenhaben, können die Daten nur als allgemeiner Hin-weis auf eine beeinträchtigte geteilte auditorischeAufmerksamkeit nach dem Rauchen von Marihua-na gewertet werden. Eine weitere, ebenfalls nur un-zureichend kontrollierte Studie von BARNETT et al.(1985) berichtet eine lineare Korrelation zwischenden Fehlern in einer Aufgabe zur geteilten visuellenAufmerksamkeit und der ∆9-THC-Plasmakonzen-tration. Die statistische Auswertung der Daten indiesem Experiment erlaubt es jedoch nicht, vonsignifikanten Defiziten zu sprechen. CHAIT &PERRY (1994) konnten dagegen keine Hinweiseauf eine Beeinträchtigung der geteilten Aufmerk-samkeit 75 Minuten nach dem Rauchen von Mari-huana mit 3,6 % ∆9-THC finden. Da in dieser Stu-die keine Angabe zur absolut verabreichten ∆9-THC-Menge gemacht werden, müssen auch dieseErgebnisse mit großer Vorsicht interpretiert wer-den. In einer ebenfalls nicht hinreichend gut kon-trollierten Studie fanden GREENWALD & STITZER(2000) keine Hinweise auf eine signifikante Beein-trächtigung der geteilten Aufmerksamkeit, wennüber einen Zeitraum von 135 Minuten 18 Zügeeiner Marihuanazigarette mit 3,55 % ∆9-THC ge-raucht wurden. Genaue Dosisangaben wurden in

dieser Studie leider nicht gemacht. Insgesamt sinddie Befunde zu den Effekten von Cannabis auf diegeteilte Aufmerksamkeit zu uneinheitlich und zulückenhaft, um bereits von konsistent nachgewie-senen Defiziten sprechen zu können. In diesem Be-reich müssen für fundierte Aussagen erst noch wei-tere Forschungen abgewartet werden.

Die dauerhafte Aufmerksamkeit beschreibt dieFähigkeit, die Aufmerksamkeit über einen längerenZeitraum auf einen bestimmten Reiz zu richtenbzw. darauf zu reagieren. Eine signifikante Beein-trächtigung der dauerhaften Aufmerksamkeitwurde bereits ab einer Dosis von 2,25 mg ∆9-THC30 Minuten nach dem Rauchen gefunden (MEYERet al., 1971). SHARMA & MOSKOWITZ (1974) be-richten weiterhin von einer signifikanten Beein-trächtigung der dauerhaften Aufmerksamkeit un-mittelbar nach dem Rauchen von Marihuana mit0,2 mg/kg ∆9-THC bei sowohl niedriger als auchhoher Aufmerksamkeitsforderung. Beide Studienuntersuchten, ähnlich wie die Studien zur selekti-ven und geteilten Aufmerksamkeit, die Reaktionauf visuelle Stimuli. HOOKER & JONES (1987) fan-den in einer Studie zur dauerhaften Aufmerksam-keit auf auditorische Signale keine signifikanten Ef-fekte 15 Minuten nach dem Rauchen von Marihua-na mit 10,7 mg ∆9-THC. Ebenfalls keine signifikan-te Beeinträchtigung konnten VACHON et al. (1974)unmittelbar nach dem Rauchen von Marihuana mit25 mg ∆9-THC in einer visuellen Wahlreaktionsauf-gabe zur dauerhaften Aufmerksamkeit finden. Ähn-lich wie zur geteilten Aufmerksamkeit gibt es auchfür die dauerhafte Aufmerksamkeit gesicherte Er-kenntnisse aus gut kontrollierten Studien zu Leis-tungsbeeinträchtigungen nach dem Rauchen vonCannabis/Marihuana. Um von konsistenten Defizi-ten sprechen zu können oder Dosierungen abzu-schätzen, ab denen mit Leistungsbeeinträchtigun-gen zu rechnen ist, müssen jedoch auch hier erstnoch weitere Untersuchungen abgewartet werden.

Eine Vielzahl weiterer neuropsychologischer Einzel-leistungen mit Relevanz auf Ebene der Stabilisie-rung entstammt dem Bereich der Motorik. Dazuzählen insbesondere die Reaktionszeit, die Fein-motorik und die Kontrolle der Augenbewegungen(Tabelle 9). Eine beträchtliche Anzahl gut kontrol-lierter Studien hat sich mit den Effekten des Can-nabisrauchens auf die Reaktionszeit beschäftigt.Cannabis hatte dabei in einer Dosierung von 0,1,0,2, und 0,3 mg/kg, 7,1, 9,9, 10, 14,2 und 28,4 mg∆9-THC keinen signifikanten Effekt auf die Reak-tionszeit (BRADEN et al., 1974; BLOCK & WITTEN-

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BORN, 1986; ROBBE, 1994; HEISHMANN et al.,1997). Gemessen wurde die Reaktionszeit inZeiträumen unmittelbar nach der Verabreichung(7,1, 10, 14,2 und 28,4 mg) bis zu 140 Minuten da-nach (0,1, 0,2, und 0,3 mg/kg). Einzig in einer Stu-die von PHIL & SIGAL (1978) wurde 10 Minutennach dem Rauchen von Marihuana mit 8 mg ∆9-THC ein signifikanter Anstieg der Reaktionszeit, d.h. eine Verlangsamung, gemessen. Eine solche sig-nifikante Verlangsamung wurde bisher nur in alsnicht hinreichend gut eingestuften Studien gefun-den. So berichten WILSON et al. (1994) 30 Minutennach dem Rauchen einer Marihuanazigarette mit3,55 % ∆9-THC einen signifikanten Anstieg der Re-aktionszeit. Das Rauchen einer Marihuanazigarettemit nur 1,75 % ∆9-THC hatte in dieser Studie kei-nen signifikanten Effekt auf die Reaktionszeit (WIL-SON et al., 1994), genauso wenig wie das Raucheneiner Marihuanazigarette mit 1,77 % oder 3,95 %∆9-THC in einer Studie von LIGUORI et al. (1998).MOSKOWITZ et al. (1974) fanden dagegen einesignifikante Verlangsamung der Reaktion sowohlauf einen auditorischen als auch auf einen nachfol-genden visuellen Stimulus nach dem Rauchen vonMarihuana mit 0,1 oder 0,2 mg/kg ∆9-THC. Diestatistische Auswertung in dieser Studie lässt je-doch keine Aussage über die letztlich effektiveDosis zu. Ebenfalls einen Anstieg der Reaktionszeitfanden BORG et al. (1975) nach dem Rauchen vonMarihuana mit 0,07, 0,13, 0,19 und 0,25 mg/kg ∆9-THC in einer Studie an 5 Versuchspersonen. Diestatistische Auswertung innerhalb dieser als nichthinreichend gut kontrolliert bewerteten Studie kannjedoch nicht mehr nachvollzogen werden, bzw.Einzeldosierungsvergleiche wurden nicht durchge-führt. Auch diese Daten können deshalb nur alsTendenz interpretiert werden. GOSTOMZYK et al.(1971a) fanden eine Stunde nach dem Rauchenvon Haschisch mit unbekannter ∆9-THC-Mengekeinen Effekt auf die Reaktionszeit oder die moto-rische Geschwindigkeit beim Fingertapping. Auchdiese Studie muss aufgrund der vielen fehlendenAngaben heute mit größter Vorsicht interpretiertwerden. Auch in einer Studie von KVALSETH(1977) bleibt die letztlich gerauchte ∆9-THC-Menge unklar (zwischen 19,5 und 26 mg). KVAL-SETH (1977) berichtet 15 Minuten nach dem Rau-chen von Marihuana keinen signifikanten Effekt aufdie Reaktionszeit. Die motorische Geschwindigkeitbei Armbewegungen war ebenfalls nicht signifikantbeeinträchtigt, im Gegensatz zur motorischen Ge-schwindigkeit bei Handbewegungen (KVALSETH,1977). Basierend auf der relativ breiten Datenbasis

mindestens hinreichend gut kontrollierter Studienkann mit einiger Sicherheit davon ausgegangenwerden, dass das Rauchen von Cannabis in Dosie-rungen bis zu 28,4 mg ∆9-THC nicht zu einer signi-fikanten Beeinträchtigung der Reaktionszeit führt.

Ein anderes Bild zeichnet sich dagegen bei derFeinmotorik ab (Tabelle 9). Bereits das Rauchenvon Cannabis in der niedrigsten untersuchte Dosisvon 6 mg ∆9-THC führt 15 Minuten nach dem Rau-chen zu einer signifikanten Beeinträchtigung derFeinmotorik (MILSTEIN et al., 1975). KLONOFF etal. (1973) konnten eine signifikante Beeinträchti-gung der Feinmotorik auch nach einer Dosis von7,3 und 13,6 mg ∆9-THC unmittelbar nach demRauchen zeigen. ROBBE (1994) untersuchte denzeitlichen Verlauf dieses Defizits nach 3 verschie-denen Dosierungen ∆9-THC. Alle drei untersuchtenDosierungen, 0,1, 0,2 und 0,3 mg/kg ∆9-THC, führ-ten 15 bzw. 30 Minuten nach dem Rauchen zu sig-nifikanten Beeinträchtigungen der Feinmotorik (15Minuten: nur 0,1 mg/Kg getestet). Bei einer Dosisvon 0,1 mg/kg ∆9-THC verschwand dieser Effektnach 70 Minuten, war nach 90 Minuten abermalszu beobachten, nicht mehr jedoch nach 130 und195 Minuten. Nach dem Rauchen von Cannabis inDosierungen von 0,2 und 0,3 mg/kg ∆9-THC wareine signifikante Beeinträchtigung der Feinmotoriknoch nach 70 und 130 Minuten zu beobachten,nicht mehr jedoch nach 195 Minuten (ROBBE,1994). Die dargestellten und mindestens hinrei-chend gut kontrollierten Experimente sprechendafür, dass man nach dem Rauchen von Cannabisvon einer konsistent nachgewiesenen Beeinträchti-gung der Feinmotorik ausgehen kann. Diese ist be-reits ab einer Dosis von 6 mg ∆9-THC zu beobach-ten. Niedrigere Dosierungen wurden bisher nachunserem Kenntnisstand nicht untersucht, weshalbeine Beeinträchtigung der Feinmotorik auch beiDosierungen < 6 mg ∆9-THC gegenwärtig nichtausgeschlossen werden kann. Die beschriebenenEffekte von Cannabis können unmittelbar nachdem Rauchen einsetzen und sind bis zu einerDauer von 130 Minuten danach (0,2 und 0,3 mg/kg∆9-THC) nachgewiesen.

Die Kontrolle der Augenbewegungen stellt eine we-sentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung sichbewegender visueller Stimuli bzw. für die visuelleWahrnehmung während der Eigenbewegung dar.Sie ist damit der Ebene der Stabilisierung zuzu-rechnen. Bei den Augenbewegungen kann zwi-schen glatter Augenfolgebewegung mit geringerWinkelgeschwindigkeit und sakkadischer Augen-

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Tab. 9: Einfache motorische Leistungen nach akutem Cannabiskonsum (geraucht) bei Gelegenheitskonsumenten in Abhängigkeitvon der verabreichten THC-Dosis. Die angegebenen Leistungsunterschiede vs. Placebobedingung beruhen auf den Er-gebnissen der jeweils verwendeten statistischen Tests (↑/↓ signifikant verbessert/verschlechtert; --- nicht signifikant ver-ändert). Die Ebene der Fahrzeugführung, für die eine Leistung relevant ist, wurde mit S: Stabilisierung, B: Bahnführung oderN: Navigation ausgewiesen. Studienqualität: gut kontrollierte Studie (++++ und +++); hinreichend kontrollierte Studie (++und +)

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

ReaktionszeitReaktion auf komplexe Stimuli S 0.10 mg/kg 55 min --- ++++ ROBBE (1994)

Reaktion auf komplexe Stimuli S 0.10 mg/kg 140 min --- ++++ ROBBE (1994)

Knopfdrücken/loslassen S 7.1 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)

Visuelle Wahlreaktionsaufgabe S 8 mg 10 min ↓ ++ PIHL & SIGAL (1978)

Reaktion auf akustische Stimuli S 9.9 mg 5 min --- ++ BRADEN et al. (1974)

Visuelle Wahlreaktionsaufgabe S 10 mg 0 min --- ++ BLOCK & WITTENBORN (1986)

Reaktion auf komplexe Stimuli S 0.20 mg/kg 55 min --- ++++ ROBBE (1994)

Reaktion auf komplexe Stimuli S 0.20 mg/kg 140 min --- ++++ ROBBE (1994)

Knopfdrücken/loslassen S 14.2 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)

Reaktion auf komplexe Stimuli S 0.30 mg/kg 55 min --- ++++ ROBBE (1994)

Reaktion auf komplexe Stimuli S 0.30 mg/kg 140 min --- ++++ ROBBE (1994)

Knopfdrücken/loslassen S 28.4 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)Feinmotorik

Handruhe S 6 mg 15 min ↓ + MILSTEIN et al. (1975)

Auge-Hand-Koordination S 7.2 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

Handruhe S 0.10 mg/kg 15 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.10 mg/kg 30 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.10 mg/kg 70 min --- ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.10 mg/kg 90 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.10 mg/kg 130 min --- ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.10 mg/kg 195 min --- ++++ ROBBE (1994)

Auge-Hand-Koordination S 13.6 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

Handruhe S 0.20 mg/kg 30 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.20 mg/kg 70 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.20 mg/kg 130 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.20 mg/kg 195 min --- ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.30 mg/kg 30 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.30 mg/kg 70 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.30 mg/kg 130 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Handruhe S 0.30 mg/kg 195 min --- ++++ ROBBE (1994)

AugenfolgebewegungenGlatte Augenfolgebewegungen S 0.1 mg/kg 5 min --- + BALOH et al. (1979)

Sakkadische Augenfolgebewegungen S 0.1 mg/kg 5 min --- + BALOH et al. (1979)

Optokinetischer Nystagmus S 0.1 mg/kg 5 min --- + BALOH et al. (1979)

Glatte Augenfolgebewegungen S 8 mg 0 min --- ++ FLOM et al. (1976)

Sakkadische Augenfolgebewegungen S 8 mg 0 min --- ++ FLOM et al. (1976)

Glatte Augenfolgebewegungen S 15 mg 0 min --- ++ FLOM et al. (1976)

Sakkadische Augenfolgebewegungen S 15 mg 0 min --- ++ FLOM et al. (1976)

Stimulus mit Augen folgen S 15.6 mg 0 min --- +++ FANT et al. (1998)

Stimulus mit Augen folgen S 25.1 mg 0 min ↓ +++ FANT et al. (1998)

Visumotorische KoordinationZahlen-Symbol-Substitutions-Test B 2.25 mg 30 min --- + MEYER et al. (1971)

Auge-Hand-Koordination (vertikal) B 6 mg 15 min ↓ + MILSTEIN et al. (1975)

Auge-Hand-Koordination (horizontal) B 6 mg 15 min ↓ + MILSTEIN et al. (1975)

Auge-Hand-Koordination (2D) B 6 mg 15 min ↓ + MILSTEIN et al. (1975)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 7.1 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)

Auge-Hand-Koordination (2D) B 7.2 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

Auge-Hand-Koordination (3D) B 7.2 mg 0 min --- + KLONOFF et al. (1973)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 12 mg 5 min --- +++ HEISHMAN et al. (1989)

Auge-Hand-Koordination B 12 mg 15 min --- ++ HEISHMAN et al. (1988)

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Tab. 9: Fortsetzung

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Visumotorische Koordination

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 12 mg 15 min ↓ ++ HEISHMAN et al. (1988)

Auge-Hand-Koordination (2D) B 13.6 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

Auge-Hand-Koordination (3D) B 13.6 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 14.2 mg 0 min ↓ +++ HEISHMAN et al. (1997)

Auge-Hand-Koordination B 15.6 mg 0 min --- +++ FANT et al. (1998)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 21 mg 5 min ↓ +++ HEISHMAN et al. (1989)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 24 mg 15 min ↓ ++ HEISHMAN et al. (1988)

Auge-Hand-Koordination B 24 mg 15 min --- ++ HEISHMAN et al. (1988)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 25 mg 0 min ↓ ++ VACHON et al. (1974)

Auge-Hand-Koordination B 25.1 mg 0 min --- +++ FANT et al. (1998)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 28.4 mg 0 min ↓ + HEISHMAN et al. (1997)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 29 mg 25 min ↓ ++ CHAIT et al. (1985)

Auge-Hand-Koordination B 29 mg 25 min ↓ ++ CHAIT et al. (1985)

Tracking

Folgetracking B 0.003 mg/kg 5 min ↓ + EVANS et al. (1973)

Folgetracking B 0.006 mg/kg 5 min ↓ + EVANS et al. (1973)

Folgetracking B 0.009 mg/kg 5 min ↓ + EVANS et al. (1973)

Folgetracking B 2.25 mg 30 min --- + MEYER et al. (1971)

Kompensatorisches Tracking B 0.10 mg/kg 30 min --- ++++ ROBBE (1994)

Kompensatorisches Tracking B 0.10 mg/kg 70 min --- ++++ ROBBE (1994)

Kompensatorisches Tracking B 0.10 mg/kg 130 min --- ++++ ROBBE (1994)

Kompensatorisches Tracking B 0.10 mg/kg 195 min --- ++++ ROBBE (1994)

Folgetracking B 10 mg 15 min ↓ + MANNO et al. (1970)

Kompensatorisches Tracking B 12 mg 15 min --- ++ HEISHMAN et al. (1988)

Kompensatorisches Tracking B 0.20 mg/kg 30 min --- ++++ ROBBE (1994)

Kompensatorisches Tracking B 0.20 mg/kg 70 min --- ++++ ROBBE (1994)

Kompensatorisches Tracking B 0.20 mg/kg 130 min --- ++++ ROBBE (1994)

Kompensatorisches Tracking B 0.20 mg/kg 195 min --- ++++ ROBBE (1994)

Folgetracking B 15 mg 0 min --- ++ CARLIN et al. (1972)

Kompensatorisches Tracking B 0.30 mg/kg 30 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Kompensatorisches Tracking B 0.30 mg/kg 70 min --- ++++ ROBBE (1994)

Kompensatorisches Tracking B 0.30 mg/kg 130 min --- ++++ ROBBE (1994)

Kompensatorisches Tracking B 0.30 mg/kg 195 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Kompensatorisches Tracking B 24 mg 15 min --- ++ HEISHMAN et al. (1988)

Nicht fahrrelevante motorische Leistungen

Motorische GeschwindigkeitFingertippen 6 mg 15 min --- + MILSTEIN et al. (1975)

Fußzehtippen 6 mg 15 min --- + MILSTEIN et al. (1975)

Fingertippen 7.2 mg 0 min --- + KLONOFF et al. (1973)

Fußtippen 7.2 mg 0 min --- + KLONOFF et al. (1973)

Auge-Hand-Koordination 7.2 mg 0 min --- + KLONOFF et al. (1973)

Fingertippen 13.6 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

Fußtippen 13.6 mg 0 min --- + KLONOFF et al. (1973)

Auge-Hand-Koordination 13.6 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

KoordinationStandfestigkeit 0.003 mg/kg 5 min ↓ + EVANS et al. (1973)

Standfestigkeit 0.006 mg/kg 5 min ↓ + EVANS et al. (1973)

Standfestigkeit 0.009 mg/kg 5 min ↓ + EVANS et al. (1973)

Standfestigkeit 0.10 mg/kg 30 min ↓ ++++ ROBBE (1994)Standfestigkeit 0.10 mg/kg 195 min --- ++++ ROBBE (1994)

Standfestigkeit 0.20 mg/kg 30 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Standfestigkeit 0.20 mg/kg 195 min --- ++++ ROBBE (1994)

Standfestigkeit 0.30 mg/kg 30 min ↓ ++++ ROBBE (1994)

Standfestigkeit 0.30 mg/kg 195 min --- ++++ ROBBE (1994

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folgebewegung mit hoher Winkelgeschwindigkeitunterschieden werden. Unter optokinetischemNystagmus wird eine Kombination aus beidenbeim Betrachten eines bewegten Reizmusters ver-standen. Der Einfluss des Cannabisrauchens aufdie Augenfolgebewegungen wurde ab einer Dosisvon 0,1 mg/kg ∆9-THC untersucht (Tabelle 9).BALOH et al. (1979) fanden 5 Minuten nach demRauchen von Marihuana mit 0,1 mg/kg ∆9-THCkeine signifikante Veränderung in der glatten undsakkadischen Augenfolgebewegung oder im opto-kinetischen Nystagmus. FLOM et al. (1976) unter-suchten Augenfolgebewegungen unmittelbar nachdem Rauchen von Marihuana mit einer Konzentra-tion von 8 oder 15 mg ∆9-THC. Beide Dosierungenhatten keinen signifikanten Effekt auf die glatteoder sakkadische Augenfolgebewegung. Aucheine Dosis von 15,6 mg ∆9-THC führte unmittelbarnach dem Rauchen nicht zu einer signifikanten Be-einträchtigung der glatten Augenfolgebewegung.Lediglich bei einer Dosierung von 25,1 mg ∆9-THCführte das Rauchen einer Marihuanazigarette zueiner signifikanten Beeinträchtigung der glattenAugenfolgebewegung (FANT et al., 1998). In einernicht hinreichend gut kontrollierten Studie unter-suchte SPECTOR (1973) 30 Minuten nach demRauchen die Effekte von Marihuana mit 7,5 und 15mg ∆9-THC auf den spontanen und optokineti-schen Nystagmus und die Augenfolgebewegung.Die Studie ergab jedoch keine Hinweise auf signifi-kante Beeinträchtigungen bei den verschiedenenAugenbewegungen.

Hinweise auf das Auftreten von Defiziten bei hohenDosen ∆9-THC gibt die Studie von FLOM et al.(1976), die in einer Art Pilotstudie in Ergänzung zumeigentlichen Experiment 3 Versuchspersonen Mari-huanazigaretten mit 22 mg ∆9-THC zum Rauchengab. Diese Dosis bedingte, wenn auch statistischnicht gesichert, eine deutliche Verschlechterungsowohl der glatten als auch der sakkadischen Au-genfolgebewegung (FLOM et al., 1976). Obwohl esHinweise auf Beeinträchtigungen der Augenfolge-bewegungen bei hohen Dosierungen ∆9-THC gibt,kann bisher nicht von einer konsistenten Beein-trächtigung der Augenfolgebewegung nach demRauchen von Cannabis ausgegangen werden.

Bahnführung

Die neuropsychologischen Leistungen, die derEbene der Bahnführung zugeordnet werden kön-nen, umfassen die Bereiche Motorik, Gedächtnisund Kognition. Im Bereich der motorischen Leis-

tungen wurden dabei vor allem die visumotorischeKoordination und das Tracking untersucht (Tabelle9). Zu beiden neuropsychologischen Leistungenliegen eine Vielzahl von mindestens hinreichendgut kontrollierten Studien vor. Die visumotorischeKoordination wurde ab einer Dosis von 2,25 mg∆9-THC untersucht. Das Rauchen einer Mari-huanazigarette mit 2,25 mg ∆9-THC hatte nach 30Minuten keine signifikante Beeinträchtigung derAuge-Hand-Koordination zur Folge (MEYER et al.,1971). Ab einer Dosierung von 6 mg ∆9-THC wur-den jedoch signifikante Defizite in der visumotori-schen Koordination gefunden. MILSTEIN et al.(1975) berichten 15 Minuten nach dem Raucheneiner Marihuanazigarette mit 6 mg ∆9-THC einesignifikante Verschlechterung der vertikalen, hori-zontalen und zweidimensionalen Auge-Hand-Ko-ordination. Eine signifikante Beeinträchtigung derzweidimensionalen, jedoch nicht der dreidimensio-nalen Auge-Hand-Koordination fanden KLONOFFet al. (1973) unmittelbar nach dem Rauchen vonMarihuana mit 7,2 mg ∆9-THC. Auch nach demRauchen von Marihuanazigaretten mit höheren Do-sierungen von 12, 13,6, 14,2, 21, 24, 25, 28,4 und29 mg ∆9-THC wurden signifikante Beeinträchti-gungen der visumotorischen Koordination gefun-den (KLONOFF et al., 1973; VACHON et al., 1974;CHAIT et al., 1985; HEISHMAN et al., 1988, 1989;1997). Diese Defizite wurden unmittelbar nach demRauchen und bis zu 25 Minuten danach (29 mg ∆9-THC) beobachtet. Verschiedene Autoren habenaber auch negative Befunde berichtet. So fandenHEISHMAN et al. (1988; 1989; 1997) keine signifi-kante Beeinträchtigung unmittelbar nach dem Rau-chen von Marihuana mit 7,1 mg ∆9-THC und nach5 und 15 Minuten nach dem Rauchen von 12 mg∆9-THC bzw. 15 Minuten nach dem Rauchen von24 mg ∆9-THC in unterschiedlichen Tests der visu-motorischen Koordination. Die Befunde der Auto-ren sind insbesondere bei Dosierungen von 12 und24 mg ∆9-THC scheinbar widersprüchlich. Die De-fizite bei diesen Dosierungen wurden jedoch stetsmit dem Zahlen-Symbol-Substitutionstest gefun-den, während in einer anderen Aufgabe zur Auge-Hand-Koordination (circular lights task), in der ver-schiedene Knöpfe richtig gedrückt werden muss-ten, durchgängig keine signifikanten Defizite be-obachtbar waren. Diese Aufgabe erscheint ihrerBeschreibung nach als vermutlich zu leicht, um re-liabel Defizite in der visumotorischen Koordinationzu detektieren (HEISHMAN et al., 1988). Auch ineiner anderen Studie dieser Arbeitsgruppe konntennämlich mit höheren Dosierungen von 15,6 mg

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oder 25,1 mg ∆9-THC unmittelbar nach dem Rau-chen keine signifikanten Leistungsbeeinträchtigun-gen in dieser Aufgabe detektiert werden (FANT etal., 1998). Ergebnisse, die mit dieser Aufgabe ge-wonnen wurden, sollten deshalb mit Vorsicht inter-pretiert werden. Hinweise auf eine dosisabhängigeBeeinträchtigung der visumotorischen Koordinati-on geben auch die Ergebnisse einer Studie vonWILSON et al. (1994), die jedoch als nicht hinrei-chend gut kontrolliert eingestuft wurde. Die Auto-ren berichten darin eine signifikante Beeinträchti-gung im Zahlen-Symbol-Substitutionstest 30 Mi-nuten nach dem Rauchen von Marihuana mit 3,55 % ∆9-THC, aber nicht nach dem Raucheneiner Marihuanazigarette mit nur 1,77 % ∆9-THC(WILSON et al., 1994). Weitere Hinweise auf eineBeeinträchtigung der visumotorischen Koordinati-on finden sich auch in einer nicht hinreichend gutkontrolliert bewerteten Studie von BORG et al.(1975). Die Autoren untersuchten die visumotori-sche Koordination nach dem Rauchen von Mari-huana mit 0,07, 0,13, 0,19 und 0,25 mg/kg ∆9-THCan 5 Versuchspersonen. Die statistische Auswer-tung ist jedoch nicht nachvollziehbar, bzw. Einzel-dosierungsvergleiche wurden nicht durchgeführt.CHAIT & PERRY (1994) berichten ebenfalls Defizitein der visumotorischen Koordination in einer nichthinreichend gut kontrollierten Studie 75 Minutennach dem Rauchen von Marihuana mit 3,6 % ∆9-THC. Dagegen findet eine Studie von KURZTHA-LER et al. (1999) keine Hinweise auf eine signifi-kante Beeinträchtigung der visumotorischen Koor-dination, aber Hinweise auf eine signifikante Beein-trächtigung der motorischen Geschwindigkeit un-mittelbar nach dem Rauchen von Cannabis mit0,29 mg/kg ∆9-THC. Da jedoch nur sehr unzurei-chende Angaben zu den Charakteristika (z. B.Cannabiskonsum) der untersuchten Versuchsper-sonen gemacht werden, kann diese Studie nichtals hinreichend gut kontrolliert angesehen werden.SALVENDY & MCCABE (1975) fanden in einerebenfalls nur unzureichend kontrollierten StudieHinweise auf eine verringerte Leistung in der visu-motorischen Koordination 30 Minuten nach demRauchen von Marihuana mit ~13 mg ∆9-THC. Auf-grund der nur sehr lückenhaften Beschreibung desExperiments und der unzureichenden teststatisti-schen Auswertung können diese Ergebnisse je-doch nur als Hinweise interpretiert werden (SAL-VENDY & MCCABE, 1975). In einer ebenfalls nichthinreichend gut kontrollierten Studie fanden GREENWALD & STITZER (2000) Hinweise auf einesignifikante Beeinträchtigung der visumotorischen

Koordination, wenn über einen Zeitraum von 135Minuten eine Marihuanazigarette mit 3,55 % ∆9-THC geraucht wurde. Diese kumulativen Defizitewaren aber erst nach 18 Zügen, jedoch noch nichtnach 3 oder 9 Zügen, zu beobachten. Genaue Do-sisangaben wurden in dieser Studie leider nicht ge-macht. Insgesamt kann man aufgrund einer breitenDatenbasis von konsistent auftretenden Defizitenin der visumotorischen Koordination nach demRauchen von Cannabis/Marihuana ausgehen. DieDefizite treten dabei ab einer Dosierung von 12 mg∆9-THC auf und sind bis zu mindestens 25 Minu-ten nach dem Rauchen zu beobachten.

Die Aufgaben zum Tracking können in Folge-tracking, bei dem der Beobachter sowohl die Be-wegungen der zu folgenden Vorgabe (z. B. virtuelleFahrspur) als auch die des folgenden Objektessieht, und in kompensatorisches Tracking, bei demlediglich die Abweichung zwischen der Vorgabeund dem folgendem Objekt sichtbar ist, unter-schieden werden (z. B. MOSKOWITZ, 1985).EVANS et al. (1973) untersuchten das Folge-tracking 5 Minuten nach dem Rauchen von Mari-huana mit Dosierungen von 0,003, 0,006 und 0,009mg/kg ∆9-THC (Tabelle 9). Die Autoren fanden sig-nifikante Beeinträchtigungen in allen drei Dosierun-gen ∆9-THC. Eine Befragung der Versuchsperso-nen bezüglich des Glaubens, ob Marihuana oderPlacebo geraucht wurde, ergab jedoch bei 0 und0,009 mg ∆9-THC eine gleich große Anzahl Perso-nen, die glaubten, dass eine aktive Dosis ∆9-THCgeraucht wurde. Inwieweit es sich bei den verab-reichten, extrem niedrigen Dosierungen ∆9-THCtatsächlich um pharmakologisch induzierte Drogen-effekte, oder lediglich um konditionierte Drogen-effekte, die durch das jeweilige Set (z. B. Erwar-tungshaltung bezüglich der eintretenden Drogenef-fekte) oder/und Setting bedingt sind, kann nichtgeklärt werden. Zweifel an den pharmakologischenEffekten in dieser Studie erscheinen insbesonderedurch Trackingstudien mit deutlich höheren Dosie-rungen gerechtfertigt, die in der überwiegendenMehrheit keine signifikanten Effekte berichten.Weder das Rauchen von Marihuana mit einer Dosisvon 2,25 mg, 0,1 mg/kg, 12 mg, 0,2 mg/kg nochmit 15 mg ∆9-THC führten zu einer signifikantenBeeinträchtigung des kompensatorischen oderFolgetrackings in einem Zeitraum von 0 bis 195 Mi-nuten nach dem Rauchen (MEYER et al., 1971;CARLIN et al., 1972; HEISHMAN et al., 1988;ROBBE, 1994). Lediglich eine Studie von MANNOet al. (1970) zeigte eine signifikante Beeinträchti-

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gung des Folgetrackings 15 Minuten nach demRauchen von Marihuana mit 10 mg ∆9-THC, wobeijedoch innerhalb der gleichen Arbeitsgruppe die-selbe Testprozedur wie in der Studie von EVANS etal. (1973) verwendet wurde, sodass auch hier star-ke Set- und Setting-Effekte nicht ausgeschlossenwerden können. Auch bei hohen Dosierungen von∆9-THC ist die Befundlage nicht eindeutig. ROBBE(1994) berichtet in einer sehr gut kontrollierten Stu-die signifikante Beeinträchtigungen im kompensa-torischen Tracking 30 Minuten nach dem Rauchenvon Marihuana mit 0,3 mg/kg ∆9-THC. Diese Defi-zite waren nach 70 und 130 Minuten nicht mehr zubeobachten, traten aber nach 195 Minuten er-staunlicherweise wieder auf (ROBBE, 1994). Dage-gen fanden HEISHMAN et al. (1988) keine Effekteauf das kompensatorische Tracking 15 Minutennach dem Rauchen von Marihuana mit 24 mg ∆9-THC. Die überwiegende Mehrheit der mindestenshinreichend gut kontrollierten Studien fand keinensignifikanten Effekt des Marihuanarauchens aufdas Tracking. Lediglich zwei verschiedene Arbeits-gruppen berichten signifikante Beeinträchtigungen,wobei sich auch bei hohen Dosierungen von ∆9-THC kein einheitliches Bild abzeichnet. Diese Be-funde werden ergänzt durch eine Studie von WIL-SON et al. (1994), die nach dem Rauchen von Ma-rihuana mit 1,75 % oder 3,55 % ∆9-THC ebenfallskeine signifikanten Beeinträchtigungen im Folge-tracking fand. Eine weitere, jedoch nur unzurei-

chend kontrollierte Studie von BARNETT et al.(1985) berichtet eine lineare Korrelation zwischenden Fehlern beim Tracking und der ∆9-THC-Plas-makonzentration. Die statistische Auswertung derDaten in diesem Experiment erlaubt es jedochnicht, von statistisch signifikanten Defiziten zusprechen. Auch SALVENDY & MCCABE (1975) fan-den in einer frühen, jedoch nur unzureichend kon-trollierten Studie Hinweise auf eine verringerte Lei-stung im Folgetracking 30 Minuten nach dem Rau-chen von Marihuana mit ~13 mg ∆9-THC. Aufgrundder nur sehr lückenhaften Beschreibung des Expe-riments und der unzureichenden teststatistischenAuswertung müssen diese Ergebnisse jedoch mitVorsicht interpretiert werden (SALVENDY & McCA-BE, 1975).

Insgesamt kann bisher nicht von konsistent nach-gewiesenen Defiziten beim Tracking nach demRauchen von Cannabis/Marihuana bei Konzentra-tionen von bis zu 24 mg ∆9-THC ausgegangenwerden.

Ein weiterer großer Komplex neuropsychologischerLeistungen umfasst das Gedächtnis (Tabelle 10).Anhand der Dauer des Behaltens von Gedächtnis-inhalten kann grob zwischen einem Kurzzeitge-dächtnis und einem Langzeitgedächtnis unter-schieden werden (McGAUGH, 2000). Man nimmtdabei zumeist an, dass Informationen im Kurzzeit-gedächtnis im Bereich von Sekunden bis Minuten

76

Tab. 10: Gedächtnisdefizite nach akutem Cannabiskonsum (geraucht) bei Gelegenheitskonsumenten in Abhängigkeit von der ver-abreichten THC-Dosis. Die angegebenen Leistungsunterschiede vs. Placebobedingung beruhen auf den Ergebnissen derjeweils verwendeten statistischen Tests (↑/↓) signifikant verbessert/verschlechtert; --- nicht signifikant verändert). DieEbene der Fahrzeugführung, für die eine Leistung relevant ist, wurde mit S: Stabilisierung, B: Bahnführung oder N: Navi-gation ausgewiesen. Studienqualität: gut kontrollierte Studie (++++ und +++); hinreichend kontrollierte Studie (++ und +)

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Kurzzeitgedächtnis (Lernen und Erinnern unter THC-Einfluss)

verbal

Textinformation lernen & erinnern B 0.025 mg/kg 20 min ↓ ++ MILLER et al. (1972)

Wortlisten lernen & erinnern B 5 mg 0 min ↓ +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten lernen & erinnern B 5 mg 20 min ↓ +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten lernen & erinnern B 7.1 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)

Zahlen erinnern B 7.1 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)

Sätze lernen & erinnern B 7.2 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

Ziffer- Silben-Assoziationen lernen B 8 mg 10 min ↓ ++ PIHL & SIGAL (1978)

Wortlisten lernen & erinnern B 9.4 mg 20 min ↓ +++ MILLER et al (1976)

Wortlisten lernen & erinnern B 10 mg 0 min ↓ +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten lernen & erinnern B 10 mg 0 min ↓ ++ MILLER et al. (1979)

Wortpaar-Assoziationen lernen B 10 mg 0 min --- ++ BLOCL & WITTENBORN (1984b)

Wortlisten lernen & erinnern B 10 mg 20 min ↓ +++ MILLER & CORNETT (1978)

Textinformation lernen & erinnern B 10.5 mg 15 min ↓ +++ MILLER et al. (1977a)

Wortlisten lernen & erinnern B 10.5 mg 15 min ↓ ++ MILLER et al. (1978)

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Tab. 10: Fortsetzung

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Kurzzeitgedächtnis (Lernen und Erinnern unter THC-Einfluss)verbal

Wortlisten lernen & erinnern B 10.7 mg 15 min --- ++ HOOKER & JONES (1987)

Zahlen erinnern B 10.7 mg 15 min --- ++ HOOKER & JONES (1987)

Textinformation lernen & erinnern B 10.7 mg 15 min --- ++ HOOKER & JONES (1987)

Wortlisten lernen & erinnern B 12 mg 0 min ↓ ++ CAPPELL & PLINER (1973)

Zahlen erinnern (rückwärts) B 12 mg 0 min --- ++ CAPPELL & PLINER (1973)

Zahlen erinnern B 12 mg 5 min ↓ +++ HEISHMAN et al. (1989)

Sätze lernen & erinnern B 13.6 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

Wortlisten lernen & erinnern B 14 mg 0 min ↓ +++ MILLER et al. (1977c)

Wortlisten lernen & erinnern B 14 mg 20 min ↓ +++ MILLER et al. (1977c)

Wortlisten lernen & erinnern B 14 mg 0 min ↓ +++ BELMORE & MILLER (1980)

Wort-Silben-Assoziationen lernen B 14 mg 5 min ↓ ++ RICKLES et al. (1973)

Zahlen erinnern B 14.2 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)

Wortlisten lernen & erinnern B 14.2 mg 0 min ↓ + HEISHMAN et al. (1997)

Wortlisten lernen & erinnern B 15 mg 0 min ↓ +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten lernen & erinnern B 15 mg 20 min ↓ +++ MILLER & CORNETT (1978)

Zahlen erinnern B 15.6 mg 0 min --- +++ FANT et al. (1998)

Wortlisten lernen & erinnern B 19 mg 0 min ↓ +++ BLOCK et al. (1992)

Wortpaar-Assoziationen lernen B 19 mg 0 min ↓ +++ BLOCK et al. (1992)

Textinformation lernen & erinnern B 19 mg 0 min ↓ +++ BLOCK et al. (1992)

Zahlen erinnern B 20 mg 26 min ↓ ++ KELLY et al. (1993)

Zahlen erinnern B 21 mg 5 min ↓ +++ HEISHMAN et al. (1989)

Zahlen erinnern B 25.1 mg 0 min --- +++ FANT et al. (1998)

Wortlisten lernen & erinnern B 28.4 mg 0 min ↓ + HEISHMAN et al. (1997)

Zahlen erinnern B 28.4 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)

Wortlisten lernen & erinnern B 29 mg 25 min ↓ ++ CHAIT et al. (1985)

Zahlen erinnern B 35 mg 26 min ↓ ++ KELLY et al. (1993)

Wortlisten lernen & erinnern B 14 mg 0 min ↓ +++ BELMORE & MILLER (1980)

Wort-Silben-Assoziationen lernen B 14 mg 5 min ↓ ++ RICKLES et al. (1973)

Zahlen erinnern B 14.2 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)

Wortlisten lernen & erinnern B 14.2 mg 0 min ↓ + HEISHMAN et al. (1997)

Wortlisten lernen & erinnern B 15 mg 0 min ↓ +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten lernen & erinnern B 15 mg 20 min ↓ +++ MILLER & CORNETT (1978)

Zahlen erinnern B 15.6 mg 0 min --- +++ FANT et al. (1998)

Wortlisten lernen & erinnern B 19 mg 0 min ↓ +++ BLOCK et al. (1992)

Wortpaar-Assoziationen lernen B 19 mg 0 min ↓ +++ BLOCK et al. (1992)

Textinformation lernen & erinnern B 19 mg 0 min ↓ +++ BLOCK et al. (1992)

Zahlen erinnern B 20 mg 26 min ↓ ++ KELLY et al. (1993)

Zahlen erinnern B 21 mg 5 min ↓ +++ HEISHMAN et al. (1989)

Zahlen erinnern B 25.1 mg 0 min --- +++ FANT et al. (1998)

Wortlisten lernen & erinnern B 28.4 mg 0 min ↓ + HEISHMAN et al. (1997)

Zahlen erinnern B 28.4 mg 0 min --- + HEISHMAN et al. (1997)

Wortlisten lernen & erinnern B 29 mg 25 min ↓ ++ CHAIT et al. (1985)

Zahlen erinnern B 35 mg 26 min ↓ ++ KELLY et al. (1993)

visuell

Bilder erinnern B 7.2 mg 0 min --- + KLONOFF et al. (1973)

Bilder erinnern B 13.6 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

Bilder erinnern B 14 mg 0 min ↓ ++ MILLER et al. (1977b)

visuell-räumlich

räumliche Konfiguration erinnern B 7.2 mg 0 min --- + KLONOFF et al. (1973)

räumliche Konfiguration erinnern B 13.6 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

auditorisch

Töne erinnern B 7.2 mg 0 min --- + KLONOFF et al. (1973)

Töne erinnern B 13.6 mg 0 min --- + KLONOFF et al. (1973)

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gespeichert werden können. Für eine länger anhal-tende Speicherung von Gedächtnisinhalten ist eineKonsolidierung dieser Information im Langzeitge-dächtnis notwendig, wobei es sich um einen gra-duellen Prozess handelt. Information kann so imBereich von mehreren Minuten, Stunden, Monatenbis hin zu einer ganzen Lebenspanne gespeichertund abgerufen werden. Innerhalb des Kurzzeit- undLangzeitgedächtnisses kann nochmals eine Auftei-lung nach Sinnesmodalität vorgenommen werden,der die enkodierte Information zugeordnet werdenkann. Eine weitere wichtige Unterteilung differen-ziert das Langzeitgedächtnis in deklaratives bzw.explizites und nicht deklaratives bzw. implizitesGedächtnis (MILNER et al., 1998; KANDEL & PIT-TENGER, 1999). Das deklarative Gedächtnis ist ei-nerseits das Gedächtnis für Fakten, das auch alssemantisches Gedächtnis bezeichnet wird, und an-dererseits das Gedächtnis für Ereignisse, das auchals episodisches Gedächtnis bekannt ist. Informa-tionen des deklarativen Gedächtnisses sind be-wusst zugänglich. Das nicht-deklarative Gedächt-nis beinhaltet dagegen eine Vielzahl einzelner von-einander unabhängiger Gedächtnissysteme, beidenen Informationseinlagerung und -abruf unbe-wusst erfolgen. Dazu gehören das Gedächtnis fürmotorische Fähigkeiten und Fertigkeiten (prozedu-rales Gedächtnis), das Priming-Gedächtnis, dasGedächtnis für klassische Konditionierung und dasGedächtnis für Reflex-Modulationen (MILNER et

al., 1998; KANDEL & PITTENGER, 1999). Man kanndavon ausgehen, dass alle Gedächtnistypen erstauf der Ebene der Bahnführung beim Führen einesFahrzeuges relevant werden. Die Effekte des Can-nabiskonsums auf die Gedächtnisleistung sindsehr häufig untersucht worden. Dennoch ist festzu-stellen, dass sich die Forschung zum größten Teilauf das Kurzzeitgedächtnis und auf das deklarativeLangzeitgedächtnis beschränkt hat.

Innerhalb des Kurzzeitgedächtnisses ist am häu-figsten das verbale Kurzzeitgedächtnis, d. h. dasLernen, Behalten und der Abruf verbaler Informati-on, untersucht worden. Das verbale Kurzzeitge-dächtnis ist zum Beispiel relevant, wenn beimFühren eines Fahrzeugs verbale Information wieeine Geschwindigkeitsbegrenzung über eine Zeit-spanne von Sekunden bis wenigen Minuten behal-ten werden soll. Bei Untersuchungen zum Kurzzeit-gedächtnis finden aufgrund der zeitliche Nähe dereinzelnen Prozesse sowohl das Enkodieren undBehalten als auch der Abruf der Information unterCannabiseinfluss statt. Signifikante Defizite im ver-balen Kurzzeitgedächtnis sind nach dem Rauchenvon Marihuana bereits bei der niedrigsten unter-suchten Dosis von 0,025 mg/kg ∆9-THC 20 Minu-ten nach dem Rauchen beschrieben worden,wobei Prosamaterial behalten und erinnert werdensollte (MILLER et al., 1972). Dieselbe Arbeitsgrup-pe fand in späteren hinreichend gut kontrollierten

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Tab. 10: Fortsetzung

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Langzeitgedächtnis (nur Erinnern unter THC Einfluss)verbal

Textinformation erinnern B 10.5 mg 15 min --- +++ MILLER et al. (1977a)

Wort-Silben-Assoziationen lernen B 14 mg 5 min --- ++ RICKLES et al. (1973)

Langzeitgedächtnis (Lernen und Erinnern unter THC Einfluss) verbal

Wortlisten, freier Abruf B 5 mg > 15 min --- +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten, freier Abruf B 5 mg 50 min --- +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten, erkennen B 5 mg 50 min --- +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten, freier Abruf B 10 mg 20 min --- ++ MILLER et al. (1979)

Wortlisten, erkennen B 10 mg 50 min --- +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten, erkennen B 10 mg 20 min --- ++ Miller et al. (1979)

Wortlisten, freier Abruf B 10 mg 50 min ↓ +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten, freier Abruf B 10 mg > 15 min _ +++ MILLER & CORNETT (1978)

Textinformationen, freier Abruf B 10.5 mg 0 min --- +++ MILLER et al. (1977a)

Textinformationen, erkennen B 10.5 mg 0 min --- +++ MILLER et al. (1977a)

Wortlisten lernen & erinnern B 10.7 mg 20 min --- ++ HOOKER & JONES (1987)

Wort-Silben-Assoziationen lernen B 14 mg 5 min --- ++ RICKLES et al. (1973)

Wortlisten, freier Abruf B 15 mg 50 min ↓ +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten, erkennen B 15 mg 50 min --- +++ MILLER & CORNETT (1978)

Wortlisten lernen & erinnern B 15 mg > 15 min ↓ +++ MILLER & CORNETT (1978)

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Studien durchgängig signifikante Defizite im verba-len Kurzzeitgedächtnis nach dem Rauchen vonMarihuana mit einer ∆9-THC-Menge von 5, 9,4, 10,10,5, 14 und 15 mg ∆9-THC in einem Zeitraum vonunmittelbar nach dem Rauchen bis zu maximal 20Minuten danach. Untersucht wurden dabei nichtnur das Lernen, Behalten und der Abruf von Prosa-material, sondern auch das von Wortlisten und ein-zelnen Sätzen (MILLER et al., 1976, 1977a, 1977c,1978, 1979; MILLER & CORNETT, 1978; BEL-MORE & MILLER, 1980). Auch andere Autoren fan-den in mindestens hinreichend gut kontrolliertenStudien signifikante Defizite im verbalen Kurzzeit-gedächtnis nach dem Rauchen von Marihuana mitDosierungen von 7,2, 8, 12, 13,6, 14, 14,2, 19, 20,21, 28,4, 29 und 35 mg ∆9-THC (CAPPELL & PLI-NER, 1973; KLONOFF et al., 1973; RICKLES et al.,1973; PIHL & SIGAL, 1978; CHAIT et al., 1985;HEISHMAN et al., 1989, 1997; BLOCK et al., 1992;KELLY et al., 1993). Getestet wurden dabei wiede-rum das Lernen, Behalten und der Abruf von Wort-listen, Sätzen, Wortpaar-Assoziationen, Ziffer-Sil-ben-Assoziationen, Prosamaterial und Zahlenrei-hen. Die Defizite im verbalen Kurzzeitgedächtniswurden dabei in einem Zeitraum von unmittelbarnach dem Rauchen bis zu 26 Minuten danach (bei20 und 26 mg ∆9-THC) beobachtet. Darüber hi-nausgehende Zeiträume wurden bisher nach unse-rem Kenntnisstand in gut kontrollierten Studiennicht untersucht. Neben den Studien, die konsis-tent signifikante Beeinträchtigungen des verbalenKurzzeitgedächtnisses finden, müssen aber auchdie Studien erwähnt werden, die ebenfalls gut kon-trolliert durchgeführt wurden und die keine signifi-kanten Effekte finden. So berichten HEISHMAN etal. (1997) in einer hinreichend gut kontrolliertenStudie mit jedoch lediglich 5 Versuchspersonenund wiederholter Testung keine signifikanten Defi-zite beim Wortlisten- oder Zahlenreihen-Erinnernunmittelbar nach dem Rauchen von Marihuana mit7,1 mg ∆9-THC. Bei einer Dosierung von 14,2 mg∆9-THC fanden die Autoren Defizite im Erinnernvon Wortlisten, aber nicht beim Erinnern von Zah-lenreihen. Dagegen zeigten sich unmittelbar nachdem Rauchen von Marihuana mit 28,4 mg ∆9-THCkeine signifikanten Defizite beim Zahlenreihen-Er-innern. Bei dieser Dosis traten dagegen signifikan-te Defizite beim Erinnern von Wortlisten auf(HEISHMAN et al., 1997). In einer späteren Studiederselben Arbeitsgruppe wurden diesmal bei 10Versuchspersonen nach wiederholter Testungebenfalls keine signifikanten Defizite beim Erinnernvon Zahlenreihen unmittelbar nach dem Rauchen

von Marihuana mit 15,6 oder 25,1 mg ∆9-THC ge-funden (FANT et al. 1998). Darüber hinaus wurdenkeine signifikanten Defizite im verbalen Kurzzeitge-dächtnis nach dem Rauchen von Marihuana mit10, 10,7 und 12 mg ∆9-THC im Zeitraum von 0 bis15 Minuten nach dem Rauchen berichtet (BLOCK& WITTENBORN, 1984a, 1984b; HOOKER &JONES, 1987; CAPPELL & PLINER, 1973).

Neben den Evidenzen für ein konsistent beein-trächtigtes verbales Kurzzeitgedächtnis nach demRauchen von Cannabis/Marihuana aus mindestenshinreichend gut kontrollierten Studien gibt es aucheine beträchtliche Anzahl weiterer Studien, diediese Annahme stützen, jedoch aus unterschiedli-chen Gründen nicht mehr als hinreichend gut kon-trolliert eingestuft werden können. ABEL (1970)fand in einer frühen Studie Hinweise auf eine Be-einträchtigung beim verzögerten Erinnern von In-halten eines Prosatextes 5 Minuten nach dem Rau-chen einer Marihuanazigarette. Da keine ∆9-THC-Dosis angegeben wurde und auch die Testproze-dur nur unzureichend beschrieben wurde, kanndiese Studie jedoch nur als Hinweis dienen. Weite-re Hinweise auf ein verschlechtertes verbales Kurz-zeitgedächtnis fanden auch PEARL et al. (1973) 20Minuten nach dem Rauchen von Marihuana miteiner nur ungefähr angegebenen ∆9-THC-Mengevon < 4,5 mg und < 8,7 mg und WETZEL et al.(1982) 55 Minuten nach dem Rauchen einer Mari-huanazigarette mit 6 mg ∆9-THC. Leider wurden inder letzten Studie nur sehr unzureichende Angabenzur Versuchspersonenpopulation gemacht, sodasseine genaue Einordnung in eine Konsumsituationnicht möglich ist. Auch in einer Studie von DORN-BUSH et al. (1971) ist eine genaue Zuordnung dergetesteten Versuchspersonen aufgrund einer unzu-reichenden Beschreibung nicht mit Sicherheitmöglich. DORNBUSH et al. (1971) berichten Defizi-te im unmittelbaren Abruf von Buchstabentrigram-men (z. B. DKF) nach dem Rauchen von Marihua-na mit 22,5 mg ∆9-THC, jedoch nicht nach demRauchen von Marihuana mit 7,5 mg ∆9-THC. KeineDefizite beim Behalten von einzelnen Zahlen überwenige Sekunden fanden ROSSI et al. (1977) nachdem Rauchen einer Marihuanazigarette mit einemungefähren ∆9-THC-Gehalt von 18 bis 23 mg.Diese Daten sind jedoch schwer zu interpretieren,da keine geeignete Kontrollbedingung (Placebo-Kontrolle) untersucht wurde. Ebenfalls eine Studievon KURZTHALER et al. (1999) findet keine Defizi-te im verbalen Kurzzeitgedächtnis unmittelbar nachdem Rauchen von Cannabis mit 0,29 mg/kg

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∆9-THC. Auch in dieser Studie ist eine genaue Zu-ordnung der getesteten Versuchspersonen zu einerKonsumentengruppe aufgrund einer unzureichen-den Beschreibung nicht mit Sicherheit möglich.CHAIT & PERRY (1994) konnten in einer als nichthinreichend gut kontrolliert eingestuften Studie 75Minuten nach dem Rauchen von Marihuana mit 3,6 % ∆9-THC ebenfalls keine signifikanten Defizi-te im verbalen Kurzzeitgedächtnis für Worte oderZahlen feststellen.

Neben dem verbalen Kurzzeitgedächtnis unter-suchten auch einige Studien das visuelle, das visu-ell-räumliche und das auditorische Kurzzeitge-dächtnis. KLONOFF et al. (1973) berichten signifi-kante Defizite im visuellen Kurzzeitgedächtnis un-mittelbar nach dem Rauchen von Marihuana mit13,6 mg ∆9-THC, aber nicht nach einer Dosis von7,2 mg ∆9-THC. Signifikante Defizite beim Erinnernvon Bildern fanden auch MILLER et al. (1977b) un-mittelbar nach dem Rauchen von Marihuana miteinem ∆9-THC-Gehalt von 14 mg. Diese Befundestellen zwar noch keine Grundlage für die Annah-me konsistenter Defizite im visuellen Kurzzeitge-dächtnis dar, ergeben aber erste Hinweise darauf,dass neben dem verbalen auch das visuelle Kurz-zeitgedächtnis bei höheren Dosen ∆9-THC beein-trächtigt sein könnte. Erste Hinweise auf Beein-trächtigungen im visuell-räumlichen, aber nicht imauditorischen Kurzzeitgedächtnis erbrachte eineStudie von KLONOFF et al. (1973), in welcher un-mittelbar nach dem Rauchen von Marihuana mit13,6 mg ∆9-THC signifikante Defizite beim Erinnernräumlicher Konfigurationen gefunden wurden.Diese Leistung war nach dem Rauchen von Mari-huana mit einem ∆9-THC-Gehalt von nur 7,2 mgnicht beeinträchtigt. Das Erinnern von Tönen war indieser Studie weder nach dem Rauchen von Mari-huana mit 7,2 noch mit 13,6 mg ∆9-THC signifikantbeeinträchtigt (KLONOFF et al., 1973). In einernicht hinreichend gut kontrollierten Studie fandenPEARL et al. (1973) 20 Minuten nach dem Rauchenvon Marihuana mit entweder < 4,5 mg oder < 8,7mg ∆9-THC eine signifikante Beeinträchtigung imKurzzeitgedächtnis für Wortkonzepte, jedoch nichtim Kurzzeitgedächtnis für Bilder.

Aufgrund der relativ großen Zahl hinreichend gutkontrollierter Studien zum Kurzzeitgedächtnismuss von konsistent nachgewiesenen Defizitennach dem Rauchen von Marihuana/Cannabis aus-gegangen werden. Diese Defizite sind bisher je-doch nur für den Bereich des verbalen Kurzzeitge-dächtnisses konsistent nachgewiesen. Für das ver-

bale Kurzzeitgedächtnis wurden Defizite bereits abeiner Dosis von 0,025 mg/kg ∆9-THC gezeigt, dieauch bei höheren Dosierungen konsistent nach-weisbar waren. Die Dauer der Defizite im verbalenKurzzeitgedächtnis wurde von unmittelbar nachdem Rauchen bis zu mindestens 26 Minuten da-nach gezeigt. Für das visuelle und visuell-räumli-che Kurzzeitgedächtnis gibt es zwar Hinweise füreine Beeinträchtigung bei höheren Dosierungen∆9-THC, um von konsistent nachgewiesenen Defi-ziten sprechen zu können, bedarf es aber erst nochweiterer Untersuchungen.

Systematische und mindestens hinreichend gutkontrollierte Untersuchungen zum Langzeitge-dächtnis nach Cannabiskonsum liegen derzeit nurfür das deklarative Gedächtnis vor (Tabelle 10). BeiUntersuchungen zum Langzeitgedächtnis mussprinzipiell zwischen zwei Testsituationen unter-schieden werden. In Tests zum Langzeitgedächtniskann zum einen der Abruf von Informationen unterdem Einfluss von Cannabis untersucht werden,nachdem das Enkodieren bzw. Lernen der Informa-tion in einem Cannabis-freien Zustand stattfand.Eine derartige Testsituation kann insbesondere denAbruf von fahrrelevanten Informationen unter aku-tem Cannabiseinfluss operationalisieren, die, wie z. B. Verkehrsregeln, im Cannabis-freien Zustandgelernt wurden. In anderen Tests kann dagegen derAbruf aus dem Langzeitgedächtnis untersucht wer-den, wenn bereits das Enkodieren unter dem Ein-fluss von Cannabis stattgefunden hatte. DieseTestsituation, die zwar von erheblichem wissen-schaftlichen Interesse ist, dürfte aber für den Abruffahrrelevanter Gedächtnisinhalte von untergeord-neter Bedeutung sein, da diese in der Regel imnüchternen Zustand erlernt werden. Für den Abrufvon Gedächtnisinhalten aus dem Langzeitgedächt-nis, die in einem Cannabis-freien Zustand erlerntwurden, gibt es bisher nur zwei hinreichend gutkontrollierte Studien. MILLER et al. (1977a) unter-suchten dabei den Abruf von Textinformation, die24 Stunden vor dem Rauchen von Marihuana mit10,5 mg ∆9-THC gelernt worden war. RICKLES etal. (1973) untersuchten den Abruf von Wort-Silben-Assoziationen, die 10 Tage vor dem Rauchen vonMarihuana mit 14 mg ∆9-THC gelernt wordenwaren. Beide Studien konnten keine signifikantenBeeinträchtigungen im Abruf von im nüchternenZustand gelernten Informationen aus dem Lang-zeitgedächtnis im Zeitraum von 5 bzw. 15 Minutennach dem Rauchen von Marihuana feststellen. DieBefunde aus mindestens hinreichend gut kontrol-

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lierten Studien werden ergänzt durch eine Studievon WETZEL et al. (1982), die keine Defizite beimAbruf von verbalen Inhalten aus dem Langzeitge-dächtnis (Titel von Fernsehshows) 30 Minuten nachdem Rauchen von Marihuana mit 6 mg ∆9-THC fin-den konnte. Eine vergleichende Interpretation derStudie von WETZEL et al. (1982) ist aufgrund dernur unzureichenden Angaben zu den Versuchsper-sonen jedoch nicht möglich. Um für diese speziel-le Testsituation, die besonders für die Fahrzeug-führung von hoher Relevanz sein dürfte, sichereAussagen machen zu können, müssen erst nochweitere Forschungen, die auch höhere Dosisberei-che mit berücksichtigen, abgewartet werden.

Für die Testsituation „Lernen und Abruf unterCannabiseinfluss” gibt es bereits deutlich mehrmindestens hinreichend gut kontrollierte Studien.Das Rauchen von Marihuana mit einer ∆9-THC-Menge von 5 mg hatte nach > 15 und nach 50 Mi-nuten keinen Einfluss auf den Abruf von Wortlistenaus dem Langzeitgedächtnis, die bereits unterCannabiseinfluss gelernt worden waren. Das trafsowohl für den freien Abruf als auch für das Wie-dererkennen der Worte in einer vorgegebenen Listezu (MILLER & CORNETT, 1978; MILLER et al.,1978). Das Intervall zwischen Lernen und Abruf be-trug in dieser Studie allerdings nur 15 Minuten.Ebenfalls keine signifikanten Defizite beim Abrufvon Informationen aus dem Langzeitgedächtnisfanden MILLER et al. (1979) 20 Minuten nach demRauchen von Marihuana mit 10 mg ∆9-THC beimfreien Abruf und auch beim Wiedererkennen vonWortlisten, die ebenfalls unter Cannabiseinfluss ge-lernt worden waren. In zwei anderen Studien vondenselben Autoren wird jedoch > 15 und 50 Minu-ten nach dem Rauchen von Marihuana mit 10 mg∆9-THC ein signifikantes Defizit im freien Abruf,aber nicht im Wiedererkennen, von Wortlisten be-richtet (MILLER & CORNETT, 1978; MILLER et al.,1978). Signifikante Defizite beim freien Abruf vonWortlisten aus dem Langzeitgedächtnis, die bereitsunter Marihuanaeinfluss gelernt worden waren, be-richtet dieselbe Arbeitsgruppe auch 15 bis 50 Mi-nuten nach dem Rauchen von Marihuana mit 15mg ∆9-THC (MILLER et al., 1978, MILLER & COR-NETT, 1978), wobei keine signifikanten Effekte aufdas Wiedererkennen der Information gefundenwurden (MILLER & CORNETT, 1978). Bei dieser be-sonderen Testsituation und den ausschließlich ver-balen Gedächtnisinhalten, die untersucht wurden,muss jedoch beachtet werden, dass die konsistentnachgewiesenen Defizite im verbalen Kurzzeitge-

dächtnis (siehe oben) bereits für eine schlechtereEnkodierung und später auch Konsolidierung derInformationen verantwortlich sein können. Das be-deutet, dass in dieser Situation sehr wahrscheinlichnicht der Abruf von Information aus dem Langzeit-gedächtnis durch die akute Cannabiseinnahme be-einträchtigt wurde, sondern bereits die Enkodie-rung, die ebenfalls unter Cannabiseinfluss statt-fand, gestört war. Interessant ist in diesem Zusam-menhang das vermehrte Auftreten von Intrusionenbeim Abruf aus dem Langzeitgedächtnis (ABEL,1971a; KELLY et al., 1993). Intrusionen sind falscheAntworten im freien Abruf aus dem Langzeitge-dächtnis bzw. falsch positve Antworten beim Wie-dererkennen innerhalb einer Vorgabe. Es sindsomit Informationen, an die die Versuchspersonglaubt, sich erinnern zu können, die aber de factofrei „erfunden” sind. Verschiedene, zumindest hin-reichend gut kontrollierte Studien fanden auch beihöheren Dosierungen ∆9-THC keine signifikantenEffekte auf das Langzeitgedächtnis. So konntenHOOKER & JONES (1987) keine signifikante Beein-trächtigung beim Abruf von Wortlisten 20 Minutennach dem Rauchen von Marihuana mit 10,7 mg ∆9-THC nachweisen. Auch der freie Abruf und dasWiedererkennen von Textinformationen waren un-mittelbar nach dem Rauchen von Marihuana mit10,5 mg ∆9-THC nicht signifikant beeinträchtigt(MILLER et al., 1977a). RICKLES et al. (1973) fan-den zudem 5 Minuten nach dem Rauchen von Ma-rihuana mit 14 mg ∆9-THC keine Evidenz für Ge-dächtnisdefizite beim Abrufen von Wort-Silben-As-soziationen, die einen Tag zuvor unter Marihuana-einfluss gelernt worden waren.

Verschiedene Studien, die jedoch als nicht hinrei-chend gut kontrolliert eingestuft werden mussten,haben sich ebenfalls mit den Effekten von Canna-bis auf die Gedächtnisleistung beschäftigt. Infrühen Studien fand ABEL (1971a, 1971b, 1971c)beim Wortlistenlernen bereits Hinweise darauf,dass Marihuana keinen Einfluss auf den Abruf ein-mal gelernter verbaler Information aus dem Lang-zeitgedächtnis hat, sondern lediglich das Lernenneuer Information beeinträchtigt. Durch das Fehlenvon ∆9-THC-Mengenangaben und einer genauenBeschreibungen der Einnahme- und Testprozedurist eine vergleichende Interpretation der Ergebnissedieser Studien jedoch nicht möglich.

In einigen als nicht hinreichend gut kontrolliert ein-gestuften Studien sind zudem die Effekte desCannabisrauchens auf operant konditioniertes Ver-halten, d. h. auf eine Komponente des nicht-dekla-

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rativen Gedächtnisses, untersucht worden. CAP-PELL et al. (1972) fanden signifikante Defizite ineiner Aufgabe zum Abruf zeitabhängigen operantkonditionierten Verhaltens unmittelbar nach demRauchen von Marihuana mit 2 mg, 4 mg, oder 8 mg∆9-THC. Dabei nahm die Anzahl der belohntenAntworten unter Marihuana deutlich ab. Eine Be-stimmung der in diesem Paradigma effektiven ∆9-THC-Dosis ist aufgrund fehlender statistischer Ein-zelvergleiche jedoch nicht mehr möglich. Ob essich bei diesem Effekt tatsächlich um Gedächtnis-defizite handelt, oder nur um die Auswirkungeneiner veränderten Zeitwahrnehmung (siehe oben),konnte ebenfalls in dieser Studie nicht geklärt wer-den. Hinweise auf eine Beeinträchtigung im ope-ranten Verhalten mit progressiv ansteigender zeitli-cher Dauer der Belohnungsintervalle fanden auchDOUGHERTY et al. (1994) nach mehrfach tägli-chem Marihuanarauchen. Auch hier ist aufgrunddes Studiendesigns und der unbekannten absolutkonsumierten ∆9-THC-Menge die statistisch gesi-cherte Attribution eines Effektes zu einer bestimm-ten ∆9-THC-Dosis nicht möglich. Andere Befundefanden dagegen keine Hinweise auf eine Beein-trächtigung operant konditionierten Verhaltensnach mehrtägigem Marihuanarauchen (MENDEL-SON et al., 1976; MELLO & MENDELSON, 1985).

Im Gegensatz zum verbalen Kurzzeitgedächtniskann nicht von konsistent nachgewiesenen Beein-trächtigungen des Langzeitgedächtnisses nachdem Rauchen von Marihuana/Cannabis bei in einerDosis von bis zu 15 mg ∆9-THC in einem Zeitraumvon 0 bis 50 Minuten nach dem Rauchen ausge-gangen werden. Die vereinzelt unter dem Einflussvon Cannabis beobachteten Defizite beim Abrufaus dem Langzeitgedächtnis rühren wahrschein-lich von den konsistent nachgewiesenen Defizitenim verbalen Kurzzeitgedächtnis her. Ist die Infor-mation dagegen normal, d. h. im Cannabis-freienZustand, im Kurzzeitgedächtnis verarbeitet undspäter konsolidiert worden, gibt es keine Hinweiseauf Defizite beim Abruf aus dem Langzeitgedächt-nis (siehe auch: MILLER & BRANCONNIER, 1983).Einschränkend muss jedoch darauf hingewiesenwerden, dass bisher nur ein relativ kleiner Bereichdes Langzeitgedächtnisses nach Cannabiskonsumüberhaupt untersucht worden ist. Eine Generalisie-rung der bisherigen Befunde, insbesondere aufnicht-deklarative Gedächtnisleistungen, kann des-halb nicht ohne weiteres vorgenommen werden.Um ein umfassendes Bild der Effekte des Canna-bisrauchens auf die unterschiedlichen Gedächtnis-

leistungen zu erhalten, sind erst noch sehr vielmehr Untersuchungen erforderlich.

Weitere Leistungen, die auf der Ebene der Bahn-führung erforderlich sind, können dem Bereich derkognitiven Fähigkeiten zugeordnet werden. Unter-sucht wurden dazu bisher das Abstraktionsvermö-gen, die mentale Flexibilität, und die komplexenverbalen Fähigkeiten. Insgesamt liegen zu jedereinzelnen Fähigkeit aber erst wenige Befunde vor(Tabelle 11).

Bisher haben sich erst drei Studien, die mindestenshinreichend gut kontrolliert wurden, mit der Ab-straktionsfähigkeit nach dem Cannabisrauchen beiGelegenheitskonsumenten beschäftigt, die jedochwidersprüchliche Ergebnisse liefern (Tabelle 11).KLONOFF et al. (1973) fanden in einer hinreichendgut kontrollierten Studie zum Abstrahieren visuellerMuster signifikante Defizite unmittelbar nach demRauchen von Marihuana mit 7,2 und 13 mg ∆9-THC. Dagegen konnten BLOCK et al. (1992) ineiner ebenfalls gut kontrollierten Studie keine signi-fikante Beeinträchtigung unmittelbar nach demRauchen von Marihuana mit 19 mg ∆9-THC finden.Bei höheren Dosen ∆9-THC wurde von KELLY et al.(1993) eine signifikante Beeinträchtigung beim Er-kennen eines visuell präsentierten Antwortmustersgefunden. Die Defizite traten bei der Testung 26 Mi-nuten nach dem Rauchen von Marihuana mit 20oder 35 mg ∆9-THC auf (KELLY et al., 1993). Eineumfangreiche Untersuchung der Mustererkennungwurde von PEARL et al. (1973) durchgeführt. Da indieser Studie jedoch nur sehr unzureichende Anga-ben zur Versuchspersonenpopulation gemachtwerden, können die Ergebnisse nur tendenziell in-terpretiert werden. Zwanzig Minuten nach demRauchen einer Marihuanazigarette mit < 4,5 mg∆9-THC fanden PEARL et al. (1973) keine Hinweiseauf signifikante Beeinträchtigungen beim Erkennenversteckter Wörter in einer Buchstabenfolge, beimErkennen unvollständiger Bilder, beim Annagramm-erkennungstest oder beim Erkennen versteckterBildinhalte. Nach dem Rauchen von Marihuana mit< 8,7 mg ∆9-THC waren nach derselben Latenz-zeit von 20 Minuten sowohl das Erkennen ver-steckter wie auch unvollständiger Bilder signifikantbeeinträchtigt, nicht jedoch die Wort- und Anna-grammerkennung. PEARL et al. (1973) fanden wei-terhin Hinweise auf eine Beeinträchtigung beim Ab-strahieren einer Buchstabenfolge und beim Kate-gorisieren von Wortlisten 20 Minuten nach demRauchen von Marihuana mit < 8,7 mg, aber nichtmit < 4,5 mg ∆9-THC (PEARL et al., 1973). Die Au-

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toren untersuchten zudem die Leistungen beimAbschätzen physikalischer Maße, wie Größe undGewicht, nach dem Rauchen beider Dosierungen∆9-THC. Dabei ergaben sich keine Hinweise aufeine mögliche Beeinträchtigung 20 Minuten nachdem Rauchen. Die Befunde von PEARL et al.(1973) stützen zumindest die Annahme, dass dieAbstraktionsfähigkeit als kognitive Leistung nachdem Rauchen von Cannabis/Marihuana mit höhe-rer ∆9-THC-Dosierung beeinträchtigt sein könnte.WECKOWICZ et al. (1975) fanden ebenfalls in einernicht hinreichend gut kontrollierten Studie Hinwei-se auf eine Beeinträchtigung des Abstraktionsver-

mögens. Dabei war das Abstrahieren von Musternin einer Buchstabenfolge bzw. deren Übertragungauf eine Zahlenfolge unmittelbar nach dem Rau-chen von Marihuana mit 2 oder 4 mg ∆9-THC sig-nifikant beeinträchtigt (WECKOWICZ et al., 1975).Insgesamt gibt es zwar Hinweise auf eine Beein-trächtigung des Abstraktionsvermögens nach aku-tem Cannabiskonsum bei Gelegenheitskonsumen-ten, die Anzahl der mindestens hinreichend gutkontrollierten Befunde zu den Effekten auf die ko-gnitive Leistung der Abstraktion ist aber gegenwär-tig noch zu gering und zu uneinheitlich, um sichereAussagen machen zu können.

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Tab. 11: Kognitive Leistungen nach akutem Cannabiskonsum (geraucht) bei Gelegenheitskonsumenten in Abhängigkeit von derverabreichten THC-Dosis. Die angegebenen Leistungsunterschiede vs. Placebo-Bedingung beruhen auf den Ergebnissender jeweils verwendeten statistischen Tests (↑/↓) signifikant verbessert/verschlechtert; --- nicht signifikant verändert). DieEbene der Fahrzeugführung, für die eine Leistung relevant ist, wurde mit S: Stabilisierung, B: Bahnführung oder N: Navi-gation ausgewiesen. Studienqualität: gut kontrollierte Studie (++++ und +++); hinreichend kontrollierte Studie (++ und +)

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Abstraktion

Visuelle Muster abstrahieren B 6.9 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

Visuelle Muster abstrahieren B 13.6 mg 0 min ↓ + KLONOFF et al. (1973)

Visuelle Muster abstrahieren B 19 mg 0 min --- +++ BLOCK et al. (1992)

Zeitliches Muster erkennen B 20 mg 26 min ↓ ++ KELLY et al. (1993)

Zeitliches Muster erkennen B 35 mg 26 min ↓ ++ KELLY et al. (1993)

Mentale Flexibilität

Wortassoziationen bilden B 10.7 mg 15 min --- ++ HOOKER & Jones (1987)

Alternative Nutzung B 15 mg 0 min ↓ ++ CARLIN et al. (1972)

Wortassoziationen bilden B 19 mg 0 min ↓ +++ BLOCK et al. (1992)

Verbale Fähigkeiten

Text lesen B 10 mg 35 min ↓ + MANNO et al. (1970)

Text lesen (rückwärts) B 10 mg 35 min _ + MANNO et al. (1970)

Logisches Denken

Problemlösen N 15.6 mg 0 min --- +++ FANT et al. (1998)

Mentale Rotation N 15.6 mg 0 min --- +++ FANT et al. (1998)

Mentale Rotation N 20 mg 26 min _ ++ KELLY et al. (1993)

Mentale Rotation N 25.1 mg 0 min --- +++ FANT et al. (1998)

Problemlösen N 25.1 mg 0 min --- +++ FANT et al. (1998)

Mentale Rotation N 35 mg 26 min ↓ ++ KELLY et al. (1993)

Arithmetik

Addition N 0.003 mg/kg > 5 min --- + EVANS et al. (1973)

Serielle Addition N 0.003 mg/kg > 5 min --- + EVANS et al. (1973)

Addition N 0.006 mg/kg > 5 min --- + EVANS et al. (1973)

Serielle Addition N 0.006 mg/kg > 5 min --- + EVANS et al. (1973)

Addition N 0.009 mg/kg > 5 min --- + EVANS et al. (1973)

Serielle Addition N 0.009 mg/kg > 5 min --- + EVANS et al. (1973)

Zählen (vorwärts) N 10 mg 35 min ↓ + MANNO et al. (1970)

Zählen (rückwärts) N 10 mg 35 min --- + MANNO et al. (1970)

Subtraktion N 10 mg 35 min ↓ + MANNO et al. (1970)

Serielle Subtraktion N 10 mg 35 min --- + MANNO et al. (1970)

Addition N 10 mg 35 min --- + MANNO et al. (1970)

Serielle Addition N 10 mg 35 min ↓ + MANNO et al. (1970)

Addition/Subtraktion N 20 mg 26 min ↓ ++ KELLY et al. (1993)

Addition/Subtraktion N 35 mg 26 min ↓ ++ KELLY et al. (1993)

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Bisher noch relativ klein ist auch die Anzahl dermindestens hinreichend gut kontrollierten Studienzur mentalen Flexibilität nach Cannabiskonsum.HOOKER & JONES (1987) konnten 15 Minutennach dem Rauchen von Marihuana mit 10,7 mg ∆9-THC keine signifikante Beeinträchtigung der men-talen Flexibilität in einem Test zur Bildung von Wortassoziationen finden. Bei höheren Dosierun-gen ∆9-THC konnten dagegen signifikante Defizitein der mentalen Flexibilität beobachtet werden.CARLIN et al. (1972) fanden signifikante Defiziteunmittelbar nach dem Rauchen von Marihuana mit15 mg ∆9-THC in einem Test zur alternativen Nut-zung von Gegenständen. BLOCK et al. (1992) fan-den signifikante Defizite unmittelbar nach demRauchen von Marihuana mit 19 mg ∆9-THC beimBilden von Wortassoziationen.

BORG et al. (1975) untersuchten in einer Studie,die aufgrund der mangelnden Nachvollziehbarkeitder vorgenommenen statistischen Auswertungnicht als hinreichend gut kontrolliert bewertetwurde, das Bilden von Wortassoziationen nachdem Rauchen von Marihuana mit 0,07, 0,13, 0,19und 0,25 mg/kg ∆9-THC. Auch diese Studie er-brachte Hinweise auf eine Leistungsverschlechte-rung nach dem Marihuanarauchen. BidirektionaleEffekte des Rauchens von Marihuana mit 2 oder 4mg ∆9-THC fanden WECKOWICZ et al. (1975) indrei Tests zur mentalen Flexibilität. Unmittelbarnach dem Rauchen führte eine Dosis von 2 mg ∆9-THC zu einer leichten Verbesserung in Tests zumalternativen Nutzen von gezeigten Objekten oderbei der Anordnung einfacher geometrischer Figu-ren bzw. in einem Test, in dem möglichst viele Konsequenzen einer verbal präsentierten Ge-schichte entwickelt werden sollten. Alle drei Testswaren nach 4 mg ∆9-THC gegenüber Placeboleicht verschlechtert. Obwohl eine Vielzahl statisti-scher Einzelvergleiche angegeben wird, sind dieAngaben über signifikante Gruppenunterschiedenur schwer nachvollziehbar (WECKOWICZ et al.,1975). Auch wenn sich für die mentale Flexibilitätinsgesamt eine signifikante Beeinträchtigung nachdem Rauchen von Cannabis/Marihuana abzeich-net, kann diese aufgrund der bisher noch nichtausreichenden Datenbasis nicht als konsistentnachgewiesen angesehen werden.

Zu den verbalen Fähigkeiten nach dem Rauchenvon Cannabis gibt es bisher erst eine hinreichendgut kontrollierte Studie. MANNO et al. (1970) be-richten darin signifikante Defizite bei der Analyseeines Textes 35 Minuten nach dem Rauchen von

Marihuana mit 10 mg ∆9-THC. HIGGINS & STIT-ZER (1986) berichten in einer nicht hinreichend gutkontrollierten Studie nach dem Rauchen von Mari-huana mit 25,56 mg ∆9-THC, aber nicht nach Do-sierungen von 8,1, 9,09 und 16,56 mg ∆9-THC,eine signifikante Verringerung der quantitativenSprachproduktion innerhalb von 60 Minuten nachdem Rauchen. Auch für die verbalen Fähigkeitenberichten WECKOWICZ et al. (1975) bidirektionaleEffekte des Rauchens von Marihuana mit 2 oder 4mg ∆9-THC. Unmittelbar nach dem Rauchen führ-te eine Dosis von 2 mg ∆9-THC zu einer deutlichenVerbesserung der Wortflüssigkeit, die nach 4 mg∆9-THC gegenüber Placebo jedoch verschlechtertist. Inferenzstatistisch ist dieser Effekt jedoch nurschwer nachzuvollziehen (WECKOWICZ et al.,1975). Hinweise auf eine Beeinträchtigung derSprachqualität nach dem Rauchen von Marihuanamit 18 mg ∆9-THC ergab bereits eine frühe, abernur unzureichend kontrollierte Studie von WEIL &ZINBERG (1969). Insgesamt reicht die Anzahl dermindestens hinreichend gut kontrollierten Befundenoch nicht aus, um eine eindeutige Aussage überden Effekt des Cannabisrauchens auf die verbalenFähigkeiten zu machen.

Nur relativ wenige neuropsychologische Leistun-gen, die für das Führen eines Fahrzeugs relevantsind, können ausschließlich der Ebene der Naviga-tion zugeordnet werden. Dazu gehören das logi-sche Denken und die arithmetischen Fähigkeiten(Tabelle 11). Das logische Denken wurde bisher nurin wenigen Studien nach dem Rauchen von Can-nabis bei Gelegenheitskonsumenten untersucht. Ineiner gut kontrollierten Studie konnten FANT et al.(1998) keine signifikanten Defizite in zwei Aufgabenzum logischen Denken unmittelbar nach dem Rau-chen von Marihuana mit entweder 15,6 oder 25,1mg ∆9-THC finden. In einer lediglich hinreichendgut kontrollierten Studie konnten dagegen KELLYet al. (1993) signifikante Defizite beim logischenDenken 26 Minuten nach dem Rauchen von Mari-huana mit 20 und mit 35 mg ∆9-THC zeigen. Eineweitere, ebenfalls nicht hinreichend kontrollierteStudie bestätigte die Ergebnisse von FANT et al.(1998). PEARL et al. (1973) konnten darin 20 Minu-ten nach dem Rauchen von Marihuana mit < 4,5mg oder < 8,7 mg ∆9-THC keine Hinweise auf eineBeeinträchtigung der Problemlösefähigkeiten fin-den. Bidirektionale Effekte des Rauchens von Ma-rihuana mit 2 oder 4 mg ∆9-THC fanden WECKO-WICZ et al. (1975) in einem Test zum logischenDenken. Unmittelbar nach dem Rauchen führte

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eine Dosis von 2 mg ∆9-THC zu einer leichten Ver-besserung, während das Rauchen von Marihuanamit 4 mg ∆9-THC zu einer deutlichen Verschlechte-rung führte. Die Angaben über statistisch signifi-kante Gruppenunterschiede sind in dieser als nichthinreichend gut bewerteten Studie allerdings nurschwer nachvollziehbar (WECKOWICZ et al.,1975). Eindeutige Aussagen sind auch in dieser ko-gnitiven Leistung beim derzeitigen Stand des Wis-sens noch nicht möglich. CHAIT & PERRY (1994)konnten in einer Studie, die wegen der fehlendenAngabe einer absolut verabreichten ∆9-THC-Menge nicht als hinreichend gut kontrolliert einge-stuft werden kann, keine signifikanten Defiziten ineiner Aufgabe zum Problemlösen finden. Getestetwurde die Leistung 75 Minuten nach dem Rauchenvon Marihuana mit 3,6 % ∆9-THC, zweimal im Ab-stand von zwei Stunden (insgesamt: 8 Züge). Diearithmetischen Fähigkeiten sind bisher in drei ver-schiedenen, hinreichend gut kontrollierten Studienuntersucht worden. Dabei fand eine der drei Studi-en keine Hinweise auf signifikante Beeinträchtigun-gen in Aufgaben zur Addition und zur seriellen Ad-dition mehr als 5 Minuten nach dem Rauchen vonMarihuana mit 0,003, 0,006 und 0,009 mg/kg ∆9-THC (EVANS et al., 1973). Diese Dosierungen sindallerdings im Hinblick auf die psychotropen Effektevon Cannabis als sehr niedrig zu bewerten, was dieAussagekraft der Studie deutlich einschränkt. Beieiner höheren Dosierung von 10 mg∆9-THC tratenerste Defizite in der Arithmetik auf. MANNO et al.(1970) konnten 35 Minuten nach dem Rauchen sig-nifikante Defizite beim Vorwärtszählen, bei derSubtraktion und bei der seriellen Addition nachwei-sen. Keine Defizite traten dagegen nach dieserDosis beim Rückwärtszählen, bei der seriellenSubtraktion und bei der Addition auf. Bei höherenDosierungen fanden KELLY et al. (1993) 26 Minutennach dem Rauchen von Marihuana mit 20 und mit35 mg ∆9-THC ebenfalls signifikante Defizite inTests zur Addition und zur Subtraktion. Hinweiseauf beeinträchtigte arithmetische Fähigkeiten wur-den zudem in einer Pilotstudie von HEISHMAN etal. (1990) an 3 Versuchspersonen nach dem Rau-chen von Marihuana mit 2,57 % ∆9-THC gefunden.Diese Studie muss aufgrund der geringen Ver-suchspersonenanzahl und der fehlenden statisti-schen Auswertung jedoch als nicht hinreichend gutkontrolliert bewertet werden. Obwohl die Hinweiseauf signifikante Defizite in arithmetischen Leistun-gen nach dem Rauchen von Cannabis mit anstei-gender ∆9-THC-Dosis häufiger werden, ist bei derInterpretation der Daten dennoch Vorsicht gebo-

ten. Letztlich beruhen alle bisher bekannten signifi-kanten Befunde auf lediglich zwei Studien, die be-züglich der Beschreibung der Effekte auch nur vonhinreichend guter Qualität sind. Weitere Studienmüssen auch für die arithmetischen Leistungenerst noch abgewartet werden.

Einige neuropsychologische Leistungen könnenweder der Ebene der Stabilisierung noch den Ebe-nen der Bahnführung oder der Navigation direktzugeordnet werden. Um das zu erwartendeStörungsbild bei Gelegenheitskonsumenten nachdem Rauchen von Cannabis so vollständig wiemöglich darzustellen, soll dennoch eine kurze Be-schreibung dieser Effekte gegeben werden. Eineder Leistungen, die zum Fahren eines Fahrzeugesnicht unmittelbar benötigt werden, ist die taktileWahrnehmung, d. h. das Wahrnehmen von Formendurch Berührung (Tabelle 7). KLONOFF et al. (1973)konnten in einer hinreichend gut kontrollierten Stu-die zeigen, dass die Wahrnehmung eines taktilenMusters unmittelbar nach dem Rauchen von Mari-huana mit 7,3 oder 13,6 mg ∆9-THC signifikant be-einträchtigt ist. Eine signifikante Beeinträchtigungin der taktilen Formendiskrimination fanden auchMacCANNELL et al. (1977) 15 Minuten nach demRauchen von Marihuana mit 7,8 mg ∆9-THC. Aufder Seite der Motorik wurde zudem die motorischeGeschwindigkeit, die sich klar von der Reaktions-zeit bei einer schnellen motorischen Reaktion ab-grenzen lässt, über einen längeren Zeitraum unter-sucht (Tabelle 9). Bei Dosierungen von 6 mg und7,2 mg ∆9-THC fanden MILSTEIN et al. (1975) undKLONOFF et al. (1973) 15 Minuten bzw. unmittel-bar nach dem Rauchen von Marihuana keine signi-fikante Beeinträchtigung der motorischen Ge-schwindigkeit. Eine signifikante Verringerung dermotorischen Geschwindigkeit wurde dagegen un-mittelbar nach dem Rauchen von Marihuana mit13,6 mg ∆9-THC beim Fingertippen und in einer vi-sumotorischen Aufgabe, jedoch nicht beim Fußtip-pen gemessen (KLONOFF et al., 1973). Auch dieStandfestigkeit spielt als eine motorische Leistungbei der unmittelbaren Fahrzeugführung nur eineuntergeordnete Rolle, da die Fahrzeugführung inder Regel im Sitzen stattfindet. EVANS et al. (1973)untersuchten die Standfestigkeit 5 Minuten nachdem Rauchen von Marihuana mit einer Dosis von0,003, 0,006 oder 0,009 mg/kg ∆9-THC. Dabeiwaren keine signifikanten Defizite nachweisbar. Ineiner aus mehreren Einzelexperimenten bestehen-den Studie untersuchte ROBBE (1994) die Stand-festigkeit 30 und 195 Minuten nach dem Rauchen

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von Marihuana. Dabei zeigte sich eine signifikanteBeeinträchtigung der Standfestigkeit 30 Minutennach dem Rauchen bei Dosierungen von 0,1, 0,2und 0,3 mg/kg ∆9-THC. Nach insgesamt 195 Mi-nuten war bei keiner der drei Dosierungen eine Be-einträchtigung mehr festzustellen (ROBBE, 1994).In einer nicht hinreichend gut kontrollierten Studievon CHAIT & PERRY (1994) wurden jedoch 75 Mi-nuten nach dem Rauchen von Marihuana mit 3,6 %∆9-THC keine signifikanten Effekte auf die Stand-festigkeit gefunden. Insgesamt ergeben die zusätz-lich untersuchten neuropsychologischen Leistun-gen zwar Hinweise auf zusätzliche nicht-fahrrele-vante Defizite, aber auch hier ist die Datenbasismomentan noch zu dünn, um einzelne konsistentbeeinträchtigte Leistungen isolieren zu können.

Fazit

Allgemein muss festgestellt werden, dass zur Kon-sumsituation des akuten Cannabisrauchens beiGelegenheitskonsumenten eine große Anzahl ver-schiedenartiger Studien vorliegt, die neuropsycho-logische Einzelleistungen auf allen drei Ebenen derFahrzeugführung betrachten. Der überwiegendeTeil dieser Studien kann als mindestens hinrei-chend gut kontrolliert angesehen und auch inter-pretiert werden. Eine Zusammenfassung konsis-tent nachgewiesener Defizite in den neuropsycho-logischen Einzelleistungen und bezogen auf die je-weilige Ebenen der Fahrzeugführung findet sich inTabelle 13. Auf der Ebene der Stabilisierung wur-den unmittelbar und für eine Zeitdauer von bis zu25 Minuten nach dem Rauchen von Cannabis De-fizite in der Zeitwahrnehmung konsistent nachge-wiesen. Angesichts der relativ breiten Datenbasiskann von einem Beginn der Defizite in der Zeit-wahrnehmung ab einer Dosis von etwa 12 mg ∆9-THC ausgegangen werden. Diese Defizite sindauch bei höheren Dosierungen für bis zu mindes-tens 25 Minuten nach Konsum nachgewiesen. Wei-terhin kann anhand der oben definierten Kriterienvon konsistent nachgewiesenen Defiziten in der vi-suellen Wahrnehmung nach dem Rauchen vonCannabis bei Gelegenheitskonsumenten ausge-gangen werden. Aufgrund der Verschiedenheit dereinzelnen Tests zur visuellen Wahrnehmung undder starken Streuung der signifikanten Effekte übereinen großen Dosisbereich ist die Bestimmungeiner kritischen Dosis beim derzeitigen Kenntnis-stand jedoch noch nicht mit hinreichender Sicher-heit möglich. Die Dauer dieser Defizite ist bis zumindestens 30 Minuten nach dem Rauchen nach-

gewiesen. Zu den Effekten von Cannabis auf dieauditorische Wahrnehmung liegen gegenwärtig nursehr wenige hinreichend gut kontrollierte Befundevor, weshalb bisher nicht von konsistent nachge-wiesenen Defiziten ausgegangen werden kann. In-nerhalb der Aufmerksamkeitsleistungen wurdenDefizite nach dem Rauchen von Cannabis im Be-reich der selektiven Aufmerksamkeit konsistentnachgewiesen. Die Defizite in der selektiven Auf-merksamkeit sind ab einer Dosis von etwa 11 mg∆9-THC in einem Zeitraum von bis zu mindestens15 Minuten nach dem Rauchen zu erwarten. Diehinreichend gut kontrollierten Befunde zu den Ef-fekten des Cannabisrauchens auf die geteilte unddie dauerhafte Aufmerksamkeit bei Gelegenheits-konsumenten sind derzeit noch zu uneinheitlichund zu lückenhaft, um bereits von konsistenten De-fiziten sprechen zu können. In diesem Bereichmüssen für fundierte Aussagen erst noch weitereForschungen abgewartet werden. Basierend aufeiner relativ breiten Datenbasis kann weiterhin miteiniger Sicherheit davon ausgegangen werden,dass das Rauchen von Cannabis in Dosierungenbis zu 28,4 mg ∆9-THC nicht zu einer signifikantenBeeinträchtigung der Reaktionszeit führt. Dagegenzeigen die mindestens hinreichend gut kontrollier-ten Experimente, dass man nach dem Rauchenvon Cannabis von einer konsistent nachgewiese-nen Beeinträchtigung der Feinmotorik ausgehenkann. Diese ist bereits ab einer Dosis von 6 mg ∆9-THC zu beobachten und für eine Dauer von min-destens 130 Minuten nach dem Rauchen persis-tent. Obwohl es Hinweise auf Beeinträchtigungender Augenfolgebewegungen bei hohen Dosierun-gen ∆9-THC gibt, kann angesichts der negativenBefunde bei mittleren und geringen Dosierungenbisher nicht von einer konsistent nachgewiesenenBeeinträchtigung der Augenfolgebewegung nachdem Rauchen von Cannabis ausgegangen werden.

Auf Ebene der Bahnführung kann man aufgrundeiner breiten Datenbasis von konsistent nachge-wiesenen Defiziten in der visumotorischen Koordi-nation nach dem Rauchen von Cannabis/Marihua-na ausgehen. Defizite sind dabei ab einer Dosie-rung von 12 mg ∆9-THC bis zu mindestens 25 Mi-nuten nach dem Rauchen zu beobachten. Die min-destens hinreichend gut kontrollierten Studiensprechen dagegen nicht für eine konsistent auftre-tende Beeinträchtigung im Tracking nach demRauchen von Cannabis/Marihuana bei Konzentra-tionen von bis zu 24 mg ∆9-THC. Aufgrund der re-lativ großen Zahl hinreichend gut kontrollierter Stu-

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dien zum Kurzzeitgedächtnis muss nach dem Rau-chen von Marihuana/Cannabis weiterhin mit konsis-tent nachgewiesenen Defiziten im Bereich des ver-balen Kurzzeitgedächtnisses gerechnet werden.Die Defizite waren bereits ab einer Dosis von 0,025mg/kg ∆9-THC bis zu mindestens 26 Minuten nachdem Rauchen nachweisbar. Für das visuelle und vi-suell-räumliche Kurzzeitgedächtnis gibt es zwarHinweise für eine Beeinträchtigung bei höherenDosierungen von ∆9-THC; um von konsistentnachgewiesenen Defiziten sprechen zu können,bedarf es aber erst noch weiterer Untersuchungen.Im Gegensatz zum Kurzzeitgedächtnis kann ge-genwärtig nicht von konsistent nachgewiesenenBeeinträchtigungen des Langzeitgedächtnissesnach dem Rauchen von Marihuana/Cannabis ineiner Dosis von bis zu 15 mg ∆9-THC in einemZeitraum von 0 bis 50 Minuten nach dem Rauchenausgegangen werden. Die vereinzelt unter demEinfluss von Cannabis beobachteten Defizite beimAbruf aus dem verbalen Langzeitgedächtnis, wennvorher ebenfalls unter Cannabiseinfluss gelerntworden war, rühren wahrscheinlich von den konsis-tent nachgewiesenen Defiziten im verbalen Kurz-zeitgedächtnis her. Ist die Information dagegennormal, d. h. im Cannabis-freien Zustand, im Kurz-zeitgedächtnis verarbeitet und später konsolidiertworden, gibt es keine Hinweise auf Defizite beimAbruf aus dem Langzeitgedächtnis. Im Bereich derkognitiven Leistungen, die zur Bahnführung erfor-derlich sind, stützen die mindestens hinreichendgut kontrollierten Befunde die Annahme, dass dieMustererkennung als kognitive Leistung nach demRauchen von Cannabis/Marihuana mit höherer ∆9-THC-Dosierung beeinträchtigt ist. Aufgrund dergeringen Anzahl der Untersuchungen zu dieser Leistung kann jedoch noch nicht von konsistentnachgewiesenen Defiziten gesprochen werden.Auch die Anzahl der Befunde zu den Effekten desakuten Cannabisrauchens bei Gelegenheitskonsu-menten auf die kognitive Leistung der Abstraktionist noch zu gering und zu uneinheitlich, um sicherAussagen über mögliche Beeinträchtigungen ma-chen zu können. Auch wenn sich für die kognitivenLeistungen der mentalen Flexibilität und der verba-len Fähigkeiten jeweils signifikante Beeinträchti-gungen nach dem Rauchen von Cannabis/Mari-huana abzeichnen, können diese aufgrund der bis-her noch nicht ausreichenden Datenbasis nicht alskonsistent nachgewiesen angesehen werden.

Auf der Ebene der Navigation wurden verschiede-ne kognitive Einzelleistungen untersucht. Eindeuti-

ge Aussagen über die Problemlösefähigkeiten sindbeim derzeitigen Stand des Wissens noch nichtmöglich. Obwohl die Hinweise auf signifikante De-fizite in den arithmetischen Leistungen nach demRauchen von Cannabis mit ansteigender ∆9-THC-Dosis häufiger werden, ist bei der Interpretation derDaten Vorsicht geboten. Die bisher bekannten sig-nifikanten Befunde beruhen lediglich auf zwei un-terschiedlichen Studien, die bezüglich der Be-schreibung der Effekte auch nur von hinreichendguter Qualität sind. Weitere Studien müssen auchfür die arithmetischen Leistungen erst noch abge-wartet werden.

Insgesamt wurden für die Konsumsituation desGelegenheitskonsumenten nach akutem Canna-biskonsum (geraucht) für vier verschiedene neu-ropsychologische Leistungen auf Ebene der Stabi-lisierung und für zwei auf Ebene der Bahnführungkonsistent signifikante Beeinträchtigungen nach-gewiesen. Auf der Ebene der Navigation kann indieser Konsumsituation bisher für keine neuropsy-chologische Leistung von einer konsistent nachge-wiesenen Beeinträchtigung ausgegangen werden.Die für Cannabiseffekte sensitivste Leistung ist indieser Konsumsituation das verbale Kurzzeitge-dächtnis, das bereits ab einer Dosis von 0,025mg/kg ∆9-THC beeinträchtigt ist. Dem folgen dieFeinmotorik mit einem kritischen Wert von 6 mg∆9-THC, die selektive Aufmerksamkeit, die Zeit-wahrnehmung und die visumotorische Koordina-tion mit Werten von 11 und 12 mg ∆9-THC. Die vi-suelle Wahrnehmung ist ebenfalls konsistent be-einträchtigt, eine kritische Dosis dafür lässt sichaber gegenwärtig nicht angeben. An dieser Stellemuss aber kritisch angemerkt werden, dass für dieneuropsychologischen Leistungen, die als konsis-tent beeinträchtigt identifiziert werden konnten,kaum vollständige Angaben über den zeitlichenVerlauf der Defizite existieren. Zumeist fehlen inden vorliegenden Studien die Messzeitpunkte, zudenen die THC-induzierten Defizite wieder abklin-gen. Eine Verlaufskurve der Verhaltensdefizite nachakutem Marihuanarauchen bei Gelegenheitskonsu-menten kann derzeit nicht mit hinreichender Si-cherheit angegeben werden.

Die so identifizierten Befunde unterscheiden sichauf den ersten Blick deutlich von den Angaben derMetaanalyse von BERGHAUS et al. (1998a) bzw.SCHEER-ERKENS (2002). Eine Vergleichbarkeit istallerdings auch nur bedingt gegeben, da in denMetaanalysen dieser Autoren keine einzelnen Kon-sumsituationen abgegrenzt und separat untersucht

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wurden, sondern eher ein allgemeiner Überblick ge-geben wurde. Weiterhin wurden zwar Aufnahmekri-terien für die Einzelstudien definiert, diese unter-schieden sich aber besonders bei der Bewertungder Teststatistiken innerhalb der berücksichtigtenStudien von den hier verwendeten Kriterien. Insge-samt kann davon ausgegangen werden, dass dasVorgehen in diesen Metaanalysen die Effekte desCannabiskonsums auf einzelne neuropsychologi-sche Leistungen wahrscheinlich stark überschätzt(s. EARLEYWINE, 2002). Diese Einschätzung wirdauch durch die starke Divergenz der Befunde vonden Realfahrtstudien unterstützt. Die Ergebnisse derÜberblicksarbeit von SOLOWIJ (1998) stimmen da-gegen eher mit den hier gefundenen Beeinträchti-gungen überein. SOLOWIJ (1998) konstatiert in ihrerArbeit Cannabis-induzierte Defizite in der Zeitwahr-nehmung, der dauerhaften und geteilten Aufmerk-samkeit, bei der Feinmotorik, in der visumotorischenKoordination, beim verbalen Kurzzeitgedächtnis, beiarithmetischen Leistungen und in der visuellen Ima-gination. Allerdings nimmt SOLOWIJ (1998) eben-falls keine Unterscheidung nach verschiedenenKonsumsituationen vor. Auch eine Bewertung derunterschiedlichen Studien nach deren Qualität unddamit eine Gewichtung der Aussagekraft werdenvon SOLOWIJ (1998) nicht durchgeführt.

Bedeutung für die Fahrtüchtigkeit

Nachdem innerhalb einer Bottom-up-Analyse dereinzelnen neuropsychologischen Leistungen jeneidentifiziert wurden, für die konsistent eine Beein-trächtigung nach akutem Cannabisrauchen bei Ge-legenheitskonsumenten nachgewiesen wurde, stelltsich die Frage der Relevanz für die Fahrtüchtigkeit.Die bei der niedrigsten kritischen ∆9-THC-Dosiskonsistent beeinträchtigte Leistung ist das verbaleKurzzeitgedächtnis. Diese Leistung wird beimFühren eines Fahrzeuges benötigt, wenn Verkehrs-schilder mit verbaler Information (z. B. Geschwin-digkeitsbegrenzungen, Ortsschilder etc.) für kurzeZeit im Gedächtnis behalten werden müssen, umdarauf reagieren zu können. Die Beeinträchtigun-gen im verbalen Kurzzeitgedächtnis sind zwar kon-sistent nachgewiesen, die Stärke der Effekte ist al-lerdings relativ gering. Bezüglich dieser Leistungkann davon ausgegangen werden, dass die Leis-tungsgrenze, d. h. die maximale Kurzzeitgedächt-niskapazität, beim Führen eines Fahrzeuges in derRegel nicht ausgeschöpft wird. Zudem handelt essich um ein Leistungsdefizit, das auf der Interakti-onsebene mit anderen Leistungen durchaus kom-

pensierbar ist, z. B. durch lautes oder stilles Wie-derholen von verbaler Information. Auch eine relati-ve Einschränkung der Fahrtüchtigkeit nach demRauchen von Cannabis mit ~2 mg ∆9-THC, der kri-tischen Dosis für das Auftreten von Defiziten im ver-balen Kurzzeitgedächtnis, erscheint damit eher un-wahrscheinlich. Die kritische Dosis für eine Beein-trächtigung der Feinmotorik ist 6 mg ∆9-THC. DieFeinmotorik ist eine für die Fahrzeugführung we-sentliche Leistung, die im Gegensatz zum verbalenKurzzeitgedächtnis fast permanent benötigt wird.Defizite in der Feinmotorik sind zudem nur bedingtdurch andere Leistungen, wie z. B. erhöhte Auf-merksamkeit, zu kompensieren. Eine Beeinträchti-gung der Feinmotorik kann damit als Indikator füreine relative Einschränkung der Fahrtüchtigkeit an-gesehen werden, von der in dieser Konsumsituationab einer konsumierten ∆9-THC-Menge von 6 mgund einer Dauer von bis zu 130 Minuten nach demKonsum ausgegangen werden kann. Defizite solltensich dann besonders in Verkehrssituationen mithoher feinmotorischer Anforderung, wie z. B. beiengen Fahrbahnverhältnissen, beim Einparken etc.,äußern. Ab einer gerauchten ∆9-THC-Menge von 11mg ∆9-THC wurden konsistent Defizite für die se-lektive Aufmerksamkeit nachgewiesen, eine Leis-tung, mittels derer Defizite in der Feimotorik kom-pensiert werden könnten. Ab einer Dosis von 12 mg∆9-THC erscheinen zudem die visumotorische Ko-ordination und die Zeitwahrnehmung konsistent be-einträchtigt. Insbesondere das Zusammenspiel die-ser Beeinträchtigungen kann als Indikator für einedeutliche Einschränkung Fahrtüchtigkeit nach demRauchen von Cannabis mit 12 mg ∆9-THC für eineDauer von mindestens 25 Minuten bei Gelegen-heitskonsumenten gelten. Das Zusammenwirkenvon Defiziten in der selektiven Aufmerksamkeit undder visumotorischen Koordination schränkt dieKompensierbarkeit auf Ebene der Leistungsinterak-tion deutlich ein. Defizite sollten deshalb besondersin Situationen mit hoher Anforderung an sowohl dieselektive Aufmerksamkeit als auch an die visumoto-rische Koordination und Feinmotorik sichtbar wer-den. Solche Verkehrssituationen umfassen zum Bei-spiel das Reagieren auf eine unerwartete Verkehrs-situation mit einer motorischen Antwort, für die eswenig Spielraum gibt (Ausweichmanöver, Abbiegenetc.). Da auch noch Defizite im verbalen Kurzzeitge-dächtnis vorliegen, sollten auch Verkehrssituationenbetroffen sein, in denen innerhalb eines kurzen Zeit-raums selektiv auf verbale Information durch Fahr-manöver mit begrenztem Spielraum reagiert werdenmuss. Eine solche Situation tritt zum Beispiel bei

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komplexer Fahrspurführung im Innenstadtbereichoder auf Autobahnabfahrten auf, die nur durch eineAnalyse verbaler Information auf Verkehrszeichenerfolgreich bewältigt werden kann.

4.1.3.2.2 Leistungen nach dem oralen Konsumvon Cannabis

Neben den Effekten des Marihuanarauchens sindauch die Effekte oralen Cannabiskonsums bei Ge-legenheitskonsumenten auf den verschiedenenEbenen der Fahrzeugführung untersucht worden.

Stabilisierung

Verschiedene Studien untersuchten die Zeitwahr-nehmung nach dem oralen Cannabiskonsum beiGelegenheitskonsumenten in einem Zeitintervall von90 bis 115 Minuten nach der Einnahme (Tabelle 12).Nach der Verabreichung von Cannabis mit 7,5 oder8 mg ∆9-THC wurden 100 bzw. 115 Minuten späterkeine signifikanten Beeinträchtigungen in der Zeit-wahrnehmung berichtet (BECH et al., 1973; McDO-NALD et al., 2003). Erst Cannabis mit einer Dosisvon 12 mg ∆9-THC führte 115 Minuten nach oralerEinnahme zu einem signifikanten Defizit in der Zeit-wahrnehmung (BECH et al., 1973). Ähnlich wie nachdem Rauchen von Cannabis wird auch nach oralerEinnahme die vergangene Zeitspanne überschätzt.Auch nach dem oralen Konsum von Cannabis mithöheren Dosierungen von 15, 16 und 25 mg ∆9-THCwurden 100, 115 bzw. 90 Minuten nach der Einnah-me signifikante Defizite in der Zeitwahrnehmung ge-funden (BECH et al., 1973; KARNIOL et al., 1975;McDONALD et al., 2003). Keine signifikanten Defizi-te bei der Zeitwahrnehmung konnten jedochHOSKO et al. (1973) 1, 2, 3 oder 12 Stunden nachder oralen Einnahme von 0,2 oder 0,3 mg/kg ∆9-THC einer nicht hinreichend gut kontrollierten Studiefinden. Das in dieser Aufgabe zu schätzende Zeitin-tervall einer Ton- oder Lichtpräsentation betrug je-doch nur 1 bis 5 Sekunden, was für die Manifestie-rung von Defiziten in einem statistisch abgesicher-ten Rahmen möglicherweise zu kurz war. Insgesamtkann aber von einem konsistent nachgewiesenenDefizit in der Zeitwahrnehmung nach dem oralenKonsum von Cannabis bei Gelegenheitskonsumen-ten in einem Zeitintervall von 90 bis 115 Minutennach Einnahme ausgegangen werden. Die kritischeDosis, ab der diese Defizite nachweisbar waren, be-trug dabei 12 mg ∆9-THC.

Die visuelle Wahrnehmung wurde mittels verschie-dener Testverfahren nach dem oralen Konsum von

Cannabis bei Gelegenheitskonsumenten unter-sucht. Hundertfünfzehn Minuten nach dem Kon-sum von Cannabis mit 8 mg ∆9-THC konntenBECH et al. (1973) keine signifikante Beeinträchti-gung bei der Abschätzung einer gefahrenen Dis-tanz im Fahrsimulator feststellen. Der orale Kon-sum von Cannabis mit 12 oder 16 mg ∆9-THChatte nach dieser Latenzzeit jedoch eine signifikan-te Beeinträchtigung dieser Leistung zur Folge. DieDistanzen wurden dabei generell überschätzt(BECH et al., 1973). Ein solches Maß ist allerdingsbezüglich der visuellen Wahrnehmung mit Vorsichtzu betrachten, da die Schätzung einer gefahrenenDistanz nicht nur eine visuelle Komponente bein-haltet, sondern auch eine zeitliche. Die oben be-schriebenen konsistent nachgewiesenen Defizite inder Zeitwahrnehmung könnten somit die eigentlichUrsache für die Defizite im komplexeren Maß derDistanzschätzung nach dem Fahren im Fahrsimu-lator sein. Eine andere Studie von PETERS et al.(1976) erbrachte keine Hinweise auf eine signifi-kante Beeinträchtigung der visuellen Wahrneh-mung nach dem oralen Konsum von Cannabis mit0,2, 0,4 oder 0,6 mg/kg ∆9-THC, weder nach 90Minuten im Spiral-Nachbildtest noch nach 150 Mi-nuten beim Detektieren einfacher visueller Stimuli,noch nach 210 Minuten beim Flimmerverschmel-zungstest (PETERS et al., 1976). Beim derzeitigenStand der Erkenntnisse kann insgesamt nicht voneinem konsistenten Nachweis von Defiziten in dervisuellen Wahrnehmung nach oralem Cannabis-konsum bei Gelegenheitskonsumenten ausgegan-gen werden.

Nur eine uns bekannte und hinreichend gut kon-trollierte Studie hat bisher die akuten Effekte oralenCannabiskonsums auf die auditorische Wahrneh-mung untersucht. PETERS et al. (1976) fanden ineiner Aufgabe zur Rhythmusdiskrimination keinesignifikante Beeinträchtigung 90 Minuten nachdem Konsum von Cannabis mit 0,2, 0,4 oder 0,6mg/kg ∆9-THC.

CHESHER et al. (1976) untersuchten Aufmerksam-keitsparameter im Wiener Determinationsgerätnach dem oralen Konsum von Cannabis mit 0,143mg/kg ∆9-THC. Die Autoren fanden dabei signifi-kante Leistungsdefizite 40 Minuten nach der Can-nabiseinnahme, jedoch nicht mehr nach 100 oder140 Minuten (CHESHER et al., 1976). Die Aufmerk-samkeitsleistung wurde zudem in weiteren Studienmit nicht hinreichender Qualität untersucht. RAFA-ELSEN et al. (1973c) fanden in einem Test zur dau-erhaften Aufmerksamkeit 105 Minuten nach der

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oralen Einnahme von Cannabis mit 8, 12 oder 16mg ∆9-THC keine signifikante Beeinträchtigungder Aufmerksamkeitsleistung. Die Aussagekraftdieser Studie wird vor allem dadurch geschwächt,dass Cannabis-naive und Cannabis-erfahrene Ver-suchspersonen bei der Untersuchung vermischtwurden (RAFAELSEN et al., 1973c). In einer Studiezur selektiven Aufmerksamkeit behaupten DITT-RICH et al. (1973), 120 Minuten nach der Einnahmevon Cannabis mit 15 mg ∆9-THC eine signifikanteLeistungsbeeinträchtigung zeigen zu können. Auch in dieser Studie wurden Cannabis-naive undCannabis-erfahrene Versuchspersonen gemischt.Zudem ist die statistische Auswertung nur bedingtnachvollziehbar, weshalb die Schlussfolgerung der Autoren mit Vorsicht zu behandeln ist. Insge-samt liegen bisher noch nicht genug hinreichendgut kontrollierte Studien vor, um von konsistentnachgewiesenen Defiziten in den Aufmerksam-keitsleistungen nach oralen Konsum von Cannabisbei Gelegenheitskonsumenten schließen zu kön-nen.

Im Bereich der Motorik wurde auf Ebene der Stabi-lisierung bisher nur die Reaktionszeit untersucht (Tabelle 12). Weder die einfache Reaktion auf einenvisuellen Stimulus noch die auf einen auditorischenStimulus waren 40, 100 oder 140 Minuten nach demoralen Konsum von Cannabis mit 0,143 mg/kg ∆9-THC signifikant beeinträchtigt (CHESHER et al.,1976). In einer anderen Untersuchung, welche die Reaktionszeit in einer visuellen Wahlreaktions-aufgabe untersuchte, fanden PETERS et al. (1976)dagegen signifikante Beeinträchtigungen der Reak-tionszeit 150 Minuten nach dem oralen Konsum von Cannabis mit 0,2, 0,4 oder 0,6 mg/kg ∆9-THC.BIRD et al. (1980) fanden ein signifikantes Defizit ineinem aus mehreren Einzeltests ermittelten Faktor„Reaktionsgeschwindigkeit” 100 bis 280 Minutennach dem oralen Konsum von 0,215 mg/kg ∆9-THC.Aufgrund der relativ ungewöhnlichen statistischenAuswertung, die unter anderem keine Aussagen zu den einzelnen Messzeitpunkten zulässt, könnendie Ergebnisse dieser Studie jedoch nicht ohne wei-teres mit denen anderer Studien verglichen werden.Da es zu den Effekten auf die Reaktionszeit bisherzu wenige hinreichend gut kontrollierte Studien gibt,die eine signifikante Beeinträchtigung finden, kanngegenwärtig nicht von konsistent nachgewiesenenEffekten ausgegangen werden.

Bahnführung

Neuropsychologische Leistungen auf der Ebeneder Bahnführung sind nach oralem Cannabiskon-sum bei Gelegenheitskonsumenten im Bereich derMotorik, des Gedächtnisses und der kognitivenFähigkeiten durchgeführt wurden (Tabelle 12). Dievisumotorische Koordination wurde in einem Zeit-raum von 30 bis 140 Minuten nach der oralen Ein-nahme von Cannabis untersucht. Verabreichtwurde dabei Cannabis mit einer Dosis von 7,5 mg,0,143 mg/kg, 0,2 mg/kg, 15 mg, 0,4 mg/kg und 0,6mg/kg ∆9-THC. In keinem der Tests zur visumoto-rischen Koordination konnte bisher eine signifikan-te Leistungsbeeinträchtigung nach oralem Canna-biskonsum nachgewiesen werden (CHESHER etal., 1976; PETERS et al., 1976; KIRK & De WIT,1999; McDONALD et al., 2003). BIRD et al. (1980)fanden dagegen in einer nicht hinreichend gut kon-trollierten Studie ein signifikantes Defizit in einemFaktor „psychomotorische Koordination“, der ausmehreren Einzeltests mit hoher Ladung ermitteltwurde. Dieses Defizit ergab sich im Zeitraum von100 bis 280 Minuten nach dem oralen Konsum von0,215 mg/kg ∆9-THC. Aufgrund der relativ unge-wöhnlichen statistischen Auswertung, die unter an-derem keine Aussagen zu den einzelnen Messzeit-punkten zulässt, können die Ergebnisse dieser Stu-die jedoch nicht ohne weiteres mit denen andererStudien verglichen werden. Von einer Beeinträchti-gung der visumotorischen Koordination kann nachoralem Cannabiskonsum bei Gelegenheitskonsu-menten nach dem gegenwärtigen Stand der For-schung aber nicht ausgegangen werden.

Das Folgetracking wurde in einer nicht hinreichendgut kontrollierten Studie von ROTH et al. (1973) anGelegenheitskonsumenten untersucht. Die Autorenreklamieren, nur 30 Minuten nach dem oralen Kon-sum von 20 mg ∆9-THC signifikante Defizite gefun-den zu haben. Diese Defizite äußerten sich jedochnicht in einer signifikant unterschiedlichen mittlerenAbweichung von der Vorgabe, sondern lediglich ineiner unterschiedlichen (Standard-)Abweichung, d.h., nach dem Konsum war die Streuung innerhalbder Behandlungsgruppe signifikant größer gewor-den. In einer nicht hinreichend gut kontrolliertenStudie untersuchten KIELHOLZ et al. (1972) dasTracking und die motorische Geschwindigkeit nachoraler Applikation von 0,3, 0,4 und 0,45 mg/kg ∆9-THC. Da zwischen den einzelnen Dosierungenkeine statistischen Unterschiede auftraten, wurdenalle Behandlungsgruppen gepoolt.

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Tab. 12: Leistungsbeeinträchtigungen nach akutem oralem Cannabiskonsum bei Gelegenheitskonsumenten. Die angegebenenLeistungsunterschiede vs. Placebo-Bedingung beruhen auf den Ergebnissen der jeweils verwendeten statistischen Tests(↑/↓) signifikant verbessert/verschlechtert; --- nicht signifikant verändert). Die Ebene der Fahrzeugführung, für die eine Leistung relevant ist, wurde mit S: Stabilisierung, B: Bahnführung oder N: Navigation ausgewiesen. Studienqualität: gutkontrollierte Studie (++++ und +++); hinreichend kontrollierte Studie (++ und +)

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

SensorikZeitwahrnehmung

Zeitspanne abschätzen S 7.5 mg 100 min --- ++++ McDONALD et al. (2003)

Zeitspanne abschätzen S 8 mg 115 min --- ++ BECH et al. (1973)

Zeitspanne abschätzen S 12 mg 115 min ↓ ++ BECH et al. (1973)

Zeitspanne abschätzen S 15 mg 100 min ↓ ++++ McDONALD et al. (2003)

Zeitspanne abschätzen S 16 mg 115 min ↓ ++ BECH et al. (1973)

Zeitspanne abschätzen S 25 mg 90 min ↓ + KARNIOL et al. (1975)

Visuelle Wahrnehmung

Gefahrene Distance schätzen S 8 mg 115 min --- ++ BECH et al. (1973)

Gefahrene Distance schätzen S 12 mg 115 min ↓ ++ BECH et al. (1973)

Spiral-Nachbilder S 0.2 mg/kg 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)Einfache Stimuli detektieren S 0.2 mg/kg 150 min --- ++ PETERS et al. (1976)Flicker-Fusions-Test S 0.2 mg/kg 210 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Gefahrene Distance schätzen S 16 mg 115 min ↓ ++ BECH et al. (1973)

Spiral-Nachbilder S 0.4 mg/kg 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Einfache Stimuli detektieren S 0.4 mg/kg 150 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Flicker-Fusions-Test S 0.4 mg/kg 210 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Spiral-Nachbilder S 0.6 mg/kg 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Einfache Stimuli detektieren S 0.6 mg/kg 150 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Flicker-Fusions-Test S 0.6 mg/kg 210 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Auditorische Wahrnehmung

Rhythmus diskriminieren S 0.2 mg/kg 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Rhythmus diskriminieren S 0.4 mg/kg 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Rhythmus diskriminieren S 0.6 mg/kg 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

AufmerksamkeitDauerhafte Aufmerksamkeit

Wiener Determinationsgerät S 0.143 mg/kg 40 min ↓ ++ CHESHER et al. (1976)

Wiener Determinationsgerät S 0.143 mg/kg 100 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Wiener Determinationsgerät S 0.143 mg/kg 140 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

MotorikReaktionszeit

Einfache Reaktion (visuell) S 0.143 mg/kg 40 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Einfache Reaktion (auditorisch) S 0.143 mg/kg 40 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Einfache Reaktion (visuell) S 0.143 mg/kg 100 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Einfache Reaktion (auditorisch) S 0.143 mg/kg 100 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Einfache Reaktion (visuell) S 0.143 mg/kg 140 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Einfache Reaktion (auditorisch) S 0.143 mg/kg 140 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Visuelle Wahlreaktionsaufgabe S 0.2 mg/kg 150 min ↓ ++ PETERS et al. (1976)

Visuelle Wahlreaktionsaufgabe S 0.4 mg/kg 150 min ↓ ++ PETERS et al. (1976)

Visuelle Wahlreaktionsaufgabe S 0.6 mg/kg 150 min ↓ ++ PETERS et al. (1976)

visumotorische Koordination

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 7.5 mg 100 min --- ++++ McDONALD et al. (2003)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 7.5 mg 30 min --- +++ KIRK & DE WIT (1999)

Händigkeit B 0.143 mg/kg 40 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Händigkeit B 0.143 mg/kg 100 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Händigkeit B 0.143 mg/kg 140 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Auge-Hand-Koordination B 0.2 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 15 mg 100 min --- ++++ McDONALD et al. (2003)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 15 mg 30 min --- +++ KIRK & DE WIT (1999)

Auge-Hand-Koordination B 0.4 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Auge-Hand-Koordination B 0.6 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

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Tab. 12: Fortsetzung

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Gedächtnis

Kurzzeitgedächtnis (Lernen und Erinnern unter THC-Einfluss)

verbal

Wortlisten lernen & erinnern B 7.5 mg 100 min --- ++++ McDONALD et al. (2003)

Zahlen lernen & erinnern B 7.5 mg 100 min --- ++++ McDONALD et al. (2003)

Ziffer- Silben-Assoziationen lernen B 0.2 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Worte lernen & erinnern B 10 mg 150 min ↓ +++ LEWEKE et al. (1998)

Zahlen lernen & erinnern B 15 mg 100 min --- ++++ McDONALD et al. (2003)

Wortlisten lernen & erinnern B 15 mg 100 min --- ++++ McDONALD et al. (2003)

Zahlen lernen & erinnern B 20 mg 90 min ↓ + TINKLENBERG et al. (1970)

Zahlen erinnern (rückwärts) B 20 mg 90 min ↓ + TINKLENBERG et al. (1970)

Wortlisten lernen & erinnern B 20 mg 120 min ↓ + DARLEY et al. (1973)

Wortlisten lernen & erinnern B 0.3 mg/kg 60 min ↓ + PFEFFERBAUM et al. (1977)

Ziffer-Silben-Assoziationen lernen B 0.4 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Zahlen lernen & erinnern B 40 mg 90 min ↓ + TINKLENBERG et al. (1970)

Zahlen erinnern (rückwärts) B 40 mg 90 min ↓ + TINKLENBERG et al. (1970)

Ziffer-Silben-Assoziationen lernen B 0.6 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Zahlen lernen & erinnern B 60 mg 90 min ↓ + TINKLENBERG et al. (1970)

Zahlen erinnern (rückwärts) B 60 mg 90 min ↓ + TINKLENBERG et al. (1970)

Langzeitgedächtnis (nur Erinnern unter THC Einfluss)

Allgemeine Fakten erinnern B 0.3 mg/kg 45 min --- + DARLEY et al. (1977)

Wortlisten erinnern B 20 mg 120 min --- + DARLEY et al. (1973)

Langzeitgedächtnis (Lernen und Erinnern unter THC Einfluss)

Ziffer- Silben-Assoziationen lernen B 0.2 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Ziffer- Silben-Assoziationen lernen B 0.4 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Ziffer- Silben-Assoziationen lernen B 0.6 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Kognitive Leistungen

Abstraktion

Figuren kategorisieren B 0.2 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Figuren kategorisieren B 0.4 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Figuren kategorisieren B 0.6 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Mentale Flexibilität

Numerisches Reasoning B 0.143 mg/kg 40 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Numerisches Reasoning B 0.143 mg/kg 100 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Numerisches Reasoning B 0.143 mg/kg 140 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Nicht fahrrelevante Leistungen

Wahrnehmung

taktil

Formen diskriminieren 0.2 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Formen diskriminieren 0.4 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Formen diskriminieren 0.6 mg/kg > 90 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Motorik

Motorische Geschwindigkeit

Fingertippen 0.2 mg/kg 210 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Fingertippen 0.4 mg/kg 210 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Fingertippen 0.6 mg/kg 210 min --- ++ PETERS et al. (1976)

Standfestigkeit

Standfestigkeit (Augen geschlossen) 0.143 mg/kg 40 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Standfestigkeit (Augen geschlossen) 0.143 mg/kg 100 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Standfestigkeit (Augen geschlossen) 0.143 mg/kg 140 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Standfestigkeit (Augen offen) 0.143 mg/kg 40 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Standfestigkeit (Augen offen) 0.143 mg/kg 100 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

Standfestigkeit (Augen offen) 0.143 mg/kg 140 min --- ++ CHESHER et al. (1976)

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Die Autoren berichten eine Stunde nach dem Kon-sum eine verlangsamte Reaktionszeit und ein be-einträchtigtes Tracking. Aufgrund fehlender Anga-ben zu den Versuchspersonen und der Testproze-dur bzw. der gepoolten Auswertung können dieDaten jedoch nur als Tendenz interpretiert werden.Zum Tracking nach oralem Cannabiskonsum beiGelegenheitskonsumenten bleiben deshalb auchnoch weitere Studien abzuwarten.

Im Bereich des Gedächtnisses ist für diese Kon-sumsituation besonders das verbale Kurzzeitge-dächtnis untersucht worden. Der orale Konsumvon Cannabis mit 7,5, 15 mg und 0,2 mg/kg ∆9-THC führte nach 90 bis 100 Minuten nicht zu einersignifikanten Beeinträchtigung beim Behalten vonWortlisten, Zahlenfolgen oder Ziffern-Silben-Asso-ziationen (PETERS et al., 1976; McDONALD et al.,2003). Eine Studie von LEWEKE et al. (1998) fanddagegen signifikante Defizite im Langzeitgedächt-nis 150 Minuten nach dem oralen Konsum von 10 mg synthetischem ∆9-THC (Dronabinol) in einerkontinuierlichen Wortwiedererkennungsaufgabe.Ab einer ∆9-THC-Menge von 20 mg waren ver-mehrt signifikante Defizite im verbalen Kurzzeitge-dächtnis zu beobachten. Diese Defizite konnten 90und 120 Minuten nach dem oralen Cannabiskon-sum beim Behalten von Zahlenreihen und Wortlis-ten nachgewiesen werden (TINKLENBERG et al.,1970; DARLEY et al., 1973). Auch bei höheren Do-sierungen wurden von derselben Arbeitsgruppesignifikante Beeinträchtigungen in verschiedenenTests zum verbalen Kurzzeitgedächtnis gefunden,nach 0,3 mg/kg, 40 und 60 mg ∆9-THC mit einerLatenz zur Einnahme von 60 bzw. 90 Minuten (TINKLENBERG et al., 1970; PFEFFERBAUM et al.,1977). Allerdings liegt auch eine Studie von ande-ren Autoren vor, die nach dem oralen Konsum vonCannabis mit hohen Dosierungen von 0,4 und 0,6mg/kg ∆9-THC keine signifikanten Effekte auf dasBehalten von Ziffer-Silben-Assoziationen findenkonnte (PETERS et al., 1976). Die Daten aus denmindestens hinreichend kontrollierten Studien wer-den durch verschiedene Befunde aus nicht hinrei-chend gut kontrollierten Studien ergänzt. So fan-den DITTRICH et al. (1973) in ihrer Studie 120 Mi-nuten nach dem Konsum von Cannabis mit 15 mg∆9-THC signifikante Beeinträchtigungen beim Be-halten von Wortlisten. Wie bereits an anderer Stel-le dargelegt, wurden dabei allerdings Cannabis-naive und Cannabis-erfahrene Versuchspersonengemischt und eine statistische Auswertung ver-wendet, die kaum nachvollziehbar ist. Auch dieser

Befund muss deshalb mit großer Vorsicht behan-delt werden. ZEIDENBERG et al. (1973) berichtenin einer Pilotstudie mit nur 4 Versuchspersonen undohne inferenzstatistische Auswertung Defizite imverbalen Kurzzeitgedächtnis in einer Wiedererken-nungsaufgabe nach dem oralen Konsum von 15 mg ∆9-THC. Andere Autoren konnten nach demoralen Konsum von Cannabis mit Dosierungen von8, 12, 16 und 20 mg ∆9-THC keine signifikantenLeistungsbeeinträchtigungen beim Behalten vonZahlenreihen im Zeitraum von 90 bis 210 Minutennach Einnahme nachweisen (WASKOW et al.,1970; RAFAELSEN et al., 1973c). Die Aussagekraftder Studie von RAFAELSEN et al. (1973c) wird aberdurch das Vermischen Cannabis-naiver und Can-nabis-erfahrener Versuchspersonen geschwächt.Die Studie von WASKOW et al. (1970) wurde aneiner Gefängnispopulation durchgeführt, bei derdie Hälfte der Versuchspersonen keine Cannabis-vorerfahrung aufwies. In beiden Studien kann des-halb von einer tendenziellen Überschätzung derDefizite ausgegangen werden. Insgesamt mussfestgestellt werden, dass es eine Reihe von Hin-weisen auf signifikante Defizite im verbalen Kurz-zeitgedächtnis nach dem oralen Konsum vonCannabis gibt, denen aber auch eine Reihe vonStudien gegenüberstehen, die keine Effekte findenkonnten. Bis auf eine Ausnahme, welche die Effek-te von Dronabinol untersuchte (LEWEKE et al.,1998), wurden alle uns bekannten und mindestenshinreichend gut kontrollierten Studien, die signifi-kante Effekte fanden, von nur einer Arbeitsgruppedurchgeführt und sind lediglich als hinreichend gutkontrolliert eingestuft wurden. Um von konsistentnachgewiesenen Defiziten auf das verbale Kurz-zeitgedächtnis nach oralem Cannabiskonsum beiGelegenheitskonsumenten sprechen zu können,sollten deshalb erst noch weitere Studien andererArbeitsgruppen abgewartet werden.

Hinweise auf Beeinträchtigungen im auditorischenKurzzeitgedächtnis berichten MELGES et al.(1970a) in einer als nicht hinreichend gut kontrolliertbewerteten Studie nach oralem Konsum von Can-nabis mit 20, 40 oder 60 mg ∆9-THC. Die statisti-sche Auswertung der Daten erlaubt jedoch keineRückschlüsse darauf, ab welcher der drei Dosie-rungen von ∆9-THC bzw. nach welcher Latenzzeitdie Effekte auftreten (MELGES et al., 1970a).

Für die Effekte oralen Cannabiskonsums auf dasLangzeitgedächtnis liegen bisher nur sehr wenigBefunde vor (Tabelle 12). In zwei Studien, in denenlediglich der Abruf aus dem Langzeitgedächtnis

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unter Cannabiseinwirkung stattfand, jedoch nichtdas Lernen, fanden DARLEY et al. (1973, 1977)keine Hinweise auf signifikante Defizite 45 und 120Minuten nach der oralen Einnahme von Cannabismit entweder 0,3 mg/kg oder 20 mg ∆9-THC. Ge-testet wurden dabei das Erinnern von allgemeinbekannten Fakten und das Erinnern von Wortlisten(DARLEY et al., 1973, 1977). Bisher gibt es eben-falls keine Hinweise auf Defizite im Langzeitge-dächtnis, wenn sowohl das Lernen als auch derAbruf der Informationen unter der Einwirkung oralaufgenommenen Cannabis stattfanden. PETERS etal. (1976) konnten mehr als 90 Minuten nach demoralen Konsum von Cannabis mit 0,2, 0,4 oder 0,6mg/kg ∆9-THC keine signifikanten Effekte auf dasErinnern von Ziffer-Silben-Assoziationen finden.Insgesamt gibt es bisher keine Hinweise auf kon-sistente Leistungsbeeinträchtigungen im Langzeit-gedächtnis nach oralem Cannabiskonsum bei Ge-legenheitskonsumenten.

Aus dem Bereich der kognitiven Leistungen liegenauf Ebene der Bahnführung lediglich zwei hinrei-chend gut kontrollierte Studien vor. PETERS et al.(1976) untersuchten die Abstraktionsfähigkeit mehrals 90 Minuten nach dem oralen Konsum vonCannabis mit 0,2, 0,4 oder 0,6 mg/kg ∆9-THC. Ineiner Aufgabe zum Kategorisieren von visuellenStimuli konnte bei keiner ∆9-THC-Dosis eine signi-fikante Beeinträchtigung nachgewiesen werden(PETERS et al., 1976). Ebenfalls keinen Hinweis aufeine signifikante Beeinträchtigung der kognitivenLeistung „Mentale Flexibilität” fanden CHESHER etal. (1976) 40, 100 oder 140 Minuten nach dem ora-len Konsum von Cannabis mit 0,143 mg/kg ∆9-THC. In weiteren, jedoch nicht hinreichend gutkontrollierten Studien wurden die arithmetischenFähigkeiten nach oralem Cannabiskonsum unter-sucht. RAFAELSEN et al. (1973c) konnten dabeikeine Hinweise auf eine signifikante Beeinträchti-gung in Aufgaben zur Addition und Subtraktion 105Minuten nach dem oralen Konsum von Cannabismit entweder 8, 12 oder 16 mg ∆9-THC finden.WASKOW et al. (1970) fanden dagegen signifikan-te Defizite bei der seriellen Addition, aber nichtbeim Zählen oder beim Alphabetaufsagen, 90 und120 Minuten nach dem oralen Konsum von Can-nabis mit 20 mg ∆9-THC. Weitere Hinweise auf Be-einträchtigungen in schwierigen, aber nicht in ein-fachen arithmetischen Aufgaben berichten MEL-GES et al. (1970a) nach oraler Applikation vonCannabis mit 20, 40 oder 60 mg ∆9-THC, wobei je-doch nach der statistischen Auswertung unklar

bleibt, welche der drei Dosierungen zu den Effek-ten führt bzw. nach welcher Latenzzeit diese auf-treten. Insgesamt ergeben die bisher nur in gerin-ger Anzahl vorliegenden mindestens hinreichendgut kontrollierten Studien keine Hinweise auf einesignifikante Beeinträchtigung der kognitiven Fähig-keiten nach oralem Cannabiskonsum bei Gelegen-heitskonsumenten. Auch hierzu müssen weitereStudien erst noch abgewartet werden.

Navigation

Neuropsychologische Einzelleistungen, die derEbene der Navigation zugeordnet werden können,sind nach oralem Cannabiskonsum bei Gelegen-heitskonsumenten in mindestens hinreichend gutkontrollierten Studien bisher nicht untersucht wor-den. Lediglich eine Untersuchung von MELGES etal. (1970a) berichtet signifikante Defizite in einerkomplexen arithmetischen Aufgabe 90, 210 und330 Minuten nach dem oralen Konsum von 20, 40und 60 mg ∆9-THC. Leider werden in dieser nichthinreichend gut kontrollierten Studie keine detail-lierten statistischen Angaben gemacht, sodass un-klar bleibt, bei welcher Dosierung und nach wel-chem Zeitintervall die Defizite auftreten.

Neben den fahrrelevanten neuropsychologischenLeistungen, die den Ebenen Stabilisierung, Bahn-führung oder Navigation zugeordnet werden konn-ten, sind auch einige nicht primär fahrrelevanteneuropsychologische Leistungen nach oralemCannabiskonsum bei Gelegenheitskonsumentenuntersucht worden (Tabelle 12). Weder die taktileWahrnehmung bei der Formendiskrimination nochdie motorische Geschwindigkeit beim Fingertippenwaren 90 bzw. 210 Minuten nach dem Konsum vonCannabis mit 0,2, 0,4 oder 0,6 mg/kg ∆9-THC sig-nifikant beeinträchtigt (PETERS et al., 1976). Eben-falls bei der Standfestigkeit konnte 40, 100 und 140Minuten nach dem oralen Konsum von Cannabismit 0,143 mg/kg ∆9-THC keine signifikante Beein-trächtigung beobachtet werden (CHESHER et al.,1976).

Fazit

Die Auswirkungen akuten oralen Cannabiskon-sums sind bei Gelegenheitskonsumenten weitausweniger intensiv untersucht worden als die Auswir-kungen des Cannabisrauchens. Dem entspre-chend finden sich auch deutlich weniger neuropsy-chologische Leistungen, für die konsistent eine Be-einträchtigung nachweisbar war. Das Fehlen kon-

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sistenter Nachweise bzw. überhaupt schon dasFehlen von Hinweisen auf signifikante Leistungs-beeinträchtigungen nach oralem Cannabiskonsumbedeutet indes nicht notwendig, dass es nicht zu fahrrelevanten Leistungsbeeinträchtigungenkommt. Es bedeutet lediglich, dass es bisher keinesicheren Nachweise gibt. Denn auch die Annahme,dass der orale Konsum von Cannabis keine Beein-trächtigungen in neuropsychologischen Leistungenzur Folge hat, muss erst noch in weitern Studiengezeigt werden.

Auf der Ebene der Stabilisierung wurden konsistentDefizite in der Zeitwahrnehmung nach dem oralenKonsum von Cannabis bei Gelegenheitskonsu-menten in einem Zeitintervall von 90 bis 115 Minu-ten nach Einnahme nachgewiesen (Tabelle 13). Diekritische Dosis, ab der diese Defizite nachweisbarwaren, betrug 12 mg ∆9-THC. Dagegen kann beimderzeitigen Stand der Erkenntnisse weder von kon-sistent nachgewiesenen Defiziten in der visuellennoch in der auditorischen Wahrnehmung nach ora-lem Cannabiskonsum bei Gelegenheitskonsumen-ten ausgegangen werden. Das gilt auch für die Auf-merksamkeitsleistungen. Weder für die selektive,die geteilte noch für die dauerhafte Aufmerksam-keit liegen genügend hinreichend gut kontrollierteStudien vor, um auf konsistent nachgewiesene De-fizite nach oralem Konsum von Cannabis bei Gele-

genheitskonsumenten schließen zu können. Inner-halb der Motorik kann bisher weder für die Fein-motorik, die Reaktionszeit noch für die Kontrolleder Augenbewegungen von konsistent nachgewie-senen Defiziten nach dem oralen Konsum vonCannabis bei Gelegenheitskonsumenten ausge-gangen werden. Auf Ebene der Bahnführung konn-te keine Beeinträchtigung in der visumotorischenKoordination nach oralem Cannabiskonsum beiGelegenheitskonsumenten gefunden werden. Einerelativ große Anzahl von Studien untersuchte dasverbale Kurzzeitgedächtnis nach oralem Cannabis-konsum. Dabei ergab sich eine Reihe von Hinwei-sen auf signifikante Defizite im verbalen Kurzzeit-gedächtnis, die jedoch fast ausschließlich von nureiner Arbeitsgruppe durchgeführt wurden. Um vonkonsistent nachgewiesenen Defiziten im verbalenKurzzeitgedächtnis nach oralem Cannabiskonsumbei Gelegenheitskonsumenten sprechen zu kön-nen, sollten deshalb erst noch weitere Studien an-derer Arbeitsgruppen abgewartet werden. Dage-gen gibt es bisher keine Hinweise auf Leis-tungsbeeinträchtigungen im Langzeitgedächtnisnach oralem Cannabiskonsum bei Gelegenheits-konsumenten, unabhängig davon, ob das Lernenohne oder mit Cannabiseinfluss stattgefundenhatte. Auch für die kognitiven Fähigkeiten, die derEbene der Bahnführung zuzuordnen sind, konntebisher kein konsistenter Nachweis einer Beein-trächtigung nach oralem Cannabiskonsum er-bracht werden. Das betrifft zum einen die mentaleFlexibilität und zum anderen die Abstraktionsfähig-keit. Zu den kognitiven Fähigkeiten, die der Ebeneder Navigation zugeordnet wurden, liegen bishernoch keine hinreichend gut kontrollierten Studienvor.

Bedeutung für die Fahrtüchtigkeit

In den Leistungen, für die nach oralem Konsum be-reits genügend mindestens hinreichend gut kon-trollierte Studien vorliegen, zeigt sich ein tendenzi-ell ähnliches Beeinträchtigungsprofil wie nach demRauchen von Cannabis. Die Zeitwahrnehmung istkonsistent als beeinträchtigt nachgewiesen wor-den und für das verbale Kurzzeitgedächtnis ver-dichten sich zumindest die Hinweise darauf. Insge-samt erscheint die Datenlage aber noch zu dünn,um innerhalb einer Bottom-up-Analyse für die spe-zielle Konsumsituation „akuter oraler Cannabis-konsum bei Gelegenheitskonsumenten” eine hin-reichend fundierte Aussage über zu erwartendeLeistungsbeeinträchtigungen auf der komplexen

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Tab. 13: Konsistent nachgewiesene Defizite in neuropsycholo-gischen Einzelleistungen auf den Ebenen der Fahr-zeugführung nach WALLENTOWITZ et al. (2001) beiGelegenheitskonsumenten nach akutem Cannabis-rauchen. Die THC-Werte geben die kritische Dosis an,ab der die entsprechende Leistung konsistent beein-trächtigt ist (k. A. – keine Dosisangabe möglich)

Dosis ∆9-THC Stabilisierung

Fahraufgabe Bahnführung

Navigation

Cannabis geraucht

Sensorik 12 mg Zeitwahrnehmung k. A. visuelle Wahr-

nehmung

Aufmerksamkeit 11 mg selektive

Aufmerksamkteit

Motorik 6 mgFeinmotorik

12 mg

~ 2 mg

Motorik visumotorische Koordination

Gedächtnis verbales Kurzzeitgedächtnis

Cannabis oral:

12 mg Sensorik Zeitwahrnehmung

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Ebene der Fahrtüchtigkeit zu machen. Auch die kri-tische ∆9-THC-Konzentration, die für die konsis-tent nachgewiesene Beeinträchtigung in der Zeit-wahrnehmung gefunden wurde, kann deshalb nurein erster Indikator sein. Solange auf den verschie-denen Ebenen der Fahrzeugführung keine weiterenDefizite konsistent nachgewiesen werden, kannstreng genommen auch nicht von konsistenten De-fiziten in der Fahrtüchtigkeit nach oralem Canna-biskonsum bei Gelegenheitskonsumenten ausge-gangen werden.

4.1.3.3 Effekte des akuten Cannabiskonsumsauf emotionales Verhalten

Neben den unmittelbaren Effekten auf einfacheoder komplexe neuropsychologische Leistungenkann Cannabis auch Effekte auf emotionales Ver-halten haben. Dabei ist zwischen den Effekten aufEmotion, wie z. B. Angst, und den Effekten aufemotionales Verhalten, wie z. B. Fluchtverhalten, zuunterscheiden. Während die einen die Auswirkun-gen auf das subjektive Empfinden beschreiben,was zumeist durch Fragebögen ermittelt wird (z. B.PILLARD et al., 1974; MATHEW et al., 1999), sinddie Effekte auf emotionales Verhalten direkt beob-achtbar. Diese Effekte sollen hier im Detail disku-tiert werden.

Während eine Vielzahl von Studien subjektive emo-tionale Parameter durch Fragebögen erfasst hat,gibt es derzeit nur sehr wenige Studien, die emo-tionales Verhalten direkt gemessen haben. TAYLORet al. (1976) untersuchten in einer hinreichend gutkontrollierten Studie das Aggressionsniveau 30 Mi-nuten nach dem oralen Konsum von 0,1 oder 0,3mg/kg ∆9-THC in einer virtuellen Bestrafungsauf-gabe. Eine Versuchsperson sollte dabei vor Beginneiner kompetitiven Rektionszeitaufgabe dieSchockstärke bestimmen, mit der ein virtuellerGegner bei Unterlegenheit bestraft wird. Die jeweilsgewählte Schockstärke diente dabei als Maß derAggression. Verschiedene Provokationsbedingun-gen wurden durch die Bekanntgabe der vom Geg-ner gewählten, unterschiedlich hohen Schockstär-ke operationalisiert. Die Ergebnisse zeigten eineTendenz zur Abnahme der Aggression nach demKonsum der hohen ∆9-THC-Dosis, die im Gegen-satz zu den aggressionssteigernden Effekten vonAlkohol in dieser Studie jedoch nicht statistischsignifikant waren (TAYLOR et al., 1976). Diese Er-gebnisse wurden in einer weiteren Studie dersel-ben Arbeitsgruppe mit dem gleichen Paradigmabestätigt, in der noch höhere Dosen ∆9-THC ver-

abreicht und noch stärkere Provokationsbedingun-gen operationalisiert wurden. MYERSCOUGH &TAYLOR (1985) fanden 50 Minuten nach dem ora-len Konsum von 0,1, 0,25 oder 0,4 mg/kg ∆9-THCdas höchste Aggressionsniveau nach der gerings-ten verabreichten Dosis ∆9-THC (ein Placebowurde nicht verabreicht). Auch nur bei dieser Dosisstieg das Aggressionsniveau nach intensiver Pro-vokation signifikant an. Die Autoren schlussfolgerndaraus, dass der Konsum von Marihuana nicht zueinem Anstieg aggressiven Verhaltens führt (MYERSCOUGH & TAYLOR, 1985).

Die Effekte des Marihuanarauchens auf aggressivesoder Fluchtverhalten wurden von CHEREK et al.(1993) in einem Punkte-Subtraktions-Paradigma un-tersucht. Die Versuchspersonen konnten dabeidurch Betätigung eines Hebels einem virtuellenGegner Punkte abziehen (aggressives Verhalten)oder durch Betätigung eines anderen Hebels das ei-gene Punktekonto vor Abzügen schützen (Flucht-verhalten). Durch Betätigung eines dritten Hebelskonnte zudem der eigene Punktestand erhöht wer-den. Die zwei Provokationsbedingungen wurdendurch unterschiedlich hohe Punktabzüge durch denvirtuellen Gegner oparationalisiert. Unmittelbar nachdem Rauchen von Marihuana mit 1,75 %, 2,57 %oder 3,55 % ∆9-THC waren bei jeder Dosierung sig-nifikant mehr aggressive Antworten unter hoher Pro-vokation zu beobachten. Bei niedriger Provokationunterschieden sich lediglich die Antworten nach2,57 % oder 3,55 % ∆9-THC signifikant von der Pla-cebo-Bedingung. Keine signifikanten Marihuanaef-fekte wurden dagegen beim Fluchtverhalten gefun-den (CHEREK et al., 1993). Leider werden in dieserStudie keine Angaben zu den absolut konsumierten∆9-THC-Mengen gemacht, weshalb eine Einord-nung dieser Studie innerhalb des Dosis-Wirkungs-Spektrums von ∆9-THC schwierig ist.

Zum emotionalen Verhalten zählt weiterhin das im-pulsive Verhalten, das von McDONALD et al. (2003)in einer sehr gut kontrollierten Studie nach der ora-len Gabe von Marinol® mit 7,5 oder 15 mg ∆9-THCgetestet wurde. Die Autoren untersuchten das im-pulsive Verhalten in drei verschiedene Aufgaben: ineiner Stop-Reaktionsaufgabe, bei der eine ge-wohnte Reaktion unterdrückt werden musste, ineiner Go/No-Go-Reaktionsaufgabe, bei der einebestrafte Handlung inhibiert werden musste, und ineiner Belohnungsverzögerungsaufgabe, bei derzwischen unmittelbarer und verzögerter Verstär-kung gewählt werden musste. Die Autoren fanden100 Minuten nach der oralen ∆9-THC-Applikation

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einen signifikanten Anstieg der Stop-Reaktionszeitnach 15 mg, aber nicht nach 7,5 mg ∆9-THC, wasals Anstieg der Impulsivität interpretiert werdenkann. In den beiden anderen Aufgaben zeigte sichjedoch kein Effekt des oralen ∆9-THC-Konsums aufimpulsives Verhalten. Die Autoren gehen davon aus,dass es verschiedene Prozesse gibt, welche die Im-pulsivität in den unterschiedlichen Verhaltensaufga-ben regulieren. Die orale Einnahme von ∆9-THC be-einflusst demnach nur die Impulsivität in bestimm-ten, aber nicht global in allen Aufgabenbereichen(McDONALD et al., 2003).

Fazit

Anhand der gegenwärtig vorliegenden Studien zuden akuten Effekten von Cannabis auf emotionalesVerhalten kann nicht von einer konsistent nachge-wiesenen Veränderung ausgegangen werden. Voneinem Anstieg aggressiver Verhaltensweisen kanndeshalb genauso wenig ausgegangen werden wievon gesteigertem Fluchtverhalten oder von generellerhöhtem impulsiven Verhalten. Die Anzahl dermindestens hinreichend gut kontrollierten Studienzu den akuten Effekten von Cannabis auf emotio-nales Verhalten ist jedoch immer noch sehr klein.Auch hier sind für eine sichere Beantwortung derFrage, ob Cannabis aggressives-, impulsives- oderFluchtverhalten begünstigt, erst noch weitere Stu-dien erforderlich.

Bedeutung für die Fahrtüchtigkeit

Bisher kann nicht von einem konsistenten Nach-weis von Cannabiseffekten auf emotionales Verhal-ten ausgegangen werden. Eine Beeinträchtigungder Fahrtüchtigkeit durch ein verändertes emotio-nales Verhalten nach Cannabiskonsum bei Gele-genheitskonsumenten kann deshalb als eher un-wahrscheinlich gelten.

4.1.3.4 Residuale Effekte des Cannabis-konsums

Die residualen Cannabiseffekte nehmen eine ArtZwischenstellung zwischen den akuten Effektenund den Langzeiteffekten während der Abstinenzein. Bei der Abstinenz kann davon ausgegangenwerden, dass sich keine psychoaktiven Cannabi-noide mehr in Interaktion mit dem Endocannabi-noidsystem oder anderen verhaltensregulierendenSystemen befinden. Lang anhaltende Verhaltens-veränderungen basieren auf entweder adaptivenProzessen oder sind Folge von möglichen patholo-

gischen Gewebsveränderungen. In der Residual-phase nach dem Konsum von Cannabis muss da-gegen noch mit der Präsenz von psychoaktivenCannabinoiden wie ∆9-THC oder dem Metaboliten11-OH-THC gerechnet werden (z. B. HUESTIS etal., 1992). Es wird zwar berichtet, dass die meistensubjektiven Cannabiseffekte vor Beginn der Resi-dualphase, d. h. 8 Stunden nach dem Konsum vonCannabis, bereits wieder auf dem Niveau der Aus-gangslage sind, inwieweit einzelne und komplexeneuropsychologische Leistungen, die unmittelbarnach dem akuten Konsum konsistent als beein-trächtigt nachgewiesen wurden, ebenfalls wiederauf normalem Niveau sind, soll hier geklärt werden.

4.1.3.4.1 Residuale Effekte im Fahr- und Flug-simulator

Gegenwärtig liegen keine mindestens hinreichendgut kontrollierten Studien zu den Leistungen vonGelegenheitskonsumenten im Fahrsimulator oderin der Realfahrt während der Residualphase nachCannabiskonsum vor. Eine Studie, deren Qualitätjedoch nicht als hinreichend gut bewertet wurde,untersuchte die Leistung im Fahrsimulator 16 Stun-den nach der oralen Einnahme von Cannabis mit 8,12, oder 16 mg ∆9-THC. Die Autoren fanden nachkeiner der drei verabreichten Dosierungen Hinwei-se auf eine signifikante Beeinträchtigung derBrems- und Startlatenz (Stabilisierung), beimGangwechsel, bei der Geschwindigkeitskontrolleund beim Einhalten einer vorgegebenen Geschwin-digkeit (Bahnführung; RAFAELSEN et al., 1973a).Ein Teil dieser Daten wurde nochmals in einem an-deren Artikel publiziert (RAFAELSEN et al., 1973b).Beide Berichte müssen mit Vorsicht interpretiertwerden, da Cannabis-naive und Cannabis-erfahre-nen Versuchspersonen bei der Testung vermischtwurden, was jedoch eher zu einer Überschätzungder für Gelegenheitskonsumenten zu erwartendenDefizite geführt hat. Insgesamt kann aufgrund desgeringen Datenmaterials bisher nicht von konsis-tent nachgewiesenen Defiziten in der Realfahrtoder im Fahrsimulator während der Residualphasenach Cannabiskonsum bei Gelegenheitskonsu-menten ausgegangen werden.

Wie bereits oben diskutiert, lassen sich die einzel-nen Leistungen im Flugsimulator nicht ohne weite-res auf fahrrelevante Leistungen übertragen. Auf-grund der hohen Schwierigkeit eignen sie sich je-doch gut, um das Leistungsvermögen in komple-xen Situationen, d. h. in Situationen mit sehr hohenLeistungsanforderungen, zu untersuchen. Die

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Leistung im Flugsimulator wurde von LEIRER et al.(1989) bei jungen und älteren Piloten 24 und 48Stunden nach dem Rauchen von Marihuana mit 10oder 20 mg ∆9-THC untersucht (Tabelle 14). DieLeistung wurde dabei als Gesamtscore angege-ben, der sich aus der Einzelleistung in 10 verschie-denen Flugsegmenten zusammensetzte. Nachdem Rauchen von Marihuana mit 10 mg ∆9-THCkonnten in einem Zeitraum von 60 bis 480 Minutenkeine Leistungsdefizite nachgewiesen werden(siehe oben). Auch 24 oder 48 Stunden später warbei dieser Dosis dann kein Leistungsdefizit nach-weisbar. Eine Dosis von 20 mg ∆9-THC hatte nach60 und 240 Minuten zu einer signifikanten Beein-trächtigung geführt (siehe oben), die aber bereitsnach 480 Minuten nicht mehr nachweisbar war.Auch in der Residualphase nach 24 und 48 Stun-den war nach dieser Dosis kein Leistungsdefizitnachweisbar (LEIRER et al., 1989). In einer späte-ren Studie fanden dieselben Autoren jedoch einesignifikante Beeinträchtigung 24, aber nicht 48Stunden nach dem Rauchen von Marihuana mit 20mg ∆9-THC (LEIRER et al., 1991). Auch in dieserStudie war die Gesamtleistung im Flugsimulator,die sich dieses Mal aus 8 verschiedenen Maßen beiturbulentem Flug zusammensetzte, in der Akutpha-se, d. h. 15 und 240 Minuten nach dem Konsum,signifikant beeinträchtigt. Im Gegensatz zur voran-gegangenen Studie zeigte sich aber auch nochnach 480 Minuten ein signifikantes Defizit, wasmöglicherweise durch die schwereren Bedingun-gen des Simulatorfluges bedingt war (LEIRER,1993). Damit konnte eine weitere frühe Studie die-ser Arbeitsgruppe bestätigt werden, die eine ganzeReihe signifikanter Defizite im Flugsimulator gefun-den hatte (YESAVAGE et al., 1985). In dieser Studiewurden 8 Einzelmaße untersucht: die laterale Kon-trolle (Anzahl und Intensität), die vertikale Kontrolle(Anzahl und Intensität), die Schubregulierung unddie generelle, laterale und vertikale Landeabwei-chung. Alle 8 Einzelmaße waren dabei 60 Minutennach dem Rauchen von Marihuana mit 19 mg ∆9-THC signifikant beeinträchtigt. Auch 24 Stundennach dem Konsum waren in der Residualphaseimmer noch 6 der 8 Maße signifikant beeinträch-tigt. Dazu gehörten die laterale Kontrolle (Anzahlund Intensität), die vertikale Kontrolle (nur Inten-sität), die generelle, die laterale und die vertikaleLandeabweichung (YESAVAGE et al., 1985). Beiden statistischen Vergleichen für den Zeitraumnach 24 Stunden dürfte eine fehlende Adjustierungdes Signifikanzniveaus bei multipler Testung aller-dings dazu beigetragen haben, dass die Effekte

des Marihuanarauchens in dieser Studie wahr-scheinlich tendenziell überschätzt wurden.

Bisher sind erst drei Studien zu den residualen Can-nabiseffekten im Flugsimulator bekannt, die zudemalle von derselben Arbeitsgruppe durchgeführt wur-den. Insgesamt kann zwar von Hinweisen auf Be-einträchtigungen in komplexen Leistungen auchnoch 24 Stunden nach dem Konsum einer relativgroßen Menge ∆9-THC ausgegangen werden. Einkonsistenter Nachweis steht indes immer noch aus.

Fazit

Bisher konnten weder in Fahr- noch in Flugsimula-torstudien konsistent Defizite in der Residualphase,d. h. in der Zeit zwischen 8 und 48 Stunden nachdem letzten Cannabiskonsum, nachgewiesen wer-den. Zwei der drei bekannten Studien im Flugsimu-lator zeigen jedoch, dass bei hoher Aufgaben-schwierigkeit, bzw. bei komplex zusammengesetz-ten Aufgaben, möglicherweise auch nach 24 Stun-den noch mit signifikanten Defiziten gerechnet wer-den muss.

Bedeutung für die Fahrtüchtigkeit

Da die bekannten Studien im Fahr- und Flugsimu-lator bisher keinen konsistenten Nachweis von Be-einträchtigungen in der Residualphase nach Can-nabiskonsum bei Gelegenheitskonsumenten er-bracht haben, kann aufgrund dieses Ansatzes ge-genwärtig nicht von einer beeinträchtigten Fahr-tüchtigkeit in der Residualphase ausgegangenwerden. Die im Flugsimulator nach hohen Dosen∆9-THC noch nach 24 Stunden gefundenen signi-fikanten Leistungsdefizite können jedoch ein Hin-weis auf die zu dieser Zeit verringerte Leistungsre-serve sein. Eine eingeschränkte Leistungsreservewird für die Fahrtüchtigkeit dann relevant, wenndas „normale” Anforderungsprofil in einer beson-deren Verkehrssituation kurzzeitig überschrittenwird. Das kann in Analogie zum Flugsimulator dannder Fall sein, wenn auf sehr viele relevante Stimuligleichzeitig geachtet werden muss. Um genaueAussagen zur Leistungsreserve in komplexen Ver-kehrssituationen während der Residualphase ma-chen zu können, müssen aber erst noch weitereStudien abgewartet werden.

4.1.3.4.2 Residuale Effekte in neuropsychologi-schen Tests

Die Anzahl der Studien, die neuropsychologischeLeistungen in der Residualphase nach Cannabis-

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Tab. 14: Residuale Defizite nach Cannabiskonsum (geraucht, wenn nicht anders angegeben, p.o.: oral) bei Gelegenheitskonsu-menten in Abhängigkeit von der verabreichten THC-Dosis. Residual bezieht sich dabei auf einen Zeitraum von > 8 Stun-den nach Konsum. Die angegebenen Leistungsunterschiede vs. Placebo-Bedingung beruhen auf den Ergebnissen der je-weils verwendeten statistischen Tests (↑/↓) signifikant verbessert/verschlechtert; --- nicht signifikant verändert). Studien-qualität: gut kontrollierte Studie (++++ und +++); hinreichend kontrollierte Studie (++ und +)

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Simulatorflug

Verschiedene Flugmanöver 10 mg 24 h --- ++ LEIRER et al. (1989)

Verschiedene Flugmanöver 10 mg 48 h --- ++ LEIRER et al. (1989)

Laterale Kontrolle (Anzahl) 19 mg 24 h ↓ + YESAVAGE et al. (1985)

Laterale Kontrolle (Intensität) 19 mg 24 h ↓ + YESAVAGE et al. (1985)

Vertikale Kontrolle (Anzahl) 19 mg 24 h --- + YESAVAGE et al. (1985)

Vertikale Kontrolle (Intensität) 19 mg 24 h ↓ + YESAVAGE et al. (1985)

Schubregulierung 19 mg 24 h --- + YESAVAGE et al. (1985)

Landeabweichung 19 mg 24 h ↓ + YESAVAGE et al. (1985)

Laterale Abweichung beim Landeanflug 19 mg 24 h ↓ + YESAVAGE et al. (1985)

Vertikale Abweichung beim Landeanflug 19 mg 24 h ↓ + YESAVAGE et al. (1985)

Verschiedene Flugmanöver 20 mg 24 h --- ++ LEIRER et al. (1989)

Verschiedene Flugmanöver 20 mg 24 h _ ++ LEIRER et al. (1991)

Verschiedene Flugmanöver 20 mg 48 h --- ++ LEIRER et al. (1989)

Verschiedene Flugmanöver 20 mg 48 h --- ++ LEIRER et al. (1991)

Neuropsychologie

Sensorik

Zeitwahrnehmung

Fahrzeit abschätzen S 8 mg (p.o.) 16 h --- ++ BECH et al. (1973)

Fahrzeit abschätzen S 12 mg (p.o.) 16 h --- ++ BECH et al. (1973)

Fahrzeit abschätzen S 16 mg (p.o.) 16 h --- ++ BECH et al. (1973)

Zeitspanne abschätzen S 29 mg 9 h ↓ ++ CHAIT et al. (1985)

visuelle Wahrnehmung

Gefahrene Distance abschätzen S 8 mg (p.o.) 16 h --- ++ BECH et al. (1973)

Gefahrene Distance abschätzen S 12 mg (p.o.) 16 h --- ++ BECH et al. (1973)

Gefahrene Distance abschätzen S 12 mg (p.o.) 16 h --- ++ BECH et al. (1973)

Motorik

Augenfolgebewegungen

Stimulus mit Augen folgen S 15.6 mg 24 h --- +++ FANT et al. (1998)

Stimulus mit Augen folgen S 25.1 mg 24 h --- +++ FANT et al. (1998)

visumotorische Koordination

Zielbewegung B 15.6 mg 24 h --- +++ FANT et al. (1998)

Zielbewegung B 25.1 mg 24 h --- +++ FANT et al. (1998)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B 29 mg 9 h --- ++ CHAIT et al. (1985)

Auge-Hand-Koordination B 29 mg 9 h --- ++ CHAIT et al. (1985)

Gedächtnis

verbales Kurzzeitgedächtnis

Zahlen Erinnern B 15.6 mg 24 h --- +++ FANT et al. (1998)

Zahlen Erinnern B 25.1 mg 24 h --- +++ FANT et al. (1998)

Wortlisten Lernen und Erinnern B 29 mg 9 h --- ++ CHAIT et al. (1985)

Kognitive Fähigkeiten

logisches Denken

Problemlösen N 15.6 mg 24 h --- +++ FANT et al. (1998)

mentale Rotation N 15.6 mg 24 h --- +++ FANT et al. (1998)

mentale Rotation N 25.1 mg 24 h --- +++ FANT et al. (1998)

Problemlösen N 25.1 mg 24 h --- +++ FANT et al. (1998)

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konsum bei Gelegenheitskonsumenten untersucht,ist relativ klein (Tabelle 14). Untersucht wurdendabei Leistungen auf allen drei Ebenen der Fahr-zeugführung.

Stabilisierung

Die auf Ebene der Stabilisierung untersuchten Leis-tungen lassen sich den Bereichen Sensorik undMotorik zuordnen. Die sensorische Leistung derZeitwahrnehmung war in einer Studie von BECH etal. (1973) 16 Stunden nach der oralen Einnahmevon Cannabis mit entweder 8, 12 oder 16 mg ∆9-THC nicht signifikant beeinträchtigt. Dagegen fan-den CHAIT et al. (1985) 9 Stunden nach dem Rau-chen von Marihuana mit einer relativ hohen Dosisvon 29 mg ∆9-THC eine signifikant verändere Zeit-wahrnehmung. Dazu muss allerdings angemerktwerden, dass die untersuchte Stichprobe in derStudie von CHAIT et al. (1985) bezüglich des Can-nabiskonsums sehr heterogen war. Das Vorhan-densein von einigen regelmäßigen Konsumentenkann in dieser Versuchspersonenpopulation nichtausgeschlossen werden. Die Befunde aus hinrei-chend gut kontrollierten Studien werden durch eini-ge nicht hinreichend gut kontrollierte Studien er-gänzt. RAFAELSEN et al. (1973a) konnten dabeikeine signifikanten Defizite in der Zeitwahrneh-mung und beim Abschätzen einer gefahrenen Dis-tanz, einer Aufgabe zur visuellen Wahrnehmung, 16Stunden nach dem oralen Konsum von Cannabismit 8, 12 oder 16 mg ∆9-THC finden. Die visuelleWahrnehmung wurde von BECH et al. (1973) eben-falls in einer Aufgabe zur Abschätzung einer gefah-renen Distanz untersucht. Die Autoren fanden 16Stunden nach dem oralen Konsum von Cannabismit 8, 12, oder 16 mg ∆9-THC keine Hinweise aufeine signifikante Leistungsbeeinträchtigung (BECHet al., 1973).

Aus dem Bereich der Motorik wurde die Augenfol-gebewegung 24 Stunden nach dem Rauchen vonMarihuana mit 15,6 oder 25,1 mg ∆9-THC unter-sucht. FANT et al. (1998) konnten dabei keine sig-nifikante Beeinträchtigung der Leistung nachwei-sen. Aus dem Bereich der Aufmerksamkeitsleistun-gen wurde die dauerhafte Aufmerksamkeit unter-sucht. In einer nicht hinreichend gut kontrolliertenStudie fanden RAFAELSEN et al. (1973c) keinenHinweis auf eine signifikante Beeinträchtigung derdauerhaften Aufmerksamkeit 16 Stunden nachdem oralen Konsum von Cannabis mit 8, 12 oder16 mg ∆9-THC. In einer ebenfalls nicht hinreichendgut kontrollierten Studie untersuchte CHAIT (1990)

verschiedene Leistungen auf Ebene der Stabilisie-rung am Morgen nach dem Marihuanarauchen. DerAutor fand signifikante Defizite in Aufgaben zurZeitwahrnehmung und zur geteilten visuellen Auf-merksamkeit, die jedoch in ihrer Ausprägung alssehr geringfügig bewertet werden. Keine signifi-kanten Defizite wurden dagegen bei der Reaktions-zeit gefunden (CHAIT, 1990). Aufgrund des Studi-endesigns sind aber weder die genau verabreichteMenge ∆9-THC noch die Latenzzeit zur Testungnachvollziehbar. In einer späteren, ebenfalls nichthinreichend gut kontrollierten Studie konntenCHAIT & PERRY (1994) keine signifikanten Defizitemehr bei der Zeitwahrnehmung und der geteiltenvisuellen Aufmerksamkeit 11 und 18 Stunden nachdem Rauchen von Marihuana mit 3,6 % ∆9-THCfinden. Die Autoren räumen ein, dass die Ergebnis-se aus der vorangegangenen Studie (CHAIT, 1990)möglicherweise auf einen Fehler erster Art zurück-zuführen sind und Marihuana demnach keine resi-dualen Effekte auf das Verhalten hat (CHAIT &PERRY, 1994). Insgesamt konnten auf Ebene derStabilisierung in der Residualphase bisher nochkeine Leistungen als konsistent beeinträchtigtnachgewiesen werden. Lediglich eine hinreichendgut kontrollierte Studie fand nach dem Raucheneiner sehr hohen ∆9-THC-Dosis unmittelbar zu Be-ginn der Residualphase eine signifikante Ver-schlechterung der Zeitwahrnehmung.

Bahnführung

Auf Ebene der Bahnführung wurden in der Residu-alphase Leistungen im Bereich der Motorik und desGedächtnisses untersucht. FANT et al. (1998) konn-ten in einem Test zur visumotorischen Koordination24 Stunden nach dem Rauchen von Marihuana mit15,6 oder 25,1 mg ∆9-THC keine signifikanten Ef-fekte nachweisen. Auch eine Studie von CHAIT etal. (1985) fand in zwei verschiedenen Aufgaben zurvisumotorischen Koordination keinen Hinweis aufeine signifikante Beeinträchtigung 9 Stunden nachdem Rauchen von Marihuana mit 29 mg ∆9-THC,was in einer späteren, jedoch nicht hinreichend gutkontrollierten Studie 11 und 18 Stunden nach demRauchen von Marihuana mit 3,6 % ∆9-THC be-stätigt werden konnte (CHAIT & PERRY, 1994). Im Bereich des Gedächtnisses wurde bisher ledig-lich das verbale Kurzzeitgedächtnis untersucht.Eine Studie von FANT et al. (1998) konnte beimZahlenerinnern 24 Stunden nach dem Rauchen vonMarihuana mit 15,6 oder 25,1 mg ∆9-THC keinesignifikante Beeinträchtigung im verbalen Kurzzeit-

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gedächtnis feststellen, ebenso wie eine Studie vonCHAIT et al. (1985) 9 Stunden nach dem Rauchenvon Marihuana mit 29 mg ∆9-THC. Diese Befundewerden durch die Ergebnisse einer nicht hinrei-chend gut kontrollierten Studie von RAFAELSEN etal. (1973c) ergänzt. Auch in dieser Studie konntenkeine Defizite im verbalen Kurzzeitgedächtnis 16Stunden nach dem oralen Konsum von Cannabismit 8, 12 oder 16 mg ∆9-THC gefunden werden.CHAIT (1990) untersuchte in einer nicht hinreichendgut kontrollierten Studie die visumotorische Koordi-nation und das verbale Kurzzeitgedächtnis am Mor-gen nach dem Marihuanarauchen. Der Autor fandsignifikante Defizite in einer Aufgabe zum verbalenKurzzeitgedächtnis, jedoch nicht bei der visumoto-rischen Koordination (CHAIT, 1990). Aus der Be-schreibung des Experiments gehen aber weder diegenau verabreichte ∆9-THC-Menge noch die La-tenzzeit zur Testung hervor, was eine Interpretationdieser Effekte unmöglich macht. In einer späteren,nicht hinreichend gut kontrollierten Studie vonCHAIT & PERRY (1994) konnte 11 und 18 Stundennach dem Rauchen von Marihuana mit 3,6 % ∆9-THC keine signifikante Beeinträchtigung des verba-len Kurzzeitgedächtnis gefunden werden. Auch aufEbene der Bahnführung kann insgesamt weder vonkonsistent nachgewiesenen Beeinträchtigungen,noch überhaupt von Hinweisen auf signifikante Be-einträchtigungen in der Residualphase nach Can-nabiskonsum ausgegangen werden.

Navigation

Innerhalb der kognitiven Fähigkeiten auf Ebene derNavigation wurde bisher lediglich das logischeDenken untersucht. FANT et al. (1998) konntenweder in einer Problemlöseaufgabe noch in einerAufgabe zur mentalen Rotation 24 Stunden nachdem Rauchen von Marihuana mit 15,6 oder 25,1mg ∆9-THC signifikante Defizite feststellen. Auchdiese Befunde werden durch die Ergebnisse einernicht hinreichend gut kontrollierten Studie vonRAFAELSEN et al. (1973c) ergänzt. Die Autoren un-tersuchten dabei die arithmetischen Fähigkeiten inAufgaben zur Addition oder zur Subtraktion 16Stunden nach dem oralen Konsum von Cannabismit 8, 12 oder 16 mg ∆9-THC. Auch hier ließen sichkeine signifikanten Leistungsdefizite nachweisen.CHAIT & PERRY (1994) konnten in einer nicht hin-reichend gut kontrollierten Studie keine signifikan-ten Defizite beim Problemlösen 11 und 18 Stundennach dem Rauchen von Marihuana mit 3,6 % ∆9-THC finden. Auch auf Ebene der Navigation gibt es

also weder konsistente Nachweise noch überhauptHinweise auf signifikante Leistungsbeeinträchti-gungen in der Residualphase nach Cannabiskon-sum bei Gelegenheitskonsumenten.

Fazit

In den wenigen zur Residualphase nach Cannabis-konsum bei Gelegenheitskonsumenten vorliegen-den Studien konnten bisher auf keiner Ebene derFahrzeugführung konsistent Defizite in einer neu-ropsychologischen Leistung nachgewiesen wer-den. Auch die Zahl signifikanter Einzelbefunde istbisher sehr klein. Nach dem gegenwärtigen Standder Erkenntnisse kann deshalb nicht von neurop-sychologischen Leistungsbeeinträchtigungen inder Residualphase nach Cannabiskonsum bei Ge-legenheitskonsumenten ausgegangen werden.

Bedeutung für die Fahrtüchtigkeit

Nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnissekann nicht von konsistent nachgewiesenen neu-ropsychologischen Defiziten in der Residualphasenach Cannabiskonsum bei Gelegenheitskonsu-menten ausgegangen werden. Begründete Ein-schränkungen für die Fahrtüchtigkeit unter norma-len Verkehrsbedingungen können aufgrund dieserDatenlage für die Residualphase nach Cannabis-konsum bisher nicht abgeleitet werden.

4.1.3.5 Motivationale Effekte auf das Leis-tungsniveau nach Cannabiskonsum

Die systematischen Untersuchungen zu den Effek-ten einer Droge auf das Leistungsniveau fandenzumeist in einer artifiziellen Umgebung (z. B. steri-les Labor) statt, die sich zum Teil deutlich von derUmgebung unterscheidet, in der ein Konsumentdie Droge normalerweise konsumieren würde.Diese künstliche Situation beinhaltet auch einengewissen Erwartungsfaktor bezüglich der eigenenLeistungen. Da bei der überwiegenden Mehrheitaller Studien zu den Verhaltenseffekten des Can-nabiskonsums Versuchspersonen mit Cannabis-vorerfahrung, d. h. gelegentliche oder regelmäßigeKonsumenten, untersucht wurden, ist davon aus-zugehen, dass der Großteil dieser Population einepositive Einstellung gegenüber dem Cannabiskon-sum ins Labor oder zur Realfahrtstudie mitbringendürfte. Diese private Einstellung ist der allgemeingesellschaftlichen Stigmatisierung und der Illega-lität des Umgangs mit Cannabis in den meistenLändern diametral entgegengesetzt. Eine wissen-

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schaftliche Untersuchung der eigenen Leistungs-fähigkeit nach akutem oder auch chronischemCannabiskonsum ermöglicht dem Konsumentennicht nur, sich selber, sondern auch seiner Umweltdie relative Ungefährlichkeit des Cannabiskonsumsaktiv zu demonstrieren. Es darf deshalb spekuliertwerden, dass im Sinne des HAWTHORNE-Effektsdie untersuchte Versuchspersonenpopulation zuden wissenschaftlich begründeten Tests eine deut-lich höhere Leistungsmotivation mitbringt, als diesim privaten Umfeld beim Abruf der gleichen Leis-tung der Fall wäre (ZIMBARDO, 1992). Es kann alssicher gelten, dass eine höhere Leistungsmotivati-on auch zu besseren Leistungen führt (vgl. HECK-HAUSEN, 2003), die im Falle der Defizitbewertungnach Cannabiskonsum zu einer Verzerrung, d. h.möglicherweise auch zu einer Unterschätzung derDefizite nach Einnahme in einer „natürlichen Situa-tion”, führen könnte. Leider ist es bisher nicht ge-lungen, derartige motivationale Faktoren in einerexperimentellen Untersuchung systematisch zukontrollieren. Verschiedene Studien haben in derVergangenheit aber versucht, den Einfluss einerunterschiedlich hohen Motivation auf die Leis-tungsfähigkeit nach akutem Cannabiskonsum ge-zielt zu untersuchen. CAPPELL & PLINER (1973)untersuchten die Zeitwahrnehmung, das verbaleGedächtnis für Worte oder Zahlen und die arithme-tischen Leistungen unter zwei verschiedenen Moti-vationsbedingungen nach dem Rauchen von Mari-huana bei Gelegenheitskonsumenten. Die Autorenfanden zunächst eine signifikante Beeinträchtigungder Zeitwahrnehmung (Stabilisierung) und im ver-balen Kurzzeitgedächtnis für Worte (Bahnführung),aber nicht in der Arithmetik (Navigation) oder imverbalen Kurzzeitgedächtnis für Zahlen (Bahn-führung) unmittelbar nach dem Rauchen von Mari-huana mit 12 mg ∆9-THC unter geringer Motivati-on. Die zusätzliche Leistungsmotivation, die in derverbalen Aufforderung bestand, mögliche Marihua-na-bedingte Defizite aktiv zu kompensieren, konn-te die induzierten Defizite in der Zeitwahrnehmung,aber nicht im verbalen Kurzzeitgedächtnis fürWorte kompensieren (CAPPELL & PLINER, 1973).Diese Daten zeigen zum einen, dass bestimmteMarihuana-induzierte Leistungsdefizite durch eineerhöhte Leistungsmotivation kompensiert werdenkönnen, zum anderen aber auch, dass das nicht füralle Leistungsbereiche gleichermaßen gilt. Letzte-res wurde durch eine Studie von PIHL & SIGAL(1978) bestätigt. Die Autoren konnten 10 Minutennach dem Rauchen von Marihuana mit 8 mg ∆9-THC eine signifikante Beeinträchtigung in der Zeit-

wahrnehmung, in der Reaktionszeit (beides: Stabi-lisierung) und im visuellen Kurzzeitgedächtnis(Bahnführung) zeigen. Die Autoren hatten dieseLeistungen unter vier verschiedenen Motivations-bedingungen getestet: i.) unter keiner zusätzlichenMotivation (nur verbale Instruktion zur Aufgabe), ii.)unter zusätzlicher verbaler Motivation (Aufforde-rung, so gut wie möglich zu agieren), iii.) unter ge-ringer Geldmotivation und i.v.) unter hoher Geld-motivation. In der Bedingung ohne Cannabis (Pla-cebo-Gruppe) zeigte sich eine deutliche Leistungs-verbesserung durch eine erhöhte Motivation. DieseBeobachtung unterstützt die Annahme von Leis-tungsreserven bei neuropsychologischen Einzel-leistungen, die durch besondere Umstände, wieeine erhöhte Motivation, abgerufen werden kön-nen. Die verschlechterten Leistungen nach demMarihuanarauchen wurden jedoch durch die er-höhte Leistungsmotivation nicht kompensiert. Esist allerdings denkbar, dass es sich dabei bereitsum einen Deckeneffekt gehandelt hat, d. h., der ex-perimentell erhöhte Motivationsgrad kann bei be-reits vorhandener hoher Leistungsmotivation nichtmehr zu einer weiteren Leistungsverbesserung,bzw. Defizitkompensation beitragen, da die vor-handenen Leistungsreserven auf Ebene der Einzel-leistung bereits ausgeschöpft sind.

Wie oben dargestellt, ist unter Labor- bzw. unterBeobachtungsbedingungen mit einer zusätzlichenLeistungsmotivation bei den Cannabiskonsumen-ten zu rechnen. Diese zusätzliche Motivation kannbei der Verhaltensmessung zu einer Unterschät-zung der Defizite in den einzelnen neuropsycholo-gischen Leistungen oder auch im Fahrverhalten alsGanzes führen. Unter realen Bedingungen findetdie Fahrzeugführung allerdings ohne Beobachtungund Leistungsbewertung statt. Es ist dann aberauch niemand da, der Fahrfehler kompensierenkann, wenn diese ein verkehrsgefährdendes Aus-maß erreichen, so wie das bei Realfahrtstudien derFall ist. Verschiedene Studien haben gezeigt, dasssich Cannabiskonsumenten bei akutem Konsumunter Umständen der leistungsbeeinträchtigendenWirkung der Droge bewusst sein können und zumTeil ihr Fahrverhalten danach ausrichten (z. B.ROBBE, 1994, 1998). Man kann also unter realenBedingungen durchaus davon ausgehen, dass soetwas wie eine auf die Eigensicherung beschränk-te „Überlebensmotivation” dazu beiträgt, dass ver-sucht wird, subjektiv wahrgenommene Defizite inden einzelnen Leistungen durch ein verändertesFahrverhalten (z. B. mehr Abstand halten; wenigerRisiken eingehen) zu kompensieren.

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Neben den Effekten, die eine zusätzliche Motivationauf die Leistungen nach Cannabiskonsum habenkann, wurde auch die Frage diskutiert, ob Canna-biskonsum generell zu einer verringerten Motivationführt (SMITH, 1968). Verschiedene Autoren vertra-ten dabei den Standpunkt, dass Cannabiskonsumzu einem „amotivationalen Syndrom” (AMS) führenkann (für eine Übersicht siehe: TÄSCHNER, 1986).Das AMS sollte dabei durch einen generellen Inter-essenverlust, Apathie, Passivität, Energieverlust,Müdigkeit, eine depressive Stimmung, die Unfähig-keit, mit Frustration umzugehen, Konzentrations-schwäche und eine generelle Verhaltensverlangsa-mung gekennzeichnet sein. Vergleiche der Arbeits-leistung von Cannabiskonsumenten über längereZeiträume konnten diese Annahme jedoch oft nichtbestätigen (z. B. COMITAS, 1976; MELLINGER etal., 1976). Die Effekte akuten Cannabiskonsums aufdie Leistungsmotivation sind ebenfalls unklar. So-wohl eine verringerte (FOLTIN et. al., 1989) als aucheine erhöhte Motivation (FOLTIN et al., 1990) zurDurchführung niedrig wahrscheinlicher (unbeliebter)Tätigkeiten, um hoch wahrscheinliche (beliebte)Tätigkeiten durchführen zu dürfen, wurde berichtet.Verschiedene Metaanalysen der Studien zum AMSzeigen jedoch, dass häufig nicht kontrollierte prä-morbide Pesönlichkeitsmerkmale zur Annahmeeines AMS geführt haben. (PAGE, 1983; ZIMMER &MORGAN, 1997). So fanden MUSTY & KABACK(1995) in einer Befragung zur Leistungsorientierungund zu verschiedenen motivationalen Maßen beileichten und schweren Marihuanakonsumenten,dass eine verringerte Motivation lediglich beischweren Konsumenten mit Depressionen feststell-bar war, nicht jedoch bei Personen mit leichtemKonsum und bei Personen mit schweren Konsumohne Depression (MUSTY & KABACK, 1995). HALL& SOLOWIJ (1997) kommen zu dem Schluss, dassCannabiskonsum zwar leichte Effekte auf die Moti-vation haben kann, diese aber bei Kontrolle aller be-kannten Störfaktoren nicht die Annahme eines AMSzulässt.

Fazit

Eine erhöhte Leistungsmotivation bei Cannabis-konsumenten unter Labor- bzw. Testbedingungenkann als relativ wahrscheinlich angenommen wer-den, was letztlich zu einer Verzerrung bei der Be-wertung der Effekte des Cannabiskonsums auf dieLeistungsfähigkeit unter gewohnten Konsumbedin-gungen führen könnte. Zu diesem Phänomen lie-gen aber erst sehr wenige Studien vor. Diese wei-

sen auf einen lediglich geringen Motivationseffekthin. Bis weitere Evidenzen verfügbar sind, mussdavon ausgegangen werden, dass die Leistungs-motivation bei Cannabiskonsumenten bezüglichder zu erwartenden Verhaltensdefizite nur eine un-tergeordnete Rolle spielt. Von einem amotivationa-len Syndrom als Folge des akuten Cannabiskon-sums oder während der Abstinenz kann gegenwär-tig nicht mit hinreichender Sicherheit ausgegangenwerden.

Bedeutung für die Fahrtüchtigkeit

Aufgrund der wenigen experimentellen Befundezur Leistungsmotivation nach Cannabiskonsummuss gegenwärtig keine Einschränkung für die In-terpretation der Befunde aus experimentellen Stu-dien zu den verkehrsrelevanten Verhaltensdefizitennach Cannabiskonsum vorgenommen werden.

4.1.4 Regelmäßiger Konsument: abstinent

Der Konsum von Cannabis wird von den meistenStudien hauptsächlich als ein Phänomen bei Ju-gendlichen und jungen Erwachsenen beschrieben.Der erste Kontakt mit Cannabis findet häufig schonvor dem Erreichen des siebzehnten Lebensjahresstatt (LYNSKEY et al., 2003). Der Konsum nimmtdann zum Teil stark zu und entwickelt sich entwe-der zum Gelegenheitskonsum oder auch zum re-gelmäßigen Konsum. Nach Erreichen des zwan-zigsten Lebensjahres bleibt der Konsum in derRegel relativ konstant bzw. nimmt bereits wiederab. Nach dem Erreichen des dreißigsten Lebens-jahres wird der Konsum von den meisten Personenwieder eingestellt (KLEIBER & SOELLNER, 1998).Dafür werden verschiedene Gründe angegeben.Häufig wird dabei das Erwachsenwerden allgemeinangeführt, das auch vermehrt mit dem Überneh-men von Verantwortung einhergeht. Die Frage, obbei ehemaligen, d. h. jetzt abstinenten Gelegen-heitskonsumenten von Cannabis nach dem zeit-weiligen oder auch endgültigem Beenden des Kon-sums mit verkehrsrelevanten Leistungsdefiziten zurechnen ist, wurde bereits oben untersucht. Dabeihatte sich gezeigt, dass es bisher keine ausrei-chend belegten Hinweise für persistente, d. h. überden aktuellen Konsum hinausgehende, Defizitegibt. Da sich aber Gelegenheitskonsumenten vonden regelmäßigen Konsumenten in der absolut auf-genommenen ∆9-THC-Menge deutlich unterschei-den, kann von den Ergebnissen bei abstinentenGelegenheitskonsumenten nicht ohne weiteres aufdie Situation bei abstinenten regelmäßigen Konsu-

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menten geschlossen werden. Welche Defizite beiabstinenten regelmäßigen Konsumenten zu erwar-ten sind, soll im Folgenden untersucht werden.

4.1.4.1 Leistungen im Fahrsimulator/Realfahrt/Flugsimulator

Bisher sind keine Realfahrtstudien oder Studien imFahrt- oder Flugsimulator bei abstinenten regel-mäßigen Cannabiskonsumenten bekannt.

4.1.4.2 Neuropsychologische Effekte

Zu den neuropsychologischen Effekten währendder Abstinenz von Cannabis liegen für regelmäßigeKonsumenten deutlich mehr mindestens hinrei-chend gut kontrollierte Studien vor als für Gelegen-heitskonsumenten, was vermutlich in einer allge-mein höheren Defiziterwartungshaltung begründetsein dürfte (ZIMMER & MORGAN, 1997). Obwohlzu dieser Konsumsituation eine Reihe von Studienvorliegt, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eineVergleichbarkeit der einzelnen Versuchspersonen-populationen nur bedingt gegeben ist. Die Ursachedafür liegt in der zum Teil sehr unterschiedlichenAusprägung der drei Dimensionen des Cannabis-konsums bei regelmäßigen Konsumenten. Sowohldie Frequenz als auch die Dauer und Menge desKonsums dürften innerhalb der Population der regelmäßigen Cannabiskonsumenten stärkerenSchwankungen unterliegen, als das bei Gelegen-heitskonsumenten der Fall ist. Zudem wurden sehrunterschiedliche Abstinenzzeiträume untersucht,die zum Teil auch noch im Bereich der Residualef-fekte anzusiedeln sind. Bei Abstinenzzeiträumenvon kleiner als 24 bis 48 Stunden kann somit einetendenzielle Überschätzung von Beeinträchtigun-gen während der Abstinenz nicht gänzlich ausge-schlossen werden. Zu dieser Zeit kann sich bei re-gelmäßigen Cannabiskonsumenten noch immer∆9-THC in Interaktion mit dem endogenen Canna-binoidsystem befinden (AGURELL et al., 1986).Eine separate Analyse dieser Studien als residualeEffekte des letzten Cannabiskonsums bei einem re-gelmäßigen Konsumenten, so wie sie für die Gele-genheitskonsumenten möglich war, erscheint hierjedoch wenig sinnvoll. Keine der uns bekanntenStudien zu den neuropsychologischen Leistungenwährend der Abstinenz macht Angaben zur letztenkonsumierten ∆9-THC-Menge. Doch auch wenndiese angegeben wäre, kann bei sehr kurzen Absti-nenzzeiträumen keine eindeutige Attribuierungmöglicher Leistungsdefizite entweder zu den Lang-zeiteffekten regelmäßigen Konsums oder zu den

residualen Effekten des letzten Konsums vorge-nommen werden. Da die jeweiligen Autoren ihreStudien ausschließlich im Sinne der Langzeiteffek-te interpretieren, sollen diese auch hier so einge-ordnet, dabei jedoch kritisch diskutiert werden.Auch für diese Konsumsituation werden die neu-ropsychologischen Leistungen wieder anhand derdrei Ebenen der Fahrzeugführung, Stabilisierung,Bahnführung und Navigation betrachtet.

Stabilisierung

Auf Ebene der Stabilisierung sind bei abstinentenregelmäßigen Konsumenten von Cannabis Leistun-gen im Bereich der Sensorik, Aufmerksamkeit undMotorik untersucht worden (Tabelle 15). Als einesensorische Leistung wurde die Zeitwahrnehmungbei regelmäßigen Konsumenten von Bhang (ge-trunken) oder Charas/Ganja (geraucht) von MEND-HIRATTA et al. (1978) untersucht. Beide Gruppenwiesen eine Konsumdauer von mindestens 4 Jah-ren auf. Nach mehr als 12 Stunden Abstinenzkonnten die Autoren ein signifikantes Defizit in derZeitwahrnehmung in beiden Gruppen nachweisen.Die Zeitintervalle wurden dabei – ähnlich wie nachakutem Konsum bei Gelegenheitskonsumenten –in beiden Gruppen überschätzt. Signifikante Defizi-te konnten auch in zwei weiteren Studien dessel-ben Institutes gefunden werden. VARMA et al.(1988) und WIG & VARMA (1977) fanden ebenfallsnach 12 Stunden Abstinenz eine signifikant beein-trächtigte Zeitwahrnehmung bei regelmäßigenKonsumenten, die mindestens 5 Jahre lang Can-nabis in einer Frequenz von mehr als 20-mal proMonat bzw. mindestens 50 mg ∆9-THC pro Tagkonsumiert hatten. Auch eine davon unabhängigeStudie konnte signifikante Defizite in der Zeitwahr-nehmung bei regelmäßigen Konsumenten währendder Abstinenz nachweisen. SOLOWIJ et al. (2002a)fanden nach 17 Stunden Abstinenz signifikante De-fizite bei Konsumenten mit einer mittleren Konsum-dauer von 10,2 und 23,9 Jahren bei täglichem Kon-sum. Obwohl die Befunde insgesamt eindeutig er-scheinen, muss jedoch kritisch angemerkt werden,dass sie bisher von nur zwei unterschiedlichen La-bors, wenn auch in verschiedenen Studien, nach-gewiesen wurden. Dazu kommt, dass in keiner derangeführten Studien aufgrund des relativ kurzenAbstinenzzeitraumes ausgeschlossen werdenkann, dass zum Testzeitpunkt noch psychoaktiveCannabinoide mit dem Organismus interagierten.Eine Konfundierung möglicher persistenter Defizitemit residualen Defiziten, bedingt durch den letzten

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Tab. 15: Leistungsbeeinträchtigungen bei regelmäßigen Cannabiskonsumenten während der Abstinenz. Die angegebenen Leis-tungsunterschiede vs. THC-naiven Personen beruhen auf den Ergebnissen der jeweils verwendeten statistischen Tests(↑/↓ signifikant verbessert/verschlechtert; --- nicht signifikant verändert; J: Jahr, M: Monat, T: Tag). Innerhalb der einzel-nen neuropsychologischen Leistungen sind die Befunde nach zunehmender Abstinenzzeit geordnet. Die Ebene der Fahr-zeugführung, für die eine Leistung relevant ist, wurde mit S: Stabilisierung, B: Bahnführung oder N: Navigation ausgewie-sen. Studienqualität: gut kontrollierte Studie (++++ und +++); hinreichend kontrollierte Studie (++ und +)

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

WahrnehmungZeitwahrnehmung

Zeit schätzen S > 4 J. (Bhang) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Zeit schätzen S > 4 J. (Charas) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Zeit schätzen S > 5 J. (50 mg THC/T.) 12 h ↓ + WIG & VARMA (1977)

Zeit schätzen S 5 J. (> 20-mal/M.) 12 h ↓ + VARMA et al. (1988)

Zeit schätzen S 10.2 J. (~1-mal/T.) 17 h ↓ ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Zeit schätzen S 23.9 J. (~1-mal/T.) 17 h ↓ ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

visuell

Muster erkennen S > 4 J. (Bhang) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1978)

Größe schätzen S > 4 J. (Bhang) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Muster erkennen S > 4 J. (Charas) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Größe schätzen S > 4 J. (Charas) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Muster erkennen S > 14 J. (Bhang) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1988)

Muster erkennen S > 14 J. (Charas) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1988)

Größe schätzen S 5 J. (> 20-mal/M.) 12 h ↓ + VARMA et al. (1988)

Unvollständige Bilder erkennen S > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Formwahrnehmung S > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

auditorisch

Rhythmus wahrnehmen S > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Sprachgeräusche wahrnehmen S > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

AufmerksamkeitSelektive Aufmerksamkeit

Visuelle Detektionsaufgabe S > 5 J. (50 mg THC/T.) 12 h ↓ + WIG & VARMA (1977)

Farbewort-Interferenz-Test S 10.2 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Farbewort-Interferenz-Test S 23.9 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Farbewort-Interferenz-Test S 29-mal/M. (Median) 19 h --- ++ POPE et al. (1997)

Visuelle Wahlreaktionsaufgabe S 29-mal/M. (Median) 19 h --- ++ POPE et al. (1997)

Visuelle Detektionsaufgabe S 29-mal/M. (Median) 19 h --- ++ POPE et al. (1997)

Reaktion auf auditorische Stimuli S 6.7 J. (17.9 T./M.) 24 h ↓ ++++ SOLOWIJ et al. (1995)

Reaktion auf verbale Stimuli S 8 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Reaktion auf verbale Stimuli S 34 J. (2-7-mal/W.) 72 h ↓ ++++ FLETCHER et al. (1996)

Farbewort-Interferenz-Test S > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Reaktion auf auditorische Stimuli S 9 J. (19.1 T./M.) 2 J. --- +++ SOLOWIJ (1995)

Geteilte Aufmerksamkeit

Kognition & Fingertapping S 8 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Kognition & Fingertapping S 34 J. (2-7-mal/W.) 72 h ↓ ++++ FLETCHER et al. (1996)

Dauerhafte Aufmerksamkeit

Reaktion auf auditorische Stimuli S > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 0 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Reaktion auf auditorische Stimuli S > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 1 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Reaktion auf auditorische Stimuli S > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 7 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Reaktion auf auditorische Stimuli S > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

MotorikReaktionszeit

Reaktion auf visuelle Stimuli S 8 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Reaktion auf visuelle Stimuli S 34 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Visumotorische Koordination

Auge-Hand-Koordination B > 4 J. (Bhang) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1978)

Figur kopieren B > 4 J. (Bhang) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Auge-Hand-Koordination B > 4 J. (Charas) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1978)

Figur kopieren B > 4 J. (Charas) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Auge-Hand-Koordination B 5 J. (> 20-mal/M.) 12 h ↓ + VARMA et al. (1988)

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Tab. 15: Fortsetzung

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Figur kopieren (A) B 5 J. (> 20-mal/M.) 12 h ↓ + VARMA et al. (1988)

Figur kopieren (B) B 5 J. (> 20-mal/M.) 12 h --- + VARMA et al. (1988)

Visumotorische Koordination B > 5 J. (50 mg THC/T.) 12 h ↓ + WIG & VARMA (1977)

Perzeptiv-motorische Geschwindigkeit B > 14 J. (Bhang) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1988)

Figur kopieren B > 14 J. (Bhang) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1988)

Perzeptiv-motorische Geschwindigkeit B > 14 J. (Charas) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1988)

Figur kopieren B > 14 J. (Charas) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1988)

Perzeptiv-motorische Geschwind. (A) B > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Perzeptiv-motorische Geschwind. (B) B > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h ↓ + CARLIN & TURPIN (1977)

Zahlen-Symbol-Substitutions-Test B > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Komplexe Figur kopieren B > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Komplexe Figur kopieren B Abhk. nach DSM-III 2-5 T. --- +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Komplexe Figur kopieren B > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Komplexe Figur kopieren B Abhk. nach DSM-III 6 W. --- +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Gedächtnis

Allgemein (PGI-Scala) B > 5 J. (50 mg THC/T.) 12 h ↓ + WIG & VARMA (1977)

Allgemein (PGI-Scala) B 5 J. (> 20-mal/M.) 12 h --- + VARMA et al. (1988)

Kurzzeitgedächtnis

verbal

Zahlen erinnern B > 4 J. (Bhang) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1978)

Zahlen erinnern (rückwärts) B > 4 J. (Bhang) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Zahlen erinnern B > 4 J. (Charas) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1978)

Zahlen erinnern (rückwärts) B > 4 J. (Charas) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Zahlen erinnern B > 14 J. (Bhang) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1988)

Zahlen erinnern (rückwärts) B > 14 J. (Bhang) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1988)

Zahlen erinnern B > 14 J. (Charas) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1988)

Zahlen erinnern (rückwärts) B > 14 J. (Charas) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1988)

Silben erinnern B 10.2 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Wortlisten erinnern B 10.2 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Zahlen erinnern B 10.2 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Silben erinnern B 23.9 J. (~1-mal/T.) 17 h ↓ ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Wortlisten erinnern B 23.9 J. (~1-mal/T.) 17 h ↓ ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Zahlen erinnern B 23.9 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Zahlen erinnern B > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Wortlisten erinnern (mit Distraktor) B Abhk. nach DSM-III 2-5 T. --- +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Wortpaarassoziationen erinnern B Abhk. nach DSM-III 2-5 T. --- +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Prosapasssage erinnern B Abhk. nach DSM-III 2-5 T. ↓ +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Wortlisten erinnern B Abhk. nach DSM-III 2-5 T --- +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Wortlisten erinnern B 8 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Geschichte erinnern B 8 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Wortlisten erinnern B 34 J. (2-7-mal/W.) 72 h ↓ ++++ FLETCHER et al. (1996)

Geschichte erinnern B 34 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Wortlisten erinnern (mit Distraktor) B Abhk. nach DSM-III 6 W. --- +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Wortpaarassoziationen erinnern B Abhk. nach DSM-III 6 W. --- +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Prosapasssage erinnern B Abhk. nach DSM-III 6 W. ↓ +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Wortlisten erinnern B Abhk. nach DSM-III 6 W. --- +++ SCHWARTZ et al. (1989)

visuell

Muster erinnern B 29-mal/W. (Median) 19 h --- ++ POPE et al. (1997)

Geometrische Figuren erinnern B > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 0 T. ↓ +++ POPE et al. (2001, 2002)

Geometrische Figuren erinnern B Abhk. nach DSM-III 2-5 T. ↓ +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Komplexe Figur erinnern B Abhk. nach DSM-III 2-5 T. --- +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Geometrische Figuren erinnern B > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 7 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Geometrische Figuren erinnern B > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

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107

Tab. 15: Fortsetzung

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Kurzzeitgedächtnis visuell

Geometrische Figuren erinnern B Abhk. nach DSM-III 6 W. --- +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Komplexe Figur erinnern B Abhk. nach DSM-III 6 W. --- +++ SCHWARTZ et al. (1989)

Langzeitgedächtnis verbal

Verbales Material erinnern B > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 0 T. ↓ +++ POPE et al. (2001, 2002)

Allgemeines Wissen B > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Wortschatz B > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Verbales Material erinnern B > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 1 T. ↓ +++ POPE et al. (2001, 2002)

Wortlisten erinnern B 8 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Geschichte erinnern B 8 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Wortlisten erinnern B 34 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Geschichte erinnern B 34 J. (2-7-mal/T.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Verbales Material erinnern B > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 7 T. ↓ +++ POPE et al. (2001, 2002)

Verbales Material erinnern B > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Kognitive Fähigkeiten

Abstraktion

Visuelle Muster abstrahieren B > 5 J. (50 mg THC/T.) 12 h ↓ + WIG & VARMA (1977)

Visuelle Muster abstrahieren B 5 J. (> 20-mal/M.) 12 h --- + VARMA et al. (1988)

Kategorien bilden/wechseln B 10.2 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Kategorien bilden/wechseln B 23.9 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Visuelles Kategorisieren B > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Abstraktionsvermögen B > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Kategorien bilden/wechseln B 8 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Kategorien bilden/wechseln B 34 J. (2-7-mal/W.) 72 h --- ++++ FLETCHER et al. (1996)

Visuelle Muster abstrahieren B > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Kategorien bilden/wechseln B > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Mentale Flexibilität

Wortassoziationen bilden B > 4 J. (Bhang ) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Wortassoziationen bilden B > 4 J. (Charas) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Wortassoziationen bilden B 5 J. (> 20-mal/M.) 12 h ↓ + VARMA et al. (1988)

Wortassoziationen bilden B > 14 J. (Bhang) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1988)

Wortassoziationen bilden B > 14 J. (Charas) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1988)

Wortassoziationen bilden B > 5.000-mal (> 7-mal/W.) 28 T. --- +++ POPE et al. (2001, 2002)

Verbale Fähigkeiten

Alphabetaufgabe B 10.2 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Sprachverständnis/-produktion B 10.2 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Alphabetaufgabe B 23.9 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Sprachverständnis/-produktion B 23.9 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Sprachproduktion B 5.8 J. (5-6-mal/W.) 24 h --- +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Sprachverständnis B 5.8 J. (5-6-mal/W.) 24 h --- +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Synonyme finden B 5.8 J. (5-6-mal/W.) 24 h --- +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Sprachproduktion B 6.2 J. (> 7-mal/W.) 24 h ↓ +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Sprachverständnis B 6.2 J. (> 7-mal/W.) 24 h --- +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Synonyme finden B 6.2 J. (> 7-mal/W.) 24 h --- +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Logisches Denken

Bilder ordnen N > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Quantitatives Denken N 5.8 J. (5-6-mal/W.) 24 h --- +++ Block & Ghoneim (1993)

Quantitatives Denken N 6.2 J. (> 7-mal/W.) 24 h ↓ +++ BLOCK & GHONEIM (1993)

Arithmetik

Serielle Addition N 10.2 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Serielle Addition N 23.9 J. (~1-mal/T.) 17 h --- ++++ SOLOWIJ et al. (2002a)

Arithmetik N > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

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Cannabiskonsum, ist damit relativ wahrscheinlich(POPE et al., 1995). Es sollte deshalb lediglich vonHinweisen auf eine signifikant beeinträchtigte Zeit-wahrnehmung bei regelmäßigen Cannabiskonsu-menten während der Abstinenz, aber nicht voneinem konsistenten Nachweis ausgegangen wer-den, bis auch nach deutlich längeren Abstinenz-zeiträumen Defizite nachgewiesen worden sind.

Auch die visuelle Wahrnehmung wurde in mehrerenhinreichend gut kontrollierten Studien untersucht.MENDHIRATTA et al. (1978) testeten die Musterer-kennung und die Größenwahrnehmung von Objek-ten nach mindestens zwölfstündiger Abstinenz inzwei Populationen mit einem täglichem ∆9-THC-Konsum über mindestens 4 Jahre. Dabei zeigtensich in der Gruppe der Charas/Ganja-Raucher sig-nifikante Defizite in beiden Aufgaben. Die Gruppeder Bhang-Trinker war dagegen lediglich bei derGrößenschätzung, aber nicht bei der Mustererken-nung signifikant beeinträchtigt (MENDHIRATTA etal., 1978). Bei einer wiederholten Testung beiderGruppen 10 Jahre später, konnten die Autorennach ebenfalls zwölfstündiger Abstinenz keine De-fizite in der Mustererkennung mehr finden. Cha-ras/Ganja bzw. Bhang wurden inzwischen weiterkonsumiert, sodass sich zum Testzeitpunkt eineKonsumdauer von mindestens 14 Jahren ergab(MENDIRHATTA et al., 1988). In einer anderen Stu-die dieser Arbeitsgruppe konnten VARMA et al.(1988) signifikante Defizite in der visuellen Wahr-nehmung bei Cannabiskonsumenten mit einerKonsumdauer von mindestens 5 Jahren bei einerFrequenz von mindestens 20-mal pro Monat nach-weisen. Wie in den beiden Studien von MENDHI-RATTA et al. (1978, 1988) betrug der Abstinenzzeit-raum jedoch lediglich 12 Stunden. Angesichts dersehr hohen konsumierten Menge (von den Autoren

geschätzt: 150 mg ∆9-THC pro Tag) in Kombinati-on mit einer relativ kurzen Abstinenzzeit könnenpersistente Defizite und residuale Defizite auch hiernicht klar voneinander getrennt werden (POPE etal., 1995).

Lediglich eine bisher bekannte und hinreichend gutkontrollierte Studie untersuchte die visuelle Wahr-nehmung nach einer Abstinenzzeit von 24 Stun-den. Die von CARLIN & TURPIN (1977) erfassteStichprobe wies dabei einen Cannabiskonsum vonmindestens einmal täglich über einen Zeitraum vonmindestens 2 Jahren auf, was als relativ kurz ange-sehen werden kann. In zwei verschiedenen Testszur visuellen Wahrnehmung konnten die Autorenkeine Hinweise auf eine signifikante Beeinträchti-gung finden (CARLIN & TURPIN, 1977). Diese Er-gebnisse wurden auch in einer weiteren, jedochnicht hinreichend gut kontrollierten Studie be-stätigt. RAY et al. (1979) untersuchten die Farb-wahrnehmung nach sechsstündiger Abstinenz beivermutlich regelmäßigen Cannabiskonsumentenmit einer Konsumfrequenz von mindestens 11-malpro Monat bis zu mehrmals täglich und einer Kon-sumdauer von mindestens 5 Jahren. Die Autorenkonnten dabei keine Defizite gegenüber Cannabis-naiven Kontrollen finden. Obwohl p-Werte angege-ben werden, ist die statistische Auswertung dieserStudie kaum noch nachvollziehbar. Insgesamt er-geben die hinreichend gut kontrollierten Studienzwar Hinweise auf eine Beeinträchtigung der visu-ellen Wahrnehmung bei regelmäßigen Cannabis-konsumenten während der Abstinenz, aufgrund ei-niger wichtiger Einschränkungen kann jedoch nichtvon konsistent nachgewiesenen Defiziten gespro-chen werden. Dazu zählen einerseits, dass signifi-kante Defizite bisher nur von einer einzigen Ar-beitsgruppe gefunden wurden und andererseits

108

Tab. 15: Fortsetzung

getesteteLeistung

Ebeneverabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Nicht fahrrelevante Leistungen

Motorik

Motorische Geschwindigkeit

Handtapping > 4 J. (Bhang) 12 h --- + MENDHIRATTA et al. (1978)

Handtapping > 4 J. (Charas) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1978)

Handtapping 5 J. (> 20-mal/M.) 12 h ↓ + VARMA et al. (1988)

Handtapping > 14 J. (Bhang) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1988)

Handtapping > 14 J. (Charas) 12 h ↓ + MENDHIRATTA et al. (1988)

Fingertapping > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

Taktile Leistungsfähigkeit > 2 J. (> 1-mal/T.) 24 h --- + CARLIN & TURPIN (1977)

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dass diese nur in einem sehr kurzen Abstinenzzeit-raum auftraten, der möglicherweise durch residua-le Effekte des letzten Konsums konfundiert ist.

In der Studie von CARLIN & TURPIN (1977) wurdeneben der visuellen Wahrnehmung auch die audi-torische Wahrnehmung untersucht. Auch hierbeifanden die Autoren keine Hinweise auf signifikanteDefizite bei einer Testung nach 24 Stunden Absti-nenz.

Sowohl selektive, geteilte als auch dauerhafte Auf-merksamkeit wurden während der Abstinenz beiregelmäßigen Cannabiskonsumenten untersucht.WIG & VARMA (1977) fanden bei regelmäßigenCannabiskonsumenten, die mindestens 5 Jahrelang Cannabis in einer geschätzten Menge von 50 mg ∆9-THC pro Tag konsumiert hatten, nach 12Stunden Abstinenz eine signifikante Beeinträchti-gung der selektiven Aufmerksamkeit. Nach Absti-nenzzeiten von 17 und 19 Stunden wurden dage-gen in zwei anderen Studien von POPE et al. (1997)und SOLOWIJ et al. (2002a) keine signifikanten De-fizite in der selektiven Aufmerksamkeit mehr gefun-den. SOLOWIJ et al. (2002a, 2002b) untersuchtenin einer sehr gut kontrollierten Studie die selektiveAufmerksamkeit in zwei Gruppen regelmäßigerKonsumenten mit ungefähr täglichem Konsumnach 17 Stunden Abstinenz. Die eine Gruppe kon-sumierte Cannabis bereits seit 23,9 Jahren, die an-dere seit 10,2 Jahren. POPE et al. (1997) haben dieselektive Aufmerksamkeit in drei verschiedenenTests in einer Gruppe von regelmäßigen Konsu-menten mit einem Konsum an 29 von 30 Tagen(Median) nach 19 Stunden Abstinenz gemessen.Eine längere Abstinenzdauer macht dabei das Auf-treten von konfundierenden Residualeffekten desletzten Cannabiskonsums immer unwahrscheinli-cher. In einer früheren Studie hatten SOLOWIJ etal. (1995) die selektive auditorische Aufmerksam-keit nach 24 Stunden Abstinenz bei regelmäßigenCannabiskonsumenten mit einer Konsumdauervon 6,7 Jahren und einem Konsum an 17,9 Tagenpro Monat erfasst. Im Gegensatz zur Studie von2002 konnten die Autoren hier bei regelmäßigenKonsumenten mit deutlich geringerer Konsumdau-er und -frequenz und nach längerer Abstinenz sig-nifikante Defizite in der selektiven Aufmerksamkeitfinden. Beide Untersuchungen verwendeten je-doch unterschiedliche Aufgaben, einmal den visu-ellen Farbe-Wort-Interferenztest und einmal eineauditorische Reaktionsaufgabe, sodass die Vermu-tung naheliegt, dass beide Aufgaben unterschied-lich sensitiv waren. Nach 72 Stunden Abstinenz

konnten FLETCHER et al. (1996) in einer Popula-tion von regelmäßigen Cannabiskonsumenten miteiner Konsumdauer von 8 Jahren und einem Kon-sum an 2 bis 7 Tagen pro Woche keine signifikan-ten Defizite in der selektiven Aufmerksamkeit beieiner verbalen Reaktionsaufgabe feststellen. Einsignifikantes Defizit zeigte sich jedoch in der Popu-lation, die bereits 34 Jahre lang Cannabis ebenfallsan 2 bis 7 Tagen pro Woche konsumiert hatte.

Bei noch längeren Abstinenzzeiträumen kann miteiniger Sicherheit davon ausgegangen werden,dass der regelmäßige Konsum nicht nur kurzzeitigunterbrochen, sondern sogar gänzlich abgebro-chen wurde. POPE et al. (2001, 2002) hatten dieselektive Aufmerksamkeit nach 28 Tagen Abstinenzbei ehemals regelmäßigen Cannabiskonsumentenuntersucht, die vorher mehr als 7-mal pro Wocheund insgesamt über 5.000-mal (Einzelepisoden)Cannabis konsumiert hatten. Nach dieser Absti-nenzzeit waren keine signifikanten Defizite in derselektiven Aufmerksamkeit nachweisbar. Auch SO-LOWIJ (1995) konnte nach einem mittleren Absti-nenzzeitraum von 2 Jahren bei ehemals regelmäßi-gen Cannabiskonsumenten, die im Mittel 9 Jahrelang an 19,1 Tagen im Monat Cannabis konsumierthatten, keine signifikanten Defizite in der selektivenAufmerksamkeit finden. Insgesamt haben damitzwar drei unabhängige Studien signifikante Defizitein der selektiven Aufmerksamkeit zeigen können,zwei davon jedoch nur nach einer relativ kurzenAbstinenzphase. In diesen beiden Studien kanneine Konfundierung von Langzeiteffekten des re-gelmäßigen Cannabiskonsums mit residualen Ef-fekten des letzten Konsums nicht ausgeschlossenwerden. Ein Zusammenhang zwischen der Dauerdes Konsums und dem Auftreten von Defiziten inder selektiven Aufmerksamkeit ist bisher nicht er-sichtlich. Um von einem konsistenten Nachweisvon Defiziten in der selektiven Aufmerksamkeit beiregelmäßigen Konsumenten während der Absti-nenz sprechen zu können, sind deshalb erst nochweitere Studien insbesondere mit längeren Absti-nenzzeiträumen erforderlich.

Die geteilte Aufmerksamkeit wurde bisher erst in einer gut kontrollierten Studie untersucht. FLETCHER et al. (1996) fanden in einer Aufgabe zuden kognitiven Fähigkeiten bei gleichzeitigem Fin-gertapping signifikante Defizite nach einer 72-stün-digen Abstinenz, wenn vorher 34 Jahre lang Cann-abis 2 bis 7-mal pro Woche konsumiert wurde,aber nicht, wenn die Konsumdauer nur 8 Jahre be-trug. Schlussfolgerungen über konsistente Beein-

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trächtigungen bei regelmäßigen Cannabiskonsu-menten während der Abstinenz können aber aus einer Studie allein noch nicht abgeleitet wer-den.

Auch für die dauerhafte Aufmerksamkeit liegt bis-her erst eine gut kontrollierte Studie vor. POPE etal. (2001, 2002) untersuchten regelmäßige Konsu-menten mit täglichem Cannabiskonsum und mehrals 5.000 vorangegangenen Konsumepisoden.Weder nach 0, 1, 7 noch nach 28 Tagen Abstinenzkonnten dabei signifikante Defizite in der geteiltenAufmerksamkeit festgestellt werden (POPE et al.,2001, 2002). Nach dem gegenwärtigen Stand derErkenntnisse kann damit auch für die dauerhafteAufmerksamkeit noch nicht von konsistent nach-gewiesenen Defiziten ausgegangen werden.

Aus dem Bereich der Motorik wurde auf Ebene derStabilisierung lediglich die Reaktionszeit unter-sucht. FLETCHER et al. (1996) erfassten in einersehr gut kontrollierten Studie die Reaktionszeit aufeinen visuellen Stimulus nach einer Abstinenzzeitvon 72 Stunden bei regelmäßigen Cannabiskonsu-menten in Costa Rica. Untersucht wurden zweiGruppen regelmäßiger Konsumenten mit einemKonsum an 2 bis 7 Tagen pro Woche mit mehrerenZigaretten pro Tag und entweder einer Konsum-dauer von 8 Jahren oder einer Konsumdauer von34 Jahren. Eine signifikante Beeinträchtigung derReaktionszeit ließ sich bei keiner der beiden Grup-pen nachweisen. Auch eine andere, jedoch nichthinreichend gut kontrollierte Studie von BOWMAN& PIHL (1973) konnte keine signifikanten Defizite inder Reaktionszeit nach 4 Stunden Abstinenz bei re-gelmäßigen Cannabiskonsumenten in Jamaika fin-den. Die untersuchte Population wies eine Kon-sumfrequenz von mindestens einmal pro Tag undeine Konsumdauer von mindestens 10 Jahren auf.Da die Testung in dieser Studie jedoch nicht blindund zudem an sehr verschiedenen Orten (Garten,Hütten etc.) durchgeführt wurde, ist ihre Aussage-kraft relativ begrenzt. Insgesamt kann nicht voneiner konsistent nachgewiesenen Beeinträchtigungder Reaktionszeit bei regelmäßigen Cannabiskon-sumenten während der Abstinenz ausgegangenwerden.

Bahnführung

Auf dieser Ebene wurden Leistungen aus dem Be-reich der Motorik, des Gedächtnisses und der Kog-nition bei regelmäßigen Cannabiskonsumentenwährend der Abstinenz erfasst. Im Bereich der Mo-

torik stand dabei die visumotorische Koordinationim Vordergrund. In vier verschiedenen Studieneines Institutes in Indien wurden unterschiedlicheTests zur visumotorischen Koordination an regel-mäßigen Cannabiskonsumenten durchgeführt, diezum Teil signifikante Beeinträchtigungen finden,zum Teil aber auch keine signifikanten Störungenberichten. Alle vier Studien wurden nach einer Ab-stinenz von nur 12 Stunden durchgeführt. Signifi-kante Beeinträchtigungen wurden beim Kopiereneiner Figur in zwei Gruppen regelmäßiger Konsu-menten von entweder Bhang (getrunken) oderCharas/Ganja (geraucht) gefunden, die mehr als 4Jahre täglichen Konsum aufwiesen. Keine Defizitefanden sich dagegen in beiden Gruppen bei derperzeptiv-motorischen Geschwindigkeit währendeiner Ankreuzaufgabe (MENDHIRATTA et al., 1978).Auch eine Folgeuntersuchung 10 Jahre späterergab bei jetzt mindestens 14-jährigem Bhang-oder Charas/Ganja-Konsum signifikante Defizitebeim Figur-Kopieren, aber nicht in der perzeptiv-motorischen Geschwindigkeit, ein Effekt der mög-licherweise bereits auf dem Unterschied nach > 4Jahren Konsumdauer beruhte (MENDHIRATTA etal., 1978). Defizite beim Figur-Kopieren fandenauch WIG & VARMA (1977) bei regelmäßigen Kon-sumenten mit einer Konsumdauer von mehr als 5Jahren und einem geschätzten Mindestkonsumvon 50 mg ∆9-THC pro Tag. VARMA et al. (1988)benutzten dieselbe Aufgabe zum Figuren-Kopieren(Bender-Visual-Motor-Gestalt-Test), konnten aberbei regelmäßigen Konsumenten mit 5 Jahren Kon-sumdauer und einer Konsumfrequenz von mehr als20-mal pro Monat keine signifikanten Unterschiedefinden. Diese zeigten sich jedoch in der perzeptiv-motorischen Geschwindigkeit und beim Figur-Ko-pieren in einem anderen Test (NAHOR & BENSONTest). Auch hier muss darauf hingewiesen werden,dass bei einer nur 12-stündigen Abstinenzzeit eineKonfundierung von möglichen Langzeiteffekten mitden residualen Effekten des letzten Konsums nichtauszuschließen ist (POPE et al., 1995). CARLIN &TURPIN (1977) untersuchten die visumotorischeGeschwindigkeit nach 24-stündiger Abstinenz beiregelmäßigen Konsumenten, die mehr als 2 Jahrelang mindestens täglich Cannabis konsumiert hat-ten. Bei dieser Population konnten keinerlei Defizi-te in drei verschiedenen Tests zur visumotorischenKoordination gefunden werden. In einem weiterenTest zur perzeptiv-motorischen Geschwindigkeitwurde sogar eine signifikante Leistungsverbesse-rung gefunden! Auch in anderen Studien, die nochlängere Abstinenzzeiträume untersuchten, konnte

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keine signifikante Beeinträchtigung der visumotori-schen Koordination gefunden werden. Das Kopie-ren einer komplexen Figur war weder nach 2 bis 5Tagen noch nach 6 Wochen Abstinenz bei nachDSM-III (American Psychiatric Association, 1980)diagnostizierten Cannabisabhängigen beeinträch-tigt (SCHWARTZ et al., 1989). Auch nach 28 TagenAbstinenz konnten POPE et al. (2001, 2002) keineDefizite bei regelmäßigen Cannabiskonsumentenin dieser Aufgabe finden. Diese Ergebnisse werdenzudem durch eine Reihe weiterer, jedoch nicht hin-reichend gut kontrollierter Studien gestützt. Wederdie Studien von BOWMAN & PIHL (1973), die vonRAY et al. (1979) noch die Studie von SCHAEFFERet al. (1981) konnten nach 4-, 6- oder 24-stündigerAbstinenz signifikante Defizite bei regelmäßigenCannabiskonsumenten mit einer Konsumdauervon mindestens 5 Jahren nachweisen. Eine Studievon ARGAWAL et al. (1975) findet zwar Hinweiseauf mögliche Beeinträchtigungen in der visumoto-rischen Koordination bei Bhang-Konsumenten miteiner mittleren Konsumdauer von 12,7 Jahren. DasStudiendesign und die fehlende teststatistischeAuswertung lassen jedoch keine klaren Schlüssezu. Auch die Studie von SETHI et al. (1981), diekeine Hinweise auf Beeinträchtigungen findet, istnach strengen Kriterien kaum interpretierbar.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass sämtli-che bekannten Befunde, die eine signifikante Be-einträchtigung der visumotorischen Koordinationberichten, von nur einer Arbeitsgruppe stammen,gerade als hinreichend gut kontrolliert anzusehensind und einen Abstinenzzeitraum von nur 12 Stun-den zu Grunde gelegt haben. Andere und zum Teildeutlich besser kontrollierte Studien mit längerenAbstinenzzeiträumen finden dagegen durchwegkeine Hinweise auf eine signifikante Beeinträchti-gung. Es kann deshalb gegenwärtig nicht voneinem konsistenten Nachweis einer beeinträchtig-ten visumotorischen Koordination bei regelmäßi-gen Cannabiskonsumenten während der Abstinenzausgegangen werden.

Im Bereich des Gedächtnisses sind das Kurzeit-und das Langzeitgedächtnis während der Absti-nenz bei regelmäßigen Cannabiskonsumenten un-tersucht worden. Für das Langzeitgedächtnis lie-gen lediglich Untersuchungen zum deklarativenGedächtnis vor. In einer indischen Version derWechsler Memory Scale (PGI-Skala) fanden WIG &VARMA (1977) zunächst eine signifikant verringerteGesamtgedächtnisleistung nach 12 Stunden Absti-nenz bei regelmäßigen Konsumenten mit einem

Konsum von mindestens 5 Jahren und einer ge-schätzten täglichen Konsummenge von 50 mg ∆9-THC. Genaue Angaben darüber, welche Gedächt-nisleistung beeinträchtigt war, machten die Autorenin dieser Studie jedoch nicht. Diese Ergebnissekonnten in einer späteren Studie von VARMA et al.(1988) nicht bestätigt werden. Bei regelmäßigenKonsumenten mit einer Konsumdauer von 5 Jahrenund einer Konsumfrequenz von mehr als 20-malpro Monat ließ sich nach 12-stündiger Abstinenzkeine signifikante Beeinträchtigung in der Gesamt-gedächtnisleistung zeigen. Keine Hinweise auf eineBeeinträchtigung der allgemeinen Gedächtnisleis-tungen konnten auch RAY et al. (1979) in einer al-lerdings nicht hinreichend gut kontrollierten Studiefinden.

Das verbale Kurzzeitgedächtnis für Zahlen wurde inzwei Studien von MENDHIRATTA et al. (1978, 1988)an Bhang- und Charas/Ganja-Konsumenten unter-sucht. Beide Konsumentengruppen wurdenzunächst nach einer Konsumdauer von mindestens4 Jahren und später nach einer Konsumdauer vonmindestens 14 Jahren nach jeweils 12-stündigerAbstinenz untersucht. Die Autoren konnten zu kei-nem Testzeitpunkt signifikante Defizite finden,wenn lediglich eine Zahlenreihe normal erinnertwerden sollte. Signifikante Defizite zeigten sich je-doch in beiden Konsumentengruppen sowohl nach> 4 als auch nach > 14 Jahren Konsumdauer, wenndiese Zahlenreihen in umgekehrter Reihenfolgewiedergegeben werden mussten (MENDHIRATTAet al., 1978, 1988). In einer sehr gut kontrolliertenStudie von SOLOWIJ et al. (2002a) wurde das ver-bale Kurzzeitgedächtnis in drei unterschiedlichenTests zum Erinnern von Silben, Wortlisten oderZahlen nach 17-stündiger Abstinenz untersucht.Regelmäßige Konsumenten mit täglichem Konsumüber einen Zeitraum von 10,2 Jahren wiesen in kei-nem der drei Tests signifikante Defizite auf. In eineranderen Gruppe, die eine Konsumdauer von 23,9Jahren bei täglichem Konsum aufwies, wurden da-gegen signifikante Defizite im verbalen Kurzzeitge-dächtnis für Silben und Wortlisten aber nicht fürZahlen gefunden (SOLOWIJ et al., 2002a). Kritikerdieser Studie weisen jedoch darauf hin, dass essich bei der untersuchten Population um die Sub-population der behandlungswilligen regelmäßigenCannabiskonsumenten gehandelt hat, die den Be-handlungswunsch aufgrund der Eigenbeobach-tung von Defiziten entwickelt haben könnten. Beiregelmäßigen Konsumenten ohne Behandlungs-wunsch könnte es demnach zu einer geringeren

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Defizitausprägung kommen (GUNDERSON et al.,2003; WATSON, 2003). In einer weiteren Studiekonnten CARLIN & TURPIN (1977) kein Defizit beimErinnern von Zahlen nach 24-stündiger Abstinenzbei regelmäßigen Cannabiskonsumenten mit einerKonsumdauer von mehr als 2 Jahren bei mindes-tens täglichem Konsum finden. SCHWARTZ et al.(1989) untersuchten das verbale Kurzzeitgedächt-nis in vier verschiedenen Tests zum Erinnern vonWortlisten mit und ohne Distraktor, von Wortpaar-assoziationen und von Prosapassagen bei Perso-nen mit einer nach DSM-III diagnostizierten Can-nabisabhängigkeit. Der Abstinenzzeitraum betrugdabei entweder 2 bis 5 Tage oder 6 Wochen. Einesignifikante Beeinträchtigung des verbalen Kurz-zeitgedächtnisses zeigte sich lediglich beim Erin-nern von Prosapassagen, jedoch nicht beim Erinnern von Wortlisten mit und ohne Distraktoroder beim Erinnern von Wortpaarassoziationen.Diese Defizite waren nach 2 bis 5 Tagen und auchnoch nach 6 Wochen Abstinenz nachweisbar(SCHWARTZ et al., 1989; siehe auch: SCHWARTZ,1991). Die Annahme, dass einige, jedoch nicht alleAufgaben aus dem Bereich des verbalen Kurzzeit-gedächtnisses beeinträchtigt sind, wurde auch ineiner Studie von FLETCHER et al. (1996) an zweiGruppen regelmäßiger Cannabiskonsumenten miteiner Konsumdauer von entweder 8 oder 34 Jahrenbestätigt. Nach 72-stündiger Abstinenz waren beiden Konsumenten mit 8 Jahren Konsumdauerweder das verbale Kurzzeitgedächtnis für Wortlis-ten noch für eine Geschichte beeinträchtigt. Ein34-jähriger Cannabiskonsum war in dieser Studiejedoch mit signifikanten Defiziten beim Erinnernvon Wortlisten, aber nicht beim Erinnern einer Ge-schichte, assoziiert (FLETCHER et al., 1996). Ver-schiedene nicht hinreichend gut kontrollierte Studi-en, die jeweils nur einen Test zum verbalen Kurz-zeitgedächtnis durchgeführt hatten, konnten keineHinweise auf eine Beeinträchtigung finden (BOW-MAN & PIHL, 1973; ENTIN & GOLDZUNG, 1973;RAY et al., 1979; SCHAEFFER et al., 1981). Insge-samt muss festgestellt werden, dass eine Vielzahlverschiedener Tests zum verbalen Kurzzeitge-dächtnis keine signifikanten Beeinträchtigungenbei regelmäßigen Cannabiskonsumenten währendder Abstinenz findet. Dagegen stehen aber minde-stens drei unabhängige und gut kontrollierte Studi-en, die in einzelnen Tests zum verbalen Kurzzeitge-dächtnis signifikante Defizite finden. Diese Studienlegen einen Abstinenzzeitraum von mindestens 17Stunden bis zu 6 Wochen zugrunde und werdenvon zwei weiteren hinreichend gut kontrollierten

Studien mit kürzerer Abstinenzzeit gestützt. Ob-wohl nicht immer und nicht in allen Tests be-obachtbar, kann man dennoch von konsistentnachgewiesenen Defiziten im verbalen Kurzzeitge-dächtnis bei regelmäßigen Cannabiskonsumentenwährend der Abstinenz ausgehen. Was die genau-en Bedingungen für ihre Manifestierung sind, bleibtaber bislang unklar. Die Defizite können bis zu min-destens 6 Wochen Abstinenz persistent sein.

Das visuelle Kurzzeitgedächtnis wurde bisher vonlediglich zwei verschiedenen Arbeitsgruppen un-tersucht. POPE et al. (1997) konnten zunächstkeine Beeinträchtigung beim Erinnern von Musternnach 19-stündiger Abstinenz finden. Untersuchtwurden in dieser Studie regelmäßige Cannabiskon-sumenten mit einer Konsumfrequenz von 29-malpro Woche. In einer späteren Untersuchung dieserArbeitsgruppe wurden regelmäßige Konsumentenmit mehr als 5.000 Einzelkonsumepisoden undeiner gegenwärtigen Konsumfrequenz von mehrals 7-mal pro Woche nach 0, 7 und 28 Tagen Ab-stinenz untersucht. Signifikante Defizite beim Erin-nern geometrischer Figuren traten nach 0 Tagen,aber nicht nach 7 und 28 Tagen Abstinenz auf(POPE et al., 2001, 2002). Wie viele Stunden dieAngabe „0 Tage” dabei umfasst, geht aus der Be-schreibung allerdings nicht hervor. Größere Absti-nenzzeiträume wurden von SCHWARTZ et al.(1989) in einer Studie an Personen mit nach DSM-III diagnostizierter Cannabisabhängigkeit unter-sucht. Die Autoren berichten nach 2 bis 5 TagenAbstinenz signifikante Defizite beim Erinnern einfa-cher geometrischer Figuren, jedoch nicht in einemTest zum Erinnern einer komplexen Figur. Nach 6-wöchiger Abstinenz war in keinem der beiden Testseine signifikante Beeinträchtigung mehr nachweis-bar. Angesichts der noch relativ dünnen Datenlagekann bisher nicht von konsistent nachgewiesenenDefiziten im visuellen Kurzzeitgedächtnis ausge-gangen werden.

Im Bereich des Langzeitgedächtnisses wurde bis-her nur das deklarative und dabei nur das verbaleLangzeitgedächtnis untersucht. POPE et al. (2001,2002) untersuchten dabei das Erinnern von verba-lem Material bei regelmäßigen Cannabiskonsu-menten mit täglichem Konsum und mindestens5.000 vorangegangenen Konsumepisoden nach 0,1, 7 und 28 Tagen Abstinenz. Signifikante Defiziteim verbalen Langzeitgedächtnis wurden nach einerAbstinenz von 0, 1 und 7 Tagen gefunden. Nach 28Tagen Abstinenz war dagegen keine Beeinträchti-gung mehr nachweisbar (POPE et al., 2001, 2002).

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Diese Studie ist bisher die einzige mindestens hin-reichend gut kontrollierte Untersuchung, die Defizi-te im verbalen Langzeitgedächtnis bei regelmäßi-gen Cannabiskonsumenten während der Abstinenzfand. CARLIN & TURPIN (1977) fanden nach 24Stunden Abstinenz keine Defizite im allgemeinenWissen und im Wortschatz bei Konsumenten mitmindestens einer Konsumepisode pro Tag übermehr als 2 Jahre. Weder das Erinnern von Wortlis-ten noch das von Geschichten waren bei regel-mäßigen Cannabiskonsumenten mit entweder 8oder 34 Jahren Konsumdauer bei einer Konsumfre-quenz von 2- bis 7-mal pro Woche nach 72-stündi-ger Abstinenz signifikant beeinträchtigt (FLET-CHER et al., 1996). Diese Befunde werden zudemdurch die Arbeit von SCHAEFFER et al. (1981) ge-stützt, die jedoch nicht als hinreichend gut kontrol-liert angesehen werden muss. Die Autoren konntenkeine Defizite beim Abruf des Allgemeinwissens beiCannabiskonsumenten mit 7,4-jähriger Konsum-dauer und einer Konsumfrequenz von mindestenseinmal pro Tag finden. Der in dieser Studie unter-suchte Abstinenzzeitraum bleibt jedoch unklar. Er-gänzend dazu ist auch der Befund von BOWMAN& PIHL (1973) zum visuellen Langzeitgedächtnis.Ähnlich wie in den meisten anderen Studien zumLangzeitgedächtnis konnten auch hier keine signi-fikanten Defizite nach 4-stündiger Abstinenz beiKonsumenten mit einem täglichen Konsum übereine Zeitraum von mindestens 10 Jahren gefundenwerden (BOWMAN & PIHL, 1973). Verschiedeneandere, ebenfalls nicht hinreichend gut kontrollier-te Studien berichten über Hinweise auf eine gene-relle Störung des Gedächtnisses, erfasst durch denGesamtscore der Wechsler-Memory-Scale. Wederdie Studie von SETHI et al. (1981) noch die vonVAYA & BUCH (1986) verwenden jedoch Kontroll-gruppen bzw. verzichten auch auf eine teststatisti-sche Auswertung der Daten. Da zudem die Be-schreibung der untersuchten regelmäßigen Canna-biskonsumenten sehr lückenhaft ist, können dieseStudien kaum zur Beurteilung von Effekten auf dasLangzeitgedächtnis beitragen. Insgesamt kann fürdas Langzeitgedächtnis bei regelmäßigen Canna-biskonsumenten während der Abstinenz bishernicht von einer konsistent nachgewiesenen Beein-trächtigung ausgegangen werden. Weitere Unter-suchungen mit sensitiveren Testverfahren bleibenjedoch abzuwarten.

Aus dem Bereich der kognitiven Fähigkeiten sindauf Ebene der Bahnführung die Abstraktion, diementale Flexibilität und die verbalen Fähigkeiten

untersucht worden. Von allen Untersuchungen zuden Abstraktionsfähigkeiten konnte bisher ersteine mindestens hinreichend gut kontrollierte Stu-die ein signifikantes Defizit finden. WIG & WARMA(1977) untersuchten das Abstrahieren visueller Muster bei regelmäßigen Konsumenten, die eineKonsumdauer von mindestens 5 Jahren bei einemtäglichen geschätzten Konsum von 50 mg ∆9-THCaufwiesen. Da bei dieser Studie aber lediglich eineAbstinenzzeit von 12 Stunden vorlag, kann einetendenzielle Überschätzung der Effekte durch Kon-fundierung mit den residualen Cannabiseffektennach der letzten Einnahme nicht ausgeschlossenwerden. Eine andere Studie desselben Institutesuntersuchte das Abstrahieren visueller Musternach nur 12 Stunden Abstinenz. Bei einer ver-gleichbaren Population wie in der ersten Studie, d. h. die Konsumdauer betrug etwa 5 Jahre beieiner Frequenz von mindestens 20-mal pro Monat,konnten die Autoren jedoch keine signifikante Be-einträchtigung des Abstraktionsvermögens finden(VARMA et al., 1988). Auch alle anderen zur Abstraktion vorliegenden Studien konnten eben-falls keine signifikanten Defizite nachweisen. Dasgilt für die Studie von SOLOWIJ et al. (2002a), dienach 17 Stunden Abstinenz das Bilden und Wech-seln von Kategorien bei regelmäßigen Konsumen-ten mit 10,2 oder 23,9 Jahren Konsumdauer beitäglichem Konsum untersuchte, genauso wie fürdie Studie von CARLIN & TURPIN (1977), die nach24 Stunden Abstinenz das Abstraktionsvermögenan ebenfalls täglichen Konsumenten mit einer Kon-sumdauer von mindestens 2 Jahren erfasste. AuchFLETCHER et al. (1996) konnten weder bei Konsu-menten mit einer Konsumdauer von 8 noch von 34Jahren bei einer Konsumfrequenz von 2- bis 7-malpro Woche nach 72 Stunden Abstinenz ein signifi-kantes Defizit beim Kategorien-Bilden oder -Wech-seln finden. In der Studie von POPE et al. (2001,2002) wurden das Abstrahieren visueller Musterund das Bilden und Wechseln von Kategorien beiregelmäßigen Cannabiskonsumenten nach 28Tagen Abstinenz untersucht. Auch hier fanden sichkeine Hinweise auf signifikante Defizite. Weitere, je-doch nicht hinreichend gut kontrollierte Studienkonnten ebenfalls keine Hinweise auf eine Beein-trächtigung des Abstraktionsvermögens bei absti-nenten regelmäßigen Cannabiskonsumenten miteiner Konsumdauer von 7,4 bzw. mehr als 10 Jah-ren finden (SCHAEFFER et al., 1981; BOWMAN &PIHL, 1973). Insgesamt sprechen die vorliegendenBefunde eindeutig gegen eine konsistente Beein-trächtigung des Abstraktionsvermögens bei regel-

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mäßigen Cannabiskonsumenten während der Ab-stinenz.

Bei Untersuchungen zur mentalen Flexibilität konn-ten MENDHIRATTA et al. (1978) signifikante Defizi-te beim Finden von Wortassoziationen sowohl ineiner Population von Bhang-Trinkern als auch ineiner Population von Charas/Ganja-Rauchern zei-gen, die beide zum Testzeitpunkt einen mindestens4-jährigen täglichen Konsum aufwiesen. Auch eineFolgeuntersuchung dieser Population 10 Jahrespäter ergab jeweils signifikante Defizite in dermentalen Flexibilität, bei jetzt mindestens 14-jähri-gem Konsum (MENDHIRATTA et al., 1988). Eineweitere Studie dieses Institutes fand in einer ande-ren Population regelmäßiger Cannabiskonsumen-ten mit 5 Jahren Konsumdauer und einer Frequenzvon mehr als 20-mal pro Monat ebenfalls eine sig-nifikante Beeinträchtigung der mentalen Flexibilität(VARMA et al., 1988). Alle drei Studien untersuch-ten die Konsumenten allerdings nach einer nur 12-stündigen Abstinenzzeit. Wie oben bereits disku-tiert, sind dabei Konfundierungseffekte mit der letz-ten Einnahme besonders bei täglichen Konsumen-ten sehr wahrscheinlich, was zu einer tendenziellenÜberschätzung von Leistungsdefiziten führen kann(POPE et al., 1995).

Die verbalen Fähigkeiten sind bisher in lediglichzwei mindestens hinreichend gut kontrolliertenStudien untersucht worden. SOLOWIJ et al.(2002a) konnten nach 17 Stunden Abstinenz wederbei den Konsumenten mit 10,2 Jahren Konsum-dauer noch bei denen mit 23,9 Jahren Konsum-dauer bei jeweils täglichem Konsum signifikanteDefizite in zwei Aufgaben zu den verbalen Fähigkeitfinden. BLOCK & GHONEIM (1993) untersuchtendas Sprachverständnis, die Sprachproduktion unddas Finden von Synonymen bei Konsumenten mit5,8 Jahren Konsumdauer und einer Konsumfre-quenz von 5 bis 6-mal pro Woche und bei Konsu-menten mit 6,2 Jahren Konsumdauer bei einerKonsumfrequenz von mehr als 7-mal pro Woche. Inder Population mit der kürzeren Konsumdauerließen sich nach 24 Stunden Abstinenz in keinemder drei Tests signifikante Defizite finden. In der Po-pulation mit der hohen Konsumfrequenz und derlängeren Konsumdauer war dagegen die Sprach-produktion, nicht aber das Sprachverständnis unddas Synonyme-Finden signifikant beeinträchtigt(BLOCK & GHONEIM, 1993). Insgesamt liegen bis-her noch zu wenig Befunde vor, um sichere Aussa-gen über eine konsistente Beeinträchtigung derverbalen Fähigkeiten bei regelmäßigen Cannabis-

konsumenten während der Abstinenz machen zukönnen. Die vorhandenen gut kontrollierten Studi-en deuten jedoch eher auf das Ausbleiben von De-fiziten hin.

Navigation

Auf Ebene der Navigation sind bei regelmäßigenCannabiskonsumenten während der Abstinenz daslogische Denken und die arithmetischen Fähigkei-ten untersucht worden. Zu diesen beiden Leis-tungsbereichen ist die Anzahl der vorliegenden undmindestens hinreichend gut kontrollierten Studienjedoch relativ klein. CARLIN & TURPIN (1977)konnten in einer Aufgabe, bei der Bilder in einer lo-gisch richtigen Reihenfolge geordnet werden soll-ten, nach 24-stündiger Abstinenz keine signifikan-te Beeinträchtigung bei regelmäßigen Konsumen-ten mit einem mehr als 2-jährigen täglichen Kon-sum finden. BLOCK & GHONEIM (1993) fandennach 24 Stunden Abstinenz ebenfalls keine signifi-kanten Defizite in einer Aufgabe zum quantitativenDenken in einer Population mit 5 bis 6-malwöchentlichem Cannabiskonsum über 5,8 Jahre.Dagegen zeigte sich eine signifikante Beeinträchti-gung in der Population mit einer Konsumfrequenzvon mehr als 7-mal pro Woche über einen Zeitraumvon 6,2 Jahren (BLOCK & GHONEIM, 1993). KeineDefizite im logischen Denken fanden wiederumSCHAEFFER et al. (1981) in einer nicht hinreichendgut kontrollierten Studie an regelmäßigen Canna-biskonsumenten mit einem Konsum von mindes-tens einmal pro Tag über 7,4 Jahre. Insgesamt istdie Anzahl der mindestens hinreichend gut kontrol-lierten Studien aber noch zu gering, um sichereAussagen zum logischen Denken bei regelmäßigenCannabiskonsumenten während der Abstinenzmachen zu können.

CARLIN & TURPIN (1977) untersuchten an densel-ben Versuchspersonen auch die arithmetischenFähigkeiten nach 24-stündiger Abstinenz. Auchdabei waren keine signifikanten Defizite festzustel-len, ebenso wenig wie in der Studie von SOLOWIJet al. (2002a). Weder Konsumenten mit 10,2 nochmit 23,9 Jahren Konsumdauer bei täglichem Kon-sum zeigten hier nach 17 Stunden Abstinenz einebeeinträchtigte Leistungsfähigkeit bei der seriellenAddition. Auch für die kognitive Leistung der Arith-metik sind noch weitere Studien, die jedoch nichthinreichend gut kontrolliert wurden, bekannt.Weder RAY et al. (1979) noch SCHAEFFER et al.(1981) konnten allerdings Hinweise auf Defizite inden arithmetischen Leistungen bei abstinenten re-

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gelmäßigen Cannabiskonsumenten finden. Ähnlichwie für das logische Denken gibt es auch für diearithmetischen Fähigkeiten bei regelmäßigenCannabiskonsumenten während der Abstinenz bis-her keine Hinweise auf eine konsistente Leistungs-beeinträchtigung.

Neben den unmittelbar fahrrelevanten Leistungenwurden bei regelmäßigen Cannabiskonsumentennoch weitere neuropsychologische Leistungen un-tersucht, die sich keiner der drei Ebenen Stabilisie-rung, Bahnführung oder Navigation zuordnen las-sen. Dazu zählt unter anderem die motorische Ge-schwindigkeit in Tappingaufgaben. MENDHIRATTAet al. (1978, 1988) untersuchten das Handtappingbei Bhang- und Charas/Ganja-Konsumenten mittäglichem Konsum nach 12 Stunden Abstinenz.Nach einer Konsumdauer von mehr als 4 Jahrenfanden die Autoren signifikante Defizite im Hand-tapping bei den Charas/Ganja-Konsumenten, abernicht bei den Bhang-Konsumenten. Nach einerKonsumdauer von mehr als 14 Jahren waren dage-gen beide Gruppen in dieser Leistung signifikantbeeinträchtigt (MENDHIRATTA et al., 1978, 1988).Auch VARMA et al. (1988) konnten in einer Studiedesselben Institutes in Indien bei Konsumenten miteinem 5-jährigen Konsum und einer Konsumfre-quenz von mindestens 20-mal pro Monat nach 12Stunden Abstinenz signifikante Defizite im Hand-tapping finden. Auch hier muss jedoch kritisch an-gemerkt werden, dass bei einem Abstinenzzeit-raum von nur 12 Stunden eine Konfundierungdurch residuale Effekte des letzten Cannabiskon-sums nicht ausgeschlossen werden kann. EineStudie von CARLIN & TURPIN (1977) erfasste dasFingertapping dagegen nach 24 Stunden Absti-nenz, konnte dabei allerdings keine signifikantenDefizite mehr feststellen. Untersucht wurden dabeiKonsumenten, die mehr als 2 Jahre lang mindes-tens 1-mal täglich Cannabis konsumiert hatten.Auch eine nicht hinreichend gut kontrollierte Studievon BOWMAN & PIHL (1973) konnte keine signifi-kanten Defizite im Fingertapping bei regelmäßigenCannabiskonsumenten mit einer Konsumdauervon mehr als 10 Jahren bei einer Konsumfrequenzvon mindestens einmal pro Tag finden. Insgesamtkann anhand der bekannten Befunde jedoch nichtvon einer konsistenten Beeinträchtigung der moto-rischen Geschwindigkeit ausgegangen werden.

Fazit

Die neuropsychologischen Leistungen bei regel-mäßigen Cannabiskonsumenten wurden bisher in

einer Vielzahl mindestens hinreichend gut kontrol-lierter Studien untersucht. Für alle drei Ebenen derFahrzeugführung liegen dabei Untersuchungen vor.Auf der Ebene der Stabilisierung konnten zwar Hin-weise auf eine signifikant beeinträchtigte Zeitwahr-nehmung bei regelmäßigen Cannabiskonsumentenwährend der Abstinenz gefunden werden. Voneinem konsistenten Nachweis einer solchen Beein-trächtigung kann aber gegenwärtig noch nicht aus-gegangen werden, insbesondere da sich alle Nach-weise lediglich auf einen Zeitraum von 12 bis 17Stunden nach der letzten Einnahme konzentrieren.Um von einem konsistenten Nachweis der Defizitein der Zeitwahrnehmung sprechen zu können, sindaber erst noch weitere Studien, insbesondere mitlängeren Abstinenzzeiträumen, erforderlich. Auchdie hinreichend gut kontrollierten Studien zur visu-ellen Wahrnehmung bei regelmäßigen Cannabis-konsumenten während der Abstinenz ergaben Hin-weise auf eine Beeinträchtigung bis zu 12 Stundennach der letzten Einnahme. Aufgrund einiger wich-tiger Einschränkungen, zu denen auch das kurzeIntervall nach dem letzten Konsum zählt, kann je-doch auch hierbei nicht von konsistent nachgewie-senen Defiziten gesprochen werden. Zur auditori-schen Wahrnehmung können aufgrund fehlenderUntersuchungen für diese Konsumsituation bisherkeine Aussagen gemacht werden. Aus dem Be-reich der Aufmerksamkeit ist bisher lediglich dieselektive Aufmerksamkeit eingehend untersuchtworden. Auch hier finden einzelne Tests signifikan-te Beeinträchtigungen bis zu 72 Stunden nach derletzten Einnahme. Um von einem konsistentenNachweis der Defizite in der selektiven Aufmerk-samkeit sprechen zu können, sind aber erst nochweitere Studien mit längeren Abstinenzzeiträumen,erforderlich. Zur geteilten und dauerhaften Auf-merksamkeit liegen derzeit noch zu wenig mindes-tens hinreichend gut kontrollierte Studien vor, umsichere Aussagen machen zu können. Die vorhan-denen gut kontrollierten Studien fanden bisherkeine Hinweise auf eine Beeinträchtigung bei regel-mäßigen Cannabiskonsumenten während der Ab-stinenz. Aus dem Bereich der Motorik wurde aufEbene der Stabilisierung lediglich die Reaktionszeiterfasst, wobei die Ergebnisse zeigen, dass gegen-wärtig nicht von einer konsistent nachgewiesenenBeeinträchtigung der Reaktionszeit ausgegangenwerden kann. Auf Ebene der Bahnführung wurdendie Motorik, das Gedächtnis und verschiedene ko-gnitive Fähigkeiten untersucht. Alle bekannten Be-funde, die eine signifikante Beeinträchtigung dervisumotorischen Koordination berichten, stammen

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von nur einer Arbeitsgruppe und untersuchteneinen Abstinenzzeitraum von nur 12 Stunden, wasstreng genommen noch in die residuale Phase fällt.Andere und zum Teil deutlich besser kontrollierteStudien mit längeren Abstinenzzeiträumen fandenkeine Hinweise auf eine signifikante Beeinträchti-gung, weshalb für die visumotorische Koordinationgegenwärtig nicht von einem konsistenten Beein-trächtigungsnachweis ausgegangen werden kann.Zum Tracking sind für diese Konsumsituation keineStudien bekannt. Im Bereich des Gedächtnis wur-den das Kurzzeit- und das Langzeitgedächtnis un-tersucht. Obwohl nicht immer und nicht in allenTests beobachtbar, kann man dennoch von konsis-tent nachgewiesenen Defiziten im verbalen Kurz-zeitgedächtnis bei regelmäßigen Cannabiskonsu-menten während der Abstinenz ausgehen. Was diegenauen Bedingungen für die Manifestierung die-ser Defizite sind, bleibt aber bislang unklar. Relativklar ist jedoch, dass die Effektstärke trotz statisti-scher Signifikanz in der Regel nicht sehr groß ist.Wie genau die einzelnen Konsumdimensioneneines regelmäßigen Cannabiskonsumenten ausge-prägt sein müssen, damit sich während der Absti-nenz ein Defizit im verbalen Kurzzeitgedächtnismanifestiert, ist anhand der bekannten Literaturnicht zu ermitteln. Diese Defizite können jedoch biszu mindestens 6 Wochen Abstinenz persistentsein. Für das visuelle und auditorische Kurzzeitge-dächtnis liegen derzeit noch nicht genug Befundevor, um sichere Aussagen über mögliche Beein-trächtigungen machen zu können. Im Bereich desLangzeitgedächtnisses ist bisher nur das deklarati-ve Gedächtnis untersucht worden, speziell das ver-bale Langzeitgedächtnis. Nach Bewertung allerBefunde kann für das verbale Langzeitgedächtnisbei regelmäßigen Cannabiskonsumenten währendder Abstinenz bisher nicht von einer konsistentnachgewiesenen Beeinträchtigung ausgegangenwerden. Weitere Untersuchungen mit sensitiverenTestverfahren bzw. zu anderen Komponenten desLangzeitgedächtnisses bleiben jedoch abzuwar-ten. Auch im Bereich der kognitiven Fähigkeiten,die bereits auf Ebene der Bahnführung relevantsind, konnten keine Leistungen identifiziert werden,für die konsistent eine Beeinträchtigung nachge-wiesen wurde. Untersucht wurden dabei das Ab-straktionsvermögen, die mentale Flexibilität unddie verbalen Fähigkeiten. Auf Ebene der Navigationwurden das logische Denken und die arithmeti-schen Fähigkeiten untersucht. Aufgrund der nochrelativ dünnen Datenbasis sind für diese Leistun-gen derzeit noch keine sichern Aussagen möglich.

Die vorhandenen Befunde sprechen aber ehergegen das Auftreten von Defiziten. Ergänzend wur-den auch die neuropsychologischen Leistungenuntersucht, die sich nicht den drei Ebenen derFahrzeugführung zuordnen lassen. Auch hier fandsich bisher keine Leistung, für die eine konsistenteBeeinträchtigung nachweisbar war.

Insgesamt konnte für die Konsumsituation des re-gelmäßigen Cannabiskonsumenten während derAbstinenz von einer beträchtlichen Anzahl mindes-tens hinreichend gut kontrollierter Studien bishernur für das verbale Kurzzeitgedächtnis ein signifi-kantes Defizit konsistent nachgewiesen werden.Unsere Analyse deckt sich prinzipiell mit der Ein-schätzung der Effekte eines chronischen Cannabis-konsums von POPE et al. (1995), die ausdrücklichauf eine Unterscheidung zwischen den residualenEffekten des letzten Konsums und den persistentenLangzeiteffekten nach dem Auswaschen der Cann-abinoide bei regelmäßigen Konsumenten hinweisen.Die Autoren schließen ihre Auswertung mit der Fest-stellung, dass es zum damaligen Zeitpunkt wedergenügend Befunde zum Annehmen noch zum Ab-lehnen persistenter Defizite gibt. HALL & SOLOWIJ(1997, 1998) haben in späteren Übersichtsarbeitenebenfalls kaum offensichtliche Verhaltensdefizitekonstatieren können. Diese und andere Autoren (z.B. GONZALES et al., 2002) betonen aber, dass sub-tile Defizite durchaus nicht ausgeschlossen werdenkönnen. Der Beginn des Cannabisgebrauchs könn-te dabei eine wichtige Rolle spielen, wie eine Re-analyse früherer Daten von POPE et al. (2003) zeigt.Die Autoren fanden dabei Hinweise auf vermehrteDefizite bei Jugendlichen, die bereits vor dem 17.Lebensjahr mit dem Konsum begonnen hatten. Umdiese Effekte sicher erfassen zu können, bedarf esaber noch weiterer Untersuchungen mit deutlichsensitiveren Testverfahren. Ob diese subtilen Defizi-te eine potenzielle Verkehrsrelevanz haben, kannaber bezweifelt werden.

Generell muss bei der hier vorgenommenen Defizit-bewertung betont werden, dass die Betrachtungder Abstinenzzeit eine besondere Rolle spielte. Istder untersuchte Abstinenzzeitraum zu kurz, mussgenerell damit gerechnet werden, dass die beob-achteten Leistungsdefizite nicht notwendig durchden regelmäßigen Cannabiskonsum über einelange Zeit bedingt sind, sondern möglicherweiseresiduale Cannabiseffekte der vorangegangenenletzten Einnahme widerspiegeln (POPE et al.,1995). Diese Erwägung wurde in vielen Studienvernachlässigt. Die beobachteten Defizite wurden

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dann, auch nach Abstinenzzeiten von nur 4 bis 12Stunden, ausschließlich dem regelmäßigen Kon-sum zugeschrieben. Dass sie auch durch die zudiesem Zeitpunkt noch im Organismus befindli-chen psychoaktiven Cannabinoide bedingt seinkönnen, wird häufig nicht einmal erwähnt. Damitwird auch klar, dass Studien, die keine Angaben zuden Abstinenzzeiträumen machen (z. B. BRUHN &MAAGE, 1975; SOUEIF et al., 1975, 1976), letztlichnicht im Sinne persistenter Defizite interpretierbarsind. Ob das Verschwinden von einzelnen signifi-kanten Defiziten, die nach kurzer Abstinenz gefun-den wurden, bei einer wiederholten Testung nachlanger Abstinenz eine funktionale Erholung oder le-diglich das Ende der Effekte des letzten Konsumsreflektiert, bleibt ebenfalls unklar (siehe auch:POPE, 2002).

Bedeutung für die Fahreignung

Die einzige bisher konsistent als beeinträchtigtnachgewiesene neuropsychologische Leistung beiregelmäßigen Cannabiskonsumenten währen derAbstinenz ist das verbale Kurzzeitgedächtnis, eineLeistung auf Ebene der Bahnführung. Da es dieeinzige konsistent beeinträchtigte Leistung und dieStärke der Beeinträchtigung zudem nicht sehrhoch ist, kann davon ausgegangen werden, dasseine Kompensation dieser Defizite auf Ebene derLeistungsinteraktionen noch möglich sein dürfte.Ähnlich wie bei einem abstinenten Gelegenheits-konsumenten von Cannabis kann deshalb auch beieinem abstinenten regelmäßigen Konsumentennach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnissenicht von einer prinzipiellen Beeinträchtigung derFahreignung ausgegangen werden.

4.1.5 Regelmäßiger Konsument: akuter Konsum

Wie die Analyse der neuropsychologischen Leis-tungen bei regelmäßigen Cannabiskonsumentenwährend der Abstinenz zeigte, sind kaum verkehrs-sicherheitsrelevante Defizite konsistent nachweis-bar. Während der Abstinenz ist nach dem gegen-wärtigen Stand der Erkenntnisse das Leistungs-profil von regelmäßigen Cannabiskonsumenten mitdem von gelegentlichen Cannabiskonsumentenvergleichbar. Die Bioverfügbarkeit von ∆9-THCwird durch täglichen Marihuanakonsum nicht he-rabgesetzt (PEREZ-REYES et al., 1991). AndereAutoren fanden eine erhöhte Bioverfügbarkeit beiregelmäßigen Konsumenten gegenüber den Gele-genheitskonsumenten, was jedoch durch einen ef-

fizienteren Rauchvorgang bedingt sein könnte(OHLSSON et al., 1982). Der zeitliche Verlauf der∆9-THC-Konzentration im Plasma differierte eben-falls nicht nennenswert zwischen regelmäßigenund gelegentlichen Cannabiskonsumenten nachdem Rauchen von Marihuana (OHLSSON et al.,1982; PEREZ-REYES et al., 1991). KELLY & JONES(1992) konnten zeigen, dass sich die Halbwertszei-ten von ∆9-THC und THC-COOH im Plasma undUrin bei gelegentlichen und regelmäßigen Canna-biskonsumenten nach ∆9-THC-Verabreichung (i. v.)nicht signifikant unterscheiden, auch wenn dieNachweisbarkeit von THC-COOH im Urin bei re-gelmäßigen Konsumenten deutlich verlängert ist(siehe auch: ELLIS et al., 1985; SMITH-KIELLANDet al., 1999). Die Frage ist nun, ob deshalb auch beiregelmäßigen Konsumenten nach akutem Canna-biskonsum mit vergleichbaren Defiziten auf Verhal-tensebene zu rechnen ist wie bei Gelegenheitskon-sumenten.

4.1.5.1 Leistungen im Fahrsimulator/Real-fahrt/Flugsimulator

Bisher sind keine Realfahrtstudien oder Studien imFahrt- oder Flugsimulator bei regelmäßigen Canna-bsikonsumenten nach akutem Konsum bekannt.

4.1.5.2 Leistungen in neuropsychologischenTests

Im Gegensatz zu den akuten Effekten des Canna-biskonsums bei Gelegenheitskonsumenten liegenfür regelmäßige Konsumenten nur wenige Studienvor, was die Beurteilung möglicher Defizite gegen-wärtig sehr einschränkt. Lediglich zwei hinreichendgut kontrollierte Studien sind bisher für diese Kon-sumsituation bekannt, die zudem nur Leistungenauf Ebene der Stabilisierung und Bahnführung,nicht aber auf Ebene der Navigation untersuchen.

Stabilisierung

Auf dieser Ebene wurden in nur einer hinreichendgut kontrollierten Studie Leistungen der Sensorikund der Aufmerksamkeit nach akutem Marihuana-konsum erfasst. MEYER et al. (1971) untersuchtendie Zeitwahrnehmung und die visuelle Wahrneh-mung bei regelmäßigen Cannabiskonsumenten,die einen ungefähr täglichen Konsum aufwiesen. Inbeiden Tests konnten 30 Minuten nach dem Rau-chen von Marihuana mit 2,25 mg ∆9-THC keinesignifikanten Leistungsbeeinträchtigungen festge-stellt werden. Auch die selektive und die dauerhaf-

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te Aufmerksamkeit waren nach dem Rauchen vonMarihuana bei diesen Versuchspersonen nicht signi-fikant beeinträchtigt (MEYER et al., 1971). Eine wei-tere, jedoch nicht hinreichend gut kontrollierte Stu-die von HART et al. (2001) untersuchte die visuell-räumliche Wahrnehmung 20 Minuten nach demRauchen von Marihuana mit entweder 1,8 % oder3,9 % ∆9-THC bei regelmäßigen Cannabiskonsu-menten mit einer mittleren Konsumdauer von 4 Jah-ren bei einer Konsumfrequenz von 6,1 Tagen proWoche. Auch diese Studie konnte keine Hinweiseauf eine signifikante Leistungsbeeinträchtigung indieser Wahrnehmungsleistung finden. Neben derEvaluation der Wahrnehmungsleistung untersuch-ten HART et al. (2001) in dieser Studi auch eine Leis-tung im Bereich der Motorik. Die Autoren konntenebenfalls für die Reaktionszeit keine signifikantenDefizite nach dem Rauchen von Marihuana nach-weisen. Aufgrund der nicht mehr nachvollziehbarenabsolut konsumierten Menge ∆9-THC in dieser an-sonsten ausführlich beschriebenen Studie könnendie Ergebnisse jedoch nicht für die Ermittelung eineskritischen Dosisbereichs herangezogen werden. ImGegensatz dazu berichten BELGRAVE et al. (1979)von signifikanten Defiziten in einem Faktor „Reakti-onsgeschwindigkeit“, der aus mehreren Einzeltestsmit hoher Ladung ermittelt wurde. Diese Defizite er-

gaben sich im Zeitraum von 100 bis 280 Minutennach dem oralen Konsum von 0,32 mg/kg ∆9-THC.Aufgrund der relativ ungewöhnlichen faktorenanaly-tischen Auswertung, die keine Aussagen zu den ein-zelnen Messzeitpunkten zulässt, können die Ergeb-nisse dieser Studie nicht ohne weiteres mit denenanderer Studien verglichen werden. AZORLOSA etal. (1992) erfassten die geteilte Aufmerksamkeit beiregelmäßigen Cannabiskonsumenten nach demRauchen von Marihuana mit 1,75 % oder 3,55 %∆9-THC im Zeitraum von 0 bis 45 Minuten nach demRauchen. Die Probanden inhalierten dabei entweder4, 10 oder 25 Züge der Marihuanazigarette. Es wirdeine signifikante Verschlechterung in der geteiltenAufmerksamkeit nach dem Rauchen der hohenKonzentration ∆9-THC mit 10 und 25, aber nichtnach 4 Zügen berichtet, wobei die genauen konsu-mierten ∆9-THC-Mengen leider unklar bleiben. Auchder zeitliche Verlauf der Defizite ist nicht mehr nach-zuvollziehen, da die Werte über 4 Einzeltestzeit-punkte nach 0, 15, 30 und 45 Minuten gemittelt wur-den (AZORLOSA et al., 1992). Insgesamt liegen bis-her nur sehr wenige mindestens hinreichend gutkontrollierte Studien zu den Leistungen auf Ebeneder Stabilisierung für die Konsumsituation des re-gelmäßigen Cannabiskonsumenten nach akutemKonsum vor. Keine dieser Studien konnte bisher sig-

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Tab. 16: Leistungsbeeinträchtigungen bei regelmäßigen Cannabiskonsumenten nach akutem THC-Konsum. Die angegebenen Leistungsunterschiede vs. Placebo-Bedingung beruhen auf den Ergebnissen der jeweils verwendeten statistischen Tests(↑/↓ signifikant verbessert/verschlechtert; --- nicht signifikant verändert). Die Konsumfrequenz und -dauer ist, wenn nichtanders gekennzeichnet, als Mittelwert angegeben: T: Tag, W: Woche, J: Jahre). Die Ebene der Fahrzeugführung, für dieeine Leistung relevant ist, wurde mit S: Stabilisierung, B: Bahnführung oder N: Navigation ausgewiesen. Studienqualität:gut kontrollierte Studie (++++ und +++); hinreichend kontrollierte Studie (++ und +)

getesteteLeistung

EbeneDauer des Konsums

verabreichte Menge THC

Testlatenzzur Einnahme

Effekt Studien-Qualität

Referenz

Wahrnehmung

Zeitwahrnehmung

Zeitspanne abschätzen S ~7 T./W. 2.25 mg 30 min --- + MEYER et al. (1971)visuell

Verborg. Figuren erkennen S ~7 T./W. 2.25 mg 30 min --- + MEYER et al. (1971)Aufmerksamkeit

Selektive Aufmerksamkeit

Farbwort-Interferenz-Test S ~7 T./W. 2.25 mg 30 min --- + MEYER et al. (1971)Dauerhafte Aufmerksamkeit

Reaktion auf visuelles Signal S ~7 T./W. 2.25 mg 30 min --- + MEYER et al. (1971)Motorik

Visumotorische Koordination

Zahlen-Symbol-Subst.-Test B ~7 T./W. 2.25 mg 30 min --- + MEYER et al. (1971)Tracking

Folgetracking B ~7 T./W. 2.25 mg 30 min --- + MEYER et al. (1971)Gedächtnis

Kurzzeitgedächtnis

verbales Assziationslernen B > 1 J./ > 4 mal/W. 14 mg 0 min --- + COHEN & RICKLES (1974)Langzeitgedächtnis

verbales Assziationslernen B > 1 J./ > 4 mal/W. 14 mg 0 min --- + COHEN & RICKLES (1974)

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nifikante Defizite nachweisen. Die dabei untersuch-ten Dosierungen ∆9-THC waren entweder sehr ge-ring oder wurden nicht genau angegeben.

Bahnführung

Auf Ebene der Bahnführung sind Leistungen im Be-reich der Motorik und des Gedächtnisses unter-sucht worden. MEYER et al. (1971) konnten beiKonsumenten mit ungefähr täglichem Konsum 30Minuten nach dem Rauchen von Marihuana mit 2,25mg ∆9-THC eine signifikante Beeinträchtigungweder in der visumotorischen Koordination nochbeim Folgetracking finden. AZORLOSA et al. (1992)untersuchten in einer nicht hinreichend gut kontrol-lierten Studie die visumotorische Koordination 0 bis45 Minuten nach dem Rauchen von Marihuana mit1,75 % oder 3,55 % ∆9-THC. Die Probbanden inha-lierten dabei entweder 4, 10 oder 25 Züge einer Ma-rihuanazigarette. Eine signifikante Verschlechterungin der visumotorischen Koordination wurde einheit-lich nur nach dem Rauchen der Zigaretten mit derhohen ∆9-THC-Konzentration und auch da nur für25 Züge gefunden. Die genau verabreichten Men-gen ∆9-THC sind jedoch genauso wenig nachvoll-ziehbar wie der zeitliche Verlauf der Defizite, dieüber 4 Einzeltestzeitpunkte (0, 15, 30 und 45 Minu-ten) gemittelt wiedergegeben wurden (AZORLOSAet al., 1992).

COHEN & RICKLES (1974) haben das Lernen undErinnern von verbalen Assoziationen bei regelmäßi-gen Konsumenten mit einer Konsumdauer von min-destens einem Jahr und einer Konsumfrequenz vonmindestens 4-mal pro Woche unmittelbar nach demRauchen von Marihuana mit 14 mg ∆9-THC gemes-sen. Der Abruf der gelernten Assoziationen wurdefür das Kurzzeitgedächtnis und eine Woche späterfür das Langzeitgedächtnis untersucht. Weder fürdas verbale Kurzzeitgedächtnis noch für das verba-le Langzeitgedächtnis konnten dabei signifikanteDefizite gegenüber einer Placebo-Bedingung nach-gewiesen werden (COHEN & RICKLES, 1974). DieLeistungen im verbalen Kurzzeitgedächtnis wurdenzudem in einer nicht hinreichend gut kontrolliertenStudie von HART et al. (2001) erfasst. Die Autorenuntersuchten zwei Aufgaben zum Lernen und Erin-nern von Textinformation oder von Zahlenfolgen beiregelmäßigen Konsumenten mit einer Konsumdauervon 4 Jahren und einem Konsum an 6,1 Tagen proWoche. Keine der beiden Aufgaben war 20 Minutennach dem Rauchen von Marihuana mit einem ∆9-THC-Gehalt von 1,8 % oder 3,9 % signifikant be-einträchtigt (HART et al., 2001). An denselben Ver-suchspersonen wurde auch ein Test zur kognitiven

Leistung des Abstraktionsvermögens durchgeführt,bei dem Wortlisten kategorisiert werden sollten.Auch in diesem Test konnten die Autoren nach demRauchen von Marihuana mit 1,8 % oder 3,9 % ∆9-THC keine signifikante Beeinträchtigung finden.AZORLOSA et al. (1992) untersuchten in einer nichthinreichend gut kontrollierten Studie das verbaleKurzzeitgedächtnis für Zahlen mit zwei unterschied-lichen Anforderungsprofilen 0 bis 45 Minuten nachdem Rauchen von Marihuana mit 1,75 % oder 3,55 % ∆9-THC. Die Probanden inhalierten dabeientweder 4, 10 oder 25 Züge einer Marihuanaziga-rette. Das Erinnern einer einfachen Zahlenfolge wardabei lediglich nach dem Rauchen der Marihuana-zigarette mit 3,55 % ∆9-THC nach 25 Zügen signifi-kant beeinträchtigt. Beim reversen Wiedergeben derZahlenfolge waren dagegen schon nach 10 Zügensignifikante Defizite nachweisbar (AZORLOSA et al.,1992). Die genauen konsumierten Mengen ∆9-THCsind jedoch nicht mehr zu ermitteln, ebenso wie derzeitliche Verlauf der Defizite innerhalb der ersten 45Minuten nach dem Rauchen. Insgesamt ergibt sichin dieser Konsumsituation für die Leistungen aufEbene der Bahnführung ein ähnliches Bild wie fürdie Leistungen auf Ebene der Stabilisierung: Es lie-gen zurzeit nicht genügend Studien vor, um übermögliche Leistungsbeeinträchtigungen sichere Aus-sagen machen zu können. Die wenigen bekanntenStudien konnten bisher keine Hinweise auf signifi-kante Leistungsdefizite finden.

Navigation

Zu den Leistungen auf Ebene der Navigation sinduns derzeit keine mindestens hinreichend gut kon-trollierten Studien bekannt. Eine als nicht hinrei-chend gut bewertete Studie von HART et al. (2001)untersuchte die arithmetischen Fähigkeiten bei re-gelmäßigen Cannabiskonsumenten (siehe oben) 20Minuten nach dem Rauchen von Marihuana mit 1,8 % oder 3,9 % ∆9-THC. Auch in dieser Aufgabekonnten die Autoren keine signifikanten Defizitenachweisen. BELGRAVE et al. (1979) fanden wie-derum signifikante Defizite in einem Faktor „kogniti-ve Leistungsfähigkeit“, der aus mehreren Einzeltestsmit hoher Ladung ermittelt wurde. Diese Defizite er-gaben sich im Zeitraum von 100 bis 280 Minutennach dem oralen Konsum von 0,32 mg/kg ∆9-THC.Statistische Einzelvergleiche zu den einzelnen Messzeitpunkten wurden jedoch nicht angegeben.

Fazit

Für die Konsumsituation des regelmäßigen Canna-biskonsumenten nach akutem Cannabis- bzw. Ma-

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rihuanakonsum liegen derzeit mit Abstand die we-nigsten mindestens hinreichend gut kontrolliertenUntersuchungen vor. Diese Sachlage ist verwunder-lich, da für diese spezielle Konsumsituation Leistungsdefizite als intuitiv wahrscheinlich gelten.Auf keiner der drei Ebenen, Stabilisierung, Bahn-führung oder Navigation, konnten in mindestenshinreichend gut kontrollierten Studien überhauptsignifikante Defizite in den neuropsychologischenLeistungen bei regelmäßigen Cannabiskonsumen-ten nach akutem Konsum nachgewiesen werden. ImGegensatz zu den Gelegenheitskonsumenten kannfür regelmäßige Konsumenten von Cannabis an-hand der existierenden wissenschaftlichen Befundederzeit nicht von nachgewiesenen Defiziten ausge-gangen werden! Sie können aber auch nicht ausge-schlossen werden, da nur wenige Studien vorliegen.Auch die Vermutung, dass es bei regelmäßigen Kon-sumenten nach akutem Konsum zu einem additivenEffekt von Akutwirkung und Langzeiteffekten vonCannabis kommt, entbehrt zurzeit einer wissen-schaftlich gesicherten Grundlage. Auch wenn der-zeit nichts dafür spricht, dass die Verhaltensdefizitenach akutem Cannabiskonsum bei regelmäßigenKonsumenten größer sind als bei Gelegenheitskon-sumenten, muss davon ausgegangen werden, dassdiese Defizite auch nicht bedeutend kleiner sind. DieAnwendung der Befunde für Gelegenheitskonsu-menten auf regelmäßige Konsumenten scheint da-mit geboten, solange für diese Konsumsituationnoch keine explizite Literatur existiert. Die wenigenvorliegenden Studien für diese wichtige Konsumsi-tuation zeigen, dass an dieser Stelle der aktuelleForschungsbedarf mit am größten sein dürfte.

Bedeutung für die Fahrtüchtigkeit

Die Auswertung der neuropsychologischen Studi-en zum akuten Cannabiskonsum bei regelmäßigenKonsumenten hat gezeigt, dass man nicht vonstärker ausgeprägten Verhaltensdefiziten im Ver-gleich zu den Gelegenheitskonsumenten nach aku-tem Konsum ausgehen kann. Gleichzeitig gibt eskeine Hinweise darauf, dass die Defizite bedeutendkleiner sind als bei den Gelegenheitskonsumenten.Die Ergebnisse der Defizitanalyse für Gelegenheits-konsumenten können deshalb in ihren Ergebnissenauf die regelmäßigen Konsumenten übertragenwerden. Für die Fahrtüchtigkeit und ihre Einschrän-kung nach akutem Cannabiskonsum ergeben sichdamit für die regelmäßigen Konsumenten die glei-chen Konsequenzen wie für die Gelegenheitskon-sumenten (siehe 4.1.3.2).

4.1.6 Cannabis und psychiatrische Erkrankungen

Der Konsum von Cannabis wurde in der Vergan-genheit häufig in Verbindung mit schizophrenenPsychosen gebracht (z. B. PETERS, 1993). DasAuftreten einer schizophrenen Symptomatik ansich stellt die Eignung zum Führen eines Fahrzeu-ges prinzipiell in Frage. Cannabis-induzierte Psy-chosen sind schon seit längerer Zeit in der Litera-tur bekannt (NAHAS, 1993). TÄSCHNER (1986)gibt dazu einen ausführlichen historischenÜberblick. Eine Cannabis-induzierte Schizophrenieist vor allem durch visuelle und auditorische Wahr-nehmungsstörungen, Störungen des Körperge-fühls, visuelle und auditorische Halluzinationen,Störungen des Denkens, Depersonalisation undDerealisation gekennzeichnet (z. B. AMES, 1958;ISBELL et al., 1967; D’SOUZA et al., 2004). Darü-ber hinaus konnte gezeigt werden, dass ∆9-THCakut verabreicht zeitlich parallel zu einem Hochge-fühl und einer Positivsymptomatik auch negativeSymptome einer Schizophrenie, wie einen abge-schwächten Affekt, verringerte Spontanität, psy-chomotorische Retardiertheit und emotionalenRückzug, induzieren kann (D’SOUZA et al., 2004).Die Häufigkeit des Auftretens von Paranoia undHalluzinationen wird von RADBRUCH & NAUCK(2003) mit 5 % bzw. 6 % angegeben. In der Ver-gangenheit wurde versucht, das Erscheinungsbildeiner Cannabis-induzierten Schizophrenie vonSchizophrenieformen mit anderer Ätiologie abzu-grenzen. TÄSCHNER (1983) konnte bei einem Ver-gleich der Symptomatiken von Patienten mit Can-nabis-induzierter Psychose und schizophrenen Pa-tienten, bei denen die Erkrankung keinen Zusam-menhang zum Drogenkonsum aufwies, lediglichAntriebsarmut als gravierendes psychopathologi-sches Unterscheidungsmerkmal der Cannabispsy-chose isolieren. Weitere für Cannabispsychosencharakteristische Symptome sind Ratlosigkeit, In-suffizienzgefühle, Gedankenabreißen und Suizid-tendenzen. Diese Symptome ergeben aber insbe-sondere aufgrund ihres zu unspezifischen Charak-ters kein Syndrom der „Cannabispsychose”(TÄSCHNER, 1983; CHKILI & KTIOUET, 1993). Ins-gesamt erscheinen Cannabis-induzierte Psycho-sen damit ohne Kenntnis des vorangegangenenCannabiskonsums differentialdiagnostisch nichtvom Erscheinungsbild einer paranoid-halluzinatori-schen Schizophrenie abgrenzbar. Von einer eige-nen nosologischen Entität der „Cannabispsycho-se” kann deshalb nach TÄSCHNER (1983) nichtausgegangen werden. Es gibt aber auch Autoren,

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die anderer Auffassung sind. Bezogen auf Canna-bis-induzierte Psychosen, wie sie in Indien beob-achtet wurden, geben BASU et al. (1999) als Un-terscheidungsmerkmale einer Cannabispsychoseneben der kürzeren Dauer einen erhaltenen Affektund das Fehlen formaler Denkstörungen an.JOHNS (2001) fasst in einer Überblicksarbeit dieverschiedenen Ätiologien der Cannabis-induziertenPsychosen zusammen:

1.) Sehr hohe Dosierungen von Cannabis führennach akuter Einnahme zu einer toxischen bzw.organischen Psychose, die besonders durchkurz andauernde paranoide Zustände, Angstzu-stände, akute depressive Zustände und durchDepersonalisation und Derealisation gekenn-zeichnet ist. Diese Form der Cannabispsychosehat den Charakter einer pathologischen Vergif-tung. Sie dauert einige Stunden an und klingtdanach wieder vollständig ab (GHODSE, 1986;TÄSCHNER, 1986).

2.) Der Konsum von Cannabis kann akut zu einerfunktionalen Psychose führen. Diese wird zwardurch eine Cannabisvergiftung ausgelöst, bleibtaber im Gegensatz zur toxischen Psychose biszu 15 Tage lang bestehen (TÄSCHNER, 1986).

3.) Der Konsum von Cannabis führt subakut zueiner chronischen Psychose. Diese wird ver-mutlich nicht durch eine einmalige Überdosie-rung induziert, sondern unter bestimmten Um-ständen durch den länger andauernden Kon-sum in eher „normalen” Dosierungen. Verschie-dene Studien haben gezeigt, dass besondersfür diese Ätiologie eine Reihe von anderen Fak-toren eine große Rolle spielen.

Alle drei Ätiologien einer Cannabispsychose führenzu einer ähnlichen Symptomatik, die als Schizo-phrenieform angesehen werden kann. Währenddes Auftretens dieser Symptome muss deshalb miteiner nicht mehr gegebenen Fahreignung gerech-net werden. Nur im ersten Fall einer toxischen Psy-chose kann aber parallel zum Auftreten der Symp-tomatik auch mit dem Nachweis von psychoakti-ven Cannabinoiden im Blut oder Urin gerechnetwerden. Ob sich für die einzelnen Ätiologien Dosis-Wirkungs-Beziehungen nachweisen lassen, soll imFolgenden untersucht werden.

4.1.6.1 Die toxische Cannabispsychose

Die toxische Cannabispsychose kann als eine ArtVergiftung angesehen werden, die durch eineÜberdosis ∆9-THC zustande kommt. Neben einem

experimentellen Konsum, bei dem die psychotomi-metischen Effekte von Cannabis durch bewussteÜberdosierung exploriert werden, kann man ver-mutlich davon ausgehen, dass Überdosierungenmit Cannabis aus Unerfahrenheit mit der Einnah-meprozedur oder durch Unkenntnis der aktuellen∆9-THC-Dosis des zum Konsum bestimmtenCannabis oder Marihuanas zustande kommen (z. B. PIETZCKER, 1975). Der erste Grund gilt vorallem für unerfahrene Gelegenheitskonsumentenoder Cannabis-naive Konsumenten. Der zweiteGrund kann aber auch für regelmäßige Konsumen-ten eine Rolle spielen. Damit wird klar, dass eine to-xische Cannabispsychose für alle drei betrachtetenKonsumsituationen: Cannabis-naiver, Gelegen-heits- und regelmäßiger Konsument, nach akuterCannabiseinnahme in Frage kommt. Dass sich diebei der jeweiligen Konsumsituation kritischenDosen ∆9-THC voneinander unterscheiden, kannals wahrscheinlich angenommen werden, weshalbauch eine nach Konsumentengruppen getrennteEvaluation der Dosis-Wirkungs-Beziehung wün-schenswert erscheint. Eine Cannabisintoxikationunter kontrollierten Bedingungen experimentell zuuntersuchen stößt aber schnell an die Grenzen desethisch Verantwortbaren. Es verwundert daherkaum, dass die vorliegenden Studien bisher nurvereinzelte im Sinne einer Dosis-Wirkungs-Bezie-hung verwertbare Informationen liefern.

In einer frühen Studie zu den Akuteffekten vonCannabis verabreichten JOEL & FRÄNKEL (1926)100 mg eines Haschisch-Extraktes oral. Anhandder Beschreibung der danach subjektiv wahrge-nommenen Effekte, wie Realitätszweifel oder Auf-lösung des Körpergefühls, kann davon ausgegan-gen werden, dass es sich um eine Intoxikation miteiner relativ hohen Menge ∆9-THC gehandelt hat.Da weder der genaue zeitlich Ablauf noch die ei-gentlich konsumierte ∆9-THC-Menge angegebenwerden, eignet sich diese Studie nicht für eine Do-sisbestimmung. ISBELL et al. (1967) verabreichtenCannabis-erfahrenen Versuchspersonen (ehemali-ge opiatabhängige Gefängnisinsassen) 0,12 und0,48 mg/kg ∆9-THC oral oder ließen sie 0,05 und0,2 mg/kg ∆9-THC rauchen. Die Mehrheit der Ver-suchspersonen berichtete nach oraler Einnahmevon 0,3 bis 0,48 mg/kg ∆9-THC und nach demRauchen von 0,2 bis 0,25 mg/kg ∆9-THC Störun-gen der Wahrnehmung, Depersonalisations- undDerealisationserlebnisse und sowohl visuelle alsauch auditorische Halluzinationen (ISBELL et al.,1967). Leider werden in dieser nicht hinreichend

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gut kontrollierten Studie keine genauen Zeiträumeangegeben, in denen diese Symptome auftraten,sodass diese Studie lediglich als Hinweis auf eineCannabisintoxikation bei Cannabis-erfahrenenPersonen interpretiert werden kann. Da es sichzudem um ehemalige Opiatabhängige gehandelthat, muss von einem starken Bias bezüglich derDrogeneffekte ausgegangen werden. Die Effekteakuten Cannabiskonsums auf die Desintegrationzeitlicher Informationen und auf Depersonalisati-onserlebnisse wurden nach dem Rauchen und deroralen Einnahme von Cannabis mittels verschiede-ner Fragebögen untersucht. MELGES et al. (1970b)fanden im Zeitraum von 90 bis 330 Minuten nachder oralen Einnahme von Cannabis mit 20, 40 oder60 mg ∆9-THC einen signifikanten Anstieg im Des-integrationsscore und im Score für das Depersona-lisationserleben der Versuchspersonen. Leiderwurden weder für die einzelnen Testzeitpunktenoch für die jeweiligen Dosierungen statistischeEinzelvergleiche durchgeführt, sodass eine Inter-pretation dieser Daten im Sinne einer Dosis-Wir-kungs-Beziehung nicht möglich ist (MELGES et al.,1970b). Auch das Rauchen von Haschisch mit 20mg ∆9-THC führte nach 30 Minuten zu einem An-stieg im Desintegrationsscores und zusätzlich zueiner Störung in der Selbst- und Fremdwahrneh-mung bzw. auch zu einem Anstieg von Verfol-gungsgedanken (MELGES et al., 1976). Leider wur-den in dieser Studie nur statistische Vergleiche be-züglich einer Alkoholbehandlung angestellt, sodassauch hier Aussagen zu den Absoluteffekten von∆9-THC nicht möglich sind.

In einer hinreichend gut kontrollierten Studie unter-suchten MATHEW et al. (1999) verschiedene sub-jektive Parameter mittels Fragebögen 30 und 120Minuten nach der intravenösen Applikation von 3und 5 mg ∆9-THC (über 20 Minuten). Die Autorenfanden bei den Cannabis-erfahrenen Versuchsper-sonen, die sich weder der gelegentlichen noch derregelmäßigen Konsumentengruppe eindeutig zu-ordnen lassen, eine deutliche und dosisabhängigeErhöhung des Depersonalisationsscores, miteinem Maximum nach 30 Minuten. Der so induzier-te Zustand wurde jedoch von den Versuchsperso-nen nicht als unangenehm empfunden, was dieVermutung einer nur milden Intoxikation nahelegt.In einer sehr gut kontrollierten Studie von D’SOU-ZA et al. (2004) wurden die psychotomimetischenEffekte von 2,5 und 5 mg ∆9-THC, intravenös ver-abreicht, bei Versuchspersonen mit einem gele-gentlichen Cannabiskonsum, der zum größten Teil

lange zurücklag, untersucht. Die Autoren berichtendarin einen signifikanten Anstieg im Rating sowohlder positiven als auch der negativen Symptomeeiner Schizophrenie parallel zu einem Anstieg dessubjektiven Hochgefühls. Die Positivsymptomatikund das Hochgefühl erreichten ihr Maximum nach10 Minuten, die Negativsymptomatik dagegennach 80 Minuten (5 mg) bzw. nach 10 Minuten (2,5mg). Eine statistische Unterscheidung der Effektebeider Dosierungen wurde allerdings nicht vorge-nommen. Eine visuelle Evaluierung der drei Para-meter Positiv- und Negativsymptomatik und Hoch-gefühl zeigte lediglich für die Negativsymptoma-tik eine Doisabhängigkeit. Eine klare Dosisabhän-gigkeit konnte dagegen in den Peakplasmakonzen-trationen ∆9-THC 10 Minuten nach Verabreichungbeobachtet werden. Diese betrugen nach der 2,5-mg-∆9-THC-Behandlung 82 (+87,4) ng/dl und nachder 5-mg-∆9-THC-Behandlung 119,2 (+166,5)ng/dl.

Insgesamt muss zur toxischen Cannabispsychosefestgestellt werden, dass bisher nur relativ wenigemindestens hinreichend gut kontrollierte Studienvorliegen. Diese lassen zwar den Schluss zu, dass∆9-THC bereits in einer Dosierung, die zu einemHochgefühl führt, von einer schizophrenen Sym-ptomatik begleitet sein kann. Um Aussagen übereinen kritischen Dosisbereich von ∆9-THC machenzu können, insbesondere für Rauch- und oralenKonsum, müssen aber erst noch weitere Studienabgewartet werden. Auch die in der Studie von D’-SOUZA et al. (2004) berichteten Plasmakonzentra-tionen ∆9-THC erlauben aufgrund der sehr großeninterindividuellen Unterschiede bisher keine end-gültigen Schlussfolgerungen. Um Dosierungen zuermitteln, bei denen mit einer schizophrenerenSymptomatik gerechnet werden muss, solltenzudem für die Konsumentengruppen Cannabis-naive, Gelegenheits- und regelmäßige Konsumen-ten getrennte Untersuchungen angestellt werden.

An dieser Stelle ist jedoch auch zu betonen, dassfast alle Studien, welche die Effekte akuten Canna-biskonsums auf die neuropsychologischen Leis-tungen bei diesen drei Konsumentengruppen sys-tematisch untersuchten (siehe oben), scheinbarkeine Hinweise auf schizophrene Symptome ge-funden haben. Die gut kontrollierten Studien habenallerdings Kriterien für die Versuchspersonen ver-wendet, die andere psychiatrische Erkrankungen inder Vergangenheit ausgeschlossen haben. Es istbekannt, das psychiatrische Erkrankungen einenRisikofaktor für Cannabis-induzierte Psychosen

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darstellen (z. B. ANDREASSON et al., 1987). Dasso selektierte Probandenkollektiv, an denen Can-nabis akut nur sehr selten Psychosen induzierte,dürfte damit zu einer tendenziellen Unterschätzungder Intoxikationseffekte geführt haben. EMRICH etal. (1997) haben in einer leider nur unzureichendgut kontrollierten Studie Hinweise darauf gefun-den, dass sich die Verarbeitung visueller Informa-tionen bei gesunden Versuchspersonen nach demKonsum von Cannabis der von schizophrenen Pa-tienten teilweise annähert. Schizophrene Patientenzeigen in einer Aufgabe zur binocculären Tiefenin-version eine verringerte Fähigkeit, visuelle Informa-tionen nach Plausibilitätskriterien zu verarbeiten,was sich in einem erhöhten Inversionsscore be-merkbar macht. Bei gesunden Versuchspersonen,in diesem Fall erfahrene Ärzte, wurde nach demoralen Konsum einer nicht genau angegebenenMenge ∆9-THC ebenfalls ein zeitlich begrenzterAnstieg im Inversionsscore gefunden (EMRICH etal., 1997). Da diese Studie nicht blind und auchohne Placebo-Kontrollen durchgeführt wurde,bleibt ihre Aussagekraft jedoch begrenzt.

Neben schizophrenieähnlichen Symptomen kanneine akute Cannabisintoxikation bei gegebenerPrädisposition akut auch zu anderen psychiatri-schen Erkrankungsbildern führen. CHOWDHURY &BERA (1994) beschreiben zwei Patienten ohne bis-herige Cannabiserfahrung, die nach dem „sehr in-tensiven” Rauchen von Cannabis eine akute Panik-reaktion, begründet durch die Wahrnehmung einerPenis-Involution, zusammen mit Todesfurcht, zeig-ten Symptome, die in dieser Kombination auch als„Koro” bekannt sind. Zu diesem sehr seltenen Aku-teffekt muss allerdings angemerkt werden, dassbeide Personen miteinander verwandt waren undin der Gegend in Indien bereits Fälle von Korogehäuft vorkamen (CHOWDHURY & BERA, 1994).

Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dassCannabis akut zu einer schizophrenieartigen Psy-chose führen kann. Nach dem gegenwärtigenStand der Forschungen sind jedoch weder eindeu-tige Aussagen zu den kritischen Dosierungsberei-chen für eine akute Cannabispsychose noch für dieprävalenten Kofaktoren möglich.

4.1.6.2 Die akut induzierte funktionale Cannabispsychose

Eine der ursächlichen Faktoren für eine funktionaleCannabispsychose ist, wie bei der toxischen Psy-chose, die einmalige Einnahme einer zu hohen

Menge ∆9-THC. Warum aber in diesem Fall dieSymptomatik nicht wie bei der toxischen Psychosemit dem Ausscheiden der psychoaktiven Cannabi-noide abklingt, ist derzeit nicht bekannt. JOHNS(2001) geht davon aus, dass ein wichtiger Kofaktordabei bereits eine zugrunde liegende funktionalepsychische Störung ist. Ähnlich wie für die toxischePsychose können auch für eine akut induziertefunktionale Psychose nach dem gegenwärtigenStand des Wissens keine Angaben zu den kriti-schen Dosierungen von Cannabis gemacht wer-den.

4.1.6.3 Die Cannabispsychose nach chronischem Konsum

Im Gegensatz zu den beiden akut induzierten For-men der Cannabispsychose wird bei dieser Ätiolo-gie nicht von einer einmaligen Überdosierung aus-gegangen, auch wenn das Auftreten der schizo-phrenen Symptomatik akut erfolgt (z. B. CASPARI,1999). Es gibt Hinweise, dass der regelmäßigeCannabiskonsum, zumeist anhand der Konsumdi-mension der „Dauer” festgemacht, bei besondersvulnerablen Personen zur Ausprägung einer schi-zophrenen Symptomatik führen kann. Diese Vulne-rabilität reicht von der Akkumulation einzelner Risi-kofaktoren, wie zum Beispiel getrennt lebender El-tern oder einer familiären Neigung zum Substanz-missbrauch, bis hin zu einer bereits latent beste-henden Psychose. Obwohl es dafür bisher keinegesicherten Erkenntnisse gibt, kann vermutet wer-den, dass sich bei Personen mit unterschiedlicherVulnerabilität die benötigte Dosierung bzw. Kon-sumdauer und Frequenz, die eine Cannabispsy-chose auslösen können, deutlich unterscheiden.Aber auch die Art des Cannabiskonsums scheinteine wichtige Rolle zu spielen, was eine Studie vonTROISI et al. (1998) belegt. Die Autoren hattendabei Daten von italienischen Rekruten ausgewer-tet und Cannabiskonsumenten anhand eines Urin-tests identifiziert. Bei diesen Personen korreliertedas Auftreten komorbider psychiatrischer Erkran-kungen mit der Intensität des Cannabiskonsums,angegeben als Cannabisabhängigkeit, -miss-brauch oder -gebrauch nach DSM-III-R (AmericanPsychiatric Association, 1980; ROUNSAVILLE etal., 1986). Evidenzen für Cannabis-induzierte chro-nische Psychosen liefern vor allem Studien anschizophrenen Patienten, bei denen der Beginn derPsychose nicht mit dem Konsum einer ungewöhn-lich hohen Einzeldosis ∆9-THC koinzidiert. Studienzu chronischen Psychosen, die dem langjährigen

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Cannabiskonsum kausal zugeschrieben werden,sind jedoch generell nicht experimenteller Natur,sondern retrospektive Fallanalysen, die mehr oderweniger Kofaktoren in die Analyse mit einbeziehen.Eindeutige Aussagen zu den kausalen Mechanis-men können deshalb nur in einem begrenzten Um-fang gemacht werden (THORNICROFT, 1990).ANDREASSON et al. (1987) untersuchten in einersolchen korrelativen Studie 45.570 Rekruten inSchweden 15 Jahre, nachdem diese in den Militär-dienst eingetreten waren, hinsichtlich der Entwick-lung einer schizophrenen Symptomatik. Vor demEintritt in den Dienst wurden routinemäßig Befra-gungen zum Drogenkonsum und psychologischeUntersuchungen durchgeführt. Die Autoren fanden,dass für die Personen, die zum Zeitpunkt der Be-fragung einen Cannabiskonsum angegeben hatten,das Risiko, 15 Jahre später an einer Schizophrenieerkrankt zu sein, 2,4-mal höher war als bei Nicht-Konsumenten. Bei den Männern, die mehr als 50-mal in ihrem Leben Cannabis konsumiert hatten,war diese Wahrscheinlichkeit sogar 6-mal höher.Die Variablen, die am stärksten zu einer Erhöhungdes Erkrankungsrisikos beitrugen, waren aber einepsychiatrische Diagnose zum Zeitpunkt der Einzie-hung und getrennt lebende Eltern. Der Konsum vonCannabis ist allerdings nur ein weiterer, zusätzli-cher Faktor für die Ätiologie der Schizophrenie,was in dieser Studie durch die Beobachtung belegtwird, dass von den 274 im Verlauf der 15 Jahre alsschizophren diagnostizierten Personen lediglich 49zum Zeitpunkt der Befragung einen Cannabiskon-sum angaben. Nur 21 der 49 Personen gabendabei einen Konsum von mehr als 50-mal an (AN-DREASSON et al., 1987). Diese Studie wurde vonverschiedenen Seiten kritisiert. NEGRETE (1989)merkt an, dass eine solche Untersuchung keines-falls ein Beleg für die zeitliche Folge von Cannabis-konsum und Ausprägung einer schizophrenenSymptomatik ist, da insbesondere die Ereignisseinnerhalb der 15 folgenden Jahre nach Befragungunklar sind. Auch wenn ANDREASSON et al. (1989)in einer weiteren korrelativen Studie psychiatrischeErkrankungen vor dem Beginn des Cannabiskon-sums und die Einnahme anderer Drogen als Ursa-che für eine Erhöhung des Schizophrenierisikosausgeschlossen haben, können eindeutigere Fak-toren für die Auslösung einer schizophrenen Psy-chose, wie z. B. chronischer Stress, keineswegsausgeschlossen werden (siehe auch: THOR-NICROFT, 1990). Dass prinzipiell auch andere Dro-gen als Auslöser einer Psychose in Frage kommen,zeigt die Studie von SCHULER (1995). Ob die Aus-

prägung einer psychiatrischen Erkrankung demCannabiskonsum folgt, wird von einigen Autorengenerell angezweifelt. HALIKAS et al. (1972) fandenin einer Befragung von 100 regelmäßigen Mari-huanakonsumenten und 50 Nichtkonsumenten,dass fast alle psychiatrischen Erkrankungen in die-ser Population vor dem Einsetzen des Marihuana-konsums begannen. Es wurde auch diskutiert, obder Cannabiskonsum möglicherweise durch dasAuftreten psychiatrischer Probleme erst initiiertwird und diese nicht kausal darauf folgen. Aucheine gemeinsame Ursache für Cannabiskonsumund schizophrener Symptomatik wurde diskutiert(NEGRETE, 1989). In diesem Zusammenhang wirdauch betont, dass viele Schizophrene, bei denenCannabiskonsum als Ursache für die Erkrankungangesehen wird, weder während der Erkrankungnoch nach dem Abklingen der Symptome den Kon-sum von Cannabis aufgeben (NEGRETE, 1993).Obwohl dadurch die Positivsymptomatik der Schi-zophrenie, wie Halluzinationen und Wahrneh-mungsstörungen, noch verstärkt werden, berichtendie Patienten eine Verbesserung der Negativsymp-tomatik. Dass entsprechend vorbelastete Personenversuchen, den Konsum von Cannabis als Selbst-medikation einzusetzen, kann deshalb vor allem imHinblick auf die sozialen Interaktionen dieser Pati-enten nicht gänzlich bestritten werden (NEGRETE,1993).

Aussagen zur Konsumdauer, -häufigkeit und -menge des Cannabiskonsums bis zur Diagnoseeiner Schizophrenie konnten anhand der Studienvon ANDREASSON et al. (1987, 1989) nicht ge-macht werden (JOHNSON et al., 1988). In einer an-deren, ebenfalls korrelativen Studie gab CASPARI(1998) die Dauer des regelmäßigen Cannabiskon-sums bis zur Diagnose der Schizophrenie mit 5,5Jahren an. Die Schizophrenen mit Cannabiskon-sum vor der Erstmanifestation der Erkrankung wie-sen in dieser Untersuchung zudem eine höhere fa-miliäre Belastung mit Suchterkrankungen und eineschlechtere psychosoziale Integration auf als schi-zophrene Patienten ohne Cannabiskonsum. Ineiner Folgestudie an dieser Population fand CAS-PARI (1999) zudem ein signifikant höheres Ausmaßan Rehospitalisationen bei den Schizophrenen mitCannabisgebrauch im Vergleich zu denen ohneCannabisgebrauch. Auch die Ergebnisse der Studi-en von CASPARI sprechen dafür, dass Cannabis-konsum (in noch nicht bestimmter Ausprägung) einunabhängiger Risikofaktor für eine schizophrenePsychose bei gegebener Prädisposition darstellt.

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EIKMEIER et al. (1991) fanden bei einem Vergleichder Krankengeschichten junger schizophrener Pati-enten mit und ohne Cannabiskonsum, dass die Pa-tienten mit Cannabiskonsum bei Erstmanifestationim Schnitt deutlich jünger waren als die Patientenohne Cannabiskonsum. In dieser Studie waren dieUnterschiede in den weiteren Risikofaktoren, wieGeburtskomplikationen, familiäre Belastung mitSuchterkrankungen und prämorbide Sozialentwick-lung zwischen schizophrenen Patienten mit undohne Cannabiskonsum, jedoch nicht signifikant. DiePatienten mit Cannabiskonsum befanden sich abersignifikant häufiger wegen schizophrener Schübe instationärer Behandlung (EIKMEIER et al., 1991).REUBAND (1993) kritisiert an dieser Studie, dasseine derartige, korrelative Untersuchung noch keinerlei kausale Schlüsse bezüglich des Cannabis-konsums als mögliche Ursache einer chronischenSchizophrenie zulässt. Auch DEGENHARDT et al.(2003) konnten keine Evidenz für eine kausale Be-ziehung zwischen Cannabiskonsum und dem Auf-treten einer schizophrenen Erkrankung finden. DieAutoren untersuchten das Auftreten von schizophre-nen Erkrankungen und die Häufigkeit des Cannabis-konsums in acht Geburtenkohorten verteilt auf denZeitraum zwischen 1940 und 1979 in Australien.Einem starken Anstieg in der Prävalenz des Canna-biskonsums stand dabei eine relativ konstante Zahlan schizophrenen Erkrankungen gegenüber. SollteCannabiskonsum tatsächlich an der Entstehungvon Schizophrenie ursächlich beteiligt sein, hätteman ebenfalls einen Anstieg der schizophrenen Er-krankungen erwartet. Allerdings fanden die Autoreneine höhere Prävalenz für Cannabiskonsum in derPopulation der Schizophrenen im Vergleich zu denNichtschizophrenen. Es kann deshalb nicht ausge-schlossen werden, dass Cannabiskonsum bei be-sonders vulnerablen Personen zur Ätiologie derSchizophrenie beiträgt (DEGENHARDT et al., 2003;DEGENHARDT, 2003). Interessant ist in diesem Zu-sammenhang die Beobachtung von PENCER & AD-DINGTON (2003) bei Patienten mit psychiatrischerDiagnose nach DSM-IV (American Psychiatric As-sociation, 1994). Sie konnten bei Patienten mitCannabiskonsum keine schlechteren neuropsycho-logischen Leistungen finden als bei Patienten ohneCannabiskonsum. Die Gesamtheit der psychiatri-schen Patienten zeigte allerdings gegenüber denGesunden signifikant verschlechterte Leistungen(PENCER & ADDINGTON, 2003).

Insgesamt kann gegenwärtig nicht davon ausge-gangen werden, dass gelegentlicher oder regel-

mäßiger Cannabiskonsum allein verantwortlich undnotwendig zur Ausbildung einer chronischen Psy-chose mit schizophrenieähnlichen Symptomenführt. Es kann aber als sehr wahrscheinlich gelten,dass Cannabiskonsum bei bestimmten Personeneinen Risikofaktor für die Ausbildung einer schizo-phrenen Psychose darstellt. Diverse Risikofaktorentragen dabei zu einer erhöhten Vulnerabilität derbetreffenden Personen bei, wobei Cannabiskon-sum sicherlich nicht das größte Risiko darstellt(siehe auch: ANDREASSON et al., 1987). WelcheFaktoren bei welchen Persönlichkeitstypen ausge-prägt sein müssen, damit ein zusätzlicher gele-gentlicher oder regelmäßiger Cannabiskonsum zurAusbildung einer chronischen Psychose führt,kann derzeit nicht sicher beantwortet werden.Ebenso wenig ist klar, wie lange bzw. wie oft oderwie viel Cannabis in diesen Fällen konsumiert wer-den muss, damit es zu einer Psychose kommt.Studien zu chronischen Cannabispsychosen nachlangjährigem Cannabiskonsum sollten deshalb inZukunft neben der Erforschung der Risikofaktorenbesonderes Augenmerk auf die genaue Erfassungdes vorangegangenen Cannabiskonsums mög-lichst anhand aller drei Konsumdimensionen legen.

Fazit

Eine beträchtliche Anzahl wissenschaftlicher Studi-en hat sich bisher mit der Frage beschäftigt, obund unter welchen Bedingungen der Konsum vonCannabis eine Psychose auslösen kann. Anhanddes Erscheinungsbildes kann nicht von einer noso-logischen Entität der Cannabispsychose ausge-gangen werden. Die Symptome sind differenzial-diagnostisch kaum reliabel von denen einer para-noid-halluzinatorischen Schizophrenie abgrenzbar.Man geht davon aus, dass der akute Konsum vonCannabis zu einer akuten toxischen Cannabispsy-chose führen kann. Diese tritt zeitnah zum Konsumauf und klingt innerhalb weniger Stunden wiederab. Zudem gibt es Evidenzen, die für eine starke In-teraktion verschiedener Kofaktoren, wie prämorbi-de Persönlichkeit, emotionaler Zustand zum Zeit-punkt der Einnahme oder Cannabisvorerfahrung,mit der eingenommenen ∆9-THC-Menge spre-chen. Die gegenwärtig ungeklärte Frage, welcheDosierung ∆9-THC zu einer toxischen Cannabis-psychose führt, kann ohne Rücksicht auf diese Ko-faktoren wahrscheinlich nicht sinnvoll beantwortetwerden. Neben der toxischen Psychose kann derzu hoch dosierte akute Cannabiskonsum scheinbarauch zu einer funktionalen Psychose führen, die

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erst nach mehreren Tagen wieder abklingt. Auchhier können bisher anhand der bekannten Literaturkeine genauen Angaben zu den determinierendenFaktoren gemacht werden.

Auch der chronische Konsum von Cannabis wurdeals ursächlicher Faktor für die Ausprägung einerschizophrenieähnlichen Psychose diskutiert, wobeider auslösende Faktor nicht in einer einmaligen to-xischen Dosis ∆9-THC gesehen wurde, sondernvielmehr im dauerhaften Konsum selbst. Die zahl-reichen, allerdings nur korrelativen, Studien spre-chen gegenwärtig nicht dafür, dass ein in seinerAusprägung noch undefinierter, chronischer Can-nabiskonsum kausal für die Expression schizo-phrener Symptome verantwortlich ist. Vielmehrstellt dieser Konsum bei besonders vulnerablenPersonen einen zusätzlichen, nicht dominierendenRisikofaktor dar. Aufgrund der Vielzahl der disku-tierten Kofaktoren konnte bisher noch keine klareAssoziation zwischen der Ausprägung einzelnerVulnerabilitätsfaktoren und der Ausprägung desCannabiskonsums gefunden werden, die mit hoherWahrscheinlichkeit zur chronischen Ausprägungeiner schizophrenen Psychose führt.

Bedeutung für die Fahreignung

Das Auftreten einer Cannabispsychose mit schizo-phrener Symptomatik stellt die Fahreignung prinzi-piell in Frage. Personen, bei denen eine schizo-phrene Psychose diagnostiziert wurde, sind zumFühren eines Fahrzeugs ungeeignet. Der gegen-wärtige Stand der Erkenntnisse erlaubt es aller-dings nicht, anhand der konsumierten ∆9-THC-Menge mit hinreichender Sicherheit auf das Vor-handensein einer toxischen oder chronischenCannabispsychose zu schließen. Auch bei Eintre-ten und Bekanntheit verschiedener weiterer Risiko-faktoren für eine Schizophrenie kann bisher wedereine kritische Einzeldosis ∆9-THC noch ein speziel-les Konsummuster, d. h. die Ausprägungen der dreiKonsumdimensionen, angegeben werden, unterdenen sicher mit dem Eintreten einer schizophre-nen Symptomatik zu rechnen ist. Aufgrund derKomplexität der Interaktionen der verschiedenenRisikofaktoren sollte dieser mögliche Cannabisef-fekt einer Einzelfallbeurteilung unterliegen.

5 Diskussion der Verhaltens-befunde

Für die Analyse des Verhaltens nach Cannabiskon-sum wurden fünf verschiedene Konsumsituationenvoneinander unterschieden. Die Einteilung orien-tierte sich prinzipiell an der Dichotomie gelegentli-cher versus regelmäßiger Konsument und an derzeitlichen Nähe zum letzten Konsum. Diese Kon-sumsituationen umfassen 1.) Cannabis-naive Per-sonen nach dem erstmaligen Cannabiskonsum; 2.)Gelegenheitskonsumenten während der Abstinenz;3.) Gelegenheitskonsumenten nach akutem Can-nabiskonsum; 4.) regelmäßige Konsumenten wäh-rend der Abstinenz und 5.) regelmäßige Konsu-menten nach akutem Konsum. Für alle fünf prinzi-piell voneinander unterscheidbaren Konsumsitua-tionen wurden die zu erwartenden Defizite in denfahrrelevanten Leistungen auf den drei Ebenen derFahrzeugführung, Stabilisierung, Bahnführung undNavigation, getrennt analysiert. Dabei wurde imGegensatz zu Metaanalysen und anderen Über-sichtsarbeiten nicht allein der Nachweis einer signi-fikanten Beeinträchtigung als Kriterium verwendet,da angesichts der Vielzahl der vorhandenen Studi-en und des methodisch zum Teil fragwürdigen Vor-gehens der Cannabisforschung fast jede unter-suchte Leistung für eine Konsumsituation irgend-wann einmal signifikant beeinträchtigt gefundenwurde. Angesichts der großen Schwankungen inder Qualität der vorliegenden Studien wurdenzunächst die Ergebnisse nach ihrem Zustande-kommen bzw. nach der Studienqualität gewichtet.Die signifikanten Resultate aus nur unzureichendkontrollierten Studien sind dann weniger in die Ge-samtbeurteilung eingeflossen als die Resultate aussehr gut kontrollierten Studien. Als Nächstes wurdeein Konsistenzkriterium für den Nachweis einerVerhaltensbeeinträchtigung eingeführt, welchesdafür sorgen sollte, dass besonders bei häufig un-tersuchten Leistungen konstatierte Defizite nichtallein durch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit desFehlers erster Art zustande kommen. Die fahrrele-vanten Leistungen, für die konsistent ein Nachweisder Beeinträchtigung erbracht werden konnte, kön-nen deshalb mit noch größerer Sicherheit als bisherals tatsächlich beeinträchtigt angesehen werden.Es muss allerdings kritisch angemerkt werden,dass gegenwärtig nicht für alle fünf Konsumsitua-tionen Untersuchungen in vergleichbarem Umfangvorliegen. Für die Konsumsituationen, für die bis-her keine oder nur wenige Leistungen konsistentals beeinträchtigt nachgewiesen wurden, bedeutet

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das nicht, dass es de facto keine Defizite gibt. Eskann auch bedeuten, dass dafür noch kein sichererNachweis vorliegt. Es muss auch ausdrücklich dar-auf hingewiesen werden, dass die hier dargestell-ten Befunde auf Untersuchungen an Cannabiskon-sumenten beruhen, die bei der Testung bzw. beimKonsumbeginn mindestens 17 Jahre alt waren.Epidemiologische Studien zeigen aber nicht nureinen Trend zu einer immer höheren Lebenszeit-prävalenz für Cannabiskonsum, sondern auch eineVerschiebung des Einstiegsalters deutlich unter 17Jahre (z. B. BZgA, 2001; KRAUS et al., 2003). In-wieweit die bisher bekannten Befunde auch fürdiese Population gültig sind, kann derzeit nicht si-cher beantwortet werden. Hinweise auf persistentehirnorganische Schäden, bedingt durch den frühenKonsumbeginn (z. B. WILSON et al., 2000), legenjedoch auch funktionale Schäden auf Verhaltense-bene nahe.

Diese Erwägungen gelten in besonderem Maße fürdie Konsumsituation der Cannabis-naiven Perso-nen nach dem erstmaligen Cannabiskonsum. DieseKonsumsituation kann weder dem gelegentlichennoch dem regelmäßigem Konsum zugeordnet wer-den, muss aber von jedem potenziellen Gelegen-heits- oder regelmäßigen Konsumenten durchlau-fen werden. Die einzige Leistung, bei der in dieserKonsumsituation von konsistent nachgewiesenenDefiziten ausgegangen werden kann, ist die visu-motorische Koordination. Aufgrund nur einer einzi-gen als konsistent beeinträchtigt nachgewiesenenLeistung, kann derzeit aber kein wissenschaftlichfundierter Zweifel an der Fahrtüchtigkeit in dieserKonsumsituation aufrechterhalten werden. Bei Be-kanntheit des erstmaligen Konsums wäre damitauch die Aussagekraft jedes noch so guten toxiko-logischen Markers in Frage gestellt. Wenn keineVerhaltensdefizite bewiesen sind, können dieseauch nicht mit toxikologischen Markern korreliertwerden, was wiederum den Umkehrschluss voneiner Blut- oder Urinkonzentration eines Markes aufVerhaltensdefizite schon theoretisch unmöglichmacht. Diese Situation kann sich aber durch weite-re Studien und konsistente Nachweise von Verhal-tensdefiziten durchaus noch verändern.

Die Gelegenheitskonsumenten von Cannabis kön-nen entweder während der Abstinenz oder in rela-tiver zeitlicher Nähe zum letzten Cannabiskonsumangetroffen werden. Das wenige vorhandene Da-tenmaterial ergibt derzeit keine Hinweise auf neu-ropsychologische Defizite bei Gelegenheitskonsu-menten während der Abstinenz. Die meisten Ver-

haltensstudien liegen für Gelegenheitskonsumen-ten nach akutem Cannabiskonsum vor. Eine bishernoch relativ kleine Anzahl mindestens hinreichendgut kontrollierter Studien hat die Effekte des Can-nabisrauchens auf die Fahrleistung während einerRealfahrt und im Fahrsimulator untersucht. Die vor-handenen Studien zeigen keine konsistenten Leis-tungsdefizite auf der Ebene der Stabilisierung undder Navigation. Auf der Ebene der Bahnführungwurden lediglich Defizite beim Spurtracking gefun-den, die jedoch bisher nicht konsistent nachweis-bar waren. Das Fehlen eines konsistenten Beein-trächtigungsnachweises für einzelne bzw. komple-xe Leistungen in der Realfahrt und im Fahrsimula-tor unmittelbar nach dem Cannabiskonsum wurdezumeist durch noch vorhandene Kompensations-mechanismen begründet (ROBBE, 1994, 1998).Eine Vielzahl komplexer Leistungen wurde nachCannabiskonsum im Flugsimulator untersucht. Dieals beeinträchtigt gefundenen komplexen Leistun-gen sind zwar nicht identisch mit denen bei derFahrzeugführung, sie können jedoch generell alsIndikator für eine starke Belastungssituation inter-pretiert werden. Ein konsistenter Nachweis dieserBeeinträchtigungen liegt jedoch bisher nicht vor.Dagegen konnte für verschiedene neuropsycholo-gische Einzelleistungen ein konsistenter Beein-trächtigungsnachweis erbracht werden. Zu diesenLeistungen zählen auf Ebene der Stabilisierung dieZeitwahrnehmung, die visuelle Wahrnehmung, dieselektive Aufmerksamkeit und die Feinmotorik. AufEbene der Bahnführung wurde eine Beeinträchti-gung der visumotorischen Koordination und desverbalen Kurzzeitgedächtnisses konsistent nach-gewiesen. Diese Leistungen waren jedoch nur kon-sistent beeinträchtigt, wenn Cannabis gerauchtwurde. Für den oralen Konsum kann gegenwärtiglediglich für die Zeitwahrnehmung von einem kon-sistenten Nachweis der Beeinträchtigung ausge-gangen werden. Das bedeutet jedoch nicht not-wendig, dass oraler Cannabiskonsum bei Gelegen-heitskonsumenten kaum zu nennenswerten Defizi-ten auf Verhaltensebene führt. Es zeigt lediglich,dass diese bisher nicht konsistent nachweisbarwaren. Ein klarer Forschungsbedarf besteht an die-ser Stelle auch weil der orale Cannabiskonsum indieser Konsumsituation mit der medizinisch be-gründeten Einnahme von Marinol® oder dem Kon-sum von ∆9-THC-haltigen Nahrungsmitteln (z. B.Hanfsamenöl) vergleichbar ist, wobei ∆9-THC-hal-tige Nahrungsmittel zu geringe THC-Dosen enthal-ten, als dass von einer psychotropen Wirkung aus-gegangen werden kann. In beiden Beispielen kann

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ein ∆9-THC-Konsum im Plasma oder Urin nachge-wiesen werden (z. B. BRENNEISEN et al., 1996;CALLAWAY et al., 1997; ALT & REINHARDT, 1997).In welchem Maße dieser Einname auch eine Beein-trächtigung auf Verhaltensebene gegenübersteht,ist aber wie beim oralen Cannabiskonsum zuRauschzwecken bisher unklar.

Anhand der vorliegenden Studien zu den akutenEffekten von Cannabis auf emotionales Verhaltenkann gegenwärtig nicht von einer konsistent nach-gewiesenen Veränderung ausgegangen werden.Ein Anstieg aggressiver Verhaltensweisen ist des-halb genauso unwahrscheinlich wie vermehrtesFluchtverhalten oder ein erhöhtes impulsives Ver-halten. Bisher konnten weder in Fahrsimulator-noch in Flugsimulatorstudien oder in neuropsycho-logischen Einzelleistungen konsistent Defizite inder Residualphase, d. h. in der Zeit zwischen 8 und48 Stunden nach dem letzten Cannabiskonsum,nachgewiesen werden. Aufgrund der konsistentnachgewiesenen Defizite in mehreren Verhaltens-leistungen in der Akutphase nach dem Rauchenvon Cannabis kann bei Gelegenheitskonsumentenunter bestimmten Umständen mit einer Beein-trächtigung der Fahrtüchtigkeit gerechnet werden.Für diesen Fall wäre die Frage sinnvoll, ob es toxi-kologische Marker gibt, die mit der Ausprägung derDefizite korrelieren.

Auch die regelmäßigen Konsumenten von Canna-bis können entweder abstinent oder in relativerzeitlicher Nähe zum letzten Cannabiskonsum an-getroffen werden. Die neuropsychologischen Leis-tungen bei regelmäßigen Cannabiskonsumentenwährend der Abstinenz wurden bisher in einer Viel-zahl mindestens hinreichend gut kontrollierter Stu-dien untersucht. Für alle drei Ebenen der Fahr-zeugführung liegen dabei Studien vor. Dennochkonnte bisher lediglich für das verbale Kurzzeitge-dächtnis ein konsistenter Nachweis für eine Beein-trächtigung während der Abstinenz bei regelmäßi-gen Cannabiskonsumenten erbracht werden. Dadas verbale Kurzzeitgedächtnis die einzige konsis-tent beeinträchtigte Leistung ist und aufgrund derrelativ geringen Effektstärke bei dieser Beeinträch-tigung, gibt es derzeit keinen wissenschaftlich be-legbaren Grund für eine Annahme einer Einschrän-kung in der Fahrtüchtigkeit bei dieser Konsumsi-tuation. Während der Abstinenz ist aufgrund derbisher bekannten Studien somit eine Unterschei-dung von gelegentlichen und regelmäßigen Canna-biskonsumenten hinsichtlich zu erwartender Leis-tungsbeeinträchtigungen kaum zu rechtfertigen.

Toxikologische Marker zur Unterscheidung von ab-stinenten Gelegenheitskonsumenten und abstinen-ten regelmäßigen Konsumenten können deshalbzurzeit nur heuristischen Wert haben. Dieses Bildkann sich allerdings verändern, wenn noch weiteregut kontrollierte Studien mit noch sensitiverenMessverfahren auch subtile Verhaltensdefizite beiabstinenten regelmäßigen Cannabiskonsumentendetektieren können.

Für die Konsumsituation des regelmäßigen Canna-biskonsumenten nach akutem Cannabis- bzw. Ma-rihuanakonsum liegen derzeit mit Abstand die we-nigsten gut kontrollierten Untersuchungen vor.Diese Sachlage ist verwunderlich, da für diese spe-zielle Konsumsituation Leistungsdefizite als intuitivwahrscheinlich gelten. Auf keiner der drei Ebenen,Stabilisierung, Bahnführung oder Navigation,konnten bisher konsistent Defizite in den neuro-psychologischen Leistungen bei regelmäßigenCannabiskonsumenten nach akutem Konsum ge-zeigt werden. Dieses Ergebnis der Verhaltensanaly-se muss jedoch mit Vorsicht interpretiert werden.Es bedeutet nicht, dass bei regelmäßigen Canna-biskonsumenten nach akutem Konsum keinerleiverkehrsrelevante Defizite auftreten. Es besagt le-diglich, dass ein gesicherter Nachweis dafür nocherbracht werden muss. Ob dieser Nachweis aberüberhaupt möglich ist oder ob regelmäßige Canna-biskonsumenten tatsächlich weniger Defizite nachakutem Cannabiskonsum zeigen als Gelegenheits-konsumenten, bleibt abzuwarten. Gut kontrollierteUntersuchungen zu dieser Konsumsituation sinddeshalb dringend erforderlich.

Die Beweislagen für gelegentliche und regelmäßigeCannabiskonsumenten unterscheiden sich nachakutem Konsum ganz wesentlich. Während für Ge-legenheitskonsumenten eine Vielzahl von Verhal-tensdefiziten konsistent nachweisbar ist, gibt es fürregelmäßige Konsumenten bisher keinen Nachweiseiner konsistenten Leistungsbeeinträchtigung.Damit gibt es derzeit keinen wissenschaftlich be-legbaren Grund für die Annahme, dass die Leis-tungsdefizite nach akutem Cannabiskonsum beiregelmäßigen Konsumenten stärker sind als beiGelegenheitskonsumenten. Es gibt aber auchkeine Hinweise darauf, dass die Defizite bedeutendkleiner sind als bei den Gelegenheitskonsumenten.Die für Gelegenheitskonsumenten nach akutemCannabiskonsum konsistent nachgewiesenen Leistungsdefizite stellen somit die bisher verhal-tenswissenschaftlich nachweisbare Obergrenzeder maximal zu erwartenden verkehrsrelevanten

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Beeinträchtigungen dar. Die Ergebnisse der Defizit-analyse für Gelegenheitskonsumenten kann des-halb auch bei sehr konservativer Betrachtung inihren Ergebnissen auf die regelmäßigen Konsu-menten übertagen werden. Für die Fahrtüchtigkeitund ihre Einschränkung nach akutem Cannabis-konsum ergeben sich damit für die regelmäßigenKonsumenten die gleichen Konsequenzen wie fürdie Gelegenheitskonsumenten. Das Konsummus-ter ist somit nicht per se als Prädiktor für die He-rabsetzung der Leistungsfähigkeit in verkehrsrele-vanten Leistungen anzusehen. Daraus ergibt sichauch, dass der Suche nach toxikologischen Ver-fahren und Markern zur Trennung von gelegentli-chem und regelmäßigem Cannabiskonsum im Zu-sammenhang mit der Fahrtüchtigkeit lediglich einheuristischer Wert zukommt.

5.1 Cannabis-induzierte Verhaltens-defizite und mögliche Marker

5.1.1 Prinzipielle Überlegungen

Für Drogen, von denen sicher bekannt ist, dass siezu verkehrsrelevanten Leistungseinbußen führen,ist es wünschenswert, forensisch-toxikologischeMarker zu kennen, die nicht nur als qualitativerNachweis der Drogenaufnahme, sondern auch alsquantitativer Nachweis des Beeinträchtigungsgra-des auf Verhaltensebene gelten können. Sowohldie Kenntnisse der Leistungsdefizite als auch dieAusprägung forensisch-toxikologischer Marker ba-sieren auf empirischen Studien. Im Idealfall werdendabei definierte Mengen der Droge verabreicht.Daraufhin werden der zeitliche Verlauf der Verhal-tensdefizite und parallel die Konzentration des fo-rensisch-toxikologischen Markers erfasst. Im Ideal-fall korreliert der zeitliche Verlauf des toxikologi-schen Markers mit dem zeitlichen Verlauf der Ver-haltensdefizite. Wenn das der Fall ist, würde imnächsten Schritt eine Festlegung auf Verhaltens-ebene stattfinden, ab welchem Ausprägungsgradder Verhaltensdefizite mit einer relativen bzw. deut-lichen Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zu rech-nen ist. Anhand des zeitlichen Verlaufes der Verhal-tensdefizite in der empirischen Studie könnte dannein Zeitraum identifiziert werden, in dem das Aus-maß der empirisch gefundenen Defizite die defi-nierte Beeinträchtigungsgrenze überschreitet. Daim Idealfall die Ausprägung der Verhaltensdefizitemit der des forensisch-toxikologischen Markerszeitlich parallel läuft, müsste dann nur noch diekleinste Konzentration des Markers, die parallel zur

Überschreitung der Beeinträchtigungsgrenze aufVerhaltensebene gemessen wurde, identifiziertwerden. Diese Konzentration wäre dann als idealerforensisch-toxikologischer Grenzwert eines Mar-kers für das Vorhandensein verkehrssicherheitsre-levanter Leistungsdefizite im Sinne einer relativenoder deutlichen Einschränkung der Fahrtüchtigkeitanzusehen.

Einem derartigen idealen Vorgehen sind leider inder Realität der Cannabisforschung vielerlei Gren-zen gesetzt. Ein prinzipielles Problem besteht be-reits im eigentlich kontrollierbaren Design der vor-handen Studien für die Grenzwertfindung. DieseStudien folgen in den seltensten Fällen dem obenskizzierten Vorgehen. Wenn eine Cannabisstudietatsächlich einmal ein solches Design verwendet,treten weitere praktische Probleme zutage. Wirdein Top-down-Ansatz verwendet, zum Beispiel ineiner Realfahrtstudie, fehlt zumeist die parallele Er-fassung der forensisch-toxikologischen Marker.Beim Verfolgen eines Bottom-up-Ansatzes liegendie Probleme in der Regel auf Seiten der Verhal-tensmessung. Folgt man einem Bottom-up-Ansatz,d. h., man untersucht alle fahrrelevanten Einzelleis-tungen, würde dies eine praktisch nicht zu bewälti-gende Menge einzelner Tests bedeuten. Keine Ein-zelstudie konnte das bisher leisten. Die Studien,welche neuropsychologische Leistungen parallelzum zeitlichen Verlauf eines forensisch-toxikologi-schen Markers untersuchten, haben sich somit aufeinige wenige, zumeist leicht zu messende Leis-tungen beschränkt (z. B. PEREZ-REYES et al.,1988). Diese Einschränkung hatte zur Folge, dassdie untersuchten Einzelleistungen in einer einzel-nen Studie nie ausreichten, um auf ein so komple-xes Leistungsgefüge, wie zum Führen eines Fahr-zeuges notwendig, schließen zu können. Auch dieGesamtheit aller Cannabisstudien mit paralleler Er-fassung toxikologischer Marker und von Verhal-tensleistungen erlaubte einen solchen Schluss bis-her nicht.

Wenn ein ideales Vorgehen zur Grenzwertfindungan den praktischen Erfordernissen bisher geschei-tert ist, so scheint dennoch ein weniger idealesVorgehen aufgrund einer andersartigen Datenbasiserwägenswert. Neben den relativ wenigen Studien,die Verhaltensparameter und toxikologische Mar-ker nach Cannabiskonsum parallel erfassen, exis-tiert eine Vielzahl von Studien, die lediglich die Ef-fekte von Cannabis auf Verhaltensleistungen unter-suchen. Das Ziel dieser Studien war offensichtlichnicht die Bestimmung von Grenzwerten für toxiko-

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logische Marker, sondern lediglich die Frage, obbzw. unter welchen Umständen Cannabis zu Leis-tungsdefiziten führt. Diese Studien versuchen, einezeitliche Beziehung zwischen verabreichter ∆9-THC-Menge und zu erwartenden Verhaltensdefizi-ten herzustellen. Wenn genügend Einzelbefundevorliegen, können dann auch konsistente Schlüsseüber eine zeitliche Beziehung von verabreichter ∆9-THC-Menge und zu erwartenden Defiziten in derFahrzeugführung abgeleitet werden, so wie das fürdie Konsumsituation des Gelegenheitskonsumen-ten nach akutem Cannabiskonsum der Fall ist(siehe oben). Neben den Studien, welche die Effek-te des Cannabiskonsums allein auf Verhaltens-leistungen erfassten, gibt es auch eine beträchtli-che Anzahl von Untersuchungen, welche allein dieEffekte des Cannabiskonsums auf forensisch-toxi-kologische Marker ermittelt haben. Da eine direkteBeziehung zwischen toxikologischen Markern undverkehrsrelevanten Verhaltensdefiziten aufgrundder wenigen Studien, die beide abhängigen Variab-len parallel messen, gegenwärtig nicht etabliertwerden kann, besteht der nächstbeste Ansatz imVersuch, eine indirekte Beziehung zu untersuchen.Diesem indirekten Ansatz liegen folgende Überle-gung zugrunde: Wenn sich einerseits eine Bezie-hung zwischen eingenommener ∆9-THC-Mengeund den daraus resultierenden Verhaltensdefizitenund andererseits eine Beziehung zwischen einge-nommener ∆9-THC-Menge und einem forensisch-toxikologischem Marker etablieren lässt, dann soll-te daraus auch eine Beziehung zwischen foren-sisch-toxikologischen Marker und Verhaltensdefizi-ten resultieren. Praktisch könnte das bedeuten,dass eine bestimmte, zu verabreichende Dosis ∆9-THC identifiziert würde, die zu Verhaltensdefizitenführt. Als für Verhaltensdefizite kritische Menge ∆9-THC wäre diejenige Dosis anzusehen, ab der diebeobachteten Leistungsdefizite ein Ausmaß errei-chen, das eine relative oder deutliche Einschrän-kung der Fahrtüchtigkeit zur Folge hätte. Im zwei-ten Schritt könnte dann die Konzentration des fo-rensisch-toxikologischen Markers ermittelt werden,welche durch die Einnahme der oben identifiziertenkritischen Menge ∆9-THC bedingt wird. Ein sol-ches Vorgehen wäre aber nur dann unzweifelhaftgerechtfertigt, wenn der zeitliche Verlauf der Aus-prägungen von toxikologischen Markern und Ver-haltensdefiziten annähernd identisch ist. Sindbeide zeitlich verschoben, z. B. bei den Maxima,kann eine derartige Beziehung nicht ohne weiteresetabliert werden bzw. kann sie streng genommennur als Anhaltspunkt dienen.

5.1.2 Können forensisch-toxikologische Markerfür verkehrsrelevante Leistungsdefizitebei Cannabiskonsumenten etabliert wer-den?

Die Ergebnisse der Verhaltensanalyse haben ge-zeigt, dass gegenwärtig weder für gelegentlichenoch für regelmäßige Cannabiskonsumentenwährend der Abstinenz verkehrsrelevante Defizitekonsistent nachweisbar sind. Die Identifizierungdieser beiden Konsumsituationen anhand toxikolo-gischer Marker oder anhand gezielter Befragungenhätte nach dem gegenwärtigen Stand der For-schungen keine Aussagekraft bezüglich einer ein-geschränkten Fahrtüchtigkeit. Von den drei unter-schiedlichen Konsumsituationen, die einen akutenKonsum beinhalten, sind für die Gelegenheitskon-sumenten verkehrssicherheitsrelevante Defizitekonsistent nachweisbar, für Cannabis-naive undregelmäßige Konsumenten dagegen bisher nicht.Aufgrund der bisher vorliegenden Studien kannaber dennoch davon ausgegangen werden, dassdie Defizite in den anderen beiden Konsumsituatio-nen weder größer noch kleiner sind als bei den Ge-legenheitskonsumenten. Toxikologische Marker,die Gelegenheitskonsumenten von regelmäßigenKonsumenten während der Abstinenz und auchnach akutem Konsum unterscheiden, haben damitebenfalls nur einen heuristischen Wert. Ein odermehrere toxikologische Marker, die den akutenKonsum einer bestimmten Dosis ∆9-THC beweisenkönnten u. U. auch als ein Nachweis für die mitdieser Dosis assoziierten Verhaltensdefizite ange-sehen werden.

Für die forensisch-toxikologische Analyse ergibtsich generell das Problem, einen oder mehrereMarker für den akuten Cannabiskonsum bzw. fürdie dabei konsumierte Menge ∆9-THC zu identifi-zieren, deren zeitlicher Verlauf dem der Verhal-tensdefizite ähnlich ist. Diese Beziehung anhandder vorhandenen Verhaltensdaten sicher nachzu-weisen, dürfte sich allerdings als schwierig heraus-stellen, da man zwar nach dem akutem Rauchenvon Marihuana von konsistent nachgewiesenenDefiziten ausgehen kann, deren genauer zeitlicherVerlauf bisher jedoch nicht detailliert genug nach-vollzogen worden ist.

Verschiedene Studien haben versucht, den zeitli-chen Verlauf der ∆9-THC-Plasmakonzentration undden zeitlichen Verlauf einzelner Verhaltensdefiziteparallel zu untersuchen. PEREZ-REYES et al.(1988) fanden bei Gelegenheitskonsumenten nach

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dem Rauchen von Marihuana mit 2,4 % ∆9-THCeine maximale ∆9-THC-Plasmakonzentration von119 ng/mL nach 7,2 Minuten, was ungefähr mitdem maximalen subjektiv erlebten „high” koinzi-dierte, welches sein Maximum nach 10,0 Minutenerreichte. Die stärksten Defizite in einer parallel er-fassten Aufgabe zur geteilten Aufmerksamkeit tra-ten aber erst in einem Zeitintervall von 30 bis 90bzw. 120 bis 180 Minuten nach dem Rauchen auf(PEREZ-REYES et al., 1988). Diese Studie legt einePhasenverschiebung zwischen der ∆9-THC-Kon-zentration im Plasma und den Verhaltensdefizitennahe, auch wenn die hier getestete Aufgabe si-cherlich alleine nicht in der Lage ist, Aussagen überdas gesamte Leistungsspektrum der verkehrsrele-vanten Einzelleistungen zu machen. In einer Studievon HUESTIS et al. (1992) wurden der zeitliche Ver-lauf der ∆9-THC-Plasmakonzentration und ver-schiedene Verhaltensparameter nach dem Rau-chen von Marihuana mit 1,75 % oder 3,55 % ∆9-THC gemessen. Die maximale Plasmakonzentrati-on von ∆9-THC wurde bereits 9 Minuten nach demBeginn des Rauchens gemessen und betrug 79,0und 152,0 ng/mL für die 1,75 % oder 3,55 % ∆9-THC-Bedingung. Nach 30 Minuten wurden Plas-makonzentrationen von 17,3 und 29,7 ng/mL de-tektiert. Keine der beiden ∆9-THC-Dosierungenhatte in dieser Studie einen signifikanten Effekt aufdie Flimmerverschmelzungsfrequenz, die Zeitwahr-nehmung, die Reaktionsgeschwindigkeit, die visu-motorische Koordination und die serielle Additionund Subtraktion. Lediglich eine Aufgabe zum logi-schen Denken war signifikant beeinträchtigt, wobeidas Leistungsminimum nach 22 Minuten, d. h.nach dem ersten Messzeitpunkt, bereits erreichtwar. Wie der Verlauf dieser Leistungsbeeinträchti-gung innerhalb des 22-Minuten-Intervalls aussah,lässt sich aufgrund der praktischen Erfordernisse(Testdauer) nicht klären. Von einem parallelen zeit-lichen Verlauf dieses Verhaltensdefizits mit der ∆9-THC-Plasmakonzentration kann anhand dieserStudie nicht ausgegangen werden, eine Parallelitätlässt sich aber auch nicht ausschließen (HUESTISet al., 1992). Das Hauptproblem in dieser Studiedürften neben einer nicht genau angegeben Mengedes verabreichten ∆9-THC die hauptsächlich „ne-gativen” Verhaltensbefunde sein. Da kaum Verhal-tensdefizite nachweisbar waren, können auchkaum Defizite mit toxikologischen Markern auf eineKorrelation hin überprüft werden. COCCHETTO etal. (1981) und MILLER et al. (1983) konnten zeigen,dass die physiologischen und subjektiven Effektedes Rauchens von ∆9-THC gegenüber der ∆9-

THC-Plasmakonzentration phasenverschoben auf-treten. Dass die im Plasma nachgewiesene Menge∆9-THC mit den Verhaltenseffekten von ∆9-THCzeitlich parallel verläuft, kann anhand einer Vielzahlweiterer Befunde generell bezweifelt werden (füreine Übersicht siehe: CONE & HUESTIS, 1993).Insgesamt ist festzustellen, dass die Studien, wel-che den zeitlichen Verlauf forensisch-toxikologi-scher Marker und einzelner Verhaltensdefizite nachCannabiskonsum parallel erfassen, bisher keineAngaben über die Ausprägung dieser Marker erlau-ben, welche mit einem so komplexen Leistungsge-füge wie dem Führen eines Fahrzeuges korrelieren.

Da ein direkter korrelativer Ansatz für das Etablie-ren einer prädiktiven Kausalität zwischen toxikolo-gischen Markern und Verhaltensdefiziten bishernicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, wirdmomentan eher ein indirekter Ansatz verfolgt (z. B.BERGHAUS et al., 1998a). Ausgehend von der applizierten Cannabismenge könnten so kritischeDosierungen ∆9-THC zusammen mit kritischenZeiträumen ermittelt werden, für deren Kombina-tion verkehrsrelevante Verhaltensdefizite zu erwar-ten sind (siehe oben). Anhand beider Informationenkönnten bei ausreichender Datendichte toxikologi-sche Studien ausgewertet werden, die eine Bezie-hung zwischen konsumierter ∆9-THC-Menge unddem zeitlichen Verlauf forensisch-toxikologischerMarker untersuchen. Besonders wichtig sind dabeitoxikologische Studien, welche die in der Verhal-tensanalyse identifizierten kritischen Dosierungen∆9-THC verabreicht haben. Die ebenfalls in derVerhaltensanalyse gefundenen kritischen Zeitfens-ter stellen eine weitere Vorgabe dar. Die innerhalbdieses Zeitfensters gefundenen Konzentrationeneines toxikologischen Markers könnten dann einmöglicher Hinweis für das parallele Auftreten vonVerhaltensdefiziten mit Verkehrsrelevanz sein. Einsolches Vorgehen ist aufgrund der konsistentnachgewiesenen Verhaltensdefizite bisher aller-dings nur für die Konsumsituation des Gelegen-heitskonsumenten nach akutem Cannabiskonsum,und auch nur für das Rauchen, gerechtfertigt.

Der zeitliche Verlauf der ∆9-THC-Plasmakonzen-tration wurde nach dem Rauchen von Marihuana ineiner Vielzahl unterschiedlicher Studien bei Gele-genheitskonsumenten untersucht. Beim Mari-huanarauchen ist ∆9-THC im Plasma bereits nacheinmaligem Inhalieren nachweisbar (HUESTIS etal., 1992). In der Studie von HUESTIS et al. (1992)an Gelegenheitskonsumenten wurden die maxima-len Plasmakonzentrationen von ∆9-THC noch vor

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dem Ende des Rauchens einer Marihuanazigaretteerreicht. Die Latenzzeit zum Rauchbeginn betrugdabei 8,4 Minuten. Die Maxima der Plasmakonzen-trationen von ∆9-THC betrugen nach dem Rau-chen einer Marihuanazigarette mit einem ∆9-THC-Gehalt von entweder 15,8 oder 33,8 mg im Mittel84,3 ng/mL und 162,2 ng/mL ∆9-THC. Allerdingswar die Varianz der Plasmakonzentrationen in die-ser Studie an nur 6 Versuchspersonen beträchtlich.Die maximale Plasmakonzentration des aktivenMetaboliten 11-OH-THC wurde 13,5 Minuten nachdem Beginn des Rauchens erreicht und betrug 6,7und 7,5 ng/mL 11-OH-THC. Der inaktive MetabolitTHC-COOH war erst 8 Minuten nach dem Beginndes Rauchens bei allen Versuchspersonen im Plas-ma detektierbar. Die THC-COOH Konzentration imPlasma erreichte nach etwa 30 Minuten ein Pla-teau, von dem sie nur langsam wieder abfiel. Diemaximale Konzentration wurde mit einer sehrhohen interindividuellen Varianz zwischen 32 und240 Minuten nach Rauchbeginn erreicht und be-trug 24,5 ng/mL oder 54,0 ng/mL (HUESTIS et al.,1992). Anhand der Verhaltensanalyse wurden füreine gerauchte ∆9-THC-Menge ab 6 mg ∆9-THCbei Gelegenheitskonsumenten verkehrsrelevanteDefizite konsistent nachgewiesen, welche die An-nahme einer relativen Einschränkung der Fahrtüch-tigkeit rechtfertigen können. Diese Defizite warenbis zu 130 Minuten nach dem Rauchen nachweis-bar. Die in der Studie von HUESTIS et al. (1992) ge-rauchten Mengen waren mit 15,8 und 33,8 mg ∆9-THC deutlich größer. Die nach ~130 Minuten ge-messenen Plasmakonzentrationen für eine konsu-mierte Menge von 15,8 mg ∆9-THC könnten damit, wenn überhaupt, nur eine erste Näherungfür einen kritischen Wert des toxikologischen Mar-kers sein. Die Plasmakonzentrationen betrugen imMittel für ∆9-THC 2,6 ng/mL, für 11-OH-THC 1,3ng/mL und für THC-COOH 19,3 ng/mL. Konsisten-te Defizite, welche die Annahme einer deutlichenEinschränkung der Fahrtüchtigkeit rechtfertigenkönnen, wurden in der Verhaltensanalyse (sieheoben) ab einer gerauchten ∆9-THC-Menge von 12mg bis zu 25 Minuten nach dem Rauchen gefun-den. 33 Minuten nach dem Rauchen von Marihua-na mit 15,8 mg ∆9-THC finden HUESTIS et al.(1992) bei 6 Versuchspersonen im Mittel folgendePlasmakonzentrationen: für ∆9-THC 15,7 ng/mL,für 11-OH-THC 5,5 ng/mL und für THC-COOH17,4 ng/mL. In einer weiteren Studie an Gelegen-heitskonsumenten fanden McBURNEY et al. (1986)nach dem Rauchen von Marihuana mit insgesamt0,15 mg/kg ∆9-THC maximale ∆9-THC-

Level im Plasma innerhalb von 5 Minuten. Die ∆9-THC-Konzentration betrug dabei 85 ng/mL. Die Va-rianz war allerdings ebenfalls beträchtlich undreichte von 36,1 ng/mL bis zu 177,2 ng/mL. DieLevel von 11-OH-THC und THC-COOH erreichtenihr Maximum dagegen erst 50 Minuten nach demRauchen. Nach einer Latenzzeit von 120 Minutenberichten McBURNEY et al. (1986) Plasmakonzen-trationen von 9,8 ng/mL ∆9-THC, 6,7 ng/mL 11-OH-THC und 15,1 ng/mL THC-COOH. Für eine La-tenzzeit von 30 Minuten werden nach dem Rau-chen von 0,15 mg/kg ∆9-THC, einer Konzentration,die einer absolut verabreichten Menge von 12 mg∆9-THC bei einer 80 kg schweren Person ent-spricht, Plasmakonzentrationen von 41,4 ng/mL∆9-THC, 18,5 11-OH-THC und 28,7 ng/mL THC-COOH gefunden. Diese Werte dürften aufgrund dergeeigneteren Dosierung von ∆9-THC eine etwasbessere Näherung für die zu erwartenden Plasma-konzentrationen darstellen, die bei konsistentnachgewiesener Verhaltensbeeinträchtigung korre-spondierend zu einer deutlichen Einschränkungder Fahrtüchtigkeit zu erwarten sind. Mit einerDosis von etwa 13 mg ∆9-THC haben auch OHLS-SON et al. (1980) eine Dosis verabreicht, die derkritischen Dosis auf Verhaltensebene sehr nahekommt. Auch diese Autoren fanden insgesamt einestarke Schwankung in den individuellen ∆9-THC-Plasmakonzentrationen nach dem Rauchen. Einemaximale Plasmakonzentration wurde bereits inder ersten Probe nach 3 Minuten gefunden. Diemittlere Plasmakonzentration betrug hierbei 77ng/mL ∆9-THC, bei einer Streuung von 33 bis 118ng/mL (OHLSSON et al., 1980; siehe auch:HOLLISTER et al., 1981). Nach einer Latenzzeit von30 Minuten finden diese Autoren eine ∆9-THC-Konzentration im Plasma von ungefähr 35 ng/mL,ein Wert der sich dem von McBURNEY et al. (1986)annähert, den von HUESTIS et al. (1992) aber ummehr als das doppelte übersteigt.

LUKAS et al. (1994) fanden in einer Studie an Ge-legenheitskonsumenten eine maximale ∆9-THC-Plasmakonzentration von 25 bzw. 77 ng/mL bereits10 Minuten nach dem Beginn des Rauchens einerMarihuanazigarette mit 1,24 % oder 2,64 % ∆9-THC. Nach einer Latenzzeit von 30 Minuten berich-ten die Autoren eine ∆9-THC-Plasmakonzentrationvon ~5 ng/mL nach der 1,24%igen Marihuanaziga-rette und ~15 ng/mL nach der 2,64%igen Mari-huanazigarette (LUKAS et al., 1994). Ähnlich Wertewurden auch in einer weiteren Studie von LUKAS &OROZCO (2001) 30 Minuten nach dem Rauchen

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von Marihuana mit 1,26 % oder 2,53 % ∆9-THCgefunden. Leider werden in beiden Studien keinegenauen Angaben zur absolut gerauchten ∆9-THC-Menge und zu den exakten Plasmakonzen-trationen von ∆9-THC gemacht, weshalb ein Ver-gleich mit anderen Studien kaum möglich ist. Auchin der Studie von REEVE et al. (1983), in der Gele-genheitskonsumenten bis zum Erreichen eines alsangenehm empfundenen „High” Marihuana rau-chen konnten, wurden keine absolut konsumiertenDosierungen angegeben. Nach 90 Minuten betrugdie mittlere ∆9-THC-Konzentration im Plasma 5,0ng/mL und nach 30 Minuten 10,7 ng/mL. Ein ge-nauer Vergleich mit den gut kontrollierten Studienist auch hier kaum möglich. Signifikante Ge-schlechterunterschiede in der Plasma-Konzentra-tion von ∆9-THC nach dem Rauchen oder intra-venöser bzw. oraler ∆9-THC-Applikation wurdenbisher nicht gefunden (COCCHETTO et al., 1981;WALL et al., 1983).

Aus den Studien, die lediglich die ∆9-THC-Konzen-tration im Plasma nach dem Rauchen von Mari-huana untersucht haben, ergeben sich anhand derDosis und Zeitfenstervorgaben aus den Verhaltens-studien bisher lediglich grobe Orientierungspunktefür die Ausprägung eines möglichen toxikologi-schen Markers. Anhand der Verhaltensuntersu-chungen wurden nach dem Rauchen von Marihua-na mit mindestens 6 mg ∆9-THC konsistente Defi-zite mit einer Dauer von bis zu 130 Minuten nachdem Rauchen nachgewiesen, die, unabhängigdavon, ob jemand regelmäßiger- oder Gelegen-heitskonsument ist, mit einer relativen Einschrän-kung der Fahrtüchtigkeit assoziiert werden können.Eine ∆9-THC-Konzentration im Plasma von > 2,6ng/mL, wie sie HUESTIS et al. (1992) 133 Minutennach dem Rauchen von Marihuana mit 15,8 mg ∆9-THC gefunden haben, wäre nach diesem Modellein ungefährer Wert, der nicht überschritten wer-den dürfte, um Verhaltensdefizite mit einiger Si-cherheit ausschließen zu können, die für eine rela-tive Einschränkung der Fahrtüchtigkeit sprächen.Da die in den Verhaltensuntersuchungen identifi-zierte kritische Dosierung nur 6 mg ∆9-THC betrug,aber HUESTIS et al. (1992) mit 15,8 mg ∆9-THCmehr als die doppelte Menge verabreicht hatten,ist davon auszugehen, dass die kritische Plasma-konzentration von ∆9-THC für eine relative Ein-schränkung der Fahrtüchtigkeit noch um einigesniedriger liegen könnte als 2,6 ng/mL. Weiterhinwäre anhand der Befunde von OHLSSON et al.(1980), HOLLISTER et al. (1981) und McBURNEY

et al. (1986) eine ∆9-THC-Konzentration im Plasmavon > 35 ng/mL ein kritischer Wert, der, unabhän-gig davon, ob jemand regelmäßiger oder Gelegen-heitskonsument ist, nicht überschritten werdensollte, um Verhaltensdefizite mit einiger Sicherheitausschließen zu können, die eine deutliche Ein-schränkung der Fahrtüchtigkeit wahrscheinlichmachen. Die verabreichten ∆9-THC-Mengen in denangeführten Studien liegen relativ dicht an deridentifizierten kritischen Dosis aus den Verhaltens-studien, weshalb dieser Wert mehr Aussagekrafthaben dürfte als der für eine mögliche relative Ein-schränkung der Fahrtüchtigkeit. Insgesamt mussaber deutlich darauf hingewiesen werden, dass einparalleler zeitlicher Verlauf der ∆9-THC-Konzentra-tion (und auch jedes anderen bekannten toxikolo-gische Markers) im Plasma mit dem der Verhal-tensdefizite bisher nicht nachgewiesen werdenkonnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dieMaxima beider Kurven phasenverschoben sind.Das Maximum der ∆9-THC-Plasmakonzentrationwird deutlich schneller erreicht als das Maximumder Verhaltensbeeinträchtigung. Die angegebenenkritischen Plasmalevel von ∆9-THC sind damit beiUnkenntnis der Konsumlatenz als Obergrenzen füreinen Konsum anzusehen, ab denen im negativ-sten Fall, d. h. bei Einnahme einer sehr hohenDosis ∆9-THC, hinreichend sicher mit unter Um-ständen gravierenden Verhaltensbeeinträchtigun-gen gerechnet werden muss. Es bedeutet aberauch, dass ein solcher Wert bei Unkenntnis desKonsumzeitpunktes den Konsum kleinerer Dosen∆9-THC mit kurzer Latenz zur Probenentnahme inseinen Auswirkungen auf das Verhalten überschät-zen würde.

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Peter Strohbeck-Kühner, Beate Lutz, Gisela Skopp und Rolf Aderjan

Teil C: Analyse forensisch-toxikologischer Fälle

6 Material und Methode

6.1 Selektionskriterien

Im Untersuchungsgut des Instituts für Rechtsmedi-zin und Verkehrsmedizin wurden über einen Zeit-raum von 3 Jahren (2000 bis 2002) alle Fälle ver-kehrsauffälliger Personen, bei denen bei der Serumuntersuchung ein positiver Befund für Can-nabinoide erhalten wurde, selektiert. Die Selektionerfolgte anhand des chemisch-toxikologischen Un-tersuchungsergebnisses.

Primäres Einschlusskriterium war ein positivergaschromatografisch-massenspektrometrischerBefund für THC-COOH in freier Form und/oderTHC und 11-OH-THC im Serum. Als Entschei-dungsgrenze für die Anwesenheit der Substanzenim Serum wurden die Nachweisgrenzen dergaschromatografisch-massenspektrometrischenBestimmungsmethode entsprechend DIN 32645(SCHMITT et al., 1999) ermittelt. Danach konntenFälle ab Messwerten von 0,25 ng THC/mL-Serum,0,5 ng 11-OH-THC/mL Serum sowie 2,5 ng THC-COOH/mL-Serum als positiv gewertet wer-den.

Bei den cannabinoid-positiven Fällen wurden dieErgebnisse weiterer chemisch-toxikologischer Untersuchungen herangezogen (Blutalkohol (BAK),immunochemische Befunde für weitere Drogen in Urin/Serum, chromatografische Befunde für weitere Drogen oder Medikamente), und es wur-den Angaben zum Konsum weiterer zentral ner-vös aktiver Substanzen gesichtet, deren Anwe-senheit jedoch mangels eines polizeilichen bzw.staatsanwaltschaftlichen Untersuchungsauftragsnicht chemisch-toxikologisch überprüft wurde. In einem nächsten Auswahlschritt wurden diejeni-gen Befunde selektiert, bei denen die BAK < 0,3Promille bzw. Atemalkoholkonzentration < 0,15mg/L betrug und bei denen keine weiteren posi-tiven gaschromatografisch/massenspektrome-trischen Befunde für Opiate, Amphetamine oder

Cocain-Metabolite erhalten wurden oder bei denen sich mittels gaschromatografischer oderhochdruckflüssigkeitschromatografischer Unter-suchungen kein Hinweis auf die Anwesenheit einer weiteren psychoaktiven Substanz im Serum ergaben. Waren keine gaschromatografisch-massenspektrometrischen Untersuchungen beauf-tragt, lag jedoch immunochemisch ein Hinweis für die Anwesenheit einer Substanz aus der Grup-pe der Opiate, Amphetamine oder Benzodiazepineoder auf einen Gebrauch von Cocain oder Metha-don in Serum oder Urin vor, wurden diese Fälle von der weiteren Auswertung ausgeschlossen. War im Untersuchungsauftrag die Einnahme einerweiteren psychoaktiven Substanz durch den Ver-kehrsteilnehmer angegeben, die Anwesenheit derSubstanz im Serum jedoch nicht chemisch-toxiko-logisch überprüft worden, wurden die Fälle eben-falls nicht in die weitere Auswertung mit einbezo-gen.

Bei den verbleibenden THC-positiven Fällen (BAK< 0,3 Promille, kein Hinweis auf den Konsum weiterer psychoaktiver Substanzen) wurden Unter-lagen zum Vorfallsgeschehen sowie zu den bei der polizeilichen Beobachtung und der ärztlichenUntersuchung erhaltenen Auffälligkeiten heran-gezogen. Ein kleiner Teil der benötigten Unterla-gen war bereits am Institut für Rechtsmedizin undVerkehrsmedizin der Universitätsklinik Heidelbergverfügbar. Nach Zustimmung der Generalstaats-anwaltschaft und der Ethikkommission der Uni-versitätsklinik Heidelberg wurden die Polizeidienst-stellen bei den verbleibenden Fällen um weite-res Informationsmaterial gebeten. Ein Teil der ärzt-lichen Beobachtungen konnte im Institut fürRechtsmedizin der Universitätsklinik Ulm eingese-hen werden. Bei Fällen, in denen hier kein Informa-tionsmaterial verfügbar war, wurden die Polizei-dienststellen um eine Einsicht in die Unterlagen gebeten.

Nach Durchsicht der Unterlagen wurden Fälle, beidenen es sich nicht um Verkehrsdelikte handelteoder bei denen erkennbar war, dass eine schwer-wiegende psychische Störung bereits aus der Vor-geschichte bekannt war, die die Auffälligkeiten er-klären konnte, wie z. B. eine Manie/Depression,eine Schizophrenie oder eine Psychose, von derweiteren Auswertung ausgeschlossen. Die so aus-gewählten Fälle werden nachfolgend auch alsTHC-Mono-Fälle bezeichnet.

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6.2 Zusammenhang zwischen Canna-binoidkonzentrationen und den im„Torkelbogen” dokumentiertenAusfallserscheinungen

Als „Torkelbogen” oder auch Checkliste wird dasFormblatt „Polizeiliche Feststellungen zur Beein-trächtigung der Fahrtüchtigkeit” bezeichnet, derzur standardisierten Erfassung und Beurteilung vonAuffälligkeiten eines Kraftfahrers im fließenden Ver-kehr, beim Antreffen und während der gesamten,dienstlichen Maßnahme entwickelt wurde.

Der Bogen ist in 2 Beobachtungsblöcke zur Fahr-weise und beim Anhalten/Antreffen eingeteilt. Der1. Beobachtungsblock lässt häufig bereits einegrobe Zuordnung als Straftat oder Ordnungswid-rigkeit zu, während der 2. Beobachtungsblock aufdie Erkennung einer Drogenbeeinflussung ausge-richtet ist (Bild 7).

Im Torkelbogen werden neben körperlichen Auffäl-ligkeiten und äußerer Erscheinung Aspekte desVerhaltens nach der Interaktion mit den Beamtenvor Ort beurteilt, wie

· Reaktion,

· Aussprache,

· Ansprechbarkeit/Orientierung,

· Stimmung/Verhalten.

Die Motorik wird durch folgende 2 Merkmale über-prüft:

· Aussteigen aus dem Fahrzeug,

· Gang.

Schließlich erfolgt eine Untersuchung der Augen,die folgende Merkmale umfasst:

· Beurteilung der Augenbindehäute (unauffällig,gerötet, wässrig/glänzend, unruhig),

· Schätzung der Pupillenweite in mm anhandeiner Schablone auf dem Bogen (1 bis 9 mm in0,5 mm Schritten)

· und der Pupillenreaktion auf Licht (prompt bzw.träge).

Die meisten Drogen, insbesondere auch THC, be-sitzen eine kurze Plasmaeliminationshalbwertszeit.Die dienstlichen Maßnahmen von der Kontrolle des

Probanden bis zu seiner Entlassung nach der Blut-entnahme dauern in der Regel 1 bis 2 Stunden,manchmal auch länger. In dieser Zeit kann sich dasWirkungsspektrum mit sinkendem Blutspiegeldeutlich ändern und ist z. B. an einer Umkehr derStimmungslage von zunächst euphorisch/fröhlichnach depressiv oder gleichgültig erkennbar.

Anhand dieses Bogens wurden bei allen nach 6,1vorselektierten Fällen häufig zu beobachtendeAusfallserscheinungen herausgearbeitet. Den ein-zelnen Fragen/Beobachtungen wie z. B. der Reak-tion der Pupille auf Licht wurde die Häufigkeit derAntworten gegenüberstellt, die sich für „prompt”oder „träge” ergaben. Die Angabe der Häufigkeiterfolgte in %, bezogen auf die Gesamtzahl erhobe-ner Befunde.

Die in den Unterlagen enthaltenen Informationenwurden extrahiert und in anonymisierter Form ineine SPSS-Datei eingegeben. Zusätzlich wurdendie Konzentrationen an THC, 11-OH-THC undTHC-COOH, die in den entnommenen Blutprobengemessen wurden, in die Datei mit aufgenommen.Zunächst wurde die Häufigkeit für alle Fälle, unge-achtet des Konzentrationsprofils an Cannabinoi-den, erhoben. Anschließend wurden aus dem Ge-samtkollektiv die folgenden 3 Untergruppen geson-dert betrachtet:

· THC ≥ 1 ng/mL-Serum, THC-COOH > 70 ng/mL-Serum (U1),

· THC ≥ 1 ng/mL-Serum, THC-COOH > 150 ng/mL-Serum (U2),

· THC < 1 ng/mL-Serum, THC-COOH ≤ 70 ng/mL-Serum (U3).

Hierbei ist Untergruppe 2 als eine weitere Unter-gruppe von 1 aufzufassen. Die Einteilung stütztsich zum einen auf die Empfehlung der Grenzwert-kommission für § 24a Abs. 2 StVG, zum anderenauf die Beobachtung, dass nach einmaligem Kon-sum von Cannabisprodukten in keiner experimen-tellen Studie ein Wert von 150 ng THC-COOH/mLPlasma oder Serum erreicht wurde.

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Bild 7: Torkelbogen

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6.3 Zusammenhang zwischen Canna-binoidkonzentrationen und den imärztlichen Bericht dokumentiertenAusfallserscheinungen

Der Arzt, der sich nach entsprechendem Vorver-dacht zu einer Blutentnahme nach § 81a StPO ver-pflichtet, verpflichtet sich gleichzeitig zur Durch-führung der körperlichen Untersuchung und zurAnfertigung eines ärztlichen Berichtes anhandeines Formblatts. Gemäß der Grundkonzeptiondes Gutachtens des Bundesgesundheitsamtes „Al-kohol bei Verkehrsstraftaten” werden diese Berich-te auf mehrteiligen Formblättern angefertigt, dievon Bundesland zu Bundesland leicht variieren.Hierdurch wird eine gewisse Standardisierung derärztlichen Untersuchung angestrebt. In Bild 8 istdas derzeitig in Baden-Württemberg verwendeteFormblatt dargestellt.

Die körperlichen Untersuchungen können, soweitsie eine aktive Mitarbeit des Probanden erfordern,verweigert werden. Dies betrifft die nachfolgendenTests:

· Gang (geradeaus),

· plötzliche Kehrtwendung,

· Finger-Finger-Probe,

· Finger-Nase-Probe,

· Romberg-Test,

· Drehnystagmus (Drehnachnystagmus).

Geh- und Drehtest erfolgen nach Instruktion, wobeiwährend der Bewegungsphase stets ein Fuß un-mittelbar vor den anderen gesetzt werden soll. Isteine vorgegebene Anzahl von Schritten ausgeführtworden, soll die Drehung auf dem Fuß erfolgen, aufdem der letzte Schritt ausgeführt wurde. Währendder Drehung darf der andere Fuß, falls erforderlich,hilfsweise mit hinzugenommen werden. Manchmalerfolgt die Drehung auch nach plötzlichem Zuruf.Die Testabfolge dient insbesondere dem Herausfin-den von Gleichgewichtsstörungen, zeigt aber auchEinschränkungen bei der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -umsetzung auf.

Beim Nasen-Finger-Test soll die Nasenspitze instehender Position bei geschlossenen Augen mitder Spitze des Zeigefingers berührt werden. BeimFinger-Finger-Test, der ebenfalls in stehender Posi-tion und bei geschlossenen Augen durchgeführtwird, werden die Arme horizontal ausgestreckt um

anschließend die Zeigefinger bei gestrecktenArmen vor der Nase zusammenzuführen. Ein Ver-fehlen der Nasenspitze bzw. der Zeigefingerspitzenund starkes Zittern werden als eine Beeinträchti-gung des Gleichgewichtssinns bewertet. Alle 4 bisjetzt erläuterten Tests werden als „sicher” oder „un-sicher” bewertet.

Beim Romberg-Test werden die Beine zusammen-gestellt, die Arme seitlich an den Körper und derKopf in den Nacken gelegt und anschließend dieAugen geschlossen. Als normabweichend werdenZittern, Schwanken des Kopfes, schlaffe Haltunginfolge verminderten Muskeltonus oder Ausfall-schritte zur Sicherung des Standes bewertet. DerTest prüft ebenfalls den Gleichgewichtssinn. Esgibt auch Blutentnahmeärzte, die den Probandenzusätzlich instruieren, die Augen nach eigenerSchätzung genau 30 Sekunden geschlossen zuhalten. Hierdurch soll die „innere Uhr” des Proban-den im Sinne einer Beschleunigung oder Ver-langsamung des Zeitgefühls geprüft werden.

Bei der Prüfung des Drehnystagmus (Drehnach-nystagmus) wird die zu untersuchende Person in-nerhalb von 10 Sekunden 5-mal um die eigeneKörperlängsachse gedreht. Anschließend soll derin etwa 25 cm Abstand vor die Nase des Proban-den gehaltene Zeigefinger des Untersuchers fixiertwerden. Hierbei wird die Dauer des grobschlägigenNachzitterns der Augen bis zum Stillstand in Se-kunden gemessen. Als normabweichend geltenWerte über 6 Sekunden. Auch dieser Test prüft aufeine Ataxie.

Die Untersuchungen der Augen umfassen, ver-gleichbar denen im Torkelbogen, eine Beurteilungder Augenbindehäute, die Abschätzung der Pupil-lenweite in mm und die Angabe der Pupillenreakti-on auf Licht in Sekunden.

Der Bericht enthält 2 weitere Merkmale, die Auf-schluss über eine Beeinträchtigung durch zentralnervös wirksame Substanzen geben sollen:

· Tonuserhöhung,

· Sprache (Aussprache).

Die Sprache bzw. Aussprache soll nach „deutlich“,„Silbenstolpern“, „verwaschen” und „lallend” diffe-renziert werden. Eine Tonuserhöhung ist ein Zei-chen für eine vegetative Verstärkung im Sinne einerÜberaktivierung des Sympathikus, das Begleit-symptome wie muskuläre Verspannungen undBlutdruckerhöhung erklären kann.

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Bild 8: Protokoll und Antrag zur Feststellung von Alkohol, Drogen und Medikamenten/anderen berauschenden Mitteln

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Abschließend ist eine Graduierung der äußerlichmerkbaren Drogenbeeinflussung als „nicht merk-bar“, „leicht“, „deutlich“, „stark” oder „sehr stark”vorzunehmen.

6.4 Ermittlung von Beeinträchtigungs-kennzahlen und -scores anhandder Beobachtungsparameter

In einem Großteil der selektierten THC-Mono-Fällewaren zur Dokumentation der Beobachtungen derTorkelbogen (s. Kapitel 6.2) und das Protokoll undAntrag zur Untersuchung auf Alkohol, Drogen undMedikamente (s. Kapitel 6.3) verwendet worden. Ineinigen Fällen lagen jedoch nur isolierte Befundewie z. B. Auffälligkeiten der Augenbindehäute oderder Pupillen für die kontrollierten Personen vor.

Die in den Unterlagen enthaltenen Informationenwurden extrahiert und in anonymisierter Form ineine SPSS-Datei eingegeben. Neben den Einzel-antworten wurden vielfach auch Mehrfachantwor-ten gegeben. Auch diese Antwortkombinationenwurden in der Datei in verschlüsselter Form erfasst. Zusätzlich wurden die Konzentrationen anTHC, 11-OH-THC und THC-COOH, die in den ent-nommenen Blutproben gemessen wurden, in dieDatei mit aufgenommen.

Um eine gewisse Graduierung der Auffälligkeitenim Hinblick auf ihre Schwere und damit ihre Be-deutung in Bezug auf die Fahrsicherheit zu erhal-ten, wurde ein zweistufiges Verfahren gewählt. Inder ersten Stufe wurde durch in der Fahrtüchtig-keitsbeurteilung erfahrene Gutachter eine Einstu-fung für die in den polizeilichen und ärztlichen Pro-tokollen gestellten Fragen und die Antwortmöglich-keiten im Hinblick auf die Wichtigkeit für die Ein-schätzung der Beeinflussung vorgenommen.Wurde ein Parameter für die Beurteilung der Fahr-sicherheit als weniger wichtig bis unwichtig einge-schätzt, sollten geringere Punktzahlen vergebenwerden. Wurde ein Parameter subjektiv als wichtigerachtet, waren höhere Zahlen dieser Skala zu ver-geben. Über die Bildung eines Mittelwertes wurdefür jede der gestellten Fragen eine Wertigkeit imBereich von 0 bis 6 ermittelt. Polizeiliche und ärzt-liche Fragen/Beobachtungen sind hierbei nichtimmer identisch (Tabelle 17), auch unterschiedlicheWertungen bei gleichen Fragen durch die Polizeibzw. den Arzt waren möglich.

Im Rahmen einer zweiten Gutachterbefragung wur-den die Sachverständigen gebeten, die bei den

einzelnen Fragen möglichen Antworten bzw. Ant-wortkombinationen in ihrer Beeinträchtigungsstär-ke einzustufen. Minimalpunktezahl (keine Beein-trächtigung) war wiederum 0, als Maximalpunkte-zahl (maximale Beeinträchtigung) sollte die derFrage zugeordnete Ziffer ihrer Wertigkeit vergebenwerden. Anhand der gerundeten Mittelwerte derSachverständigeneinschätzungen zu den Beein-trächtigungsstärken der Antworten wurden die Be-einträchtigungskennzahlen bestimmt. Am Beispielder im Blutentnahmeprotokoll gestellten Fragennach Gang sowie nach Pupillenreaktion ist die Er-mittlung der Wertigkeit der Frage und der Beein-trächtigungskennzahl der Antwort dargestellt (vgl.Bild 9).

Dieses Vorgehen bietet auch die Möglichkeit, ausden verschiedenen Antworten bei Einzelfälleneinen polizeilichen bzw. ärztlichen prozentualen„Beeinträchtigungsscore” zu ermitteln. Dieser er-gibt sich als: Beeinträchtigungsscore der polizeili-chen oder ärztlichen Beobachtungen (%) = ∑ derden Einzelantworten zugeordneten Beeinträchti-gungskennzahlen/∑ der den Fragen zugeordnetenWertigkeiten x 100.

Die Ermittlung der prozentualen „Beeinträchti-gungsscores” erfolgte wie in Bild 9 aufgezeigt.

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Tab. 17: Vergleich der polizeilichen mit den ärztlichen Fragen/Beobachtungen

Polizeiliche Fragen/Beobachtungen

Ärztliche Fragen/Beobachtungen

Fahrweise Gang

Fahrzeugbedienung Kehrtwendung nach Gehen

Reaktion Finger-Finger-Probe

körperliche Auffälligkeiten Finger-Nasen-Probe

Aussteigen aus dem Fahrzeug Drehnystagmus

Stimmung Nystagmusdauer

Ansprechbarkeit Rombergtest

Aussprache Tonuserhöhung

Augen Sprache

Lichtreaktion Skleren

Gang Pupillenweite

Pupillenweite Pupillenreaktion

Verhalten während der Amts-handlung

Bewusstsein

Denkablauf

Stimmung

Verhalten

Befinden

Beeinflussungsgrad

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6.5 Statistische Analyse – Serum-cannabinoidkonzentrationen undBeeinträchtigung

Zusammenhänge zwischen der Serumkonzentrati-on und der Stärke der Geamtbeeinträchtigung(Summenwert) sowie des Grades der Beeinträchti-gung einzelner Teilfunktionen wurden mittels Korre-lations-, Varianz- und Diskriminanzanalysen, ge-trennt nach polizeilichen und ärztlichen Befunden,mit dem Programm SPSS statistisch ermittelt.

Zunächst wurde versucht, Merkmalszusammen-hänge zwischen den Konzentrationen an THC, 11-OH-THC und THC-COOH jeweils getrennt nachder Gesamteinschätzung der Polizei (Be-Po) unddes Blutentnahmearztes (Be-Ar) sowie nach derBeurteilung des äußerlich bemerkbaren Beeinflus-sungsgrades (Bg-Ar) durch den Arzt zu ermitteln.Dieser ergibt sich aus dem letzten Abschnitt imProtokoll und Antrag zur Feststellung von Alkohol,Drogen, Medikamenten/anderen berauschendenMitteln (Bild 8). Im nächsten Schritt wurden dieTHC-Gehalte mit den Be-Po, Be-Ar und Bg-Arunter Kontrolle der THC-COOH-Konzentration alsMaß für eine Cannabisgewöhnung (Partialkorrelati-on) korreliert, d. h., der Einfluss der Variablen THC-COOH wurde herauspartialisiert.

Weiterhin wurde die Stichprobe bezüglich derTHC-Konzentrationen in folgende drei Gruppen un-

terteilt: < 3 ng THC/mL-Serum, 3 bis 9 ng THC/mL-Serum und > 9 ng THC/mL-Serum. Bei Werten < 3 ng THC/mL-Serum kann ein Konsum bereitsmehrere Stunden, bei häufig konsumierenden Per-sonen im Einzelfall auch länger als 24 Stunden,zurückliegen, ein akuter Einfluss lässt sich jedochnicht in jedem Fall ausschließen (SKOPP et al.,2003). Werte über 3 THC/mL,Serum sprechen füreine akute Phase, bei starkem, gewohnheitsmäßi-gem Konsum kann bei Werten oberhalb von 9 ngTHC/mL-Serum sicher von einem kurzzeitig zurück-liegenden Konsum der Droge ausgegangen werden.In jeder Gruppe wurden die Mittelwerte der Ausfalls-erscheinungen, jeweils getrennt nach Be-Po, Be-Arund Bg-Ar, einer Einwegvarianzanalyse unterzogen.Auch hier wurden die THC-COOH-Konzentrationenim Rahmen einer Kovarianzanalyse kontrolliert.

Um einen möglichen Einfluss der Gewöhnung aufdie Beobachtungsbefunde der Polizeibeamten unddes Blutentnahmearztes zu prüfen, wurden dieGruppen nochmals hinsichtlich ihrer THC-COOH-Werte in 3 Gruppen eingeteilt und einer Varianz-analyse unterzogen. In die Gruppe mit praktischvernachlässigbarer oder geringer Gewöhnung wur-den alle Fälle mit THC-COOH-Serumkonzentratio-nen < 40 ng/mL eingeordnet, Werte zwischen 40bis 70 ng THC-COOH/mL-Serum wurden als mittelklassifiziert, und Werte über 70 ng THC-COOH/mL-Serum als hoch gewöhnt eingestuft. Wie bei den

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Bild 9: Ermittlung der Wertigkeit einer Frage sowie der Beeinträchtigungskennzahl am Beispiel der im ärztlichen Blutentnahmepro-tokoll gestellten Fragen nach dem Gang und der Pupillenreaktion

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vorhergehenden Analysen wurde auf einen Einflussvon THC in einer Kovarianzanalyse geprüft.

Bei einer differentiellen Auswertung wurde geprüft,ob die durch Polizei oder Arzt beobachteten Auffäl-ligkeiten in speziellen Bereichen, vor allem hin-sichtlich der Gewöhnung, in Zusammenhang mitder Höhe der Cannabinoidkonzentrationen imSerum stehen. Zunächst wurden alle Fälle mit nied-riger THC-Konzentration (< 3 ng THC/mL-Serum)anhand der THC-COOH-Werte (gering, mittel,hoch) darauf hin untersucht, ob eine Gewöhnunganhand der berichteten Ausfallserscheinungenzum Tragen kam. In einer weiteren Varianzanalysewurde geprüft, ob sich bei Personen mit hohenTHC-COOH-Konzentrationen im Serum Unter-schiede zwischen den Gruppen mit geringer undhoher THC-Konzentration ergeben. Zur Gegenprü-fung wurden die Beeinträchtigungsscores bei Per-sonen mit niedrigen THC-COOH-Gehalten imSerum auf Unterschiede bei niedriger bzw. hoherTHC-Konzentrationen hin untersucht.

In einer zweiten Auswertungsreihe wurde auf Zu-sammenhänge zwischen Auffälligkeiten in spezifi-schen Bereichen und der Höhe der Cannabinoid-konzentrationen im Serum geprüft. Dabei wurdenalle Fälle, die bei einzelnen Symptomen, z. B. beider Aussprache, Auffälligkeiten aufwiesen, zusam-mengefasst, nicht jedoch hinsichtlich ihrer weiterenAusprägung, z. B. „Aussprache verwaschen” wei-ter untergliedert, um geeignete, d. h. noch ausrei-chende Gruppengrößen zu erhalten. Die Auswer-tung erfolgte über Kreuztabellen. Die Häufigkeits-unterschiede im Auftreten bestimmter Merkmaleoder von Merkmalskombinationen wurden durcheinen Chi-Quadrat-Test überprüft. Im ersten Schrittwurde geprüft, ob sich einzelne Symptome bzw.Auffälligkeitskombinationen überzufällig häufig inden drei, nach der Höhe ihrer THC-Konzentrationunterteilten Gruppen nachweisen lassen. In einerweiteren Berechnung wurde das Untersuchungs-kollektiv hinsichtlich der Höhe der THC-COOH-Werte untergliedert.

In der dritten Auswertungsreihe wurde versucht,Zusammenhänge zwischen den Serumkonzentra-tionen und den Verkehrsauffälligkeiten herauszuar-beiten. Hierbei wurde nach Trunkenheitsfahrt, Un-fällen mit Personen- oder Sachschaden, Unfällenmit Getöteten und Fällen nach § 24a Abs. 2 StVG,sog. „folgenlosen” Fahrten unter akutem Dro-geneinfluss, unterschieden. Durch einen t-Testwurde geprüft, inwieweit Serumspiegel nach fol-

genlosen Fahrten und nach Fahrten mit einem Un-fallereignis eine Rolle spielen. Beide Gruppen wur-den nachfolgend einer Diskriminanzanalyse unter-zogen. Da auf Grund des Verteilungsverhaltens vonTHC die THC-Konzentration in Blut, Plasma oderSerum allein als nicht ausreichend für die Fahr-tüchtigkeit beurteilt wurde, wurde der sog. CIF-Faktor als Alternative vorgeschlagen, der die bei-den Hauptmetabolite 11-OH-THC und THC-COOHmit einbezieht. Daher wurde die Diskriminanzanaly-se nach Berechnung der CIF-Faktoren erneutdurchgeführt.

7 Ergebnisse

7.1 THC-Befunde in rechtsmedizinischuntersuchten Serumproben

7.1.1 THC-Befunde der Jahre 2000–2002

In den Jahren 2000–2002 wurde bei insgesamt2.359 Fällen ein positiver gaschromatografisch-massenspektrometrischer Befund für THC oderdessen Metabolite 11-OH-THC und THC-COOH imSerum erhalten. Die Zahl der Befunde stieg von347 im Jahr 2000 über 703 im Jahr 2001 auf 1.309im Jahr 2002 an.

In 849 dieser Fälle waren neben Cannabinoidenweitere zentral aktive Substanzen im Serum nach-weisbar bzw. wurden als konsumiert angegeben,ohne dass eine weitere chemisch-toxikologischeUntersuchung in bezug auf die Absicherung dieserAngaben durchgeführt wurde. Diese Kombinati-onsfälle gliederten sich entsprechend Bild 10 auf.In 323 der Fälle war eine BAK ≥ 0,3 Promille nach-weisbar, wovon der größte Teil auf einen Bereichvon 0,5 bis 1,99 Promille entfiel. Bei insgesamt 109Personen – ca. 33 % der Personen mit positivenBefunden für Cannabinoide und Alkohol – war zu-sätzlich noch mindestens eine dritte, zentral nervösaktive Substanz nachweisbar. Bei 526 Kombinati-onsfällen, bei denen kein Alkohol nachweisbar warbzw. die BAK unterhalb von < 0,3 Promille lag, warin 302 Fällen gleichzeitig Amphetamin bzw. ein Am-phetaminabkömmling nachweisbar, 30 Personenhatten einen Benzodiazepin-Tranquilizer, 54 Perso-nen Cocain, 33 Personen Opiate (Morphin, Codein,Dihydrocodein), 31 Personen zentral nervös aktiveMedikamentenwirkstoffe bzw. Ersatzdrogen sowie76 Personen mehrere zentral nervös aktive Drogenoder Medikamentenwirkstoffe zusätzlich zu Can-nabis eingenommen.

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In 1.510 Fällen, die einer chemisch-toxikologischenAnalyse unterzogen worden waren, waren nurCannabinoide bzw. eine BAK < 0,3 Promille nach-weisbar. Zu diesen Fällen wurden fehlendes Infor-mationsmaterial über das Vorfallsgeschehen sowiepolizeiliche und ärztliche Beobachtungen bei derKontrolle bei den Polizeidienststellen bzw. imrechtsmedizinischen Institut der UniversitätsklinikUlm erbeten. Hierbei stellte sich bei 16 Fällen he-raus, dass es sich nicht um Verkehrsdelikte han-delte. Zu weiteren 54 Fällen konnten keinerlei Infor-mationen über das Vorfallsgeschehen oder Auffäl-ligkeiten bei der ärztlichen oder polizeilichen Kon-trolle erhalten werden. Damit verblieben 1.440Fälle, bei denen entweder polizeiliche oder aberärztliche Beobachtungen vorlagen. Die bei diesenFällen getroffenen Beobachtungen wurden zusam-men mit den gemessenen Konzentrationen anTHC, 11-OH-THC sowie THC-COOH in eine SPSS-Datenbank eingetragen und stellten die Datenbasisfür die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommeneAuswertung dar.

7.1.2 Auswertekollektiv

Im Kollektiv der 1.440 Personen, die zur Auswer-tung gelangten, betrug der Anteil an Frauen 3,6 %.Das Alter der Personen reichte von 15 bis 57 Jahren, die Altersverteilung (Bild 11) zeigte ein Ma-ximum um 21 Jahre. Die Konzentrationen, die bei den untersuchten Personen gemessen wordenwaren, streuten beträchtlich. Neben Fällen, bei

denen nur Spuren an THC-COOH im Serum nach-weisbar waren, gab es auch Proben, in denen Konzentrationen von bis zu 105 ng THC/mL-Serumbestimmt wurden. In 572 der 1.440 Fälle lagen Informationen über die Fahrweise bzw. die Fahr-zeugbedienung vor. Die polizeilichen Beobachtun-gen bei den 1.440 Fällen gestalteten sich folgen-dermaßen: Zu 260 Fällen lagen keinerlei Infor-mationen über Auffälligkeiten bei der polizeilichenBeobachtung vor. In 734 Fällen war das standar-disierte polizeiliche Beobachtungsprotokoll, dersog. Torkelbogen, ausgefüllt worden. In 282 Fällenwaren die Beobachtungen nicht anhand des Standardbogens dokumentiert worden, es lagenaber einzelne Angaben vor, z. B. sei der Betref-fende bei der Kontrolle durch weit gestellte Pupil-len aufgefallen. In 164 Fällen war von der Polizeipauschal „keine Auffälligkeiten” angegeben wor-den.

Die ärztlichen Beobachtungen bei den 1.440 Fällengliederten sich folgendermaßen auf: In 296 Fällenlagen keinerlei Informationen über ärztliche Be-obachtungen vor. In 1.144 Fällen war ein ärztlichesBlutentnahmeprotokoll ausgefüllt worden. In dreidieser Fälle war der Patient zuvor notärztlich ver-sorgt worden, sodass die ärztlichen Beobachtun-gen hier nicht in die weitere Auswertung einbezo-gen wurden.

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Bild 10: Aufschlüsselung des Gesamtkollektivs Cannabinoid-positiver Befunde in Monokonsum und Kombinationsfälle

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7.2 Auswertung

7.2.1 Ausmaß der Auffälligkeiten im Torkelbogen

In Tabelle 18 sind für das Gesamtkollektiv und die3 Untergruppen U1 bis U3 die Häufigkeiten derMerkmale in Prozent, bezogen auf die Anzahl erho-bener Befunde in der jeweiligen Gruppe, zusam-mengefasst, so wie sie sich aus der polizeilichenCheckliste ergeben. Die letzte Spalte enthält dieAnzahl erhobener Befunde im Gesamtkollektivbzw. in den 3 Untergruppen.

Praktisch keine oder nur in Einzelfällen registrierteAuffälligkeiten traten demnach für alle untersuch-ten Fälle und alle Untergruppen bei folgendenMerkmalen auf:

· Änderung des Verhaltens während der Dienst-handlung,

· Aussteigen aus dem Fahrzeug,

· Gang.

Nur 4 bzw. 7 % aller Personen, bei denen eine Kon-trolle, Vernehmung und Blutentnahme durchge-führt worden warn, wurden während der Dienst-maßnahmen zunehmend auffälliger bzw. unauffälli-ger. Interessant scheinen die Feststellungen, dasssich keine Unterschiede hinsichtlich der Verhal-

tensaufälligkeiten bei allen Fällen im Vergleich zuden Fällen in der subakuten Cannabisphase erga-ben, und dass als stark und regelmäßig klassifizier-te Cannabiskonsumenten im Vergleich zum Ge-samtkollektiv häufiger auffälliger wurden. In denFällen, in denen während des Aussteigens aus demFahrzeug Beeinträchtigungen festgestellt werdenkonnten, wurden diese überwiegend als Gleichge-wichtsstörungen eingestuft. Bei Abweichungendes Ganges vom Normzustand ergab sich mit Aus-nahme der als schwer eingestuften Konsumentenfolgende Reihung: schleppend > schwankend.

Deutlichere Abweichungen vom „Normzustand” er-gaben sich für die folgenden Beobachtungen:

· Aussprache,

· körperliche Auffälligkeiten,

· Stimmung,

· Reaktion,

· Orientierung.

Bei der Aussprache ergaben sich eindeutige Unter-schiede zwischen allen Fällen und U3 einerseitssowie den Untergruppen U1 und U2 andererseitsbezüglich der Beurteilung der Sprache. Personen,die der subakuten Cannabisphase zugeordnet wer-den konnten, sprachen in 95 % deutlich, während

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Bild 11: Altersverteilung im Auswertekollektiv

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Tab. 18: Häufigkeit der Antworten auf die im Torkelbogen aufgeführten Fragen/Beobachtungen

Frage/Beobachtung

Häufigkeit (%) bei Differenzierung der Frage/Beobachtung in allen Fällen und in den Untergruppen U1 (THC-COOH > 70 ng/mL), U2 (THC-COOH > 150 ng/mL) und U3 (THC < 1 ng/mL

und THC-COOH ≤ 70 ng/mL)

erhobeneBefunde

(n)

Verhalten1

alle U1U2U3

gleich89918692

auffälliger4492

unauffälliger7556

6251604490

StimmungalleU1U2U3

ruhig58605859

aufgeregt20171521

fröhlich4424

stumpf8987

distanzlos4483

redselig1220

weinerlich2121

77519852108

ReaktionalleU1U2U3

unauffällig62564867

verzögert35394831

verlangsamt3442

sprunghaft0000

6911814895

OrientierungalleU1U2U3

orientiert78746687

verwirrt5651

schläfrig13162310

benommen1100

aufweckbar1222

6981794497

körpl. Auffäl.2

alleU1U2U3

keine39423739

Schweiß2222

Zittern14141716

Unruhe10878

Lidflattern12111111

trock. Mund3

1123

80220457116

AussprachealleU1U2U3

deutlich89838195

Silbenstolp.4

2222

verwaschen813142

lallend1101

6651684293

AussteigenalleU1U2U3

normal96949397

ataktisch3552

Festhalten1121

6541704487

GangalleU1U2U3

sicher88898689

schleppend6666

schwankend4383

torkelnd0000

Sonstiges2101

7201875095

AugenalleU1U2U3

unauffällig67010

wäßr./glänz.5

19181313

gerötet17162122

unruhig1101

rot+ glänz.6

51545946

85623260113

PupillenweitealleU1U2U3

verengt7

33292339

normal8

42455241

erweitert9

26262519

84422360109

Pupillenrkt.10

alleU1U2U3

prompt13121017

träge86879082

keine1101

6831715252

1 Änderung während der Amtshandlung, 2 körperliche Auffälligkeiten, 3 trockener Mund, 4 Silbenstolpern, 5 wässrig/glänzend, 6 glänzend, 7 1 bis 4,5 mm, 8 5 bis 7 mm, 9 7,5 bis 10 mm, 10 Pupillenreaktion

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dieser Anteil bei U2 mit 81 % erheblich geringerwar. Als häufigste Normabweichung wurde eineverwaschene Sprache dokumentiert. Auch hierfanden sich mit 13 und 14 % für U1 und U2 häufi-gere Zuordnungen als z. B. für U3 mit nur 2 %. DieBeurteilung „lallend” wurde allenfalls für 1 % derFälle vergeben.

Während die Aussprache bei der überwiegendenAnzahl kontrollierter Personen als nicht normab-weichend eingestuft wurde, fanden sich im Ge-samtkollektiv und den Untergruppen für alle weite-ren Merkmale stärkere Abweichungen vom Norm-zustand.

Keine körperlichen Auffälligkeiten ergaben sich nurin 37 bis 42 %, bezogen auf alle Fälle und die Un-tergruppen U1 bis U3. Zittern trat mit 14 bis 17 %am häufigsten auf, gefolgt von Lidflattern mit 11 bis12 %, Unruhe mit 7 bis 10 % und Schweißausbruchmit 2 %. Es fällt auf, dass sich die Häufigkeiten in-nerhalb der Untergruppen und bezüglich des Ge-samtkollektivs nur geringfügig unterscheiden.

Während 58 bis 62 % aller Probanden als ruhig be-urteilt wurden, zeigten sich 15 bis 21 % aller Per-sonen aufgeregt, 7 bis 9 % stumpf und 2 bis 4 %unangemessen fröhlich. Die einzelnen Merkmaletraten in allen Fällen und zwischen U1 bis U3 etwagleich häufig auf.

Deutliche Abweichungen vom Normzustand undunterschiedliche Häufigkeiten konnten für dieMerkmale „Reaktion” und „Orientierung” heraus-gearbeitet werden.

In U2 wurden nur 48 % der kontrollierten Personenals unauffällig eingeordnet, während in U3 67 %der Personen ebenfalls als unauffällig galten. Auf-fälliges Reagieren wurde überwiegend als verzö-gert, in Einzelfällen als extrem langsam und in kei-nem Fall als sprunghaft charakterisiert. Auch hierfiel der höhere prozentuale Anteil in U2 mit 48 %gegenüber U3 mit 31 % auf. Es ergab sich einekontinuierliche Zunahme der als „verzögert reagie-rend” eingestuften Personen von U3 über U1 zuU2, während sich für die Beurteilung als „extremlangsam” kein entsprechender Trend zeigte.

Eine vergleichbare Graduierung wie für die „verzö-gerte Reaktion” ergab sich für das Merkmal orien-tiert. Hier konnte eine Abnahme der Häufigkeitenvon U3 (87 %) über U1 (74 %) bis zu U2 (66 %) be-obachtet werden. Als häufigste Normabweichungfand sich „schläfrig“, gefolgt von „verwirrt“. Es er-staunt daher nicht, dass immerhin 23 % der als

stark konsumierend eingestuften Personen einenschläfrigen Eindruck hinterließen. Nur 10 % derKonsumenten in der subakuten Phase wurden alsschläfrig beurteilt, in der Untergruppe U1 waren es13 %. „Leicht aufweckbar” und „benommen” fan-den sich nur in Einzelfällen.

Ähnlich hohe oder sogar höhere Abweichungenvom Normzustand im Vergleich zu Orientierungund verzögerter Reaktion zeigten sich bei der Prü-fung der Augen mit folgenden Merkmalen:

· Skleren,

· Pupillenweite,

· Pupillenreaktion.

Bei den Augen fanden sich eine konjunktivale Injek-tion und ein wässrig/glänzendes Aussehen in 16 bis22 % und 13 bis 19 % aller Fälle. Bei einer Additi-on der beiden Merkmalshäufigkeiten ergaben sichWerte von 46 bis 51 %. Bezüglich dieser Merk-malsausprägungen zeigten sich zwischen dem Ge-samtkollektiv und den Untergruppen keine präg-nanten Unterschiede. Nur in Einzelfällen wurden dieAugen als unruhig eingestuft. Lediglich bis zu 10 %der Befunde wurden als unauffällig angegeben,wobei sich interessanterweise kein unauffälliger Be-fund in U2 ergab und die höchste „Unauffälligkeits-rate” für U3 festgestellt werden konnte.

Die Pupillenweite wurde in knapp der Hälfte allerFälle (42 bis 52 %) als normal eingestuft, 29 bis 39 % der Befunde dokumentierten eine Engstel-lung, 19 bis 26 % der Befunde eine Weitstellungder Pupille. Bei Gruppe U2 ergaben sich bei einemVergleich mit dem Gesamtkollektiv und den beidenUntergruppen U1 und U3 insgesamt mehr Norm-befunde und weniger als verengt beurteilte Pupil-lenbefunde. Umgekehrt zeigten sich bei U3 die we-nigsten Normbefunde, eine Engstellung der Pupillewurde deutlich häufiger als in U1 und U2 bzw. imGesamtkollektiv angetroffen.

Überraschend war die hohe Anzahl einer träge aufLichteinfall reagierenden Pupille mit 82 bis 90 %.Eine prompte Reaktion wurde nur in 10 bis 17 %gesehen. In U2 eingeordnete Fälle zeigten häufigereine träge Reaktion der Pupille auf Änderungen derUmgebungshelligkeit als z. B. Personen in der sub-akuten Phase. Lediglich in Einzelfällen schien dieReaktion der Pupille auf Licht aufgehoben.

Zusammenfassend ergab sich damit für die Erken-nungsmöglichkeiten anhand des Torkelbogens Fol-gendes:

145

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· Nur in Einzelfällen zeigten sich während derakuten Rauschphase Auswirkungen auf denGleichgewichtssinn.

· Sprachauffälligkeiten waren wenig hinweisendfür einen Cannabiskonsum und ließen bei diffe-renzierter Betrachtung auch keine Abschätzungdes Konsummusters zu.

· Körperliche Auffälligkeiten und Stimmung eig-neten sich nur bedingt als Anhaltspunkt füreinen Drogenkonsum und erlaubten keine wei-tere Unterscheidungsmöglichkeit hinsichtlichletztmaligem Aufnahmezeitpunkt und Konsum-verhalten.

· Reaktion und Orientierung waren geeigneter,eine gewisse Differenzierung hinsichtlich Kon-sum bzw. Konsumverhalten zu leisten, wobeidie Entdeckungshäufigkeit bei Orientierungbzw. normabweichenden Befunden als be-scheiden eingestuft werden muss.

· Eine Rötung der Augenbindehäute in Verbin-dung mit einem wässrig/glänzenden Aussehender Augen ließ eine Erkennung des Konsumszu, Differenzierungen bezüglich des Konsum-verhaltens bzw. bezüglich der subakutenRauschphase ergaben sich nicht.

· Eine träge Reaktion der Pupille auf Licht wardas am häufigsten auftretende Erkennungs-merkmal.

7.2.2 Ausmaß der Auffälligkeiten im ärztlichenUntersuchungsbefund

In Tabelle 19 sind für das Gesamtkollektiv und dieUntergruppen U1 bis U3 die Häufigkeiten derMerkmale in Prozent zusammengefasst, so wie siesich aus den ärztlichen Untersuchungsbefundenergeben.

Ähnlich wie bei den von der Polizei dokumentiertenAuffälligkeiten waren für die nachfolgenden Merk-male keine oder nur in Einzelfällen beobachtbare,normabweichende Befunde (≤ 15 % der erhobenenBefunde im Gesamtkollektiv, alternativ in den 3 Un-tergruppen) beobachtet worden:

· Gang,

· plötzliche Kehrtwendung nach dem Gehen,

· Bewusstsein.

Lediglich in 4 bis 7 % der Fälle wurde der Gang alsschleppend und in 5 bis 8 % als schwankend be-

urteilt, für keinen der Fälle wurde das Kriterium„torkelnd” vergeben. In der Untergruppe U2 ergabsich lediglich eine Tendenz zu häufigeren, normab-weichenden Befunden bezüglich des Ganges imVergleich zu dem Gesamtkollektiv bzw. den Unter-gruppen U1 und U3.

Bei der plötzlichen Kehrtwendung konnte mit 11bzw. 12 % in U1 bzw. U2 ein geringfügig höhererAnteil an Personen als im Gesamtkollektiv mit 8 %ermittelt werden, die bei diesem Test als unsicherbeurteilt wurden.

Der überwiegende Anteil der kontrollierten Fahrerwurde als „bewusstseinsklar” eingestuft. Normab-weichende Befunde wurden fast ausschließlich als„benommen“, in wenigen Fällen als „somnolent“,nie jedoch als „verwirrt” oder „bewusstlos” charak-terisiert. Auch hier zeigten sich praktisch keine Un-terschiede in der Auftretenshäufigkeit der Merkma-le „klar” und „benommen” zwischen Gesamtkollek-tiv und Untergruppen.

Für die nachfolgenden Merkmale ergaben sich ent-weder im Gesamtkollektiv oder in den einzelnenUntergruppen in bis zu einem Drittel der jeweils er-hobenen Befunde Abweichungen vom Normzu-stand:

· Stimmung,

· Befinden,

· Finger-Finger-Probe,

· Nasen-Finger-Probe,

· Romberg-Test,

· Denkablauf,

· Sprache,

· Nystagmusdauer (grobschlägiger Drehnachnys-tagmus).

Bei Stimmung und Befinden ergaben sich prak-tisch keine Unterschiede zwischen dem Gesamt-kollektiv und den Untergruppen U1 bis U3 hinsicht-lich der getroffenen Zuordnungen. In 82 bis 86 %wurde die Stimmung als ruhig, d. h. als nicht norm-abweichend und adäquat beurteilt, die weiterenMerkmale waren folgendermaßen verteilt: 5 bis 9 % aufgeregt > 2 bis 5 % redselig > 1 bis 4 % ab-wesend > 1 bis 2 % provokativ > bis zu 1 % dis-tanzlos. Das Merkmal „aggressiv” wurde in keinemFall vergeben.

Die Finger-Finger-Probe fiel bei ca. einem Drittelaller Fälle unsicher aus, während es bei der Nasen-

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147

Tab. 19: Häufigkeit der Antworten auf die im ärztlichen Untersuchungsbefund aufgeführten Fragen/Beobachtungen

Frage/Beobachtung

Häufigkeit (%) bei Differenzierung der Frage/Beobachtung in allen Fällen und in den UntergruppenU1 (THC-COOH > 70 ng/mL), U2 (THC-COOH > 150 ng/mL) und U3 (THC < 1 ng/mL und THC-

COOH ≤ 70 ng/mL)

erhobene Befunde (n)

DenkablaufalleU1U2U3

geordnet84808884

sprunghaft3405

perseverier.10020

verworren0120

verlangsamt1315812

sonstiges0111

1.08828667153

BewusstseinalleU1U2U3

klar90878792

benommen1013129

somnolent0010

bewusstlos0000

verwirrt0000

1.11229268153

VerhaltenalleU1U2U3

normal41373940

verlangsamt40463937

schwerfällig2222

lethargisch1103

weinerlich2222

stumpf6596

fröhlich6577

6731834496

StimmungalleU1U2U3

ruhig86868283

provokativ1002

distanzlos0001

abweisend2431

aggressiv0000

redselig4205

aufgeregt6597

1.09928867151

BefindenalleU1U2U3

normal86858782

Schwitzen2101

Mundtr.25559

Frösteln2304

Schmerz1251

Juckreiz0000

Gähnen2231

99325962139

GangalleU1U2U3

sicher91898589

schleppend4576

schwankend5786

torkelnd0000

91223160127

F-F-Probe1

alleU1U2U3

sicher68697273

unsicher33312827

92123160128

F-N-Probe2

alleU1U2U3

sicher82858385

unsicher18151715

91523160129

Kehre3

alleU1U2U3

sicher92898896

unsicher811124

77219250105

Nystagmus4

alleU1U2U3

< 10 sec84678186

≥ 10 sec16331914

71010343102

RombergalleU1U2U3

sicher62626865

Zittern8878

ge. Schw.527262025

st. Schw.62232

86521259121

BindehäutealleU1U2U3

klar47433554

gerötet44465040

geschwollen1130

ger.+wäßr.779125

1.09828868155

1 Finger-Finger-Probe, 2 Nasen-Finger-Probe, 3 plötzliche Kehrtwendung, 4 grobschlägiger Drehnachnystagmus, 5 geringes Schwanken, 6 starkes Schwanken, 7 gerötet und wässrig/glänzend, 8 stark erweitert, 9 stark verengt, 10 Pupillenreaktion, 11 Tonuserhöhung, 1 2 Bluthochdruck, 13 Silbenstolpern, 1 4 abschließende Beurteilung, 15 nicht merkbar

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Finger-Probe nur in 18 % zu Unsicherheiten kam.Für beide Tests zeigten sich praktisch keine Unter-schiede hinsichtlich der Bewertung als sicher oderunsicher zwischen dem Gesamtkollektiv und denUntergruppen.

Dies traf auch für die Interpretation beim Romberg-Tests zu, der in 62 % aller Fälle sicher ausfiel. Amhäufigsten ergab sich ein Schwanken als normab-weichender Befund, in ca. 2 % wurde starkesSchwanken und in ca. 8 % Zittern angekreuzt. DieArt der Abweichung vom Normzustand unterschiedsich zwischen den Untergruppen bzw. zwischenGesamtkollektiv und Untergruppen praktisch nicht.

Für die weiteren oben aufgeführten Merkmale wieDenkablauf und Sprache ergaben sich Unterschie-de zwischen den gebildeten Gruppen. Der Denk-ablauf wurde zwar in 90 % aller Fälle als „geordnet”und damit nicht als normabweichend eingestuft,der prozentuale Anteil für dieses Merkmal war inU1 jedoch auf 80 % zurückgegangen. Interessan-terweise fanden sich in U2 prozentual fast ebenso

viele als „geordnet” eingestufte Personen wie imGesamtkollektiv. Als im Denkablauf „verlangsamt”galten je nach Gruppe immerhin 8 bis 15 %, wobeiin U2 mit 8 % deutlich weniger Fälle mit diesemMerkmal als in U1 mit 15 % auftraten.

Die Sprache wurde, ähnlich wie der Denkablauf,nur in wenigen Fällen als normabweichend einge-stuft. Bei immerhin 93 % aller Fälle war „deutlich”angekreuzt, prozentual der gleiche Anteil für diesesMerkmal fand sich für die Untergruppe U3. Deutli-chere Unterschiede zwischen dem Gesamtkollektivbzw. U3 zeigten sich für die beiden UntergruppenU1 und U2. Häufigste normabweichende Befundewaren für U1 und U2 in 7 % und 10 % der Fälle einSilbenstolpern und in jeweils 4 % der Fälle für U1und U2 eine verwaschene Sprache. Das Merkmal„lallend” wurde in keinem Fall vergeben.

Die Nystagmusdauer war im Gesamtkollektiv undin U3 mit 16 und 14 % als normabweichend, d. h.länger als 10 Sekunden anhaltend, eingestuft wor-den. Für U2 ergab sich mit 19 % ein etwas höherer

148

Tab. 19: Fortsetzung

Frage/Beobachtung

Häufigkeit (%) bei Differenzierung der Frage/Beobachtung in allen Fällen und in den UntergruppenU1 (THC-COOH > 70 ng/mL), U2 (THC-COOH > 150 ng/mL) und U3 (THC < 1 ng/mL und THC-

COOH ≤ 70 ng/mL)

erhobene Be-funde (n)

PupillenalleU1U2U3

unauffällig47413553

st.erweitert842496033

st.verengt.91110514

95825958132

PupillenweitealleU1U2U3

1,0-4,5 mm36333641

5,0-7,0 mm54534151

7,5-10 mm1114238

77919636107

Pupillenrkt.10

alleU1U2U3

normal35293340

verzögert62686758

aufgehoben3302

7131834898

Tonuserhg.11

alleU1U2U3

normal30313636

im Gesicht7527

Händezittern1181111

Lidflattern43474236

Bluthochdr.12

3100

80220545116

SprachealleU1U2U3

deutlich93888495

Silbenstol.13

57104

verwaschen2441

lallend0000

1.05227168153

Ab. Beurtlg.14

alleU1U2U3

nicht merk.15

27231829

leicht58606655

deutlich14161515

stark1120

sehr stark0000

1.05727868143

1 Finger-Finger-Probe, 2 Nasen-Finger-Probe, 3 plötzliche Kehrtwendung, 4 grobschlägiger Drehnachnystagmus, 5 geringes Schwanken, 6 starkes Schwanken, 7 gerötet und wässrig/glänzend, 8 stark erweitert, 9 stark verengt, 10 Pupillenreaktion, 11 Tonuserhöhung, 1 2 Bluthochdruck, 13 Silbenstolpern, 14 abschließende Beurteilung, 15 nicht merkbar

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prozentualer Anteil, der von U3 mit 33 % jedochdeutlich übertroffen wurde.

Deutlichere Abweichungen vom Normzustand inmindestens 50 % der erhobenen Befunde inner-halb der einzelnen Gruppen konnten für folgendeMerkmale herausgearbeitet werden:

· Tonuserhöhung

· Bindehäute,

· Pupillenweite (grobe Zuordnung),

· Pupillenweite in mm,

· Verhalten,

· Beurteilung des äußerlich merkbaren Ausmaßesder Beeinträchtigung.

Nur 1/3 aller Befunde für Tonuserhöhung wurdeunter „normal” eingeordnet. Das häufigste normab-weichende Merkmal war Lidflattern mit prozentua-len Anteilen von 36 bis 47 %, mit einer geringenTendenz zu höheren prozentualen Anteilen in U1und U2 als in U3 bzw. im Gesamtkollektiv. Amzweithäufigsten wurde Händezittern, gefolgt voneiner Tonuserhöhung im Gesicht, beobachtet. Fürdiese beiden Merkmale ergaben sich hinsichtlichder prozentualen Anteile keine Unterschiede zwi-schen den Gruppen.

Die Augenbindehäute erschienen in ca. der Hälftealler Fälle als gerötet, wobei der prozentuale Anteildieser Befunde mit steigender THC-COOH-Kon-zentration von U3 über U1 nach U2 geringfügig an-stieg. Eine vergleichbare Graduierung zeigte sichfür die Befundkombination der Augenbindehäuteals gerötet und wässrig, dem zweithäufigsten normabweichenden Merkmal.

In Abhängigkeit von der untersuchten Gruppe wur-den 35 bis 53 % der Pupillen als unauffällig beur-teilt, wobei sich für dieses Merkmal eine kontinu-ierliche Abnahme mit steigenden THC-COOH-Kon-zentrationen ergab. Als stark erweitert wurden 33bis 60 % der Pupillen eingestuft, wobei die höchs-te, prozentuale Auffälligkeitsrate bei U2, gefolgtvon U1 und schließlich U3 gefunden wurde. Umge-kehrt fanden sich als „verengt” beurteilte Pupillenfür U2 nur in 5 %, für U1 in 14 % und für U3 in 8 %der erhobenen Pupillenbefunde.

Wurde die Pupillenweite in mm angegeben, ergabsich eine hierzu diskrepante Verteilung der Befund-häufigkeit. Pupillenweiten von 5 bis 7 mm (Refe-renzbereich: 1,5 bis 8,0 mm) wurden für U2 zu 41 % angegeben, während die Auftretenshäufig-

keit in U1, U3 und im Gesamtkollektiv deutlichhöher und in diesen Gruppen gleichmäßig verteiltwar.

Überraschenderweise waren Pupillen mit einerWeite von 7,5 bis 10 mm nur in 8 bis 23 % allerFälle vermerkt, im Gegensatz zu der wesentlichhöheren Auftretensrate „stark erweitert” bei groberEinschätzung der Pupillenweite. Pupillenbefundevon 1 bis 4,5 mm wurden in 33 bis 41 % der Fälleregistriert, im Gegensatz zu 5 bis 14 % bei groberEinschätzung.

Die Reaktion der Pupille auf Lichteinfall erschienbei ca. 1/3 aller Fälle als nicht eingeschränkt und infast 2/3 aller Fälle als verzögert. Hier ergab sich einum 10 % höherer Anteil in den Untergruppen U1und U2 im Vergleich zur Untergruppe U3. Nur sel-ten, d. h. in 0 bis 3 %, war keine Reaktion der Pu-pille auf Licht feststellbar.

Die äußerlich merkbare Drogenbeeinflussung er-gab, nach prozentualen Anteilen geordnet, folgen-de Reihung: leicht > nicht merkbar > deutlich >stark. Der Befund „sehr stark” war keinem Fall zu-geordnet worden, und „stark” wurde nur für 0 bis 2 % der Fälle vergeben. Hinsichtlich leicht ergabsich eine Graduierung von U3 über U1 nach U2 mitsteigenden prozentualen Anteilen in dieser Reihen-folge. Entsprechend lag der prozentuale Anteil füreinen äußerlich nicht merkbaren Drogeneinfluss inU2 niedriger als in U1 und war für U3 am höchs-ten.

Zusammenfassend ergaben sich damit für die Er-kennungsmöglichkeiten eines Cannabiskonsumsanhand der Untersuchungsbefunde im ärztlichenBericht Folgendes:

· Auch in der akuten Rauschphase war derGleichgewichtssinn nur in Einzelfällen beein-trächtigt.

· Der Einfluss von Cannabis auf Bewusstsein,Stimmung und Befindlichkeit in der Kontrollsi-tuation war, unabhängig von Konsumfrequenzund letztmaliger Aufnahme, praktisch vernach-lässigbar.

· Anhand der Sprache konnten keine Rück-schlüsse auf eine Beeinträchtigung gezogenwerden.

· Augen- und Pupillenbefunde wie weite Pupillenoder eine verzögerte Reaktion auf Lichteinfallwaren bedingt geeignet, einen Drogenkonsum

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zu diagnostizieren, erlaubten jedoch nur ten-denziell Differenzierungen hinsichtlich letztmali-gem Aufnahmezeitpunkt und Konsumverhalten.

· Die abschließende Beurteilung als „äußerlichmerkbar” ist geeigneter, einen Konsum zu bele-gen, auch hier muss eine Differenzierungsmög-lichkeit hinsichtlich des Konsummusters als be-scheiden eingestuft werden.

7.2.3 Ermittlung der prozentualen Beeinträchti-gungsscores der Fälle

Bei den 1.440 in die SPSS-Datei aufgenommenenTHC-Monofällen, zu denen sehr unterschiedlicheInformationen aus den Ermittlungsunterlagen exis-tierten, wurden die Auffälligkeiten im Straßenver-kehr wie auch die Beobachtungen, die von Polizeiund blutentnehmendem Arzt vorgenommen wur-den, einer Bewertung unterzogen. Hierzu wurdevon 6 Sachverständigen entsprechend dem in Ka-pitel 6.2 aufgeführten Verfahren, ausgehend vondem in Baden-Württemberg üblichen „Bogens zurpolizeilichen Feststellungen zur Beeinträchtigungder Fahrsicherheit” sowie dem bei der Blutentnah-me auszufüllenden „Ärztlichen Bericht”, eine Wich-tung der Fragen (Wertigkeit, Tabelle 20) zu Auffäl-

ligkeiten bei der Straßenverkehrsteilnahme, imRahmen der Kontrolle durch die Polizei sowiewährend der ärztlichen Untersuchung im Hinblickauf ihre Bedeutung für die Einschätzung einer aku-ten Beeinträchtigung vorgenommen. Es ist zu er-kennen, dass bei einer Bewertung der Fahrsicher-heit einer Person den Angaben im ärztlichen Be-richt z. B. zur Pupillenreaktion (Wertigkeit derFrage: 6) wesentlich höhere Bedeutung zugemes-sen wurde als den Angaben zur Pupillenweite (Wer-tigkeit der Frage: 4). Teilweise wurden ärztliche undpolizeiliche Beobachtungen mit gleichen Wertigkei-ten und Beeinträchtigungskennzahlen belegt, wiez. B. bei der Reaktion der Pupille auf Licht,während bei der Einschätzung der Pupillenweitedie Wertigkeit für die Beobachtung des Arztes bei5 und für die der Polizei bei 4 lag (siehe Tabelle 21).

150

Tab. 20: Wertigkeiten für die Beobachtungen des Arztes undder Polizei

Beobachtung derPolizei

Wertig-keit

Beobachtung desArztes

Wertig-keit

Reaktion 6 Gang 5

körperliche Auffäl-ligkeiten

5 Finger-Finger-Probe 3

Aussteigen ausdem Fahrzeug

5Nasen-Finger-Probe

3

Stimmung 4Kehrtwendungnach Gehen

4

Ansprechbarkeit 5Dehnystagmus,Ausprägung

4

Aussprache 4 Nystagmusdauer 5

Augen 5 Rombergtest 5

Lichtreaktion 4 Tonuserhöhung 4

Gang 5 Sprache 5

Pupillenweite 4 Skleren 3

Verhalten währendder Amtshandlung

4 Pupillenweite 5

Pupillenreaktion 4

Bewusstsein 6

Stimmung 4

Denkablauf 6

Verhalten 5

Befinden 4

Beeinflussungsgrad 5

Tab. 21: Beeinträchtigungskennzahlen

Beobachtungen bei der Fahrt

Fahrweise[Wertigkeit der Frage: 6]

Beeinträchtigungs-kennzahl

Sicher 0

Unsicher (nicht näher definiert) 4

Schlangenlinien 6

Abweichungen von der Gerade 4

Unfall 5

Hohe Geschwindigkeit und Unfall 6

Verzögerte Reaktion 4

Vorfahrtverstoß 4

Abweichung von der Geraden mit Unfall 6

Keine Reaktion auf Lichthupe 3

Unangepasste Geschwindigkeit (nicht näher definiert)

3

Unangepasste Geschwindigkeit (zulangsam)

5

Unangepasste Geschwindigkeit (zuschnell)

4

Schlangenlinien und unangepasste Ge-schwindigkeit

6

Flucht/Geschwindindigkeitsänderungbei Erkennen der Polizei

3

Überholen trotz unklarer Verkehrslageund Unfall

5

Fußgänger bei Überholen eines Bussesübersehen

4

Überfahren einer durchgezogenen Linie 2

Anhalten mitten auf der Fahrbahn 5

Abruptes Abbiegen 3

Vorfahrtsverstoß und Unfall 5

Auffahrunfall aus ungeklärter Ursache 5

Missachten eines Haltepostens 4

Mehrere Unfälle hintereinander 6

Enthemmt 4

Unangepasste Geschwindigkeit undRotlichtverstoß

5

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151

Tab. 21: Fortsetzung

Beobachtungen bei der Fahrt

Fahrweise[Wertigkeit der Frage: 6]

Beeinträchtigungs-kennzahl

Abwesend 5

Wendemanöver ohne Beachten der Verkehrslage

5

Massive Gefährdung anderer Verkehrs-teilnehmer

6

Hohe Geschwindigkeit und Fahrt auf derMittellinie

4

Fahrt entgegen der Fahrtrichtung 6

Anderweitig auffällig 2

Fahrzeugbedienung [Wertigkeit der Frage: 5]

Keine Auffälligkeiten 0

Abwürgen des Motors 3

Unsicheres Schalten 3

Aufheulen des Motors 3

Unsicheres Einparken 3

Unsicheres Verschließen 4

Dichtes Auffahren 4

Abruptes Abbremsen 5

Beobachtungen der Polizei (P)

Reaktion (P) [Wertigkeit der Frage: 6]

Unauffällig 0

Verzögert 4

Extrem langsam 6

Sprunghaft 4

körperliche Auffälligkeiten (P) [Wertigkeit der Frage: 5]

Keine 0

Schweißausbruch 3

Zittern 3

Unruhe 3

Erbrechen 2

Lidflattern 3

Zittern und Unruhe 4

Mundtrockenheit 3

Zittern und Lidflattern 4

Lidflattern und Mundtrockenheit 3

Lidflattern, Mundtrockenheit und Zittern 4

Schwindel 4

Lidflattern und Unruhe 4

Zittern und Schweißausbruch 3

Lidflattern, Mundtrockenheit und Unruhe

4

Lidflattern, Zittern und Unruhe 4

Zittern, Unruhe und Mundtrockenheit 4

Gähnen 2

Schweißausbruch und Unruhe 3

Schweißausbruch, Unruhe, Lidflatternund Mundtrockenheit

5

Schweißausbruch, Unruhe und Zittern 4

Erbrechen und Lidflattern 3

Schweißausbruch und Lidflattern 4

Tab. 21: Fortsetzung

Beobachtungen der Polizei (P)

körperliche Auffälligkeiten (P) [Wertigkeit der Frage: 5]

Beeinträchtigungs-kennzahl

Schweißausbruch, Zittern, Unruhe undLidflattern

5

Schweißausbruch, Zittern und Lidflattern 4

Schluckauf 1

Aussteigen aus dem Auto (P) [Wertigkeit der Frage: 5]

Normal 0

Gleichgewichtsstörungen 4

Muss sich am Fahrzeug festhalten 5

Stimmung (P) [Wertigkeit der Frage: 4]

Ruhig/beherrscht 0

Aufgeregt 1

Unangemessen fröhlich 3

Stumpf 3

Distanzlos 3

Aggressiv 3

Provokativ 3

Weinerlich 2

Ruhig und stumpf 3

Nervös und redselig 2

Stumpf, aggressiv, distanzlos und provokativ

4

Redselig 2

Stumpf und distanzlos 3

Wechselhaft 3

Aufgeregt, aggressiv und provokativ 4

Stumpf und provokativ 3

Aufgeregt, stumpf und distanzlos 4

Ansprechbarkeit (P) [Wertigkeit der Frage: 5]

Orientiert 0

Verwirrt 5

Leicht aufweckbar 3

Schläfrig 3

Tief schlafend 5

Sprunghaftes Denken 4

Orientiert und schläfrig 3

Verwirrt und schläfrig 5

Benommen 4

Aussprache (P) [Wertigkeit der Frage: 4]

Deutlich 0

Silbenstolpern 3

Verwaschen 4

Lallend 4

Verwaschen und Silbenstolpern 4

Verlangsamt 4

Verwaschen und lallend 4

Augen (P) [Wertigkeit der Frage: 5]

Unauffällig 0

Bindehäute gerötet 2

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152

Tab. 21: Fortsetzung

Beobachtungen der Polizei (P)

Augen (P) [Wertigkeit der Frage: 5]

Beeinträchtigungs-kennzahl

Wäßrig/glänzend 2

Unruhig 3

Bindehäute gerötet und glänzend 3

Bindehäute gerötet, glänzend und unruhig

5

Wässrig/glänzend und unruhig 3

Lichtreaktion (P)[Wertigkeit der Frage: 4]

Prompte Lichtrekation 0

Träge Lichtreaktion 2

Keine Lichtreaktion 4

Pupillenweite (P) [Wertigkeit der Frage: 4]

Normal 0

Erweitert 2

Verengt 2

1 – 2 mm 4

3 – 4 mm 1

5 – 6 mm 0

7 – 8 mm 2

9 – 10 mm 4

Gang (P) [Wertigkeit der Frage: 5]

Sicher 0

Schleppend 4

Schwankend 4

Torkelnd 5

Fiel in sich zusammen 5

Verlangsamt 3

Stolpernd 3

Zappelig 3

Leichte Gleichgewichtsstörungen 2

Verhalten während Amtshandlung (P) [Wertigkeit der Frage: 4]

Gleich bleibend 0

Wirkt zunehmend auffälliger 4

Wirkt zunehmend unauffälliger 3

Beobachtungen des Arztes (A)

Gang (A) [Wertigkeit der Frage: 5]

Sicher 0

Schleppend 3

Schwankend 4

Torkelnd 5

Kehrtwendung nach Gehen (A) [Wertigkeit der Frage: 4]

Sicher 0

Unsicher 4

Finger-Finger-Probe (A) [Wertigkeit der Frage: 3]

Sicher 0

Unsicher 3

Tab. 21: Fortsetzung

Beobachtungen des Arztes (A)

Nasen-Finger-Probe (A) [Wertigkeit der Frage: 3]

Beeinträchtigungs-kennzahl

Sicher 0

Unsicher 3

Drehnystagmus (A) [Wertigkeit der Frage: 4]

Kein Drehnystagmus auslösbar 0

Feinschlägig 1

Grobschlägig 3

Kleine Auslenkung 1

Grobe Auslenkung 3

Feinschlägig mit kleiner Auslenkung 2

Grobschlägig mit kleinen Auslenkungen 3

Grobschlägig mit groben Auslenkungen 4

Nystagmusdauer (A) [Wertigkeit der Frage: 5]

0 – 3 sec 0

4 – 6 sec 0

7 – 10 sec 2

10 - 15 3

>15 5

Pupillenweite (A) [Wertigkeit der Frage: 5]

Normal 0

Stark Erweitert 3

Stark verengt 3

1 – 2 mm 4

3 – 4 mm 2

5 – 6 mm 0

7 – 8 mm 2

9 – 10 mm 5

Pupillenreaktion(A) [Wertigkeit der Frage: 4]

Normal oder -1 sec 0

Verzögert oder >1,5 sec 2

Keine Lichtreaktion 4

Skleren (A) [Wertigkeit der Frage: 3]

Klar 0

Gerötet 1

Geschwollen 1

Gerötet und wässrig 2

Gerötet und geschwollen 2

Gerötet, wässrig und geschwollen 3

Tonuserhöhung (A) [Wertigkeit der Frage: 4]

Keine Tonuserhöhung 0

Händezittern 2

Lidflattern 3

Im Gesicht 2

Händezittern und Lidflattern 3

Im Gesicht und Händezittern 4

Im Gesicht, Händezittern und Lidflattern 4

Im Gesicht und Lidflattern 3

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Im Anschluss an die Wichtung der Fragen wurdendie möglichen Antworten in Bezug auf die Stärkeder Beeinträchtigung (Beeinträchtigungskennzahl)eingestuft. Die Ergebnisse der Befragung sind inTabelle 22 aufgeführt.

Bezüglich der Beobachtungen zur Fahrt wurden einFahren in Schlangenlinien, ein Abweichen von derGeraden mit Unfall, Fahren in Schlangenlinien mitunangepasster Geschwindigkeit, eine Unfallserieund eine massive Gefährdung anderer Verkehrsteil-nehmer mit der höchsten Wertigkeit belegt,während ein abruptes Abbiegen, unangepassteGeschwindigkeit und keine Reaktion auf Lichthupejeweils mit einer Beeinträchtigungskennzahl von 3belegt und das Überfahren einer durchgezogenen

153

Tab. 21: Fortsetzung

Beobachtungen des Arztes (A)

Rombergtest (A) [Wertigkeit der Frage: 5]

Beeinträchtigungs-kennzahl

Sicher 0

Geringes Schwanken 1

Zittern 3

Starkes Schwanken 5

Geringes Schwanken und Zittern

4

Sprache (A) [Wertigkeit der Frage: 5]

Deutlich 0

Silbenstolpern 3

Verwaschen 4

Lallend 5

Verwaschen und Silbenstolpern

4

Bewusstsein (A) [Wertigkeit der Frage: 6]

Klar 0

Benommen 4

Somnolent 6

Bewusstlos 6

Verwirrt 6

Stimmung (A) [Wertigkeit der Frage: 4]

Ruhig 0

Provokativ 2

Distanzlos 3

Abweisend 2

Aggressiv 3

Redselig 2

Aufgeregt 2

Provokativ, distanzlos und abweisend 4

Provokativ und aggressiv 3

Provokativ und abweisend 3

Ruhig und redselig 1

Ruhig und aufgeregt 2

Kindisch 2

Abweisend und redselig 2

Aufgeregt und redselig 3

Aufgeregt, provokativ, aggressiv und redselig

4

Befinden (A) [Wertigkeit der Frage: 4]

Normal 0

Schweißausbruch 2

Mundtrockenheit 2

Frösteln 2

Schmerzen 2

Juckreiz 2

Gähnen 2

Müdigkeit 3

Frösteln und Mundtrockenheit 3

Mundtrockenheit und Müdigkeit

4

Tab. 21: Fortsetzung

Beobachtungen des Arztes (A)

Befinden (A) [Wertigkeit der Frage: 4]

Beeinträchtigungs-kennzahl

Unwohlsein 2

Denkablauf (A) [Wertigkeit der Frage: 6]

Geordnet 0

Sprunghaft 4

Perseverierend 5

Verworren 6

Verlangsamt 5

Verhalten (A) [Wertigkeit der Frage: 5]

Normal 0

Verlangsamt 4

Schwerfällig 3

Lethargisch 4

Weinerlich 3

Schläfrig 4

Stumpf 3

Fröhlich 2

Unruhig 3

Aufgedreht 3

Verlangsamt und lethargisch 4

Verlangsamt und schwerfällig 4

Schwerfällig und fröhlich 4

Verlangsamt und stumpf 4

verlangsamt und schläfrig 5

Verlangsamt, schwerfällig und fröhlich 5

Schwerfällig und lethargisch 4

Beeinflussungsgrad (A) [Wertigkeit der Frage: 5]

Nicht merkbar 0

Leicht 2

Deutlich 3

Stark 4

Sehr stark 5

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Linie mit 2 bewertet wurde. Als besonders schwer-wiegend bei der Fahrzeugbedienung wurden unsi-cheres Einparken und Verschließen des Fahrzeu-ges infolge motorischer Unsicherheit und abruptesBremsen eingestuft.

Die polizeilichen und die ärztlichen Beobachtungenwurden dann auf Basis dieser Bewertung zu einemBeeinträchtigungsscore zusammengefasst. Für dieErmittlung des ärztlichen sowie des polizeilichenBeeinträchtigungsscores wurde jeweils die Summeder den gegebenen Antworten zugeordneten Be-einträchtigungskennzahlen der Summe der denbeantworteten Fragen zugeordneten Wertigkeitengegenübergestellt. Die hierbei berücksichtigtenFragen sind unter der Rubrik: Beobachtungen derPolizei bzw. Beobachtungen des Arztes gelistet.

Voraussetzung dieser Berechnung des prozentua-len Beeinträchtigungsscores war, dass jeweils min-

destes 5 der gestellten Fragen beantwortet waren.Bei 731 Fällen lag die Voraussetzung zur Ermittlungeines polizeilichen Beeinträchtigungsscores vor,bei 1.124 der Fälle konnte so ein prozentualer ärzt-licher Beeinträchtigungsscore ermittelt werden. Andem konkreten Fallbeispiel (s. Tabelle 22) wird dasVorgehen noch einmal aufgezeigt.

7.2.4 Ergebnisse der statistischen Auswertung

7.2.4.1 Beobachtungen durch Polizeibeamteund Blutentnahmeärzte

Weder die Gesamteinschätzung der Auffälligkeitendurch die Polizei (Be-Po) und den Blutentnahme-arzt (Be-Ar) noch die Beurteilung des Beeinflus-sungsgrades durch den Arzt (BG-Ar) waren jeweilsmit den Serumspiegeln an THC und 11-OH-THCeng korreliert (Pearson-Korrelationskoeffizienten r= 0,04 bis 0,12; Tabelle 23) und von der Höhe desZusammenhangs ohne praktische Relevanz. Ins-besondere ergaben sich keine Unterschiede dahin-gehend, ob die Auffälligkeiten durch die Polizeibe-amten vor Ort oder durch den Blutentnahmearztfestgestellt worden waren. Nur etwa 1 % der Aus-fallserscheinungen konnte durch die Konzentratio-nen an THC oder 11-OH-THC erklärt werden.

7.2.4.2 Konsumhäufigkeit und Ausfalls-erscheinungen

Um den Einfluss bei höheren THC-COOH-Gehaltenim Serum herauszuarbeiten, die eine nicht nur ge-legentliche Aufnahme der Droge und daher aucheine gewisse Gewöhnung an die Effekte vermutenlassen, wurden die THC-COOH-Werte als Maß fürdie Cannabisgewöhnung durch eine Partialkorrela-tion kontrolliert. Auch hier ergaben sich ebenfallskeine engen Zusammenhänge zwischen der THC-COOH-Konzentration im Serum und den Beein-trächtigungsscores (r = 0,01 bis 0,09), die Korrela-tionskoeffizienten unterschieden sich nur unwe-sentlich von null und erreichten keine statistischeSignifikanz. Bei einer Unterteilung der Stichprobehinsichtlich der THC-Werte im Serum in drei Grup-

154

Tab. 22: Berechnungsbeispiel

Frage Wertigkeit der Frage

Antwort Beeinträchti-gungskennzahl

der Antwort

Gang 5 Sicher 0

Kehrtwen-dung nachGehen

4 Sicher 0

Drehnystag-mus

4Feinschlägigmit kleiner Aus-lenkung

2

Nystagmus-dauer

5 0 bis 3 sec 0

Rombergtest 5GeringesSchwanken

1

Finger-Finger-Probe

3 Sicher 0

Nasen-Finger-Probe

3 Unsicher 3

Tonuser-höhung

4 Lidflattern 3

Sprache 5 Sicher 0

Skleren 3 Gerötet 1

Pupillenweite 5 8 mm 2

Pupillen-reaktion

4 Verzögert 2

Bewusstsein 6 Klar 0

Denkablauf 6 Geordnet 0

Stimmung 4 Ruhig 0

Verhalten 5 Verlangsamt 4

Befinden 4 Normal 0

Beeinflus-sungsgrad

5 Leicht 2

Summe 80 Summe 20

⇒ prozentualer Beeinträchtigungsscore = 20/80 x 100 = 25 %

Tab. 23: Korrelationskoeffizienten (Pearson), Be-Po: Einschät-zung der Beeinträchtigung durch die Polizei, Be-Ar:Einschätzung der Beeinträchtigung durch den Arzt,Bg-Ar: Gesamtbeinträchtigungsgrad (äußerlich merk-bar) nach ärztlicher Beurteilung

Be-Po Be-Ar Bg-Ar

THC 0,04 0,11 0,07

11-OH-THC 0,06 0,12 0,08

THC-COOH 0,07 0,07 0,04

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pen (siehe Kapitel 6.5) wurden im Rahmen einerVarianzanalyse keine Unterschiede zwischen denGruppen hinsichtlich der Beeinträchtigungsscoresgefunden. Es zeichnete sich lediglich ein Trend da-hingehend ab, dass die Polizei und der Blutentnah-mearzt Personen mit THC-Konzentrationen immittleren gewählten Bereich von 3 bis 9 ng THC/mL-Serum unauffälliger als diejenigen in den unte-ren und oberen Konzentrationsbereichen einstuf-ten. Wurden die THC-COOH-Gehalte durch eineKovarianzanalyse kontrolliert, war dieser zunächstbeobachtete Trend nicht mehr erkennbar.

Bei einer Unterteilung der Gruppen hinsichtlichihrer THC-COOH-Werte als Hinweis auf regelmäßi-gen Konsum ergab sich ein ähnliches Bild. Die 3Gruppen wiesen eine breite, intraindividuelle Streu-ung bezüglich ihrer Beeinträchtigungsscores auf.Lediglich Be-Ar konnte zwischen den 3 Gruppenunterscheiden, der Unterschied war jedoch nichthochsignifikant (p = 0,027). Personen mit Serum-konzentrationen an THC-COOH über 70 ng/mLzeigten die höchsten Beeinträchtigungsscores.Durch Kontrastberechnungen konnte gezeigt wer-den, dass die Blutentnahmeärzte Personen mithohen THC-COOH-Werten im Serum von denjeni-gen mit Konzentrationen < 40 ng/mL aufgrund ihrerAuffälligkeiten unterscheiden konnten, währenddies zwischen den Gruppen der Personen mit nied-rigen und mittleren bzw. mittleren und hohen Ge-halten an THC-COOH im Serum nicht gelang.

Dieser Unterschied konnte jedoch nur bei isolierterBetrachtung der THC-COOH-Konzentrationen be-obachtet werden. Wurden die THC-Konzentratio-nen im Serum durch Auspartialisierung kontrolliert,ergaben sich keine Unterschiede zwischen dennach der Höhe ihrer THC-COOH-Konzentration un-terteilten Gruppen. Auch die zunächst darstellba-ren Unterschiede zwischen den beiden Gruppenmit niedrigen und mit hohen THC-COOH-Konzen-trationen traten in den Hintergrund, wenn das an-gegebene Zeitintervall zwischen letztmaligemCannabiskonsum und dem Kontrollzeitpunkt be-rücksichtigt wurde.

In dem Auswertekollektiv fanden sich interessan-terweise 33 Personen, die 40 Jahre oder älterwaren. Da bei Personen in dieser Altersgruppemöglicherweise eher ein gewohnheitsmäßiger alsein experimenteller Konsum zu vermuten ist, wurdeanhand der THC-COOH-Konzentrationen geprüft,ob sich diese Gruppe von der jüngerer Personenunterscheidet. Es ergab sich allerdings kein Zu-

sammenhang zwischen Alter und Konsumhäufig-keit.

In einer weiteren Analysenserie wurde untersucht,inwieweit sich ein häufigerer Konsum und darausresultierende Toleranzeffekte, operationalisiert an-hand der THC-COOH-Konzentrationen, bei niedri-gen THC-Konzentrationen, d. h. subakuter aktuel-ler Rauschphase, auswirken. Anhand einer derarti-gen Untersuchung kann geprüft werden, ob Tole-ranzeffekte anhand der beobachteten Beeinträchti-gungen zum Tragen kommen. Bei einer Betrach-tung der Mittelwerte der berichteten Ausfallser-scheinungen fiel zunächst auf, dass die Polizei Per-sonen, die bei niedrigen Werten an THC im Serumhohe Konzentrationen an THC-COOH aufwiesen,als deutlich weniger beeinträchtigt beschrieben,während Blutentnahmeärzte diese Gruppe alsdeutlich stärker unter Drogenwirkung stehend be-urteilten. Um zu prüfen, ob es sich hierbei um einendurch unterschiedliche Stichproben hervorgerufe-nen Effekt handelte, wurden nur Fälle in die Aus-wertung mit einbezogen, bei denen sowohl ärztli-che als auch polizeiliche Befunde und Auffälligkei-ten vorlagen. Da der festgestellte Unterschied hin-sichtlich polizeilicher und ärztlicher Feststellungennicht durch selektive Stichproben bedingt war,wurden die weiteren statistischen Auswertungenan der gesamten Stichprobe durchgeführt.

Die Ergebnisse der Varianzanalyse zeigen, dasssich durch die Einschätzung des Beeinträchti-gungsgrades von Polizei und Arzt Personen mithöherer Konsumfrequenz von denjenigen mit gele-gentlicher Konsumfrequenz bei niedrigen THC-Werten im Serum nicht mit der notwendigen Si-cherheit trennen lassen.

Überraschenderweise zeigte sich bei Betrachtungder Mittelwerte bei Fällen mit höherer Konsumhäu-figkeit und hohen THC-Werten mehr Ausfallser-scheinungen als bei Personen mit hohen THC-Wer-ten bei geringen THC-COOH-Konzentrationen.Hierbei ergaben sich keine Unterschiede hinsicht-lich der Beurteilungen durch die Polizei bzw. durchden Blutentnahmearzt. Allerdings zeigte die Varian-zanalyse, dass die Unterschiede bezüglich der Mit-telwerte nicht signifikant waren.

Zur Überprüfung dieser Befunde wurden in dienachfolgende Auswertung nur Fälle aufgenommen,die niedrige THC-COOH-Konzentrationen imSerum aufwiesen. Diese Gruppe wurde hinsichtlichihrer THC-Werte in drei Untergruppen unterteilt (s. Kapitel 6.5). Auch hier konnten zwischen den

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Untergruppen keine Unterschiede hinsichtlich derAusfallserscheinungen herausgearbeitet werden.Es fiel jedoch auf, dass die Polizei Personen mithohen THC-Spiegeln (> 9 ng THC/mL-Serum) alsweniger auffallend beschrieb.

Analog zu der genannten Vorgehensweise wurdenanschließend alle Personen mit hohen THC-COOH-Konzentrationen im Serum ausgewählt undhinsichtlich ihrer THC-Konzentrationen in drei Un-tergruppen aufgeteilt. Bei einer Betrachtung derMittelwerte zeigte sich ein Trend, dass Personenmit niedrigeren THC-Konzentrationen durch diePolizei als weniger beeinträchtigt eingestuft wur-den, während die Beeinflussung der Untergruppemit höheren THC-Konzentrationen als tendenziellerheblicher beurteilt wurde. Interessanterweise fieldie ärztliche Bewertung für die beiden Untergrup-pen genau umgekehrt aus.

Ein zweiter, wesentlicher Teil der statistischen Aus-wertung war auf die Erarbeitung von Zusammen-hängen zwischen Einzelsymptomen und der Höheder Cannabinoidkonzentrationen im Serum ausge-richtet.

Wenn man zunächst die Beobachtungen und Ein-schätzungen der Polizeibeamten analysierte, ergabsich lediglich ein überzufälliger Zusammenhangdahingehend, dass Personen mit auffälliger äuße-rer Erscheinung wie z. B. verwahrlost oder unge-pflegt, verstärkt in der Untergruppe mit niedrigenTHC-Konzentrationen im Serum zu finden sind (p < 0,05). Weiterhin fielen Personen mit hohenTHC-COOH-Konzentration häufiger durch Sprach-auffälligkeiten auf (p < 0,05). Weitere Zusammen-hänge ließen sich zwischen den Serumkonzentra-tionen an THC, 11-OH-THC und THC-COOH undden polizeilichen Feststellungen nicht ableiten.

Stellt man den polizeilichen Einschätzungen dieder Blutentnahmeärzte gegenüber, so finden sichbei hohen THC-Konzentrationen im Serum in verstärktem Maße Auffälligkeiten der Pupillen (p < 0,01) und der Augenbindehäute im Sinne einerRötung (p < 0,05). In dieser Untergruppe (> 9 ngTHC/mL-Serum) zeigte die Pupille tendenziell eineverzögerte Reaktion auf rasche Änderungen derLichtverhältnisse (p < 0,10). Weiterhin beobachte-ten die Ärzte ebenfalls in dieser Untergruppe häufi-ger Auffälligkeiten der Befindlichkeit (p < 0,05). InÜbereinstimmung mit den polizeilichen Feststellun-gen zeigten Personen mit niedrigen THC-Spiegelnverstärkt Auffälligkeiten hinsichtlich der Sprache (p < 0,01).

7.2.4.3 Verkehrsauffälligkeiten

Im dritten Teil der statistischen Auswertung wurdeauf Zusammenhänge zwischen den Serumcanna-binoidspiegeln und Verkehrsaufälligkeiten geprüft.Zunächst wurde zwischen einer folgenlosen Fahrtunter Drogeneinfluss (n = 1.036) und einer Fahrt mitUnfallfolge (n = 44) unterschieden. Hierbei konntenkeine signifikanten Unterschiede zwischen diesenbeiden Gruppen festgestellt werden. Die Gruppeder verunfallten Personen zeigte eine sehr breiteSpannbreite der Cannabinoidkonzentrationen imSerum. Die Gruppe verunfallter Personen wurdeaufgrund der geringen Stichprobengröße keinerbezüglich Sachschaden, verletzte und getötetePersonen differenzierten Betrachtung unterzogen,da eine weitere Aufteilung dieser Gruppe zu nichtmehr sinnvoll auswertbaren Umfängen der Unter-gruppen geführt hätte.

Die Kriterien, die zu einer polizeilichen oder ärztli-chen Einstufung des Falles nach § 24a StVG bzw.nach § 316 StGB (sog. Trunkenheitsfahrt, n = 202)führten, waren ein weiterer, sehr wesentlicher Ge-sichtspunkt der Datenanalyse. Bei einem Vergleichbeider Gruppen zeigte sich, dass die Serumcanna-binoidspiegel für die rechtliche Einordnung desFalles keine Rolle spielten. Bei den Ordnungswid-rigkeiten waren die THC- und THC-COOH-Kon-zentrationen von der Größenordnung sogar höherals bei Straffällen. Wesentliche Unterschiede zwi-schen den beiden Gruppen ergaben sich durch dieFeststellungen und Einschätzungen der Polizei. Beieiner Diskriminanzanalyse gingen die von der Poli-zei berichteten Auffälligkeiten mit 0,814 deutlichstärker in die Diskriminanzfunktion ein als die ärzt-lichen Befunde mit 0,293. Der THC-Wert ging mit -0,509 in die Diskriminanzfunktion ein, wobei dasnegative Vorzeichen darauf hinweist, dass Fälle mithohen THC-Werten eher als Ordnungswidrigkeitund nicht als Straftatbestand eingeschätzt wurden.Der THC-COOH-Wert und der CIF-Faktor (s. Kapi-tel 1.5) spielten bei der Aufteilung in diese beidenGruppen nur eine untergeordnete Rolle.

8 Diskussion der forensisch-toxikologischen Fälle

8.1 THC-Befunde in rechtsmedizinischuntersuchten Serumproben

Eine nähere Untersuchung des primär durch diePolizei vorselektierten Kollektivs zeigte, dass ein

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Drittel aller Cannabiskonsumenten weitere, zentralnervös wirksamen Stoffe neben Cannabisproduk-ten konsumiert hatte. Der hohe Anteil an Konsu-menten, die neben Cannabis einen oder mehrereweitere Stoffe wie Alkohol, Amphetamin oder Am-phetaminderivate, Cocain oder Opiate aufgenom-men hatte, lag mit 36 % im Vergleich zu dem Auf-treten von Mischkonsumformen mit 25 % beiSuchtmittelkonsumenten vergleichsweise hoch.Hieraus lässt sich schließen, dass eher der durchMischkonsum bedingte Vorverdacht zu einer Kon-trolle führte als die durch Cannabis allein hervorge-rufene Beeinträchtigung.

Am häufigsten trat die Kombination mit Alkoholauf. Alkohol ist für die meisten Personen die ersteSubstanz, mit der Erfahrung bezüglich Suchtmittelgemacht werden, bei erstmaliger Aufnahme zwi-schen dem 14. und 15. Lebensjahr. Das Einstiegs-alter für Cannabis liegt etwa ein Jahr später, so-dass die Auftretenshäufigkeit eines kombiniertenEinflusses von Cannabis und Alkohol bei den vor-liegenden Fällen nicht erstaunt. Nach VOLLRATHet al. (2001) traten bei gleichzeitiger akuter Wirkungvon Cannabis und Alkohol häufiger Unfälle auf alsbei Cannabis-Mono-Fällen, wobei dieser Effekt derWirkung von Alkohol allein zugeordnet werdenkonnte. Allerdings war eine Verlangsamung der Re-aktionszeit auf akustische Signale zu beobachten,die über die einer reinen Alkoholbeeinflussung hinausging. Bei postakuter Cannabiswirkung inVerbindung mit Alkohol wurden deutlichere Ausfäl-le mit erhöhter Geschwindigkeit, Reaktionszeit undRisikobereitschaft sowie einer Verschlechterungdes Spurhaltens beobachtet, ohne dass die Unfall-häufigkeit jedoch anstieg. Als interessant im Rah-men der vorliegenden Untersuchung ist aus dieserStudie zu ersehen, dass ein gleichzeitiger Konsumder Droge und Alkohol dazu führte, dass eher nichtgefahren wurde und dass diese Zurückhaltung beiniedrigen Alkoholisierungsgraden, bei denen Alko-hol allein die Fahrfähigkeit noch nicht entscheidendtangiert, besonders ausgeprägt war. Bei einemMonokonsum der Droge entschieden sich nur 6,5 % aller Cannabiskonsumenten, unter akutemEinfluss zu fahren. Dabei nahm die Bereitschaft, einFahrzeug im akuten Rauschzustand zu führen, mitder Häufigkeit bereits erfolgter Drogenfahrten undmit der Länge bereits zurückgelegter Strecken zu.

Ein Konsum von Cannabis und Ecstasy fand sichfast ebenso häufig wie die Kombination von Can-nabis und Alkohol. Auffallend war auch der hoheAnteil an Personen, bei denen gleichzeitig ein Kon-

sum von Cannabis und Cocain vorlag. Teilweise lie-gen bei diesen Kombinationen eines Psychostimu-lanz mit Cannabisprodukten „nachvollziehbare”Gründe vor, die die verschiedenen Effekte vonCannabis im Hinblick auf die Stimulanzienwirkungnutzen. So wird Cannabis aufgrund seiner zentraldämpfenden Wirkung vorzugsweise als „Downer”nach Amphetamin- und Ecstasygebrauch einge-setzt. Durch eine Dilatation der Blutgefäße der Na-senschleimhaut korrigiert THC die durch Cocainbedingte Vasokonstriktion, sodass die Resorptionvon Cocain bei intranasaler Applikation verbessertwird.

In Übereinstimmung mit den Erhebungen der Deut-schen Hauptstelle gegen Suchtgefahren e. V. (DHS,1988) gipfelte die Altersverteilung im vorliegendenAuswertekollektiv bei 21 Jahren. Junge Fahrer sindaufgrund ihres Lebensstils und ungenügenderFahrpraxis deutlich häufiger der Gefahr von Unfäl-len ausgesetzt als ältere. Ein Grund ist in der engenVerknüpfung von Freizeit- mit dem Mobilitätsver-halten zu sehen, ein weiterer betrifft das Risikover-halten. Etwa jeder Dritte der 18- bis 34-Jährigenneigt dazu, das Auto nach der Suche nach Span-nung, Imponiergehabe und Selbstdarstellung zumissbrauchen. Nach einer Erhebung des Kraft-fahrt-Bundesamtes für das Jahr 2002 gingen 31 %aller Pkw-Unfälle „auf das Konto” junger Fahrer imAlter zwischen 18 und 24 Jahren, obwohl diese Al-tersgruppe nur 10 % der erwachsenen Bevölke-rung ausmacht. Bezogen auf dieselbe Fahrleistungkommen bei einem Unfall mit Personenschadenbei älteren Personen durchschnittlich 2,5 Unfällebei den 21- bis 24-Jährigen und 6,5 Unfälle bei den18- bis 20-Jährigen vor. Als Ursachen wurden vorallem nicht angepasste Geschwindigkeit, Problemebei der Straßenbenutzung, dem Sicherheitsab-stand und der Verkehrstüchtigkeit infolge Alkohol-oder Drogenkonsum genannt. Während die Unfall-häufigkeit unter dem Einfluss berauschender Mittelbei Frauen von Anfang an niedrig war und sich mitsteigendem Lebensalter kaum änderte, gab es beiden Männern einen Abfall der Unfallhäufigkeit von7 % pro Lebensalter.

Nach einer aktuellen Ländererhebung in der Allge-meinbevölkerung verschiedener EU-Staaten liegendie 12-Monatsprävalenz und die Lebenszeitpräva-lenz bei jungen Erwachsenen (15 bis 39 Jahre) be-züglich des Cannabiskonsums fast doppelt sohoch wie bei allen Erwachsenen (19 bis 59 Jahre)zusammen (EMCDDA, 2002). Auch nach der Studievon VOLLRATH et al. (2001) war die Häufigkeit von

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Fahrten unter Cannabiseinfluss im Altersbereichvon 22 bis 24 Jahren am größten. Sie nahm danachdeutlich ab, um bei Personen von 30 Jahren oderälter den kleinsten Wert zu erreichen. Weiterhin warhier die Konsumfrequenz für Cannabis bei jüngerenPersonen insbesondere gegenüber älteren Perso-nen deutlich erhöht.

Daher sollte sich in der Gruppe jüngerer Personenbei unserem vorselektierten Kollektiv eine höhereAnzahl regelmäßig konsumierender Personen er-kennen lassen. Es ergaben sich jedoch keine Zu-sammenhänge zwischen der Gruppe der unter 40-Jährigen bzw. der Personen ab 40 Jahren und derKonsumhäufigkeit. Auch bei einer Unterteilung biszu einem Lebensalter von bzw. über 30 Jahrenkonnte ein Zusammenhang zwischen Lebensalterund Konsumverhalten anhand der THC-COOH-Konzentration im Serum nicht erstellt werden. Hie-raus lässt sich ableiten, dass bei älteren Personenein Verdacht auf Drogeneinfluss weniger häufigentsteht oder dass ältere Personen auch bei häufi-ger Konsumfrequenz weniger häufig unter Dro-geneinfluss fahren.

8.2 Zusammenhänge zwischen denpolizeilichen und ärztlichen Fest-stellungen sowie den Beeinträchti-gungsscores und den Cannabi-noidkonzentrationen

8.2.1 Allgemein

Bei der Untersuchung einer Blutprobe, die im Rah-men von § 81a StPO erhoben wird, ist von der Po-lizei ein entsprechender Antrag und von dem Blut-entnahmearzt ein ärztlicher Bericht auszufüllen.Zusätzliche Feststellungen werden von der Polizeiim so genannten Torkelbogen erhoben. Ein Einflussauf die Befundung kann aus dem unterschiedli-chen Ausbildungsgrad von Polizisten und Ärzten,der unterschiedlichen Fort- und Weiterbildung bei-der Berufsgruppen sowie dem Umfang der Erfah-rungen im Umgang mit Drogenbeeinträchtigten re-sultieren. Bereits 1975 stellten FOSTER und JOA-CHIM (1975) fest, dass geübte Untersucher we-sentlich bessere Diagnosen stellen. Weitere we-sentliche Parameter sind in den verschiedenen si-tuativen Gegebenheiten bei der Kontrolle vor Ortund im Dienstzimmer sowie der Zeitspanne zwi-schen Kontrolle und Blutentnahme zu sehen. Nichtselten vergehen 1 bis 1,5 Stunden zwischen Kon-trolle und Blutentnahme, in denen sich nicht nur die

Konzentration der Droge im Blut, sondern auch dieEinstellung des Probanden zu der Amtshandlungund damit der Beeinträchtigungsgrad und die Auf-fälligkeiten ändern können.

Der Torkelbogen konzentriert sich wesentlich aufFahrfehler, einige Feststellungen zum Verhaltenund körperliche Auffälligkeiten, die praktisch ohneHilfsmittel feststellbar sind. Man ging davon aus,dass die einzelnen Merkmale nach einer gewissenSchulung für den Polizeibeamten vor Ort gut ein-schätzbar sind. Zu diesem Zweck war im Auftragder Bundesanstalt für Straßenwesen ein Instru-ment zur Schulung entwickelt worden (MÖLLER etal., 1998), dem die ständig steigende Rate positiventdeckter Drogenfälle im Straßenverkehr Rech-nung trägt. Zusätzlich zum Torkelbogen sind er-gänzende Verhaltensbeobachtungen auch in denAntrag zur Feststellung von Alkohol und Drogenmit eingeflossen. In diesem werden Aspekte desVerhaltens und körperliche Veränderungen diffe-renziert und standardisiert erfasst. Während denmeisten Verhaltensaufälligkeiten eine gewisse gra-duierte Erfassung zukommt, werden z. B. über dieMerkmale Drehnystagmus und Pupillengrößequantitative Informationen erfasst.

Eine Rötung der Augenbindehäute begründet inden meisten Fällen einen Anfangsverdacht. Ob-wohl eine Rötung der Augenbindehäute bei vielenCannabiskonsumenten zu beobachten ist, wurdedieser unter verkehrsmedizinischen Gesichtspunk-ten als weniger relevant einzustufende Befund vonden Gutachtern mit der Beeinträchtigungskennzahl2 belegt.

Aus forensischer Sicht kommt den Untersuchungs-befunden nur dann eine wesentliche Bedeutung zu,wenn deutliche Ausfallserscheinungen nachgewie-sen werden können, was sich in hohen Wertigkei-ten für Reaktion, Bewusstsein, Denkablauf undkörperlichen Ausfallserscheinungen sowie der ab-schließenden Beurteilung des nach außen treten-den Beeinflussungsgrades durch den Blutentnah-mearzt widerspiegelt.

8.2.2 Polizeiliche Feststellungen und Cannabi-noidkonzentrationen

Physiologische Auffälligkeiten

Die nur in Einzelfällen beobachtbaren Gleichge-wichtsstörungen bei den Drogenkonsumenten, z. B. bei einer Änderung der Körperhaltung von sit-zend nach stehend beim Aussteigen aus dem

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Fahrzeug, stehen nicht in Einklang mit der blut-drucksenkenden Wirkung von THC. Während sichin liegender Position teilweise ein geringfügigerBlutdruckanstieg ergab, trat in aufrechter Positioneine sog. orthostatische Hypotension auf. Der Anstieg der kardialen Auswurfleistung unter Can-nabiseinfluss – der allerdings nicht dosisabhängigist – bedingt bei allenfalls geringem Blutdruckan-stieg eine Abnahme des peripheren Widerstandes.Von dieser Abnahme sind vor allem die Gefäße derSkelettmuskulatur betroffen. Durch diesen Effektlässt sich der in wenigen Fällen als schleppend be-urteilte Gang erklären.

Ein Effekt, der aus der peripheren Vasodilatation re-sultiert, ist eine auffällige Rötung der Augenbin-dehäute. Diese tritt zwar auch bei entzündlichenoder allergischen Reaktionen am Auge auf, ist abernicht wie diese durch Tränenfluss oder durch eineRötung oder Schwellung der Augenlider begleitet.Zusammen mit einem wässrig/glänzenden Erschei-nen zählt die Rötung der Augenbindehäute zu denhäufigsten nach außen tretenden Erkennungs-merkmalen. Die Weitstellung der Gefäße stellt sichnach Rauchkonsum nur langsam ein, erreicht nachetwa einer Stunde einen maximalen Wert und be-steht dann für einige Stunden fort (TROUVE &NAGAS, 1999). Daher waren zwischen den einzel-nen Gruppen U1 bis U3 (s. Kapitel 6.2) auch keinewesentlichen Unterschiede hinsichtlich diesesMerkmals zu erwarten. Es gibt keine Gruppenun-terschiede, vor allem nicht zwischen den GruppenU1 bzw. U2 und U3, bei denen von einer subaku-ten oder bereits länger zurückliegenden Rausch-phase auszugehen war. Einschränkend muss be-merkt werden, dass eine Rötung der Augenbin-dehäute in Verbindung mit dem Merkmal „wäss-rig/glänzend” in der vorliegenden Studie für jedenzweiten Cannabiskonsumenten zutraf und somitnicht als eindeutiges Konsumanzeichen gewertetwerden kann. Weitere, häufiger auftretende Merk-male betrafen die Weite der Pupille und ihre Reak-tion auf Licht. Bei nur knapp der Hälfte aller kon-trollierten Personen wurden die Pupillen als nichtauffällig verengt oder erweitert beurteilt.

Die Änderung der Pupillenweite unter akutemCannabiseinfluss wird in der Literatur kontroversdiskutiert. Die beschriebene, überwiegend nur inder 1. Stunde nach Konsum auftretende Verengungder Pupille lag bei maximal 10 %, bezogen auf dieursprüngliche Weite in unbeeinflusstem Zustand (s.Kapitel 1.3; HEPLER et al., 1972; BROWN et al.,1977). Die Abnahme der Pupillenweite nahm mit

steigender THC-Menge zu, zeigte allerdings bei 20 mg THC bereits einen Sättigungseffekt und warspätestens nach 130 Minuten nicht mehr objekti-vierbar. Diese subtilen und nur kurzfristig anhalten-den Veränderungen könnten z. B. die geringereAuftretungshäufigkeit stark verengter Pupillen (s. Tabelle 18, 29-39 %) im Vergleich zu unauffälli-gen Pupillen (s. Tabelle 18, 41-52 %) erklären. Einwesentlicher Nachteil der zitierten Studien ist, dassfür die Messzeitpunkte keine Blutspiegel vorliegen.Nach einer Abschätzung von STICHT und KÄFER-STEIN (1998) ergibt sich z. B. für eine Menge von15 mg THC bei einem Körpergewicht von 70 kg 1 Stunde nach Rauchkonsum ein Konzentrations-bereich von ca. 7,5 bis 14 ng THC/mL-Plasma.Dennoch sind zeitliche Dauer und Ausmaß der Än-derung der Pupillenweite unter den Bedingungen,Umständen und Möglichkeiten bei einer Polizei-kontrolle als nicht relevant einzustufen.

Die Zuverlässigkeit einer Schätzung der Pupillen-weite vor Ort muss zudem aus folgenden Gründenangezweifelt werden:

· Die Pupillenweite ist stark von der Umgebungs-helligkeit abhängig,

· die Kontrollsituation erlaubt per se keine Stan-dardisierung der Lichtverhältnisse,

· die Kontrollsituation führt in vielen Fällen zu pe-ripheren, physiologischen Alarmreaktionen, da-runter auch zu einer Weitstellung der Pupille,

· in der vorliegenden Studie zeigten sich in derGruppe stark konsumierender Personen (U2)deutlich mehr Normbefunde als in U1 und U3.

Die gleiche Forschergruppe um BROWN (ADAMSet al., 1978) untersuchte die Erholung der Pupilleeines dunkeladaptierten Auges nach einer Blen-dung durch helles Licht an 8 Probanden, die Ziga-retten mit einem Gehalt von 8 und 15 mg THCrauchten. Verglichen mit einer Placebozigaretteverzögerte sich die Erholungszeit von der Blen-dung 50 Minuten nach dem Rauchen um 8 %.KELLY et al. (1993) zeigten eine dosisabhängigeAbnahme der Kontraktionsgeschwindigkeit undeine Zunahme der Dilatationsgeschwindigkeit derPupille nach Cannabiskonsum mit maximalen Wer-ten unmittelbar bis zu 1 Stunde nach Konsum.Auch hier lagen die Differenzen bei höchstens 1mm im Vergleich zu den Ausgangsbefunden, so-dass der Änderung der Pupillenreaktion auf Licht inder Praxis keine Relevanz zukommt. Entsprechendder geringen Aussagekraft der Befunde „Pupillen-

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weite” und „Lichtreaktion” in der Praxis warendiese Merkmale von den Gutachtern nur mit Beein-trächtigungskennzahlen von 2 eingestuft worden.

Verhaltensaufälligkeiten

Ungeachtet der vorgenommenen Gruppeneinteilungergaben sich stets Einbußen in denselben Leis-tungsbereichen. Bei einem Drittel oder mehr Fällenwaren „Reaktion verzögert” und „Einbußen der Ori-entierung” angekreuzt worden. Diese Auffälligkeitensind unter akutem Cannabiseinfluss bei typischemRauschverlauf aufgrund der pharmakologischenWirkungen des THC auch zu erwarten. Hierbei han-delt es aus verkehrsmedizinischer Sicht um relevan-te Effekte, die geeignet sind, die Fahrsicherheit ne-gativ zu beeinflussen. Entsprechend wurde eine„verzögerte Reaktion” von den Gutachtern mit derBeeinträchtigungskennzahl 4, das Merkmal „extremlangsam” mit der Beeinträchtigungskennzahl 6 be-legt. Die Einschätzung „schläfrig” erhielt bei einerWertigkeit von maximal die Beeinträchtigungskenn-zahl 3, „verwirrt” die Kennzahl 5.

Im Gegensatz zu VOLLRATH et al. (2002), ergabsich bei den Konsumenten in der vorliegendenGruppe mit 35 % (Gesamtkollektiv) ein erheblichgeringerer Anteil an Personen, denen das Merkmal„Reaktion verzögert” zugeordnet war. Mögliche Er-klärungen können die geringe Stichprobengrößeder zitierten Studie mit nur 20 versus 1.440 Perso-nen in der vorliegenden Untersuchung sowie dieunterschiedlichen Randbedingungen hinsichtlichder Cannabinoidkonzentrationen bei der Gruppen-bildung – THC akut niedrig von 0,5 bis 2 ng/mL,THC akut hoch über 2,0 ng/mL, postakut mit THCunter der Nachweisgrenze von 0,5 ng/mL-Blut ver-sus der in Kapitel 6.2 getroffenen Einteilung liefern.

Auffallend war vorliegend der um 9 bzw. 17 %höhere Anteil verzögert reagierender Personen inU2 im Vergleich zu U1 bzw. U3. Da von einer ge-wissen Toleranz bei häufigerem Cannabiskonsumausgegangen wird, die zumindest teilweise aufeiner Agonisten-induzierten Downregulation derCannabinoidrezeptoren in bestimmten Hirnregio-nen, insbesondere im Striatum, Mesencephalonund limbischen Vorhirn war, beruhen soll, warzunächst ein geringerer Anteil an beeinträchtigtenPersonen in der Gruppe regelmäßiger Konsumen-ten zu erwarten (RODRIGUEZ DE FONSECA et al.,1994; ROMERO et al., 1995).

Es ist denkbar, dass regelmäßige Raucher Canna-bis tiefer und ausgiebiger inhalieren als gelegentli-

che oder experimentelle Konsumenten und in derakuten Phase höhere Spiegel und dann auch einehöhere Beeinträchtigung aufweisen. So berichtetenLINDGREN et al. (1981) über höhere Plasmakon-zentrationen bei häufiger konsumierenden Perso-nen. Rückschlüsse auf entsprechende bleibendeBeeinträchtigungen nach Ausscheidung von THCund 11-OH-THC aus dem Körper lassen sich ausden Daten nicht ableiten. Ebenso wenig könnenAussagen darüber gemacht werden, welcher Anteilan Cannabinoidbefunden den chronischen Kon-sum – in der nicht akuten Phase – erfasste. HAN-SON et al. (1983) berichteten z. B. von einer Grup-pe von Rauchern, die Konzentrationen von 2 bis 8ng THC/mL-Serum aufwiesen, obwohl sie anga-ben, in den letzten 24 Stunden keinen Joint mehrgeraucht zu haben. Diese Ergebnisse wurden vonSKOPP et al. (2003) durch eine Untersuchung anEntzugspatienten auf einer geschlossenen psy-chiatrischen Station bestätigt, in der gezeigt wer-den konnte, dass bei sehr starken Rauchern auchnoch nach 48 Stunden Abstinenz positive THC-Be-funde zu erheben waren. Bei keinem der Studien-teilnehmer konnten nach 24 bzw. 48 Stunden nochCannabis-typische Ausfallserscheinungen objekti-viert werden.

Die Feststellung einer Reaktion als „verzögert” istnicht definiert oder bis jetzt durch eine geeignetePrüfung an der Kontrollörtlichkeit objektiv nachvoll-ziehbar. Eine Nachtestung, ob der Fahrer im unbe-einflussten Zustand ebenfalls verzögert reagiert, istnicht durchführbar. Erfahrungsgemäß führt derSchreck, ertappt worden zu sein, dazu, dass diegeforderten Dokumente nicht oder verspätet be-reitgehalten oder verwechselt werden, in einigenFällen wurde eine Abwehr- oder Trotzreaktiongegenüber den polizeilichen Maßnahmen als Ver-zögerung dokumentiert. Diese Beobachtungen inder Praxis schränken die Relevanz dieses Merk-mals ein.

Einbußen der Orientierung wurden mit 13 bis 23 %überwiegend unter dem Merkmal „schläfrig“, undnur mit 1 bis 6 % als „verwirrt” eingeordnet.Während in der Studie von VOLLRATH et al. (2002)keiner der Monokonsumenten als „verwirrt” einge-stuft wurde, wurden in guter Übereinstimmung mitden vorliegenden Ergebnissen 11 % in der posta-kuten Phase als „schläfrig” beurteilt. Allerdingswurde keine der untersuchten Personen – wederbei niedrigen noch bei höheren THC-Konzentratio-nen – als schläfrig oder verwirrt erkannt. AuchKARRER (1995) fand nur bei etwa 10 % der Perso-

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nen Einbußen der Orientierung bei einer Gegenü-berstellung von Daten aus polizeilichen ProtokollenCannabis-positiver und -negativer Probanden. Deretwas höhere Anteil in der Gruppe häufig konsu-mierender Personen kann wie oben für das Merk-mal „Reaktion verzögert“ begründet werden.

Die weiteren Auffälligkeiten ergeben unter ver-kehrsmedizinischen Aspekten keine Hinweise aufeine Beeinflussung der Fahrsicherheit, da sie ent-weder durch die Kontrollsituation bedingt und nichtauf den Drogenkonsum rückführbar sind bzw. inentsprechender Ausprägung nur bei einem sehrgeringen Prozentsatz zu erheben waren und dahernicht als repräsentativ angesehen werden müssen.

Insgesamt ergeben sich aus den polizeilichen Fest-stellungen nur wenige Beziehungen zwischen Auf-fälligkeiten und Merkmalen, die geeignet sind, dieFahrsicherheit entscheidend zu beeinflussen. Auchdie Berücksichtigung des Konsumverhaltens durchBildung von Untergruppen führte nicht zu wesent-lich höheren oder zu unterschiedlichen Auftretens-häufigkeiten innerhalb der gebildeten Gruppen.Gründe liegen hierfür u. a. in der großen Bandbrei-te pharmakokinetischer Parameter, in der hohen Li-pophilie der Cannabinoide – das wässrige Kompar-timent Blut kann die aktuelle Cannabinoiddispositi-on nicht geeignet abbilden –, den großen intra- undinterindividuellen Unterschieden der Ansprechbar-keit auf unterschiedliche THC-Konzentrationensowie in der unterschiedlichen Kompensations-fähigkeit der Probanden, da sich die Cannabiswir-kung bei Leistungsanforderung zum Teil willentlichbeeinflussen lässt (GOSTOMZYK et al., 1971b).

8.2.3 Ärztliche Feststellungen und Cannabi-noidkonzentrationen

Aus den ärztlichen Befunden ergaben sich bei der konzentrationsunabhängigen Analyse folgen-de, besonders hervorzuhebende Auffälligkeiten (≥ 40 %):

· Verhalten verlangsamt (40 %),

· Pupillen stark erweitert (42 %),

· Lidflattern (43 %),

· Augenbindehäute gerötet (44 %),

· leicht unter Drogeneinfluss (58 %),

· Pupillenreaktion verzögert (62 %).

Das Spektrum häufig vorkommender Auffälligkei-ten in den ärztlichen Befunden gleicht im Wesentli-

chen demjenigen im Torkelbogen. Interessanter-weise finden sich überwiegend physiologische Be-funde am/für das Auge, während wesentlicheKomponenten und Voraussetzungen für die Fahr-tüchtigkeit wie z. B. Motorik, Koordination undmentale Leistung entweder nicht erfasst oder nur inwenigen Fällen als nicht ausreichend beurteilt wur-den.

Die vorliegende Literaturanalyse fand bei Gelegen-heitskonsumenten konsistent nachgewiesene Be-einträchtigungen in den Bereichen der Sensorikund Motorik (siehe Kapitel 4.1.3.2.1). Ein ver-schlechtertes Leistungsvermögen wurde bei derZeitwahrnehmung und bei der visuellen Wahrneh-mung gefunden. Kein Beeinträchtigungsnachweiskonnte dagegen für die auditorische und die taktileWahrnehmung erbracht werden. Im Bereich dermotorischen Leistungen wurde für die Feinmotorikund die visumotorische Koordination der Nachweiseiner konsistenten Beeinträchtigung erbracht. Wei-tere Leistungen, wie die Reaktionsgeschwindigkeit,die allgemeine motorische Geschwindigkeit oderdie Augenfolgebewegung, wurden zwar unter-sucht, ein konsistenter Beeinträchtigungsnachweiskonnte bisher jedoch nicht erbracht werden. Füreinzelne kognitive Leistungen wurden bisher nachakutem Cannabiskonsum bei Gelegenheitskonsu-menten keine Leistungsdefizite konsistent nachge-wiesen (siehe Tabelle 13). Bei regelmäßigen Konsu-menten konnte aufgrund der nur sehr unzureichen-den Datenlage bisher kein Nachweis einer sensori-schen, motorischen oder kognitiven Beeinträchti-gung nach akutem Konsum erbracht werden (sieheKapitel 4.1.5.2). Ob bei regelmäßigen Cannabis-konsumenten nach akutem Cannabiskonsum mitmehr, weniger oder vergleichbaren Leistungsdefizi-ten zu rechnen ist als bei Gelegenheitskonsumen-ten, kann derzeit nicht mit Sicherheit gesagt wer-den.

In der Literatur gibt es mehrere Studien, die z. B.unter akutem Cannabiseinfluss eine deutliche Leis-tungsverschlechterung hinsichtlich der Koordinati-on ergaben (MÜNZHUBER, 1995, s. auch 1.4.3,1.5). In diesen Studien waren die Standstabilität/-festigkeit signifikant und dosisabhängig ver-schlechtert; die Fingerfertigkeit, z. B. einen kleinenMetallstift in eine Bohrung ohne Berühren der Rän-der einzuführen, war eingeschränkt. Die Motorikwar allerdings nur in 2 von 4 Untersuchungen ge-genüber den Kontrollleistungen herabgesetzt,wobei stets das Tapping (möglichst häufigesDrücken einer Taste mit den Fingern bzw. den Fin-

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gern/Zehen) geprüft wurde. Bei 5 von 6 Untersu-chungen zur Zeiteinschätzung kam es zu Zeitüber-schätzungen. Auch bei Prüfung der mentalen Leis-tung durch Zahlen-Symbol-, Wort-, Zahlen-Code-Tests und Zahlenreihen war bei 11 von 16 Testun-gen eine Leistungsminderung in der akutenRauschphase nachweisbar. Einschränkend mussdazu gesagt werden, dass sich die ärztliche Unter-suchung im Rahmen einer Verkehrskontrolle aufeinen einzigen Kontakt mit dem Probanden be-schränkt und eine entsprechende Leistungskon-trolle im nüchternen Zustand nicht möglich ist.

Eine Ausnahme stellt vorliegend lediglich die Reak-tionszeit dar, die im Gesamtkollektiv bei 40 % allerFälle als verlangsamt beurteilt wurde (siehe Kapitel1.2.3 und 1.3). Auch hier gelten die in Kapitel 8.2.2bereits diskutierten Kritikpunkte.

Eine Rötung der Augenbindehäute stellt ein gutesErkennungsmerkmal für einen Konsum der Drogedar (siehe Kapitel 1.2.3), das unter dem Gesichts-punkt der Fahrsicherheit allerdings keinerlei Rele-vanz besitzt. Hinsichtlich einer Graduierung diesesMerkmals ergab sich nur ein diskreter Trend hin zuhöheren Auffälligkeitsraten bei häufiger konsumie-renden Personen, auch wenn unter experimentel-len Bedingungen keine Konzentrationsabhängig-keit dieses Merkmals gefunden wurde.

CALDWELL et al. (1969) fanden keine Hinweise aufeinen THC-Effekt bei Helligkeitstests, u. a. auchnicht bei Prüfungen des Hörvermögens. Die Ar-beitsgruppe um ADAMS (ADAMS et al., 1975,1976) stellte keine Beeinträchtigung der Sehschär-fe fest, die z. B. bei stark erweiterten Pupillen zu er-warten gewesen wäre. Teilweise wurden auffälligeVeränderungen der Farbwahrnehmung bis zu 90Minuten nach Rauchkonsum registriert. Eine nurgeringfügige Abnahme der Sehschärfe wurde auchvon HELMER et al. (1972) beobachtet.

Die vorliegende Auswertung, die ein gehäuftes Auf-treten auffällig weit gestellter Pupillen ergab, lässtsich durch die experimentellen Befunde nicht er-klären. Zieht man die anhand einer Skala einge-schätzten Pupillenbefunde heran, so ergibt sicheine deutliche Diskrepanz zwischen den alsweit/unauffällig/verengt beurteilten Pupillen undden Angaben in Millimetern. Die Pupillenweite kanndaher weder vor dem Hintergrund der wissen-schaftlichen Literatur noch nach den vorliegendenErgebnissen als wesentliches Erkennungsmerkmaleiner Cannabisbeeinflussung gesehen werden.

Aus dem Bereich der Aufmerksamkeitsleistungenkonnte anhand der vorliegenden Literaturanalysenur die selektive Aufmerksamkeit als konsistentbeeinträchtigt ermittelt werden. Dabei ist jedoch zubeachten, dass für die geteilte und die dauerhafteAufmerksamkeit nach akutem Cannabiskonsumbisher nur relativ wenige gut kontrollierte Studienvorliegen (siehe Kapitel 4.1.3.2.1).

Leistungsmerkmale wie das Wachsamkeitsverhal-ten und die geteilte Aufmerksamkeit stellten sich inexperimentellen Untersuchungen unter akutemEinfluss als deutlich eingeschränkt dar (s. Kapitel1.2.3). So fanden MOSKOWITZ et al. (1972) beihöheren Dosen eine um 50 % verringerte Wahr-nehmung peripherer Lichter. Diese Ergebnisse wur-den 1989 von MARKS und MACAVOY (1989) be-stätigt. Dieselbe Arbeitsgruppe fand eine Ein-schränkung des Wachsamkeitsverhaltens bei ge-ringerer Anforderung (Low-attention- im Vergleichzu High-attention-Versuch (SHARMA & MOSKO-WITZ, 1973, 1974). Uneinheitliche Ergebnisse wur-den beim kreisförmigen Lichtertest erhalten, beidem die Arbeitsgruppe um CONE et al. (1986) eineetwa 3 Stunden anhaltende Leistungsminderung,die Arbeitsgruppe um HEISHMAN et al. (1988) je-doch keine bzw. eine nur geringfügige Beeinträch-tigung nachweisen konnte. Einheitlicher stellensich Ergebnisse bei Prüfung der geteilten Aufmerk-samkeit dar. Hier fanden MARKS und MACAVOY(1989) eine deutlich schlechtere Signalentdeckungperipherer und zentraler Lichter ohne Veränderungder Reaktionszeit. BARNETT et al. (1985) berichte-ten über eine 4 Stunden anhaltende Leistungsein-buße. PERES-REYES et al. (1988) beobachtetenzusätzlich eine Veränderung der Reaktionszeit.Diese wesentlichen Leistungsmerkmale werdendurch die ärztliche Untersuchung allerdings nichterfasst.

Die Unterscheidung häufig von gelegentlich/experi-mentell konsumierenden Personen anhand derMerkmalsanteile in den Gruppen U1 – U3 stellte sichals sehr bescheiden heraus. Eine als eher diskret zubeurteilende Differenzierung war lediglich anhandder Pupillenbefunde, des verlangsamten Verhaltensund des äußerlich bemerkbaren Eindruckes mög-lich. Langzeitwirkungen bei chronischen Konsumen-ten im Nüchternzustand konnten in 3 Studien bei 9von insgesamt 10 Tests belegt werden (VARMA etal., 1988; MENDHIRETTA et al., 1988; LEON-CAR-RION, 1990), wobei die Abstinenz in der zuletzt ge-nannten Studie lediglich 12 Stunden betrug. Hierbeizeigten sich deutliche Störungen beim Tapping, der

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Reaktionszeit, Zahlenreihen- und Geschwindigkeits-tests, Verständnis und Wortschatz. Diese kognitivenFunktionen werden durch die ärztliche Untersu-chung ebenfalls nicht abgedeckt.

8.2.4 Auswertung der Zusammenhänge zwi-schen Beeinträchtigungsgrad und Kon-zentrationen an THC, 11-OH-THC undTHC-COOH

Die vorliegende Betrachtung unterliegt gewissenEinschränkungen. So erlaubt eine Analyse Canna-binoid-positiver Fälle im rechtsmedizinischen Un-tersuchungsgut keine epidemiologischen Aussa-gen über das Risiko, unter einem bestimmten Kon-zentrationsmuster an THC, 11-OH-THC und THC-COOH eine abstrakte oder konkrete Straßenver-kehrsgefährdung zu verursachen. Für die Risikobe-stimmung wäre eine Ermittlung der Auftretenshäu-figkeit von Cannabis bzw. bestimmter Cannabi-noidkonzentrationen im Blut auch bei völlig unauf-fälligen Fahrern notwendig. Eine derartige Erhe-bung ist in Deutschland aus rechtlichen und ethi-schen Gesichtspunkten jedoch nicht möglich. ImRahmen des Deutschen Road Side Surveys von1992-1994 wurde ein Zugang zu einer repräsenta-tiven Zufallsstichprobe Drogen positiver Fahrer ver-sucht (KRÜGER et al., 1996). Hierbei konnte ge-zeigt werden, dass 0,57 % aller Fahrten unterCannabis durchgeführt wurden. Der Nachweis derDroge erfolgte immunologisch an Mischspeichel-proben. Hierbei kann aus einem positiven THC-Be-fund auf einen zeitnahen Konsum von Cannabis-produkten geschlossen werden, da Cannabinoidenicht dem Speichel ausgeschieden, sondernwährend des Rauchens in der Mundschleimhautsequestriert werden. Cannabinoid-positive immun-ologische Befunde konnten mittels GC/MS auch zu90 % verifiziert werden, sodass der Speicheltestals hinreichend belegt angesehen werden kann(SAMYN et al., 2002).

Auch über die Auftretenshäufigkeit bei Fahrfehlern,physischen oder psychischen Auffälligkeiten oderbei Unfällen sind nur eingeschränkte Aussagenmöglich, da nur ein Teil dieser Fälle in der Rechts-medizin zur Untersuchung gelangt. Es ist nicht be-kannt, wie viele Blutproben verkehrsaufälliger Fah-rer nicht an rechtsmedizinische Institute, sondernan andere Untersuchungsstellen weitergeleitetwurden. Dieser Teil konnte dann bei der Analysenicht berücksichtigt werden. Welche Fälle tatsäch-lich zur Untersuchung gelangten, hängt unter an-derem auch vom Anfangsverdacht ab und wird

durch die o. g. Parameter in nicht abschätzbarerWeise beeinflusst.

Trotz dieser Einschränkungen, die eine gewisseVerzerrung der Ergebnisse möglich machen, ist dieAuftretenshäufigkeit Cannabinoid-positiver Fälle inca. 33 % der in den 3 Jahren untersuchten Stra-ßenverkehrsdelikte als hoch einzustufen.

Die Auswertungsserie, die auf einen Zusammen-hang zwischen den Beeinträchtigungsscores, d. h.der Einbeziehung aller Feststellungen und Auffällig-keiten, und den Konzentrationen an THC, 11-OH-THC und THC-COOH im Serum ausgerichtet war,führte im Wesentlichen zu 2 Schlussfolgerungen:Die Höhe des Zusammenhanges ist praktisch nichtrelevant und zudem unabhängig von der Art derEinschätzer. Hieraus ergibt sich, dass zwar Auffäl-ligkeiten vorhanden sind, diese jedoch nicht mitsteigenden Serumspiegeln ansteigen bzw. tenden-ziell mit diesen zunehmen. Umgekehrt lässt sichauch schließen, dass Fahrer ungeachtet ihrer ana-lytisch feststellbaren, aktuellen Beeinträchtigungdurch die Beurteilung körperlicher Symptome undvon Verhaltensaufälligkeiten von der Polizei alsCannabiskonsumenten entdeckt werden. Obwohlsich das Beobachtungsspektrum und die Prü-fungssituation von Polizei und Arzt unterscheiden,sind beide Instrumente geeignet, qualitativ eineBeeinflussung festzustellen.

Berücksichtigt man, dass auch Unterteilungen derStichprobe nach THC-Konzentrationen in Gruppenmit niedrigen (< 3 ng THC/mL-Serum), mittleren (3-9 ng THC/mL-Serum) und höheren Werten (> 9 ng/mL-Serum) bzw. nach ihren THC-COOH-Werten (< 40 ng/mL, 40-70 ng/mL, > 70 ng/mL)keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich derSummenwerte zeigten, so kommt der Verhaltens-beobachtung und der körperlichen Symptomatikmomentan eine wesentliche Rolle bei der Drogen-erkennung zu. Es stellt sich auch die Frage, ob diehier vorgenommene Einteilung der THC-COOH-Werte in aktuell entnommenen Blutproben geeig-net ist, eine Kumulation dieses Metaboliten odernur eine akute Bildung anzuzeigen. In experimen-tellen Studien wurden auch nach einmaligem Kon-sum THC-COOH-Konzentrationen von 40-70ng/mL häufig erreicht, mit Spitzenwerten bis zuüber 100 ng THC-COOH/mL-Serum. Der bi- bzw.polyphasische Verlauf der Elimination mit deutli-cher Verlangsamung der Elimination nach 18-22Stunden (G. SKOPP, unveröffentlicht), ein entero-hepatisches Cycling sowie Unterschiede in der

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Metabolisierungsrate bzw. -geschwindigkeit undder Mobilisierungsrate aus tiefen Körperkomparti-menten führen dazu, dass THC-COOH-Konzentra-tion im Mittelfeld nur schwer einem einmaligenbzw. einem häufigen, regelmäßigen Konsum zuge-ordnet werden können.

Hinweise auf eine zuverlässigere Erkennung akutbeeinflusster Fahrer anhand des CIF-Wertes erga-ben sich in der vorliegenden Studie nicht. Auch hierdürfte die hohe Variabilität der Pharmakokinetikvon THC eine wesentliche Rolle spielen. Eines derwesentlichen Ergebnisse, auch im Hinblick auf dieFahreignungsbegutachtung ist die Beobachtung,dass bei den Mittelwerten der nachgewiesenenTHC-Konzentrationen folgende Reihung vorlag:Unfallfahrt < folgenlose Trunkenheitsfahrt < Ord-nungswidrigkeit.

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Peter Strohbeck-Kühner und Rolf Aderjan

Teil D: Zusammenfassung undRelevanz der vorliegen-den Berichtergebnisse fürdie Frage der Fahreignung

Das Ziel der vorliegenden Untersuchung zu denverkehrssicherheitsrelevanten Folgen des Canna-bisgebrauchs war es, Daten zur potenziellen undtatsächlich verkehrsbezogenen Gefährlichkeit imHinblick auf die Fahreignung zu evaluieren.

Im ersten Teil der Untersuchungen wurde eine de-taillierte Analyse der vorhandenen Forschungslite-ratur zu den neuropsychologischen und psychiatri-schen Effekten des Cannabiskonsums durchge-führt, die sowohl die Konsistenz eines Beeinträch-tigungsnachweises als auch die Qualität der vor-handenen Studien berücksichtigt hat. Die meistenkonsistent nachgewiesenen Defizite wurden dabeifür die Konsumsituation des „Gelegenheitskonsu-menten nach akutem Konsum” gefunden. Für ab-stinente oder sich in der Residualphase befindlicheGelegenheitskonsumenten sind bisher keine Defi-zite auf Verhaltensebene konsistent nachgewiesenworden. Weiterhin wurden keine Hinweise gefun-den, dass bei regelmäßigen Cannabiskonsumen-ten nach akutem Cannabiskonsum oder währendder Abstinenz mit stärkeren Verhaltensdefiziten zurechnen ist als bei Gelegenheitskonsumenten.Diese Befunde machen eine Unterscheidung zwi-schen gelegentlichen und regelmäßigen Cannabis-konsumenten bezüglich der zu erwartenden Ver-haltensdefizite hinfällig.

Im zweiten Teil wurden als Cannabinoid-positiv er-mittelte Fälle aus 3 Jahren (2000–2002), die imStraßenverkehr beobachtete Auffälligkeiten zeig-ten, unter Berücksichtigung der gemessenenCannabinoid-Plasmakonzentrationen betrachtet.Dabei wurde geprüft, welcher Zusammenhang zwi-schen den analytisch ermittelten Konzentrationenan THC sowie seiner Metaboliten und den Auffäl-ligkeiten, die im ärztlichen Blutentnahmeprotokollund im polizeilichen Bericht vermerkt sind, besteht.Weder die Gesamteinschätzung der Auffälligkeitendurch die Polizei und den Blutentnahmearzt nochdie Beurteilung des Beeinflussungsgrades durchden Arzt waren jeweils mit den Serumspiegeln anTHC oder 11-OH-THC korreliert. Die Ergebnissezeigen, dass sich durch die Einschätzung des Be-

einträchtigungsgrades von Polizei und Arzt Perso-nen mit regelmäßigem und gelegentlichem Kon-sum nicht mit der notwendigen Sicherheit trennenlassen.

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungenmachen deutlich, dass die Feststellungen zu Aus-wirkungen von THC auf die Fahrtüchtigkeit we-sentlich uneinheitlicher sind als für Alkohol. Zumin-dest fehlen für die objekive Feststellung von Leis-tungseinbußen unter Cannabiswirkungen in praxigeeignete Beobachtungsinstrumente. Die Litera-turübersicht legt es einerseit nahe, dass durchCannabis die verkehrsrelevanten Leistungsfunktio-nen weniger betroffen zu sein scheinen, als dies beiAlkohol der Fall ist. Demgegenüber wird die illega-le Droge Cannabis verwaltungsrechtlich rigorosergehandhabt als das legale Rauschmittel Alkohol.

Im Straßenverkehr wird beim Nachweis von THCim Serum nach § 24a StVG eine Ordnungswidrig-keit begangen, falls keine Verurteilung nach § 316StGB oder 315c StGB erfolgt. Diese Regulierunggilt als Auffangtatbestand, der dem Fehlen vonGrenzwerten der Fahruntüchtigkeit analog zum Al-kohol Rechnung trägt. Sie führt dazu, dass unab-hängig von im Einzelfall subjektiv ggf. noch wahr-nehmbaren Rauschmittelwirkungen, über die ge-samte toxikologisch-analytisch darzustellende Ab-bauzeit der Wirksubstanz im Serum eine Ord-nungswidrigkeit, das Nicht-trennen von Konsumund Fahren vorliegt, der unmittelbar und regel-mäßig fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen folgen.

Die Ergebnisse der Analyse der Cannabis-positivenFälle aus der forensischen Toxikologie zeigen nun,dass das bisherige Vorgehen eine Differenzierungzwischen denjenigen, die Cannabis-bedingt fahr-untüchtig sind, und denjenigen, bei denen dies ggf.nicht mehr der Fall ist, erhebliche Schwierigkeitenbereitet. So zeigen die Untersuchungsergebnisse,dass das Unfallkriterium als Ausdruck einer Can-nabis-bedingten Beeinträchtigung nicht uneinge-schränkt herangezogen werden kann: Die verun-fallten Fahrer wiesen im Vergleich mit den nichtdurch Unfälle auffällig gewordenen Fahrer geringe-re THC-Spiegel auf und wurden von den Polizeibe-amten und blutentnehmenden Ärzten durchschnitt-lich als weniger auffällig beschrieben. Die Ergeb-nisse begründen Zweifel daran, ob das vorliegendeInstrumentarium, das auch bei einer Alkoholbeein-trächtigung teilweise problematisch sein kann, zurErkennung einer häufig nur diskret wahrnehmbarenCannabisbeeinflussung im Straßenverkehr geeig-net und ausreichend ist bzw. ob diejenigen, die

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entsprechende Beobachtungen festhalten bzw.eine Beurteilung vornehmen, dafür ausreichendgeschult sind. So ist es weniger erstaunlich, dasskeine nennenswerten Zusammenhänge zwischenden Serumspiegeln und den berichteten Ausfalls-erscheinungen und Auffälligkeiten bestehen. Viel-mehr fällt auf, dass die Interrater-Reliabilität zwi-schen den blutentnehmenden Ärzten und den Poli-zeibeamten, selbst wenn zwischen den Einschät-zungen nicht allzu viel Zeit verstrichen ist, sehrniedrig ist und für einzelne Teilstichproben sogarnegative Zusammenhänge beobachtet werden. Dakeine validen Außenkriterien bestehen, bleibt auchunklar, welche der beiden Beurteilergruppen inihrer Einschätzung besser ist und daher eher füreine Beurteilung herangezogen werden könnte. EinSchwachpunkt bei diesem Beurteilungsprozessstellt auch das Instrumentarium des sog. polizeili-chen Beobachtungsbogens („Torkelbogen“) dar,der mit vorgefertigten anzukreuzenden Merkmals-gruppen überwiegend für das Erkennen von alko-holauffälligen Kraftfahrern konzipiert und später aufdie Erkennung von drogenbeeinflussten Fahrernausgeweitet worden ist. Wenngleich er sich zurKonsumentenerkennung ersichtlich eignet, er-scheint er als globales Instrumentarium kaum ge-nügend differenziert und ausreichend, um die ver-schiedenen Auswirkungen der unterschiedlichenpsychoaktiven Wirkstoffe adäquat zu erfassen.Dabei ist es wichtig, zweierlei zu berücksichtigen:1) von Drogenkonsumenten durchaus gesuchtepsychotomimetische Wirkungen sind in leichtererbis mittlerer Form nach außen hin generell nichteinfach und bezüglich Cannabis deshalb schwierigfestzustellen und 2) wurde dieser ggf. halluzinoge-ne bzw. psychose ähnliche Zustände auslösendeCannabiswirkanteil (D’SOUZA et al., 2004) generellbisher zu wenig in die neuropsychopharmakologi-sche Forschung einbezogen (JOHNS, 2001). EineFeststellung, die auch auf die Laborexperimentezur Verkehrsrelevanz ausgedehnt werden kann.

Es zeigt sich das Problem, dass verschiedene Re-gistrierungen, die im „Torkelbogen” erfasst werden,uneindeutig auszulegen sind (z. B. Reaktionsverzö-gerung) und überwiegend nur Hinweise auf denKonsum von Cannabis, nicht jedoch auf verkehrs-relevante Leistungseinbussen oder Ausfallser-scheinungen geben (z. B. gerötete Augenbin-dehäute). Auch bleibt bei einigen Merkmalen un-klar, ob sie primär auf Cannabis zurückzuführensind oder ob sie lediglich eine (ebenfalls zentralner-vös ausgelöste) Reaktion auf die Kontrollsituation

darstellen (z. B. geweitete Pupillen). Es fehlt hinge-gen noch immer der wissenschaftlichen Nachweisdafür, wann z. B. geweitete Pupillen tatsächlich re-levante Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeithaben.

Die Probleme, die sich aus den Ergebnissen dervorliegenden Untersuchung ergeben, betreffenprimär die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit: Siehaben aber Auswirkungen auf die Frage der Fahr-eignung, sowohl im Sinne der verwaltungsrechtli-chen Konsequenzen, die eine Cannabis-beeinflus-ste Fahrt mit sich bringt, als auch auf die Begut-achtung der Fahreignung selbst. Entsprechend derFahrerlaubnisverordnung und den „Begutach-tungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung” wird diffe-renziert zwischen einem regelmäßigen und einemgelegentlichen Cannabiskonsum. Von demjenigen,der regelmäßig, d. h. täglich oder gewohnheits-mäßig Cannabis, konsumiert, wird demnach ange-nommen, er sei in der Regel nicht in der Lage, dengestellten Anforderungen zum Führen eines Kraft-fahrzeugs gerecht zu werden. Ausnahmen sind nurin seltenen Fällen möglich, wenn eine hohe Wahr-scheinlichkeit besteht, dass Konsum und Fahrengetrennt werden und keine Leistungsmängel vorlie-gen. Wer gelegentlich Cannabis konsumiert, istdazu in der Lage, den gestellten Anforderungen ge-recht zu werden, wenn er Konsum und Fahren tren-nen kann, wenn kein zusätzlicher Gebrauch von Al-kohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffenund wenn keine Störung der Persönlichkeit undkein Kontrollverlust vorliegen.

Im Unterschied zum Alkoholkonsumenten, bei demerst bei einem problematischen Verhaltensmusterdie Anforderungen zum Führen eines Kraftfahr-zeugs als nicht mehr erfüllt angesehen werden,wird beim Drogenkonsumenten jegliche Einnahmevon Drogen als eignungsausschließend angesehen(eine Ausnahme hiervon stellt lediglich der gele-gentliche Cannabiskonsum dar). BRENNER-HART-MANN et al. (1998) begründen dies in dem Kom-mentar zu den o. a. „Begutachtungs-Leitlinien zurKraftfahrereignung” mit der Gefährlichkeit der Substanz, der fehlenden Wirkungskontrolle sowieder Illegalität der Droge und den fehlenden Sank-tionen im Straßenverkehr. Bezogen auf Cannabisweisen die Autoren darauf hin, dass die Cannabis-wirkung in Abhängigkeit von der Persönlichkeits-struktur, der momentanen psychischen Verfassungund den aktuellen äußeren Umständen sowie auchvon der Art des Stoffes und der Konsumform diffe-rieren kann und somit der Rauschzustand nicht

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eindeutig prognostizierbar sei, zumal zahlreicheWirkungen neben- und nacheinander auftretenkönnen. Als weitere Wirkbesonderheit nennen dieAutoren Gewöhnungseffekte, Wirkverstärkungendurch Kumulationseffekte sowie subjektiv teilweisenicht registrierbare Hangover-Wirkungen bzw. Re-sidualeffekte im Sinne von Leistungsminderungen,die auch bis zu 24 Stunden nach Beendigung desKonsums auftreten können. Hierzu wäre anzumer-ken, dass die Ergebnisse der vorliegenden Litera-turstudie, zumindest für den Zeitraum von mehr als12 Stunden nach Konsumende, nur wenig Belegefür das Auftreten verkehrsrelevanter Leistungsdefi-zite liefern. KANNHEISER (2000) weist zudem ineinem für den Bayrischen VGH erstellten Gutach-ten darauf hin, dass bei einem regelmäßigen Kon-sum, unabhängig von einem aktuellen Konsum, dieMöglichkeit einer ständigen Beeinträchtigung derverkehrsrelevanten Aufmerksamkeitsleistung, derVerarbeitungsgeschwindigkeit und des Kurzzeitge-dächtnisses besteht. Die Ergebnisse der vorliegen-den Literaturstudie zeigen jedoch, dass die hierfürzugrunde gelegten Studien sehr unterschiedlicheAbstinenzzeiträume betrachten und häufig eineKonfundierung mit Residualeffekten des akutenKonsums in Betracht gezogen werden muss. DieLiteraturübersicht weist aus, dass lediglich bezüg-lich des Kurzzeitgedächtnisses konsistente Befun-de im Sinne einer Leistungsbeeinträchtigung vor-liegen, wobei die Effekte nicht sehr ausgeprägtsind.

KANNHEISER (2000) weist zudem darauf hin, dasseine verkehrsrelevante Veränderung der Persön-lichkeit eintreten kann, welche die Bereitschaft zurEinhaltung von Normen und übergeordneten Re-geln beeinträchtigen kann. BRENNER-HARTMANN(1998) weist, unter Berufung auf die klinische Be-gutachtung und die diagnostische Einschätzung,darauf hin, dass vor allem bei regelmäßigem Über-konsum gehäuft ein amotivationales Syndrom auf-trete, welches als leichte organische Wesensände-rung vom apathisch-antriebsarmen Typ aufgefasstwerden könne.

Die Besonderheit, gelegentliche Cannabiskonsu-menten als fahrgeeignet einzuschätzen, führtBRENNER-HARTMANN (1998) auf die hohe Ver-breitung des Cannabiskonsums und das Wissenzurück, dass eine Vielzahl der Konsumenten nursehr kurzzeitig konsumiert und es anders als beisynthetischen Drogen Möglichkeiten gibt, dieDosis zu kontrollieren. Dadurch sieht BRENNER-HARTMANN (1998) auch prinzipiell die Möglichkeit,

den Konsum und die Teilnahme am Straßenverkehrausreichend sicher zu trennen.

In den „Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrer-eignung” sowie in dem dazugehörigen Kommentarwurde der Stellenwert einer Fahrt unter dem Ein-fluss von Betäubungsmitteln bisher nicht diskutiert.Als problematisch im Hinblick auf die Bewertungder Fahreignung wird lediglich der Konsum selbstgewertet. Dabei wird zwischen einem bekannt ge-wordenen Konsum innerhalb oder außerhalb desRahmens des Straßenverkehrs nicht unterschie-den. So findet sich in der Fahrerlaubnisverordnungund den „Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrer-eignung” lediglich der Hinweis, dass ein gelegent-lich Cannabis Konsumierender dann den Anforde-rungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerechtwird, wenn er, neben anderen Voraussetzungen,auch Cannabiskonsum und Teilnahme am Straßen-verkehr trennen kann.

Unklar bleibt, an welcher Stelle die Diagnose einesregelmäßigen oder gelegentlichen Cannabiskon-sums gestellt wird. Wie o. a. erfolgt diese Differen-zierung in der Praxis teilweise über die Bestim-mung der THC-COOH, wobei, wie ebenfalls obenangeführt, aus toxikologischer Sicht noch unklarist, ab welchen Grenzwerten man von einen regel-mäßigen Konsum ausgehen kann. Ein weiteres Kri-terium zur Einordnung eines Konsums als regel-mäßig oder gelegentlich sind Eigenangaben derBetroffenen. In der Praxis des Gerichtsgutachtersund des Fahreignungsdiagnostikers zeigt sichaber, dass entsprechende Angaben häufig funktio-nal und zweckintendiert sind. So wird bei straf-rechtlichen Auffälligkeiten von den Betreffendensehr häufig ein regelmäßiger und hoher Cannabis-konsum angegeben, um dadurch eine Schuldmin-derung zu erreichen. Ähnlich verhält es sich auchbei Verfahren wegen Verstößen gegen das Betäu-bungsmittelgesetz. Hier geben die Betroffenenhäufig einen hohen Konsum an, um dadurch auchgrößere Cannabismengen als notwendig für denEigenkonsum deklarieren zu können. Im Gegensatzhierzu wird bei Verkehrsdelikten ein eher seltenerund nicht regelmäßiger Konsum angegeben.

Bei der momentanen Gesetzeslage schließt der re-gelmäßige Konsum von Cannabis die Fahreignungaus, auch wenn keine anderen ungünstigen Um-stände hinzukommen. Entsprechend des Be-schlusses des Bayrischen VGH vom 3.9.2002sowie anderer Verwaltungs- und Oberverwaltungs-gerichtsbeschlüsse wird dann von einem regel-

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mäßigen Cannabiskonsum ausgegangen werden,wenn der Konsum täglich oder nahezu täglich er-folgt. In einem vom Bundesverfassungsgericht ein-geholten Gutachten weist BERGHAUS (2002) da-rauf hin, dass das Erkennungs- und Trennungsver-mögen umso wahrscheinlicher abnehme, je mehrder Cannabiskonsum über einen gelegentlichenKonsum hinausgehe.

Derzeit führt i. d. R. schon die begangene Ord-nungswidrigkeit nach § 24a. II StVG zu Bedenkenan der Fahreignung und i. d. R. auch zu der Auffor-derung, sich einer MPU zu unterziehen. Die Ober-verwaltungsgerichte legen in ihrer Rechtsprechungzum Fahrerlaubnisrecht einen Grenzwert von 1ng/mL THC im Serum zugrunde, bei dem die An-nahme eines zeitnahen Konsums gerechtfertigt sei.(VG München v. 26.05.2004 – M 6a S04.2632 –<JURIS>, Niedersächsisches OVG NVwZ-RR2003, S. 899 <900>, VGH Baden-WürttembergVRS bd. 107 <2004>, S 234 <236>, OVG Rhein-land-Pfalz, DAR 2004, S 413).

Angesichts der für Cannabis bekannten, aber auchdeutlichen Problematik, ein bestimmtes Ausmaßvorhandener oder auch bereits wieder abgeklunge-ner verkehrsrelevanter Wirkung aus Messwertenablesen zu können, wird vom Bundesverfassungs-gericht nicht kritisiert, dass zum Begehen einerOrdnungswidrigkeit nach § 24a StVG ein Wirksam-keitsbeleg im Einzelfall nicht gefordert, zugleich aufdiese Weise jedoch ein vergleichsweise hoher Be-folgungsdruck bewirkt wird (BVerfG, 1 BvR 2652/03 vom 21.12.2004). Nach dieser Entscheidungmuss zur Begehung der Ordnungswidrigkeit zu-mindest ein Wert von 1 ng THC/mL-Serum erreichtworden sein. Hierbei werden diejenigen Fälle er-fasst, in denen unter Berücksichtigung des Zeit-raums zwischen Vorfall und Blutentnahme nachwissenschaftlicher Auffassung eine verkehrsrele-vante Cannabiswirkung als noch oder schon mög-lich angesehen wird.

Falls kein gerichtlicher Entzug der Fahrerlaubnis inZusammenhang mit einer Verurteilung nach § 316StGB oder 315c StGB erfolgt ist, bleibt der Betref-fende zumeist bis zur MPU im Besitz seiner Fahr-erlaubnis. In jüngerer Zeit wird, zumindest in ein-zelnen Bundesländern, die Fahrerlaubnis durchVerfügung der Verwaltungsbehörde entzogen,wenn die Serumkonzentration der THC-COOH ineiner spätestens acht Tage nach Aufforderung ab-gegebenen Blutprobe über 75 ng/mL-Serum liegtoder weiterhin Tetrahydrocannbinol nachweisbar

ist, da in diesen Fällen von einem regelmäßigenCannabiskonsum bzw. von fehlendem Konsumver-zicht ausgegangen wird. Zu der Frage, ob das Vor-liegen eines THC-COOH Wertes von über 75ng/mL im Serum nach acht Tagen schon als gülti-ger Beweis für regelmäßigen Cannabiskonsum gel-ten kann, sind aus toxikologischer Sicht lediglichpharmakokinetische Überlegungen angestellt wor-den. Es ist anzunehmen, dass mit dieser, für Be-troffene durchaus günstigen Vorgehensweise, ehernur die problematischen Fälle von Schwerstkon-sum erfasst werden. Dies gilt auch für die oberver-waltungsgerichtliche Rechtsprechung in Nieder-sachsen, wonach bei einer anlassbezogenen Blut-probe im Straßenverkehr erst bei Erreichen einesGrenzwertes von 150 ng THC-COOH/mL-Serumvon regelmäßigem Konsum ausgegangen wird.Demgegenüber fehlen Forschungsergebnisse, dieeine zuverlässige wissenschaftliche Basis zur Ein-schätzung des individuellen Eliminations- und Ab-bauverhalten dieses Metaboliten liefern könnten.

Die Zuweisung zu einer MPU kann auch bei gele-gentlichem Konsum erfolgen, wenn andere un-günstige Umstände hinzukommen. Fast generellerfolgt eine entsprechende Zuweisung, wenn wei-tere ungünstige Umstände in Form einer bekanntgewordenen Fahrt unter Cannabiseinfluss vorlie-gen. Die Zuweisung erfolgt hierbei, im Unterschiedzu einer Alkoholfahrt, unabhängig von der festge-stellten THC-Konzentration. Wie die Erfahrung inder Fahreignungsbegutachtung und auch die Aus-wertung der forensisch-toxikologischen Fälle dervorliegenden Untersuchung zeigt fällt darunterauch eine erhebliche Anzahl von Personen, beidenen sich die THC-Konzentration in einem Be-reich bewegt, in dem sich in praxi weder stofftypi-sche Wirkungen noch verkehrgefährliche Ausfälleobjektivieren lassen. Es bleibt zumindest unklar, obsie von den Betreffenden subjektiv zu erkennenwaren. Dass eine solche Belegproblematik derzeitregelmäßig zu erwarten ist, zeigen sowohl die Er-gebnisse der vorliegenden Literaturanalyse alsauch die praktischen Fälle. Es erscheint zumindestdiskutierenswert, ob in den Fällen, in denen beientsprechenden Ordnungswidrigkeiten relativ nied-rige THC-Werte festgestellt werden und in denendie Blutentnahme relativ zeitnah zur Fahrt erfolgte,unterstellt werden kann, dass die BetreffendenCannabiskonsum und Fahren nicht trennen könnenoder wollen.

Im Hinblick auf die Ergebnisse der vorliegenden Li-teraturanalyse der Leistungsbefunde in Zusam-

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menhang mit dem Konsum von Cannabis kommtbei der gegenwärtigen Rechtslage vor allem denUntersuchungen über Leistungsdefizite in der Re-sidual- bzw. Abstinenzphase Bedeutung zu. Die indem vorliegenden Bericht dargestellten Studienweisen dabei, abgesehen von einer leichten Beein-trächtigung des Kurzzeitgedächtnisses, weder fürgelegentliche noch für regelmäßige Cannabiskon-sumenten verkehrs- oder fahreignungsrelevanteLeistungsdefizite auf.

Den Leistungsbefunden unter akutem Einfluss vonCannabis kann, unabhängig von der Höhe desTHC-Spiegels, bei der derzeitigen Rechtslageunter dem Aspekt der Fahreignung keine größereBedeutung zugemessen werden, da das Straßen-verkehrsgesetz (§ 24a Abs. 2 StVG) die Teilnahmeam Straßenverkehr unter Einfluss von Cannabis alsOrdnungswidrigkeit ahndet, auch wenn keine aus-reichenden Hinweise auf das Vorliegen von Fahr-untüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB vorliegen. Inall den Fällen, in denen die Betreffenden weiterhinCannabis konsumieren, kann aus Sicht des Fahr-eignungsgutachters deshalb nur dann eine günsti-ge Prognose gestellt werden, wenn sichergestelltist, dass eine ausreichende Trennung zwischenKonsum und Fahren (nun im Sinne eines grenz-überschreitendes des THC-Wertes) zu erwarten ist.Dies steht auch angesichts der länger und besserbelegten Verkehrsgefährlichkeit des Alkohols in er-heblichem Gegensatz zu Einschätzung und Vorge-hensweise bei alkoholauffälligen Kraftfahrern, ins-besondere denjenigen, bei denen keine absoluteAbstinenz als notwendige Bedingung für eine posi-tive Prognose gefordert wird. Diese müssen dazuin der Lage sein nachzuweisen, dass sie Alkohol-konsum und Teilnahme am Straßenverkehr zumin-dest so weit trennen können, dass sie nicht miteiner BAK von über 0,50 ‰ am Straßenverkehrteilnehmen. Zur Führung eines solchen Belegs wirddas Instrumentarium der Medizinisch-Psychologi-schen Untersuchung als ausreichend erachtet.Analoge Vorgehensweisen sind im Falle von Can-nabis bei der Begutachtung der Fahreignung der-zeit auch im Hinblick auf die Bestimmungen des § 24a Abs. 2 StVG nicht möglich. Inwieweit fürCannabis eine Möglichkeit zu eröffnen ist, einenvergleichbaren Beleg zum Trennvermögen zuführen, bleibt zu diskutieren. Dabei zeigen die Er-gebnisse der vorliegenden Studie, dass von den zuerwartenden Leistungsdefiziten bei niedrigen THC-Werten zumindest keine größeren Ausfallserschei-nungen zu erwarten sind als bei Alkoholisierungs-graden von unter 0,50 ‰.

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung re-lativieren auch die oftmals erhobene Abstinenzfor-derung bei gelegentlichen Cannabiskonsumenten,die unter dem Einfluss von THC ein Fahrzeug ge-führt haben. Diese Forderung wird i. d. R. damit be-gründet, dass der Betreffende durch sein Verhaltengezeigt hat, dass er nicht dazu in der Lage oder ge-willt ist, Cannabiskonsum und Teilnahme amStraßenverkehr zu trennen. Hiervon kann nichtgrundsätzlich ausgegangen werden. Wenn dieTHC-Konzentration, bedingt durch einen längerenZeitraum zwischen Konsum und Fahrt, schon ineinem sehr niedrigen Bereich liegt, Auswirkungenggf. nicht mehr objektivierbar sind und auch sub-jektiv nicht mehr zu erkennbar sein müssen, kannnicht zwingend unterstellt werden, dass diese Per-sonen Konsum und Fahren nicht trennen können.Wie die Auswertung der forensisch-toxikologi-schen Fälle zeigt, wies eine Vielzahl dieser Perso-nen, außer dass sie bei der vorangegangenen Kon-trolle verdächtig erschienen, häufig keine derart re-levanten Auffälligkeiten auf, das sie zuverlässigeRückschlüsse auf verkehrsrelevante Leistungsein-bußen zuließen.

Auch in Fällen, in denen zuvor keine oder nichtgenügend Anstrengungen unternommen wordensind, Konsum und Fahren zu trennen, kann nichtper se davon ausgegangen werden, dass auchzukünftig keine entsprechenden Anstrengungenunternommen werden. Die Erfahrung in der Fahr-eignungsdiagnostik zeigt dem gegenüber, dasshäufig erst durch die Konsequenzen der entdeck-ten Cannabis-beeinflussten Fahrt ein Umdenkpro-zess einsetzt, der die Betreffenden für die Gefahreneiner solchen Fahrt sensibilisiert und dadurch mo-tiviert, sich verstärkt um eine entsprechende Tren-nung zu bemühen. Voraussetzung hierfür ist, dassdie Betreffenden dazu in der Lage sind, ihren Kon-sum zu kontrollieren, gegebenenfalls auch zeitwei-lig Konsumverzicht üben zu können und auch überdie entsprechenden Kenntnisse und Strategienverfügen, um Cannabis-beeinflusste Fahrten weit-gehend ausschließen zu können.

Bei der Motivation bzw. der Fähigkeit zur Trennungvon Konsum und Fahren kommt, neben anderenFaktoren, vor allem auch der Konsumhäufigkeiteine zentrale Bedeutung zu. So resultiert, allein vonder Grundwahrscheinlichkeit, aus einem häufige-ren Konsum ein höherer Erwartungswert für Can-nabis-beeinflusste Fahrten. Auch besteht beieinem häufigen Konsum und der dadurch beding-ten „Normalität” des Cannabiskonsums in ver-

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stärktem Maße die Gefahr, dass Kontroll- undSteuerungsmechanismen durch nachlassende Auf-merksamkeit außer Kraft gesetzt werden. Anderer-seits kann auch nicht zwingend davon ausgegan-gen werden, dass allein wegen regelmäßiger Kon-sumgewohnheiten die Fähigkeit zum Trennen ge-nerell nicht gegeben ist. So sehen beispielsweisedie „Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereig-nung” vor, dass auch bei einem regelmäßigen Kon-sum ein Trennungsvermögen gegeben sein kann.

Die Dichotomisierung in „regelmäßigen” und „gele-gentlichen” Konsum erscheint wenig zielführend.Vielmehr ist der Cannabiskonsum als kontinuierli-che Variable anzusehen, denn auch in der Gruppeder regelmäßigen Cannabis Konsumierenden be-steht eine erhebliche Varianz bezüglich des Kon-sums. So ist es vorstellbar, dass jemand, der täg-lich in den Abendstunden einen Joint raucht, dazuin der Lage ist, Cannabiskonsum und Teilnahmeam Straßenverkehr zu trennen. Dies ist einem Kon-sumenten, der mehrmals täglich, über den ganzenTag verteilt Cannabis konsumiert, nicht möglich, dain solchen Fällen eine permanente Intoxikation zuerwarten ist und der Betreffende den Konsumkaum an Fahrterfordernissen ausrichten kann.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigenzwar, dass auch bei denjenigen Konsumenten, beidenen ein häufiger Cannabiskonsum angenommenwerden kann, von keinen größeren, wahrscheinlichqualitativ anderen und schlechter zu beobachten-den Ausfallserscheinungen oder Leistungsdefizitenausgegangen werden muss als bei Personen, dieseltener konsumieren. Hierbei gilt es zu beachten,dass aus der vorliegenden Untersuchung keineAussagen bezüglich der psychischen Veränderun-gen, vor allem auch der psychischen Veränderun-gen, die durch häufigen und dauerhaften Konsumhervorgerufen werden könnten, abzuleiten sind.Bezüglich dieser Frage besteht noch ein erhebli-cher Forschungsbedarf, dem zukünftige StudienRechnung tragen müssen. Insbesondere fehlt esan Studien zu psychischen Veränderungen, deneneine fahreignungsrelevante Bedeutung zukommt.

Dem Erkennen von psychischen Veränderungen,denen auch verkehrsrelevante Qualitäten zukom-men, kann das bisherige Instrumentarium bei derpolizeilichen Kontrolle bzw. bei der Einschätzungdurch den blutentnehmenden Arzt kaum gerechtwerden. Ferner gilt es zu beachten, dass die indem vorliegenden Bericht angesprochenen moti-vationalen Aspekte, auf Grund derer Betroffene in

einem experimentellen Setting zumindest teilweisein der Lage sein können, Cannabis-induzierte Leis-tungsdefizite über eine reaktive Anspannungsstei-gerung zu kompensieren, auch im Rahmen einerPolizeikontrolle Bedeutung erlangen. Von den Be-troffenen ist in dieser Situation eine zumindestebenso ausgeprägte Motivation zu erwarten, un-auffällig erscheinen zu wollen, wie in einer experi-mentellen Untersuchungssituation. In der Literaturwiederholt beschriebene Befunde, wonach unterCannabiseinfluss Leistungsdefizite über eine ver-stärkte Anspannungssteigerung kompensierbarseien, bedeuten nicht zwangsläufig, dass sich dieBetreffenden unter Rauschmitteleinfluss auch inder realen, nicht unter registrierender Beobachtungstehenden Fahrsituation um eine Kompensationbemühen. Kompensationsanstrengungen hängenu. a. von aktuellen Wirkqualitäten des Rauschmit-tels, situativen Bedingungen, motivationalen Kom-ponenten, Einstellungen und verschiedenen Per-sönlichkeitsdimensionen ab. Die Motivation zurKompensation Cannabis-induzierter Veränderun-gen während der Fahrt lässt mit häufigerem Kon-sum und dem damit einhergehenden Gefühl der„Normalität” nach. Alternativ hierzu ist allenfallsvorstellbar, dass der häufiger Konsumierende mehrRoutine bei der Kompensation von Cannabis-indu-zierten Veränderungen besitzt. Deshalb lässt sichaus einem unauffälligen Erscheinungsbild bei einerPolizeikontrolle nicht auf ein den Fahrerfordernis-sen genügendes Verhalten oder eine unauffälligepsychische Verfassung während der Fahrt rück-schließen. Diese Aspekte zeigen, dass bezüglichder Interdependenzen von Cannabiskonsum, moti-vationalen Komponenten, Persönlichkeitsstrukturund tatsächlichem Verhalten noch ein wesentlicherForschungsbedarf besteht.

Für die praktische Fahreignungsdiagnostik er-scheinen die vorliegenden Untersuchungsergeb-nisse vor allem im Hinblick auf die verkehrsrelevan-ten Leistungsfunktionen in der Residual- bzw. Ab-stinenzphase von Interesse. Diese Studien weisenbei Cannabiskonsumenten in der Nüchternphaseweitgehend unabhängig von der Häufigkeit desKonsums keine größeren Leistungsdefizite aus.

Die Analyse der forensisch-toxikologischen Fällezeigt weiterhin, dass Fahreignungsdiagnostikersich Folgendes vergegenwärtigen müssen: Im Ge-gensatz zum Alkohol, bei dem unter Berücksichti-gung von bei Alkoholgewöhnung verschobenenKonzentrationsbereichen stets eine eher lineareDosis-Wirkungs-Beziehung angenommnen werden

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kann, besteht bei Cannabis eine solche Beziehungnicht. Im Unterschied zur Begutachtung des alko-holauffälligen Kraftfahrers darf allein aus fehlendenAuffälligkeiten bei der polizeilichen Kontrolle oderbei der Einschätzung durch den blutentnehmendenArzt nicht ohne weiteres der Schluss auf eineCannabisgewöhnung und damit einen regelmäßi-gen Konsum gezogen werden. Um Diagnosen zurIntensität oder Frequenz des Konsums auf Mess-werte in aktuell erhobenen bzw. anlassbezogeneBlutproben stützen zu können, besteht zur Anhe-bung ihrer Aussagekraft ebenfalls wesentlicherForschungsbedarf.

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Schriftenreihe

Berichte der Bundesanstaltfür Straßenwesen

Unterreihe „Mensch und Sicherheit“

M 112: Ältere Menschen als RadfahrerSteffens, Pfeiffer, Schreiber, Rudinger, Groß. Hübner € 18,00

M 113: Umweltbewußtsein und VerkehrsmittelwahlPreisendörfer, Wächter-Scholz, Franzen, Diekmann,Schad, Rommerskirchen € 17,50

M 114: ÖPNV-Nutzung von Kindern und JugendlichenDürholt, Pfeifer, Deetjen € 13,50

M 115: Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung Schutzgebühr € 5,00

M 116: Informations- und Assistenzsysteme im Auto benutzer-gerecht gestalten – Methoden für den Entwicklungsprozeß

€ 14,50

M 117: Erleben der präklinischen Versorgung nach einem Verkehrs-unfallNyberg, Mayer, Frommberger € 11,00

M 118: Leistungen des Rettungsdienstes 1998/99Schmiedel, Behrendt € 13,50

M 119: Volkswirtschaftliche Kosten der Sachschäden im Straßen-verkehrBaum, Höhnscheid, Höhnscheid, Schott € 10,50

M 120: Entwicklung der Verkehrssicherheit und ihrer Determinan-ten bis zum Jahr 2010Ratzenberger € 17,50

M 121: Sicher fahren in Europa € 21,00M 122: Charakteristika von Unfällen auf Landstraßen – Analy-se aus Erhebungen am UnfallortOtte € 14,00

M 123: Mehr Verkehrssicherheit für Senioren – More Road Safetyfor Senior Citizens € 24,50

M 124: Fahrerverhaltensbeobachtungen auf Landstraßen am Bei-spiel von BaumalleenZwielich, Reker, Flach € 13,00

M 125: Sachschadensschätzung der Polizei bei unfallbeteiligtenFahrzeugenHeidemann, Krämer, Hautzinger € 11,50

M 126: Auswirkungen der Verkehrsüberwachung auf die Befol-gung von VerkehrsvorschriftenPfeiffer, Hautzinger € 14,50

M 127: Verkehrssicherheit nach Einnahme psychotroper Substan-zen € 13,50

M 128: Auswirkungen neuer Arbeitskonzepte und insbesonderevon Telearbeit auf das VerkehrsverhaltenVogt, Denzinger, Glaser, Glaser, Kuder € 17,50

M 129: Regionalstruktur nächtlicher Freizeitunfälle junger Fahrerin den Jahren 1997 und 1998Mäder, Pöppel-Decker € 15,00

M 130: Informations- und Steuerungssystem für die Verkehrs-sicherheitsarbeit für SeniorenMeka, Bayer € 12,00

M 131: Perspektiven der Verkehrssicherheitsarbeit für Senio-renTeil A: Erster Bericht der Projektgruppe zur Optimierung derZielgruppenprogramme für die Verkehrsaufklärung von SeniorenTeil B: Modellprojekt zur Erprobung von Maßnahmen der Ver-kehrssicherheitsarbeit mit SeniorenBecker, Berger, Dumbs, Emsbach, Erlemeier, Kaiser, Sixunter Mitwirkung von Bergmeier, Ernst, Mohrhardt, Pech,Schafhausen, Schmidt, Zehnpfennig € 17,00

M 132: Fahrten unter Drogeneinfluss – Einflussfaktoren und Ge-fährdungspotenzialVollrath, Löbmann, Krüger, Schöch, Widera, Mettke € 19,50

M 133: Kongressbericht 2001 der Deutschen Gesellschaft fürVerkehrsmedizin e. V. € 26,00

M 134: Ältere Menschen im künftigen Sicherheitssystem Straße/Fahrzeug/MenschJansen, Holte, Jung, Kahmann, Moritz, Rietz,Rudinger, Weidemann € 27,00

M 135: Nutzung von Inline-Skates im StraßenverkehrAlrutz, Gündel, Müllerunter Mitwirkung von Brückner, Gnielka, Lerner,Meyhöfer € 16,00

M 136: Verkehrssicherheit von ausländischen Arbeitnehmern undihren FamilienFunk, Wiedemann, Rehm, Wasilewski, Faßmann, Kabakci,Dorsch, Klapproth, Ringleb, Schmidtpott € 20,00

M 137: Schwerpunkte des Unfallgeschehens von MotorradfahrernAssing € 15,00

M 138: Beteiligung, Verhalten und Sicherheit von Kindern und Ju-gendlichen im StraßenverkehrFunk, Faßmann, Büschges, Wasilewski, Dorsch, Ehret, Klapproth,May, Ringleb, Schießl, Wiedemann, Zimmermann € 25,50

M 139: Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Kinder – Eine Sichtungder MaßnahmenlandschaftFunk, Wiedemann, Büschges, Wasilewski, Klapproth,Ringleb, Schießl € 17,00

M 140: Optimierung von Rettungseinsätzen – Praktische undökonomische KonsequenzenSchmiedel, Moecke, Behrendt € 33,50

M 141: Die Bedeutung des Rettungsdienstes bei Verkehrsunfällenmit schädel-hirn-traumatisierten Kindern – Eine retrospektive Aus-wertung von Notarzteinsatzprotokollen in BayernBrandt, Sefrin € 12,50

M 142: Rettungsdienst im GroßschadensfallHolle, Pohl-Meuthen € 15,50

M 143: Zweite Internationale Konferenz „Junge Fahrer und Fahrer-innen“ € 22,50

M 144: Internationale Erfahrungen mit neuen Ansätzen zur Ab-senkung des Unfallrisikos junger Fahrer und FahranfängerWillmes-Lenz € 12,00

M 145: Drogen im Straßenverkehr – Fahrsimulationstest, ärztlicheund toxikologische Untersuchung bei Cannabis und AmphetaminenVollrath, Sachs, Babel, Krüger € 15,00

M 146: Standards der Geschwindigkeitsüberwachung im VerkehrVergleich polizeilicher und kommunaler ÜberwachungsmaßnahmenPfeiffer, Wiebusch-Wothge € 14,00

M 147: Leistungen des Rettungsdienstes 2000/01 – Zusammen-stellung von Infrastrukturdaten zum Rettungsdienst 2000 und Ana-lyse des Leistungsniveaus im Rettungsdienst für die Jahre 2000und 2001Schmiedel, Behrendt € 15,00

2000

2001

2002

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M 148: Moderne Verkehrssicherheitstechnologie – Fahrdaten-speicher und Junge FahrerHeinzmann, Schade € 13,50

M 149: Auswirkungen neuer Informationstechnologien auf dasFahrerverhaltenFärber, Färber € 16,00

M 150: Benzodiazepine: Konzentration, Wirkprofile und Fahr-tüchigkeitLutz, Strohbeck-Kühner, Aderjan, Mattern € 25,50

M 151: Aggressionen im StraßenverkehrMaag, Krüger, Breuer, Benmimoun, Neunzig, Ehmanns € 20,00

M 152: Kongressbericht 2003 der Deutschen Gesellschaft für Ver-kehrsmedizin e. V. € 22,00

M 153: Grundlagen streckenbezogener Unfallanalysen auf Bun-desautobahnenPöppel-Decker, Schepers, Koßmann € 13,00

M 154: Begleitetes Fahren ab 17 – Vorschlag zu einem fahrpraxis-bezogenen Maßnahmenansatz zur Verringerung des Unfallrisikosjunger Fahranfängerinnen und Fahranfänger in Deutschland Pro-jektgruppe „Begleitetes Fahren“ € 12,50

M 155: Prognosemöglichkeiten zur Wirkung von Verkehrssicher-heitsmaßnahmen anhand des VerkehrszentralregistersSchade, Heinzmann € 17,50

M 156: Unfallgeschehen mit schweren Lkw über 12 tAssing € 14,00

M 157: Verkehrserziehung in der SekundarstufeWeishaupt, Berger, Saul, Schimunek, Grimm, Pleßmann,Zügenrücker € 17,50

M 158: Sehvermögen von Kraftfahrern und Lichtbedingungen imnächtlichen StraßenverkehrSchmidt-Clausen, Freiding € 11,50

M 159: Risikogruppen im VZR als Basis für eine Prämiendif-ferenzierung in der Kfz-HaftpflichtHeinzmann, Schade € 13,00M 160: Risikoorientierte Prämiendifferenzierung in der Kfz-Haft-pflicht – Erfahrungen und PerspektivenEwers(†), Growitsch, Wein, Schwarze, Schwintowski € 15,50

M 161: Sicher fahren in Europa € 19,00

M 162: Verkehrsteilnahme und -erleben im Straßenverkehr beiKrankheit und MedikamenteneinnahmeHolte, Albrecht € 13,50

M 163: Referenzdatenbank Rettungsdienst DeutschlandKill, Andrä-Welker € 13,50

M 164: Kinder im StraßenverkehrFunk, Wasilewski, Eilenberger, Zimmermann € 19,50

M 165: Förderung der Verkehrssicherheit durch differenzierte An-sprache junger Fahrerinnen und FahrerHoppe, Tekaat, Woltring € 18,50

M 166: Förderung des Helmtragens bei radfahrenden Kindern undJugendlichenSchreckenberg, Schlittmeier, Ziesenitz unter Mitarbeit von Suhr, Pohl-mann, Poschadel, Schulte-Pelkum, Sopelnykova € 16,00

M 167: Fahrausbildung für Behinderte – Konzepte und Materialienfür eine behindertengerechte Fahrschule und Behinderte imVerordnungsrechtZawatzky, Mischau, Dorsch, Langfeldt, Lempp € 19,00

Alle Berichte sind zu beziehen beim:

Wirtschaftsverlag NWVerlag für neue Wissenschaft GmbHPostfach 10 11 10D-27511 BremerhavenTelefon: (04 71) 9 45 44 - 0Telefax: (04 71) 9 45 44 77Email: [email protected]: www.nw-verlag.de

Dort ist auch ein Komplettverzeichnis erhältlich.

2004

2003 M 168: Optimierung der Fahrerlaubnisprüfung – Ein Reform-vorschlag für die theoretische FahrerlaubnisprüfungBönninger, Sturzbecher € 22,00

M 169: Risikoanalyse von Massenunfällen bei NebelDebus, Heller, Wille, Dütschke, Normann, Placke,Wallentowitz, Neunzig, Benmimoun € 17,00

M 170: Integratives Konzept zur Senkung der Unfallrate jungerFahrerinnen und Fahrer – Evaluation des Modellversuchs im LandNiedersachsenStiensmeier-Pelster € 15,00

M 171: Kongressbericht 2005 der Deutschen Gesellschaft fürVerkehrsmedizin e. V. – 33. Jahrestagung € 29,50

M 172: Das Unfallgeschehen bei NachtLerner, Albrecht, Evers € 17,50

M 173: Kolloquium „Mobilitäts-/Verkehrserziehung in der Sekundar-stufe“ € 15,00

M 174: Verhaltensbezogene Ursachen schwerer Lkw-UnfälleEvers, Auerbach € 13,50

M 175: Untersuchungen zur Entdeckung der Drogenfahrt inDeutschlandIwersen-Bergmann, Kauert € 18,50

M 176: Lokale Kinderverkehrssicherheitsmaßnahmen und -pro-gramme im europäischen AuslandFunk, Faßmann, Zimmermann, unter Mitarbeit von Wasilewski,Eilenberger € 15,00

M 177: Mobile Verkehrserziehung junger FahranfängerKrampe, Großmann € 15,50

M 178: Fehlerhafte Nutzung von Kinderschutzsystemen in PkwFastenmeier, Lehnig € 15,00

M 179: Geschlechtsspezifische Interventionen in der Unfallprä-ventionKleinert, Hartmann-Tews, Combrink, Allmer, Jüngling,Lobinger € 17,50

M 180: Wirksamkeit des Ausbildungspraktikums für Fahrlehrer-anfängerFriedrich, Brünken, Debus, Leutner, Müller € 17,00

M 181: Rennspiele am Computer: Implikationen für die Ver-kehrssicherheitsarbeit – Zum Einfluss von Computerspielenmit Fahrzeugbezug auf das Fahrverhalten junger FahrerVorderer, Klimmt € 23,00

M 182: Cannabis und VerkehrssicherheitMüller, Topic, Huston, Strohbeck-Kühner, Lutz,Skopp, Aderjan € 23,50

2005

2006