Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

download Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

of 40

Transcript of Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    1/40

    Alpen, Kult und Eisenzeit

    FESTSCHRIFT

    FÜR AMEI LANGZUM 65. GEBURTSTAG

    herausgegeben von

    Jennifer M. Bagley, Christiana Eggl,

    Daniel Neumann und Michael Schefzik 

    Verlag Marie Leidorf GmbH . Rahden/Westf.2009

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    2/40

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek 

    Alpen, Kult und Eisenzeit ; Festschrift für Amei Lang zum 65. Geburtstag /

    hrsg. von Jennifer M. Bagley ... .

    Rahden/Westf.: Leidorf, 2009

    (Internationale Archäologie : Studia honoraria ; Bd. 30)

    ISBN 978-3-89646-430-9

    Alle Rechte vorbehalten© 2009

    Verlag Marie Leidorf GmbHGeschäftsführer: Dr. Bert Wiegel

    Stellerloh 65 . D-32369 Rahden/Westf.

    Tel.: +49/(0)5771/ 9510-74Fax: +49/(0)5771/ 9510-75

    E-Mail: [email protected]

    Internet: http://www.vml.de

    ISBN 978-3-89646-430-9ISSN 1433-4194

    Kein Teil des Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, CD-ROM, DVD, Internet oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages Marie Leidorf GmbH reproduziert werden

    oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

    Umschlagentwurf: Jennifer M. Bagley und Christiana Eggl, MünchenTitelvignette: Charlotte Soraya, München - Umzeichnung: Christiana Eggl, München

    Redaktion: Jennifer M. Bagley, Christiana Eggl, Christian Later, Elisabeth Meixner, München,Daniel Neumann, Berlin, Michael Schefzik, Halle/Saale und Markus Wild, Grafrath

    Satz und Layout: Jennifer M. Bagley und Christiana Eggl, München sowie Daniel Neumann, Berlin

    Bildbearbeitung und Scans: Jennifer M. Bagley und Christiana Eggl, München

    Für die Einholung der Reproduktionsrechte zeichnen die Autorinnen und Autoren selbst verantwortlich.

    Druck und Produktion: DSC-Heinz J. Bevermann KG, Fleethweg 1, D-49196 Bad Laer 

    XXIV, 574 Seiten mit 280 Abbildungen, 9 Tabellen und 9 Diagrammen

    Gedruckt mit finanzieller Unterstützung von

    Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V.

    Archäologischer Verein im Landkreis Freising e.V.

    ArchaeoTirol

    Gemeinde Farchant

    undProf. Dr. Rüdiger Krause

    Goethe-Universität, Institut für Archäologische Wissenschaften, Vor- und Frühgeschichte

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier 

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    3/40

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort der Herausgeber.......................................................................................................................... XI

    Zum Geleit................................................................................................................................................ XIII

    Tabula Gratulatoria................................................................................................................................... XVII

    Schriftenverzeichnis von Amei Lang....................................................................................................... XIX

    Verzeichnis der von Amei Lang betreuten Examensarbeiten................................................................... XXIII

    Forschungsgeschichte

    Andrea BräuningWider das Vergessen – Professorinnen in der Archäologie (Vor- und Frühgeschichte)...................... 3

    Bernd PäffgenUrgeschichte in der Lehre an der Universität München 1900 bis 1937.............................................. 25

     Bert Wiegel

    Die späte Rehabilitierung des Jakob Friedrich Sautter (1860–1913) – Talent und Schicksaleiner ungewöhnlichen Begabung und deren große Verdienste um die Erforschung dermittleren Bronzezeit............................................................................................................................ 43

    Steinzeit

    Peter MarinkovicKult und Kultur – Zur Interpretation ikonographischer Artefakte im Spannungsfeld von„Kunst“ und „Religion“...................................................................................................................... 63

    Erwin Neumair Die Jungsteinzeit im Landkreis Freising, Oberbayern – Beispiel einer erfolgreichenZusammenarbeit von Bodendenkmalpege und Instituten der Universität München........................ 71

    Bronzezeit

    Heiner SchwarzbergSejma-Turbino – Formenkreise frühbronzezeitlichen Prestigeguts in Eurasien................................. 83

    Daniel NeumannBemerkungen zu den Schwertern der Typenfamilie Sauerbrunn-Boiu-Keszthely.............................. 97

    Markus Wild Neue Grabungen in der bronzezeitlichen Höhensiedlung auf dem Schlossberg bei Schöngeising,Lkr. Fürstenfeldbruck.......................................................................................................................... 115

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    4/40

    InhaltsverzeichnisVIII

    Monika HaglOpium – nicht für das Volk. Ein Gefäßhort vom Bullenheimer Berg, Mainfranken............................ 125

    Hartmann ReimDie „Eremitage“ bei Inzigkofen, Kreis Sigmaringen (Baden-Württemberg) – Zur Archäologieeines naturheiligen Platzes an der oberen Donau................................................................................. 141

    Michael Schefzik Ein urnenfelderzeitlicher Fleischhaken von Heimstetten bei München – Verlust oder Opfer?............ 157

    Eisenzeit

    Hilke Hennig / Henriette Obermaier / Mike Schweissing / Christine Schuh / Christine Weber /

    Joachim Burger / Marcus Dumler Das hallstattzeitliche Pferdegespann im „Großen Bühl“ bei Aislingen, Lkr. Dillingen a. d. Donau.... 169

    Egon GersbachZu den wirtschaftlichen Grundlagen des hallstattzeitlichen „Fürstensitzes“ auf der Heuneburg

     bei Herbertingen-Hundersingen, Kreis Sigmaringen............................................................................ 191

    Franco MarzaticoIl cavaliere di Mechel in Valle di Non (Trentino)................................................................................. 205

    Hans Peter UenzeDer kleinste Stier Bayerns.................................................................................................................... 211

    Jennifer M. BagleyEin Schuh ist ein Schuh ist ein Schuh? Überlegungen zur Interpretierbarkeit späthallstatt- undfrühlatènezeitlicher Schuhdarstellungen nördlich der Alpen................................................................ 221

    Carola Metzner-Nebelsick Wagen- und Prunkbestattungen von Frauen der Hallstatt- und frühen Latènezeit in Europa.Ein Beitrag zur Diskussion der sozialen Stellung der Frau in der älteren Eisenzeit............................ 237

    Gerhard TomediRaetische Frauen................................................................................................................................... 271

    Dorothea M. Weidinger Der Höhenberg bei Wattenham – Ein Opferplatz der Späthallstatt- und Latènezeit?.......................... 289

    Florian N. Schneider Die Besiedlung des Leinegrabens während der vorrömischen Eisenzeit............................................. 307

    Olivier Büchsenschütz Note sur la perception du climat de l’Europe nord-alpine à l’âge du Fer par les Celtes et lesauteurs grecs et latins............................................................................................................................ 317

    Christiana EgglÜberlegungen zur demographischen Repräsentanz und Aussagekraft latènezeitlicher

    Bestattungsplätze.................................................................................................................................. 323

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    5/40

    Inhaltsverzeichnis IX

    Karl SchmotzDie letzten Jahrhunderte vor der Zeitenwende – Altes und neues Wissen um die Latènezeitim Landkreis Deggendorf..................................................................................................................... 335

    Elisabeth Meixner  Noch sind die Kelten Herren des Landes – Überlegungen zum Besiedlungsende spätkeltischerViereckschanzen in Süddeutschland..................................................................................................... 347

    Sabine Rieckhoff „Böhmische Dörfer“ – Zur Ethnizität der Oppida-Bewohner in Böhmen............................................ 361

    Vladimír Salač

    Zur latènezeitlichen Keramik in den Gräberfeldern der älteren Römischen Kaiserzeit in Böhmenund in Mitteleuropa............................................................................................................................... 377

    Spätantike und Frühmittelalter

    Max MartinEin Faltstuhl für Proiecta – Ikonographisches zum spätantiken Silberhort vom Esquilinin Rom................................................................................................................................................... 389

    Volker Bierbrauer Das Nordtiroler Inntal zur Ostgotenzeit aus archäologischer Sicht...................................................... 399

    Diachrone Studien und Miscellanea

    Janine Fries-KnoblachVor- und frühgeschichtlicher Hüttenlehm mit Konstruktions- und Dekorationsspuren....................... 427

    Paul Gleirscher Außergewöhnliche Bestattungssitten im Alpenraum? Zweifel am kupferzeitlichenKollektivgrab im Riparo Cavallino am Monte Covolo (Prov. Brescia) und an denhallstattzeitlichen Hügelgräbern von Ampass (Tirol)........................................................................... 457

    Rüdiger KrauseZur Montanarchäologie im Montafon, Vorarlberg (Österreich) – Ein Beitrag zur Wirtschafts-

    und Siedlungsgeschichte der Alpen...................................................................................................... 467

    Ulrich Schlitzer Seeufersiedlungen in Bayern – Die Roseninsel im Starnberger See und das Problem der

     bayerischen Lücke................................................................................................................................ 493

    Sebastian GoeblJenseits von Typ und Klassifkation: die Einzelelementanalyse........................................................... 505

    Stephan KrollEin Kultgerät aus Hasanlu / Iran........................................................................................................... 517

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    6/40

    InhaltsverzeichnisX

    Paläobotanik und Paläozoologie

    Martinus Fesq-MartinAdaptation als Abbild von Landschaft – Versuch einer evolutionsbiologischen Interpretation........... 525

    Hansjörg Küster Die Bedeutung von Getreidepollenfunden im Alpenraum................................................................... 533

    Michael PetersVon den Kelten zu den Römern – Eine vergleichende Landschaftsgeschichte zwischen Alpenund Donau............................................................................................................................................. 539

    Angela von den Driesch / Henriette Obermaier Ein bäuerliches Ritual aus dem Annapurna-Massiv / Himalaja Nepal................................................. 565

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    7/40

    Einleitung

    Prunk-, Eliten- oder Fürstengräber der vorchristli-chen Metallzeiten sind ein in der Forschung vielfachdiskutiertes Thema2, dabei wurde jedoch bislang derTatsache wenig Beachtung geschenkt, dass hierbeisignikante Unterschiede in den einzelnen Perioden bezüglich des Geschlechts der jeweils Bestatteten bestehen und es sich beispielsweise in der Spitzen-

    gruppe reich ausgestatteter Grabfunde der Bronze-zeit in der Regel um solche männlicher Individuenhandelt. Prunkvolle Einzelgräber von Frauen reichenin Mitteleuropa vor der älteren Eisenzeit des 7. Jh.v. Chr. in Qualität und Quantität ihrer Ausstattunginsofern nicht an die Spitzengruppe der Männergrä- ber heran, als sie in der Regel weder Wagen nochMetallgeschirr enthalten – eben jene Fundgruppen,die neben Waffen ab der späten Bronzezeit des13. Jh. v. Chr. zu den hervorragenden Repräsentan-ten der Darstellung von Macht und Status im Grab-kontext zählen3. Erst mit dem 7. Jh. v. Chr. lassensich an wenigen Orten Abweichungen von diesem

    Muster beobachten, die ein Schlaglicht auf die sichverändernde soziale wie auch religiöse Stellung vonFrauen in Teilen Europas werfen. Von der kulturellenKontextualisierung dieser Bestattungen soll im Fol-genden die Rede sein.Die Totenriten, die uns trotz der eo ipso mit ihnenverbundenen sakral denotierten Filter noch immerden besten Einblick in die soziale Organisation einerschriftlosen Gesellschaft liefern, sind im untersuch-

    ten Zeitraum aus verschiedenen Gründen derartigreich, dass es möglich erscheint, die sozialgeschicht-liche Lebenswelt, wie auch das rituell-religiös kon-notierte Umfeld der damaligen Eliten zumindest inAnsätzen zu rekonstruieren.Im Kanon umfangreich ausgestatteter Grabfunde derHallstattzeit spielt die Beigabe von Wagen oder denstellvertretend beigegebenen paarigen Pferdeschir-rungen eine zentrale Rolle in der Repräsentanz vonStatus im Kontext des Grabes4. In welcher Weisedabei ein dieser Beigabensitte immanenter religi-öser Aspekt bedeutsam war, ist bei den künftigenBetrachtungen insofern von nachgeordneter Wich-

    Wagengräber / Prunkgräber / Frauen / Hallstattzeit / Latènezeit /Etrurien / Mitteleuropa / Westeuropa / Elite

    Wagen- und Prunkbestattungenvon Frauen der Hallstatt- und frühen Latènezeit in Europa

    Ein Beitrag zur Diskussion der sozialen Stellung der Frau in der älteren Eisenzeit1

    Der Artikel untersucht Wagen- und Prunkgräber von Frauen in der Hallstatt- und frühen Latènezeit. Sie werden in ihrerGesamtheit hinsichtlich der räumlichen und zeitlichen Verteilungsmuster sowie der mit ihnen verbundenen sozialen Im-  plikationen behandelt. Im Anschluss an einen forschungsgeschichtlichen Überblick über die unterschiedliche Bewertungvon Wagengräbern von Frauen werden Kriterien für die Ansprache von Prunk- bzw. fürstlichen Bestattungen erarbeitet,die die Rolle von Statussymbolen wie Wagen und Zaumzeug für Wagenschirrungen, aber auch Metallgeschirr gegenüberreichem Schmuck allein stärker betonen. Hintergrund sind die mit ihnen assoziierten Aktivitäten von Frauen im öffent- lichen Raum, die als Ausdruck der in der älteren Eisenzeit gestiegenen Machtfülle einzelner Frauen bewertet werden.Analog zum Beispiel Etrurien mit einem vergleichbaren Befund werden Prunkgräber von Frauen als Zeichen einer sich

    verfestigenden sozialen Ordnung gedeutet, in der Frauen als Garantinnen des Fortbestandes einer Familie eine wichtigePosition im Herrschaftsgefüge sozialer Eliten auch im nordalpinen eisenzeitlichen Europa zukam.

    1 Der Artikel stellt eine erweiterte Ausarbeitung von drei Vorträgen dar, die ich zwischen 2005 und 2007 zu verschiedenen Anlässen gehaltenhabe.

    2 Noch immer maßgeblich: Kossack 1974; mit zahlreichen Aufsätzen zu unterschiedlichen Aspekten frühbronzezeitlicher Elitegräber:Bertemes/Meller 2009; für die Hallstattzeit mit weiterer Literatur: u. a. Kimmig 1983; Krausse 1999 und Eggert 1989; ders. 2007 sowieweitere Literatur in diesem Beitrag.

    3 Eine Ausnahme dieses Befundes wurde unlängst in Bratislava-Rusovce in der westlichen Slowakei entdeckt. Es handelt sich um ein Grab-depot vom Typ Münchsmünster, das in einer seichten Grube angelegt war und das neben Teilen des Wagenkastens eine reiche weiblicheSchmuckausstattung vom Typ Čaka enthielt (Schmidtová u. a. 2002). Der Fund fügt sich gut in das Schema der Prunkgräber der frühen bisälteren Urnenfelderzeit aus Čaka (Točik/Paulík 1960) und Očkov (Paulík 1962) ein, da auch dort lediglich einzelne Teile von Zaumzeugund Wagen, die noch dazu im Scheiterhaufen stark dezimiert wurden, enthalten waren. Sie wurden jedoch lange nicht als solche erkannt(dazu erstmals: C. Metzner-Nebelsick/E. Jerem, Das Grab 79 von Sopron-Krautacker im europäischen Kontext. Vortrag gehalten auf dem

    3. Deutschen Archäologenkongreß in Heidelberg, Mai 1999; ebenso auch Novotná 2004). In der Urnenfelderzeit sind reich ausgestatteteGräber von Schwertträgern häug Doppelbestattungen, in denen dann auch das weibliche Inventar umfänglich und mit prestigeträchtigenAttributen, wie z. B. Goldschmuck oder komplexem Schmuck, ausgestattet ist; stellvertretend: Landau-Wollmesheim (Sperber 1999,616 f. Abb. 5–6); eine Auistung muss an dieser Stelle aus Platzgründen unterbleiben.

    4 Beste Zusammenstellung noch immer bei Pare 1992.

    Carola Metzner-Nebelsick 

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    8/40

    5 Zu Wagengräbern der Spätlatènezeit: Egg/Pare 1993; Schönfelder 1999, bes. 306 ff.; zu Frauengräbern mit Wagenbeigabe: ebd. 316 ff.;siehe auch Gleser 2005, 427 ff.

    6 Joffroy 1954; ders. 1958; zuletzt monographisch mit weiterer Literatur Rolley 2003; zum anthropologischen Befund: Depierre/Duday 2003sowie darin bes. A. Ginolhac/L. Orlando/A. Themot/C. Hänni über aDNA-Untersuchungen zur Geschlechtsbestimmung (ebd. 47–56).

    7 Spindler 1983, 106 ff. Spindler verweist auch auf den goldenen Halsring als Ausschlussmerkmal, da Frauen entsprechende Ringe in derHallstattzeit nicht trügen.

    8 Zu Spindlers Deutung siehe auch Arnold 1991.9 So für die Bestattungen von Oberpfahlheim, Beilngries und Kirchenreinbach (Torbrügge 1979, bes. 128 ff.); zur Rezeption dieser Auffas-

    sung siehe Pabst-Dörrer 2000, 50 f.10 Kimmig 1983, 45: „ […] ist schwer vorstellbar, dass der Herr vom Mont Lassois […] den großen Krater […] in Auftrag gegeben haben

    könnte“ sowie 73: „ […] also eine ‚Noblesse du fait’, die im richtigen Zeitpunkt das Tor nach Süden aufstieß und aus der eine Generation später dann die ‚Großen Herren’ wurden, deren Prunkgräber wie Vix oder Hochdorf heute unser Erstaunen erregen?“.

    11 Kimmig 1988, 73 ff. 222 ff.

    12 P. Jacobsthal, Einige Werke keltischer Kunst. Die Antike 10, 1934, 17 ff. zitiert bei Kimmig 1988, 324 f.: „ In dem Grab [Kleinaspergle Anm. Verf.] war ein Mann bestattet, nicht, wie öfter ausgesprochen wurde, eine Frau. Der harzige Rückstand, den man im Stamnos hier

    wie anderwärts beobachtete, ist schwerlich Weihrauch, sondern Harz, das man dem Wein zugesetzt hatte. Mischgefäße, Kanne, Schalen,

    Trinkhörner sind Zubehör zu Mahl und Trank: sollen wir von den Schwabenfrauen der Frühzeit glauben, dass sie zuchtlos wie Etruskerin-

    nen tranken?!“

    tigkeit, als auch die materielle Umsetzung religiöserErfordernisse (z. B. im Bestattungsverhalten) gewis-ser statusabhängiger ökonomischer Voraussetzungen bedurfte und wir es bei der Wagenbeigabe eo ipsomit einem Elitenphänomen zu tun haben.

    Der vorliegende Beitrag widmet sich primär der Fra-ge elitärer Frauenbestattungen in der Hallstatt- undfrühen Latènezeit5. Für beide ist der Forschungs-stand sehr gut, allerdings hat die Beschäftigung mit prunkvollen Frauenbestattungen, in erster Linie mitWagenbestattungen von Frauen, in der Vergangen-heit zu ambivalenten Ergebnissen geführt.In der Hallstattforschung wurde lange das Phänomenvon Wagenbestattungen von Frauen ausgeblendetoder nicht besonders thematisiert, was angesichtsder Bedeutung der statusanzeigenden Beigabe desWagens mit dem weiblichen Geschlecht bemerkens-wert erscheint.Eine Ausnahme bildete das 1953 am Fuße des MontLassois im oberen Seinetal in Burgund ausgegrabenePrunkgrab von Vix, das mehrheitlich als Wagenbe-stattung einer Frau anerkannt ist6, wenngleich selbstdiesem auch anthropologisch bestätigten Befundlange Zweifel entgegengebracht wurden. Der Zwei-fel bzw. die Tendenz, die Kopplung der Wagenbei-gabe und der Bestattung von Frauen grundsätzlichin Frage zu stellen, prägt denn auch eine Reihe vonPublikationen insbesondere der deutschsprachigen

    Archäologie.Konrad Spindler lieferte die markanteste negativeEinschätzung, da er trotz entsprechender anthropo-logischer Analyse und der von ihm selbst als weib-lich beschriebenen Tracht die in Tumulus 1 vonVix bestattete Person als Mann ansprach und seineEntscheidung über die These eines „zwitterhafte (n)Wesen(s)“ zu rechtfertigen versuchte7. Das Miss-verhältnis zwischen in der Hallstattzeit damals alsmännlich denierten statusanzeigenden Beigaben,wie Importgeschirr und einem Wagen, und weibli-cher Tracht war zu groß und musste mit einer so-

    zialen Sonderrolle der bestatteten Person, etwa alsPriester, erklärt werden8.Ferner ist auf meist ältere Arbeiten hinzuweisen, indenen versucht wurde, das Phänomen von mit Wa-gen oder Zaumzeug bestatteten Frauen „wegzudis-

    kutieren“. So führte Walter Torbrügge für entspre-chende Funde aus der Oberpfalz die mangelhafteBeobachtung der Fundumstände als Grund für dieungewöhnlich erscheinende Vergesellschaftungvon weiblichem Schmuck und Zaumzeug ins Feld9.Auch Wolfgang Kimmig sprach noch 1983 aus-drücklich von einem „Herren vom Mont Lassois“,einem Dynasten, der auf einer der bedeutendstenHöhensiedlungen der späten Hallstattzeit einenwichtigen Handelsweg aus Westeuropa entlang derSeine kontrolliert haben soll, obwohl keine einzigeeindeutig als männlich anzusprechende Prunkbe-stattung der Siedlung zugeordnet werden konnte10.Gleichwohl kam Kimmig bei der Beurteilung desfrühlatènezeitlichen Prunkgrabes des Kleinasperglezu einer wesentlich differenzierteren Einschätzung11 als seinerzeit Paul Jacobsthal, der mit Bezug auf denopulenten Satz eines symposialen Importgeschirrsdie Deutung als Frauengrab kategorisch abgelehnthatte und damit sicher die Weichen für die entspre-chende Interpretation ähnlicher Funde entscheidendmit geprägt hat12. Zwar handelt es sich bei demKleinaspergle bekanntlich nicht um ein Wagengrab,

    dennoch sind die Ausführungen Jacobsthals in vie-ler Hinsicht interessant. Eine Deutung des Zitats vordem Hintergrund politisch schwieriger Zeiten, dieden jüdischen, 1935 zur Emigration aus dem natio-nalsozialistischen Deutschland gezwungenen Autorzu der Kopplung des keltischen Fundes mit Schwä- binnen hingerissen haben mag, kann hier nicht vor-genommen werden, vielmehr wird deutlich, in wel-chem Maße die Wahrnehmung der Beurteilung dersozialen Rolle von Frauen in der Eisenzeit von denVorgaben der Antike geprägt war.Die Wagenfahrt oder die Teilnahme an und Ausrich-

    Carola Metzner-Nebelsick 238

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    9/40

    tung von einem Symposion, also Tätigkeiten im öf-fentlichen Raum, waren aus griechischer Sicht13 fürFrauen undenkbar und wurden denn auch von denGriechen bei der Beschreibung der bei den Etruskernüblichen Sitten als Zeichen kultureller und morali-

    scher Inferiorität betrachtet (s. u.)14. Es darf ange-nommen werden, dass die hier aufgezeigte Deutungder eisenzeitlichen Befunde nördlich der Alpen ei-nerseits auf die zeitgleichen Verhältnisse der griechi-schen Polis mit einem extrem restriktiven Aktions-raum von Frauen15 rekurrierte, und andererseits auchüberkommene Rollenmuster 16 reektierte.Es fällt auf, dass auch die jüngere Beschäftigungmit dem Thema durchaus in nationaler Perspektiveunterschiedliche Tendenzen erkennen lässt. So gabBiljana Schmid-Sikimić 1984 zu bedenken, dasseine Gruppe von Frauenbestattungen mit Wagenbei-gabe in der Schweiz (s. u.) eindeutig auch als sol-che von Frauen zu betrachten seien und formulierte:„ […] kann man feststellen, dass ausgehend von den schweizerischen Befunden die Sitte der Wagenbe-

     stattungen mit Beigabe von Metallgefäßen durch-

    aus nicht nur das Privileg der Männer war, sondern

    dass auch Frauen, die wohl zu Lebzeiten eine ähn-

    lich hervorgehobene Stellung innegehabt hatten,

    wahrscheinlich häuger als bisher angenommen

    in Wagengräbern beigesetzt worden sind “17. DerAufsatz erfuhr in der allgemeinen Wahrnehmung

    nicht die ihm gebührende Würdigung. ChristopherPare thematisierte den Genderaspekt in seiner nochimmer grundlegenden, in deutscher Forschungs-tradition stehenden Studie über hallstattzeitlicheWagenbestattungen in Europa nicht18. Ihm ging esvorrangig um die damals ein Desiderat darstellendeKlassikation und genaue Datierung des zur Verfü-gung stehenden Materials. Zusammen mit MarkusEgg reichte er jedoch erstmals eine nach Geschlechtunterschiedene Quantizierung des Fundstoffs nachund erkannte damit das Phänomen an, ohne jedoch

     besonders auf die sozialen Implikationen einzuge-hen19.Sie werten lediglich die auch Frauen zuteilwerdendeSitte als ein die Oberschicht allgemein charakterisie-rendes Merkmal.

    Hilmar Schickler und Rudolf Echt20, die ausdrücklichdie besondere Rolle statustragender Frauen der Hall-statt- und insbesondere Frühlatènezeit anerkennen,erklären diesen besonderen Status, der sich im Fallder Fürstinnengräber von Vix oder Waldalgesheimauch in der Beigabe von Wagen sowie Blechgeschirrlokaler Prägung oder in Form von mediterranen Im- porten niederschlägt, jedoch nur in einem Kontextder besonderen religiösen Funktion dieser Frauenals Priesterinnen. Insbesondere Echt bietet in seinerumfassenden Studie zum Grab von Reinheim derDiskussion der geschlechtsspezischen Komponen-te späthallstatt- und frühlatènezeitlicher Prunkgräber breiten Raum. Für ihn sind jedoch die in dieser Zeitvermehrt vorhandenen Gräber elitärer Frauen durchihre soziale Sonderstellung, durch die Ausführungsakraler Handlungen oder durch besondere rituelleAufgaben – so als Priesterin – begründet. Eine Re-exion dieser besonderen rituellen Aufgaben siehter z. B. in den Beigaben mit Amulettcharakter in prunkvollen Frauenbestattungen21.Stefan Burmeister widmet in seiner Studie zu Ge-schlecht, Alter und Herrschaft in der Späthallstatt-

    zeit Württembergs „Frauengräbern mit männlichenStatussymbolen“ ein ganzes Kapitel und diskutiertdas Phänomen von Wagenbestattungen von Frauender Hallstattzeit erstmals auf breiterer Ebene unterEinbeziehung neuerer Funde wie Mitterkirchen oderDiarville (s. u.)22. Auch lenkt er als erster den Blickauf Pferdegeschirr enthaltende Frauengräber in Böh-men23. Allerdings bleibt er in der Deutung des Be-fundes vage und argumentiert letztlich sicher an derdamaligen Realität vorbei, wenn er sagt: „So kannder gestiegene Frauenanteil bei den Statusgräbern

    239Wagen- und Prunkbestattungen von Frauen der Hallstatt- und frühen Latènezeit in Europa

    13 Zusammenfassend bes. Lissarrague 1993; lediglich im Rahmen des Hochzeitsrituals war Frauen (zusammen mit ihrem Mann) die Wagen-fahrt gestattet.

    14 Zum Problem der etruskischen Tryphé, die sich vor allem auf Verhalten und Moral der Frauen bezieht (z. B. auch Teilnahme am Gastmahl,Wagenfahrt), in der Beurteilung durch zeitgleiche griechische Autoren, insbesondere Theopomp von Chios, siehe Amann 2000, 177 ff.sowie Kistler 2002.

    15 Dazu u. a. verschiedene Autoren in Schmitt Pantel 1993, bes. Lissarrague 1993, 177 ff. und Zaidman 1993, 375 ff.; ferner u. a. Pomeroy1985, 85 ff.; Lefkowitz 1992.

    16 Es sei daran erinnert, dass das Fahren eines Automobils in Deutschland bis in die 60er Jahre des 20. Jh. weitgehend ein Privileg der Männeroder der oberen sozialen Schichten war.

    17 Schmid-Sikimić 1984, 117.18 Pare 1992; zu Frauengräbern: ders. 1987, 227.19 Egg/Pare 1993, 214 benennen für die ältere Hallstattzeit 4,5 % Wagengräber von Frauen gegenüber ca. 31 % in der jüngeren und späten

    Hallstattzeit.20 Schickler 2001, 144 ff. insbesondere für das Grab von Vix, das er als Bestattung einer Priesterin, möglicherweise jener auf dem Kraterde-

    ckel dargestellten Person, ansieht. Er negiert anders als Schmid-Sikimić bei dieser Deutung jedoch die Möglichkeit, dass eine männlichen

    Bestattungen entsprechende prunkvolle Beigabenausstattung mit Statusanzeigern auch als Ausdruck einer vergleichbaren sozialen Stel-lung der Frau gedeutet werden kann.21 z. B. kleine Pyxiden etc.: Echt 1999, 82 ff. 200 ff.22 Aus Platzgründen wird auf die jeweilige Zitierung der Fundpublikationen im Text verzichtet, siehe dazu Katalog im Anhang des Artikels.23 Burmeister 2000, 194 ff.

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    10/40

    24 Ulf 1990. Burmeister spielt durch den oben zitierten Satz über die Erlangung von Status durch Leistung explizit auf ein an den vonMarshall D. Sahlins beschriebenen sogenannten Big Men Systemen Polynesiens (dazu u. a. zusammenfassend Eggert 2007) orientiertes,nicht über erbliche Herrschaftsstrukturen organisiertes Sozialgefüge an.

    25 Verger 1995, bes. 340 Abb. 1; 376 Abb. 13; 390 ff. Auf die unterschiedlichen zeitlichen wie räumlichen und rituellen Kategorien der vonihm behandelten Grabfunde kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

    26 Verger 1995, 445: „ Il n’existe pas de rituel funéraire aristocratique spéciquement féminin. Toutefois, on note des différences régionalesdans l’accession des femmes aux funérailles aristocratiques.”

    27 Auf die Diskussion des an sich nicht unproblematischen und vor allem in der historischen Forschung anders als in der Archäologie ver-standenen Adelsbegriff kann hier nicht eingegangen werden; dazu u. a. Wenskus 1973.

    28 Bei Trachsel (2004, u. a. 292 f. Abb. 179) mit zu hohem Ansatz um 520 v. Chr. ohne überzeugende Begründung.

    29 Siehe Anm. 6.30 Siehe Anhang sowie u. a. Brun/Chaume 1997; Chaume 1997a; ders. 1997b; Haffner 1995.31 Zu Parallelen des Wagens von Vix: Egg/France-Lanord 1987 sowie Pare 1992, 132.32 Ein Vergleich aus Mühlacker, Grab 10 (Zürn 1970, Taf. 53) stellt auch einen inhaltlichen Zusammenhang her, da es sich hier um eine

    Zentralbestattung einer Frau handelt (s. u.).

    ebenso gut ihre ausgeweiteten Möglichkeiten bezeu-

     gen, durch eigene Leistung eine hohe Statusposition

     zu erlangen. Daß etliche dieser Frauen älter waren,

    unterstreicht die Möglichkeit einer solchen Entwick-

    lung “. Burmeister argumentiert hier im Sinne seines

    gerontokratischen Herrschaftsmodells der „altenFürsten“, das sich auf die Thesen des AlthistorikersChristoph Ulf zur homerischen Gesellschaft grün-det. Ulf lehnt darin vererbbare Herrschaftsstrukturenfür die griechischen Dark Ages bzw. die homerischeZeit ab, indem er argumentiert, dass Herrschaft we-sentlich auf sozialem Ansehen beruhte, das durchLeistung stets aufs Neue gesichert werden musste24.Eine ganz andere Position nahm Stéphane Verger inseiner umfassenden Zusammenstellung und Analysespäthallstatt- und frühlatènzeitlicher Fürstengräberein. Wagengräber von Frauen werden als Mani-festation einer Adelsgesellschaft gesehen. Vergersdifferenzierte Kartierungen von „Adelsgräbern“25 illustrieren insbesondere die Situation im PariserBecken und angrenzenden Regionen während derFrühlatènezeit. Erstmals liefert er eine nach Ge-schlecht getrennte Kartierung der Wagenbestattungender Perioden Ha D3 bis Lt A–B und diskutiert – wiezeitgleich Echt – die eindeutig Frauen zugeschrie- benen Prunkgräber. Besonders streicht er dabei denhohen Anteil von Wagengräbern von Frauen in derMarne-Region in der Periode Lt A heraus und stellt

    fest, dass aristokratische Frauen mit Ausnahme derWaffen die gleichen Statusabzeichen im Grab erhal-ten wie Männer, dass jedoch der Zugang von Frauenzu einem prestigeträchtigen Begräbnisritual regionalin der Späthallstatt- und Frühlatènezeit im westli-chen Kontinentaleuropa verschieden war 26. Trotz derBeschreibung und Anerkennung der Statusfunktionadliger Frauen27, geht es Verger allerdings nicht umdie Erklärung der Genese des Phänomens.Dieser dem vorliegenden Rahmen geschuldete kur-ze forschungsgeschichtliche Abriss erhebt nicht denAnspruch auf Vollständigkeit, er soll jedoch dazu die-

    nen, das Anliegen meines Beitrags schärfer zu um-reißen. Im Folgenden geht es mir darum, den Denk-

    mälerbestand an Wagen, Zaumzeug und bronzenemPrunkgeschirr enthaltenden Gräbern von Frauen inseiner Gesamtheit von den Anfängen in der älterenHallstattzeit (Ha C) bis in die frühe Latènezeit in derZusammenschau zu betrachten und damit auch die

    Ausbreitung des Phänomens und seine Entstehungzu beleuchten. Insbesondere für die Bestattung vonFrauen mit Wagen lässt sich dabei eine räumlichewie kulturhistorische Verknüpfung herstellen, diemeiner Meinung nach entscheidend mit ihrer Deu-tung zu verbinden ist.

    Diskussion des Fundstoffs

     Das Beispiel Vix 

    Die in Hügel 1 von Vix in der Zeit um 480 v. Chr.28 angelegte zimmergroße hölzerne Grabkammer barg bekanntlich eine der reichsten prähistorischen Grab-stätten in Europa. Sie befand sich unter einem Rie-sengrabhügel und diente der Bestattung einer Frau,die laut anthropologischer Analyse im Alter von ca.35 Jahren verstorben war 29. Das Grab ist vielfach beschrieben, abgebildet und unter verschiedenenGesichtspunkten behandelt worden30, so dass eineerneute ausführliche Diskussion an dieser Stelleunterbleiben kann. Lediglich auf einige besonderePunkte möchte ich noch einmal hinweisen, dabei

    geht es mir vor allem um die italischen Verbindungendieser Ausnahmebestattung, da sie in meinen Augenfür das Verständnis weiblicher Prunkbestattungeninsgesamt von grundlegender Bedeutung sind.Die Tote lag auf einem vierrädrigen Wagen mit ab-montierten Rädern31. Ihr umfangreicher Schmuckfolgt einem lokalen, weiblichen Ausstattungsmus-ter. Das Fibelspektrum mit Fußzierbeln setzt dieBestattung in den letzten Abschnitt der Hallstattzeit,in die Phase Ha D3, der bronzene Leibring besitztferner Parallelen in reichen Frauenbestattungen inBaden-Württemberg32. Lediglich der massive Gold-

    halsring fällt aus dem Rahmen. Seine Provenienzwird kontrovers diskutiert, wobei trotz einzelner auf

    Carola Metzner-Nebelsick 240

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    11/40

    die Iberische Halbinsel verweisender technischerDetails die zuletzt noch einmal von Alfred Haffnerherausgestellten italisch-mediterranen Afnitäten imMotiv- und Formspektrum sehr überzeugend sind33.Vix ist neben Wallerfangen die einzige hallstattzeit-liche Frauenbestattung, bei der die Tote mit einem

    Goldhalsring ausgestattet war 34. Dieses Privileg wur-de, wie eine Kartierung Martin Schönfelders zeigt,in der späten Hallstatt- und frühen Latènezeit in derRegel Männern zuteil. Auch in den Perioden Lt A undB sind mit Goldhalsring bestattete Frauen selten35.Die weiteren Beigaben der Dame von Vix gehören

    241Wagen- und Prunkbestattungen von Frauen der Hallstatt- und frühen Latènezeit in Europa

    33 Zur Forschungsgeschichte der Diskussion des Torques siehe Haffner 2003, ebd. 184 ff.; zur Bedeutung des Pferdes in der hallstättischenSymbolsprache und der religiösen Konnotation dieses Motivs auch Metzner-Nebelsick/Nebelsick 1999 sowie Metzner-Nebelsick 2007.

    Spindler (1983, 106) plädierte für eine iberische Herkunft, entsprechend argumentiert auch Armbruster (2003, bes. 214 ff.).34 Schönfelder 1998, 404 Abb. 1. Bei dem Halsring aus dem zeitgleichen Grab von Wallerfangen handelt es sich jedoch um einen Blechring;zu Wallerfangen: Haffner 1976, 213 Taf. 13,1.

    35 Siehe Anhang; Sie nden sich in den Fürstinnengräbern von Reinheim, Besseringen, Worms-Herrnsheim, Waldalgesheim, Bad Dürkheimsowie Filottrano 2 im Picenum. Zur Deutung von Bad Dürkheim als Frauengrab: u. a. Verger 1995, 413; Gleser 2005, 412.

    Abb. 1. Wagengräber und Gräber mit paarigem Zaumzeug von Frauen der 2. Hälfte des 8. und des 7. Jahrhunderts v. Chr. Nummerierung siehe Abb. 6 (Grak S. Peisker).

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    12/40

    36 Ausführlich zur Rolle des Symposions wie Deipnons auch im Vergleich zu Griechenland und Etrurien: Echt 1999, 163 ff.; zum Symposionebenso Krausse 1996.

    37 Nebelsick bes. 1997; zum Nachweis von Wein in der umfangreichen prunkvollen Frauenbestattung aus Zagersdorf im Burgenland: Rebay2002.38 Zu den einzelnen Importgefäßen verschiedene Autoren in Rolley 2003; zu den etruskischen Bronzegefäßen: wiederholt Frey, u. a. 2002,

    52 Abb. 29; Kimmig 1983; bezogen auf Vix: Adam 2003; zur Phiale: Krausse 2003.39 Ausführlich Rolley 2003, 77 ff., u. a. hinsichtlich der Provenienz (zur Lit. siehe ebd.).

    in den Bedeutungszusammenhang eines Symposions bzw. Trankopfers und des gemeinschaftlichen Ma-

    les (Deipnon). Symposialgeschirr stellt einen Toposdes Bestattungsrituals hervorragender Mitglieder derGesellschaft mit bereits spätbronzezeitlicher Traditi-on dar und ist vielfach behandelt worden. Wie Ru-dolf Echt herausgestellt hat36, verweist die Redukti-on des Geschirrsatzes in Vix, Tumulus 1, bereits aufdie Latènezeit, wo Tranksets für zwei Personen dasalte hallstättische Muster ablösen. Bedeutung hat dieBestattung von Vix vor allem durch die reichen undsingulären Importgefäße erlangt.Grundsätzlich sind keramische Geschirrsätze regel-hafter Bestandteil hallstättischer, so auch weiblicher

    Bestattungen, Bronzegeschirr bleibt in diesen dage-gen selbst außerhalb der Sphäre prestigeträchtigerSüdimporte äußerst selten (siehe Karte Abb. 1 undListen 1–3 im Anhang). In einzelnen Regionen derhallstättischen Welt wird ein Verzicht auf Blechge-schirr mit überaus prunkvoll verzierten keramischenGeschirrsätzen kompensiert. Das prominenteste Bei-spiel ist die osthallstättische Kalenderberger Gruppe,wo, wie Louis Nebelsick herausgearbeitet hat, das

    Symposion eine zentrale Bedeutung im Bestattungs- brauchtum einnahm und auch Frauen im sepulkra-

    len Kontext die Rolle einer Gastgeberin zu einem jenseitigen Trankfest zukam, zu dem nach Ausweisder Funde auch der Genuss von Wein gehörte37. Eswird darauf zurückzukommen sein. Verbleiben wirzunächst bei der Bestattung der Dame von Vix. Noch einmal unterstrichen werden muss, dass dieBronzegefäße mit Ausnahme des Kraters etruski-schen Werkstätten entstammen38  und auch die sil- berne Phiale hinsichtlich Material und Form in denweiblichen Prunkgräbern von Numana-Sirolo II unddem jüngeren Filottrano 2 Entsprechungen kennt.Der einer tarentinischen, also griechischen Werkstatt

    zugeschriebene Volutenkrater, mit 1100 l Fassungs-vermögen das größte antike Bronzegefäß39, lässt un-abhängig von seinem Transportweg, den man sichim Grunde nur auf dem Wasserweg – zuletzt durchdas Rhônetal – nach Vix vorstellen kann, aufgrundder Provenienz italische Bezüge erkennen. EineAfnität zu Italien wird auch durch die den Siebde-ckel bekrönende weibliche Statuette evident (Abb.2,2). Die Figur ist aufgrund der hohen Qualität der

    Carola Metzner-Nebelsick 242

    Abb. 2. Bronzestatuette auf dem Siebdeckels des Kraters von Vix (2) und Parallelen. 1 Brüstung des Streitwagens vonMontelone di Spoleto; 3 Ausschnitt einer Boccanera Platte aus Cerveteri, Necropoli della Banditaccia (nach Rolley 2003;Woytowitsch 1978, Taf. 14a; Sprenger/Bartoloni 1990, Taf. 74).

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    13/40

    Ausführung, die jener des Kraters entspricht, einergroßgriechischen Werkstatt zuzuschreiben40, aller-dings offenbart ihre Tracht deutliche Anklänge aneinen auch in Etrurien derselben Zeit bezeugtenKleidungsstil41, der zudem – ebenfalls zeitgleich – in

    der ostalpinen Situlenkunst rezipiert wurde42 und beidem vor allem die Schnabelschuhe ins Auge fallen.Sehr gut vergleichbar in allen Details sind die Dar-stellungen von Alabastra tragenden Frauen auf einerBoccanera Platte in einer Grabkammer in Cerveteri, Necropoli della Banditaccia (Abb. 2,3).Eine weitere Parallele für die Kleidung, die Stirn-locken und die Armhaltung der Statuette aus Vixstammt von einem etruskischen, jedoch gänzlichanders gearteten Bildträger. Es handelt sich umdie graezisierend gestaltete Brüstungsplatte einesetruskischen Streitwagens aus Montelone di Spo-leto (Abb. 2,1)43. Die dargestellte Frau überreichthier mit der linken Hand einem Mann einen korin-thischen Helm, es handelt sich um eine Darstel-lung des Bildtopos der einem Krieger die Waffenreichenden Frau44. Die benannten Beispiele deutenmöglicherweise bei aller Vorsicht an, dass mit derStatuette des Siebdeckels eine bewusste Referenzan eine nicht griechische Klientel vorliegt, die auchin der geäußerten Vermutung, dass die Statuettedie Dame von Vix selbst darstellte, ihren Ausdruckndet45. Den Spekulationen, ob eine Gleichsetzung

    der Toten mit der Statuette intendiert war – was auf-grund der Fibeltracht der Dame von Vix eher un-wahrscheinlich erscheint – oder ob vielmehr allge-mein auf eine/n italische/n Empfänger/in rekurriertwurde, haben die Metallanalysen des Kraters, sei-nes Deckels und der Statuette weiten Raum geöff-net. Sie ergaben, dass sich das Kupfer der Statuette

    signikant von dem des sonst homogenen Kratersunterscheidet46. Von besonderer Wichtigkeit für dieInterpretation der Statuette ist die Körperhaltung,die überzeugend als Opfergestus gedeutet wurde47.Aufgrund entsprechender mediterraner Bildtopoi

    sowie der in realiter im Grab vorhandenen silber-nen Spendeschale wird in der Übertragung der priesterlichen Funktion des Opfers, hier der Liba-tion, die Bestattete selbst als Priesterin gedeutet.Die symbolische Auadung des Grabensembleswie vor allem des Goldtorques mit den bekanntenPegasoi wurde besonders von Alfred Haffner be-tont48. Statuette und Spendeschale dienen sogar alsder entscheidende Schlüssel zum Verständnis deraußergewöhnlichen Ausstattung der Toten von Vix.Rudolf Echt sah in ihr, wie eingangs ausgeführt, ei-nen entscheidenden Referenzpunkt für seine Deu-tung des frühlatènezeitlichen Fürstinnengrabes vonReinheim als Grablege einer Priesterin49.Eine differenziertere Position hinsichtlich der Deu-tung der Bestattung von Tumulus 1 von Vix, seineshistorischen Kontextes und letztlich der Dame vonVix selbst vertrat Pierre-Yves Milcent50, indem er ne- ben dem evidenten sakralen Aspekt auch die aus derBestattung und ihren Beigaben zu erschließende po-litische Bedeutung dieser Persönlichkeit herausstell-te. Seiner Sichtweise fühle ich mich verbunden undwerde im Folgenden durch die Diskussion weiterer

    Funde und Befunde versuchen, neue Schlaglichterauf das Problem der Stellung elitärer Frauen in derHallstatt- und Latènezeit zu werfen.Dabei wird zu zeigen sein, dass eine Überbetonungder sozialen Ausnahmestellung aufgrund religiöserKompetenzen der sozialen Wirklichkeit dieser Frau-en nur unzureichend gerecht wird. Der hier einleitend

    243Wagen- und Prunkbestattungen von Frauen der Hallstatt- und frühen Latènezeit in Europa

    40 Langlotz 1963; Rolley 2003, 88 f. 122 f. sowie Milcent 2003a, 322 f.; speziell zu der Statuette siehe auch Vallet/Villard 1955, darinüberzeugender Vergleich mit der Hydria aus Sala Consilina (Attasche) und mit einem Vasenbild einer Hydria aus Cambrige (ebd. 69 Abb.21). Die Frauen tragen hier einen langen Schleier und keine Schnabelschuhe. – Zur Körperhaltung siehe im Vergleich bronzene Votivsta-tuetten mit Opfergestus aus etruskischen Werkstätten des späten 6./frühen 5. Jh. v. Chr.: Bologna, Monteguragazza (Jüngling mit Pateraund Mädchen mit Blüte: von Vacano 1955, Taf. 82c.d); Isola di Fano (Falchetti/Romualdi 2001, 35); Slg. Morgan (von Vacano 1955, Taf.70); Insel Elba (ebd. Taf. 71); Statuetten nackter Männer mit Opfergabe in der rechten Hand (Louvre, Kat. Paris/Berlin 1993, 405 Nr. 509,511) vergleichbar aber auch Statuette des Hermes/Turms (Kat. Paris/Berlin 1993, 142 Nr. 173); in etruskischem bedrucktem Kleid und inBewegung: Statuette einer Frau aus dem Votivdepot von Falterona (um 480 v. Chr., Kat. Paris/Berlin 1993, 325 Nr. 510).

    41 Allgemein Bonfante 1975; Abbildungen einer vergleichbaren Tracht: Bronzestatuette einer Andächtigen (Falchetti/Romualdi 2001, 58);Boccanera Platte aus Cerveteri, Necropoli della Banditaccia (Abb. 2,3; Sprenger/Bartoloni 1990, Taf. 74). Die meisten Darstellungen vonEtruskerinnen zeichnen sich abgesehen von den Schnabelschuhen jedoch durch einen haubenartigen, gepolsterten Kopfputz aus; Zusam-menstellung aus der Lit. bes. Amann 2000, Tafelteil.

    42 Mit einer sehr suggestiven, jedoch nicht weiter ausgeführten Gegenüberstellung einer Frauengestalt mit vergleichbarer Kleidung auf derSitula von Vače siehe Lüscher 1991, 60 Abb. 14.

    43 Umzeichnung bei Woytowitsch 1978, Taf. 14a; Originalfotos: Kat. Viterbo/Roma/Ancona 2000, Taf. 13. Hier wird deutlich, dass die darge-stellte Frau, die auch die Haartracht mit der Statuette aus Vix gemein hat, im Unterschied zu ihr und den beiden Frauen auf der etruskischenDarstellung (Abb. 2,3) barfuß ist.

    44 Die offensichtlich mythologische Szene wird als die Überreichung der Waffen an Achilles gedeutet; dazu mit Bezug auf ältere Literatur:Bonamici 2000, 185 ff., dort auch zur Werkstattfrage.

    45 Dazu u. a. Milcent 2003a, 323 f.

    46 Mille/Bourgarit 2003, 262.47 Schickler 2001; siehe auch Kull 1997, 389; Milcent 2003a; ders. 2003b.48 Haffner 2003; siehe auch Krausse 2003.49 Echt 1999.50 Milcent 2003a; ders. 2003b.

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    14/40

    51 Pare 1992, 196 Abb. 134.52 Amann 2000, 68 ff. u. a. mit Bezug auf Woytowitsch und Kat. Viterbo/Roma/Ancona 2000; Kartierung der italischen Wagengräber bei

    Pare 1992, 196 Abb. 134 nicht geschlechtsdifferenziert.53 Echt 1999, 266 ff. bes. 271; Burmeisters (2000, 143; 145 Tab. 8; 148 Tab. 10; 161 Tab. 14; 171 Tab. 17; 174 Tab. 18 u. Taf. 16) Versuche

    eine Rangfolge der hallstattzeitlichen Gesellschaft in Württemberg zu rekonstruieren überzeugen nicht. Aufgrund der hohen Bewertung

    von Gold wird die besondere Stellung des Wagengrabs von Mauenheim M3 (siehe Anhang) nur schwer fassbar („…passt nicht recht insBild“, ebd. 143). Zur Bewertung von Gold(schmuck) s. o.54 Siehe Anhang.55 Dazu auch Schönfelder 1998 sowie für ältere Perioden: Teržan 2003.56 Amann 2000.

    am Beispiel Vix exemplarisch diskutierte Bezug zuItalien für die Deutung der Genese des Phänomensund seiner Ausbreitung ist dabei von entscheidenderBedeutung.

    Wagengräber von Frauen in der Hallstattzeit und

     Kriterien zur Denition fürstlicher Bestattungen

    Wie die Abbildungen 1 und 5 zeigen (Liste 1), lässtsich eine Reihe von Wagenbestattungen von Frauenzusammentragen, wobei analog zu dem dominantenFundspektrum von Männergräbern oder geschlecht-lich nicht zuweisbaren Bestattungen mit Wagen51 inden Perioden Ha C bis Ha D1 ein Schwerpunkt inSüddeutschland vorliegt. Die Ausbreitung der Wa-genbeigabe nach Westen während der späten Hall-stattzeit ist ebenfalls auf die Frauengräber zu über-tragen (Abb. 5). Bislang wenig Beachtung fand dieTatsache, dass sich den frühen süddeutschen bzw. denoberösterreichischen Wagenbestattungen von Fraueneine große Zahl von Wagen enthaltenden Prunkgrä- bern von Frauen aus Italien an die Seite stellen lässt.Petra Amann hat sie ausführlich behandelt und dieKartierung Abb. 1 beruht auf ihren Listen52. Die Be-trachtung dieser Gräber regt dazu an, noch einmaldie Kriterien, mit deren Hilfe sich prunkvolle oderfürstliche Bestattungen denieren lassen, zu unter -suchen bzw. zu denieren.

    Diese sind für die Bronze- und ältere Eisenzeit:Die Existenz von vier- oder zweirädrigenWagen, Prunkgeschirr aus Bronze- oder Edel-metall, wahlweise Importe (in der späten Hall-stattzeit), Goldschmuck sowie ein aufwendigerGrabbau, z. B. die Bestattung in Grabhügeln oft beträchtlicher Größe. Waffen bleiben dagegenexklusive Beigaben männlicher Bestattungen.

    In einzelnen Regionen zählen Wagen weder in Män-ner- noch in Frauenbestattungen zum Beigabenka-non von Prunkgräbern.

    Diese Kriterien sind insofern von Bedeutung, alsRudolf Echt das Vorhandensein von goldenemSchmuck allein bereits zur Ansprache exklusiverFrauenbestattungen als Fürstinnengräber als genü-gend erachtet. Auch bei Stefan Burmeister besitztGold eine sehr hohe Wertigkeit53. Goldener Schmuck

     bietet jedoch selbst in so außerordentlichem Umfangwie in dem Grab von Schöckingen-Ditzingen54 kei-nen Hinweis darauf, dass die Trägerinnen an jenenstatusträchtigen öffentlichen Aktivitäten – nämlichder Wagenfahrt und dem gemeinschaftlichen Fest-

    mahl oder Kultfest – partizipierten, die traditionellmit Männern assoziiert werden. Die Gruppe reicherSchmuckgräber, selbst jener die Gold enthalten unddamit einen besonderen Status ihrer Trägerinnen bezeichnen55, ist daher qualitativ von Frauenbestat-tungen mit Wagenbeigabe zu trennen; denn geradedem Wagen als einem Statussymbol mit gleichsamöffentlicher Funktion kommt in Verbindung mitFrauenbestattungen eine außerordentliche Bedeu-tung für die Beurteilung des sozialen Status dieserFrauen zu. Goldschmuck von Frauen ohne weitereStatusattribute kann dagegen auch als Zeichen derZugehörigkeit zu einem mächtigen Mann oder ei-ner mächtigen Familie gewertet werden, ohne dassdaraus eine soziale Eigenständigkeit dieser Frauenabzuleiten wäre.

    Als Thesen seien hier postuliert:

    1. Das Phänomen von Wagenbestattungen vonFrauen mit exzeptionellem Status hat nördlichder Alpen seine Wurzeln bereits im frühen 7. Jh.v. Chr.

    2. Das erstmalige Auftreten prunkvoller Frauen-

     bestattungen mit Wagen, reichem Goldschmuckund mannigfaltigem metallischem Prunkge-schirr ndet sich in der orientalisierenden Phasedes späten 8. und 7. Jh. in Etrurien. Einige derreichsten Gräber dieser Phase sind Gräber vonFrauen.

    3. Die Interpretation dieser Grabfunde im Sinneder Studie Petra Amanns über etruskische Frau-en56  gibt uns auch für die Verhältnisse nördlichder Alpen ein Interpretationsmodell des Phäno-mens von Wagenbestattungen von Frauen an dieHand.

     Zur Genese der Sitte der Wagenbestattung von

    Frauen

    Wie bereits in der Einleitung dargelegt und durchmoderne Grabungsbefunde bestätigt wurde, hat der

    Carola Metzner-Nebelsick 244

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    15/40

    lange gültige Topos – Wagenbestattungen und auchPferdegeschirr enthaltende Gräber seien a priori mitmännlichen Individuen zu verknüpfen – keinen Be-stand. Die hier (Abb. 1; 5; 8; Liste 1) kartierten Wa-gengräber mit Frauenbestattungen der Hallstattzeit

    sind zwar gegenüber der Gesamtheit der Wagen-gräber von sehr geringer Zahl, besitzen gleichwohlgroße kulturhistorische Bedeutung. Einen der spek-takulärsten Befunde erbrachte das in Oberösterreichin der Nähe von Linz gelegene Hügelgräberfeld vonMitterkirchen. Es handelt sich bei dieser Ha C1-zeitlichen Bestattung aus dem frühen 7. Jh. v. Chr.zugleich um die bislang älteste Wagenbestattung ei-ner Frau nördlich der Alpen57.In der zentralen hölzernen Grabkammer von HügelX war eine anthropologisch als spätadult bestimmteFrau auf einem vierrädrigen Wagen liegend bestattetworden. Aufgrund der bislang veröffentlichten sehrschematischen Befundzeichnungen bleibt die Formdes Wagenkastens unklar. Der Ausgräber ManfredPertlwieser schlägt eine Rekonstruktion des eigent-lichen Kastens mit einem Stuhl vor. Eine derartigeKonstruktion wäre nördlich der Alpen einzigartigund weckt Assoziationen zu italischen Wagen, die – wie auch bildliche Darstellungen suggerieren58 –als Sitzwagen genutzt wurden. Die anthropologischals weiblich bestimmte Tote ist auch archäologischdurch den beigegebenen Spinnwirtel sowie reichen

    Schmuck aus Bernstein und Bronze als Frau ge-kennzeichnet. Der bislang nur in Form eines Fotos publizierte keramische Geschirrsatz lässt insbeson-dere durch das Mehrfach- und durch Kalenderberg-gefäße59 Beziehungen zur Kalenderberger Gruppe60 des Nordostalpenraumes erkennen. Wie in der Ein-leitung betont wurde, besaß hier der keramischeGeschirrsatz eine zentrale Bedeutung. Zu den Attri- buten eines Gelages für mehrere Teilnehmer gehörtauch die Fleischbeigabe der Frau aus Hügel X vonMitterkirchen, der weit über eine anzunehmendeEigenversorgung hinausgeht. Sie fungierte also in

    der Lesart Louis Nebelsicks symbolisch im Grab-kontext als Gastgeberin. Grab 2 desselben Hügels barg die Doppelbestattung zweier weiterer Frauen,die auf einer hölzernen Liege aufgebahrt waren. Dieältere der beiden, anthropologisch auf ein Sterbe-

    alter von ca. 30 Jahren bestimmt, trug neben eineraus Bronzenägeln bestehenden Haube einen mitBronzeknöpfchen beschlagenen Prunkmantel ausTierfell. Dieser Befund stellt eines der prächtigstenGewänder dar, die bislang für die mitteleuropäische

    Hallstattzeit rekonstruiert werden konnten. Zudemist bemerkenswert, dass Hügel X keine männlicheBestattung enthielt. Gleichwohl reektieren reicheMännergräber in den übrigen Hügeln der Nekro- pole – es handelt sich um Kriegergräber mit undohne Wagen – das in der älteren Hallstattzeit gän-gige Muster 61. Auffällig und bislang singulär sind inder Grabhügelnekropole von Mitterkirchen jedochder hohe Anteil außergewöhnlich ausgestatteterFrauengräber sowie Kinderbestattungen, von de-nen eine mit der statusanzeigenden Beigabe einesSchwertes ausgestattet war. Gerade diese bemer-kenswerte Tatsache deutet auf eine realweltlicheSozialstruktur hin, in der Status innerhalb einzelnerexponierter Familien vererbbar gewesen zu seinscheint, bzw. bereits Kinder vor dem Erreichen desentsprechenden Alters als Mitglieder einer ihnenvorbestimmten sozialen Gruppe – beispielsweise jener der Krieger – galten.Eine weitere frühe Wagenbestattung einer Fraustammt aus Niedererlbach im niederbayerischenIsartal. Bei Grab 1998/11 handelte es sich um dieZentralbestattung einer adulten Frau in einem Grab-

    hügel. Neben dem umfänglichen keramischen Ge-schirrsatz und einem Schwein als Fleischbeigabewar der Toten zudem ein Bronzegefäß – eine selteneund in dieser Zeit in der Regel Männern vorbehal-tene Beigabe – in das Grab gelegt worden. BerndEngelhardt sah in der Toten denn auch „wahrschein-lich sogar die […] ‚Chen’ des ‚Herrenhofes’ “, deroberhalb der Nekropole auf der Isarterrasse gelegenwar, und schloss: „Vielleicht haben ja hier die Frau-en in der frühkeltischen Gesellschaft eine bedeuten-

    dere Rolle gespielt als bisher angenommen“62.Die Altfunde von Bad Königshofen-Merkershau-

    sen und Weismain-Görau zeichnen sich hingegenallein durch reiche Bronzeschmuckensembles dermit Vierradwagen bestatteten Frauen aus. Aufgrundeines gestörten Befundes sowie der anthropologi-schen Analyse unsicher bleibt die Ansprache von

    245Wagen- und Prunkbestattungen von Frauen der Hallstatt- und frühen Latènezeit in Europa

    57 Referenzen siehe hierzu wie im Folgenden im Katalog im Anhang.58 z. B. Relief von Murlungo (u. a. Amann 2000, Taf. 18); weitere Beispiele bei Woytowitsch 1978, Taf. 46. Es handelt sich hier jedoch um

    zweirädrige Wagen. Vierradwagen bleiben in Italien selten (siehe Abb. 1 in Umsetzung der Liste bei Amann 2000, 66 ff. sowie Woyto -witsch 1978).

    59 Foto mit restaurierter Grabkeramik bei Pertlwieser 1987a, 95.60 Nebelsick 1997, bes. 44 ff. Er sah in den umfangreichen keramischen Geschirrsätzen einen Nachweis der Teilnahme und Ausrichtung eines

    (jenseitigen) Gastmahles auch durch Frauen und interpretierte dies als Reex auf etruskische Begräbnissitten, die Frauen eine besondereStellung beimaßen.61 Hierzu Vorberichte Pertlwieser 1987a; ders. 1987b; Pertlwieser/Tovornik 1984; dies. 1985/86; zu den aDNA-Untersuchungen siehe

    Kiesslich u. a. 2005.62 Engelhardt/Häck 1998, 47.

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    16/40

    63 Röhrig 1994, 143–154; 242 Taf. 32–35. Die geschlechtsspezische Besonderheit der Funde wird von Röhrig nicht kommentiert.64 Pare 1992, bes. 197 Abb. 135; für Italien Stary 1980, 15.65 Dvořák 1936–38; ebenfalls zu dessen Grabungen: Koutecký 1968, 410 ff., dort auch zu neueren Grabungen in Hradenín. Von acht Wagen-

    gräbern konnten die Gräber 30 (Koutecký 1968, 407 Abb. 2b; 414), 33 (ebd. 409 Abb. 2d; 415) und 58 (ebd. 416; 419 Abb. 10) sowohlanthropologisch als auch archäologisch keinem spezischen Geschlecht zugeordnet werden.

    66 Die Ansprache „Mann“ bei Koutecký 1968, Abb. 43 bezieht sich auf eine Angabe Dvořáks (siehe Anhang Fundkatalog), die jedoch

    offensichtlich nicht auf einer modernen anthropologischen Analyse beruhte. Möglicherweise ist die Zuschreibung bei diesem durch dieBeigaben, also Zaumzeug, begründet worden.67 Dazu Nebelsick 1996, bes. 348.68 Leider ist das Inventar nur durch die schlechten Fotos der Originalpublikation und den Fundbericht zu erschließen. Der Ringschmuck ist

     jedoch eindeutig beschrieben und teilweise abgebildet

    Grab 38 der Nekropole von Dietfurt im Altmühltal63.Vermutlich handelte es sich ehemals lediglich um dieTeildeponierung eines Wagens mit eisernen Radrei-fen. Bemerkenswert an diesem als Doppelbestattungzweier Männer (siehe Katalogliste) angesprochenen

    Befund bleiben die Beigaben und somit letztlichseine Deutung. Das Grab enthielt keinerlei Hinweisauf eine männliche Tracht oder Beigabenauswahl,dafür fand sich darin eine reiche frauenspezischeSchmuckausstattung. Es bleibt daher – vorausgesetztdie anthropologische Analyse ist korrekt – rätselhaft(s. u.).Das Kombinationsmuster von Wagen und reichemSchmuck wird bis in die späte Hallstattzeit tradiert.Gleichzeitig tritt ab dieser Zeit und nun im westlichenHallstattkreis mit den ihm eigenen Fürstengräbernein Wandel ein. Erstmals hält nun Goldschmuck Ein-zug in die Grablegen der hallstättischen Oberschicht.Bevor diese Gräber diskutiert werden, muss daraufhingewiesen werden, dass das ideologische Konzeptder Wagenbeigabe auch durch die Pars pro Toto-Beigabe von paarigem Zaumzeug repräsentiert seinkann. Christopher Pare hatte darauf schon vor länge-rer Zeit hingewiesen64. Nicht immer muss dabei aneine regionalspezische Eigenart gedacht werden. Ineinzelnen Fällen, insbesondere in der Region Ober- pfalz/Böhmen und Unterfranken, wo die Wagensitteregulär bezeugt ist, können auch archäologisch nicht

    nachweisbare Wagen ohne metallene Beschlagteilevermutet werden.

    Frauengräber mit paariger Zaumzeugbeigabe

    Innerhalb einer „Wagenprovinz“ der älteren Hall-stattzeit, in Böhmen, lassen sich Frauenbestattun-gen mit Wagenschirrungen nachweisen. Die hierkartierten (Abb. 1; Liste 2) und diskutierten Fundeerheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.Einen lange bekannten, bislang nicht entsprechendgedeuteten Befund liefert das Gräberfeld von

    Hradenín mit mehreren alt gegrabenen Wagen- bestattungen der älteren Hallstattzeit des 7. Jh.v. Chr.65. Im Unterschied zu den durch Waffenbei-gabe oder anthropologische Untersuchungen als

    männlich klassizierten Bestattungen ist das in ei-ner großen Grabkammer mit Holzeinbauten in Hü-gel XII bestattete Individuum aufgrund des Ring-schmucks an Armen und Beinen archäologisch alsweiblich zu identizieren (Abb. 3)66. Die dreifachen

    Eisentrensen sowie ein Paar Knochenknebel (Abb.3; 4) liefern Hinweise auf ein Bei- bzw. Packpferd.Der keramische Geschirrsatz ist einer der umfäng-lichsten des Gräberfeldes überhaupt. Der Tonfeuer- bock, sonst auch Kennzeichen der Männergräber 67,gilt als Ritualgerät und Zeichen entsprechenderKompetenzen der Toten68.

    Carola Metzner-Nebelsick 246

    Abb. 3. Hradenín, Hügel XII Grabplan (Grak S. Peisker,nach Dvořák 1936–38, 60 Abb. 1).

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    17/40

    247Wagen- und Prunkbestattungen von Frauen der Hallstatt- und frühen Latènezeit in Europa

    Abb. 4. Hradenín, Funde aus XII in Auswahl. 1–2.9 Bronze; 4–6.8 Eisen; 7 Knochen; Rest: Ton.3 M. ca. 1:5, Rest M. ca. 1:4 (Umzeichnung D. Dahlmanns, nach Dvořák 1936–38, 64 Abb. 5,1–8; 65 Abb. 6,1 Taf. 5).

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    18/40

    69 Kossack 1970, 124 ff. bes. 155 ff.70 Moosleitner 1996, 322 Abb. 8; 323 Abb. 9; anthropologische Analyse des Leichenbrandes nach mündlicher Aussage: junger Mann, 20–40Jahre.

    71 Hack 2002 setzt sich dezidiert mit der Diskrepanz zwischen archäologischem und anthropologischem Befund auseinander und zieht be-sonders für die Schlangenbeln auch eine weibliche Bedeutungsbelegung in Betracht.

    Wie die Kartierung (Abb. 1) zeigt, steht der Befundin Böhmen nicht allein, weitere Frauengräber mitZaumzeug lassen sich aus dem süddeutschen Raumzusammentragen.Die Nekropole 1 von Großeibstadt bei Bad Kö-

    nigshofen gilt bis heute als das Beispiel Ha C bisHa D1-zeitlicher Prunkgräber von Männern, dieGeorg Kossack als Ausdruck einer Wagen fahrenden,interregional agierenden und in Form eines Krieger- bundes organisierten Elite beschrieb69, die unabhän-gig von ihren Familienverbänden extrem aufwendig bestattet wurde. Die Aufdeckung einer zweiten, bis-lang unpublizierten Nekropole in Großeibstadt hatnun zwar weitere Männergräber des bekannten Typserbracht, daneben jedoch auch zwei Kammergräbervon auf die gleiche Weise wie die Männer aufwendig bestatteten Frauen.Die Frau aus Hügel 19/1981 war mit überaus reichemSchmuck, einem der reichsten der Zeit nördlich derAlpen, angetan und mit paarigem Zaumzeug als Pars pro Toto-Beigabe einer Wagenschirrung bestattetworden. Weitere Gräber dieses Ausstattungstypsliegen für die ältere Hallstattzeit aus Hügel 17/1981der Nekropole Großeibstadt II, aus den Flachgräbernvon Poláky 10 und 17 in Böhmen sowie aus den vieldiskutierten (s. o.) Altfunden von Kirchenreinbachund Oberpfahlheim vor.Erwähnung nden muss auch eine prunkvolle Bestat-

    tung aus Salzburg-Maxglan. Grab 400 dieses Gräber-feldes ist eines der reichsten der älteren Hallstattzeit.Es enthielt neben dem eisernen paarigen ZaumzeugMindelheimer Typs samt Riemenschmuck mit öst-lichen Anklängen zwei Armspiralen aus Golddraht,ein in dieser Zeit sehr ungewöhnliches Material. Die bronzene Beckentasse unterstreicht zusätzlich den besonderen Status der Toten. Entgegen der vorläu-gen anthropologischen Analyse des Leichenbrandes,der als männlich bestimmt wurde70, bezeichnen derTrachtschmuck mit einer Harfenbel, einem Gürtel-haken und dem Armschmuck sowie vor allem auch

    die beiden Spinnwirtel eindeutig eine Frau, wie auchFritz Moosleitner betonte. Angesichts der hier disku-tierten Funde sollte man daher eher die bei Brand- bestattungen grundsätzlich schwierigere anthropo-logische Geschlechtsbestimmung in Zweifel ziehen,als sich um Hilfskonstruktionen eines symbolischenGeschlechts zu bemühen, wie dies für einen ähn-lichen Befund im jüngeren, d. h. Ha D1-zeitlichenPrunkgrab Wiesenkaiser Hügel 4 der Nekropole von

    Kleinklein in der Steiermark von Silvia Hack in Er-wägung gezogen wurde71. Auch hier ergab die an-thropologische Untersuchung der bestatteten Personein männliches Geschlecht, das im archäologischenFundbild – abgesehen von den a priori als männlich

    konnotierten prunkvollen Beigaben wie Zaumzeug/Wagen und Blechgeschirr – im weiteren Inventarkeine Bestätigung ndet.Das Grab aus Kleinklein schlägt den Bogen in die jüngere Hallstattzeit. Auch in Süddeutschland lebtdie Sitte der Pars pro Toto-Beigabe von Wagenschir-rungen in Ha D1 fort, wie die Grabfunde von Burg-griesbach oder Landersdorf belegen. Diese Grabin-ventare schließen zudem die zeitliche Lücke zu denwieder ab den Stufen Ha D2–3 nachgewiesenen Wa-genbestattungen von Frauen.Diese hier nur kurz diskutierten Grabfunde zwingenzu einer neuen Deutung der Elitennekropolen bzw.zu einer neuen Sichtweise der Bedeutung von Frau-enbestattungen in ihnen während der älteren und jüngeren Hallstattzeit.Wir halten fest: Die genannten Beispiele machen klar,dass das Recht der Wagenfahrt in den Stufen Ha C bis Ha D1 auch einer exklusiven, aber wahrnehm- baren Gruppe von Frauen zuteil wurde. Das heißt,im Rahmen der durch die Grabhügel impliziertenAhnenverehrung partizipierten im 7. Jh. v. Chr. ineinigen Gemeinschaften nördlich der Alpen offen-

    sichtlich erstmals auch Frauen an ursprünglich undhauptsächlich weiterhin Männern vorbehaltenen Ak-tivitäten im öffentlichen Raum, wie der Wagenfahrtund der Teilnahme an oder der Ausrichtung einesrituell denotierten Festmahls, das durch die Grab-geschirrsätze aus Ton symbolisiert wird und durchdie Beigabe einzelner Prunkgefäße aus Bronze eine besondere Wertsteigerung erfuhr.

     Wagengräber von Frauen der späten Hallstattzeit 

    Weitere Wagenbestattungen von Frauen gehören den

    Zeitstufen Ha D2–3 des 6. Jh. v. Chr. an (Abb. 5;Liste 1). Sie benden sich neben einem Beispiel ausDemmelsdorf in Oberfranken und dem noch unpub-lizierten Hügel M 3 aus Immendingen-Mauenheimnun konzentriert in der Schweiz und in Zentralfrank-reich, d. h. innerhalb der Verbreitung der westlichenHallstattkultur.Das Geschlecht der mit reichem Bronzeschmuck, dar-unter Paukenbeln mit Koralleneinlage, geschmück-

    Carola Metzner-Nebelsick 248

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    19/40

    ten Bestattung aus Demmelsdorf ist anthro pologisch

    als weiblich bestimmt72. Die Frau war samt dem Wa-gen in einer hölzernen Grabkammer direkt über ei-nem älterhallstattzeitlichen, beraubten Männergrabmit Schwertbeigabe bestattet worden. Diese Super- position legt trotz des beträchtlichen zeitlichen Ab-stands ein enges, möglicherweise verwandtschaftli-ches Verhältnis der beiden nahe.Die Gräber aus der Schweiz hat Biljana Schmid-Sikimić am Beispiel des Grabes von Gunzwil- Adiswil besprochen (s. o.)73. Auffällig ist, dass hierein Ausstattungsmuster beschrieben werden kann,

    das neben dem Wagen, bzw. Teilen eines solchen,

    die Beigabe von Goldschmuck (neben weiteren Be-standteilen aus anderen Materialien) sowie einesBronzegefäßes einschloss (Abb. 6a).Die neueren westhallstättischen Beispiele vonWagenbestattungen von Frauen sowie grundsätz-lich Prunkbestattungen von Frauen wurden nebenStéphane Verger und Rudolf Echt besonders vonPierre-Yves Milcent behandelt74. Eine Wiederholungerübrigt sich, dennoch möchte ich noch auf einigemir wichtige Aspekte hinweisen.Zwar lassen sich Tendenzen benennen, insgesamt

    249Wagen- und Prunkbestattungen von Frauen der Hallstatt- und frühen Latènezeit in Europa

    72 Ettel 1996, 214.73 Siehe ferner Drack 1958a; ders. 1958b; ders. 1959; ders. 1964; ders. 1981.74 Verger 1995; Milcent 2003a; ders. 2003b; sowie Einzelabhandlungen: siehe Katalog im Anhang.

    Abb. 5. Prunkgräber von Frauen des 6. Jahrhunderts v. Chr. Nummerierung siehe Abb. 6 (Grak S. Peisker).

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    20/40

    Carola Metzner-Nebelsick 250

    Fundort a b c d e f g h i k l m n o p q

    Ha C–D12 Mitterkirchen X/1 (A) X X X X X ♀4 Weismain-Görau Tum. 3 (D) X X ?  3 Niedererlbach 1998/11 (D) X X X X X X ♀1 Bad Königshofen/Merkershausen 1897 (D) X X X

    5 Großeibstadt II, Hügel 19/1981 (D) X X X X

    5 Großeibstadt II, Hügel 17/1981 (D) X X ? X

    6 Hradenín Hügel XII (CZ) X+1 X X X X X

    7 Kirchenreinbach/Mittelreinbach (D) X X X X ? X

    8 Poláky, Grab 10/80 (CZ) X X X X X ♀8 Poláky, Grab 17/81 (CZ) X X X ♀

      Gilgenberg-Gansfuß, Hügel 4 (A) X(1) X X

    11 Burggriesbach, Hügel 1965 (D) X X X

    12 Landersdorf, Hügel 4 (D) X X X X

    13 Oberpfahlheim, "Im Kirchholz", 1911 (D) X X X ?

    9 Salzburg-Maxglan, Grab 400 (A) X X X X X X X ♂?14 Kleinklein, Wiesenkaisertum. 4 (A) ? X X X X X ♂?

    Ha D2–327 Vix, Tum. 1 (F) X X X X X X ♀26 Sainte-Colombe, "de la Garenne" (F) X X X X X

    26 Sainte-Colombe, "la Butte" (F) X X X X ♀18 Gunzwil-Adiswil (CH) X? X X X X

    19 Ins, Hügel VIII (CH) X? X X X X

    20 Urtenen (CH) X? X X X

    15 Demmelsdorf (D) X X X X X X ♀17 Düdingen, Hügel I (CH) X X X X X X X

    23 Diarville, Hügel 07, Grab 1 (F) X X X X

    23 Diarville, Hügel 07, Grab 2 (F) X X X X X

    28 Como-Ca'Morta (I) X X X X

    21 Chilly-sur-Salins, Hügel 1906 (F) X X X X X

    22 Creney bei Troyes (F) X X X24 Grandvillars, Hügel von 1919 (F) X X X X

    16 Immendingen-Mauenheim M 3 (D) X X X X X ♀25 Mondelange, Hügel 24 (F) X X X

    29 Numana-Sirolo, c. 4 (I) X2 X X X X ♀  Lt A–B30 Bad Dürkheim (D) X ? X X X X

    31 Waldalgesheim (D) X X X X X X

    32 Besseringen (D) X X X

    34 Beine-Nauroy, "L'Argentelle", Gr. 1 (F) X X X X

    37 Juniville, Grab 3 (F) X X X X X X

    35 Bucy-le-Long (F) X X X X

    36 Bucy-le-Long (F) X X X X

    33 Beine-Nauroy, "Les Commelles" (F) X X X X X X

    40 Sommepy (F) X X X

    41 Sberchamps (B) X X

    42 Warmifontaine (B) X X X X

    39 Murigny (F) X X X X ♀+K38 Livry-Louvercy (F) X X X ♀

    Abb. 6a. Kombinationstabelle der hallstatt- und frühlatènezeitlichen Frauengräber mit Wagenbeigabe oder der Bei-gabe von paarigem Zaumzeug (letztere in Auswahl; Italien nach Woytowitsch 1978 u. Amann 2000); a: Vierradwagen, b: Zweiradwagen, c: Zaumzeug, d: Bronzegefäß, e: 2 und mehr Bronzegefäße, f: Import (Metallgefäß, Keramik, Schmuck,Doppelnennungen mit d und e möglich), g: komplexer Goldschmuck, h: Goldschmuck: 1–2 Stück, i: Bronzeschmuck,k: Schmuck aus anderen Materialien (Eisen, Bernstein, Koralle, Lignit, etc.), l: Amulett (auch Gehänge), m: Keramik, n: Sons-

    tiges: Eisenmesser, Wetzstein, Beil, Textilien, Pyxiden, Spiegel, Bratspieße (Italien), etc., o: Fleischbeigabe, p: Spinnwirtel,q: anthropologische Untersuchung.

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    21/40

     betrachtet weisen die Wagenbestattungen von Frau-en der westlichen Späthallstattkultur jedoch unter-schiedliche Ausstattungen auf (Abb. 6a), nicht im-

    mer sind goldene Trachtaccessoires vorhanden, sofehlen sie in Creney bei Troyes, Grandvillar Hügel1919 oder in Mondelange „Schemerten“ im Elsass.Dies stellt eine Übereinstimmung mit den älteren

    Wagengräbern im östlichen Süddeutschland undBöhmen dar.Grundsätzlich zählt jedoch Gold zu den wesentlichen

    Charakteristika späthallstattzeitlicher Prunkgräbervon Männern und Frauen (Abb. 6a; 6b; Listen 1–4).Dies verdeutlicht die Kartierung Abb. 5, die weibli-che Prunkbestattungen der späten Hallstattzeit nach

    251Wagen- und Prunkbestattungen von Frauen der Hallstatt- und frühen Latènezeit in Europa

    Fundort d e f g h i k l m n o p q

    Ha C–D145 Magdalensko gora-Preloge, 2/p (SLO) X X

    44 Hallstatt, Grab 501 (A) X X

    44 Hallstatt, Grab 660 (A) X X X X

    44 Hallstatt, Grab 778 (A) X X X X X

    14 Kleinklein, Höchschusterwald 2 (A) X X X X X

    45 Magdalenska gora-Preloge, 13/101 (SLO) X X X

    44 Hallstatt, Grab 495 (A) X X X X X X X

    44 Hallstatt, Grab 569 (A) X X X X X X

    44 Hallstatt, Grab 599 (A) X X X X X

    43 Pécs-Jakabhegy, Tum. 26 (H) X X X X X

    46 Novo Mesto, Kapiteljska njiva, V/35 (SLO) X X X X X

    45 Magdalenska gora-Preloge, 2/2a (SLO) X X X X X

    44 Hallstatt, Grab 505 (A) X X X X X X

    Ha D2–347 Dürrnberg, Eislfeld, Grab 61/1 (A) X X X X ♀47 Dürrnberg. Eislfeld, Grab 68/2 (A) X X X X ♀10 Ertingen, "Rauher Lehen" (D) X X X X

    47 Dürrnberg, Eislfeld, Grab 73 (A) X X X X X X ♀48 Conliège, "Croix-des-Monceaux", Tum. VI (F) X X X? X X

    47 Dürrnberg, Eislfeld, Grab 59 (A) X X X X X X ♀50 Herbertingen-Hundersingen, Talhau 4/3 (D) X X X

    49 Gurgy, "La Picardie", V/61 (F) X X X X X

    49 Gurgy, "La Picardie", ciste II (F) X X X X X

    51 Esslingen-Sirnau, Grab 1 (D) X X X X

    52 Ditzingen-Schöckingen (D) X X X X

    53 Mühlacker, Hügel 10/1 (D) X X X X ♀55 Nordhouse, Hügel 1992 (F) X X X X ♀56 Stična, Tum. 48/27 (SLO) X X X X ♀45 Magdalenska gora-Preloge, T. 13/117 (SLO) X X X X

    54 Wallerfangen (D) X X X53 Mühlacker, Hügel 4/1 (D) X X X ♀53 Mühlacker, Hügel 4/2 (D) X X X ♀

      Lt A–B57 Horath "Kaisergarten", Tum. 12 (D) X X X

    63 Mannersdorf, Grab 13 (A) X X X X X ♀58 Bescheid, "Bei den Hübeln" Tum. 9 (D) X X X X Kind

    62 Bourges (F) X X X X

    60 Worms-Herrnsheim, Grab 1 (D) X X X X X X

    60 Worms-Herrnsheim, Grab 2 (D) X X

    64 Saint-Geneviève-des-Bois, Grab 2 (F) ? X X X X ♂?65 S. Paolina di Filottrano II (I) X X X X X X

    59 Kleinaspergle (D) X X X X X

    61 Reinheim, Grab A (D) X X X X X X

    66 Montefortina, Grab 8 (I) X X X X X

    66 Montefortina, Grab 23 (I) X X X X

    Abb. 6b. Kombinationstabelle der hallstatt- und frühlatènezeitlichen Frauengräber mit Metallgeschirr und reichem Schmuck;ergänzt: späthallstattzeitliche Gräber mit Goldschmuck in Auswahl; ohne frühlatènezeitliche Gräber mit 1–2 Ohrringen(siehe Katalog).

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    22/40

    75 Dazu neben Joffroy 1954; ders. 1958 vor allem Chaume 1997a; ders. 1997b; Rolley 2003.76 Joffroy 1958, 72.77 So wird Grab 88 „am Hallersbühel“ vom Dürrnberg von Moosleitner (Moosleitner u. a. 1974, 57 f. Taf. 154) nicht als geschlossen aner -

    kannt, obwohl eine alte Zeichnung des in situ-Befundes die Kopplung von Frauenschmuck und in diesem Fall einem prunkvollen Lappen- beil, das auf der Brust der Toten deponiert war, dokumentiert.

    78 Pauli 1988/89; Krausse 1999.79 Osborne 1993; religiöse Ämter und Funktionen in Rom: Scheid 1993, bes. 419 ff. Frauen spielten mit Ausnahme der Vestalinnen im rö-

    mischen Kultgeschehen keine Rolle und waren sogar vom Opfergeschehen weitgehend ausgeschlossen; in diesem Punkt wenig erhellend:Gardner 1995.

    80 Dazu Amann 2000, 49–53. Zwei Beile kommen u. a. vor in: Tarquinia-Monterozzi, Grab 8/1883; Tarquinia-Monterozzi, Grab „Cassa witha Bronze Spindle”; Roselle Dal Terze, Grab a.1959; Bologna-Melenzani, Grab 63. Es handelt sich um Gräber der 2. Hälfte des 8. bis Mittedes 7. Jh. v. Chr.; zur Stellung der Frau im religiösen System der Etrusker ebenfalls Amann 2000, 207 ff., u. a. dort sowie bei Gardner 1995,

    272 Anm. 89 der Hinweis auf das Anrecht der römischen Vestalinnen auf einen Liktor, hierin möglicherweise Nachleben der Symbolikder Axt. Direkte Hinweise in inschriftlichen und literarischen Zeugnissen über Blutopfer von Frauen fehlen auch bei den Etruskern. – Zu bildlichen Darstellungen von Opferszenen durch Frauen im Ostalpenraum und in Norditalien: Eibner 2000/01, 129 ff., hier gedeutet als priesterliche Funktion der Frauen. Zu Darstellungen von Wagen fahrenden Frauen im gleichen Kulturgebiet: ebd. 126 ff. sowie Teržan2001.

    Ausstattungsgruppen getrennt darstellt. Die obersteKategorie mit Gräbern mit Wagen, Metallgefäßenund Goldschmuck (Typ Vix) zeigt eine signikanteKonzentration im Umkreis des Mont Lassois in Bur -gund75. Neben der Prunkbestattung von Vix, Tumu-lus 1 haben noch zwei weitere Hügelgräber – Sainte-

    Colombe „La Butte“ und „de la Garenne“ – hervor-ragend reich ausgestattete Wagengräber von Frauenerbracht. Im Tumulus von Sainte-Colombe „de laGarenne“ blieben neben Wagenteilen Fibeln loka-len Typs und vor allem ein Greifenprotomenkesselmit einem italischen Dreifuß erhalten. Tumulus „LaButte“ barg die Körperbestattung einer laut anthro- pologischer Analyse 30 bis 40 Jahre alten Frau76. Siewar neben einem vierrädrigen Wagen mit exzeptio-nellem Goldschmuck und bemerkenswerterweise u.a. mit zwei eisernen Äxten bestattet worden (Abb. 7).Diese im Regelfall männlich konnotierten Beigaben77 

    künden von der besonderen Kompetenz der Bestat-

    teten, da sie mit Schlacht- bzw. Opfertätigkeiten inVerbindung gebracht werden können78. Das blutigeOpfer war in der Antike sowohl in Griechenland alsauch bei den Römern bekanntlich mit Männern asso-ziiert79. In Etrurien sind Opferbeile dagegen auch inFrauengräbern seit dem 8. Jh. v. Chr. bekannt80.

     Blick nach Italien

    Wie sind die hier kurz skizzierten außergewöhnli-chen Befunde zu deuten, und wie kann das erstmalsvon Biljana Schmid-Sikimić noch vorsichtig formu-lierte Phänomen statustragender Frauen einem bes-seren Verständnis zugeführt werden? Der Schlüsselliegt in einer sich formierenden Adelsgesellschaftoder, um einen wertneutraleren Begriff zu verwen-den, in einer sich in der älteren Eisenzeit abzeich-nenden Verstetigung der bestehenden Machtverhält-

    nisse in den Händen einzelner Familien, was hier am

    Carola Metzner-Nebelsick 252

    Abb. 7. Sainte-Colombe „La Butte“. Auswahl des Inventars. Goldschmuck und eiserne Beile. 1–4 M. 1:2 (UmzeichnungD. Dahlmanns, nach Joffroy 1958; Kat. Paris 1987).

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    23/40

    Beispiel Mittel- und Westeuropas gezeigt werdenkann81. Dabei zeichnen sich durch auffällige Fund-konzentrationen lokale Zentren in der Schweiz, imoberen Seinetal in Burgund oder für die ältere und jüngere Hallstattzeit im nordöstlichen Süddeutsch-

    land ab. Insbesondere in der Umgebung von Vix, wosich den genannten Fürstinnengräbern bislang keineeinzige vergleichbar ausgestattete Männerbestat-tung an die Seite stellen lässt, werden zudem sozialeKonstellationen erahnbar, die das bis heute für dieHallstattzeit vermittelte Bild einer androzentrischenMachtausübung in einem etwas differenzierterenLicht erscheinen lassen. Dazu ist in meinen Augender Blick nach Italien aufschlussreich, der in derHallstattforschung zwar stets im Fokus der Betrach-tung stand, jedoch mit wenigen Ausnahmen, wie denArbeiten Biba Teržans und Alexandrine Eibners überdie östliche Hallstattkultur, die Perspektive der Frau-en weitgehend unberücksichtigt ließ82.Die Anfänge einer sepulkralen Prunkentfaltung des beschriebenen Musters mit Wagenbeigabe und rei-chem Schmuck sowie Metallgefäßen liegen in denGräbern des orientalisierenden Horizonts. In Etrurienist die Wagenbeigabe in Frauengräbern in der zwei-ten Hälfte des 8. Jh. v. Chr. erstmals nachgewiesen83.Das bekannteste und reichste ist die Hauptbestat-tung aus der Tomba Regolini-Galassi aus der Sorbo- Nekropole in Caere/Cerveteri aus der 1. Hälfte des

    7. Jh. v. Chr. Die hier mit prunkvollen Beigaben, wiegoldenem und silbernem Schmuck, einer Spindel,einem umfangreichen Geschirrsatz aus Silber, Bron-ze und Keramik sowie einem vierrädrigen Wagen bestattete Frau war Mitglied der etruskischen Aris-tokratie84. Die nahezu ausnahmslos zweirädrigenWagen in den etruskischen bzw. italischen Frauen-gräbern waren, wie der seltenere Typ des Vierrad-wagens (Abb. 1) aus der Tomba Regolini-Galassi,Symbol einer sich auch im sepulkralen Kontextmanifestierenden gehobenen sozialen Position die-ser Frauen. Die privilegierte Stellung schloss die

    Möglichkeit ein, sich im öffentlichen Raum adäquatzu bewegen. Die Beigabe von statusdenierendemGerät wie Garnspulen, Webgewichten oder Spindelnstellt hier einen mit Mitterkirchen oder mit reichenostalpinen Frauenbestattungen vergleichbaren Be-

    fund dar, und kennzeichnet nördlich wie südlich derAlpen die hoch stehende Frau, die Herrin über einenherrschaftlichen Haushalt bzw. oikos, die gleichzei-tig auch rituelle Funktionen innehatte.Petra Amann hat in ihrer Studie über die Etruskerin

    versucht, das Phänomen der reichen Frauengräber inEtrurien – in der Regel sind dies Wagenbestattungenmit Metall- und griechischem Importgeschirr sowieaufwendigem Schmuck – als Reex der etruskischenAdelsgesellschaft zu deuten. Sie schreibt: „ Das Fun-dament der herrschenden principes ist die gentili-

     zische Familienstruktur, privater und öffentlicher

     Bereich verschmelzen miteinander, fürstlicher oikos

    und Staat sind untrennbar miteinander verbunden.

     In diesem Rahmen kommt auch der Frau ihre reprä-

     sentative Rolle zu, sie ist Garantin von Prosperität

    und Kontinuität, wenn auch nicht gleichberechtigt,

     so doch wichtiges Mitglied der Familie.“85 Amanns Analyse bezieht sich auf eine Gesell-schaft, in der mit den entstehenden Stadtstaaten ei-ner schriftführenden Kultur andere Bedingungenherrschten als in den nordalpinen Gesellschaften des1. Jahrtausends v. Chr. Gleichwohl gilt der zentraleGedanke der entscheidenden Bedeutung einer nichtvollzogenen Trennung zwischen öffentlichem und privatem Bereich auch für sie. Es ist naheliegend,dass im Zuge der Anziehungskraft, die italische Le- bensart auf die Hallstattkultur nördlich der Alpen

    ausübte, und die durch vielfältige Fundkartierungen belegbar ist86, auch soziale Modelle, in denen Frauenin stärkerem Maße an öffentlichen Aktivitäten parti-zipierten, in Gebiete nördlich der Alpen gelangten.Die sich im Fundgut widerspiegelnde zeitliche Staf-felung der Verteilung der Wagenbestattungen vonFrauen trägt jener der italischen Kontakte allgemeinRechnung. So lassen sich bereits in der älteren Hall-stattzeit (Ha C1) rege Verbindungen zwischen Ober -italien und dem Ostalpenraum in Tracht und Brauch-tum belegen87. Es ist zu vermuten, dass das bisherälteste Wagengrab einer Frau aus Mitterkirchen ei-

    nem italischen Einuss geschuldet ist. Die Gemein-schaft, die in der bislang noch nicht publiziertenElitennekropole von Mitterkirchen bestattet hat, wardurch die Nähe zu dem wichtigsten west-östlichenKontaktweg Europas, der Donau, vermutlich ein

    253Wagen- und Prunkbestattungen von Frauen der Hallstatt- und frühen Latènezeit in Europa

    81 Verger 1995; Milcent 2003b, 325 zieht im Fall Vix sogar die Möglichkeit einer über mehrere Generationen herrschenden Familie („unecontinuité constitutive des lineages aristocratiques“) in Erwägung.

    82 Teržan vor allem 1996; dies. 2001; Eibner 2000/01; zuletzt zusammenfassend und mit Bezug auf das homerische Griechenland Metzner- Nebelsick 2007, 708 ff.

    83 Amann 2000, 66 ff.84 Paretti 1947; Sprenger/Bartoloni 1990, Taf. 18–20; eine kurze Auistung liefert Amann 2000, 214; es nden sich auch drei Bernsteinan-

    hänger als Teil des Schmuckinventars. Die Zuordnung des Vierradwagens in der Vorkammer zu der weiblichen Hauptbestattung durch

    G. Colonna und E. Di Paolo (1997, 157) revidierte die vormalige männliche Zuschreibung, dazu ausführlich Amann 2000, 214.85 Amann 2000, 210.86 Ein besonders prägnanter bildlicher Ausdruck dieser Verbindungen ist die Situlenkunst; zu deren Verbreitung zuletzt Turk 2005.87 So z. B. in ähnlichen Trachtsitten der Männer und Frauen, der Beigabe von Webutensilien, keramischem Formgut etc.; stellvertretend für

    die ältere Forschung siehe von Merhart 1969; ferner u. a. zur Tracht: Carancini 1975; Pare 1998.

  • 8/17/2019 Carola-Wagen-_und_Prunkbestattungen_von_Frauen_2009.pdf

    24/40

    88 Pare 1992, 68 Abb. 62; 82 ff. Zwar sind die Naben vom Typ Vix und Ca’Morta beide singulär, in der Gruppe vielfältiger Möglichkeiten jedoch sehr ähnlich. Pare spricht dennoch von einer „distant parallel“.

    89 Siehe Anhang; Krausse 2003 verwies bereits auf die sowohl in Numana-Sirolo als auch Vix beigegebene silberne Phiale. Diese Sitte, diein Männergräbern keine Entsprechung kennt, wird in der bereits frühlatènezeitlichen Prunkbestattung von Filottrano II (Anhang) wieder

    aufgegriffen.90 Amann 2000, u. a. 78 f.91 Zürn 1970, Taf. 36–56; Pauli 1972, bes. 113 f. Tab. 4; weitere sozialgeschichtliche Auswertung durch Kilian-Dirlmeier 1974.92 Alt u. a. 1995.93 Hummel u. a. 2005.

    entscheidender Informationsvermittler. Dabei ist die Nähe des keramischen Geschirrsatzes zu jenen derKalenderberger Gruppe mit dem ihr eigenen hohenStatus von Frauen zusätzlich von Bedeutung.Die italischen Verbindungen in der Späthallstattzeit

    sind verschiedentlich herausgestellt worden. AmBeispiel der Wagengräber von Frauen sind sie kon-kreter zu belegen. So lassen sich mit Vix, Ca’MortaGrab von 1928 und Numana-Sirolo Grab 4 in einemZeithorizont drei Prunkgräber von Frauen zwischender Region Marche und Burgund benennen, die wiean einer Kette positioniert sind und aufgrund vonDetails der Ausstattung auch auf direkte Kontakteder die Frauen bestattenden Gemeinschaften schlie-ßen lassen. Im Fall von Vix und Ca’Morta sind esKonstruktionsdetails der Radnaben der Wagen88;für Vix und Numana-Sirolo die Beigabe von (ita-lischem) Bronzegeschirr, einem Wagen sowie vorallem einer silbernen Spendeschale89. Die Lage derGräber gibt die Richtung des Kontaktweges über dasTessin suggestiv vor. Die Frau aus Numana-Sirolowurde, angetan mit einer Flut an Fibeln und Tracht-schmuck, auf einem zweirädrigen Sitzwagen liegend bestattet. In der Kammer befand sich ein zweiter alsStreitwagen angesprochener Zweiradwagen.

    Im Unterschied zu der für Etrurien von Petra Amann betont patriarchalisch und patrilinear rekonstruierten

    Gesellschaft, in der Frauen jedoch als mater famili-as – als Gründermutter einer Adelsfamilie – einenhohen Status innehatten90, können wir aufgrund desarchäologischen Befunds nördlich der Alpen zu-mindest in einzelnen Fällen von sozialen Strukturenausgehen, die Frauen einen höheren Status beima-ßen als in Italien. Anlass zu dieser Vermutung gebendie besprochenen Frauengräber im Umkreis von Vixoder in der Schweiz sowie die in der Hallstattzeiterstmals auftretenden Zentralbestattungen von Frau-en in Grabhügeln.In einigen dieser Nekropolen mit mehreren weib-

    lichen Zentralbestattungen fehlt es an gleichwertigreich ausgestatteten Männergräbern, so z. B. in demHügelgräberfeld von Mühlacker in Baden-Württem- berg. Dieser Befund inspirierte in den 1970er JahrenLudwig Pauli zu der Annahme, hinter dieser Bestat-tungssitte den materiellen Niederschlag matrilinea-rer Erbstrukturen zu vermuten91.

     Neue Untersuchungen im Rahmen eines archäolo-gisch-paläogenetischen Pilotprojekts zur sozialhis-torischen Deutung späthallstattzeitlicher Elitegräberscheinen nun zu zeigen, dass die beiden männlichenIndividuen aus den zu den reichsten Bestattun-

    gen des 6. Jh. v. Chr. gehörenden Grabhügeln vonHochdorf und dem Grafenbühl hochwahrscheinlichderselben mütterlichen Familienlinie entstammten.Eine weitere Untersuchung liegt für das hallstatt-zeitliche Gräberfeld von Dattingen vor, für das ma-trilokale Strukturen zu vermuten sind92. Bestätigtensich diese ersten, nicht das gesamte Potenzial geneti-scher Untersuchungen ausschöpfenden Ergebnisse93, bedeutete dies nicht nur den Nachweis einer erbdy-nastisch organisierten (Adels)Gesellschaft, sondernzumindest in einem Fall auch den Beleg matrilinea-rer Erbstrukturen für eine Kernzone des westlichenHallstattkreises.Im Rahmen des begrenzten Umfanges dieses Artikelskönnen nicht alle Prunkgräber von Frauen der Hall-stattzeit behandelt werden. Es sei jedoch noch einmal betont, dass die Wagenbeigabe neben naturräumlich bedingten Faktoren (z. B. Fehlen im inneralpinenBereich) vor allem Ausdruck kultureller Traditionenist und ihr Fehlen im Beigabenkanon somit nicht a priori als Zeichen minderen Status gewertet werdendarf. Die Beispiele der zentralalpinen GräberfelderHallstatt und Dürrnberg mit einem hohen Anteil

    reich ausgestatteter Frauengräber, die wie Männer-gräber bronzenes Prunkgeschirr sowie zusätzlich au-ßergewöhnlichen, teils goldenen Schmuck enthaltenkonnten (Abb. 6b; Liste 3 im Anhang), verdeutlichenden hohen Rang einzelner Frauen auch hier.

    Wagenbestattungen von Frauen der frühen Latène-

     zeit 

    In der frühen Latènezeit des 5.–4. Jh. v. Chr. lässtsich analog zur Hallstattzeit das Phänomen Wagenfahrender Frauen weiterhin nachweisen. Wieder ge-

    hören diese Frauengräber zu den reichsten der ge-samten Epoche überhaupt. Allerdings hat sich derWagentyp mit dem zweirädrigen, aus Italien abzu-leitenden Streitwagen grundsätzlich geändert. Alstypologischer Brücke