Castanea sativa ILLER AERTNER - application.wiley-vch.de · Castanea sativa III-2 Enzyklopädie der...

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Castanea sativa III-2 Enzyklopädie der Holzgewächse – 14. Erg.Lfg. 12/98 1 Castanea sativa MILLER, 1768 syn.: Castanea vesca GAERTNER, Castanea vulgaris LAM., Fagus castanea L. Eßkastanie, Edelkastanie Familie: Fagaceae Unterfamilie: Castanoideae engl.: Sweet chestnut franz.: Chatâignier commun ital.: Castagno span.: Castaño regoldo Abb. 1: Castanea sativa. Freistehender Altbaum

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Castanea sativaIII-2

Enzyklopädie der Holzgewächse – 14. Erg.Lfg. 12/98 1

Castanea sativa MILLER, 1768

syn.: Castanea vesca GAERTNER, Castanea vulgaris LAM., Fagus castanea L.

Eßkastanie, Edelkastanie Familie: FagaceaeUnterfamilie: Castanoideae

engl.: Sweet chestnutfranz.: Chatâignier communital.: Castagnospan.: Castaño regoldo

Abb. 1: Castanea sativa. Freistehender Altbaum

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Castanea sativa, eine laubabwerfende Baumart des Mittel-meerraumes mit breiter Krone und kräftigem Stamm, istauch nördlich der Alpen weitgehend frosthart und alsstattlicher Parkbaum wohlbekannt. Im Süden wird sieteils im Niederwald bewirtschaftet und dient dann derHolzproduktion, oder man kultiviert sie in lückigen Be-ständen und erntet die eßbaren Früchte. Diese werden beider Wildform zu Mehl verarbeitet, bei einfrüchtigenZuchtsorten aber als „Maroni“ angeboten.

C. sativa ist die einzige Castanea-Art Europas. Seit demAltertum steht sie in so vielen Ländern in Kultur, daß manheute die Grenzen ihres natürlichen Areals nicht mehr re-konstruieren kann.

Seit einigen Jahrzehnten wird sie von Cryphonectria para-sitica, einem aggressiven Rindenparasiten, befallen, deraus Amerika eingeschleppt worden war und ganze Be-stände vernichtet. An ihm beginnt sich ein neues Verfah-ren der biologischen Bekämpfung zu bewähren, welchesdie Verdrängung der vorhandenen virulenten durch eineeingebrachte hypovirulente Erregerrasse bewirkt.

Verbreitung

C. sativa ist mit Sicherheit eine Baumart des südlichenEuropa. Weil sie aber seit langer Zeit im Mittelmeergebietangebaut wird, läßt sich der genaue Grenzverlauf ihresnatürlichen Areals nicht angeben. Pyrenäen und Alpen bil-den die Nordgrenze, ebenso die Bosnischen Gebirge, dasRhodopen-Gebirge und der Kaukasus [5, 11].

Die vertikale Verbreitung ist durch die Zugehörigkeit derArt zur Klimazone des Castanetum im Sinne von MAYR,von PAVARI und DE PHILIPPIS gekennzeichnet [17, 21]:

Alpen: 200 - 1000 mApennin: bis 1000 mSardinien, Sizilien: 1500 mSpanien: 1600 mKaukasus: 1800 m

Gegenwärtig kommt C. sativa spontan in einem riesigen,jedoch nicht zusammenhängenden Gebiet rings um dasMittelmeer vor, das von Portugal bis zur Türkei (Taurus-Gebirge) und von den Kanarischen Inseln bis nach Alge-rien (Tell-Atlas) reicht.

40°

50°

0°10° 10° 20° 30°20°30°40°50°60°70° 40° 50° 60° 70° 80° 90° 100°

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A t l a n t i k

Abb. 2: Natürliches und künstliches Verbreitungsgebiet (• = Einzelvorkommen)

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In Kultur steht die Art in Süd- und Westeuropa, spora-disch sogar in Großbritannien, Deutschland und im südli-chen Skandinavien. Außerhalb Europas sind Anbautenauf Madagaskar und den Philippinen, in Japan, den USA,Mexiko und Chile bekannt [15].

Nördlich des 48. bis 50. Breitengrades fruktifizieren Edel-kastanien nicht regelmäßig und werden hauptsächlich alsParkbaum kultiviert.

Beschreibung

Im Mittel werden Eßkastanien 20 bis 25 m, maximal 35 mhoch und erreichen i. a. Stammdurchmesser (BHD) von1 bis 2 m, sehr alte Bäume sogar von 4, im Extrem von6 m. Sie haben gerade, kräftige Stämme, die sich oft schonin geringer Höhe verzweigen, aber nur wenige starke Ästebilden. Die ebenfalls geraden, aus Stockausschlägen ent-standenen Stämme haben einen sehr gleichmäßigen Auf-bau [32], während stark fruktifizierende Sorten eher ge-drungen erscheinen und Stammdurchmesser bis zu 3 m er-reichen [6, 11]. Alte Stämme sind infolge Pilzbefalls ofthohl.

Die typischen, weit ausladenden Kastanienkronen sindvon rundlicher Form und weisen zahlreiche gabelförmigeVerzweigungen auf [9]. Es werden Lang- und Kurztriebegebildet.

Eßkastanien werden 500 bis 600 Jahre alt. Eines der älte-sten Exemplare (geschätzt: 2000 Jahre) wächst am Nord-hang des Ätna, besteht aus 5 Stämmen, nimmt einen Kro-nenumfang von 56 m ein und ist unter dem Namen „Ka-stanie der 100 Pferde“ bekannt. Man sagt, 100 Pferdekönnen unter ihrer Krone Schutz finden [25].

Knospen, Blätter und junge Triebe

Die rötlichen, etwa 8 bis 10 mm langen, etwas gestauch-ten Winterknospen haben 2 bis 3 Tegmente, einen abge-rundeten Apex und stehen entweder einzeln an der Trieb-spitze oder (als Seitenknospen) spiralig verteilt entlang derTriebe. C. sativa verzweigt sich sympodial. Nachdem dieTerminalknospen im Herbst absterben, setzt die nächsttiefer inserierte Seitenknospe das Längenwachstum desTriebes im Frühjahr fort.

Durch eine Drehung der Blattstiele kann die spiralige An-ordnung der Blätter zweizeilig erscheinen. Beim Austrieb(Ende April/Anfang Mai) spärlich behaart, verkahlen dieBlätter bald danach. Ihre Abmaße betragen: Länge 12 bis20 cm, Breite 3 bis 6 cm, Blattstiel 1,5 bis 2,5 cm. An derBasis befinden sich zwei lineare, 15 bis 20 mm lange Ne-benblätter, die schon früh abfallen.

Die elliptische bis lanzeolate Blattspreite läuft in einemkurz zugespitzen Apex und in einer rundlichen bis leichtkeilförmigen Basis aus.

Abb. 3: Junger Trieb mit Winterknospen und Blattansätzen

Abb. 4: Gemischtgeschlechtiger Blütenstand (links) undZweigrinde mit Lenticellen

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Der Blattrand ist gezähnt oder gekerbt, wobei die Zähnein einer winzigen, zum Apex gerichteten Spitze enden.Normalerweise läuft in jedem Zahn eine Blattader aus.Die etwas ledrigen Blätter sind oberseits glänzend tiefgrünund kahl, auf der helleren Unterseite treten die 12 bis 20Adernpaare deutlich hervor. Im Herbst werden sie gelb-braun, kurz vor dem Abfallen braun.

An den jungen, hell rotbraunen Zweigen fallen die zahl-reichen runden oder elliptischen, weißlichen Lenticellenauf. Die Rinde junger Triebe hat einen Reifbelag von un-terschiedlicher Stärke, welcher bei den Ertragssorten spä-ter verschwindet. Sie ist außerdem bedeckt mit leicht erha-benen, dreieckigen Blattnarben, in denen drei Gruppenvon Bündelspuren erkennbar sind. Die Zweige enthaltenein im Querschnitt fünf- gelegentlich auch dreieckiges,braunes Mark.

Blüten und Früchte

Die eingeschlechtigen Blüten sind monoezisch verteilt undstehen an aufrechten, ca. 20 bis 25 cm langen, gelben, kätz-chenartigen Blütenständen, die entweder zweigeschlechtigoder rein männlich sind.

Männliche Infloreszenzen entstehen am Grunde jungerTriebe und setzen sich aus ca. 40 köpfchenartigen Teil-blütenständen mit je 7 Blüten zusammen, die perlschnur-artig an einer langen, beweglichen Achse aufgereiht sind.Zweigeschlechtige Infloreszenzen sind komplexer aufge-baut: achselständige Cymen am Grunde des Kätzchensenthalten drei weibliche Blüten, umgeben von einerschuppigen Scheide, welche sich später zum Fruchtbecher(Cupula) entwickelt. Die Teilinfloreszenzen (Durchm.: ca.5 mm) im oberen Bereich des Kätzchens haben hingegennur zwei männliche Blüten. Stets entspringen die ge-mischtgeschlechtigen Blütenstände der Spitzenregion dies-jähriger Triebe und tragen 1 bis 4 weibliche sowie 15 bis20 männliche Cymen [26].

Die Einzelblüten sind in der Anlage zwittrig und differen-zieren sich erst später zu rein männlichen Blüten, denendas Ovar fehlt oder zu rein weiblichen, bei denen dieStaubblätter nicht voll entwickelt sind. � Blüten habenein 6zähliges Perigon, 8 bis 12 Staubblätter mit sehr vie-len, intensiv duftenden Pollen (Trimethylamin). � Blütenweisen ebenfalls ein 6zähliges, ca. 2 mm langes, behaartesPerigon auf, dazu einen unterständigen, 6- bis 8fächerigenFruchtknoten sowie 4 bis 9 relativ starre, am Grunde be-haarte Griffel.

C. sativa blüht im Juni. Die männlichen Blüten werdenschon im Frühsommer des Vorjahres angelegt. Es findet so-wohl Wind- wie Insektenbestäubung statt. Letztere wird zuetwa 60 % durch Käfer vollzogen, welche durch den Tri-methylamin-Geruch angezogen werden. Es herrscht Prote-randrie, und fertile Früchte entstehen nur nach Fremd-bestäubung.

Abb. 5: Beblätterter Zweig mit Blütenständen und jungenFrüchten (Foto: Ulla M. Lang)

Abb. 6: Reife Früchte (Kastanien), z. T. noch innerhalbder Cupula

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Die Früchte, glänzend dunkelbraune Nüsse, werden voneinem intensiv bestachelten Fruchtbecher umgeben. Dieflexiblen Stacheln sind anfangs grün und bei Reife(Herbst des 1. Jahres) gelblich braun. Bei der Wildformmißt die Cupula 5 bis 6 cm im Durchmesser, bei Kultur-sorten bis zu 10 cm [5]. Bei Vollreife öffnet sie sich mit4 Klappen und entläßt 1 bis 3 Früchte mit glattem, ledri-gem, homogen braunem oder etwas gestreiftem Perikarp.Am Grunde jeder Frucht befindet sich ein weißliches Hi-lum, am Apex eine kleine Spitze, im Inneren ein behaar-tes Endokarp.

Die von einer häutigen Schale umgebenen Samen spei-chern Reservestoffe (vorwiegend Stärke) in zwei elfenbein-farbenen Kotyledonen. Mit etwa 25 bis 35 Jahren begin-nen die Bäume zu fruktifizieren. Vögel und Nager beteili-gen sich an der Verbreitung.

Borke und Holz

Die rötlich braune Rinde junger Äste ist glatt und hatquer verlaufende, kleine, weißliche Lenticellen. Auch beijungen Stämmen ist sie zunächst noch glatt, aber silber-grau gefärbt. Später wird sie graubraun, reißt allmählichauf und entwickelt sich zu einer sehr dicken, in langenund breiten, erhabenen Streifen meist spiralig um den(drehwüchsigen) Stamm verlaufenden Borke. In 99 % al-ler Fälle verläuft die Spirale linksdrehend [20]. Kastanien-borke ist reich an Gerbstoffen (Tanningehalt 4 bis 12 %des Trockengewichtes).

Das ringporige, mittelschwere Holz hat eine Rohdichte(r15) von 0,63 g/cm3: Der meist schmale, weißlich gelbeSplint setzt sich deutlich von dem braunen, mitunterdunkler gestreiften Kern ab, und die Jahrringe sind gut zuerkennen. Die zahlreichen, homogen aufgebauten, ein-oder zweireihigen Holzstrahlen können 15 bis 30 Zellrei-hen hoch werden. Sie sind mit bloßem Auge nicht wahr-zunehmen. Im Querschnitt rufen sie eine geflammteZeichnung hervor – ein Kriterium, um Kastanien- vonEichenholz zu unterscheiden [15]. Bemerkenswert ist derhohe Tanningehalt des Holzes (bis 13 % des Trockenge-wichtes). Die holzphysikalischen Kennziffern lauten [15]:

Druckfestigkeit, achsial 50 N / mm2

Zugfestigkeit 132 N / mm2

Biegefestigkeit 76 N / mm2

Elastizitätsmodul 11 400 N / mm2

Schwindung (Volumen) ca. 11,3 %

Das Holz ist relativ dauerhaft, insbesondere unter Wasser,wird aber leicht abgebaut, wenn es größeren Schwankun-gen der Luftfeuchte ausgesetzt ist. Zu den häufigstenHolzfehlern gehören radiale Risse und sog. Ringrisse, diedurch Jahrringausfälle entstehen.

Abb. 7: Borke eines drehwüchsigen Stammes (Foto: P. Schütt)

Abb. 8: Stammlängsschnitte (rechts präpariert) (Foto: Ulla M. Lang)

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Wurzeln

Edelkastanien haben ein sehr kräftiges Wurzelsystem miteiner Pfahlwurzel, die jedoch nicht tief in den Boden ein-dringt. Die relativ wenigen Seitenwurzeln sind intensivverzweigt, schließen den Boden sowohl vertikal wie hori-zontal gut auf und sorgen für eine feste Verankerung.

Sämlinge entwickeln bereits im 1. Jahr eine starke, 30 bis40 cm lange Pfahlwurzel, im 2. und 3. Jahr dann dieersten Lateralwurzeln. Besonders in sauren Substraten ge-hen die Feinwurzeln zahlreiche Ektomykorrhiza-Symbio-sen mit Pilzarten der Gattungen Amanita, Lactarius, Bole-tus und Russula ein [19, 24].

Anzucht, Wachstum und Entwicklung

C. sativa keimt hypogäisch. Sie erreicht Keimraten bis zu90 %, entwickelt einfache, lanzettliche, am Apex spitz zu-laufende Primärblätter, von denen die beiden ersten einenunregelmäßig gewellten, die späteren einen grob gesägtenBlattrand aufweisen. Die Keimhemmung geht von Stoffenaus, welche in der äußeren Samenschale lokalisiert sindund ist leicht zu überwinden.

Die Art wird vegetativ und generativ vermehrt. Wegen dersehr intensiven Bildung von Stockausschlägen bewirt-schaftet man sie hauptsächlich im Niederwaldbetrieb miteinem oder zwei Umtrieben. Vor dem Abtrieb stehen auf700 bis 1200 Wurzelstöcken 3000 bis 6000 nutzbareStämme [5, 30]. Sehr viel seltener wird die Art zur Holz-oder zur Fruchtproduktion im Hochwald angezogen.Letzteres geschieht gelegentlich im Süden des Anbaugebie-tes und wird dann eher wie eine landwirtschaftliche Kul-tur mit regelmäßig wiederkehrenden Astungs-, Pfrop-fungs- und Sanierungsmaßnahmen betrieben. Hier liegendie Umtriebszeiten über 100 Jahren, und die Bestandes-dichte beträgt 25 bis 150 Bäume pro Hektar [31].

Ausgelöst durch den starken Krebsbefall hat man in die-sem Jahrhundert viele Hochwälder in weniger anfälligeNiederwälder umgewandelt.

Bestände zur Fruchtproduktion werden im Normalfall mit1- bis 2jährigen Sämlingen, seltener mit Wildlingen im 2 x2 m-Verband begründet. Zur Holznutzung vorgeseheneBestände entstehen durch Saat (3 bis 4 Früchte pro Pflanz-loch). Weder die Applikation von Nager-Repellents nochdie Verwendung vorgekeimter Früchte haben sich be-währt.

Bei Aussaaten in der Baumschule sind Reihenabständevon 15 bis 20 cm, Pflanzenabstände von 5 bis 6 cm undAussaattiefen von 4 bis 5 cm günstig. Dabei sollten dieFrüchte mit der Flachseite aufliegen.

Obwohl viele Früchte Jahr für Jahr von Tieren verzehrtwerden, verjüngt sich die Edelkastanie problemlos durchSamen. Zur künstlichen Vermehrung kann die Aussaat imwärmeren Klima gleich nach der Ernte (Herbst), im kaltenKlima besser im nächsten Frühjahr geschehen. Die Über-winterung des Saatgutes sollte bei geringer Luftfeuchte ingut belüfteten Mieten erfolgen, in denen eine SchichtFrüchte mit einer Schicht Sand oder Sägespäne abwech-selt. Sehr selten läßt sich das Saatgut länger als 6 bis 7Monate lagern [37].

Kultursorten vermehrt man durch Pfropfung. Stecklings-vermehrung stößt wegen der geringen natürlichen Bewur-zelungsfähigkeit allgemein auf Schwierigkeiten [14, 34].Etwas besser eignen sich Stecklinge von Adventivsprossen,aber auch sie bewurzeln sich nur im Juni/Juli und Okto-ber/November [27].

Als vorteilhaft erwies sich eine kombinierte Applikationvon IBA + PVP + Naphtol, Borsäure und Vitaminen in al-koholischer Lösung [27] sowie Behandlung der Triebbasismit Agrobacterium rhizogenis [30].

Ökologie

Edelkastanien sind an temperat-humide, ozeanische Klima-bedingungen und an saure Böden angepaßt. Nur aus-nahmsweise gedeihen sie auf kalkführenden Substraten[1]. Die Art ist wärmeliebend und gehört zu den submon-tanen, mediterranen Baumarten (sensu BRAUN-BLANQUET

[3]). Lagen mit Jahresmitteltemperaturen von +8 bis+15 °C und warme Herbstmonate sagen ihr besonders zu,vorausgesetzt, das Temperaturmittel liegt in mindestens6 Monaten höher als 10 °C. C. sativa ist extrem spätfrost-empfindlich und benötigt eine Wärmesumme (Tagesmit-telwerte) um 3600 °C, um sich gut zu entwickeln. Die ent-sprechenden Werte zur Beendigung der Winterruhe liegenbei 500 °C, zum Blühbeginn bei 700 °C und zur Frucht-reife bei ca. 2000 °C [9].

Hinsichtlich der Niederschläge stuft man C. sativa als me-sophil ein. Ungestörte Entwicklung ist im Bereich 600 bis1600 mm/Jahr zu erwarten. Andauernde Niederschlägeim Juni, dem Monat der Blüte, sind von Nachteil. Gene-rell gemieden werden dürregefährdete Lagen sowie Stand-orte mit stagnierender Nässe. Starke Schneefälle richtenoft Schäden in Fruchtplantagen an [22]. C. sativa zählt zuden Lichtbaumarten und wird mit zunehmender geogra-phischer Breite des Anbauortes lichtbedürftiger.

Innerhalb ihres ausgedehnten Verbreitungsgebietes kannman – analog zu den jeweiligen Klimabdingungen – dreiökologische Typen unterscheiden:

– Der atlantische Typ wächst in Regionen mit sehr ausge-glichenem Jahresklima. Es herrschen milde Winter (Mit-teltemperatur des kältesten Monats > 3 °C) und kühleSommer.

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Pathologie

Zwei pathogene Pilze können Einzelbäume und Beständeder Edelkastanie ernsthaft gefährden:

– Phytophthora cambivora BUISM. [25], Wurzelparasit undErreger der sogenannten Tintenkrankheit, infiziert vor-nehmlich Bäume auf frischen Böden. Mittels dunklerMycellappen dringt der Pilz von den Wurzeln zur Kronevor. Blattwelke, fehlende Fruchtbildung und Absterbender Krone von außen nach innen sind die Symptome.Mitunter schwarze Exsudate an der Stammbasis.

– Cryphonectria parasitica (MURR.) BARR. (syn.: Endothiaparasitica (MURR.) AND.), Erreger des Rindenkrebsesder Eßkastanie, infiziert über Wunden das Rindenge-webe von Stamm und Ästen und löst Krebsbildung aus.Pilzstämme mit normaler Virulenz verursachen dasAbsterben von Ästen und den Tod des Baumes. Hypo-virulente Stämme werden von den Wirtsbäumen abge-blockt. Mitunter entstehen unter den Stammkrebsenzahlreiche neue Triebe.

Insbesondere im Süden des Areals hat der Pilz zur Auf-lösung ganzer Bestände geführt. Neuerdings gelingt bio-logische Bekämpfung mit hypovirulenten Stämmen,welche ihre Anlage zu geringer Virulenz auf normaleStämme durch Anastomosen der Hyphen übertragen[23, 33].

Gemessen an diesen beiden Pathogenen ist der BlattparasitMycosphaerella maculiformis HUBN. wenig bedeutend. Erruft dunkle Blattflecken mit hellem Rand hervor und trittgewöhnlich im unteren Kronenbereich auf.

Unter den tierischen Schädlingen ist der Rüsselkäfer Ba-laninus elephas GYLL. erwähnenswert, dessen Larven sichinnerhalb der Früchte entwickeln, an den Kotyledonenfressen und durch ein Loch ins Freie gelangen. Carpo-capse splendoma beschädigt ebenfalls die Früchte durchFraß an Keimblättern und Fruchtwand.

Nutzung

Edelkastanien können auf vielfältige Weise genutzt wer-den. Holz aus Niederwäldern dient unter anderem alsBrennmaterial mittlerer Qualität. Es hat einen niedrigerenHeizwert als Buchen-, Eichen- und Lärchenholz und kni-stert beim Verbrennen. Stockausschläge geringeren Durch-messers verwendet man als Stöcke und Stangen in Gärtne-reien und Baumschulen. Weit größere Mengen dienenzunächst der Gerbstoffgewinnung und danach der Papier-produktion. Die früher übliche Herstellung von Holz-kohle ist heute nicht mehr rentabel.

– Der kontinentale Typ kommt in Gebirgen mit mittlerenJahrestemperaturen > +10 °C vor (Mitteltemperatur deskältesten Monats > -1 °C; Minimum -1 °C bis -4 °C). Esherrschen größere jahreszeitliche Temperaturdifferen-zen, auch größere Unterschiede zwischen Minima undMaxima. Sommer und Herbst sind sehr warm.

– Der mediterrane Typ dominiert im typischen Mittel-meerklima, vorausgesetzt, es fallen genügend Nieder-schläge zwischen Mai und September.

Edelkastanien wachsen besonders gut auf frischen, locke-ren und tiefgründigen Böden mit relativ hohem K- und P-Gehalt. Sofern es sich nicht um junge Böden handelt, derKalkgehalt 20 % nicht überschreitet und verfügbares Kund P vorliegt, kommen sie auch auf Kalkstandorten vor.Schwere, tonige Böden werden gemieden, phosphorreichevulkanische Standorte sind besonders gut geeignet. DieLaubstreu wird schnell abgebaut [8].

Genetische Differenzierung

Im Hinblick auf die Verwertung unterscheidet man zwi-schen Kastanien- und Maronen-produzierenden Bäumen[18]:

– C. sativa var. domestica eudomestica enthält pro Cu-pula 2 bis 4 Früchte mit dunkelbraunem, filzig behaar-tem Perikarp. Die ins Sameninnere reichende Testa um-schließt 2 bis 3 Keimblätter. Größe der Früchte: 2,5 bis3,5 cm lang, 3 bis 4 cm breit.

– C. sativa var. domestica macrocarpa mit 1 bis 2 großen,ovalen Früchten (Maronen) pro Cupula sowie einemblassen, mit dunklen Längsstreifen versehenen Perikarp.Die dünne Samenschale reicht nicht in das Innere desSamens hinein. Nur ein Keimblatt pro Samen [9, 25].Größe der Früchte: 3 bis 4 x 3,5 bis 4,5 cm.

Zur Holzerzeugung vorgesehene Cultivare haben exzel-lente Holzeigenschaften, sind raschwüchsig und bildenlange, ungeteilte Stämme. Zu ihnen gehört der Cultivar’Politora di Stozzema’ mit jährlichen Massenleistungenvon 11 m3/ha und monokormen, bis 20 m hohen Stäm-men [12].

Einige gärtnerisch genutzte Varietäten fallen durch abwei-chende Blattformen auf. Dazu gehören var. latifolia, var.asplenifolia (tief gelappte Blätter), var. prolifera mitschmalen, unterseits filzig behaarten Blättern und var. au-reomaculata (goldgelbe Streifen) [2].

An Artbastarden werden beschrieben: C. sativa x C. den-tata (= C. blaringhemii A. CAMUS), C. sativa x C. pumila(= A. pulchella A. CAMUS) sowie die gegen den Kastanien-krebs widerstandsfähige Kombination C. sativa x C. mol-lissima [16].

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Hochwald-Bestände und im langen Umtrieb bewirtschaf-tete Niederwälder erzeugen Bau- und Möbelholz sowieMaterial für Faßdauben. Unter günstigen Klimabedingun-gen beträgt der jährliche Massenzuwachs im Eßkastanien-Niederwald 22 m3/ha. Aus Deutschland liegen für einen123 Jahre alten Bestand folgende Daten vor: 526 m3/haGesamtmasse, 29,9 m2/ha Grundfläche und 11,4 m3/haJahreszuwachs [32].

Von wirtschaftlicher Bedeutung ist überdies die Frucht-produktion. Das gilt sowohl für die Wildform (Kastanien)wie für die selektierten, einfrüchtigen Maronen. Durch-schnittlich entstehen in Eßkastanien-Hainen 0,7 bis 1,0 tFrüchte verschiedener Größe pro Hektar und Jahr. DieseWerte können unter besonders günstigen Bedingungen bisauf 3 t/ha ansteigen. 1 kg Kastanien enthält i. a. 100 bis120, 1 kg Maronen nur 80 bis 90 Früchte [9].

Die Trockensubstanz der Früchte besteht zu 54 % ausStärke, zu 30 % aus Fasern und zu 7 % aus Proteinen.Unter den Mineralsalzen nimmt Kalium den mit Abstandgrößten Anteil ein [9, 10].

Aus Kastanien stellt man nach trockenem Erhitzen,Schälen und Mahlen Mehl her: 1 kg Mehl aus etwa 3 kgtrockener Früchte. Maronen werden hingegen in unverän-dertem Zustand angeboten. Sie sind für den direkten Ver-zehr bestimmt oder finden Verwendung bei der Herstel-lung von Konditorwaren, z. B. als „marrons glacés“. Einedurchaus beachtenswerte Nebennutzung stellt die Erntevon Speisepilzen dar. Es bestehen zahlreiche Mykorrhiza-Symbiosen mit eßbaren Pilzen, u. a. mit mehreren Boletus-Arten, so daß der Verkauf von Speisepilzen für den Wald-besitzer durchaus lohnend sein kann. Zur Stabilisierungder Pilzproduktion verspricht es Erfolg, bei der Bestandes-begründung mit Mykorrhizapilzen inokuliertes Pflanzen-material zu verwenden.

Hinzuzufügen ist noch, daß von Edelkastanien einschwarzer Honig von hoher Qualität gewonnen wird.

Verschiedenes

Man nimmt an, daß Edelkastanien bereits zu Zeiten desRömischen Imperiums in Kultur genommen worden sind,denn es wurde differenziert zwischen „Silvae palaris“(Wälder zur Nutzung von Masten und Brennholz) und„Silvae castaneariae“ (Wälder zur Fruchtproduktion).

Weiterführende Literatur

[1] ARRIGONI, P. V.; MARRAS, G., 1990: Fitosociologia e strut-tura dei castagneti della Sardegna centrale. Webbia 44,217-231.

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[3] BRAUN-BLANQUET, J., 1932: Plant sociology. McGraw HillBook Comp., New York.

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[5] BUCCIANTI, M., 1992: Il Castagno in Provincia di Lucca.Ed. Provincia di Lucca, 132 pp.

[6] CAMUS, A., 1929: Le châtaigniers. Monographie des genresCastanea e Castanopsis. Paris.

[7] CHANSON, B.; LEBAN, J. M.; THIBAUT, B., 1989: La rouluredu châtaignier. For. Méditerr., XI, 15-34.

[8] COUTEAUX, M. M.; MOUSSEAU, M. et al., 1991: Increasedatmospheric CO2 and litter quality: decomposition of sweetchestnut leaf litter with animal food webs of different com-plexities. Oikos 61, 54-64.

[9] DESMAISON, A. M.; ADRIAN, J., 1968: La place de la chateigneen alimentation. Med. Nut. 22, 174-180.

[10] FENAROLI, L., 1945: Il castagno. REDA ed., Roma. 222 pp.Abb. 9: Keimlinge (Foto: P. Schütt)

Abb. 10: Eßkastanien-Reinbestand im Winter

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[27] PICCIOLI, L., 1922: Monografia sul Castagno. Tipolito Spi-nelli, Firenze.

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Der Autor:

Dr. ALESSANDRO BOTTACCI

Via Garibaldi 51I-50063 Figline Val d’Arno

Aus dem Englischen übertragen von P. Schütt

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