Catherine und ihre verrückte welt

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Eines Tages Köchin zu werden war schon immer Catherines größter Wunsch. Bereits als Kind experimentiert sie leidenschaftlich gern mit Zutaten und Geschmäckern und verwandelt die heimische Küche in ihr persönliches Kochshow-Studio. Mit 21 Jahren hat sie ihr Ziel erreicht: Sie lebt in Manhattan und arbeitet dort als Köchin in einem renommierten Restaurant. Dummerweise muss Catherine aber nicht nur mit ihrer recht eigenwilligen Chefin zurechtkommen, sondern sich auch noch mit ihren verrückten und kuriosen Nachbarn herumschlagen. Und dann geht plötzlich alles ganz schnell: Eine unbedachte Entscheidung, ein geheimnisvoller Anruf, ein unverhofftes Wiedersehen, eine zündende Idee – und Catherines verrückte Welt steht Kopf …

Transcript of Catherine und ihre verrückte welt

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--- LESEPROBE ---

Catherine und ihre

verrückte Welt

Kuriose Küchen-Eskapaden, mit Liebe

gekocht

Ceren Ucar

Page 3: Catherine und ihre verrückte welt

„[…]ein humorvoller und sehr liebevoll geschriebener Roman, der die Stärken und Schwächen der Protagonisten analysiert

und diese dadurch sehr sympathisch erscheinen lässt.“

S.B. auf Amazon

„Sehr fesselnd! Die Autorin schreibt auch sehr emotional und man kann sich sehr gut in die Lage der Protagonistin

hineinversetzen.“

KekeCat „huibu“ auf Amazon

„Ein wirklich wundervoller Roman, der mich zum Schmunzeln aber auch zum Nachdenken gebracht hat. Eine gelungene

und runde Geschichte.“

Renate P. per E-Mail

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Über das Buch

Eines Tages Köchin zu werden war schon immer Catherines

größter Wunsch. Bereits als Kind experimentiert sie

leidenschaftlich gern mit Zutaten und Geschmäckern und

verwandelt die heimische Küche in ihr persönliches

Kochshow-Studio.

Mit 21 Jahren hat sie ihr Ziel erreicht: Sie lebt in Manhattan

und arbeitet dort als Köchin in einem renommierten

Restaurant. Dummerweise muss Catherine aber nicht nur mit

ihrer recht eigenwilligen Chefin zurechtkommen, sondern sich

auch noch mit ihren verrückten und kuriosen Nachbarn

herumschlagen.

Und dann geht plötzlich alles ganz schnell: Eine unbedachte

Entscheidung, ein geheimnisvoller Anruf, ein unverhofftes

Wiedersehen, eine zündende Idee – und Catherines

verrückte Welt steht Kopf …

Über die Autorin

Ceren Ucar wurde 1995 im österreichischen Wien geboren

und lebt bis heute dort. Seit dem Jahr 2010 besucht sie die

Höhere Lehranstalt für Tourismus und wirtschaftliche Berufe

Bergheidengasse mit Ausbildungsschwerpunkt Tourismus und

Freizeitmanagement. Zu ihren Leidenschaften zählen neben

dem Lesen und Schreiben ihre Reisen in fremde Städte.

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Impressum

Catherine und ihre verrückte Welt (1. Auflage 2014)

Autor: Ceren Ucar

Lektorat: Iris Bachmeier

Covergestaltung: Jasmin Waisburd

Bild: © Bigstockphoto.com

Roman Verlag © 2014

http://www.romanverlag.com

207 Taaffe Place, Office 3A

Brooklyn, NY 11205, USA

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und

der Vervielfältigung des Werkes oder Teilen daraus, sind

vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche

Genehmigung des Verlags in irgendeiner Form (Fotokopie,

Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke

der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter

Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt

oder verbreitet werden.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen,

Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch

ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass

solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und

Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären

und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Trotz sorgfältigem Lektorat können sich Fehler einschleichen.

Autor und Verlag sind deshalb dankbar für diesbezügliche

Hinweise. Jegliche Haftung ist ausgeschlossen, alle Rechte

bleiben vorbehalten.

.

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1 Prolog

„Wenn Sie nach einer gewissen Zeit fertig sind, wenn Sie ihre

Ziele schon erreicht haben, wenn Sie nicht mehr den Weg

gehen müssen, den Sie schon zuvor gegangen sind, dann

gratuliere ich Ihnen, Sie können gehen … Sie können Ihre

Koffer zusammenpacken und sich nie wieder blicken lassen.

Gehen Sie nur, los, verschwinden Sie doch! Schaffen Sie

Platz für andere, die genauso denken, wie Sie damals vor

langer Zeit gedacht haben.

Oh ja, wie sehr Sie auf diesen Tag fixiert waren. Das

Einzige, woran Sie noch denken konnten, war dieser Tag.

Dieser Moment, wo Sie ihre Koffer zusammenpacken dürfen.

Haben Sie sich das Ganze so vorgestellt? Haben Sie Jahre

nur mit Streben verbracht, damit man Sie nie wiedersehen

darf? Ich glaube, das haben Sie. Vielleicht wussten Sie

damals nicht, dass Sie eines Tages so enden würden, aber

das ändert nichts an der Tatsache, dass Sie nun gehen

müssen. Achten Sie darauf, dass ich nicht ‚können‘ gesagt

habe, sondern ‚müssen‘.

Sie müssen gehen … Und falls Sie noch immer nicht

glauben, dass Sie gehen müssen, werde ich Ihnen eine

Geschichte darüber erzählen …“, ging es mir durch den Kopf.

Keine Ahnung, was der Direktor einer Schülerin sagen

würde, die ihre Schule absolviert hat, aber ich schätze, er

würde so ähnlich reagieren und mir solchen Kram erzählen,

dass ich jetzt fertig sei und gehen dürfe.

Es war so weit. Ich hatte es bald geschafft und stand vor

dem Ziel. Ehrlich gesagt, ich wusste wirklich nicht, was in den

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vergangenen Jahren aus mir hätte werden sollen und was

eigentlich aus mir geworden war.

Meine Abschlussprüfungen hatte ich hinter mir, meine

Projekte, die ich beenden musste, waren endgültig vorbei.

Jetzt konnte ich noch einen Schritt weitergehen und einen

Blick in die Arbeitswelt werfen. Oder ich würde zu Hause

bleiben, vor dem Fernseher hocken und weiterhin sehen, wie

die Zeit davonrennt.

Ich würde zu den „Probierern“ gehören. Stimmte das?

Gehörte ich zu der Kategorie, die das nur probieren wollten?

Selbst wenn ich eine Karriere beginnen würde, würde ich

das auch nur aus Lust und Laune machen und wäre dann nur

das Probieren mein Ausgangspunkt? Oder wusste ich genau,

was ich machen würde, nur fiel es mir vor lauter Freude nicht

ein? So schwer war es anscheinend, eine richtige

Entscheidung zu treffen, wenn man reif genug für gewisse

Entscheidungen war.

Ich plagte mich so sehr mit dem Thema, dass ich mir nach

einer Weile nur noch ein Bild von meiner zukünftigen Karriere

machte. Wie sich mein Leben verändern würde und in

welcher Position ich sein könnte. Meine Entwicklung, meine

Erlebnisse und die Erfahrungen, die ich machen würde. So

leicht es auch klang, es würde immer ein Auf und Ab geben

und ich würde öfter Entscheidungen treffen, die ich mir

nachher anders überlegen würde.

Der Direktor in meinem Unterbewusstsein hatte vermutlich

recht, das Glauben und Wollen ist entscheidend. Sobald

man an sich glaubt, ist man bereit, sich von der Klippe fallen

zu lassen. Die Augen schließen und einfach nur fallen lassen,

ob man am Ende am Boden landet oder irgendwo im

Nirgendwo, davon hängt es gar nicht ab. Hatte der Direktor

versucht, mir das zu erklären? Wollte er mich überreden,

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dass ich in die Leere springe und warte, bis etwas auf mich

zukommt? „Falls Sie zu den Probierern gehören, dann sollten

Sie auch dahinterstehen und es wenigstens probieren“, hörte

ich ihn noch einmal sagen.

„Und was passiert, wenn ich nicht wirklich dort lande,

wo ich eigentlich landen wollte, und ich dann irgendwo liege

und denke, dass ich doch nicht hätte springen sollen?“

„Würden Sie es bereuen, wenn Sie eine Torte kreieren,

die Ihnen gelingt und gut schmeckt, aber nicht gut aussieht …

Würden Sie es dann bereuen, dass Sie diese Torte überhaupt

gebacken haben?“, fragte er mich.

Die Torte … über die dachte ich eine Weile nach. Der

Direktor würde auf keinen Fall mit mir über das Fallen von

einer Klippe reden oder über eine gelungene oder nicht

gelungene Torte oder was weiß ich. Das wären zu

persönliche Themen, zu direkt, tabu … Das wären Passagen,

über die man mit einem Direktor nicht reden könnte …

Ob ich die Torte wirklich bereuen würde? Darüber

dachte ich sehr lange nach, zumindest kam mir die

Zeitspanne sehr lange vor. Aber meine Gedanken

veränderten sich nicht und das Einzige, was ich wusste, war,

dass ich gar nichts wusste.

„Ich weiß es nicht, Herr Direktor, ich weiß es wirklich nicht

…“

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Es ist nicht lange her, dass ich mich auf die Waage gestellt habe und mit meinem Gewicht zufrieden war, aber siehe da - ich habe reichlich zugenommen. Mein ganzer Körper hat Fett angesetzt. Meine Brustgröße hat sich verdoppelt. So verdoppelt, dass ich sie als weibliche Person gar nicht würde anfassen wollen. Ich meine, was fange ich mit diesen megagroßen Hängebusen an? Nicht einmal ein Baby würde daran saugen wollen, wenn ich eines hätte.

Und ein sexy gebauter, muskulöser, junger Mann schon gar nicht! Groß? Schön und gut, aber fett und hängend? Nein, danke. So würde vermutlich jeder denken. Also bin ich froh, dass sie sie gar nicht sehen und ich bin mehrfach froh, dass sie nicht mit ihnen in Berührung kommen müssen. Wenn nur meine Titten das Problem wären, würde mich dies beruhigen und ich würde mir keine Sorgen um mein Gewicht und Aussehen machen, aber da fängt es leider erst an. Über meine Hüften will ich gar nicht reden. Man würde glauben, ich wäre von einem fitten und attraktiven Menschen (Na schön, vielleicht war das Adjektiv „attraktiv“ nun wirklich übertrieben.) zu einem übergewichtigen Menschen mutiert. Ich könnte kotzen, wenn ich meine umfangreichen Oberschenkel im Spiegel sehen muss. Noch dazu habe ich wieder Pickel im Gesicht, als wäre ich eine Mischung aus Erwachsener und Teenager. Oh Gott, die Vorstellung ist schon Angst erregend! Langsam mache ich mir Sogen um mich …

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Als ich mit dem Kritisieren fertig war, habe ich mich auf

mein Bett gesetzt und angefangen, über meine gewaltige

Veränderung nachzudenken. Wann hatte es angefangen?

Wie hatte ich das geschafft? Nachdem mir einfiel, wo

der Haken war, habe ich angefangen zu weinen. Ich saß da,

allein und verzweifelt, bedeckte mein Gesicht mit den

Händen und heulte. Ab und zu schluchzte ich so laut, dass

ich mir kurzfristig Gedanken über meine Nachbarschaft

machen musste. Ob sie wirklich gehört hatten, dass eine

junge Dame wie ich kreischte wie ein kleines Kind, wenn sie

mal zu weinen begann? Darüber konnte ich mir den Kopf

nicht zerbrechen, schließlich hatte ich andere Probleme, über

die ich mir Gedanken machen sollte.

Was interessierte mich meine Nachbarschaft? Ich hätte

mich auch über Mrs. Alen beschweren können, die ich

manchmal in der Nacht stöhnen hörte, obwohl sie

alleinstehend war. Da konnte ich richtige Grimassen

schneiden, wenn es mal dazu kommen sollte, dass ich auch

Gerüchte verbreiten musste.

Oder der alte Typ von nebenan, der jeden Tag

Selbstgespräche mit seinen Katzen führte? Sollte man solche

Leute nicht als „psychisch gestört“ bezeichnen? Leuten wie

Mr. Andrew fällt es nicht auf, wie merkwürdig sie sich

benehmen. Aber wenn man mal seinen Gefühlen freien Lauf

ließ und auf übertriebene Art und Weise weinte, dann war

man die schlimmste Person, die man in der Nachbarschaft

sein kann. Und dann würden sie ständig nur über einen

reden und Gerüchte verbreiten, die mit der Realität kaum

etwas zu tun hatten.

Ich hätte wetten können, dass Mrs. Alen morgen früh vor

der Tür von Mr. Andrew, dem alten Typen, stand und sagte:

„Schönen guten Morgen, Mr. Andrew!“ Oh, schönen guten

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Morgen, Mr. Andrew! Was für unglaubwürdige

Begrüßungen manche Menschen von sich geben konnten!

Das war ja auch nur der erste Satz, dann ging es noch

schräger weiter. Mrs. Alen war eine moderne, typische

elegante Frau. Deswegen benahm sie sich auch weiblicher

als alle anderen Frauen. Sie faltete jedes Mal ihre Hände,

wenn sie vor Mr. Andrews Haustür stand und ihm über den

vergangenen Tag erzählen wollte. Das machte sie sehr

häufig oder besser gesagt, fast immer.

„Haben Sie gehört, wie Catherine gestern geweint hat?

Wie peeeeeeinlich!!!“, würde sie fortfahren. Anschließend

würde sie anfangen, laut zu lachen, sodass es jeder hörte

und dachte, dass sie eine glückliche Person wäre und immer

einen Grund hätte, über etwas zu lachen. Dabei wirkte sie

nicht glücklich, sondern gestört. So richtig, richtig gestört!

Aber das wusste sie selber nicht und ich dachte, niemand

würde sie darauf aufmerksam machen. Ob sie auch wollte,

dass die anderen dachten, sie hätte eine Art Beziehung mit

Mr. Andrew, da war ich mir noch nicht ganz sicher.

Schließlich lachte er immer mit, obwohl er keine Ahnung

hatte, weshalb und worüber sie lachten. Dieser humorvolle

Moment (wenn man ihn als humorvoll bezeichnen kann) und

diese Lacherei gingen eine Weile weiter, bis sie sich wieder

beruhigt hatten. Und wenn sie sich beruhigt hatten, dann

atmeten sie einmal tief durch und wünschten einander noch

einen schönen Tag. Anhand dieser Begrüßung und diesem

vollendeten Abschied hätte man, selbst wenn man diese

beiden überverrückten Personen gar nicht kannte, gleich

feststellen können, dass an ihrer Persönlichkeit etwas faul

war.

Ich habe mir manchmal überlegt, ob Mr. Andrew nur

Gespräche mit seinen Katzen führte, weil er außer seinen

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Tieren niemanden hatte, war mir aber dann doch nicht sicher

und blieb fest überzeugt, dass er in gewisser Hinsicht

verrückt war. Seine Katzen waren von großer Bedeutung für

ihn. Jeden Tag streichelte er sie liebevoll und sprach mit

ihnen, erzählte ihnen über seine Vergangenheit, Gegenwart

und Zukunft. Wie zärtlich und geschmeidig er jedes Fell

berührte, wie rücksichtsvoll er mit ihnen umging. Belehrte sie

über die Einsamkeit, unter der er jahrelang gelitten hatte. Mr.

Andrew filterte jedes einzelne Wort in seinem Mund und

sprach sie sorgfältig aus, als würde er ein Kleinkind in den

Schlaf wiegen. Er redete manchmal über „Samantha“.

Flüsternd und besorgt klang er, wenn er den Namen

„Samantha“ aussprach. Seine Stimme zitterte jedes Mal,

wenn er sagte „Samantha würde das nicht akzeptieren“

oder „Samantha hat uns das verboten …“

Bis jetzt hatte ich nicht genau feststellen können, wer

Samantha war, und traute mich nicht, ihn darauf

anzusprechen, denn wenn er über sie sprach und ich an ihm

vorbeiging, schaute er mich kurz an und verschwand mit

seinen Katzen im Haus.

„Kommt, meine Lieben, kommt. Samantha möchte, dass

wir nach Hause gehen“, sagte er, während er sie auf den

Schoß nahm.

Ich schnäuzte mir und versuchte mich wieder aufrecht

hinzusetzen, sodass ich mir vorstellen konnte, ich könnte mich

selbst motivieren und mir einreden, ich könnte diese Kalorien,

die ich zu mir genommen hatte, wieder verbrennen.

Natürlich war das reine Einbildung, wie sollte ich eine

derartige Fettmasse wieder wegkriegen? Natürlich war ich

selber schuld, das war mir schon klar, aber wie hätte ich

wissen sollen, dass die Konsequenzen so hart sein würden?

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Als Kind denkt man gar nicht daran, wie sehr sich sein

Leben verändert, wenn man einmal das wird, was man

werden wollte. Ich war oft abenteuerlustig und habe mich

immer gefreut, wenn ich mit verschiedenen Lebensmitteln

experimentieren durfte und Essbares dann nachher essen

konnte.

Einmal habe ich Mehl mit Wasser vermischt. Dann

Lebensmittelfarbe hinzugefügt und kräftig mit den Händen

durchgeknetet. Danach gab ich Backpulver, Milch und

geriebene Mandeln dazu und knetete die Masse wieder

schön durch, sodass Mehl an meinen Wangen kleben blieb

und ich ein Stück vom Teig auf der Nase hatte. Dann gab ich

meistens Zucker und Eier dazu. Wesentlich mehr Zucker, als

ich dazugeben sollte, und verarbeitete ihn erneut. Dabei

führte ich Selbstgespräche wie Mr. Andrew von nebenan und

bildete mir ein, ich wäre eine der berühmten Köchinnen, die

man so im Fernsehen zu sehen bekam.

„Willkommen bei Catherines Show! Heute werden wir

wieder ganz tolle Leckereien kochen, zumindest hoffe ich

das, versprechen kann ich’s nicht! Aber selbst wenn aus

diesen Rezepturen nichts wird (die eigentlich keine

Rezepturen sind, weil ich sie nämlich ganz spontan erfinde),

dann werden wir uns trotzdem freuen und denken, dass wir

zumindest eine nette Zeit verbracht haben. Also bleibt

dran!“, rief ich laut in der Küche. Martha Stewart wäre

wahrscheinlich enttäuscht von mir gewesen, wenn sie mich

und meinen ordinären Körper gesehen hätte.

„Habe ich dir das so beigebracht? Hast du gedacht, du

würdest so werden wie ich?“, hörte ich ihre Stimme in

meinem Kopf schwingen. Sie war wirklich ein Vorbild für

mich. Es gab auch Momente, wo ich mich als Martha

Stewart ausgegeben habe.

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Einmal fragte mich Mrs. McKenzie, eine neue Lehrerin,

die wir in der zweiten Klasse bekamen, nach meinem

Namen.

„Martha Stewart, sehr erfreut“, sagte ich stolz und reichte

ihr meine Hand. Sie warf mir einen seltsamen Blick zu, den

ich nicht deuten konnte. „Mögen Sie denn Martha Stewart

nicht?“, fragte ich enttäuscht, nachdem ich nicht wusste,

weshalb sie mich dermaßen merkwürdig anguckte. Und ihr

Gesichtsausdruck veränderte sich auch nicht, als sie eine

Augenbraue hob und wie in Zeitlupe nickte.

„Ganz meinerseits, Mrs. Stewart“, sagte sie, aber in

meinen Ohren klang es eher so: „Deinen Namen werde ich

mir merken, und ich bin sicher, wir beide werden uns sehr

amüsieren.“ Ob wir uns amüsiert haben? Ich denke, ich

konnte froh sein, dass wir überhaupt miteinander

zurechtkamen.

Was ich da gezaubert hatte, hatte eher wenig

Ähnlichkeit mit einem Teig. Zumindest sah es nicht appetitlich

aus und heute würde es mir den Magen umdrehen, wenn ich

das essen müsste. Aber mit mehr Erfahrung hätte es sich zu

einem leckeren Makronenteig entwickeln können, wenn ich

so eine französische Köstlichkeit in dem Alter schon gekannt

hätte.

Manchmal versteckte ich mich unter dem Bett und nahm

so viel zu essen mit, dass mir im Nachhinein immer schlecht

wurde. Zuerst leckte ich zum Beispiel an einer Erdbeere und

ließ das Aroma auf meiner Zunge zergehen. Dann roch ich

an Sojasauce und rieb ein Stück Schokolade an meinen

Zähnen, sodass geriebene Schokostückchen in meinem

Mund blieben. Warum ich an der Sojasauce roch, weiß ich

nicht, aber ich hatte wohl unbewusst die Tatsache im Kopf,

dass Süßes und Pikantes beziehungsweise Salziges eine gute

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Kombination ist. Dann biss ich ein Stück von der Erdbeere ab

und schon hatte ich ein Gefühl, als hätte ich die Erdbeere in

Schokoladenfondue eingetunkt und das dann genossen.

Diesen Vorgang wiederholte ich mit fast allen Früchten.

Damals ist es mir nicht aufgefallen, aber ich muss sagen,

dass das mein erster Schritt war, welcher mich zu meiner

Kochkarriere hinführte, und der wesentliche Grund, weshalb

ich heute so dick geworden bin und mein Spiegelbild nicht

ertragen kann. Wie gesagt, ich bin unter großer Mühe und

durch einen starken Willen Köchin geworden. Ich habe nicht

behauptet, dass aus mir eine „erfolgreiche Köchin“

geworden ist. Ziemlich weit weg bin ich von dieser

Bezeichnung, aber kochen werde ich wohl können, wenn ich

Köchin von Beruf bin.

Nachdem ich mich zusammengerissen hatte, stand ich auf

und machte mich auf den Weg zum Badezimmer. Ich öffnete

meinen Zopf und ging mit den Fingern durch meine braunen,

langen Haare. Dabei konzentrierte ich mich auf meine

blauen Augen in meinem Spiegelbild. Wenn ich meinen

Körper hätte übersehen können, dann hätte ich gesagt: „Du

bist zum Anbeißen!“

Da ich das nicht konnte, zog ich meine Kleidung aus und

stellte mich in die Dusche. Langsam ließ ich warmes Wasser

über mein Gesicht laufen und dachte dabei an den

kommenden Tag, den ich wieder in der Küche verbringen

wollte. Seit einigen Monaten arbeitete ich in einem sehr

berühmten Restaurant in Manhattan, New York, und ich muss

sagen, ich war begeistert, obwohl ich am Anfang Vorurteile

hatte. Eigentlich habe ich sie fast bei jedem und bei allem.

Ich denke, Vorurteil bedeutet Sicherheit und Vorsicht.

Vielleicht wäre es schlimmer, wenn ich gar nicht vorurteilsvoll

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wäre. Zumindest habe ich diese Seite meines Charakters

noch nie bereut. Das Restaurant sah sehr altmodisch aus, war

aber von innen sehr modern. Designerstühle und -tische

befanden sich darin, und die kreativsten Porträts und Bilder

von den berühmtesten Künstlern der ganzen Welt hingen an

den Wänden.

Die Gäste kamen nicht nur aus Manhattan, sondern auch

von anderen Städten und Orten. Sie kamen von überall. Am

Anfang war das ziemlich ungewohnt für mich, aber mit der

Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Da ich in meiner Schulzeit

die Ehre hatte, mit vielen Sprachen Bekanntschaft machen zu

dürfen, war das nicht so ein riesiges Drama für mich. Ich

spreche sie zwar nicht alle fließend, aber meistens bilde ich

eine Kombination aus verschiedenen Sprachen und mische

viele Wörter zusammen. Und wenn diese Methode auch

nicht klappt, dann verwende ich die Körpersprache!

Nachdem manche Bewegungen international sind, denke

ich, wäre das der letzte Ausweg, um sich erfolgreich

verständigen zu können. Zwei Klassiker wären zum Beispiel

„Daumen hoch“ oder „Daumen runter“. Das mache ich,

wenn ich wissen will, ob alles im grünen Bereich ist oder

wenn ich jemandem zustimmen will. Wobei ich erwähnen

muss, dass auch diese Zeichen von verschiedener Bedeutung

sein können. Wenn ich in Australien oder Nigeria wäre,

würde ein „Daumen hoch“ zu einem Problem führen,

schließlich wäre das dort ein obszönes Schimpfwort.

Natürlich kann die Körpersprache auch missverstanden

werden, da in verschieden Kulturen manches anders

wahrgenommen wird. In Amerika sollte man zum Beispiel

jeden oder jede anlächeln, in Japan dagegen ist das anders.

Männer sollten in der Öffentlichkeit nicht viel lachen und

Frauen dürfen beim Lachen nicht ihre Zähne zeigen. Also:

Achtung bei Japanern und Japanerinnen!

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Nachdem ich mit dem Duschen fertig war, zog ich mich

an und machte mich startbereit für den heutigen Tag. Ich

blickte noch kurz in den Spiegel (Das war wirklich ein kurzer

Blick, schließlich hätte ich es nicht gewagt, das

hervorstehende Fett an meinen Hüften zu betrachten, denn

ich war mir sicher, mir würden die Würstchen hochkommen,

die ich in der Früh schnell verschlungen hatte.), holte meine

Autoschlüssel und ging aus dem Haus. Seit vielen Monaten

wohnte ich in einem von diesen Reihenhäusern. Ich habe

noch nie zuvor in einem Reihenhaus gewohnt, deswegen

brauchte ich noch eine Weile, bis ich mich daran gewöhnt

hatte, das Gefühl zu ignorieren, sich von den anderen nicht

zu unterscheiden. Ich meine, ich gehe hinaus und sehe eine

Reihe von gleichen Häusern und die meisten in der

Nachbarschaft gehen selbstverständlich arbeiten und

kommen ungefähr zur selben Zeit wieder nach Hause.

Ich stieg in mein Auto, aber der Motor wollte partout

nicht anspringen. Nach ein paar Versuchen gab ich es auf

und stieg aus dem Auto. Die Minuten kamen mir wie Stunden

vor, denn ich wusste nicht, was ich tun sollte, und geriet in

Panik. Statt mir schnell eine alternative Lösung auszudenken,

bekam ich einen Wutanfall und fing an, den hinteren Reifen

meines Autos mit meinem rechten Fuß zu attackieren. Dabei

schrie ich, soweit ich es mitbekommen habe, den Reifen

verärgert an und machte nach jedem Wort eine kurze Pause.

„Du verflixter, runder, nutzloser, schwarzer, hässlicher

Reifen!“, blieb mir im Kopf hängen. Dann versuchte ich die

Ruhe zu bewahren und tat nun das Sinnvollste, nämlich das,

was ich vor der Attacke schon hätte machen sollen, und

suchte eine Lösung. „Also gut, Catherine, schön tief

durchatmen!“, murmelte ich vor mich hin. Ein Taxi würde zu

lange brauchen, bis es bei mir ankam, und Mrs. Alen, die

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Tussi von nebenan, wollte ich schon gar nicht fragen, ob sie

so nett wäre und mich in die Arbeit fahren könnte.

„Oh, schönen guten Morgen, Mrs. Alen! Wären Sie so

nett und könnten mich zur Arbeit fahren?“, müsste ich mit

gefalteten Händen sagen. Sie würde mir im Auto derart auf

die Nerven gehen und ich müsste jederzeit damit rechnen,

dass sie mir den Moment vor Augen halten würde, wo ich

geweint hatte. Dann würde ich sie anbrüllen und sie frech

fragen, wie es in der vergangenen Nacht war und ob ihr

imaginärer Freund es ihr richtig besorgt hatte. „Na Mrs. Alen,

wie war es denn gestern Nacht? Mir schien, die Performance

ihrer Hand war hervorragend! Sie sollten sie öfters

anwenden“, würde ich sagen.

Also beschloss ich, mein Fahrrad zu benutzen. Ich weiß,

es klingt verrückt, aber ich hatte keine andere Wahl. Eine 21-

Jährige, die seit ihrer Kindheit immer unfähig war und kein

Fahrrad lenken konnte, saß nun auf dem Fahrradsitz, um in

die Arbeit fahren zu können.

Soweit ich mich erinnern kann, habe ich mein Fahrrad für

meine Kochexperimente benützt. Dass ich, während die

Reifen sich drehten, auf dem Fahrradsitz einen Handstand

machte und gleichzeitig versuchte, mit der Zunge

Vanillepudding aus der Schüssel zu essen, die ich am Sitz

festgebunden hatte, war sehr ausgefallen. Sicher bin ich kurz

darauf am Boden gelandet, aber das war es wert.

Nachdem ich mit dem Fahrrad in die Arbeit fuhr, musste

ich mir keine großartigen Gedanken über den Verkehr in der

Stadt machen. Ich fuhr zwar nicht auf dem Fahrradweg, gab

aber trotzdem Acht auf Personen, die sich jedes Mal

aufregten, wenn ich an ihnen vorbeifuhr. „Entschuldigung!“,

oder „Tut mir leid!“, oder „Verzeihung!“, rief ich hinter ihnen

her. Ob sie meine Entschuldigung annahmen, daran war ich

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nicht interessiert. Hauptsache, ich schaffte es noch rechtzeitig

in die Arbeit.

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Als ich bei der Arbeit ankam, war ich froh, dass Mrs. Hall,

die Besitzerin des Restaurants, nicht in der Nähe zu sehen

war.

Mann, Catherine, du Glückspilz! Du hast richtig Schwein

gehabt, meine Liebe!, dachte ich und stellte mein Fahrrad

ab. Also diese Frau, meine Chefin, konnte einen richtig

niedermachen, wenn sie jemanden sah, der zu spät zur

Arbeit erschien. Sie würde mit einem Mixer in die Augen

desjenigen hineinfahren und diese zuerst durchmixen, bis die

Hälfte der beiden Augen hinausfiele. Dann kämen ihre Füße

an die Reihe. Sie würde die halben Augäpfel mit dem Fuß zu

einer flüssigen Masse zerstampfen. Anschließend würde sie

einen anlächeln und fragen, ob man gut geschlafen hätte,

schließlich gäbe es gar keinen anderen Grund für das

Zuspätkommen. Wohnte man nicht in der Nähe, dann sollte

man auf den Schlaf verzichten. Hatte man in der

vergangenen Nacht eine fette Party veranstaltet, so sollte

man wieder auf den Schlaf verzichten und früher aufstehen.

Das Beste war, sie würde nicht einmal auf die Antwort

warten und eine akzeptable Erklärung verlangen, sondern

einem mit der Hand den Kopf hinunterdrücken und die

flüssige Masse, die sie zuvor hergestellt hatte, vor die Nase

halten, bis einem schlecht wurde.

„Falls das noch einmal passieren sollte, werden Sie Ihre

pürierten Augen essen müssen, verstanden?“, würde sie

drohen. Und wieder würde sie nicht auf die Antwort warten,

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sondern einfach gehen. Ich gebe zu, dass das jetzt

übertrieben war, aber sie war wirklich unerträglich. Am

besten, man erfüllte ihre Wünsche und ging ihr aus den

Augen, sonst hatte man das starke Bedürfnis, diese Frau an

einen Lastwagen anzuhängen und in der Gegend

herumzuschleifen.

Als ich im Umkleideraum stand und mit dem Umziehen

fertig war, dachte ich, dass dieser Abschnitt meines Lebens

mein letzter wäre. Noch wollte ich durch die Tür hinausgehen

und den Raum verlassen, aber wen sah ich? Mrs. Hall, die

blonde Hexe mit ihren langen Beinen. In Wahrheit war das

ein Kompliment für sie, denn das waren die einzigen

Körperteile, dich ich an ihr mochte. Mit diesen langen Beinen

hätte sie „Miss Universe“ werden können, das schwöre ich.

Mein ganzer Körper zitterte vor Angst und ich wusste nicht,

was ich sagen sollte. Der Boden bebte unter meinen Füßen,

und sie blickte nur in meine Augen, als würde sie mich gleich

köpfen. Dass ich sie furchteinflößend fand, lag nicht an ihrer

starken Persönlichkeit oder ihren strengen Regeln. Den Job,

für den ich hart gearbeitet hatte, wollte ich nicht verlieren.

Das Restaurant war eines der besten, die es in Manhattan

gab. Deswegen konnte sie sich solche Aktionen leisten, was

die Pünktlichkeit oder die Leistung betraf. Mrs. Hall hätte

Hunderte von Mitarbeitern finden können, die Schlange

gestanden hätten, um in diesem Restaurant arbeiten zu

dürfen.

Sie näherte ihr Gesicht, bis es nur noch ein paar

Millimeter von mir entfernt war, und ich spürte ihren Atem.

Auf der Nase, auf meinen Lippen und sogar auf meinen

Wangen.

„Miss Catherine …“, erklärte sie. Ehe ich noch eine

Antwort geben konnte, beendete sie ihren Satz und sprach

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weiter: „Ich beobachte Sie genau, das wissen Sie doch,

oder?“ Ich nickte nur, und sie verschwand. Mrs. Hall wusste,

dass ich zu spät kam, aber anscheinend wollte sie mich nicht

feuern. Diese Drohung sollte ein Zeichen dafür sein, dass sie

über alles informiert war. Schnell schnappte ich noch meine

Kochmütze und begab mich in Richtung Küche.

Dort lief es einigermaßen gut. George, der Südafrikaner,

hatte die Küche und das Personal im Griff. Er konnte das und

er wusste, wie man mit Stress umgeht. Eigentlich wusste er

generell, wie der Tag ablaufen sollte, obwohl er nicht der

Küchenchef war. Man hätte ihn sogar als Experten

bezeichnen können, was das Führen einer Küche anging.

George war einer der wenigen, mit denen ich mich verstand

und mit denen ich über mein Privatleben reden konnte. Er

hatte in seiner Heimat eine Kochschule absolviert und genug

Erfahrung gesammelt. Als wir uns zum ersten Mal sahen,

erzählte er mir, wie er eine Europatour gemacht hatte. Der

29-Jährige war für seine Arbeitgeber von wichtiger

Bedeutung. Seine Karriere begann in Paris, wo er als Chef de

Partie arbeitete, aber seinen Durchbruch hatte er

erstaunlicherweise in Italien, obwohl er fast keine Ahnung

von der italienischen Küche hatte. Nach Manhattan kam er

erst später, weil seine Freundin Alice versetzt wurde und er

ohne sie nicht konnte.

Also begrüßte ich George wie jeden Morgen: „Hey, du

Kuvertüre, wie läuft’s denn so?“ Ich nannte ihn manchmal so,

weil mich seine Hautfarbe immer an diese leckeren, kleinen,

braunen Schokostückchen erinnerte. Außerdem liebten wir

beide Schokolade über alles, und das war schon ein Grund,

ihn Kuvertüre zu nennen.

„Perfekt, wie soll es denn laufen? Ich sollte wohl eher

fragen, wie es bei dir läuft? Ich denke, nicht so gut?“, sagte

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er und grinste. Er machte sich öfter über mich lustig, daran

war ich gewöhnt, aber dass er mich an Mrs. Hall erinnerte,

machte mich wahnsinnig. Wir konnten sie beide nie leiden,

nicht weil sie unsympathisch war oder aus irgendeinem

Grund, der mit ihren Eigenschaften zu tun hatte. Sie war … sie

war einfach seltsam. Oh ja, ich denke, dass das die richtige

Bezeichnung für Mrs. Hall ist.

„Wie soll es denn laufen!“, antwortete ich und verdrehte

die Augen. Kuvertüre lachte natürlich wieder und meinte, ich

solle ihm bei der heutigen kalten Vorspeise helfen. In der

Küche waren noch Tom der Dicke, Leonardo, der Spezialist

für die mexikanische Küche, Charlotte, die ständig etwas zu

meckern hatte, und noch eine paar Chefs und Commis, die

ich kaum kannte. Tom war im Gegensatz zu mir richtig dick,

aber das lag daran, dass er ständig aß, während er etwas

zubereitete. Er war der Lustigste von allen, und auch ein

bisschen naiv. Ob er auch rohe Eier essen würde, wenn er

nur Spiegeleier machen müsste?

Leonardo war eher ein Romantiker, liebte die

mexikanische Küche und war scharf auf scharf. Sein Leben

bestand aus seiner Frau, der Liebe und mexikanischem Essen.

Oder doch umgekehrt? Auf jeden Fall waren das die

wichtigsten Punkte, die er aufgezählt hätte, wenn man ihn

darauf ansprach. Charlotte, die blöde Kuh, die sich ständig

aufregte, war im Großen und Ganzen eigentlich okay. Außer,

dass ich die Haarfarbe nicht mochte, die sie seit Kurzem trug.

So viel zu den schrägsten Mitarbeitern, die man je haben

konnte.

Mit der kalten Vorspeise war ich fast fertig. Den Salat mit

Mozzarella und Tomaten musste ich noch würzen und dann

konnte man ihn schon servieren. Die Vorspeise gab ich weiter

und war froh, für ein paar Minuten Luft schnappen zu

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können. Während George mit dem Dessert beschäftigt war,

stellte ich mich zu ihm und versuchte ein Gespräch

aufzubauen, damit ich mich in diesen Minuten nicht

langweilen musste. Ich fragte ihn nach Alice, wie es ihr ginge

und ob sie sich schon überlegt habe, wie es wäre, wenn sie

ein Kind zur Welt bringen würde. Alice war etwas nervös,

wenn es um Kinder ging. Sie wäre eine zu besorgte Mutter

und hätte Angst, Fehler zu begehen. Fehler, die sie bei der

Erziehung nie wiedergutmachen könnte. Aber das gehörte

eben dazu, und selbst wenn sie das Schwangerwerden jetzt

verschob, würde irgendwann die Zeit kommen. Länger

konnte sie sich nicht mehr drücken.

„Sie ist sich noch nicht ganz sicher. Ich verstehe sie auch,

aber wir sind schon seit einer Ewigkeit zusammen und ich

würde sie unterstützen, soweit ich kann. Verstehst du?“,

fragte er und klang sehr verzweifelt.

„Ich verstehe dich, aber wichtig ist, dass Alice dich

versteht“, antwortete ich und hoffte, dass ich ihn beruhigen

konnte. Meiner Meinung nach sollte George ganz anders

reagieren. Es würde mir ungeheuer auf die Nerven gehen,

wenn meine Frau das Schwangerwerden immer wieder

verschieben würde. Frauen sind empfindlich, und ein Kind ist

eine ungewöhnliche Sache für sie, aber das Davonrennen

wäre auch keine Lösung.

Als ich so in Gedanken vertieft war, war es Georges

Stimme, die mich in die Gegenwart zurückholte. „Catherine,

Catherine!“, hörte ich ihn rufen. Er wiederholte meinen

Namen so oft, dass ich nach einiger Zeit genug hatte.

„Was ist?!“, rief ich so laut, dass George

zusammenzuckte. „Ach, tut mir leid. Ich wollte nicht so laut

reden“, teilte ich ihm mit, was in Wahrheit gar nicht stimmte.

Warum sollte ich laut reden, wenn ich gar nicht laut reden

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will. Aber ihm schien das auch ziemlich egal zu sein, denn er

gab keine Antwort und setzte fort, was er zuvor sagen wollte.

„Catherine, bitte sag mir, womit du die Vorspeise

gewürzt hast?“, fragte er besorgt.

„Die Vorspeise habe ich mariniert, wieso fragst du?“

„Das ist mir schon klar, dass du eine Marinade hergestellt

hast. Ich möchte wissen, welche Gewürze da drin waren!“

„Mann, George, reg dich mal ab! Ich habe eine ganz

gewöhnliche Marinade aus Öl, Essig, Salz und Pfeffer

gemacht. Und kannst du jetzt so nett sein und mir sagen,

warum du dich so aufregst und wissen willst, was in dieser

blöden Marinade war?“ Also das war der übertriebenste

Moment, den ich je mit der Kuvertüre erlebt hatte. Es war nur

eine Marinade und kein Chemieexperiment, bei dem ein

Fehler zu einer Explosion führen konnte.

„Und was ist mit diesem Zuckerbehälter vor dir?“, fragte

er neugierig. Nun wusste ich, worauf er hinauswollte. Von

diesem Augenblick an war mir klar, dass kleine Fehler sich zu

großen Fehlern entwickeln konnten. Kurz gesagt: Ich war am

Arsch. Sofort machte ich einen Aufstand und plapperte

dahin, dass Mrs. Hall mich entführen und in den Wald

verschleppen würde, wenn sie das erfuhr. Dort würde sie

mich kopfüber an einem Baum aufhängen und mir mein Haar

abschneiden. George fasste mich am Arm und teilte mir mit,

dass ich mich beruhigen solle.

„Sie wird sicher nicht darauf kommen, dass du so dumm

warst und eine Menge Zucker statt Salz in die Vorspeise

gekippt hast“, erklärte er liebevoll und lachte wieder.

Ich war verloren, ich war am Ende … Schon hatte ich ein

Leben ohne Job vor Augen. Was ich machen würde, wenn

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ich kein gutes Einkommen mehr hätte, und wie es mit meiner

Karriere, die sich eigentlich nie zu einer Karriere entwickelt

hatte, weitergehen würde. Arbeitslos oder sogar obdachlos

würde ich sein. Kein Zuhause, kein Auto und kein Fahrrad …

Auf der Straße müsste ich leben und vielleicht sogar ab und

zu von der Ferne das Restaurant beobachten. George würde

mir Geld geben, wenn er mich auf der Straße herumwandern

sah. Und sogar Mrs. Alen würde sich über mich lustig

machen, weil ich wieder weinen würde. Meine ehemalige

Nachbarin würde sich neben mich setzen und vielleicht

würde ich mir sogar ihre Geschichten über ihre

Selbstbefriedigung anhören.

Ich musste einsehen, dass ich jetzt gehen durfte. Also

nahm ich meine Kochmütze in die Hand und machte mich auf

den Weg zu Mrs. Halls Zimmer. Meine Beine spürte ich kaum

und mein Kopf fühlte sich so an, als würde er in wenigen

Sekunden platzen. Trotzdem hatte ich vor, zu kündigen,

bevor sie es tat. Damit hätte ich mein Leben lang nicht fertig

werden können. Meine Eltern wären enttäuscht von mir,

wenn sie erfahren würden, dass meine Chefin mir gekündigt

hätte, daher dachte ich, es wäre besser, wenn ich meinen

Job aufgab. Dann konnte ich meinen Eltern zumindest sagen,

dass mir die Arbeitsbedingungen nicht mehr gefielen und ich

nicht weiterhin in diesem Betrieb arbeiten wollte. Vielleicht

konnten sie das verstehen und würden nicht denken, dass ich

unfähig war und keine Marinade zustande bringen konnte.

Vermutlich war das auch das Ende meiner Kochkarriere, ich

meine, selbst wenn ich mich in einem anderen Restaurant

bewarb, musste ich eine Erklärung für meine Kündigung

haben, aber die hatte ich nicht. Das Gespräch würde

ungefähr auf diese Weise ablaufen:

„Guten Tag, was führt Sie zu uns?“

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„Ich möchte in Ihrem Betrieb als Köchin arbeiten und bin

der Meinung, dass ich hervorragend koche“, würde meine

Antwort lauten.

„Warum haben Sie Ihren ehemaligen Job aufgegeben?“

„Weil ich gekündigt habe“ Was für ein

Selbstbewusstsein! Da konnten wir gleich über schmutzige

Themen reden, wie zum Beispiel Analverkehr oder „Was ist

deine Lieblingsposition“.

„Weil Sie gekündigt haben, habe ich das richtig

verstanden? Und warum haben Sie gekündigt, wenn ich

fragen darf?“

„Ich war unfähig, eine Marinade herzustellen!“

„Danke, wir werden Sie demnächst anrufen!“, wäre die

letzte Antwort, die ich von dieser Person bekäme, denn

dieser Satz war gleichbedeutend mit „Wir werden Sie nicht

anrufen!“

Nachdem ich mir Gedanken über meine

Vorstellungsgespräche gemacht hatte und mich das noch

mehr demotivierte, überlegte ich, wie sehr ich auch meine

Eltern vermisste. Lucie und Camilla, so heißen meine

Schwestern. Lucie, die Jüngere, arbeitete bei einer

Werbeagentur. Sie war sehr tollpatschig und redete zu viel.

Manchmal stellte ich sie mir wie eine computergesteuerte

Maschine vor, die darauf programmiert war, wie ein

Wasserfall zu reden. Aber sie war die Einzige in der Familie,

die ein wenig Verständnis für meine Kochexperimente hatte.

„Weißt du was, Catherine? Ich finde deine abartigen

Ideen, was das Kochen angeht, sehr interessant. Vor allem,

weil du dir so richtig Mühe gibst und dir jeden Tag anhörst,

was Martha Stewart treibt. Dass du dich dabei nicht

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langweilst, wundert mich sehr, aber das ist ‘ne andere

Sache. Du kannst dir sicher sein, dass du auf dem richtigen

Weg bist, und du darfst nie den Fehler begehen und darauf

hören, was die anderen über dich sagen. Damit meine ich

Camilla, Tante Janette, Tante Susanne, Onkel Boris, unsere

Cousine Charlotte, Kevin, Großvater, Großmutter und den

Rest“, plapperte sie vor sich hin, als wir beide auf unseren

Betten saßen.

„Lucie, ich glaube, du hast mittlerweile die ganze Familie

aufgezählt“, antwortete ich.

„Oh nein, da sind noch viele, die ich nicht erwähnt habe!

Deine Lehrerin, Mrs. McKenzie, deine Sitznachbarin, ich

meine die mit den Locken ...“ Und da bereute ich es schon,

dass ich ihr überhaupt eine Antwort gegeben hatte. Den

letzten Teil ihrer Aufzählung habe ich nicht mehr mitgekriegt,

weil ich schon genug davon hatte.

Lucie hatte richtige Locken, und ihre Haarfarbe war nicht

blond, sondern eher brünett. Die Haarfarbe hatte sie von

meiner Großmutter, zumindest behauptete das meine Mama.

Meine älteste Schwester Camilla war die Intellektuellste von

allen. Sie beschwerte sich immer, wenn man irgendetwas tat,

das nicht ordnungsgemäß oder falsch war, und sie forschte

liebend gern. Camilla war außerdem sehr genau. Wenn man

ihr sagte, dass man sie so sehr liebt, dann hätte sie einen

angeschaut und gefragt: „Wenn du deine Liebe abwiegen

würdest, wie viel Kilogramm würde sie wiegen?“ Oder sie

hätte mich gefragt, wie ich die Liebe, die ich für sie empfand,

definieren würde. „Kannst du mir sagen, wie du das

definierst? Schließlich muss ich mir vorstellen können, was du

unter Liebe verstehst.“

Von diesem Zeitpunkt an wusste ich, ich durfte ihr nie

wieder sagen, wie sehr ich sie liebte. Aber an ihre Fragen

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hatten wir uns schon gewöhnt und konnten sie ignorieren.

Und ich muss zugeben, sie war auch die Schönste von allen.

Camilla hatte richtig glänzendes, dunkelbraunes Haar, blau-

graue Augen und eine schöne, geschmeidige Haut. Seit einer

langen Zeit lebte meine Familie in Paris. Ich dagegen wohnte

schon seit meinem Abschluss in Manhattan.

Als ich eine Weile an meine Familie dachte, hatte ich

nicht bemerkt, dass ich in der Zwischenzeit schon vor Mrs.

Halls Zimmer stand. Meine Hand ballte sich zu einer Faust

und weigerte sich, an die Tür zu klopfen. Tränen stiegen mir

in die Augen. Mein Hals brannte so stark, dass ich kaum

noch schlucken konnte. War das wirklich meine Belohnung

für die ganze Mühe und für all die Jahre, die ich geopfert

hatte, damit aus mir das wurde, was ich werden wollte? Ich

dachte an meine Lehrerin, Mrs. McKenzie, die mich am

ersten Schultag fragte, was mein Traumberuf sei.

Anschließend sammelte ich meinen Mut und öffnete, ohne

davor zu klopfen, die Tür von Mrs. Hall. Plötzlich befand ich

mich drinnen und fühlte ihren erstaunten Blick auf meinem

Gesicht. Das Einzige, woran ich noch dachte, war die

Antwort, die ich meiner Lehrerin gegeben hatte: „Ich möchte

Köchin werden, Mrs. McKenzie.“

***

Ende der Leseprobe

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