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Elemente der Geometrie

Skriptumvon

Prof. Dr. Günter AumannInstitut für Algebra und GeometrieUniversität Karlsruhe

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EinleitungWas ist Geometrie? Der Name gewmetrıa zeigt, dass Geometrie ursprüngli h die Re-geln für die Vermessung der Erde (� gh, die Erde; metrein, (aus)messen) liefern sollte.Sie hatte also die uns umgebende Natur mögli hst genau zu bes hreiben. Ihre Geset-ze waren in diesem Sinn �gottgegeben�. Es konnte ni ht mehrere �Geometrien� geben.Es ging nur darum herauszu�nden, wel he Gesetzmäÿigkeiten �in Wirkli hkeit� gelten.Was entspri ht aber den geometris hen Objekten (Punkte, Geraden, . . . ) in der Wirk-li hkeit? Wir wissen heute, dass vermeintli h plausible Entspre hungen (z. B. Gerade↔ Li htstrahl) problematis h sind und vers hiedenen physikalis hen Theorien vers hie-dene geometris he Modelle entspre hen. Bevor man sol he Modelle entwi keln kann, istdie Frage zu klären, wie man überhaupt zu einem Modell, einer �Geometrie�, kommt.Ein Bli k in die Literatur zeigt, dass hauptsä hli h zwei Wege bes hritten wurden.• Axiomatis her Aufbau: Man gibt disjunkte Mengen von Objekten vor (in derebenen Geometrie etwa eine Punktmenge und eine Geradenmenge) sowie eineRelation zwis hen ihnen (am einfa hsten: eine Gerade ist eine Menge von Punk-ten). Dur h Axiome wird nun festgelegt, wel he Eigens haften die so gegebeneStruktur haben soll. (Z. B. kann man fordern, dass es zu zwei vers hiedenen Punk-ten genau eine Gerade geben soll, die diese Punkte enthält.) Nur diese Axiomedürfen beim Beweisen von Sätzen verwendet werden.Die Idee, eine Geometrie dur h Axiome zu bes hreiben, geht zurü k auf die �Ele-mente� Euklids (um 325 v. Chr.). Allerdings s hlei hen si h bei ihm bisweilenau h ans hauli he Argumentationen ein. Ein im Sinne der mathematis hen Lo-gik präziseres Axiomensystem der �euklidis hen� Geometrie formulierte Hilbertin seinem Bu h �Grundlagen der Geometrie� (1899).• Geometrie als Invariantentheorie: Man geht aus von einer Menge M von Punktenund einer Menge T von Bijektionen auf M , die bezügli h der Hintereinanderaus-führung eine Gruppe bildet. (Mit anderen Worten: T ist eine Untergruppe dersymmetris hen Gruppe SM .) Man nennt zwei Figuren (Teilmengen von M) F, F ′kongruent, wenn es eine Transformation t ∈ T mit F ′ = t(F ) gibt. Von Interessesind nun gemeinsame Eigens haften (Invarianten) kongruenter Figuren. Sol heTransformationen sind zum Beispiel die A�nitäten in der a�nen Geometrie oderdie Bewegungen in der euklidis hen Geometrie.Die Idee, Geometrie als Invariantentheorie zu betreiben, geht auf das �ErlangerProgramm� von Felix Klein (1872) zurü k.Wir werden in dieser Vorlesung beide Wege bes hreiten. Um dabei einen breiterenÜberbli k zu erhalten, werden wir uns in der Regel auf den ebenen Fall, also auf dieDimension 2, bes hränken. Im Einzelnen ist die Vorlesung wie folgt aufgebaut. i

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ii Einleitung• Teil I: Einige Ergebnisse der euklidis hen Geometrie. Wir bes häftigen uns miteinigen konkreten Ergebnissen der euklidis hen Ebene E2 und des euklidis henRaums E3, die in anderen Vorlesungen (etwa in der Vorlesung Lineare Algebraund Analytis he Geometrie) zu kurz kommen. In Teil I setzen wir den euklidi-s hen Raum als bekannt voraus (aus der S hule oder aus der Vorlesung LineareAlgebra und Analytis he Geometrie). Da wir uns auf die Dimensionen 2 und 3 be-s hränken, genügt das �Allgemeinwissen� über diesen Raum. Insbesondere sollenin Teil I die in Teil II und Teil III verfolgten Ansätze vorbereitet werden.• Teil II: Axiomatis her Aufbau. Wir entwi keln s hrittweise ein Axiomensystemder euklidis hen Ebene. Das Studium des Parallelenaxioms wird zur hyperboli-s hen Ebene führen. Als zweite �ni hteuklidis he� Geometrie betra hten wir dieprojektive Ebene, au h um auf den in Teil III stets zugrunde liegenden projekti-ven Raum vorzubereiten.• Teil III: Geometrie als Invariantentheorie. In Anlehnung an die Klassi�kationvon Felix Klein werden wir ein breites Spektrum ni hteuklidis her Geometrienuntersu hen. Wir beginnen mit den grundlegenden Begri�en und Aussagen desprojektiven Raums, den diese so genannten Cayley-Klein-Geometrien als S hau-platz haben.Die Vorlesung ist so aufgebaut, dass zu ihrem Verständnis ledigli h Kenntnisse ausden mathematis hen Anfängervorlesungen, speziell aus der Vorlesung Lineare Algebraund Analytis he Geometrie, benötigt werden. Angespro hen werden die Grundlagender Geometrie, die Projektive Geometrie und die so genannte Höhere Geometrie. Dajedes einzelne dieser Themen Titel einer (zum Teil mehrsemestrigen) Vorlesung seinkönnte (und au h ist), kann es dabei nur um einen ersten Überbli k gehen. Trotzdieser angestrebten Breite der Vorlesung behandelt sie nur einen kleinen Auss hnittaus den vielfältigen geometris hen Teilgebieten. Völlig unberü ksi htigt bleiben etwadie Di�erentialgeometrie oder die Darstellende Geometrie. Entspre hende Vorlesungeneignen si h daher zur Ergänzung und Vertiefung dieser Vorlesung.Übli herweise geht man in mathematis hen Vorlesungen so vor, dass man zunä hstdie allgemeine Theorie entwi kelt und ans hlieÿend (sofern no h Zeit bleibt) besondersinteressierende Spezialfälle behandelt. In dieser Vorlesung ist es genau umgekehrt. Wirgehen aus von der uns wohl bekannten euklidis hen Ebene und untersu hen erst dannallgemeinere Fragestellungen. Dadur h dürfte es lei hter fallen, dem Gedankengang zufolgen sowie das Gemeinsame und das Trennende der vers hiedenen Geometrien zuerfassen.Die Vorlesung wendet si h insbesondere an Studierende des Lehramts, denen sie einentieferen Einbli k in die geometris hen Strukturen und damit die Voraussetzungen füreinen fundierten Unterri ht vermitteln mö hte.Dur h ein A am Rand werden Aufgaben gekennzei hnet.G. Aumann

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Inhaltsverzei hnisI Einige Ergebnisse der euklidis hen Geometrie 11 Das Dreie k 31.1 Vorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Die Sätze von Menelaos und Ceva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.3 Euler's he Gerade und Feuerba h's her Kreis . . . . . . . . . . . . . . . 121.4 Der Satz des Pythagoras . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Der deduktive Ansatz 232.1 Grie his he Geometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.2 Euklids Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.3 Geometrie als konstruktive Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Transformationsgruppen 393.1 Felix Klein und das Erlanger Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . 393.2 Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403.3 Symmetriegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423.4 Die Inversion am Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 Raumgeometrie 554.1 Parallel- und Zentralprojektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554.2 Die stereographis he Projektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654.3 Die Platonis hen Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Kegels hnitte 755.1 Dandelin's he Kugeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755.2 Leitkreis und Leitgerade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835.3 Tangenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88II Axiomatis her Aufbau 956 Ein Axiomensystem der euklidis hen Geometrie 976.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 976.2 Das Axiomensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1006.3 Die absolute Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1106.4 Winkel im Dreie k . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1156.5 Das Parallelenaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121iii

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iv Inhaltsverzei hnis7 Die hyperbolis he Ebene 1297.1 De�nition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1297.2 Das Poin aré-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1337.3 Weitere Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1418 Projektive Ebenen 1478.1 De�nition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1478.2 Endli he projektive Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1518.3 Projektive Ebenen über einem (S hief)körper . . . . . . . . . . . . . . . 153III Geometrie als Invariantentheorie 1599 Der reelle projektive Raum 1619.1 De�nitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1619.2 Die komplexe Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1629.3 Koordinatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1649.4 Doppelverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1689.5 Projektivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1709.6 Vom projektiven zum a�nen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17110 Quadriken 17510.1 De�nition und Klassi�kation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17510.2 Quadrik und Gerade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18011 Cayley-Klein-Geometrien 18511.1 Motivation und De�nition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18511.2 Die Cayley-Klein-Geraden und ihre Bewegungen . . . . . . . . . . . . . 19011.3 Die Cayley-Klein-Ebenen und ihre Bewegungen . . . . . . . . . . . . . 19412 Abstands- und Winkelmetrik 20112.1 Abstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20112.2 Dualitätsbeziehungen und Winkelmessung . . . . . . . . . . . . . . . . 21112.3 A�ne S hauplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218Literatur 223Index 225

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Teil IEinige Ergebnisse der euklidis henGeometrie

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1 Das Dreie kIm Teil I der Vorlesung setzen wir den euklidis hen Raum als bekannt voraus (ausder S hule oder aus der Vorlesung Lineare Algebra und Analytis he Geometrie). Wirbes hränken uns auf die Dimensionen 2 und 3.1.1 VorbereitungenWir stellen zunä hst einige Bezei hnungen zusammen, die soweit mögli h dur hgängigverwendet werden.A, B, C, . . . Punkte

a, b, c, . . . , g, h, . . . Geradend(A, B) Abstand der Punkte A und Bd(A, g) Abstand des Punktes A von der Geraden g

AB Gerade dur h die Punkte A, BAB Stre ke von A na h B

(AB) AB \ {A, B} (o�ene Stre ke)AB+ in A beginnende Halbgerade in AB, die B enthältAB− in A beginnende Halbgerade in AB, die B ni ht enthältABC Ebene dur h die (ni ht kollinearen) Punkte A, B, C

gC+ = ABC+ Halbebene H dur h die (ni ht kollinearen) Punkte A, B, C,die von g = AB berandet wird und den Punkt C enthältk(M) Kreis um M

k(M, r) Kreis um M mit Radius r∡PSQ Winkel mit S heitel S und den S henkeln SP+, SQ+

∆ABC Dreie k mit den E kpunkten A, B, CA(ABC) Flä he von ∆ABCA(F ) Flä he einer ebenen Figur F∼= kongruent∼ ähnli h⊥ orthogonal (a ⊥ b, k(A) ⊥ k(B)); in Zei hnungen: Doppelbogen

〈 . , . 〉 Skalarprodukt, symmetris he Bilinearform[ . . . ] lineare HülleUm S hreibarbeit zu sparen, wird gelegentli h ni ht zwis hen Elementen und einele-mentigen Mengen unters hieden (also A = g ∩ h statt {A} = g ∩ h).Bei Bedarf wählen wir in der euklidis hen Ebene E2 und im euklidis hen Raum E3 einkartesis hes Koordinatensystem.S hlieÿli h sei auf die beiden in Abbildung 1.1 angegebenen bzw. hergeleiteten Formeln3

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4 1 Das Dreie kzur Bere hnung einer Dreie ks�ä he hingewiesen.c c

c

A B

C

ha

ab

γ sin γ =ha

b⇒ ha = b · sin γ ⇒

A(ABC) = 12· a · ha = 1

2· a · b · sin γ

Abbildung 1.1: Flä henformeln für das Dreie kWir beweisen nun einige Sätze, die wir in späteren Beweisen benötigen und sehr kurzund elegant hergeleitet werden können. Wir beginnen mit demSatz 1 (Mittelpunktswinkelsatz) Der Mittelpunktswinkel (Zentriwinkel) ist doppeltIII,20 so groÿ wie ein Umfangswinkel (Peripheriewinkel) über demselben Bogen.C E

D

A

BM

c

c

c

cc

c

Abbildung 1.2: Zum MittelpunktswinkelsatzEinen einfa hen Beweis zeigt die Abbildung 1.2. Vers hiebt man ∆MAB parallel in dieLage ∆CDE (also um den Vektor −→MC), erhält man zwei Rauten AMCD und CMBE.Da in einer Raute jede Diagonale Winkelhalbierende ist (klar na h dem Kongruenzsatzsss), gilt∡AMB = ∡DCE = 2 · ∡ACB .Aus dem Mittelpunktswinkelsatz und der Tatsa he, dass si h Zentriwinkel über kom-plementären Bögen zu 360◦ ergänzen, folgen unmittelbarSatz 2 (Umfangswinkelsatz) Die Umfangswinkel über demselben Bogen sind alleIII,21

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1.1 Vorbereitungen 5glei h groÿ. Umfangswinkel über komplementären Bögen ergänzen si h zu 180◦.Satz 3 (Satz des Thales) Die Umfangswinkel über einem Halbkreis sind re hte Winkel. III,31Ein Kreisbogen über einer Stre ke AB, für dessen Punkte ∡APB = α gilt, heiÿt Fass-kreisbogen zu α über AB.Die Umkehrung von Satz 2 enthält derSatz 4 Gilt ∡APB = α, so liegt P auf dem Fasskreisbogenpaar zu α über AB.Beweis: Die Abbildung 1.3 zeigt∡APB = 180◦ − (180◦ − α− ε) = α + ε > αfür Punkte innerhalb des Fasskreisbogenpaares und∡APB = 180◦ − (180◦ − α)− ε = α− ε < αfür Punkte auÿerhalb. �

(a)c c

c

c

s s

s

α

ε

A B

P ′

P

(b)c c

cc

c

s s

s

α

ε

A B

P

P ′

Abbildung 1.3: Der FasskreisbogenDer Umfangswinkelsatz liefert ohne groÿen Aufwand einige weitere wi htige Ergebnisse.Wir betra hten dazu Abbildung 1.4. Wel he Dreie ke sind dort ähnli h?(a) ∆ABS und ∆DCS sind ähnli h wegen des S heitelwinkels bei S und des Umfangs-winkels über ⌢BC bei A bzw. D.(b) Entspre hend sind ∆ASD und ∆BSC ähnli h wegen des S heitelwinkels bei S unddes Umfangswinkels über ⌢

CD bei A bzw. B.( ) ∆ATC und ∆DTB sind ähnli h wegen des gemeinsamen Winkels bei T und desUmfangswinkels über ⌢BC bei A bzw. D.

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6 1 Das Dreie kc

c

DC

c

c

A

B

TSc

c

c

Abbildung 1.4: Ähnli he Dreie keAus (a) folgtd(A, S)

d(S, B)=

d(D, S)

d(S, C)oderd(A, S) · d(S, C) = d(D, S) · d(S, B) .Dies ist derSatz 5 (Sehnensatz) Zieht man dur h einen Punkt S im Innern eines Kreises Sehnen,III,35 so sind die Re hte ke aus den beiden Sehnenabs hnitten für alle Sehnen �ä henglei h.(b) liefert ebenfalls den Sehnensatz. Aus ( ) folgt

d(T, A)

d(T, C)=

d(T, D)

d(T, B)oderd(T, A) · d(T, B) = d(T, D) · d(T, C) .Dies ist derSatz 6 (Sekantensatz) Zieht man dur h einen Punkt T auÿerhalb eines Kreises Se-kanten, so sind die Re hte ke aus den Sekantenabs hnitten von T bis zum Kreis für alleSekanten �ä henglei h.Als Spezialfall erhält man denSatz 7 (Tangentensatz) Zieht man dur h einen Punkt T auÿerhalb eines KreisesIII,36 eine Sekante und eine Tangente, so ist das Re hte k aus den Sekantenabs hnitten von Tbis zum Kreis �ä henglei h dem Quadrat über dem Tangentenabs hnitt von T bis zumBerührpunkt.

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1.2 Die Sätze von Menelaos und Ceva 7S hlieÿli h gilt na h Satz 2 und Satz 4 derSatz 8 Ein (ni ht übers hlagenes) Viere k besitzt einen Umkreis genau dann, wenn si hgegenüberliegende Winkel zu 180◦ ergänzen (Sehnenviere k).1.2 Die Sätze von Menelaos und CevaWir bes häftigen uns im Folgenden mit kollinearen Punkten, also Punkten einer Ge-raden g. Dazu ist es bisweilen sinnvoll, für Punkte P, Q ∈ g zusätzli h zum übli henAbstand d(P, Q) dur h Auszei hnung einer Halbgeraden AB+ ⊂ g einen orientiertenAbstand d einzuführen:d(P, Q) =

{d(P, Q) , falls PQ+ ∩ AB+ ∈ {PQ+, AB+} (�glei hgeri htet parallel�),−d(P, Q) sonst.Sind P1, P2, P3 kollineare Punkte mit P2 6= P3, so heiÿt die reelle Zahl λ, für die

−→P1P3= λ ·

−→P3P2 (1.1)gilt (siehe Abbildung 1.5), das Teilverhältnis TV (P1, P2, P3) der Punkte P1, P2, P3 (inc cc

P1 P3 P2Abbildung 1.5: Teilverhältnisdieser Reihenfolge). Genau für P1 = P3 gilt λ = 0; genau für λ > 0 gilt P3 ∈ (P1P2).Für λ = 1 erhält man den Mittelpunkt der Stre ke P1P2. Haben die Punkte Pi dieOrtsvektoren~pi = ~a + λi~v (i = 1, 2, 3) ,so erre hnet man lei ht A

TV (P1, P2, P3) =λ3 − λ1

λ2 − λ3=

d(P3, P1)

d(P2, P3)=

d(P1, P3)

d(P3, P2).Bem. 1 Für A 6= B ist die Abbildung A

{AB \ {B} → R

P 7→ TV (A, B, P )injektiv.Bem. 2 Das Teilverhältnis ist in der Literatur ni ht einheitli h de�niert. Häu�g wirdfür kollineare Punkte P1, P2, P3 (P1 6= P2) au h die Zahl µ mit−→P1P3= µ ·

−→P1P2

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8 1 Das Dreie kals deren Teilverhältnis de�niert. (In diesem Fall erhält man den Mittelpunkt derStre ke P1P2 für µ = 12.)Def. Eine Gerade, die jede Trägergerade der Seiten eines Dreie ks (in genau einemPunkt) s hneidet, heiÿt Transversale des Dreie ks. Eine Transversale dur h einenE kpunkt heiÿt au h E ktransversale (siehe Abbildung 1.6).

g

c

c

c

c c` ` ` ` ` ` ` ` ` ` ````

c``````````````````````````

A

B

C

D

E

F

E ktransversaleTransversalen

Abbildung 1.6: Dreie k mit TransversalenSatz 1 (Satz des Menelaos, um 100) Eine Transversale g, die keine E ktransver-sale ist, s hneidet die drei Trägergeraden der Dreie ksseiten derart, dass das Produkt derTeilverhältnisse −1 ist. Mit den Bezei hnungen von Abbildung 1.6 gilt alsoTV (A, B, D) · TV (B, C, E) · TV (C, A, F ) = −1oder (mit orientierten Abständen)

d(A, D)

d(D, B)· d(B, E)

d(E, C)· d(C, F )

d(F, A)= −1 .Beweis: Da g entweder keine oder genau zwei Dreie ksseiten tri�t, ist das Vorzei henklar. Wir betra hten nun die Lote von A und B auf g. Damit liefert der Strahlensatz(Zentrum D; siehe Abbildung 1.6)

d(A, D)

d(D, B)=

d(A, g)

d(B, g).

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1.2 Die Sätze von Menelaos und Ceva 9Analog erhält man (mit den Zentren E und F )d(B, E)

d(E, C)=

d(B, g)

d(C, g),

d(C, F )

d(F, A)=

d(C, g)

d(A, g). �Satz 2 (Satz des Ceva, um 1700) S hneiden si h drei E ktransversalen eines Dreie ksin einem Punkt P (innerhalb oder auÿerhalb des Dreie ks), so gelten folgende Aussagen.(i) Die Transversalen teilen die Dreie ksseiten so, dass das Produkt der Teilverhältnisse +1ist. Mit den Bezei hnungen von Abbildung 1.7 gilt also

TV (A, B, D) · TV (B, C, E) · TV (C, A, F ) =a1

a2· b1

b2· c1

c2= +1 . (1.2)

c c c

c

c

c

m

n

A

B

C

Dc1 c2

E

a1

a2

F

b1

b2 cP

Abbildung 1.7: Zum Satz von Ceva(ii) Die Transversalen teilen die Winkel so, dass mit den Bezei hnungen von Abbildung 1.8gilt:sin α1 · sin β1 · sin γ1

sin α2 · sin β2 · sin γ2

= 1 . (1.3)Beweis: (i) Liegt P innerhalb des Dreie ks, so sind alle Teilverhältnisse positiv. LiegtP auÿerhalb, so sind genau zwei negativ. Somit stimmt das Vorzei hen. Betra htetman AE als Transversale von ∆DBC, so liefert der Satz von Menelaos, wenn manvom Vorzei hen absieht (siehe Abbildung 1.7)

c1

c· a1

a2· n

m= 1 .Entspre hend liefert er in ∆DAC mit der Transversalen BF

c2

c· b2

b1

· n

m= 1 .Also gilt

c1 a1 n

c a2 m=

c2 b2 n

c b1 m,

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10 1 Das Dreie kc c c

c

c

c

A

B

C

Dc1 c2

E

a1

a2

F

b1

b2 cc

cc

k

l

P

γ1 γ2

α2

β2

β1

α1Abbildung 1.8: Trigonometris he Formulierung des Satzes von Cevawas äquivalent zu (1.2) ist.(ii) Wählt man F als Zentrum, so liefert der Strahlensatz in Abbildung 1.8l

k=

b1

b2

,woraussin β1

sin β2

=l

a· ck

=b1 · cb2 · afolgt. Analog sieht man

sin α1

sin α2=

a1 · ba2 · c

,sin γ1

sin γ2=

c1 · ac2 · b

.Die Aussage (ii) folgt also aus (i). �Satz 3 (Umkehrung von Satz 2) (i) Werden dur h drei E ktransversalen die drei Seiteninnen oder zwei auÿen und eine innen so geteilt, dass (1.2) gilt, so s hneiden si h dieE ktransversalen in einem Punkt oder sie sind parallel.(ii) Werden dur h drei E ktransversalen die drei Seiten innen oder zwei auÿen und eineinnen so geteilt, dass (1.3) gilt, so s hneiden si h die E ktransversalen in einem Punkt odersie sind parallel.Beweis: Es genügt (i) zu zeigen. Die drei E ktransversalen seien ni ht parallel und o.A E. P der S hnittpunkt der E ktransversalen BF und CD (siehe Abbildung 1.9). Wirnehmen an, dass AE ni ht dur h P geht und betra hten die Transversale AE ′ dur hP . Für sie gilt na h dem Satz von Ceva

a′1

a′2

· b1

b2

· c1

c2

= +1 .Ein Verglei h dieser Glei hung mit (1.2) zeigt E = E ′ (siehe Bem. 1). �Die Bedeutung des Satzes von Ceva (bzw. seiner Umkehrung) wird deutli h im

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1.2 Die Sätze von Menelaos und Ceva 11

c c c

c

c

A

B

C

Dc1 c2

E ′a1

a′1

a2

a′2F

b1

b2

c

c

c

E

P

Abbildung 1.9: Zur Umkehrung des Satzes von CevaSatz 4 (i) Die Seitenhalbierenden s hneiden si h in einem Punkt.(ii) Die Winkelhalbierenden s hneiden si h in einem Punkt.(iii) Die Höhen s hneiden si h in einem Punkt.(iv) Die Mittelsenkre hten s hneiden si h in einem Punkt.Beweis: (i) folgt aus Satz 3 (i).(ii) folgt aus Satz 3 (ii).(iii) Da die S henkel paarweise orthogonal stehen, gilt (siehe Abbildung 1.10) α1 = γ2.Analog sieht man β1 = α2 und γ1 = β2. Au h diese Aussage folgt also aus Satz 3 (ii).(iv) Die Mittelsenkre hten sind die Höhen des Seitenmittendreie ks. �

c c c

c

c

c

c

A B

C

D

E

F

H

γ2

α1Abbildung 1.10: Zum HöhensatzBem. 3 (i) Der S hnittpunkt der Seitenhalbierenden ist der S hwerpunkt S desDreie ks. S teilt jede S hwerlinie im Verhältnis 2 : 1 (2 Teile zur E ke, 1 Teil zurSeite). (Zum Beweis verwende man Satz 1 und betra hte die Seitenhalbierende AE als ATransversale von ∆DBC.)(ii) Der S hnittpunkt der Winkelhalbierenden ist der Inkreismittelpunkt der Drei-e ks.(iii) Die Inhalte der Re hte ke aus den Abs hnitten jeder Höhe sind glei h. (Siehe

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12 1 Das Dreie kAbbildung 1.10: Da die Dreie ke ∆CFH und ∆HDB ähnli h sind, gilt d(F,H)d(C,H)

= d(D,H)d(B,H)

.)(iv) Die Mittelsenkre hten s hneiden si h im Umkreismittelpunkt M des Dreie ks.1.3 Euler's he Gerade und Feuerba h's her KreisIn diesem Abs hnitt bes häftigen wir uns mit einer Geraden und einem Kreis, diejedem Dreie k eindeutig zugeordnet sind und bemerkenswerte Eigens haften besitzen.Die Gerade ist na h dem berühmten Mathematiker Leonhard Euler benannt, der 1707in Basel geboren wurde und 1783 in Petersburg starb, der Kreis na h dem (wenigerbekannten) Mathematiker Karl Wilhelm Feuerba h (1800-1834).Satz 1 Die S hnittpunkte S, H, M der Seitenhalbierenden, Höhen und Mittelsenkre hteneines Dreie ks liegen auf einer Geraden (Euler's he Gerade) und es gilt d(H, S) =2d(S, M).

c c c

c

c

c

c

c

c

c

A B

C

D

E

H

F

M

S ′

G

Abbildung 1.11: Die Euler's he GeradeBeweis: Es seien F der Mittelpunkt von AB und S ′ der S hnittpunkt der GeradenCF und MH (siehe Abbildung 1.11). Die Dreie ke ∆AHC und ∆GMF sind ähn-li h (entspre hende Seiten sind parallel) mit dem Ähnli hkeitsfaktor 2 (F und G sindSeitenmitten). Also sind au h die Dreie ke ∆CHS ′ und ∆FMS ′ ähnli h mit dem Ähn-li hkeitsfaktor 2. Daher gilt d(C, S ′) : d(S ′, F ) = 2 : 1, also S ′ = S (siehe 1.2 Bem. 3(i)). �Satz 2 Auf der Euler's hen Geraden liegt au h der Mittelpunkt N des Feuerba h's henKreises, auf dem 9 ausgezei hnete Punkte des Dreie ks liegen, nämli h- die 3 Seitenmittelpunkte,- die 3 Höhenfuÿpunkte,- die 3 Mittelpunkte der oberen Höhenabs hnitte.Der Dur hmesser des Feuerba h's hen Kreises stimmt mit dem Umkreisradius überein, seinMittelpunkt N ist der Mittelpunkt der Stre ke HM .

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1.3 Euler's he Gerade und Feuerba h's her Kreis 13

c c c c c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

A B

C

D

E

H

P

M

N

QR

F Y

c

Abbildung 1.12: Der Feuerba h's he KreisBeweis: Wir verwenden die Bezei hnungen von Abbildung 1.12.(i) Der (Thales)kreis k(Y ) über CH geht dur h die Höhenfuÿpunkte E, F . Somit ister au h Fasskreis über FH und es gilt∡FEH = ∡FCH (1.4)sowie

∡FY H = 2 ·∡FCH (1.5)(Zentriwinkel bzw. Peripheriewinkel über ⌢FH). Der (Thales)kreis über BH geht dur h

D, E. Somit ist er au h Fasskreis über DH und es gilt∡HED = ∡HBD . (1.6)Ferner gilt

∡FCH = ∡FCD = ∡FBD = ∡HBD , (1.7)da entspre hende S henkel orthogonal liegen. Aus (1.4), (1.6) und (1.7) folgt∡FEH = ∡HED .Somit ist gezeigt, dass die Höhen (von ∆ABC) die Winkelhalbierenden des Höhenfuÿ-punktsdreie ks (∆DEF ) sind. Also gilt

∡FED = 2 · ∡FEH(1.4)= 2 ·∡FCH

(1.5)= ∡FY H = ∡FY D .Somit liegt Y auf dem Kreis k dur h D, E, F (siehe 1.1 Satz 4). Glei hes gilt für dieMittelpunkte der übrigen Höhenabs hnitte.(ii) Wir zeigen nun, dass R und damit alle Seitenmitten auf k liegen. Dazu betra htenwir die Sehne AD des Kreises k(R) dur h A und C, auf dem au h D und E liegen.Wir sehen

∡ARD = 2 · ∡ACD = 2 · ∡AED = ∡FED

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14 1 Das Dreie kund damit∡FRD + ∡FED = 180◦ .Das Viere k RFED ist also ein Sehnenviere k (siehe 1.1 Satz 8).(iii) DP , EQ und FR sind Sehnen des Feuerba h's hen Kreises. Daher ist N derS hnittpunkt der Mittelsenkre hten dieser Stre ken. Mit anderen Worten: N ist derS hnittpunkt der Mittellinien der Trapeze PDHM , QEHM und RFHM , also derMittelpunkt von HM . Daher bildet die zentris he Stre kung mit dem Zentrum H unddem Faktor 2 den Mittelpunkt N auf M sowie Y auf C ab. Somit ist der Umkreisdoppelt so groÿ wie der Feuerba h's he Kreis. �Man konstruiere den Punkt F mit minimaler Abstandssumme zu den E ken einesA Dreie ks ∆ABC (Fermat-Torri elli-Punkt). (Giering/Hos hek S. 14f)

c c

Abbildung 1.13: Die Satzgruppe des Pythagoras1.4 Der Satz des PythagorasZur Satzgruppe des Pythagoras gehören folgende Sätze (siehe Abbildung 1.13):Satz 1 (Satz des Pythagoras) Im re htwinkligen Dreie k haben die Quadrate überI,47 den Katheten zusammen die glei he Flä he wie das Quadrat über der Hypotenuse.Satz 2 (Höhensatz) Im re htwinkligen Dreie k ist das Quadrat über der Höhe auf dieVI,8 Hypotenuse �ä henglei h dem Re hte k aus den beiden Hypotenusenabs hnitten.Satz 3 (Kathetensatz) Im re htwinkligen Dreie k ist das Quadrat über einer Kathete�ä henglei h dem Re hte k aus der Hypotenuse und dem anliegenden Hypotenusenab-s hnitt.

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1.4 Der Satz des Pythagoras 15Der Kathetensatz tritt bei Euklid im Beweis des Satzes des Pythagoras auf (sieheunten).Au h die Umkehrung dieser Sätze ist ri htig. Für den Satz des Pythagoras zeigt man I,48dies wie folgt. Hat man ein beliebiges Dreie k mit den Seitenlängen a, b, c, das dieBedingung a2 + b2 = c2 erfüllt, so konstruiert man ein re htwinkliges Dreie k mitKathetenlängen a, b. Na h dem Satz des Pythagoras erfüllt die Länge x der Hypotenusedieses Dreie ks die Bedingung x2 = a2 + b2 = c2. Die beiden Dreie ke sind daher na hdem sss-Satz kongruent, das Ausgangsdreie k also ebenfalls re htwinklig. I,8s s

s

4

3 5

q qAbbildung 1.14: Konstruktion re hter WinkelDer �Satz des Pythagoras� stammt ni ht von Pythagoras; er ist wesentli h älter. Re hteWinkel waren wi htig in der Landvermessung. Bereits die Babylonier und die Ägypterwussten, wie man mit Seilen sol he Winkel herstellt (siehe Abbildung 1.14).

c c c

c

c

c

c c

A B

C

cq p

b aF

E

D

G HAbbildung 1.15: Der Beweis in den Elementen Euklids

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16 1 Das Dreie kDer euklidis he Beweis der Proposition 47 im Bu h I der Elemente und damit der ältesteüberlieferte Beweis des Satzes des Pythagoras verwendet �ä henglei he Dreie ke. Manbenötigt zu seinem Verständnis nur die Flä henformelI,41 Dreie ks�ä he =1

2Grundlinie · Höheund einen Kongruenzsatz für Dreie ke. Mit den Bezei hnungen der Abbildung 1.15 giltI,4 zunä hst

b2 = A(ACEF ) = 2A(ACF )

= 2A(ABF ) (gemeinsame Grundlinie AF , glei he Höhe)= 2A(AGC) (kongruent na h sws)= 2A(AGD) (gemeinsame Grundlinie AG, glei he Höhe)= A(AGHD) = c · q .Das ist der Beweis des Kathetensatzes. Analog folgt

a2 = c · p ,so dass si h insgesamta2 + b2 = c · (p + q) = c2ergibt.Man kennt hunderte Beweise des Satzes. Im Folgenden sollen einige Beispiele betra htetwerden. Wir gehen dabei stets von einem re htwinkligen Dreie k ∆ mit den Katheten-längen a, b und der Hypotenusenlänge c aus.

c c c

cc

c c

c

a

b a

b

E

D

F G

HL

I

K = K ′

Abbildung 1.16: ZerlegungsbeweisZerlegungsbeweis: Ein alter indis her Beweis mit dem Namen Stuhl der Braut , derledigli h die Kenntnis der Winkelsumme im Dreie k voraussetzt, geht wie folgt (siehe

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1.4 Der Satz des Pythagoras 17Abbildung 1.16). Wir legen die Quadrate über den Katheten nebeneinander und passenzweimal das Dreie k ∆ ein (∆DEF bzw. ∆FGH). Drehen wir nun ∆DEF um D um90◦ in die Lage ∆DIK sowie ∆FGH um H ebenfalls um 90◦ in die Lage ∆K ′LH , sogilt K ′ = K. Vom Viere k DFHK wissen wir:� A(DFHK) = a2 + b2 (die beiden Figuren sind zerlegungsglei h);� DFHK hat vier Seiten der Länge c;� DFHK hat bei D und H re hte Winkel (da um 90◦ gedreht wurde);� DFHK hat bei K einen re hten Winkel, nämli h die Summe der ni ht re htenWinkel in ∆.Das Viere k DFHK ist also ein Quadrat und hat damit die Flä he c2.Ergänzungsbeweis: Bei dem in Abbildung 1.17 gezeigten Beweis, der mögli herweiseauf die Pythagoreer zurü kgeht, werden einerseits das Hypotenusenquadrat und ande-rerseits die beiden Kathetenquadrate so dur h vier zu ∆ kongruente Dreie ke ergänzt,dass man zwei Quadrate mit der Seitenlänge a+ b erhält. Da die Ergänzungen �ä hen-glei h sind, müssen au h die Ausgangs�guren �ä henglei h sein. Wesentli h ist hierwieder, dass si h die ni ht re hten Winkel von ∆ zu 90◦ ergänzen.

b2

a2

c2

Abbildung 1.17: ErgänzungsbeweisAm 4. März 1881 trat James Abram Gar�eld sein Amt als 20. Präsident der USAan. Vier Monate später s hoss ihn im Bahnhof von Washington ein Mann nieder, dersi h erfolglos um einen Posten im Präsidentenbüro beworben hatte. Gar�eld starb imSeptember an den Folgen des Attentats.b

a

b

a

c

c

Abbildung 1.18: Zum Beweis von Gar�eld

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18 1 Das Dreie kIm Jahre 1876 hatte er als Kongressabgeordneter einen interessanten Beweis des Satzesdes Pythagoras entde kt (siehe den linken Teil der Abbildung 1.18). Zwei Exemplarevon ∆ werden so aneinander gesetzt, dass zwei unters hiedli he Katheten auf einerGeraden liegen. Die entstehende Figur wird zu einem Trapez ergänzt. AusA(Trapez) =

a + b

2(a + b) =

a2

2+

b2

2+ ab

= 2A(∆) +1

2c2 = ab +

c2

2folgt dann sofort die Behauptung.Ein Bli k auf den re hten Teil der Abbildung 1.17 zeigt, dass man hieraus Gar�eldsFigur mithilfe einer Diagonale erhält (siehe Abbildung 1.18). Die Gar�eld-Figur istalso ni ht so neu, wie sie auf den ersten Bli k aussieht. Ihr Vorzug ist, dass sie au heinen Beweis des (1.) Additionstheorems der Sinus-Funktion liefert, wenn man anstelleder beiden kongruenten Dreie ke zwei beliebige re htwinklige Dreie ke mit glei herHypotenusenlänge 1 betra htet (siehe Abbildung 1.19). Zunä hst gilt1

δξ

sin ε

sin δ

cos ε

cos δ

∆1

∆2

∆3

Abbildung 1.19: Das Additionstheorem des Sinussin ξ = sin(180◦ − (δ + ε)) = sin(δ + ε)undA(∆1) +A(∆2) +A(∆3) = A(Trapez) .Setzt man in die letzte Glei hungA(∆1) =

1

2sin ε · cos ε ,

A(∆2) =1

2sin δ · cos δ ,

A(∆3) =1

2· 1 · 1 · sin ξ =

1

2sin(δ + ε) ,

A(Trapez) =1

2(sin δ + sin ε) · (cos ε + cos δ)

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1.4 Der Satz des Pythagoras 19ein, so erhält mansin(δ + ε) = sin δ · cos ε + cos δ · sin ε .Man bea hte, dass der Beweis nur die Höhenformel für die Dreie ks�ä he benötigt, daaus ihr die Formel für A(∆3) unmittelbar folgt (siehe Abs hnitt 1.1).

c c

c

c

c

A B

C

c

b aD

F

c c

c

c

c

A B

C

c

b a

E

GAbbildung 1.20: S herungsbeweisS herungsbeweis: Kennt man S herungen als �ä hentreue Abbildungen, kann manden Satz des Pythagoras einfa h wie folgt beweisen (siehe Abbildung 1.20).� Man s hert die Kathetenquadrate zu Parallelogrammen in das Dreie k ABC hinein(S herungsa hse DA bzw. BE).� Man dreht die Parallelogramme um 90◦ um A bzw. B.� Man s hert nun die gedrehten Parallelogramme in das Hypotenusenquadrat hinein(S herungsa hse AF bzw. BG).c c

c

A B

C

cq p

b ah

∆1 ∆2Abbildung 1.21: Ähnli hkeitsbeweisÄhnli hkeitsbeweis: Stimmen zwei re htwinklige Dreie ke in einem weiteren Winkel

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20 1 Das Dreie küberein, so stimmen sie au h im dritten Winkel überein; sie sind also ähnli h. WennVI,4 man im re htwinkligen Dreie k ∆ die Höhe auf die Hypotenuse einzei hnet, erhält mandaher zwei zu ∆ ähnli he Dreie ke ∆1 und ∆2 (siehe Abbildung 1.21). Nun kann manVI,8 wie folgt s hlieÿen:∆1, ∆ ähnli h ⇒ q

b=

b

c⇒ qc = b2

∆2, ∆ ähnli h ⇒ p

a=

a

c⇒ pc = a2

⇒ a2 + b2 = (p + q)c = c2 .Wir wollen einige weitere Ähnli hkeitsüberlegungen anstellen. Wel he Aussage kannman ma hen, wenn man über den Seiten a, b, c eines re htwinkligen Dreie ks glei hsei-tige Dreie ke ∆a, ∆b, ∆c anstelle der Quadrate erri htet (siehe Abbildung 1.22)? Aus

c

∆c

b∆b

a

∆a

Abbildung 1.22: Eine VerallgemeinerungA(∆a) : A(∆b) : A(∆c) =

√3

4a2 :

√3

4b2 :

√3

4c2 = a2 : b2 : c2folgt

A(∆a) =(a

c

)2

A(∆c) und A(∆b) =

(b

c

)2

A(∆c) ,alsoA(∆a) +A(∆b) =

a2 + b2

c2A(∆c) = A(∆c) .Man kann daher im Satz des Pythagoras die Quadrate dur h glei hseitige Dreie keersetzen. Da für unsere Überlegungen nur wi htig war, dass die betra hteten Flä henähnli h sind, gilt allgemeiner derSatz 4 Zei hnet man über den Seiten eines re htwinkligen Dreie ks ähnli he Figuren, soVI,31 ist die Summe der Flä heninhalte der Figuren über den Katheten glei h dem Flä heninhaltder Figur über der Hypotenuse.

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1.4 Der Satz des Pythagoras 21

c c

c

A B

C

(a) (b)

Abbildung 1.23: Die Mönd hen des HippokratesÄhnli h sind insbesondere Halbkreise. Die Summe der Halbkreis�ä hen über den Ka-theten ist also die Flä he des Halbkreises über der Hypotenuse. Spiegelt man Letzterenan der Hypotenuse, erhält man die Figur aus Abbildung 1.23 (a). Ihr kann man entneh-men, dass die Flä he der beiden Mönd hen mit der Flä he des Dreie ks übereinstimmt.Diese Erkenntnis geht auf Hippokrates (etwa 470�410 v.Chr.) aus Chios zurü k. Mitseiner Konstruktion war es Hippokrates gelungen, eine krummlinig begrenzte Flä he ineine Dreie ks�ä he zu verwandeln. Man glaubte irrtümli h, dadur h einen S hritt aufdemWeg zur Quadratur des Kreises vorangekommen zu sein. Eine einfa he Anwendungzeigt die Abbildung 1.23 (b). Die Mönd hen sind zusammen so groÿ wie das Quadrat. Ac

Abbildung 1.24: Arithmetis her BeweisArithmetis her Beweis: Wir gehen aus von einem Quadrat mit der Seitenlänge cund legen viermal das Dreie k ∆ hinein. Da si h die ni ht re hten Winkel von ∆ zu 90◦ergänzen, ist dies mögli h. Frei bleibt ein Quadrat mit der Seitenlänge |a − b| (sieheAbbildung 1.24). Daher giltc2 = 4A(∆) + (a− b)2 = 4 · ab

2+ a2 + b2 − 2ab = a2 + b2 .Während hier ein geometris her Sa hverhalt mithilfe einer binomis hen Formel bewie-sen wird, bewies Euklid diese Formel dur h geometris he Überlegungen. II,7

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22 1 Das Dreie kBeweis mit analytis her GeometrieA

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2 Der deduktive Ansatz2.1 Grie his he GeometerAbbildung 2.1 zeigt einige der wi htigsten grie his hen Mathematiker. Es geht unsnur um eine grobe zeitli he und räumli he Einordnung. Bei der zeitli hen Einordnungkann die Orientierung an den in der linken Spalte aufgelisteten Persönli hkeiten undges hi htli hen Daten helfen, bei der räumli hen die Abbildung 2.2.Am Beginn dieser Reihe stehen Thales von Milet und Pythagoras aus Samos. Tha-les ist der erste namentli h fassbare grie his he Mathematiker, der die Notwendigkeiteines Beweises erkannte. Pythagoras war sehr ein�ussrei h, betrieb aber eher Zahlen-mystik als Mathematik. Mit dem na h ihm benannten, aber ni ht von ihm stammendenSatz haben wir uns im Abs hnitt 1.4 bes häftigt. Mit gewissem zeitli hen Abstand be-ginnt um 480 v.Chr. eine mathematis h sehr fru htbare Zeit, die bis etwa 200 v.Chr.rei ht. Im Zentrum steht Euklid, dessen Elemente wir uns im Folgenden etwas näheransehen. In ihnen �nden si h au h Ergebnisse von Hippokrates und Eudoxos. Der aufSizilien lebende Ar himedes gilt als der Begründer der mathematis hen Physik (u. a.entde kte er den hydrostatis hen Auftrieb). In der Geometrie, die er besonders s hätzte,bestimmte er Ober�ä hen und Volumina von Kegel, Zylinder und Kugel. Apollonioswar als der Groÿe Geometer bekannt. Sein Bu h Coni a über Kegels hnitte beein-�usste no h Newton und Fermat na hhaltig. Eratosthenes bestimmte den Erdumfangerstaunli h genau. Er kam auf etwa 42 000 km (Kolumbus ging von 28 000 km aus!).Der Almagest des Ptolemäus prägte die Astronomie bis ins 16. Jahrhundert. Pappus(grie his h Pappos) gilt als der letzte bedeutende antike Mathematiker. Er fors hte aufvers hiedensten Gebieten und fand etwa die na h ihrem Wiederentde ker benanntenGuldin's hen Regeln.Der räumli he S hwerpunkt lag zunä hst auf den Ionis hen Inseln (Samos, Chios) sowiein Kleinasien. Später wurde Alexandria das unumstrittene Zentrum von Wissens haftund Fors hung. Alexandria ist die berühmteste unter den rund 70 StädtegründungenAlexanders des Groÿen. Im Winter 332/331 v.Chr. angelegt, entwi kelte si h die Stadtbald zu einem kulturellen und wissens haftli hen Zentrum. Alexandria war zeitweiligdie bevölkerungsrei hste Stadt der antiken Welt. Na h modernen S hätzungen lebtendort im 1. Jahrhundert v. Chr. etwa 500 000 Mens hen. Die Stadt beherbergte zweider berühmtesten Fors hungsstätten der damaligen Welt, die beide auf Ptolemaios I.Soter (323�283 v.Chr.), den Begründer der ptolemäis hen Dynastie in Ägypten, zu-rü kgehen. 288 v.Chr. wurde die Bibliothek gegründet, die für die Ausbreitung antikerWissens haft von ents heidender Bedeutung war. Die zweite wi htige Einri htung wardas mouseion (lateinis h Museum), ein den Musen gewidmeter Ort, an dem Vorlesun-gen und Diskussionen stattfanden. Bis in die Spätantike hinein blieb es die gröÿte undbedeutendste Fors hungsstätte der grie his h-römis hen Welt. 23

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24 2 Der deduktive Ansatzv. Chr.

n. Chr.s

s

c

s

s

s

s

s

s

s

s

300

200

100

100

200

300

400

500

600

700

HomerSokrates(Athen)Aristoteles(Makedonien)Marathon SalamisPlaton(Athen)AkropolisAlexander

HadrianDiokletianKonstantinder Groÿe

Hannibal(Karthago)AugustusCaesar

Thalesvon MiletPythagorasvon SamosEratosthenesvon KyreneAr himedesvonSyrakus Apolloniosvon Perge

Hippokratesvon ChiosEudoxosvon Knidos

Menelaosvon Alexandria

Euklid(Alexandria)

Ptolemäus(Alexandria)Pappusvon AlexandriaAbbildung 2.1: Zeittafel

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2.2 Euklids Elemente 25

Abbildung 2.2: Das antike Grie henlandUnd wo bleiben die römis hen Mathematiker? Es gab sie ni ht, da si h die Römerzu anderem berufen fühlten. Ci ero fasst die unters hiedli he Einstellung der Grie henund Römer zur Mathematik so zusammen. �Bei jenen stand die Geometrie in hö hstemAnsehen; daher gab es ni hts Angeseheneres als Mathematiker. Wir hingegen habendiese Wissens haft auf ihren Nutzen beim Messen und Re hnen reduziert.� Mit anderenWorten: Die Römer da hten ingenieurmäÿig. Dabei bra hten sie bea htli he Ingenieur-leistungen zuwege, zum Beispiel ein Fernstraÿennetz von annähernd 100 000 km Länge.2.2 Euklids ElementeEuklid steht im Zentrum der grie his hen Mathematik. Auf seine stoiqeia (Elemente)bezogen si h jahrhundertelang alle Geometer. Von Euklids Leben ist dagegen wenigbekannt. Man weiÿ ledigli h, dass er um 300 v.Chr. lebte und am Museion von Alex-andria arbeitete. Die Elemente gelten als das na h der Bibel am häu�gsten edierte,kommentierte und in andere Spra hen übersetzte Werk.Die Elemente enthalten eine Zusammenfassung und systematis he Ordnung groÿer Tei-le der grie his hen Mathematik der damaligen Zeit. Viele Resultate waren bereits vorEuklid bekannt. So gehen Teile von Bu h I mögli herweise auf Hippokrates zurü k.Bu h V stammt im Wesentli hen von Eudoxos. In den Bü hern VII und IX �ndet manzahlrei he Ergebnisse der Pythagoreer.Euklids Leistung ist es, die vorgefundenen Bausteine zu einem weitgehend homogenenWerk zusammengefügt zu haben. Er formulierte Postulate, Axiome und De�nitionen

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26 2 Der deduktive Ansatzund leitete daraus mithilfe der Logik ohne (bewussten) Rü kgri� auf Ans hauung oderErfahrung Aussagen (protasei , lat. propositiones) her. Die Abbildung 2.3 zeigt die er-sten beiden Propositionen des ersten Bu hs in einer 1550 ers hienenen zweispra higenAusgabe. Einige Propositionen werden wir in den folgenden Kapiteln kennen lernen.

Abbildung 2.3: Die ersten PropositionenWir vermerken es jeweils am Rand, wenn (geometris he) Sätze oder Aussagen in ähn-li her Form bereits bei Euklid stehen. Beispielsweise meint IV,11 die Proposition 11im vierten Bu h. Inhaltli h kann man Lehrsätze und (Konstruktions-)Aufgaben un-ters heiden. Zu den letzteren gehören die in Abbildung 2.3 gezeigten Propositionen(über einer gegebenen Stre ke ein glei hseitiges Dreie k erri hten; an einem Punkt eineStre ke einer gegebenen Länge antragen). Die Abfolge der Satztypen ist ni ht zufällig.So zeigt Euklid zuerst, wie si h ein Quadrat über einer gegebenen Seite (mit Zirkel undI,46 Lineal) konstruieren lässt, bevor er den Satz des Pythagoras beweist.I,47 Euklids Elemente sind der groÿartige Versu h, die Geometrie als deduktive Wissen-s haft aufzufassen. Aristoteles (384�322 v.Chr.), S hüler Platons und Lehrer Alexan-ders des Groÿen, bes hreibt dies als eine S hlussweise, �in der dur h Annahme ge-wisser Prämissen etwas vom Angenommenen Vers hiedenes mit Notwendigkeit folgt[auss hlieÿli h℄ aufgrund der Tatsa he, dass jenes ist�.Euklid kann den eigenen Anspru h ni ht hundertprozentig erfüllen. Beim Beweis derweit über 400 Propositionen s hlei hen si h bisweilen ans hauli he Argumente ein.Do h die S hwä hen im Detail s hmälern ni ht seine Leistung insgesamt. Im Gegenteil:Die Tatsa he, dass si h Mathematiker seit über 2000 Jahren mit �euklidis her Geome-trie� bes häftigen, zeigt die Bedeutung und Tragweite seines Ansatzes.

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2.2 Euklids Elemente 27Den folgenden kurzen Überbli k über die Elemente beginnen wir mit den je fünf Postu-laten und Axiomen, die im ersten Bu h stehen. Während die Postulate geometris herNatur sind, handeln die Axiome von den logis hen Grundlagen. In den Postulaten wirdgefordert,1. dass man von jedem Punkt zu jedem anderen die Stre ke ziehen kann;2. dass man jede Stre ke zu einer Geraden verlängern kann;3. dass man zu Mittelpunkt und Radius einen Kreis zei hnen kann;4. dass alle re hten Winkel glei h sind (Euklid erklärt jedo h ni ht, wann zwei Winkelglei h heiÿen sollen);5. dass si h zwei Geraden, die von einer dritten so ges hnitten werden, dass zweiinnere na h derselben Seite hin gelegene Winkel zusammen kleiner als zwei re hteWinkel sind, bei unbegrenzter Verlängerung auf der Seite s hneiden, auf der dieWinkel liegen, die zusammen kleiner als zwei re hte Winkel sind.c

c

Abbildung 2.4: Das 5. PostulatDas fünfte Postulat (siehe Abbildung 2.4) ist das bis zu Beginn des 19. Jahrhundertsheiÿ diskutierte Parallelenaxiom. Au h die im Unters hied zu den anderen Postula-ten komplizierte Formulierung mag dazu beigetragen haben, dass Mathematiker überJahrhunderte (vergebli h) versu hten, dieses Postulat zu tilgen, also aus den übrigenPostulaten und Axiomen abzuleiten. Wir werden uns im Abs hnitt 6.5 etwas näher mitdiesem Thema bes häftigen.Die Axiome lauten wie folgt:1. Was demselben glei h ist, ist au h untereinander glei h.2. Wird Glei hes zu Glei hem hinzugefügt, erhält man Glei hes.3. Wird Glei hes von Glei hem weggenommen, bleibt Glei hes übrig.4. Was si h de kt, ist glei h.5. Das Ganze ist gröÿer als der Teil.Als Galilei dur h Untereinanders hreiben der Folgen1 2 3 4 5 . . .12 22 32 42 52 . . .erkannte, dass es ebenso viele Quadratzahlen gibt wie natürli he Zahlen, erklärte ereinfa h den Verglei h unendli her Mengen für ni ht zulässig. Do h Euklid ging dur hausmit unendli hen Mengen um, wenn er au h ni ht mit ihnen argumentierte. So bewies

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28 2 Der deduktive AnsatzProp. Inhalt48 Bu h I: Geometrie von Dreie ken und ParallelogrammenZwei Dreie ke sind kongruent, wenn sie übereinstimmen4 ◦ in zwei Seiten und im einges hlossenen Winkel (Kongruenzsatz sws);8 ◦ in allen drei Seiten (Kongruenzsatz sss);26 ◦ in einer Seite und zwei glei h liegenden Winkeln (Kongruenzsatz wswoder Kongruenzsatz wws).15 S heitelwinkel si h s hneidender Geraden sind glei h.16 Ein Auÿenwinkel eines Dreie ks ist gröÿer als jeder ni ht anliegendeInnenwinkel.32 Die Summe der Innenwinkel eines Dreie ks beträgt zwei re hte Winkel.38 Dreie ke zwis hen denselben Parallelen und glei her Grundlinie sind(�ä hen-)glei h.47,48 Der Satz des Pythagoras und seine Umkehrung14 Bu h II: Geometris he Algebra7 (a − b)2 = a2 + b2 − 2ab [Teilt man eine Stre ke beliebig, so sind die Qua-drate über der Stre ke und über einem ihrer Abs hnitte zusammen glei hzweimal dem Re hte k aus der Stre ke und dem genannten Abs hnitt unddem Quadrat über dem anderen Abs hnitt zusammen.℄11 Löse die Glei hung a(a−x) = x2 (Teilung einer Stre ke im Goldenen S hnitt).14 Löse die Glei hung x2 = ab (Quadratur des Re hte ks).37 Bu h III: Kreisgeometrie20 Über einem Kreisbogen ist der Mittelpunktswinkel doppelt so groÿ wie einUmfangswinkel.21 Alle Umfangswinkel über einem Kreisbogen sind glei h.35 S hneiden si h zwei Sehnen eines Kreises, so ist das Re hte k aus den Teilender einen (�ä hen-)glei h dem Re hte k aus den Teilen der anderen.16 Bu h IV: Reguläre Viele ke, In- und Umkreise4,5 Konstruiere den Inkreis und den Umkreis eines Dreie ks.11 Konstruiere ein regelmäÿiges Fünfe k zu gegebenem Umkreis.15 Konstruiere ein regelmäÿiges Se hse k zu gegebenem Umkreis.16 Konstruiere ein regelmäÿiges Fünfzehne k zu gegebenem Umkreis.25 Bu h V: Proportionenlehreeine auf Eudoxos zurü kgehende Grundlegung der reellen Zahlen33 Bu h VI: Ähnli hkeitslehre3 Eine Winkelhalbierende im Dreie k teilt die Gegenseite im Verhältnis derbeiden anderen Seiten.4 Winkelglei he Dreie ke haben die glei hen Seitenverhältnisse.19 Das Flä henverhältnis ähnli her Dreie ke ist das Quadrat des Seitenverhält-nisses.30 Teile eine Stre ke im Goldenen S hnitt.Tabelle 2.1: Die planimetris hen Bü her

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2.2 Euklids Elemente 29er, dass es unendli h viele Primzahlen gibt, indem er zeigte, dass keine endli he Menge IX,20alle Primzahlen enthalten kann.Problematis h sind man he De�nitionen, etwa die folgenden:� Punkt ist, was ohne Teile ist.� Linie ist Länge ohne Breite.Heutige De�nitionen sind ledigli h abkürzende S hreibweisen:� Ein eindimensionaler a�ner Unterraum heiÿt Gerade.� Eine ni htleere Menge mit einer assoziativen inneren Verknüpfung heiÿt Halbgruppe.Euklids Versu h einer weitergehenden Bes hreibung der Begri�e muss s heitern, daentweder irgendwann die Ans hauung ins Spiel kommt oder immer neue Begri�e auf-tau hen, die wieder erklärt werden müssten (was ist Breite?). Erst in Hilberts Grundla-gen der Geometrie von 1899 wird die deduktive Methode konsequent umgesetzt. DavidHilbert (1862�1943), der von 1895 bis 1930 Professor in Göttingen war, war wohl derbedeutendste Mathematiker seiner Zeit. Bereits 1891 formulierte er die ents heidendeForderung an ein Axiomensystem: �Man muss jederzeit an Stelle von Punkte, Geraden,Ebenen` Tis he, Stühle, Bierseidel` sagen können.� Einprägsamer kann man die Tren-nung von jeder Ans hauung wohl ni ht ausdrü ken. In Teil II der Vorlesung werdenwir uns einen modernen axiomatis hen Aufbau der euklidis hen Geometrie ansehen.Prop. Inhalt39 Bu h VII: Teilbarkeit von Zahlen2 Finde den gröÿten gemeinsamen Teiler zweier (natürli her) Zahlen.34 Finde das kleinste gemeinsame Vielfa he zweier (natürli her) Zahlen.27 Bu h VIII: Geometris he FolgenFolgen a, b, c, d . . . mit a : b = b : c = c : d = . . .(also Folgen der Gestalt a, aq, aq2, aq3 . . .)36 Bu h IX: Quadratis he Folgen, Beginn der Zahlentheorie20 Zu jeder endli hen Menge von Primzahlen kann man weitere �nden.27 Ungerade − Gerade = Ungerade29 Ungerade · Ungerade = Ungerade115 Bu h X: Quadratis he IrrationalitätenTabelle 2.2: Die arithmetis hen Bü herDie 13 Bü her der Elemente Euklids kann man grob wie folgt einteilen. Am Anfangstehen die planimetris hen Bü her I bis VI (siehe Tabelle 2.1), in denen es um ebeneProbleme geht. Eine Sonderrolle spielen dabei Bu h II, in dem mit geometris hen Mit-teln algebrais he Beziehungen bewiesen werden, und Bu h V, das eine Grundlegungder reellen Zahlen enthält. Es folgen die arithmetis hen (zahlentheoretis hen) Bü herVII bis X (siehe Tabelle 2.2). Den Abs hluss bilden die stereometris hen Bü her XIbis XIII, in denen ni htebene Figuren untersu ht werden (siehe Tabelle 2.3). In denTabellen sind jeweils einige typis he Propositionen aufgelistet.Wir sehen uns exemplaris h einige weitere Propositionen an, die zu den beiden Strah-lensätzen führen, die wir s hon verwendet haben. Dazu formulieren wir zunä hst dieseSätze (siehe Abbildung 2.5).

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30 2 Der deduktive AnsatzProp. Inhalt39 Bu h XI: Raumlehre3 S hneiden si h zwei Ebenen, so ist ihr S hnitt eine Gerade.6 Zwei Lote auf eine Ebene sind parallel.20 Wird eine E ke von drei ebenen Winkeln umfasst, so sind zwei beliebige zu-sammen gröÿer als der dritte.21 Jede E ke wird von ebenen Winkeln umfasst, die zusammen kleiner als vierre hte Winkel sind.18 Bu h XII: Volumenmessungen5 Tetraeder mit glei her Höhe verhalten si h wie die Grund�ä hen.10 Ein Kegel ist ein Drittel des Zylinders mit glei her Grund�ä he und Höhe.18 Bu h XIII: Die Platonis hen KörperTetraeder, Hexaeder (=Würfel), Oktaeder, Dodekaeder, Ikosaeder18 Die Kanten der 5 Körper darstellen und miteinander verglei hen.18a Auÿer den bespro henen 5 Körpern gibt es keinen weiteren Körper, der voneinander glei hen glei hseitigen und glei hwinkligen Figuren umfasst wird.Tabelle 2.3: Die stereometris hen Bü herSatz Werden zwei Geraden mit dem gemeinsamen Punkt Z von zwei Parallelen (die Zni ht enthalten) ges hnitten, so verhalten si h1. je zwei Abs hnitte der einen Geraden dur h Z wie die entspre henden Abs hnitte aufder anderen;2. die Abs hnitte auf den Parallelen wie die Entfernungen entspre hender Endpunkte vomPunkt Z.c

c

c

c cZ A′ A

B′

B

Abbildung 2.5: Die StrahlensätzeMit den Bezei hnungen der Abbildung 2.5 gilt na h dem 1. Strahlensatzd(Z, A)

d(Z, A′)=

d(Z, B)

d(Z, B′)und d(Z, A)

d(A, A′)=

d(Z, B)

d(B, B′).Damit lassen si h die Sätze wie folgt in Formeln fassen:1. Strahlensatz: d(Z, A)

d(Z, B)=

d(Z, A′)

d(Z, B′)=

d(A, A′)

d(B, B′). (2.1)

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2.2 Euklids Elemente 312. Strahlensatz: d(A, B)

d(A′, B′)=

d(Z, A)

d(Z, A′)=

d(Z, B)

d(Z, B′). (2.2)Wir kommen nun zur euklidis hen Formulierung des 1. Strahlensatzes und seiner Um-kehrung.Zieht man in einem Dreie k parallel zu einer Seite eine gerade Linie, so teilt diese die VI,2Dreie ksseiten proportional. Sind umgekehrt die Dreie ksseiten proportional, so ist dieVerbindungsstre ke der Teilungspunkte zur letzten Dreie ksseite parallel.

c

c

c

c c

s

Z

A′ A

B′

B

B′′

Abbildung 2.6: Zu Proposition 2 im Bu h VIZum Beweis dieser Aussage gehen wir aus von der Abbildung 2.6, in der die SeitenZA und ZB des Dreie ks ∆ZAB dur h die Punkte A′ und B′ unterteilt werden. Dadie Dreie ke ∆A′AB′ und ∆A′BB′ die gemeinsame Grundlinie A′B′ besitzen und ihreHöhen genau dann glei h sind, wenn die Geraden AB und A′B′ parallel sind, gilt

AB ‖A′B′ ⇐⇒ A(A′AB′) = A(A′BB′) . (2.3)Weiter kann man mit Euklid wie folgt argumentieren. Die Dreie ke ∆A′AB′ und∆ZA′B′ besitzen dieselbe Höhe dur h B′. Also verhalten si h ihre Flä hen wie ihreGrundlinien, d. h. es gilt VI,1

A(A′AB′) : A(ZA′B′) = d(A, A′) : d(Z, A′)und analog (man betra hte ∆A′BB′ und ∆ZA′B′)A(A′BB′) : A(ZA′B′) = d(B, B′) : d(Z, B′) .Mit (2.3) ist also

AB ‖A′B′ ⇐⇒ d(A, A′) : d(Z, A′) = d(B, B′) : d(Z, B′)oderAB ‖A′B′ ⇐⇒ d(A, A′)

d(B, B′)=

d(Z, A′)

d(Z, B′)(2.4)gezeigt. Aus (2.4) folgt weiter

AB ‖A′B′ ⇐⇒ d(Z, A)

d(Z, B)=

d(Z, A′) + d(A, A′)

d(Z, B′) + d(B, B′)=

d(Z, A′)

d(Z, B′)·1 + d(A,A′)

d(Z,A′)

1 + d(B,B′)d(Z,B′)

=d(Z, A′)

d(Z, B′).(2.5)

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32 2 Der deduktive AnsatzDie Aussagen (2.4) und (2.5) bilden den 1. Strahlensatz und seine Umkehrung.Kommen wir zum 2. Strahlensatz. Wir beginnen mit der Proposition 29 im Bu h I derElemente, die den Mittelpunkt der euklidis hen Parallelenlehre bildet und die Umkeh-rung der Propositionen 27 und 28 ist (siehe Abbildung 2.7).

We hselwinkel StufenwinkelAbbildung 2.7: We hsel- und StufenwinkelBeim S hnitt einer Geraden mit zwei Parallelen sind We hselwinkel und Stufenwin-I,29 kel glei h, innen auf derselben Seite liegende Winkel summieren si h zu zwei re htenWinkeln.Weiÿ man, dass si h Nebenwinkel zu 180◦ ergänzen und S heitelwinkel glei h groÿ sind,I,13I,15 ist dies eine einfa he Folgerung aus dem fünften Postulat. (Für die Propositionen 1 bis28 wird das fünfte Postulat ni ht benötigt.)Sind in Abbildung 2.6 die Geraden AB und A′B′ parallel, so stimmen na h PropositionI,29 die Winkel der Dreie ke ZAB und ZA′B′ überein. Diese Dreie ke sind also ähnli h,VI,4 so dassAB ‖A′B′ ⇒ d(Z, A)

d(Z, A′)=

d(A, B)

d(A′, B′)(2.6)gilt. Wie der Kreisbogen (um A′) in Abbildung 2.6 zeigt, lässt si h die Aussage (2.6)des 2. Strahlensatz im Unters hied zum 1. ni ht umkehren.2.3 Geometrie als konstruktive GeometrieWie s hon die ersten beiden Propositionen es ersten Bu hs der Elemente zeigen, istGeometrie bei Euklid wesentli h au h konstruktive Geometrie. Wir wollen diesen fürEuklid wi htigen Aspekt zumindest an einem Beispiel etwas näher beleu hten.Ein Viele k (N-E k, Polygon) heiÿt regelmäÿig oder regulär, wenn es einen Umkreisbesitzt und alle Seiten glei h lang sind. Die Frage, wel he von diesen Viele ken mitZirkel und Lineal konstruiert werden können, bes häftigte die Mathematiker weit überdie Antike hinaus. So trägt die erste Verö�entli hung von Carl Friedri h Gauÿ (1777�1855) aus dem Jahre 1796 den Titel Konstruierbarkeit regelmäÿiger Viele ke. Mehr

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2.3 Geometrie als konstruktive Geometrie 33als 2000 Jahre na h den ersten Überlegungen war die Frage also no h immer ni htabs hlieÿend beantwortet.Natürli h sind ausgehend vom glei hseitigen Dreie k die Zahlen IV,153, 6, 12, 24, 48, . . . (2.7)und vom Quadrat aus die Zahlen IV,64, 8, 16, 32, . . . (2.8)errei hbar. Gauÿ bewies, dass si h ein N-E k mit Zirkel und Lineal konstruieren lässt,wennN = 2m · p1 · · · pngilt, wobei die n (≥ 0) Zahlen p1, . . . , pn vers hiedene Fermat's he Primzahlen, dasheiÿt Primzahlen der Form

Fk = 22k+ 1sind. Gauÿ erwähnt au h, dass diese Aufzählung ers höpfend ist, dass si h also mitZirkel und Lineal keine weiteren N-E ke konstruieren lassen. Den ersten Beweis hierfürgab Laurent Wantzel 1837 an. Die ersten Fermat's hen Zahlen lauten

F0 = 3, F1 = 5, F2 = 17, F3 = 257, F4 = 65 537 .Da jede dieser Zahlen eine Primzahl ist, formulierte Fermat die Vermutung, alle derar-tigen Zahlen seien Primzahlen. Dass dies ni ht stimmt, zeigte 1732 der 25-jährige Eulerdur h Bere hnung der ZerlegungF5 = 232 + 1 = 4 294 967 297 = 641 · 6 700 417 .Von den regelmäÿigen Viele ken mit hö hstens 50 E ken lassen si h damit genau jenemit

3, 4, 5, 6, 8, 10, 12, 15, 16, 17, 20, 24, 30, 32, 34, 40, 48E ken konstruieren. Zu den in (2.7) und (2.8) genannten Zahlen kommen also no h5, 10, 15, 17, 20, 30, 34, 40hinzu. Die Konstruktion des 5-E ks (und damit des 10-, 20- und 40-E ks) bes hreibt IV,11Euklid ebenso wie die des 15-E ks (und damit des 30-E ks). Mit der Konstruktion des IV,165-E ks werden wir uns im Folgenden bes häftigen. Den Zentriwinkel des 15-E ks erhältman aus den Zentriwinkeln des 5- und 3-E ks gemäÿ

(2

5− 1

3

)· 360◦ =

1

15· 360◦ = 24◦ .Ni ht bekannt war Euklid, dass si h au h das 17-E k (und damit das 34-E k) mit Zirkelund Lineal konstruieren lässt. Dieser Na hweis gelang erst dem 18-jährigen Gauÿ imJahre 1796.

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34 2 Der deduktive AnsatzBei der Konstruktion des regelmäÿigen Fünfe ks gehen wir aus von dem in Abbildung2.8 gezeigten regelmäÿigen Fünfe k ABCDE mit der Seitenlänge s1 und der Diagona-lenlänge d1. Das von den Diagonalen geformte regelmäÿige Fünfe k FGHKL habe dieSeitenlänge s2 und die Diagonalenlänge d2. Da die Mittelsenkre hte der Stre ke DESymmetriea hse des Fünfe ks ist, giltDE ‖ AC = FG ‖ HL .Entspre hend sieht manBC ‖ AD = KL ‖ FH .

c

c

c

c

c

A

B

C

D

E

s1

F

G

H

K

Ls2 d2

d1

s

s

s

s

s

c

c

c

c

c

Abbildung 2.8: Regelmäÿiges Fünfe kAlso sind die Viere ke AFHL und (aus Symmetriegründen) GCHL Parallelogramme.Gegenüberliegende Seiten sind somit glei h lang, weshalbI,34d(A, C) = d(A, F ) + d(F, G) + d(G, C) = d(F, G) + 2 · d(L, H) ,das heiÿt

d1 = s2 + 2d2 (2.9)gilt. Im Parallelogramm CDEF sieht mand(D, E) = d(C, F ) = d(C, G) + d(G, F ) = d(H, L) + d(G, F ) ,also

s1 = d2 + s2 . (2.10)Aus (2.9) und (2.10) folgtd1 − s1 = d2 , (2.11)s1 − d2 = s2 . (2.12)

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2.3 Geometrie als konstruktive Geometrie 35Wie groÿ ist das Verhältnis τ zwis hen Seiten- und Diagonalenlänge? Ausτ =

s2

d2

=s1

d1

(2.10)=

(2.9)

d2 + s2

2d2 + s2folgt 2d2s2 + s22 = d2

2 + d2s2, also(d2 + s2)s2 = d2

2 (2.13)oder(τ =)

s2

d2=

d2

d2 + s2. (2.14)Diese für das Fünfe k FGHKL gezeigte Beziehung gilt natürli h für jedes regelmäÿigeFünfe k. Die Stre ke AG der Länge d2 + s2 wird dana h vom Punkt F so geteilt, dasssi h die kleinere Teilstre ke zur gröÿeren so verhält wie die gröÿere zur Gesamtstre ke.Man sagt, dass F die Stre ke AG stetig oder im Goldenen S hnitt teilt.Bei Euklid lautet diese Aufgabe (vgl. (2.13)): Eine Stre ke ist so zu teilen, dass das II,11Re hte k aus der ganzen Stre ke und dem einen Abs hnitt (�ä hen-)glei h dem Quadratüber dem anderen Abs hnitt ist.Für das Verhältnis τ erhalten wir aus (2.14)

τ =1

1 + τoderτ(1 + τ) = 1 . (2.15)Diese quadratis he Glei hung besitzt die Lösungen

τ = −1

2± 1

2

√5 ,woraus wegen τ > 0

τ =1

2

(√5− 1

)(≈ 0.618)folgt. Wir halten no h fest:

d1

s1=

1

τ

(2.15)= 1 + τ =

1

2

(√5 + 1

),

d2

s1

(2.11)=

d1 − s1

s1=

1

τ− 1 = τ , (2.16) AWie groÿ ist das Verhältnis s2

s1?Mit (2.16) gilt

τ =s1

d1=

d2

s1=

s2

d2.

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36 2 Der deduktive AnsatzWegen d(A, F ) = d2 und d(F, C) = s1 teilt also der Punkt F ni ht nur die Stre keAG im Goldenen S hnitt, sondern au h die Diagonale AC. Daher haben alle in der XIII,8Abbildung 2.8 auftretenden glei hs henkligen Dreie ke die Eigens haftBasislängeS henkellänge = τ (Winkel an der Spitze: 36◦)oder die Eigens haft S henkellängeBasislänge = τ (Basiswinkel: 36◦) .Dabei gilt die Aussage über die Winkel, da die Winkel des Fünfe ks

3 · 180◦

5= 108◦betragen und dur h die Diagonalen gedrittelt werden. (Die Basiswinkel in den Dreie ken

∆ABC und ∆ADE betragen jeweils (180◦ − 108◦) : 2 = 36◦.)c c c

cC

A BTl

l2

Abbildung 2.9: Goldener S hnittDie Abbildung 2.9 zeigt, wie man eine Stre ke AB im Goldenen S hnitt teilt. Zei hnetman einen Kreis um C dur h B und dur h den S hnittpunkt dieses Kreises mit derStre ke AC einen Kreis um A, so tri�t letzterer AB im gesu hten Teilungspunkt T .Ausd2(A, C) = l2 +

(l

2

)2

=5

4l2folgt nämli h

d(A, T ) = d(A, C)− l

2=

√5

2l − l

2=

l

2

(√5− 1

)und damitd(A, T )

d(A, B)=

1

2

(√5− 1

)= τ .Kennt man T , kann man auf die beiden folgenden Arten ein regelmäÿiges Fünfe k mitIV,11 Zirkel und Lineal konstruieren (siehe Abbildung 2.10):

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2.3 Geometrie als konstruktive Geometrie 37

c c c

c

c

C

A

P

Bl2

l2

l2

T

s

s

s

s

Abbildung 2.10: Konstruktion eines regelmäÿigen Fünfe ks(1) Man konstruiert ein glei hs henkliges Dreie k ∆AP1T , dessen Basis mit der kür-IV,10 zeren und dessen S henkel mit der längeren Teilstre ke übereinstimmen. Dann istdieses Dreie k ähnli h zum Dreie k ∆ACD in Abbildung 2.8, seine E ken sindalso E ken eines regelmäÿigen Fünfe ks.(2) Man konstruiert ein glei hs henkliges Dreie k ∆P2BT , dessen Basis mit der län-geren und dessen S henkel mit der kürzeren Teilstre ke übereinstimmen. Dannist dieses Dreie k ähnli h zum Dreie k ∆ADE in Abbildung 2.8. Dessen Umkreisliefert mit der Länge der S henkel das regelmäÿige Fünfe k.Da das erste Dreie k an der Spitze ebenso einen 36◦-Winkel besitzt wie das zweite ander Basis, gilt∡ATP1 + ∡P2TB =

180◦ − 36◦

2+ (180◦ − 2 · 36◦) = 180◦ .Wegen d(T, P1) = d(T, P2) gilt daher P1 = P2 =: P . Da ∆APB glei hs henklig ist,liegt P auf der Mittelsenkre hten der Stre ke AB.

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3 Transformationsgruppen3.1 Felix Klein und das Erlanger Programm1872 formulierte Felix Klein (1849-1925) in seinem Erlanger Programm erstmals dieIdee, Geometrie als Invariantentheorie einer Transformationsgruppe zu betreiben: �Esist eine Mannigfaltigkeit und in derselben eine Transformationsgruppe gegeben; mansoll die der Mannigfaltigkeit angehörigen Gebilde hinsi htli h sol her Eigens haftenuntersu hen, die dur h die Transformationen der Gruppe ni ht geändert werden.� DieGruppentheorie bra hte so Ordnung und System in die vorher vielfa h beziehungslosengeometris hen Erkenntnisse.Umgekehrt kann man au h von einer bekannten Geometrie ausgehen und na hsehen,wel he Abbildungen die Sätze dieser Geometrie respektieren, also die geometris henEigens haften ihrer Objekte ni ht verändern. Betra hten wir etwa die a�ne Ebene A2.Die zugehörige Transformationsgruppe ist die a�ne Gruppe, also die Gruppe derA�nitäten. Ihre Elemente erhalten z. B. die Parallelität von Unterräumen oder derenDimension. Da si h A�nitäten bezügli h eines Koordinatensystems s hreiben lassenals (xy

)7→

(a cb d

) (xy

)+

(st

), ad− bc 6= 0 ,ist die a�ne Gruppe 6-parametrig. Die �ä hentreuen A�nitäten sind gekennzei hnetdur h

ad− bc = ±1 .Sie bilden also eine 5-parametrige Untergruppe der a�nen Gruppe. Die Transforma-tionsgruppe der euklidis hen Ebene ist die Gruppe der Bewegungen. Diese ist eine3-parametrige Untergruppe der a�nen Gruppe (bezügli h eines kartesis hen Koordina-tensystems sind die Spaltenvektoren normiert und orthogonal). Bei denÄhnli hkeitenkommt ein Ähnli hkeitsfaktor hinzu. Diese Untergruppe ist daher 4-parametrig.Im dritten Teil der Vorlesung, wo die Klein's he Vorgehensweise im Mittelpunkt steht,werden wir sehen, dass die Theorie wesentli h rei hhaltiger wird, wenn wir von einemprojektiven Raum ausgehen. Dabei wird es si h als ges hi kt erweisen, geeignete Fix-mengen zu wählen. Darauf hinführend wollen wir in diesem Kapitel Untergruppen derBewegungsgruppe der euklidis hen Ebene mit besonders einfa hen Fixmengen unter-su hen. Zuvor sehen wir uns no hmals kurz die aus der Linearen Algebra bekanntenBewegungen des E2 und des E3 an. Im letzten Abs hnitt wollen wir eine geometris hund funktionentheoretis h wi htige Klasse von Abbildungen betra hten, die zwar ni htwie die Bewegungen Geraden auf Geraden und Kreise auf Kreise abbilden, aber zu-mindest die Menge der Geraden und Kreise auf si h. 39

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40 3 Transformationsgruppen3.2 BewegungenWir legen im Folgenden den d-dimensionalen euklidis hen Raum Ed zu Grunde (wirbetra hten auss hlieÿli h die Fälle d = 2 und d = 3).Def. Eine Selbstabbildung b des Ed, die alle Abstände invariant lässt, heiÿt Bewe-gung.Ist der Ed auf ein kartesis hes Koordinatensystem bezogen, so gibt es bekanntli h eineorthogonale (d, d)-Matrix B (BT B = Id ((d, d)-Einheitsmatrix)) und einen Vektor~t =

t1...td

derart, dass b die Darstellungb :

{ Ed → Ed

X 7→ X⋆ , ~x⋆ = B~x + ~tbesitzt. Die Bewegung heiÿt eigentli h [uneigentli h ℄ genau für |B| = 1 [|B| = −1℄.Bezügli h der Hintereinanderausführung bilden die Bewegungen die Bewegungsgrup-pe des Ed. Da die Hintereinanderausführung von zwei [un℄eigentli hen Bewegungeneine eigentli he Bewegung ergibt, bilden die eigentli hen Bewegungen im Gegensatzzu den uneigentli hen Bewegungen eine Untergruppe der Bewegungsgruppe. In dereuklidis hen Ebene E2 erhalten genau eigentli he Bewegungen den Umlaufsinn vonDreie ken.Neben b benötigen wir die homogene Bewegungbh :

{ Ed → Ed

X 7→ X⋆ , ~x⋆ = B~x, (3.1)die aus b entsteht, indem man den Translationsanteil ~t weglässt.Wir gehen nun aus von einer (eigentli hen oder uneigentli hen) Bewegung b der aufein kartesis hes Koordinatensystem bezogenen euklidis hen Ebene E2 und untersu henanhand der Fixpunkte von b, wel he Bewegung vorliegt. Da diese Frage bereits (inallgemeinerem Zusammenhang) in der Vorlesung Lineare Algebra behandelt wurde undau h aus der S hule bekannt ist, kann i h mi h kurz fassen.Fall 1: Rg(B − I2) = 0 bedeutet B = I2. b ist eine Translation oder die Identität inE2. Es liegt eine eigentli he Bewegung vor.Fall 2: Für Rg(B − I2) = 1 besitzt die Bewegung bh genau eine Fixpunktgerade f . bhist die Spiegelung an f . b ist eine Spiegelung an f gefolgt von einer Translation. Dur hParallelvers hiebung der Spiegelungsa hse kann man errei hen, dass die TranslationA zur Spiegelungsa hse parallel wird. Dann liegt eine Gleitspiegelung oder S hubspie-gelung vor. Die Geradenspiegelung ist darin als Spezialfall enthalten. In jedem Fallhat man eine uneigentli he Bewegung.

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3.2 Bewegungen 41Fall 3: Für Rg(B− I2) = 2 besitzt die Bewegung b genau einen Fixpunkt F . Also ist beine Drehung um F um einen Winkel ϕ 6= 0. Für ϕ = π erhält man die Punktspie-gelung an F . Man hat eine eigentli he Bewegung.Es gibt also genau die in der folgenden Tabelle aufgeführten Bewegungen der euklidi-s hen Ebene E2.Rg(B − I2) = 2 Rg(B − I2) = 1 Rg(B − I2) = 0

|B| = +1DrehungSpezialfall:Punktspiegelung � TranslationSpezialfall:Identität

|B| = −1 � GleitspiegelungSpezialfall:Geradenspiegelung �Die Hintereinanderausführung von zwei Spiegelungen an parallelen Geraden (Abstand Al), ergibt eine Translation, deren Translationsvektor die Länge 2l besitzt und senkre htzu den A hsen liegt.Die Hintereinanderausführung von zwei Spiegelungen an Geraden, wel he einen Winkel Aϕ eins hlieÿen, ergibt eine Drehung um den S hnittpunkt S der beiden Geraden umden Winkel ±2ϕ.Seien d1, d2 Drehungen um den Winkel α1 bzw. α2 mit vers hiedenen Drehzentren Z1, AZ2.(i) Ist α1 + α2 ein Vielfa hes von 360◦, so ist d2 ◦ d1 eine Translation. Im Falle zweierPunktspiegelungen hat der Translationsvektor die Gestalt 2

−−−→Z1Z2.(ii) Andernfalls ist d2 ◦ d1 eine Drehung um den Winkel α1 + α2.Sei nun b eine Bewegung des auf ein kartesis hes Koordinatensystem bezogenen eukli-dis hen Raums E3.Fall 1: Rg(B − I3) = 0 bedeutet B = I3. Es liegt eine Translation oder die Identitätin E3 vor (eigentli he Bewegung).Fall 2: Für Rg(B− I3) = 1 hat die zugehörige homogene Bewegung bh genau eine Fix-punktebene ε, ist also eine Spiegelung an ε. b ist eineGleitspiegelung. Die Spiegelungan einer Ebene ist als Spezialfall enthalten (siehe den ebenen Fall 2). Es liegt eineuneigentli he Bewegung vor.Fall 3: Für Rg(B − I3) = 2 besitzt die Bewegung bh eine Fixpunktgerade f dur h

O, sie ist also eine Drehung um f . b ist eine Drehung um eine zu f parallele Geradegefolgt von einer Translation parallel zu f , also eine S hraubung. Ein Spezialfall istdie Drehung um eine Gerade. Die S hraubung ist eine eigentli he Bewegung.Fall 4: Für Rg(B − I3) = 3 besitzt b genau einen Fixpunkt F . Wäre |B| = 1, so hätte

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42 3 Transformationsgruppenman|B − I3| = |BT | · |B − I3| = |(I3 − B)T | = |I3 − B| = −|B − I3|im Widerspru h zur Voraussetzung. Also liegt eine uneigentli he Bewegung vor und esgilt

1 = −|B| = | −B| .Somit istbh :

{ E3 → E3

X 7→ X⋆ , ~x⋆ = −B~xeine eigentli he Bewegung, weshalb nur zwei Fälle mögli h sind (siehe Fall 2).Fall 4.1: Für Rg(B + I3) = 2 besitzt die Abbildung bh genau eine Fixpunktgerade f .Man kann lei ht zeigen, dass die Bewegung b die zu f senkre hte Ebene ε dur h F aufA si h abbildet. b|ε ist also eine Drehung um F . Generell hat man eine Drehung um diezu f parallele Gerade dur h F gefolgt von einer Spiegelung an ε. Die Bewegung b heiÿtDrehspiegelung.Fall 4.2: Für Rg(B + I3) = 0 ist b die Punktspiegelung an F .Es gibt also genau die in der folgenden Tabelle aufgeführten Bewegungen des euklidi-s hen Raums E3.Rg(B − I3)

3 2 1 0

|B| = +1 � S hraubungSpezialfall:Drehung um Gerade � TranslationSpezialfall:Identität|B| = −1

Drehspiegelung, fallsRg(B + I3) = 2;Punktspiegelung, fallsRg(B + I3) = 0

� GleitspiegelungSpezialfall:Ebenen-spiegelung �3.3 SymmetriegruppenGegeben sei eine ni htleere Teilmenge F ⊂ E2. Im Sinne Kleins su hen wir die ebe-nen Bewegungen, die F festlassen. Für jede Figur F bilden diese Bewegungen eineUntergruppe der Bewegungsgruppe, die Symmetriegruppe von F . Enthält sie eineA Translation, so enthält sie unendli h viele Translationen. In diesem Fall kann sie alsoni ht endli h und F ni ht bes hränkt sein. Andererseits zeigt der Kreis, der unendli hviele beliebig kleine Drehungen um den Mittelpunkt zulässt, dass au h eine bes hränkteMenge eine unendli he Symmetriegruppe haben kann.Wir wollen im Folgenden die Gestalt von Symmetriegruppen etwas genauer untersu- hen. Wir bes hränken uns dabei auf diskrete Untergruppen U der Bewegungsgruppe,

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3.3 Symmetriegruppen 43bei denen für jeden Punkt P ∈ E2 jeder Kreis nur endli h viele Bildpunkte f(P ), f ∈ Uenthält. Damit kann F kein Kreis sein. Eine diskrete Untergruppe kann aber dur h-aus unendli h viele Elemente enthalten: Man betra hte etwa die von einer Translationerzeugte Untergruppe.Um die mögli hen Gestalten diskreter Symmetriegruppen kennenzulernen, untersu henwir zunä hst, wie die Symmetriegruppe eines regelmäÿigen N-E ks (N ≥ 3) aussieht.Zunä hst sehen wir, dass wir ein sol hes N-E k umk · 360◦

N(k = 0, . . . , N − 1)um seinen Mittelpunkt drehen können, ohne seine Gestalt zu ändern. Hinzu kommenSpiegelungen an A hsen dur h den Mittelpunkt und eine E ke. Ist N ungerade, erhältman so N weitere Bewegungen. Ist N gerade, fallen jeweils zwei dieser A hsen zusam-men. In diesem Fall kommt aber no h eine glei he Anzahl von Symmetriea hsen dur hje zwei Seitenmittelpunkte hinzu (siehe Abbildung 3.1). In jedem Fall erhält man also

c

c

c

c

c

ccccc c

cc

c

c c

cccccc

Abbildung 3.1: Symmetrien der regelmäÿigen N-E keN Drehungen und N Spiegelungen, die zusammen die sogenannte Diedergruppe DNbilden.Au h für N = 1 und N = 2 existiert eine sol he Gruppe. D1 enthält neben deridentis hen Abbildung (Drehung um 0◦) genau eine A hsenspiegelung. D1 ist z. B. dieSymmetriegruppe jedes glei hs henkligen, aber ni ht glei hseitigen Dreie ks.D2 enthält (neben der identis hen Abbildung) zwei Spiegelungen an orthogonalen A h-sen sowie die Punktspiegelung am A hsens hnittpunkt. Jedes Re hte k, das kein Qua-drat ist, besitzt D2 als Symmetriegruppe. Bezei hnet man die Re hte kse ken mit 1bis 4, so sieht man, dass D2 isomorph ist zur UntergruppeV = {id, (1 4)(3 2), (1 2)(3 4), (1 3)(2 4)}der symmetris hen Gruppe S4. D2 ist die kleinste ni ht-zyklis he Gruppe und besserbekannt als Klein's he Vierergruppe.

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44 3 Transformationsgruppenc

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c c c

c

c

c

c c

Abbildung 3.2: N-BeineDie N Drehungen bilden eine zyklis he Untergruppe CN der Diedergruppe DN ; siewird erzeugt von der Drehung um den kleinsten Winkel. Eine Figur, die CN als Sym-metriegruppe besitzt, erhält man, indem man das regelmäÿige N-E k so abändert, dassdie Spiegelungen herausfallen (siehe Abbildung 3.2). Die für N=3 entstehende Figur,die Triskelis (Dreibein), kennt man s hon in der Antike (siehe den römis hen Denaraus dem Jahre 49 v.Chr. in Abbildung 3.3).

Abbildung 3.3: TriskelisGibt es neben den bisher gefundenen Klassen DN und CN weitere diskrete Symme-triegruppen ohne Translationen (sogenannte Rosettengruppen)? Wir sammeln einigenotwendige Eigens haften einer sol hen Gruppe G.(i) Da die zweifa he Ausführung einer Gleitspiegelung eine Translation ergibt, kann Gnur Drehungen und Spiegelungen enthalten.(ii) Ist die identis he Abbildung die einzige eigentli he Bewegung von G, so enthält Ghö hstens eine Geradenspiegelung, es gilt also G = C1 oder G = D1. (Die Hinterein-anderausführung zweier Spiegelungen ergibt eine Drehung oder Translation, also eineeigentli he Bewegung (siehe Abs hnitt 3.2)).(iii) Seien U ⊂ G die Untergruppe aller Drehungen um einen festen Punkt Z sowieP ∈ E2 beliebig. Da U diskret ist, gibt es ein N ∈ N mit

{d(P ) | d ∈ U} = {P1 = P, P2, . . . , PN} . (3.2)

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3.3 Symmetriegruppen 45(Andernfalls enthielte jeder genügend groÿe Kreis um Z unendli h viele Bilder von P .)Ist dmin ∈ U \ {id} die Drehung um den kleinsten Winkel αmin, so giltαmin ≤

1

N· 360◦ .Im Falle der Glei hheit ist P1 . . . PN ein regelmäÿiges N-E k, weshalb in diesem Fall Uvon dmin erzeugt wird. Für αmin < 1

N· 360◦ gilt

|{d(P ) | d ∈ U}| ≥ N + 1im Widerspru h zu (3.2).(iv) Enthält G eine von der identis hen Abbildung vers hiedene Drehung d um einenPunkt Z, so ist Z das Zentrum aller Drehungen aus G. Wir führen einen Widerspru hs-beweis und nehmen an, dass es Drehungen dk (Zentrum Zα, Drehwinkel αk = kN· 360◦,

k = 1, . . . , N−1) und fj (Zentrum Zβ, Drehwinkel βj = j

M·360◦, j = 1, . . . , M−1) mitvers hiedenen Zentren gibt. Für N = M ergänzen si h die Drehwinkel von d1 und fN−1zu 360◦, weshalb d1 ◦ fN−1 eine Translation ist (siehe Abs hnitt 3.2). Sei nun M < N .Wir betra hten die Drehung d1 ◦ f1 mit dem Drehwinkel

(1

N+

1

M

)· 360◦ =

N + M

NM· 360◦(siehe Abs hnitt 3.2). Führt man diese Drehung M-mal aus, so erhält man den Dreh-winkel N+M

N· 360◦, also eine Drehung, die si h mit der Drehung dN−M zu 720◦ ergänzt.Au h in diesem Fall erhält man also eine Translation.(v) Na h (iv) gehen die A hsen aller Spiegelungen von G dur h Z, da Spiegelungenan parallelen Geraden eine Translation ergeben sowie Spiegelungen an s hneidendenGeraden eine Drehung um den A hsens hnittpunkt (siehe Abs hnitt 3.2).(vi) Insgesamt enthält also G nur (endli h viele) Drehungen um Z und (endli h vie-le) Spiegelungen an Geraden dur h Z. Da die Hintereinanderausführung zweier sol herSpiegelungen eine Drehung ergibt, deren Drehwinkel doppelt so groÿ ist wie der S hnitt-winkel der A hsen, gibt es entweder keine Spiegelung oder ebensoviele wie Drehungen(jede A hse tritt zweifa h auf; siehe Abbildung 3.1). Man landet also wieder bei denGruppen CN und DN .Wir gehen nun einen S hritt weiter und betra hten Figuren, die Translationen zulas-sen. Die einfa hsten derartigen Figuren sind die aus der Kunst bekannten Friese, dieTranslationen in genau eine Ri htung zulassen (siehe Abbildung 3.4).Weitere s höne Beispiele, die si h au h für Übungsaufgaben eignen, �ndet man unter Ahttp://www.mathe.tu-freiberg.de/ hebis h/ afe/algebra/friesgruppen.htmlFriese werden von zwei parallelen Geraden berandet. Ihre Mittelparallele heiÿe m. Dajede Bewegung, die den Fries auf si h abbildet, au h m auf si h abbilden muss, kann dieSymmetriegruppe eines Frieses (Friesgruppe) nur folgende Abbildung(styp)en enthal-ten:(i) Translationen längs m,(ii) die Spiegelung sm an m,(iii) Spiegelungen sl an Loten von m,

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46 3 TransformationsgruppenZi kza kfriesMaeanderDeuts hes BandFries in der Nikolaikir he LeipzigFle htbandfriesAbbildung 3.4: Beispiele für Friese(iv) Punktspiegelungen d um Punkte von m,(v) Gleitspiegelungen sg an m.Na h De�nition enthält jede Friesgruppe eine Translation längs m (und damit un-endli h viele). Sei τ die kleinste dieser Translationen (die die übrigen erzeugt) und ~vder zugehörige Translationsvektor. Wir werden im Folgenden sehen, dass es genau diefolgenden sieben (ni ht isomorphen) Friesgruppen gibt (angegeben ist jeweils (minde-stens) ein Erzeugendensystem):F1 mit dem Erzeugendensystem {τ} ,F 1

1 mit dem Erzeugendensystem {τ, sm} ,F 2

1 mit dem Erzeugendensystem {τ, d} ,F 3

1 mit dem Erzeugendensystem {τ, sl} ,F 4

1 mit dem Erzeugendensystem {τ, sg} oder {sg} ,F 1

2 mit dem Erzeugendensystem {τ, d, sm, sl} oder {τ, d, sm} oder {τ, sm, sl} ,F 2

2 mit dem Erzeugendensystem {τ, sl, d} oder {sl, d} .Wir untersu hen die mögli hen Fälle. Die Abbildung 3.5 zeigt jeweils ein Beispiel füreinen Fries, der die entspre hende Friesgruppe besitzt.(i) Die Friesgruppe F1 enthält nur die Translationen τ j (j ∈ Z).(ii) Die Friesgruppe F 11 enthält neben den Translationen τ j und der Spiegelung sm diehierdur h erzeugten Gleitspiegelungen längs m. Man erhält diese Gruppe, wenn dieFrieselemente symmetris h zu m sind und keine weiteren Symmetrien aufweisen.(iii) Die Friesgruppe F 21 enthält neben den Translationen nur Punktspiegelungen. Manerhält sie, wenn die Frieselemente punktsymmetris h zum Mittelpunkt sind und kei-ne weiteren Symmetrien vorliegen. Da für jede sol he Punktspiegelung d au h τ ◦ deine Punktspiegelung ist und die Drehzentren von d und τ ◦ d den Abstand ‖1

2~v‖ be-A sitzen, liegen die Drehzentren im halben minimalen Translationsabstand auf m. DieFriesgruppe wird erzeugt von τ und einer (beliebigen) sol hen Spiegelung.(iv) Ist jedes Frieselement symmetris h zu einem Lot von m, so enthält die Symme-triegruppe neben den Translationen alle Spiegelungen an Loten von m, wel he dieFrieselemente halbieren oder trennen. Die entspre hende Friesgruppe F 3

1 wird erzeugt

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3.3 Symmetriegruppen 47F 1

2

u u u

F 22

u u

F 11

F 21

u u u

F 31

F 41

F1

Abbildung 3.5: Friese

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48 3 Transformationsgruppenvon τ und einer (beliebigen) sol hen Spiegelung.A (v) Lässt si h eine Hälfte eines Frieselements dur h eine Gleitspiegelung sg auf dieandere Hälfte abbilden und existieren keine weiteren Bewegungen, die den Fries �xlassen, hat man die Friesgruppe F 41 . Besitzt sg o. E. den Translationsvektor 1

2~v, gilt

sg◦sg = τ . Daher wird diese Gruppe von sg erzeugt; sie ist also eine unendli he zyklis heGruppe.Weitere Friesgruppen erhält man für Friese, die mehrere der bisher behandelten Sym-metrien besitzen.F1

F 11 F 2

1 F 31 F 4

1

F 12 F 2

2

Abbildung 3.6: Friesgruppen(vi) Die Friesgruppe F 12 erhält man, wenn die Frieselemente zwei (orthogonale) Sym-metriea hsen besitzen und damit punktsymmetris h sind.(vii) Sind die Frieselemente punktsymmetris h sowie die beiden Hälften a hsensym-metris h bezügli h eines Lotes zu m, so erhält man die Friesgruppe F 2

2 , bei der dieSymmetriea hsen ni ht dur h die Drehzentren gehen. Die Verknüpfung sl ◦ d zeigt,dass diese Friesgruppe au h Gleitspiegelungen enthält. Da die Translation τ dur h dieA zweimalige Ausführung einer sol hen Gleitspiegelung ersetzt werden kann, kann manbei der Erzeugung der Gruppe auf τ verzi hten.Die Abbildung 3.6 zeigt den Zusammenhang zwis hen den gefundenen Friesgruppen.Man erzeuge dur h Weglassen geeigneter Dreie ke in Abbildung 3.7 Friese zu den siebenA Ornamentgruppen.Abbildung 3.7: FriesaufgabeEs gibt eine weitere Menge diskreter Untergruppen der Bewegungsgruppe des E2: dieOrnamentgruppen. Wie der Name vermuten lässt, gestatten sie Translationen in zweilinear unabhängige Ri htungen. Im Jahre 1924 zeigten der Mathematiker Georg Polyaund der Kristallograph Paul Niggli, dass es genau siebzehn vers hiedene Arten vonOrnamentgruppen gibt.

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3.4 Die Inversion am Kreis 493.4 Die Inversion am KreisAu h in diesem Abs hnitt legen wir die euklidis he Ebene E2 zu Grunde.Def. Im E2 sei ein Kreis k = k(M, r) gegeben. Dann ist die Inversion am Kreis k

ι : E2 \ {M} → E2 \ {M}dur h folgende Abbildungsvors hrift de�niert. Jedem Punkt P 6= M wird der Punktc

c

c

c c css P ⋆P

k

M

T

Abbildung 3.8: Inversion am KreisP ⋆ ∈MP+ zugeordnet, für den

d(M, P ) · d(M, P ⋆) = r2gilt. P ⋆ heiÿt der zu P bezügli h k inverse Punkt.Aus der Abbildungsvors hrift folgt unmittelbar derSatz 1 Die Inversion ι am Kreis k = k(M, r) besitzt die folgenden Eigens haften.(i) ι ist eine Involution (ι ◦ ι = id), also insbesondere bijektiv.(ii) Genau die Punkte von k sind Fixpunkte von ι.(iii) Geraden dur h M (ohne M) werden auf si h abgebildet.Bei der Konstruktion des Bildpunktes P ⋆ eines Punktes P ∈ E2 \ k unters heiden wirzwei Fälle (siehe Abbildung 3.8).• Liegt P im Inneren von k und ist T ein S hnittpunkt von k mit dem Lot von MPin P , so s hneidet die Tangente von k in T die Gerade MP im Bildpunkt P ⋆. Da diere htwinkligen Dreie ke ∆MPT und ∆MTP ⋆ ähnli h sind, gilt nämli h

d(M, P )

r=

d(M, P )

d(M, T )=

d(M, T )

d(M, P ⋆)=

r

d(M, P ⋆).

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50 3 Transformationsgruppen• Liegt P auÿerhalb von k, so hat man obige Konstruktion umzukehren (da ι eineInvolution ist). Ist T ein S hnittpunkt des (Thales)kreises über MP mit k, so ist P ⋆der Fuÿpunkt des Lotes von T auf MP .Für d(M, P ) > r

2konstruiere man den bezügli h k(M, r) zu P inversen Punkt aus-A s hlieÿli h mit dem Zirkel.Man zeige: Führt man zunä hst eine Inversion am Kreis k(M, r) und ans hlieÿend eineA Inversion am Kreis k(M, r′) aus, so erhält man eine Stre kung mit dem Zentrum Mund dem Stre kungsfaktor (

r′

r

)2. Umgekehrt lässt si h jede Stre kung als Verkettungzweier Inversionen darstellen.Na h Satz 1 werden Geraden dur h M auf si h abgebildet. Die Frage na h Kreisen, dieauf si h abgebildet werden, beantwortet derSatz 2 Seien k = k(M, r) und k′ zwei vers hiedene Kreise sowie ι die Inversion am Kreisk. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.(i) ι(k′) = k′.(ii) Es gibt Punkte P, Q ∈ k′ (P 6= Q) mit ι(P ) = Q.(iii) k und k′ s hneiden si h orthogonal.

c

M P Qc c

cT

k

k′

c

Abbildung 3.9: Orthogonale KreiseBeweis: (i) ⇒ (ii) √(ii)⇒ (iii) Wegen ι(P ) = Q liegt M ni ht innerhalb von k′. Legt man von M aus eineTangente an k′ (Berührpunkt T ), so folgt aus dem Tangentensatz (1.1 Satz 7; sieheAbbildung 3.9)r2 = d(M, P ) · d(M, Q) = d2(M, T ) .Also gilt T ∈ k, weshalb si h k und k′ orthogonal s hneiden.(iii) ⇒ (i) Klar na h dem Tangentensatz. �

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3.4 Die Inversion am Kreis 51Aus dem Satz folgt unmittelbar das folgende Korollar (siehe Abbildung 3.10).

c

M P Qs s

k

Abbildung 3.10: Orthogonales Kreisbüs helKorollar (i) Alle Kreise des Büs hels dur h zwei zueinander inverse Punkte s hneidenden Inversionskreis orthogonal.(ii) Der zu einem Punkt P bezügli h k = k(M, r) inverse Punkt Q ist der zweite S hnitt-punkt zweier zu k orthogonaler Kreise dur h P .Das Korollar liefert folgende einfa he Konstruktion der Geraden oder des Kreises, derdur h einen gegebenen Punkt P geht und zwei gegebene Kreise k(M1), k(M2) orthogo-nal tri�t. Man konstruiert die inversen Bildpunkte P1, P2 von P bzgl. k(M1) bzw. k(M2)und zei hnet den Kreis (oder die Gerade) dur h P, P1, P2. Die Konstruktion s heitertfür |k(M1)∩ k(M2)| = 2 und P ∈ k(M1)∩ k(M2), da dann der zu konstruierende Kreisin einen Punkt entartet.Bisher haben wir ledigli h die Bilder spezieller Geraden und spezieller Kreise bestimmt.Nun soll die Frage na h der Gestalt der Bildmengen von Kreisen und Geraden allgemeinbeantwortet werden.Satz 3 Die Inversion am Kreis k(M) bildet jede Gerade g ni ht dur h M auf einen Kreisdur h M (ohne den Punkt M) ab (und umgekehrt).Beweis: Es seien- A ∈ g der Fuÿpunkt des Lotes von M auf g,- P ∈ g beliebig,- A⋆, P ⋆ die Bilder dieser Punkte (siehe Abbildung 3.11).Dann kann man wie folgt s hlieÿen.d(M, P ) · d(M, P ⋆) = d(M, A) · d(M, A⋆)

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52 3 Transformationsgruppens

s

c

cc c c

c

c

A A⋆

P

P ⋆

M

k(M)

gAbbildung 3.11: Inverses Bild einer Geraden⇒ d(M, P )

d(M, A)=

d(M, A⋆)

d(M, P ⋆)

⇒ ∆MAP ∼ ∆MP ⋆A⋆ (Winkel bei M stimmen überein)⇒ ∡MP ⋆A⋆ = ∡MAP =

π

2

⇒ P ⋆ liegt auf dem Thaleskreis kT über MA⋆Also gilt ι(g) = kT \ {M}. �Satz 4 Die Inversion ι am Kreis k(M, r) bildet Kreise ni ht dur h M auf Kreise ni htdur h M ab.Beweis: Es sei k(C) ein Kreis ni ht dur h M . Sind P, Q die S hnittpunkte einer Ge-raden g dur h M mit k(C) (siehe Abbildung 3.12), so ist na h dem Sehnen- bzw.c c c c g

c

c

M P ⋆ P Q

k(C)C

k(D)

Abbildung 3.12: Inverses Bild eines KreisesSekantensatzp := d(M, P ) · d(M, Q)

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3.4 Die Inversion am Kreis 53unabhängig von der Ri htung der Geraden g. Die Stre kung mit dem Zentrum M unddem Stre kungsfaktor ±r2

pbildet k(C) auf einen Kreis k(D) sowie den Radius CQ von

k(C) auf einen dazu parallelen Radius DP ⋆ von k(D) ab. Dabei werde das positiveVorzei hen genau dann gewählt, wenn M auÿerhalb von k(C) liegt. Ausd(M, P ⋆)

d(M, Q)=

d(M, D)

d(M, C)=

r2

p=

r2

d(M, P ) · d(M, Q)folgt dannd(M, P ⋆) · d(M, P ) = r2 .Da die Vorzei henwahl P ⋆ ∈MP+ si hert, gilt P ⋆ = ι(P ) und damit k(D) = ι(k(C)).�Man bea hte, dass im Allgemeinen ι(C) 6= D gilt. k(D) = k(C) gilt genau dann, wenn- k(C) orthogonal zu k(M, r) liegt (siehe Satz 2) oder- k(C) mit k(M, r) zusammenfällt (siehe Satz 1 (ii)).Betra htet man als Winkel zwis hen zwei Kurven in einem gemeinsamen Punkt P denWinkel ihrer Tangenten in P , so gilt der folgendeSatz 5 Die Inversion ι am Kreis k ist winkeltreu.Beweis: (i) Ist P /∈ k und t eine Tangente in P , so gilt t = ι(P )P (für M ∈ t) oderes gibt einen Kreis dur h P und ι(P ), der in P diese Tangente besitzt (für M /∈ t). DaGeraden und Kreise dur h P und ι(P ) na h Satz 1 (iii) und Satz 2 auf si h abgebildetwerden, bleibt der S hnittwinkel bei P unter ι erhalten.(ii) Für P ∈ k betra hten wir die Inversion ι′ an einem zu k konzentris hen Kreis

k′ 6= k. Dann ist ι′ ◦ ι eine Stre kung s. Mit ihr giltι = ι′ ◦ ι′ ◦ ι = ι′ ◦ s .Da ι′ na h (i) in P winkeltreu ist, ist au h ι in P winkeltreu. �Bem. (i) Um eine einheitli here Darstellung der Inversion am Kreis k(M) zu erhalten,führt man einen Punkt ∞ ein und bezei hnet Geraden vermehrt um den Punkt ∞sowie Kreise einheitli h als Möbius-Kreise. Mit ι(M) := ∞ erhält man dann einewinkeltreue und (Möbius-)kreistreue Abbildung der Möbius-Ebene E2 ∪ {∞} aufsi h, wel he zu k(M) senkre hte Möbius-Kreise auf si h abbildet. In diesem Sinn isteine Geradenspiegelung eine spezielle Inversion.(ii) Eine wi htige Rolle spielt die Inversion in der Funktionentheorie. Auf die dortverwendete komplexe Darstellung wurde hier (wie au h im Abs hnitt 7.2, wo uns die In-version wieder begegnen wird), verzi htet, um näher an der S hulgeometrie zu bleiben.Man zeige: In jedem Dreie k berührt der Feuerba h's he Kreis den Inkreis und die dreiAnkreise. A

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54 3 TransformationsgruppenMan konstruiere einen Kreis, der drei gegebene Kreise berührt (Problem des Apolloni-os). Wie viele sol he Kreise gibt es?A

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4 RaumgeometrieIn diesem Kapitel legen wir den dreidimensionalen euklidis hen Raum E3 zu Grunde.4.1 Parallel- und ZentralprojektionParallelprojektion und Zentralprojektion sind die gebräu hli hsten Abbildungen, umebene Bilder räumli her Objekte zu erzeugen. Wir stellen die wi htigsten Begri�e zu-sammen und beweisen grundlegende Eigens haften.Def. 1 (i) Gegeben seien eine Bildebene oder Rissebene π sowie eine Projekti-onsri htung oder Sehri htung ~s, die ni ht zu π parallel ist. Bei einer Parallelpro-jektion wird jedem Punkt X des Raums der S hnittpunkt X⋆ der Geraden dur h Xmit der Ri htung ~s (Projektionsstrahl oder Sehstrahl dur h X) mit der Bildebeneπ zugeordnet. X⋆ heiÿt dann Riss oder Projektion von X.(ii) Ist die Projektionsri htung ~s senkre ht zur Bildebene π, so liegt eine Normalpro-jektion oder ein Normalriss, andernfalls eine s hiefe (oder s hräge) Parallelpro-jektion vor.(iii) Jede zu π parallele Gerade heiÿt Hauptlinie; jede zu π parallele Ebene heiÿtHauptebene.(iv) Geraden und Ebenen, die parallel zur Projektionsri htung sind, heiÿen projizie-rend.

c

c

~s

X

X⋆πAbbildung 4.1: ParallelprojektionIm Abbildung 4.1 ist die Gerade XX⋆ eine projizierende Gerade. Die folgenden Sätzeenthalten die wi htigsten Aussagen über Parallelprojektionen.Satz 1 (i) Eine Parallelprojektion bildet jede ni ht projizierende Gerade g bijektiv aufeine Bildgerade g⋆ ab. Projizierende Geraden werden auf Punkte, projizierende Ebenen aufGeraden abgebildet. 55

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56 4 Raumgeometrie(ii) Eine Parallelprojektion bildet ni ht projizierende parallele Geraden auf parallele Geradenab.(iii) Eine Parallelprojektion erhält das Teilverhältnis auf jeder ni ht projizierenden Geradeng. Insbesondere wird der Mittelpunkt einer Stre ke auf den Mittelpunkt der Bildstre keabgebildet.Beweis: (i) g⋆ ist als S hnitt der Bildebene π mit der projizierenden Ebene dur h geine Gerade (siehe Abbildung 4.2 (a)). Das Urbild auf g eines Punktes X⋆ ∈ g⋆ ist alsS hnitt von g mit dem Sehstrahl dur h X⋆ eindeutig bestimmt.(ii) Sind p, q zwei parallele Geraden, so betra hte man die projizierenden Ebenen dur hp und dur h q (siehe Abbildung 4.2 (b)). Da diese parallel sind, sind au h ihre S hnitt-geraden mit der Bildebene π parallel. Diese S hnittgeraden sind aber genau die Bild-geraden p⋆ und q⋆.(iii) ist klar na h dem Strahlensatz (siehe Abbildung 4.2 (a)). �(a)

πcc

c g⋆X⋆

c

c

c

gX

(b)π

p

q

p⋆

q⋆Abbildung 4.2: Eigens haften der ParallelprojektionS hränkt man eine Parallelprojektion (Sehri htung ~s, Bildebene π) auf eine Ebene αein, die weder zu ~s no h zu π parallel ist (s hlieÿt man also projizierende Geraden aus;siehe Abbildung 4.3), so erhält man eine bijektive, geradentreue, parallelentreue unda

c

c

c

c

c

~s

Q

P

P ⋆

Q⋆

π

αh

h⋆Abbildung 4.3: Parallelprojektion: Eins hränkung auf eine Ebene

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4.1 Parallel- und Zentralprojektion 57teilverhältnistreue Abbildung p : α→ π, also eine A�nität.Bei einer Parallelprojektion kann das Bild einer Stre ke s länger als s sein, kürzer alss sein oder ebenso lang wie s sein. Wi htig ist in diesem Zusammenhang derSatz 2 Stre ken auf Hauptlinien werden unverzerrt abgebildet.Beweis: Klar, da im Parallelogramm gegenüberliegende Seiten glei h lang sind. �Na h Satz 2 werden Hauptebenen unverzerrt abgebildet. Jede Figur in einer zur Bild-ebene parallelen Ebene ist also in der Projektion unverzerrt zu sehen.Die im Satz 1 und Satz 2 aufgelisteten Eigens haften gelten für eine s hiefe Parallelpro-jektion ebenso wie für eine Normalprojektion. Für eine Normalprojektion gilt fernerderSatz 3 Bei einer Normalprojektion gilt

d(A⋆, B⋆) = d(A, B) cosα mit α = ∡(AB, π) = ∡(AB, A⋆B⋆) .Insbesondere ist bei einer Normalprojektion die Bildstre ke A⋆B⋆ hö hstens so lang wie dieStre ke AB. Glei hheit liegt genau dann vor, wenn AB auf einer Hauptlinie liegt.Beweis: Da der Fall α = 0 bereits in Satz 2 behandelt wurde, setzen wir α 6= 0 voraus.Dann liegt die in Abbildung 4.4 gezeigte Situation vor. Ist T der S hnittpunkt derGeraden AB mit der Bildebene π, so giltd(A⋆, B⋆) = d(T, B⋆)− d(T, A⋆)

= d(T, B) cosα− d(T, A) cosα = d(A, B) cosα . �

c c cc

c

c

T A⋆ B⋆

A

B

αAbbildung 4.4: NormalprojektionWir kommen nun zur Zentralprojektion oder Perspektive. Sie wird verwendet, um an-s hauli he Bilder besonders groÿer Objekte (Straÿen, Brü ken) zu erhalten. Daneben

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58 4 Raumgeometriec

c

c

c

H

Z

X

Xz

π Abbildung 4.5: Zentralprojektionliefert sie die Grundlagen zur Rekonstruktion von Maÿen eines Objekts aus einer Fo-togra�e (Entzerrung).Def. 2 Gegeben seien ein Punkt Z ∈ E3 als Projektionszentrum oder Augpunktund eine Bildebene π, die Z ni ht enthält (siehe Abbildung 4.5). Bei der Zentral-projektion oder Perspektive wird jedem Punkt X 6= Z der S hnittpunkt Xz desProjektionsstrahls oder Sehstrahls XZ dur h X mit der Bildebene π als Bildpunktzugeordnet. Der Fuÿpunkt H des Lotes von π dur h Z heiÿt Hauptpunkt, die Ri h-tung des Lotes die Bli kri htung und der Abstand d = d(Z, H) die Distanz derZentralprojektion. Geraden und Ebenen dur h Z heiÿen projizierend.Zum Beispiel sind in der Abbildung 4.5 die Gerade XXz sowie die Ebene XXzHprojizierend. Wie bei einer Parallelprojektion werden projizierende Geraden auf Punk-te abgebildet. Projizierende Ebenen werden auf Geraden abgebildet (etwa die EbeneXXzH auf die Gerade HXz).Wie bei der Parallelprojektion heiÿt eine zu π parallele Ebene Hauptebene, einezu π parallele Gerade Hauptlinie. Die Hauptebene dur h das Projektionszentrumheiÿt au h Vers hwindungsebene. S hränkt man eine Zentralprojektion auf eine vonder Vers hwindungsebene vers hiedenen Hauptebene ein, so erhält man eine zentris heStre kung. Daher gilt derSatz 4 Bei einer Zentralprojektion wird jede Hauptlinie, die ni ht in der Vers hwindungs-ebene liegt, auf eine parallele Gerade abgebildet. Jede Figur, die in einer von der Vers hwin-dungsebene vers hiedenen Hauptebene liegt, ist zu ihrem Bild ähnli h.Wie sieht das Bild gz einer Geraden g aus, die weder projizierend no h Hauptlinie ist?Wir s hränken zunä hst die Zentralprojektion auf eine Ebene ε ein, die ni ht projizie-rend und ni ht zur Bildebene π parallel ist, und betra hten die Abbildung

z :

{ε → πP 7→ P z(siehe Abbildung 4.6).Def. 3 Die S hnittgerade der Ebenen ε und π heiÿt die Spur sε von ε. Der Punkt,in dem eine Gerade g die Ebene π tri�t, heiÿt der Spurpunkt Sg von g.

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4.1 Parallel- und Zentralprojektion 59

c

c

c

Ug

c

c

c

Ugz

Ug

Z

P

P z

π

εVg

g

Fg

fεgz

SgAbbildung 4.6: Zentralprojektion: Eins hränkung auf eine EbeneDie bei einer Parallelprojektion gegebene bijektive Zuordnung zwis hen den Geradenvon ε und π besteht ni ht mehr. Zwar können wir au h hier bei einer ni ht zu πparallelen Geraden g ⊂ ε von der Bildgeraden gz ⊂ π spre hen. Aber für jede sol heGerade gibt es genau einen Punkt Vg ∈ g, für den die Gerade ZVg zu π parallel ist.Dieser Punkt besitzt keinen Bildpunkt in π. Bei Annäherung an Vg rü kt der Bildpunktauf gz ins Unendli he. Man nennt daher Vg den Vers hwindungspunkt von g undweist ihm als Bildpunkt einen sogenannten uneigentli hen Punkt oder FernpunktUgz zu. Zur Unters heidung von diesen Punkten nennt man die Punkte von π au heigentli he Punkte.Die Vers hwindungspunkte aller Geraden (der betra hteten Ebene ε) bilden die Ver-s hwindungsgerade vε von ε. Sie ist die S hnittgerade von ε mit der Vers hwindungs-ebene. Da genau die Punkte der Vers hwindungsgeraden vε auf Fernpunkte abgebildetwerden, liegt es nahe, die Menge der Fernpunkte von π als die Ferngerade uπ von πzu bezei hnen.Zwei ni ht zu vε parallele Geraden g1, g2 ⊂ ε besitzen genau dann parallele Bildgeradengz1 und gz

2, wenn sie si h auf der Vers hwindungsgeraden vε s hneiden. Den parallelenGeraden gz1 und gz

2 ist daher derselbe uneigentli he Punkt zugeordnet. Das heiÿt, dasssi h die parallelen Geraden gz1 und gz

2 in einem Fernpunkt s hneiden. Erweitern wir au hdie Ebene ε um uneigentli he Punkte, gilt dies in glei her Weise für die (parallelen)Bildgeraden hz1 und hz

2 von zwei zu vε parallelen Geraden h1, h2 ⊂ ε (h1, h2 6= vε).Na h Einführung der uneigentli hen Punkte brau ht man also in einer Ebene ni htmehr zwis hen s hneidenden und parallelen Geraden zu unters heiden. Mit anderenWorten: Die a�ne Ebene wird zur projektiven Ebene, mit der wir uns in Kapitel 8ausführli h bes häftigen werden.

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60 4 RaumgeometrieNa h Hinzunahme der uneigentli hen Punkte sind au h bei einer Zentralprojektion dieEbenen ε und π bijektiv aufeinander bezogen.Def. 4 Das Bild Uzg ∈ π des Fernpunktes Ug von g � also der S hnittpunkt der zu gparallelen Geraden dur h Z mit π � heiÿt der Flu htpunkt Fg von g. Die Flu htpunktealler Geraden g ⊂ ε bilden die Flu htgerade fε ⊂ π von ε. Sie ist die S hnittgeradeder zu ε parallelen Ebene dur h Z mit π und daher das Bild der Ferngeraden uε von

ε. Die Flu htgerade der horizontalen Ebenen heiÿt Horizont.Da si h parallele Geraden in ihrem Fernpunkt s hneiden, s hneiden si h parallele Ebe-nen in ihrer Ferngeraden. Daher besteht au h kein Unters hied mehr zwis hen paralle-len und s hneidenden Ebenen. Somit kann man auf die Voraussetzung, dass die Ebenenε und π ni ht parallel sind, verzi hten. Sind ε und π parallel, so fallen Vers hwindungs-gerade, Flu htgerade und Spurgerade mit der Ferngeraden zusammen.Na h Hinzunahme der Fernpunkte ist die Abbildung z : ε → π bijektiv und gera-dentreu. Ein Verglei h mit den entspre henden Eigens haften einer Parallelprojektionzeigt, dass natürli h die Parallelentreue fehlt (es gibt ja keine parallelen Geraden mehr).Es fehlt aber au h die Teilverhältnistreue, weshalb etwa der Mittelpunkt einer Stre kei. A. ni ht auf den Mittelpunkt der Bildstre ke abgebildet wird. Wir werden sehen,dass aber zumindest das Verhältnis zweier Teilverhältnisse, das sogenannte Doppel-verhältnis, invariant unter einer Zentralprojektion ist.Für kollineare Punkte A, B, C, D mit {A, B} ∩ {C, D} = ∅ ist es de�niert als

DV (A, B, C, D) :=TV (A, B, C)

TV (A, B, D)=

d(A, C)

d(C, B):

d(A, D)

d(D, B)(siehe Abs hnitt 1.2). Wir zeigen zunä hst dasLemma 1 Für das Doppelverhältnis giltDV (A, B, C, D) = DV (B, A, D, C) = DV (C, D, A, B) = DV (D, C, B, A) (4.1)(es ist also invariant unter den Permutationen der Klein's hen Vierergruppe) und

DV (B, A, C, D) =1

DV (A, B, C, D). (4.2)Beweis: Das erste �=� in (4.1) ist klar. Das zweite folgt aus

DV (A, B, C, D) =d(A, C)

d(C, B):

d(A, D)

d(D, B)

=d(A, C)

d(A, D):

d(C, B)

d(D, B)

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4.1 Parallel- und Zentralprojektion 61=

d(C, A)

d(A, D):

d(C, B)

d(B, D)=

TV (C, D, A)

TV (C, D, B)= DV (C, D, A, B) .Das dritte �=� folgt aus den ersten beiden. (4.2) folgt aus

TV (A, B, X) =d(A, X)

d(X, B)=

d(X, A)

d(B, X)=

1

TV (B, A, X). �

c

c

c

c

c

c

c

c

cA B C D g

A′ B′ C ′ D′g′

Z

a b c d

αβ γ

Abbildung 4.7: Doppelverhältnis und ZentralprojektionSatz 5 Das Doppelverhältnis ist invariant unter einer Zentralprojektion.Beweis: Mit den Bezei hnungen in Abbildung 4.7 istDV (A, B, C, D) = DV (A′, B′, C ′, D′) (4.3)na hzuweisen. Da si h bei der Projektion die Reihenfolge der Punkte ni ht ändert odergenau umkehrt, genügt es na h (4.1)

DV (A, B, C, D) = ±DV (A′, B′, C ′, D′) (4.4)zu zeigen. Man kann also an Stelle des orientierten Abstands den übli hen Abstandverwenden. Damit gilt (man betra hte die Dreie ks�ä hen)DV (A, B, C, D) = ±d(A, C)

d(C, B):

d(A, D)

d(D, B)= ±d(A, C) d(Z, g)

d(C, B) d(Z, g):

d(A, D) d(Z, g)

d(D, B) d(Z, g)

= ±d(A, Z) d(C, Z) sin(α + β)

d(B, Z) d(C, Z) sin β:d(A, Z) d(D, Z) sin(α + β + γ)

d(B, Z) d(D, Z) sin(β + γ)

= ±sin(α + β) sin(β + γ)

sin β sin(α + β + γ),woraus (4.4) und damit (4.3) folgt. �

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62 4 RaumgeometrieDa das Doppelverhältnis also für alle Geraden, wel he die Geraden a, b, c, d s hneiden,übereinstimmt, kann man de�nieren:DV (a, b, c, d) := DV (A, B, C, D) .Dadur h wird ein Doppelverhältnis für Geradenbüs hel (engl. pen il) - das heiÿt fürdie einparametrige S har aller Geraden der Ebene dur h einen festen Punkt - eingeführt.Zu Punkten A, B, C, D ∈ g und U, V, W ∈ q konstruiere man den Punkt T ∈ q mitA

DV (A, B, C, D) = DV (T, U, V, W ) .Dur h Parallelvers hiebung der Geraden g kann man C = V errei hen. Dann erhältman T wie in Abbildung 4.8 gezeigt.c

c

c

c

c

c

c

c

c

A

BC =V

D gTU

W

q

Z

Abbildung 4.8: Doppelverhältnis: Konstruktion des vierten PunktesWir s hlieÿen einige Überlegungen an, auf die wir später zurü kkommen. WegenTV (A, B, C)

{> 0 ⇐⇒ C ∈ (AB)

< 0 ⇐⇒ C /∈ AB,

TV (A, B, D)

{> 0 ⇐⇒ D ∈ (AB)< 0 ⇐⇒ D /∈ AB

,giltDV (A, B, C, D) < 0 (4.5)genau dann, wenn wie in Abbildung 4.9 genau einer der Punkte C, D zwis hen A und

B (und damit au h genau einer der Punkte A, B zwis hen C und D) liegt. Man sagtdaher, dass die Paare {A, B} und {C, D} einander trennen, wenn (4.5) gilt. FürDV (A, B, C, D) = −1

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4.1 Parallel- und Zentralprojektion 63c c c cA C B DAbbildung 4.9: Doppelverhältnis: Trennung der Punktepaareheiÿt die Trennung harmonis h.Lemma 2 Seien P, Q ∈ g fest und A, B, C ∈ (PQ) (verglei he Abbildung 4.10). Danngilt:(i) DV (A, B, P, Q) > 0.(ii) DV (A, C, P, Q) ·DV (C, B, P, Q) = DV (A, B, P, Q) .c c c c cP A B C Q gAbbildung 4.10: DoppelverhältnisBeweis: (i) gilt na h obiger Überlegung.(ii) Wegen (i) genügt es, ni ht orientierte Abstände zu verwenden.

DV (A, C, P, Q) ·DV (C, B, P, Q) =d(A, P ) · d(Q, C) · d(C, P ) · d(Q, B)

d(P, C) · d(A, Q) · d(P, B) · d(C, Q)

=d(A, P )

d(P, B):

d(A, Q)

d(Q, B)= DV (A, B, P, Q) . �Satz 6 Sind die Punkte P, Q (P 6= Q) fest gewählt, so wird dur h

dH(A, B) := ln DV (A, B, P, Q) (4.6)ein orientierter Abstand auf (PQ) de�niert.Beweis: (i) Na h (4.2) ist dH s hiefsymmetris h:dH(A, B) = ln DV (A, B, P, Q) = ln

(1

DV (B, A, P, Q)

)

= − ln DV (B, A, P, Q) = −dH(B, A) .(ii) Es giltdH(A, B) = 0 ⇐⇒ DV (A, B, P, Q) = 1

⇐⇒ TV (A, B, P ) = TV (A, B, Q)

⇐⇒ A = B (wegen P 6= Q) .

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64 4 Raumgeometrie

c c c c c c c

c

c

c

c

c

c

c

Z1

Z2

P =P ′ A A′′=B B′′=C DE Q

A′

B′

C ′ D′ Q′

Abbildung 4.11: Äquidistante Punkte

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4.2 Die stereographis he Projektion 65(iii) Aus Lemma 2 (ii) folgtdH(A, C) + dH(C, B) = ln DV (A, C, P, Q) + ln DV (C, B, P, Q)

= ln(DV (A, C, P, Q) ·DV (C, B, P, Q)

)

= ln DV (A, B, P, Q) = dH(A, B) . �Bem. 1 Die Abbildung 4.11 zeigt, wie man dur h Übertragung des Doppelverhält-nisses auf eine Hilfsgerade dur h P einen Punkt C ∈ (BQ) mit dH(A, B) = dH(B, C),also mitDV (A, B, P, Q) = DV (B, C, P, Q)�ndet. Dur h wiederholte Anwendung dieses Verfahrens erhält man eine Punktfolge A,

B, C, D, E, . . . mitdH(A, B) = dH(B, C) = dH(C, D) = dH(D, E) = . . . ,ohne den Punkt Q zu errei hen. Dur h (4.6) wurde also auf der o�enen Stre ke (PQ)ein Abstand eingeführt, der alle Eigens haften des übli hen orientierten euklidis henAbstands auf der Geraden PQ besitzt.Bem. 2 Die De�nition (4.6) lässt si h in vers hiedene Ri htungen modi�zieren.(i) Man kann einen Faktor k 6= 0 einfügen. Dies entspri ht der Wahl einer anderenEinheit beim euklidis hen Abstand.(ii) Man kann eine andere Basis des Logarithmus wählen.4.2 Die stereographis he ProjektionBem. Bevor wir uns der stereographis hen Projektion zuwenden, sollen einige Begri�ebereitgestellt bzw. wieder aufgefris ht werden. Wir gehen aus von einer Sphäre Σ mitdem Mittelpunkt M und dem Radius R (siehe Abbildung 4.12).(i) Ein Kugelkreis, dessen Radius mit dem Kugelradius übereinstimmt (dessen Mittel-punkt also mit dem Kugelmittelpunkt zusammenfällt), heiÿt Groÿkreis.(ii) Sind A, B ∈ Σ keine Gegenpunkte oder Antipoden (ist also AB kein Kugel-dur hmesser), so gibt es genau einen Groÿkreis dur h A und B (nämli h den von derEbene ABM aus Σ ausges hnittenen).(iii) In der Di�erentialgeometrie wird gezeigt: Sind A, B keine Gegenpunkte, so ist diekürzeste Verbindung von A und B (auf Σ) der eindeutig bestimmte kleinere Groÿkreis-bogen zwis hen A und B. Hat Σ den Radius 1, so hat dieser die Länge ∡AMB, wennman diesen Winkel im Bogenmaÿ misst. Man bezei hnet daher

e(A, B) = ∡AMB ∈ [0, π] (4.7)

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66 4 Raumgeometriess

s

s s

s

cc

c

c

c

c

c

M

A B

C

AB

CAbbildung 4.12: Kugelzweie k und Kugeldreie kals sphäris hen Abstand dieser Punkte.(iv) Dur h zwei Gegenpunkte A, B gehen unendli h viele Groÿkreise. Je zwei de�-nieren ein Kugelzweie k oder sphäris hes Zweie k. Der Winkel α zwis hen denTrägerebenen der Groÿkreise, also der gemeinsame S hnittwinkel der (Tangenten der)Groÿkreise in A und B, heiÿt der Winkel des Zweie ks. Dur h α ist die Gestalt desZweie ks festgelegt. Seine Flä he F beträgtF = 4R2π · α

2π= 2R2α . (4.8)(v) Liegen A, B, C ni ht auf demselben Groÿkreis, so de�nieren die Groÿkreise dur hje zwei dieser Punkte eine Kugeldreie k oder sphäris hes Dreie k, das dur h dieForderung (4.7) eindeutig wird. Die Seiten dieses Dreie ks sind dann a = R · ∡BMC,

b = R · ∡AMC, c = R · ∡AMB. Die Winkel α, β, γ des Dreie ks sind de�niert alsdie Winkel zwis hen den Trägerebenen der Groÿkreise (also die Winkel zwis hen ihrenTangenten in den S hnittpunkten). Das Dreie k besitzt die Flä heF∆ = R2(α + β + γ − π) .Zum Beweis betra hten wir neben A, B, C die Gegenpunkte A, B, C. ∆ABC bildetmit ∆ABC ein Zweie k mit dem Winkel α mit ∆ABC ein Zweie k mit dem Winkel

β, und mit ∆ABC ein Zweie k mit dem Winkel γ. Vertaus ht man gestri hene undungestri hene Gröÿen, so erhält man kongruente Dreie ke und drei weitere Zweie ke mitdiesen Winkeln. Σ ist die Vereinigung der se hs Zweie ke, wobei ∆ABC und ∆ABCjeweils dreimal gezählt wurden. Also gilt na h (4.8)4R2π + 4F∆ = 2 · 2R2(α + β + γ) .(vi) Ist Z ∈ E3 ein Punkt auÿerhalb von Σ, so bilden die Tangenten von Z an Σ einenDrehkegel mit der Spitze Z und der A hse ZM , der Σ längs eines Kreises berührt. Fürbeliebige Berührpunkte A, B gilt daher d(A, Z) = d(B, Z).

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4.2 Die stereographis he Projektion 67Def. Im E3 seien gegeben- eine Sphäre Σ (Mittelpunkt M),- ein Punkt N ∈ Σ (�Nordpol�),- eine zu MN senkre hte Ebene π, die N ni ht enthält, also eine zur Tangentialebenean Σ in N parallele, aber davon vers hiedene Ebene (etwa die �Äquatorebene� oder dieim �Südpol� berührende Ebene).Dann ist die stereographis he Projektion aus N

σ : Σ \ {N} → πdur h folgende Abbildungsvors hrift de�niert (siehe Abbildung 4.13). Jedem PunktP ∈ Σ \ {N} wird der S hnittpunkt der Geraden PN mit π als Bildpunkt P ⋆ = σ(P )zugeordnet. (σ ist wohlde�niert, da PN für kein P ∈ Σ \ {N} zu π parallel ist.)

c

c

c

N

S

M

P

P ⋆c

c

c

Abbildung 4.13: Stereographis he Projektion in die ÄquatorebeneUm Eigens haften dieser Abbildung na hzuweisen, liegt es nahe, analytis h vorzuge-hen, also ein Koordinatensystem einzuführen und damit Glei hungen von Σ und πaufzustellen. Dass es au h koordinatenfrei (und damit ans hauli her) geht, zeigen wirim Beweis des folgenden Satzes.Satz Die stereographis he Projektionσ : Σ \ {N} → πbesitzt die folgenden Eigens haften.(i) σ ist bijektiv.(ii1) Kugelkreise dur h N (ohne N) werden auf Geraden abgebildet.(ii2) Das Urbild jeder Geraden in π ist ein Kreis dur h N (ohne N).(iii) σ ist winkeltreu.(iv1) Kugelkreise, die N ni ht enthalten, werden auf Kreise abgebildet.

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68 4 Raumgeometrie(iv2) Das Urbild jedes Kreises in π ist ein Kreis, der ni ht dur h N geht.Beweis: (i) √(ii) Jeder Kugelkreis dur h N (ohne N) wird auf die S hnittgerade seiner Trägerebenemit π abgebildet. Umgekehrt ist das Urbild einer Geraden g ⊂ π der Kreis, den dievon N und g aufgespannte Ebene aus Σ auss hneidet (ohne N).(iii)Wir betra hten Kurven c1, c2 ⊂ Σ\{N}, die si h im Punkt P s hneiden und dort dieTangenten tP1 , tP2 besitzen. Für i = 1, 2 s hneidet dann die von N und tPi aufgespannteEbene einen Kreis ki aus Σ aus, der in P ebenfalls die Tangente tPi besitzt, dort also ciberührt. Wir können daher für die Untersu hung der Winkeltreue ci dur h ki ersetzen.k1 und k2 s hneiden si h in P und N unter demselben Winkel. Für die Tangenten tNivon ki in N (i = 1, 2) gilt daher

α := ∡(tP1 , tP2 ) = ∡(tN1 , tN2 ) .

σ(ki \ {N}) ist die S hnittgerade der Trägerebene εi von ki mit π. tNi ist die S hnitt-gerade von εi mit der Tangentialebene τ von Σ in N . Wegen τ‖π gilt alsotNi ‖ σ(ki \ {N})und damit

α = ∡

(σ(k1 \ {N}) , σ(k2 \ {N})

).(iv) Sei k ⊂ Σ\ {N} ein Kreis und Γ der zugehörige Berührkegel (Spitze Z). Ferner sei

D der Dur hstoÿpunkt der Geraden NZ dur h Σ\{N}. Für P ∈ k s hneidet die EbeneNZP aus Σ einen Kreis kP (dur h D, N, P ) aus, der in P die Tangente PZ besitzt (sieheAbbildung 4.14; in dieser Abbildung bli ken wir so auf Σ, dass k als Stre ke ers heintund N auf dem Kugelumriss liegt). Da PZ den Kreis k senkre ht tri�t (in einemDrehkegel tri�t jede Erzeugende jeden Breitenkreis re htwinklig), tri�t au h kP denKreis k senkre ht. Wegen der Winkeltreue von σ s hneidet somit au h die Bildgeradeσ(kP ) die Bildkurve σ(k) re htwinklig. Jede Bildgerade σ(kP ) enthält auÿerdem denPunkt σ(D). Die Bildkurve σ(k) ist daher Orthogonaltrajektorie der Geraden dur h denfesten Punkt σ(D), also ein Kreis. [ Wir betra hten ohne Eins hränkung die Geraden

λ

(cos tsin t

), λ ∈ R , t ∈ [0, 2π[dur h O. Eine Orthogonaltrajektorie ~x(t) besitzt die Darstellung

~x(t) = λ(t)

(cos tsin t

)mit ~x :=d~x

dt⊥ ~x, also mit

0 = 〈~x, ~x〉 = 〈λ(

cos tsin t

)+ λ

(− sin tcos t

), λ

(cos tsin t

)〉 = λλ ,

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4.3 Die Platonis hen Körper 69

Σ

N

D

k

c

c

Zc

c

c

kP

c

Abbildung 4.14: Zur Kreistreue der stereographis hen Projektionworaus λ = 0 oder λ = onst folgt. ]Ist umgekehrt k ⊂ π ein Kreis, so betra hten wir drei vers hiedene Punkte A, B, C ∈ k.Die Ebene dur h ihre Urbilder s hneidet Σ in einem Kreis k, dessen Bildkreis die PunkteA, B, C mit k gemeinsam hat, also mit k zusammenfällt. Somit gilt k = σ−1(k). �4.3 Die Platonis hen KörperPolyeder sind eben�ä hig begrenzte Körper. Na h Euklid heiÿt ein konvexes Polyederregulär, wenn alle begrenzenden Flä hen untereinander kongruente regelmäÿige Viel-e ke sind (und an jeder E ke glei h viele zusammenstoÿen). Das gesamte Bu h XIIIder Elemente Euklids befasst si h mit regulären Polyedern. Sie heiÿen au h Platoni-s he Körper . Diese Körper und die Tatsa he, dass es genau fünf davon gibt (sieheAbbildung 4.15), haben die Mens hen über Jahrhunderte bes häftigt. Die Existenz� des Tetraeaders, das si h aus vier glei hseitigen Dreie ken zusammensetzt,� des Hexaeders oder Würfels, der von se hs Quadraten gebildet wird, und� des Oktaeders, das aus a ht glei hseitigen Dreie ken besteht,ist lei ht zu zeigen. A� Beim Dodekaeder, das si h aus 12 regelmäÿigen Fünfe ken zusammensetzt,

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70 4 RaumgeometrieTetraeder Hexaeder (Würfel) Oktaeder Dodekaeder IkosaederAbbildung 4.15: Die Platonis hen Körper� und beim Ikosaeder, das von 20 glei hseitigen Dreie ken gebildet wird,fällt der Na hweis ni ht so lei ht.Dagegen ist Euklids Beweis, dass es keine weiteren regulären Polyeder geben kann,XIII,18a verblü�end einfa h. Grundlegend sind zwei Aussagen über die von Ebenen in einemgemeinsamen Punkt P gebildete räumli he E ke (siehe Abbildung 4.16). Zum einenist klar, dass man mindestens drei Ebenen für eine sol he E ke brau ht. Zum anderenist die Summe der entstehenden Winkel kleiner als 360◦. Zum Beweis dieser AussageXI,21

Pc

Abbildung 4.16: Räumli he E kebetra hten wir Abbildung 4.17. Dass bei einer räumli hen E ke, die von drei Ebe-nen gebildet wird, je zwei Winkel zusammen gröÿer sind als der dritte Winkel, siehtXI,20 man, indem man die E ke längs einer Kante aufs hneidet und zwei zusammenhängendeWinkel um die übrigen Kanten in die Ebene des dritten Winkels dreht. Daher gilt inAbbildung 4.17α1 + β2 > ∡DFE ,

β1 + γ2 > ∡FED ,

γ1 + α2 > ∡EDF ,alsoα1 + α2 + β1 + β2 + γ1 + γ2 > ∡DFE + ∡FED + ∡EDF = π .Die Winkelsumme im Dreie k liefert ferner

α + α1 + α2 = β + β1 + β2 = γ + γ1 + γ2 = π .

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4.3 Die Platonis hen Körper 71c

α

β γ

α1

β1

γ1

α2

β2

γ2

DF

E

cc

c

Abbildung 4.17: Zur Winkelsumme einer räumli hen E keZusammen hat man alsoα + β + γ = 3π − (α1 + α2 + β1 + β2 + γ1 + γ2) < 3π − π = 2π .Da ein Innenwinkel im regelmäÿigen Se hse k 120◦ beträgt, können drei (oder mehr)sol he E ken keine räumli he E ke bilden. Dasselbe gilt für N-E ke mit N > 6. Eskommen also nur regelmäÿige Drei-, Vier- und Fünfe ke in Frage.� Drei glei hseitige Dreie ke ergeben ein Tetraeder, vier ein Oktaeder, fünf ein Iko-saeder. Wegen 6 · 60◦ = 360◦ bilden se hs (oder mehr) Dreie ke keine räumli heE ke.� Drei Quadrate ergeben den Würfel. Wegen 4 · 90◦ = 360◦ sind keine weiteren Fällemögli h.� Drei regelmäÿige Fünfe ke bilden das Dodekaeder. Wegen 4 · 108◦ > 360◦ sind au hhier weitere Fälle ausges hlossen.Man kann Euklids Aussage wesentli h verallgemeinern. Was passiert, wenn man vonden Maÿen, also von den Winkeln, Seitenlängen und dem Flä heninhalt der Viele ke,absieht, wenn man also alle Polyeder als regulär bezei hnet, bei denen alle Begren-zungs�ä hen die glei he E kenanzahl haben und in jeder E ke glei h viele dieser Viel-e ke zusammenstoÿen?Das Ergebnis geht auf Leonhard Euler zurü k. Wir betra hten vorbereitend folgen-den Sa hverhalt. Eine Insel sei vollständig mit Reisfeldern bede kt, die dur h Dämmevoneinander getrennt sind. Es bezei hne

f die Anzahl der Flä hen (Felder),k die Anzahl der Kanten (Dämme; je zwei bena hbarte Felder seien dur h genau einenDamm getrennt),e die Anzahl der E ken (Punkte, an denen mindestens drei Felder zusammenstoÿen).Re hnet man au h das umgebende Wasser als Feld, so besteht na h Euler zwis hendiesen Gröÿen die Beziehung

e + f = k + 2 (4.9)(Euler's he Polyederformel). In der Abbildung 4.18 (a) gilt etwa e + f = 8 + 6 =12+2 = k +2. Zum Beweis der Formel �uten wir alle Felder, indem wir eine mögli hst

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72 4 Raumgeometriegeringe Anzahl von Dämmen entfernen. Dabei gehen wir so vor, dass wir nur sol heDämme entfernen, die auf genau einer Seite vom Wasser bespült werden. Da jederentfernte Damm das Wasser in genau ein weiteres Feld bringt, sind genau f−1 Dämmezu entfernen (siehe Abbildung 4.18 (b)).

(a) (b) ( )Abbildung 4.18: Die Flutung der FelderWir wählen nun eine feste E ke E. Da zu Beginn jede E ke von E aus errei hbarwar, gilt dies au h na h dem Entfernen der f − 1 Dämme. Hätte man nämli h zweivoneinander getrennte Feldberei he, so wäre vor der Entfernung der letzten Verbindungdiese bereits von beiden Seiten vom Wasser bespült (siehe Abbildung 4.18 ( )). Sol heDämme dürfen jedo h na h unserer Strategie ni ht entfernt werden. Ferner ist der Wegvon E zu einer beliebigen anderen E ke F eindeutig. Gäbe es nämli h zwei vers hiedeneWege von E na h F , so s hnitten diese das innere Gebiet völlig vom Wasser ab. Daherkann für E ken F1 6= F2 der letzte Damm auf dem Weg von E na h F1 bzw. F2ni ht glei h sein. Damit müssen no h e − 1 Dämme stehen. Also waren es zu Beginnk = (f − 1) + (e− 1) Dämme.Wir wollen die Formel (4.9) ni ht auf Reisfelder, sondern auf Polyeder anwenden. Dazustellen wir uns die Polyeder vollelastis h vor, s hneiden in eine Seiten�ä he ein Lo hund dehnen dieses immer weiter, bis wir s hlieÿli h das Polyeder umstülpen könnenund eine ebene Flä he bekommen (siehe Abbildung 4.19). Das gelo hte Viele k wirddabei zum umgebenden Wasser. Nun haben wir wieder die oben betra htete Situationvorliegen und können daher die Formel (4.9) anwenden.Wir verwenden nun die Formel, um zu zeigen, dass es neben den fünf Platonis henKörpern keine weiteren Polyeder gibt, bei denen jede Begrenzungs�ä he die glei heAnzahl ne von E ken besitzt und in jeder E ke die glei he Anzahl nf von Flä henzusammenstöÿt.Klar ist

ne ≥ 3 , nf ≥ 3 .Zählt man die Kanten aller Viele ke zusammen, so erhält man f ·ne Kanten. Da dabeijede Kante doppelt gezählt wurde, gilt alsof · ne = 2k . (4.10)

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4.3 Die Platonis hen Körper 73

Abbildung 4.19: Polyeder und die Formel von EulerIn jeder E ke tre�en nf Kanten zusammen. Insgesamt erhält man also e · nf Kanten.Da jede Kante zwei E ken verbindet, gilt analog zu (4.10)e · nf = 2k . (4.11)Insgesamt ergibt si h

4nf = 2 · 2nf

(4.9)= (e + f − k) · 2nf

(4.10)= 2enf + 2fnf − fnenf

(4.10)=

(4.11)2fne + 2fnf − fnenfoder

4nf = f(2ne + 2nf − nenf ) .Hieraus folgt2ne + 2nf − nenf > 0oder

(ne − 2)(nf − 2) = −2ne − 2nf + nenf + 4 < 4 .Damit können nur die folgenden Fälle auftreten:ne nf3 3 Tetraeder3 4 Oktaeder4 3 Hexaeder3 5 Ikosaeder5 3 Dodekaeder

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74 4 RaumgeometrieEs kommen also trotz der Verallgemeinerung der Aufgabenstellung zu den von Euklidgefundenen Polyedern keine neuen hinzu. Aus der Tabelle kann man au h ablesen,dass beim Vertaus hen von ne und nf Oktaeder und Hexaeder sowie Ikosaeder undDodekaeder vertaus ht werden und das Tetraeder in si h übergeht. Man nennt dieentspre henden Polyeder zueinander dual .Die Herleitung hat gezeigt, dass die Euler's he Polyederformele + f − k = 2au h für Landkarten auf der Kugel gilt. Gilt sie au h auf dem Torus? Zählen wir dazuin Abbildung 4.20 ab:

k = 2 · 12 + 2 · 4 = 32 ,

f = 4 · 4 = 16 ,

e = 2 · 8 = 16 .Hier gilt also e + f − k = 0. Allgemein lautet die Formele + f − k = 2− 2γ ,wenn γ die Anzahl der Lö her oder das Ges hle ht der Flä he ist. Für eine Kugelgilt also γ = 0, für einen Torus γ = 1 oder für eine Kugel mit zwei Henkeln γ = 2.Umgekehrt kann man dur h Bere hnung der Euler-Charakteristik e + f − k dasGes hle ht einer Flä he bestimmen.

Abbildung 4.20: Würfel mit Lo h

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5 Kegels hnitteS hneidet man einen Drehkegel K mit einer Ebene ε, so erhält man einenKegels hnitt(siehe Abbildung 5.1). Enthält ε die Kegelspitze S, ist die S hnitt�gur klar: Eine sol heEbene s hneidet die Spitze, eine Erzeugende oder zwei Erzeugende aus.Wenden wir uns nun den übrigen Fällen zu. Man sieht, dass wir dabei drei Situationenunters heiden müssen: Die S hnittkurve kann bes hränkt oder unbes hränkt sein; imzweiten Fall kann sie aus einem oder zwei Ästen bestehen. In Abbildung 5.2 erkennenwir, dass si h die gegenseitige Lage von Kegel und Ebene ausdrü ken lässt dur h� den halben Ö�nungswinkel α des Drehkegels K und� den Winkel β zwis hen der Kegela hse a und der Ebene ε.Genau für β > α sind die Kegelerzeugenden steiler als ε. Die Abbildung 5.1 zeigt, dassin diesem Fall die S hnittkurve bes hränkt ist. Der Fall β < α liefert eine aus zwei Ästenbestehende unbes hränkte Kurve. Der Fall β = α liefert eine aus einem Ast bestehendeunbes hränkte Kurve. Wir su hen jeweils na h einer kennzei hnenden Eigens haftder S hnittkurve. Die besten Hilfsmittel, um sol he Eigens haften herzuleiten, sind diena h dem französis h-belgis hen Mathematiker Germinal Pierre Dandelin (1794-1847)benannten Kugeln.5.1 Dandelin's he KugelnWir beginnen unsere Überlegungen mit dem bes hränkten Fall (siehe Abbildung 5.3).Σ1 und Σ2 seien die beiden Kugeln, wel he einerseits den Kegel (längs der Breiten-kreise k1, k2) und andererseits die Ebene ε (in den Punkten F1, F2) berühren. Fernerseien P ein beliebiger Punkt der S hnittkurve (auf dem Breitenkreis k) und A1, A2 dieS hnittpunkte der Kegelerzeugenden SP mit k1 bzw. k2. Da die Geraden PF1 und PA1Tangenten an die Kugel Σ1 sind, gilt (siehe 4.2 Bem. (vi))

d(P, F1) = d(P, A1) . (5.1)Analog sieht mand(P, F2) = d(P, A2) . (5.2)Also hat man

d(P, F1) + d(P, F2) = d(A1, A2) ,wobei der Abstand der Punkte A1 und A2 ni ht von der Wahl des Punktes P abhängt.Wir de�nieren:Def. 1 Der geometris he Ort e aller Punkte einer Ebene, deren Abstände von zweifesten Punkten F1 und F2 dieser Ebene eine feste Summe 2a (> d(F1, F2)) haben, heiÿt75

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76 5 Kegels hnitteε

l

Sbbb bb

ε

l

Sbb

ε

l

Sbbbb

Abbildung 5.1: Ebene S hnitte eines DrehkegelsS c

c

c

a

l

K

c

εα

β

Abbildung 5.2: Fallunters heidung

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5.1 Dandelin's he Kugeln 77S c

c c

Σ2

Σ1

cA2

k2

A1

k1

c

c

l1

c

F1

c

cl2F2

P

ε

k

cc

c

Abbildung 5.3: Ellipse mit Dandelin's hen KugelnEllipse. F1 und F2 heiÿen die Brennpunkte von e. Der halbe Abstand c der beidenBrennpunkte heiÿt die lineare Exzentrizität von e.Bem. Wir haben gesehen, dass genügend �a he ebene S hnitte von Drehkegeln Ellip-sen liefern. Dass si h alle Ellipsen so erzeugen lassen, sieht man an Abbildung 5.3:(i) Vers hiebt man ε parallel, so erhält man beliebig groÿe (und beliebig kleine) Wertefür c.(ii) Für β → π2geht c gegen 0, für β → α gegen a (man betra hte in Abbildung 5.3 dielinke Umrisserzeugende von K). Damit ist jedes Verhältnis a

c> 1 errei hbar.Analoge Überlegungen lassen si h für die im Folgenden betra hteten Hyperbeln und AParabeln anstellen (bei letzteren besonders einfa h).De�nition 1 ist die Grundlage der sogenannten �Gärtnerkonstruktion�. Dazu werdenzwei Pfähle in die Erde ges hlagen und mit einem lo keren Seil verbunden. Spanntman das Seil, indem man es an einer Stelle festhält und es stra� anzieht, so erhält mandie Punkte einer Ellipse (siehe Abbildung 5.4 (a)).Da die Punktmenge {F1, F2} symmetris h ist� bezügli h der Mittelsenkre hten der Stre ke F1F2,� bezügli h der Verbindungsgeraden F1F2,� bezügli h des Mittelpunkts O der Stre ke F1F2,besitzt au h die dadur h de�nierte Ellipse e diese Symmetrieeigens haften. Insbeson-

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78 5 Kegels hnitte(a)c

c

c

P

F1 F2

(b)c c ccc

c

c

S1 S2

S3

S4

c

ba

︸ ︷︷ ︸a

F1 F2

O

Abbildung 5.4: Zur Ellipsedere ist O au h Mittelpunkt der Ellipse. Auf der Geraden F1F2 liegen genau zweiEllipsenpunkte, die Haupts heitel S1, S2. Für ihren Abstand giltd(S1, S2) = d(S1, F1) + d(F1, S2) = d(S2, F2) + d(S2, F1) = 2a .Auf der Mittelsenkre hten der Stre ke F1F2 liegen ebenfalls genau zwei Ellipsenpunkte,die Nebens heitel S3, S4. Sie haben von beiden Brennpunkten den Abstand a (sieheAbbildung 5.4 (b)). Hat S3S4 die Länge 2b, so gilt a2 = b2 + c2.Wir nennen die Menge der Punkte P mit

d(P, F1) + d(P, F2) > 2aden Auÿenberei h sowie die Menge der Punkte P mitd(P, F1) + d(P, F2) < 2aden Innenberei h von e. Wegen c < a liegen die Brennpunkte im Innenberei h.Die Stre ke S1S2 sowie ihre Länge 2a heiÿt die Haupta hse der Ellipse, die Stre ke

S3S4 sowie ihre Länge 2b die Nebena hse. (Der Spra hgebrau h ist also derselbe wiebei �Dur hmesser�, der sowohl eine Stre ke (�AB ist ein Dur hmesser des Kreises k�)als au h eine Länge (�k hat den Dur hmesser 3 m�) bezei hnet.)Liegt der Ellipsenpunkt P ni ht auf der Haupta hse und ist P ⋆ sein Spiegelungspunktbzgl. des Ellipsenmittelpunkts O, so gilt2d(O, P ) = d(P, P ⋆) = d(P, O) + d(O, P ⋆)

< d(P, F1) + d(F1, P⋆) = d(P, F1) + d(F2, P ) = 2a .Die Haupta hse ist somit der eindeutig bestimmte gröÿte Ellipsendur hmesser. Daherbildet jede Bewegung, wel he die Ellipse auf si h abbildet, au h ihre Haupta hse aufsi h ab. Also besitzt eine Ellipse nur die oben genannten Symmetrien.Wir halten fest, dass wir eine Ellipse (bis auf Bewegungen eindeutig) festlegen können,indem wir zwei der drei Gröÿen� a (und damit die Länge der Haupta hse),

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5.1 Dandelin's he Kugeln 79

Sc

c c

cc

Σ2

Σ1

k2

k1

ε

c

Pk

c

c

A2

A1

Abbildung 5.5: Hyperbel mit Dandelin's hen Kugeln

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80 5 Kegels hnitte� b (und damit die Länge der Nebena hse),� c (und damit den Abstand der Brennpunkte)vorgeben. In dem dur h F1(−c|0), F2(c|0) festgelegten kartesis hen Koordinatensystembere hnet si h die Glei hung der Ellipse ausA√

(x + c)2 + y2 +√

(x− c)2 + y2 = 2azu (x

a

)2

+(y

b

)2

= 1 . (5.3)Ganz analog kann man für β < α argumentieren (man betra hte die Dandelin's henA Kugeln in Abbildung 5.5).Def. 2 Der geometris he Ort h aller Punkte einer Ebene, für die der Betrag derAbstandsdi�erenz von zwei festen Punkten F1 und F2 dieser Ebene konstant ist, heiÿtHyperbel.c c

cP

Oc c c

c

c

ba

c

︸ ︷︷ ︸c

F1 S1 F2S2

Abbildung 5.6: Zur HyperbelIm Unters hied zur Ellipse gilt hier2a := |d(P, F1)− d(P, F2)| < d(F1, F2) =: 2c(siehe Abbildung 5.6). F1, F2 heiÿen die Brennpunkte von h. Ihr halber Abstand cwird die lineare Exzentrizität von h genannt. Die Menge der Punkte P mit

|d(P, F1)− d(P, F2)| < 2aheiÿt der Auÿenberei h , die Menge der Punkte P mit|d(P, F1)− d(P, F2)| > 2ader Innenberei h von h. Bei der Ellipse war die De�nition von Innen- und Auÿenbe-rei h no h ans hauli h motivierbar. Hier (und au h bei der Parabel) gelingt dies nur,

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5.1 Dandelin's he Kugeln 81wenn man die Kurve als Kegels hnitt betra htet: Es geht um die Berei he innerhalbund auÿerhalb des Kegels. Wegen c > a liegen die Brennpunkte im Innenberei h derHyperbel.Die oben genannten Symmetrieeigens haften einer Ellipse besitzt au h eine Hyperbel.Auf der Geraden F1F2 liegen genau zwei Hyperbelpunkte, die S heitel S1, S2 derHyperbel. Für ihren Abstand giltd(S1, S2) = d(F1, S2)− d(S1, F1) = d(S2, F1)− d(S2, F2) = 2a .Die Stre ke S1S2 sowie ihre Länge 2a heiÿt die reelle A hse der Hyperbel. Auf derMittelsenkre hten von F1F2 liegen keine Hyperbelpunkte, da diese die Abstandsdi�e-renz 0 hätten. h besteht daher aus zwei Ästen.Die Hyperbela hse erhält das Attribut reell, weil es si h bisweilen als günstig erweist,auf die Mittelsenkre hte von F1F2 eine imaginäre A hse der Länge 2b mit b2 =

c2 − a2 zu legen. Mit F1(−c|0), F2(c|0) erhält man analog zu (5.3) für eine Hyperbel Adie Glei hung (x

a

)2

−(y

b

)2

= 1 . (5.4)Wir wenden uns nun dem Fall β = α zu. Σ sei die Kugel, wel he den Drehkegel K(längs des Breitenkreises k) und die Ebene ε (im Punkt F ) berührt (siehe Abbildung5.7). Ferner seien P ein beliebiger Punkt der S hnittkurve, A der S hnittpunkt derKegelerzeugenden SP mit k und l die S hnittgerade der Trägerebene von k mit ε. DaS c

c

c

Σ

c cAkA

c

c

ε

l

F

PP

Abbildung 5.7: Parabel mit Dandelin's her Kugel

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82 5 Kegels hnittePF und PA Tangenten von Σ sind, gilt

d(P, F ) = d(P, A) = d(P, A) = d(P, l) .Wir de�nieren:Def. 3 Der geometris he Ort p aller Punkte einer Ebene, für die die Abstände voneinem festen Punkt F und einer festen Geraden l dieser Ebene übereinstimmen, heiÿtParabel. F heiÿt der Brennpunkt, l die Leitgerade von p. Die Menge der Punkte Pmitd(P, l) < d(P, F )heiÿt der Auÿenberei h, die Menge der Punkte P mitd(P, l) > d(P, F )der Innenberei h von p.Es ist klar, dass der Brennpunkt im Innenberei h liegt.Die Symmetriea hse der Menge {F, l} ist au h Symmetriea hse der Parabel. Sie heiÿtdie A hse von p und enthält genau einen Parabelpunkt, den S heitel von p (siehehierzu und zu den folgenden Sätzen Abbildung 5.8).Zwei alternative Formulierungen von De�nition 3 bes hlieÿen diesen Abs hnitt.

sF

l

c

c

c

cc

c

c

c

A hsetr

Abbildung 5.8: Parabel mit Leitgerade, Brennpunkt und A hseSatz 1 Eine Parabel p ist der Ort aller Punkte, um die man Kreise s hlagen kann, diedur h den Brennpunkt von p gehen und die Leitgerade berühren.Satz 2 Der geometris he Ort der Mittelpunkte aller Kreise, die eine feste Gerade l be-rühren und dur h einen festen Punkt F gehen, der ni ht auf l liegt, ist eine Parabel.

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5.2 Leitkreis und Leitgerade 835.2 Leitkreis und LeitgeradeZiel dieses Abs hnitts ist es, dur h geeignete Modi�kation der oben für einen Parabel-punkt P gegebenen Kennzei hnungd(P, F )

d(P, l)= 1 (5.5)neue Bes hreibungen von Ellipse und Hyperbel zu gewinnen. Zwei Wege bieten si han: Man ändert die Konstante auf der re hten Seite der Glei hung oder man ersetztdie Gerade dur h einen Kreis. Wir beginnen mit dem zweiten Ansatz, der uns dieGegenstü ke zu den Sätzen 1 und 2 des vorigen Abs hnitts liefern wird.Bezei hnet man für eine Ellipse e mit der Haupta hse 2a die beiden Kreise mit demRadius 2a, die einen der Brennpunkte als Mittelpunkt besitzen, als die Leitkreise von

e, so gilt der folgende

c

c

c

c

cccc

c

c

c

c

c

c

c

c

cc c c

c

c

c

c

cF1

P

cF2t tr r

Abbildung 5.9: Ellipse mit LeitkreisSatz 1 Eine Ellipse e ist der Ort aller Punkte, um die man Kreise s hlagen kann, die dur heinen Brennpunkt von e gehen und den Leitkreis um den anderen Brennpunkt berühren.Beweis: Sind F1, F2 die Brennpunkte und 2a die Haupta hse von e, so gilt für einenEllipsenpunkt Pd(P, F2) = 2a− d(P, F1) . (5.6)

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84 5 Kegels hnitteAlso berührt der Kreis um P mit dem Radius d(P, F2) den Leitkreis um F1 von innen(siehe Abbildung 5.9).Berührt umgekehrt der Kreis um P mit dem Radius d(P, F2) den Leitkreis um F1,dann berührt er ihn wegen d(F1, F2) < 2a von innen. Es liegt somit die Situation vonAbbildung 5.9 vor. Sie zeigt wieder (5.6), weshalb P auf e liegt. �Wir verwenden Satz 1, um den folgenden Satz zu zeigen.Satz 2 Der geometris he Ort der Mittelpunkte aller Kreise (einer Ebene), die einen festenKreis k berühren und dur h einen festen Punkt F im Innern von k gehen, ist eine Ellipse.Beweis: Fällt F mit dem Mittelpunkt M des Kreises k zusammen, erhält man einenKreis (siehe Abbildung 5.10). Für F 6= M beweist man den Satz, indem man Satz 1b

b

bb

bbbb

b

b

b

b

bb

b b bb

b

b

b

Abbildung 5.10: Spezialfall Kreisauf die Ellipse mit den Brennpunkten F und M sowie dem Leitkreis k anwendet. �Wir können Satz 2 au h wie folgt formulieren: Der geometris he Ort aller Punkte, dievon einem festen Kreis k und einem festen Punkt F im Innern von k denselben Abstandhaben, ist eine Ellipse.Wenden wir uns der Hyperbel zu. Gegeben sei eine Hyperbel h mit den BrennpunktenF1, F2 und der reellen A hse 2a. Dann heiÿen die beiden Kreise um einen Brennpunktmit dem Radius 2a die Leitkreise von h.Analog zu Satz 1 gilt für Hyperbeln derSatz 3 Eine Hyperbel h ist der Ort aller Punkte, um die man Kreise s hlagen kann,die dur h einen Brennpunkt von h gehen und den Leitkreis um den anderen Brennpunktberühren.Im Unters hied zur Ellipse sind hier � wegen des zu bildenden Betrags � zwei vers hie-dene Situationen mögli h (siehe Abbildung 5.11 und Abbildung 5.12). Sind F1, F2 dieBrennpunkte und 2a die reelle A hse der Hyperbel h, so erfüllt jeder Hyperbelpunkt

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5.2 Leitkreis und Leitgerade 85

c

c

c

ccccc

c

c

c

c

c

cc

P

F1 F2t tr r

Abbildung 5.11: Hyperbel mit Leitkreis: Berührung von auÿenP die Glei hung

|d(P, F1)− d(P, F2)| = 2a .Es gilt daherd(P, F1) = d(P, F2) + 2a (5.7)oderd(P, F1) = d(P, F2)− 2a , (5.8)alsod(P, F2) = d(P, F1) + 2a .Im ersten Fall berührt der Leitkreis um F1 den Kreis um P mit dem Radius d(P, F2)von auÿen (siehe Abbildung 5.11), im zweiten Fall von innen (siehe Abbildung 5.12).Berührt umgekehrt der Kreis um P mit dem Radius d(P, F2) den Leitkreis um F1,dann berührt er ihn wegen d(F1, F2) > 2a von auÿen. Es liegt also die Situation vonAbbildung 5.11 oder 5.12 vor. Man erhält wieder (5.7) oder (5.8).Dem Satz 2 entspri ht derSatz 4 Der geometris he Ort der Mittelpunkte aller Kreise (einer Ebene), die einen festenKreis k berühren und dur h einen festen Punkt F auÿerhalb von k gehen, ist eine Hyperbel.Beweis: Man wende Satz 3 auf die Hyperbel an, die den Kreismittelpunkt und denPunkt F als Brennpunkte sowie den Kreis k als Leitkreis besitzt. �Na h Satz 2 und Satz 4 lassen si h Ellipsen und Hyperbeln dur h einen festen Kreis ksowie einen Punkt F innerhalb bzw. auÿerhalb von k harakterisieren. In Anlehnung andiese Sätze könnte man eine Charakterisierung der Parabel versu hen, indem man F

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86 5 Kegels hnitte

c

c

c

c

ccccc

c

c

c

c

P

F1c F2

c

cc tt rr

Abbildung 5.12: Hyperbel mit Leitkreis: Berührung von innen

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5.2 Leitkreis und Leitgerade 87auf dem Kreis k wählt und den Ort aller Punkte bestimmt, um die man Kreise s hlagenkann, die k berühren und dur h F gehen. Man sieht aber lei ht, dass man auf diese AWeise keine Parabel, sondern die Verbindungsgerade von F mit dem Kreismittelpunkterhält. Wie der Satz 2 des vorigen Abs hnitts zeigt, hat man statt dessen einen �Kreismit unendli h groÿem Radius� � also eine Gerade � zu wählen.Wenden wir uns nun der re hten Seite der Glei hung (5.5) zu. Wie zu Beginn diesesAbs hnitts angekündigt, soll diese so abgeändert werden, dass kennzei hnende Glei- hungen für Ellipsen bzw. Hyperbeln entstehen. Wir kehren zunä hst zu den Dande-lin's hen Kugeln zurü k und betra hten in Abbildung 5.3 (also im elliptis hen Fall) die(parallelen) S hnittgeraden l1 bzw. l2 der Trägerebenen der Berührkreise k1 bzw. k2mit ε sowie den Breitenkreis k dur h den Ellipsenpunkt P . Die Abbildung 5.13 zeigtdie ents heidenden Details aus vers hiedenen Bli kri htungen. Dabei sind M1, M2, M(a) S c

cM1

cM

cM2

β

c

l1

c

cl2

P

ε(b)

c

c

c

α

S c

cM1

cM

cM2A2

A1

P

Abbildung 5.13: Zur Leitgeradende�nition der Ellipsedie (auf der Kegela hse liegenden) Mittelpunkte der Breitenkreise k1, k2, k. Na h Ab-bildung 5.13 (a) giltd(M, M1)

d(P, l1)=

d(M, M2)

d(P, l2)= cos β ,na h Abbildung 5.13 (b)

d(M, M1)

d(P, A1)=

d(M, M2)

d(P, A2)= cos α .Zusammen ergibt dies

d(P, A1)

d(P, l1)=

d(P, A2)

d(P, l2)=

cos β

cos α.Mit (5.1) und (5.2) folgt hieraus

d(P, F1)

d(P, l1)=

d(P, F2)

d(P, l2)=

cos β

cos α< 1 .

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88 5 Kegels hnitteAnalog erhält man für die Hyperbeld(P, F1)

d(P, l1)=

d(P, F2)

d(P, l2)=

cos β

cos α> 1 .Damit ist der folgende Satz gezeigt.Satz 5 In einer Ebene ε seien eine Gerade l und ein Punkt F (ni ht auf l) gegeben. Dannist der geometris he Ort aller Punkte P von ε mit

d(P, F )

d(P, l)= ν > 0� eine Ellipse für ν < 1,� eine Hyperbel für ν > 1,� eine Parabel für ν = 1.

ν heiÿt die numeris he Exzentrizität des Kegels hnitts.Legt man wie im Satz 5 bes hrieben einen Kegels hnitt mithilfe eines Brennpunkts Fund einer Leitgeraden l fest, so ents heidet bei gegebenem ν allein der Abstand d(F, l)über dessen Gestalt (wenn man von Bewegungen des Kegels hnitts absieht). Es giltalso derSatz 6 Kegels hnitte mit derselben numeris hen Exzentrizität sind ähnli h.Es bleibt die Frage zu beantworten, wie si h die numeris he Exzentrizität einer gege-benen Ellipse oder Hyperbel bere hnet. Im elliptis hen Fall gilt (siehe Abbildung 5.3und Abbildung 5.4 (b))ν =

d(S1, F2)

d(S1, l2)=

a + c

2a + d(S2, l2)

=d(S2, F2)

d(S2, l2)=

a− c

d(S2, l2).Hieraus bere hnet man

d(S2, l2) =a

c(a− c) .Zusammen ergibt dies

ν =c

a. (5.9)Die Beziehung (5.9) gilt au h für Hyperbeln. Die Argumentation läuft analog (manA betra hte die Abbildung 5.6).5.3 TangentenEs ist ans hauli h klar, dass jede Gerade, die genau einen Punkt mit einer Ellipsegemeinsam hat, die Ellipse berührt, also eine Tangente dieser Ellipse ist. Bei einer

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5.3 Tangenten 89Parabel ist jedo h eine derart einfa he De�nition der Tangente ni ht mögli h (manbetra hte etwa die Parabela hse). Eine einheitli he Formulierung lautet:Def. 1 Eine Gerade, die genau einen Punkt einer Ellipse, Hyperbel oder Parabel undsonst nur Punkte des Auÿenberei hs enthält, heiÿt Tangente des Kegels hnitts.Diese zunä hst unans hauli he De�nition wird klar, sobald man die Kurve als Kegel-s hnitt sieht: Die Kurventangente ist au h Tangente an den Kegel und tri�t daher dasInnere des Kegels � und damit au h das Innere der Kurve � ni ht.c c ccc

cc

cAP

cT

t

F1 F2

O

Abbildung 5.14: Ellipsentangente als WinkelhalbierendeWir leiten nun eine weitere Kennzei hnung der Tangenten her, wel he au h die Be-zei hnung Brennpunkt motiviert. Wir gehen zunä hst aus von einer Ellipse e. Es seienP ein Punkt von e, die Gerade t die Winkelhalbierende des Auÿenwinkels der Brenn-strahlen F1P und F2P von e sowie A der (auf F1P liegende) Spiegelpunkt von F2 ant (siehe Abbildung 5.14). Dann ergibt si h für jeden von P vers hiedenen Punkt T ∈ t

d(T, F1) + d(T, F2) = d(T, F1) + d(T, A)

> d(F1, A) = d(F1, P ) + d(P, A)

= d(F1, P ) + d(F2, P ) = 2a .Also liegt T im Auÿenberei h von e, weshalb t die Tangente an die Ellipse im PunktP ist. Es gilt somit der folgende Satz, der die Aufgabe, die Tangente in einem Ellip-senpunkt zu konstruieren, auf die Konstruktion einer Winkelhalbierenden reduziert.Satz 1 Die Ellipsentangente halbiert den Auÿenwinkel der Brennstrahlen.Stellt man si h die Ellipse als Spiegel vor, wird also jeder vom Brennpunkt F1 ausge-hende Strahl in einen Strahl dur h F2 re�ektiert.Man kann Satz 1 au h verwenden, um die Tangenten von einem Punkt Q aus an dieEllipse zu legen (siehe Abbildung 5.15). Ist R ein S hnittpunkt des Kreises um Q dur hden einen Brennpunkt F1 mit dem Leitkreis um den anderen Brennpunkt F2, so ist dasLot t von Q auf die Gerade RF1 (also die Mittelsenkre hte von RF1) eine Tangente

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90 5 Kegels hnittec

c

P

tc

c

R

Q c cccF1 F2

Leitkreis um F2

Abbildung 5.15: Konstruktion von Ellipsentangentendur h Q an die Ellipse. Sie berührt die Ellipse im S hnittpunkt von t mit der GeradenRF2 (man bea hte die beiden (kongruenten) grauen Dreie ke).Analog zu Satz 1 beweist man den folgenden Satz (siehe Abbildung 5.16).A Satz 2 Die Hyperbeltangente halbiert den Winkel der Brennstrahlen.

cP

Oc c c c c

c

c

F1 F2

t

Abbildung 5.16: Hyperbeltangente als WinkelhalbierendeDie in Abbildung 5.15 gezeigte Methode, eine Tangente von einem Punkt Q aus aneine Ellipse zu legen, kann daher au h für Hyperbeln verwendet werden.Für die Parabel lautet die zu Satz 1 und Satz 2 analoge Aussage wie folgt (sieheAbbildung 5.17).Satz 3 Die Parabeltangente im Parabelpunkt P halbiert den Winkel zwis hen dem Brenn-strahl PF und der Parallelen zur Parabela hse (also dem Lot auf die Leitgerade) dur h P .Beweis: Um zu zeigen, dass die Winkelhalbierende Tangente an die Parabel ist, be-tra hten wir den Fuÿpunkt R des Lotes von P auf l. Da die Dreie ke ∆PFY und ∆PRY(siehe Abbildung 5.17) na h dem sws-Satz kongruent sind, sind für jeden Punkt W der

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5.3 Tangenten 91F

ccl

c

c

c

W

c

cX

cZ

Q

T

PcPa

R

Y

c

S

a

c

Abbildung 5.17: Parabel und TangentenWinkelhalbierenden au h die Dreie ke ∆WFY und ∆WRY kongruent. Daher gilt fürW 6= P

d(W, F ) = d(W, R) > d(W, l) .Die Winkelhalbierende enthält also neben P nur Punkte des Auÿenberei hs der Para-bel. �Stellt man si h die Parabel als Spiegel vor, wird na h Satz 3 jeder vom Brennpunktausgehende Strahl in einen zur A hse parallelen Strahl re�ektiert und umgekehrt. Daauÿerdem der Weg bis zum Brennpunkt für alle Punkte einer Wellenfront glei h langist (siehe Abbildung 5.18), wird Auslös hung verhindert; daher eignen si h Drehpara-boloide, also Dreh�ä hen, die dur h Drehung einer Parabel um ihre A hse entstehen,als S heinwerfer und Antennen.F

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

c

Abbildung 5.18: Re�exionSatz 3 liefert eine sehr einfa he Mögli hkeit, die Tangente in einem Parabelpunkt P zukonstruieren. Da die beiden dunkelgrauen Dreie ke in Abbildung 5.17 kongruent sind,

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92 5 Kegels hnittegilt nämli hd(Pa, S) + d(S, l) = d(P, R) = d(F, X) = d(S, X) + d(S, F ) = d(S, X) + d(S, l) ,also

d(Pa, S) = d(S, X) .Man erhält daher die Tangente PX, indem man auf der Parabela hse a vom S heitelS aus die Länge d(Pa, S) (X 6= Pa) abträgt.Abbildung 5.17 zeigt ferner die auf Satz 3 aufbauende Konstruktion der Tangente voneinem Punkt Z aus an die Parabel mithilfe des Kreises um Z dur h den BrennpunktF .Wir halten eine Folgerung aus unseren Überlegungen fest imSatz 4 Spiegelt man einen (den) Brennpunkt F an allen Tangenten, so erhält man(a) für eine Ellipse den Leitkreis um den zweiten Brennpunkt,(b) für eine Hyperbel den Leitkreis um den zweiten Brennpunkt mit Ausnahme derBerührpunkte der von F an diesen Leitkreis gelegten Tangenten,( ) für eine Parabel die Leitgerade.Beweis: Die Aussagen (a) und ( ) ma ht man si h lei ht mit den Abbildungen 5.15und 5.17 klar, die Aussage (b) ergibt si h analog. �Vor einer weiteren Kennzei hnung der Kegels hnitte spre hen wir folgende De�nitionaus:Def. 2 Der Kreis um den Mittelpunkt einer Ellipse oder Hyperbel, der die Haupta hsebzw. die reelle A hse als Dur hmesser besitzt, heiÿt der Hauptkreis des Kegels hnitts.Die Tangente im S heitelpunkt einer Parabel heiÿt deren Hauptgerade.Wendet man auf das Ergebnis von Satz 4 eine zentris he Stre kung mit dem ZentrumF und dem Faktor 1

2an, so erhält man denSatz 5 Die Fuÿpunkte der von einem (dem) Brennpunkt F auf alle Tangenten gefälltenLote erfüllen(a) für eine Ellipse den Hauptkreis,(b) für eine Hyperbel den Hauptkreis mit Ausnahme der Berührpunkte der von F anden Hauptkreis gelegten Tangenten,( ) für eine Parabel die Hauptgerade.Betra htet man beide Brennpunkte einer Hyperbel, so liefert die Aussage (b) vier Aus-nahmepunkte, die zwei Geraden dur h den Hyperbelmittelpunkt O festlegen (sieheAbbildung 5.19). Diese Geraden heiÿen die Asymptoten der Hyperbel. Nimmt mansie zu den Tangenten hinzu (�Tangenten in den Fernpunkten der Hyperbel�), entfallen

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5.3 Tangenten 93O

c c c c cF1 F2

c

c

c

cAbbildung 5.19: Hyperbel mit Asymptotenin der Aussage (b) der Sätze 4 und 5 die Ausnahmepunkte. Dass dies gere htfertigt ist,zeigen die folgenden Überlegungen.Spiegelt man den Brennpunkt F1 an einer Asymptote, so erhält man einen Punkt Rdes Leitkreises um F2 (siehe Abbildung 5.20; der Strahlensatz mit Zentrum F1 zeigt

c

R

Oc c c c c

F1 F2

c

c

c

Q

a

c

c

c c

Abbildung 5.20: Zur Bedeutung der Asymptotend(R, F2) = 2a). Die auf Satz 2 aufbauende Tangentenkonstruktion liefert also für einenAsymptotenpunkt Q genau diese Asymptote. Zur Konstruktion des Berührpunkts istdie Gerade RF2 mit dieser Asymptote zu s hneiden (man betra hte die analoge Kon-struktion an der Ellipse in Abbildung 5.15). Da die beiden Geraden parallel sind, erhältman einen �unendli h fernen� Berührpunkt.

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Teil IIAxiomatis her Aufbau

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6 Ein Axiomensystem der euklidis henGeometrie6.1 VorbemerkungenWir bes hränken uns im Folgenden auf die euklidis he Ebene und verwenden für ihrenAufbau ein Axiomensystem, das 1977 vom russis hen Mathematiker Kolmogorov an-gegeben wurde. Es ist zum Hilbert's hen Axiomensystem äquivalent, vereinfa ht aberman he Beweise.Was benötigt man zum axiomatis hen Aufbau einer mathematis hen � etwa geome-tris hen � Theorie? Man benötigt zunä hst inhaltsleere Grundbegri�e, deren Inhaltdur h Axiome bestimmt wird. Jeder Versu h, die Grundbegri�e zu de�nieren, musss heitern (siehe Abs hnitt 2.2). Auss hlieÿli h mit Hilfe der Axiome sind dann die Sät-ze der Geometrie zu beweisen. De�nitionen sind ni hts anderes als Abkürzungen, umdie Formulierung von Aussagen zu vereinfa hen.Ist ein Axiomensystem gegeben, so stellen si h vers hiedene Fragen.• Ist es widerspru hsfrei?Es ist meist s hwierig, die Widerspru hsfreiheit eines Axiomensystems direkt zubeweisen. Einfa her ist es, ein Beispiel anzugeben. So kann man etwa zeigen, dassdie Menge der Paare (x, y) mit x, y ∈ R mit den uns geläu�gen Begri�sbildungendie Axiome der euklidis hen Ebene erfüllt. Damit ist die Widerspru hsfreiheit die-ses Axiomensystems gezeigt (oder besser auf die Frage der Widerspru hsfreiheitder reellen Zahlen zurü kgeführt).• Sind die Axiome unabhängig?Auf Axiome, die si h aus den übrigen ableiten lassen, kann man verzi hten. Au hdiese Frage ist im Allgemeinen ni ht lei ht zu beantworten. So haben si h Ma-thematiker jahrhundertelang mit der Frage bes häftigt, ob si h das Parallelenaxi-om (wie lautet es?) aus den übrigen Axiomen der euklidis hen Ebene herleitenlässt. Wir werden im Kapitel 7 die Unabhängigkeit des Parallelenaxioms von denübrigen Axiomen zeigen, indem wir Geometrien angeben, in denen bis auf dasParallelenaxiom alle Axiome der euklidis hen Ebene erfüllt sind.• Ist das Axiomensystem vollständig?Bei einem vollständigen Axiomensystem kann man (prinzipiell) bei jedem Satz,der si h mit den Begri�en des Systems formulieren lässt, ents heiden, ob er wahroder fals h ist. 97

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98 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen GeometrieBeim axiomatis hen Aufbau einer Geometrie geht man übli herweise von einer Inzi-denzstruktur aus.Def. 1 Gegeben seien eine Menge P , deren Elemente Punkte genannt werden, einedazu disjunkte Menge B, deren Elemente Blö ke heiÿen, sowie eine Teilmenge I deskartesis hen Produkts P ×B. Dann heiÿt das Tripel (P , B, I) eine Inzidenzstruktur.Für (P, b) ∈ I sagt man, dass P mit b inzidiert.Beispiel 1 P sei die Menge der Stühle in der Gaststube eines Restaurants, B dieMenge der Tis he (siehe Abbildung 6.1). Gilt (P, b) ∈ I genau dann, wenn der StuhlP am Tis h b steht, so hat man eine Inzidenzstruktur. Man bea hte, dass ni ht jeder

Abbildung 6.1: Eine InzidenzstrukturStuhl mit einem Tis h inzidieren muss.Beispiel 2 Ist P die Menge der Einwohner einer Stadt, B die Menge der Ges häftein dieser Stadt und (P, b) ∈ I de�niert als �P ist Kunde von b�, so ist (P , B, I) eineInzidenzstruktur.Beispiel 3 Besteht G aus Teilmengen von P (ist also G eine Teilmenge der Potenz-menge von P ) und istI = { (P, b) ∈ P ×G | P ∈ b } ,so ist (P , G, I) eine Inzidenzstruktur. Die Blö ke nennt man in diesem Fall Geradenund s hreibt (P , G, I)=(P , G,∈).Inzidenzstrukturen, bei denen (wie in Beispiel 3) Blö ke bzw. Geraden Punktmengensind, sind uns vertraut. Lässt si h jede Inzidenzstruktur auf eine sol he Gestalt brin-gen? Beispiel 1 könnte dies vermuten lassen. Ersetzen wir nämli h jeden Tis h dur hdie Menge der an ihm stehenden Stühle, so erhalten wir eine Inzidenzstruktur dieserBauart, deren Struktur mit der ursprüngli hen übereinstimmt. Bevor wir allerdingsdiese Frage generell beantworten können, ist zu klären, wann wir zwei Inzidenzstruk-turen als �glei h� betra hten wollen. Aus der Linearen Algebra kennen wir hierfür denBegri� �isomorph�.

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6.1 Vorbemerkungen 99Def. 2 Zwei Inzidenzstrukturen (P , B, I) und (P ′, B′, I ′) heiÿen isomorph, wennes eine bijektive Abbildungf : P ∪B → P

′ ∪B′gibt, für die gilt:(i) f bildet Punkte auf Punkte und Blö ke auf Blö ke ab.(ii) Für jeden Punkt P und jeden Blo k b gilt

(P, b) ∈ I ⇐⇒ (f(P ), f(b)) ∈ I ′ .Um eine Inzidenzstruktur (P ′, B′,∈) zu �nden, die zu einer gegebenen Inzidenzstruktur(P , B, I) isomorph ist, bietet si h folgendes Vorgehen an.• Man setzt P

′ = P und f(P ) = P für alle P ∈ P .• Man ordnet jedem Blo k b ∈ B die Menge der mit b inzidierenden Punkte zu,man setzt also

f(b) = { P ∈ P | (P, b) ∈ I }undB

′ = { f(b) | b ∈ B } .Dann ist die Abbildung f surjektiv; sie ist genau dann injektiv, wenn aus b1 6= b2au h f(b1) 6= f(b2) folgt, wenn es also keine zwei Blö ke gibt, die mit der glei henPunktmenge inzidieren.Def. 3 Eine Inzidenzstruktur heiÿt einfa h oder Geometrie, wenn es keine zweiBlö ke gibt, die mit derselben Punktmenge inzidieren.Die in den Abbildungen 6.1 und 6.2 (a) dargestellten Bestuhlungen bilden eine einfa heInzidenzstruktur (dem Beistelltis h der Abbildung 6.2 (a) ordnet f die leere Menge zu).

(a) (b)Abbildung 6.2: InzidenzstrukturenDagegen zeigt Abbildung 6.2 (b) eine ni ht einfa he Inzidenzstruktur. Au h die Inzi-denzstruktur, die im Beispiel 2 vorliegt, muss ni ht einfa h sein, da es zwei Ges häfte

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100 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen Geometriemit derselben Kunds haft geben kann. Beim Aufbau der euklidis hen Geometrie wer-den allerdings die betra hteten Inzidenzstrukturen (auf Grund der Axiome, die wirformulieren werden) einfa h sein. Daher ist der folgende Satz wi htig, der aus obigenÜberlegungen folgt.Satz Die Inzidenzstruktur (P , B, I) ist genau dann einfa h, wenn sie zu einer Inzidenz-struktur (P ′, B′,∈) isomorph ist.Dieser Satz bere htigt uns, im Folgenden von einer Inzidenzstruktur (P , G,∈) auszu-gehen (siehe Beispiel 3).Bem. Fast alle Axiomensysteme der euklidis hen Geometrie gehen von Punkten undGeraden aus. Man kann allerdings au h den Grundbegri� �Gerade� dur h den Grund-begri� �Stre ke� ersetzen. Geraden lassen si h dann wie folgt einführen.� Man nennt zwei Stre ken kollinear, wenn es eine Stre ke gibt, die beide enthält.� Man zeigt, dass dadur h eine Äquivalenzrelation auf der Menge der Stre ken de�-niert wird.� Man de�niert eine Gerade als Äquivalenzklasse.6.2 Das AxiomensystemWährend übli herweise eine groÿe Abstraktheit bei der Einarbeitung in ein neues ma-thematis hes Gebiet S hwierigkeiten bereitet, ist es hier umgekehrt. Gerade die (ver-meintli he) Konkretheit und Vertrautheit ist bei unserem Thema gefährli h. Jederkennt die euklidis he Ebene. Daher besteht immer die Gefahr, dass wir bei der Ar-gumentation ni ht nur die Axiome verwenden, sondern unbewusst ans hauli he Argu-mente ein�ieÿen lassen. Au h bekannte Mathematiker sind bei ihren �Beweisen� desParallelenaxioms dieser Gefahr erlegen (wir werden darauf im Abs hnitt 6.5 zurü k-kommen).Daher ist es hilfrei h, bei den Überlegungen in diesem Kapitel neben dem uns ver-trauten Modell der euklidis hen Ebene E2 au h das folgende zu betra hten. Dazu seider E2 eine Ebene π des E3. σN bzw. σS sei die stereographis he Projektion aus demNordpol N bzw. aus dem Südpol S einer Sphäre Σ um einen Punkt M ∈ π in derenÄquatorebene π (siehe Abbildung 4.13). Dann besteht σS(σ−1N (π)) aus allen Punktenvon π ohne M , vermehrt um einen Punkt ∞ (für das fehlende Bild des Punktes Sunter σS). σ−1

N bildet die Geraden von π auf die Kreise von Σ dur h N (ohne N) ab.σS bildet einen sol hen Kreis k auf einen Kreis dur h M (ohne M) ab, falls S /∈ kgilt. Für S ∈ k ist σS(k) eine Gerade dur h M (ohne M), vermehrt um den Punkt ∞.Nimmt man alle Begri�e des E2 (Geraden, Lot, Abstand, Kongruenz, . . . ) bei diesenAbbildungen mit, erhält man ein Modell der euklidis hen Ebene mit der Punktmenge(E2 \ {M}) ∪ {∞}.Die Inversion am Äquatorkreis liefert dasselbe Ergebnis (siehe 3.4 Bem. (i)).A

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6.2 Das Axiomensystem 101Def. 1 Eine Inzidenzstruktur (P , G,∈) zusammen mit einer Abbildungd :

{P × P → R

(A, B) 7→ d(A, B).heiÿt absolute Ebene, wenn sie den folgenden Axiomgruppen I bis IV genügt; sie heiÿteuklidis he Ebene, wenn sie den Axiomgruppen I bis V genügt.

d(A, B) heiÿt der Abstand der Punkte A und B.Es ist naheliegend, die Menge R als Bildmenge der Abbildung d zu wählen. Einerseitsrei hen die rationalen Zahlen si her ni ht aus, da s hon die Diagonale des Einheits-quadrats die Länge √2 hat. Andererseits sind die komplexen Zahlen unbrau hbar, daihnen die Anordnung fehlt.Um deutli h zu ma hen, wel he Aussagen wel he Axiome voraussetzen, werden wirna h jeder Gruppe die Sätze beweisen und De�nitionen ausspre hen, die ohne die spä-teren Axiome auskommen. Wi htig ist insbesondere, wel he Aussagen ni ht von derGültigkeit des Parallelenaxioms V abhängen, also Sätze der absoluten Geometrie sind.I Inzidenzaxiome(1) Zu zwei vers hiedenen Punkten P, Q gibt es genau eine Gerade g,die beide Punkte enthält (Bezei hnung: g = PQ).(2) Jede Gerade enthält mindestens zwei Punkte.(3) Es gibt drei Punkte, die ni ht derselben Geraden angehören.Satz 1 (i) Zwei vers hiedene Geraden haben hö hstens einen Punkt gemeinsam.(ii) Es gibt mindestens drei paarweise vers hiedene Geraden.Beweis: (i) folgt aus I(1).(ii) Na h I(3) gibt es ni htkollineare Punkte A, B, C, die na h I(1) paarweise vers hie-den sind. Die drei Geraden AB, AC, BC sind dann ebenfalls paarweise vers hieden. �Wir werden die gewohnten Spre hweisen verwenden. So werden wir für P ∈ g au h�P liegt auf g� oder �P inzidiert mit g� oder �P ist ein Punkt von g� sagen. Explizitfesthalten wollen wir die Begri�e der folgendenDef. 2 (i) Zwei Geraden, die si h ni ht s hneiden, heiÿen parallel.(ii) Punkte A, B, C, . . . einer Geraden heiÿen kollinear.Wir betra hten einige Beispiele.

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102 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen GeometrieBeispiel 1 P = {A, B, C} und G = {{A, B}, {A, C}, {B, C}} erfüllen die Axiome I(Minimalmodell).Beispiel 2 Sei P = {A, B, C, D}.(i) P und G = {{A, B}, {A, C}, {A, D}, {B, C}, {B, D}, {C, D}} erfüllen die AxiomeI.(ii) P und G = {{A, B, C}, {A, B, D}, {A, C, D}, {B, C, D}} erfüllen die Axiome Ini ht.Beispiel 3 P = { (x, y) | x, y ∈ R } undG = { { (x, y) | ax + by + c = 0 } | a, b, c ∈ R; a2 + b2 6= 0 }erfüllen die Axiome I.II Abstandsaxiome(1) Für alle Punkte A, B gilt d(A, B) ≥ 0 und d(A, B) = 0 genau für A = B.(2) Für alle Punkte A, B gilt d(A, B) = d(B, A).(3) Für alle Punkte A, B, C gilt

d(A, B) + d(B, C) ≥ d(A, C) .Die Punkte sind genau dann kollinear,wenn eine der folgenden Glei hungen erfüllt ist.d(A, B) + d(B, C) = d(A, C) , (6.1)d(A, C) + d(C, B) = d(A, B) , (6.2)d(B, A) + d(A, C) = d(B, C) . (6.3)In den Beispielen 1 und 2 (i) lässt si h ein Abstand einfa h dur h d(A, B) = 1 für

A 6= B de�nieren. (d(A, A) = 0 ist ja dur h II(1) vorges hrieben.) In Beispiel 3 kannman einen Abstand dur hd(A, B) = d((a1, a2), (b1, b2)) =

√(a1 − b1)2 + (a2 − b2)2einführen.Die Abstandsaxiome ma hen die absolute Ebene zum metris hen Raum. Dies istzwar eine starke Forderung, do h zeigen die oben erwähnten Metriken, dass dieserBegri� andererseits re ht allgemein ist. Wir werden mit Hilfe der Metrik Bewegungende�nieren. Man könnte au h umgekehrt vorgehen und si h eine Menge von Abbildungenvorgeben, die die Metrik festlegen. In Teil III werden wir so vorgehen.

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6.2 Das Axiomensystem 103Def. 3 (i) Ein Punkt B liegt zwis hen den Punkten A und C (in Zei hen:Zw(A, B, C)), wenn (6.1) sowie B /∈ {A, C} gilt.(ii) Für A, B ∈ P (A 6= B) heiÿt(AB) := { P ∈ P | Zw(A, P, B) }die o�ene Stre ke und

AB := (AB) ∪ {A, B }die (abges hlossene) Stre ke zwis hen A und B oder die Verbindungsstre kedieser Punkte. A, B heiÿen die Endpunkte der Stre ke, d(A, B) heiÿt ihre Länge.(iii) Sind A, B vers hiedene Punkte, so heiÿen die MengenAB+ := { P ∈ P | Zw(A, P, B) oder Zw(A, B, P ) oder P = B oder P = A } (6.4)und

AB− := { P ∈ P | Zw(P, A, B) oder P = A } (6.5)(abges hlossene) Halbgeraden oder Strahlen mit dem Anfangspunkt A. Entferntman den Anfangspunkt, erhält man o�ene Halbgeraden.(iv) Eine Menge M ⊂ P heiÿt konvex, falls gilt:P, Q ∈M ⇒ PQ ⊂M .Bem. 1 (i) Wegen II(2) gilt Zw(A, B, C) genau dann, wenn Zw(C, B, A) gilt.(ii) Gilt Zw(A, B, C), so sind die Punkte wegen II(3) kollinear. Auÿerdem sind siepaarweise vers hieden (Na h Def. wäre hö hstens A = C mögli h. Dann liefert aber(6.1) A = B = C.)(iii) Ebenfalls na h II(3) liegt von drei (vers hiedenen) kollinearen Punkten A, B, Cgenau einer zwis hen den beiden anderen. Gilt sowohl (6.1) als au h (6.2), folgt nämli h

d(B, C) = 0, also na h II(1) B = C. Wir notieren no hmals die Zusammenhänge.A, B, C kollinear ⇐⇒

(Zw(A, B, C) oder Zw(A, C, B) oder Zw(B, A, C))

m m m⇐⇒

(Zw(C, B, A) oder Zw(B, C, A) oder Zw(C, A, B))

m m m⇐⇒

((6.1) oder (6.2) oder (6.3))(iv) Wie Beispiel 1 zeigt, muss es keine Punkte geben, wel he die Zwis henbeziehungerfüllen. O�ene Halbgeraden können also leer sein.(v) Es ist klar, dass der Dur hs hnitt konvexer Mengen konvex ist.Satz 2 Es gilt AB+ ∩AB− = {A} und AB+ ∪ AB− = AB.

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104 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen GeometrieBeweis: A ∈ AB+∩AB− ist klar. Für P ∈ AB−\{A} gilt na h Def. 3 (iii) Zw(P, A, B)und daher na h Bem. 1 (iii) P /∈ AB+. AB+ ∪ AB− ⊂ AB ist klar. Gilt umgekehrtQ ∈ AB, so gilt Q ∈ {A, B} oder na h Bem. 1 (iii) eine der Zwis henbeziehungen in(6.4) oder (6.5). �III Anordnungsaxiome(1) Zu jedem Punkt P und jeder reellen Zahl a ≥ 0 gibt es auf jeder Halbge-raden mit dem Anfangspunkt P genau einen Punkt R mit d(P, R) = a.(2) Jede Gerade g zerlegt die Menge P \ g so in zwei ni htleere Mengen(genannt die o�enen Halbebenen mit der Randgeraden g), dass(a) die Verbindungsstre ke zweier Punkte, die ni htin derselben Menge liegen, die Gerade g s hneidet,(b) die Verbindungsstre ke zweier Punkte, die inderselben Menge liegen, die Gerade g ni ht s hneidet.Nimmt man die Randgerade hinzu, so erhält man (abges hlossene)Halbebenen. Wirbezei hnen eine Halbebene H mit der Randgeraden g = AB mit gC+ oder ABC+, wennH den Punkt C /∈ g enthält, und mit gC− oder ABC−, wenn H den Punkt C ni htenthält.Bem. 2 (i) Aus III(1) folgt, dass jede Halbgerade, Gerade und Stre ke unendli hviele Punkte besitzt. Es gibt daher keine endli hen Modelle für die Axiomgruppen I -III.(ii) Das Halbebenenaxiom III(2) ma ht die Geometrie �zweidimensional�. Jede Halb-ebene ist na h III(2) konvex. Ferner ist die im Axiom geforderte Zerlegung eindeutig.(Aus

P = K1 ∪K2 ∪ g (6.6)folgt zunä hst o. E. K1 ⊂ H1. Dann gilt K2 ⊂ H2, woraus si h wegen (6.6) jeweilsGlei hheit ergibt.)(iii) Für ni ht kollineare Punkte P, Q, R gilt PQ+ = PQ ∩ PRQ+. (Klar, da PQ dieGerade PR genau im Punkt P s hneidet.)Axiom III(2) erlaubt eine wi htige Aussage über Dreie kstransversalen, die in ande-ren Axiomensystemen au h als Axiom von Pas h bezei hnet wird. Wir formulierenzunä hst dieDef. 4 Sind A, B, C ni ht kollinear, so heiÿt die Menge AB ∪BC ∪CA das Dreie k∆ABC mit den Seiten AB, BC, CA.Satz 3 (Satz von Pas h) Liegt auf der Geraden g keine E ke des Dreie ks ∆ABC,

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6.2 Das Axiomensystem 105so gilt: S hneidet g die Seite AB, so s hneidet g au h genau eine der Seiten BC, CA.Beweis: Wegen g ∩ (AB) 6= ∅ liegen A und B na h III(2) in vers hiedenen Halbebe-nen mit der Randgeraden g. Daher liegen entweder A, C oder B, C in vers hiedenenHalbebenen mit dieser Randgeraden. �Korollar 1 Keine drei der Punkte A, B, C, R seien kollinear. GiltR ∈ ABC+ ∩ ACB+ ∩BCA+ \ (AB ∪BC ∪ CA)(R im Innern von ∆ABC; siehe Abbildung 6.3), so tri�t AR+ die o�ene Stre ke

(BC).c c c

c

c

A A B

C

R

Abbildung 6.3: Zu Korollar 1Beweis: Wir wählen einen Punkt A ∈ AB mit Zw(A, A, B), also mit A ∈ ACB−,und wenden den Satz von Pas h auf ∆ABC an. Dana h s hneidet AR eine der o�enenStre ken (AC) oder (BC). Wegen AC+, BC+ ⊂ ABC+ und AR ∩ ABC+ = AR+s hneidet au h AR+ eine dieser Stre ken. Aus AR+ ⊂ ACB+ und (AC) ⊂ ACB− \ACfolgt s hlieÿli h die Behauptung. �Bem. 3 (i) Die Forderung R ∈ BCA+ wurde im Beweis ni ht verwendet. Die Aussagegilt daher für alle Punkte R ∈ ABC+ ∩ACB+.(ii) ABC− ∩ ACB− ∩ BCA− = ∅ (Für X ∈ ABC− ∩ ACB− gilt nämli h AX ⊂ABC− ∩ ACB−. Wegen BC ∩ ABC− = BC− und BC ∩ ACB− = CB− gilt fernerBC ∩ ABC− ∩ ACB− = ∅, woraus AX ∩ BC = ∅, also X ∈ BCA+ folgt.)Aus dem Satz von Pas h folgt derSatz 4 Seien A, B, C ni ht kollineare Punkte. Dann gibt es keinen von C vers hiedenenPunkt D ∈ ABC+ mit d(A, C) = d(A, D) und d(B, C) = d(B, D).Beweis: Wir führen einen Widerspru hsbeweis und nehmen an, dass es einen sol henPunkt D gibt. Wegen C 6= D und D ∈ ABC+ gilt na h III(1) D /∈ AC ∪ BC. Fernerkann man o. E. D ∈ ACB+ (∩ ABC+) annehmen. [Sonst vertaus he man C und D:

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106 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen GeometrieFür D ∈ ACB− giltAD+∩(BC) = ∅ und wegen AD− ⊂ ABC− au h AD−∩(BC) = ∅.Damit gilt AD ∩ (BC) = ∅, d. h. C ∈ ADB+. ] Dann tri�t na h Bem. 3 (i) AD+ dieo�ene Stre ke (BC) in einem Punkt X (siehe Abbildung 6.4) und es giltc

c

c c c cc

c

A

B

D2 X D1

C

Abbildung 6.4: Zum Beweis von Satz 4d(C, X) + d(X, B) = d(C, B) = d(D, B) < d(D, X) + d(X, B) ,also

d(C, X) < d(D, X) .Für Zw(A, X, D) (man betra hte D1) erhält man den Widerspru hd(A, X) + d(C, X) > d(A, C) = d(A, D) = d(A, X) + d(D, X) .Für Zw(A, D, X) (man betra hte D2) erhält man den Widerspru h

d(A, C) + d(C, X) > d(A, X) = d(A, D) + d(D, X) = d(A, C) + d(D, X) . �Def. 5 Die Vereinigung von Halbgeraden SP+ und SQ+ heiÿtWinkel ∡PSQ (oder∡QSP , ∡(SP+, SQ+), ∡(SQ+, SP+)) mit den S henkeln SP+, SQ+ und dem S hei-tel S. Für SP+ ∪ SQ+ = SP heiÿt der Winkel gestre kt. Für SP+ = SQ+ heiÿt erNullwinkel. Ist der Winkel ∡PSQ ni ht gestre kt und kein Nullwinkel, so heiÿt derDur hs hnitt der Halbebenen PSQ+ und QSP+ das Innere In∡PSQ dieses Winkels(siehe Abbildung 6.5).Bem. 4 (i) In∡PSQ ist konvex.(ii) In∡PSQ enthält mit jedem Punkt X au h die Halbgerade SX+ (siehe Bem. 2(iii)).Def. 6 Eine surjektive Abbildung b : P → P , die alle Abstände unverändert lässt,heiÿt Bewegung.Da jede Bewegung wegen II(1) eine injektive Abbildung ist, besitzt sie eine Umkehr-abbildung, die na h De�nition wieder eine Bewegung ist. Hieraus folgt der

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6.2 Das Axiomensystem 107c c

c

QS

P

Abbildung 6.5: In∡PSQSatz 5 Die Bewegungen bilden bzgl. der Hintereinanderausführung eine Gruppe.Wir stellen nun einige geometris he Eigens haften der Bewegungen zusammen.Satz 6 Eine Bewegung b besitzt folgende Eigens haften.(i) b erhält die Zwis henbeziehung.(ii) b bildet die Gerade PQ auf die Gerade b(P )b(Q) ab.(iii) b bildet die Stre ke PQ auf die Stre ke b(P )b(Q) ab.(iv) b bildet die Halbgerade PQ± auf die Halbgerade b(P )b(Q)± ab.(v) b bildet die Halbebene PQR± auf die Halbebene b(P )b(Q)b(R)± ab.(vi) b bildet den Winkel ∡PSQ (sowie sein Inneres) auf den Winkel ∡b(P )b(S)b(Q) (unddessen Inneres) ab.Beweis: (i) ist klar, da Bewegungen die Eigens haft (6.1) auf die Bildpunkte übertra-gen.(ii) b(PQ) ⊂ b(P )b(Q) folgt aus (i); �⊃� gilt, da mit b au h b−1 eine Bewegung ist.(iii), (iv) analog.(v) Die Gerade PQ wird na h (ii) auf die Gerade b(P )b(Q) abgebildet. Für X ∈PQR+ s hneidet XR die Gerade PQ ni ht. Wegen der Injektivität von b sowie denEigens haften (ii) und (iii) s hneidet daher b(X)b(R) die Gerade b(P )b(Q) ebenfallsni ht. Also gilt b(PQR+) ⊂ b(P )b(Q)b(R)+. �⊃� folgt wie oben.(vi) folgt aus (iv) und (v). �Die Aussagen (ii) und (iv) zeigen zusammen mit III(1) das folgendeKorollar 2 Eine Gerade mit zwei Fixpunkten ist eine Fixpunktgerade.Damit lässt si h zeigen:Korollar 3 (i) Hat eine Bewegung b drei ni ht kollineare Fixpunkte, so ist b die identis heAbbildung.

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108 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen Geometrie(ii) Stimmen für Bewegungen b1, b2 die Bilder von drei ni ht kollinearen Punkten überein,so gilt b1 = b2.Beweis: (i) Besitzt b die ni ht kollinearen Fixpunkte A, B, C, so sind na h Korollar2 die Geraden AB, AC, BC Fixpunktgeraden. Für P /∈ AB betra hten wir einenbeliebigen (Fix)punkt X ∈ (AB). Na h Satz 3 s hneidet die Gerade PX (mindestens)eine der Stre ken BC oder CA in einem (Fix)punkt Y 6= X. Na h Korollar 2 ist XYFixpunktgerade, P also Fixpunkt.(ii) Man wende (i) auf die Abbildung b−12 ◦ b1 an. �Die Anzahl mögli her Bewegungen bes hränkt derSatz 7 Für Punkte A, B, P, Q mit d(A, B) = d(P, Q) > 0 gibt es hö hstens zweiBewegungen, die A auf P und B auf Q abbilden.Beweis: Sei C /∈ AB. Wir nehmen an, dass es drei vers hiedene Bewegungen bi (i =

1, 2, 3) mit bi(A) = P und bi(B) = Q gibt. Wegen C /∈ AB gilt bi(C) /∈ PQ. Daherkönnen wir o. E. voraussetzen, dass die Punkte b1(C) und b2(C) in derselben vonPQ berandeten o�enen Halbebene liegen. Na h Satz 4 gilt dann b1(C) = b2(C), na hKorollar 3 (ii) also b1 = b2 im Widerspru h zur Annahme. �Wir kennen jetzt zwar zahlrei he Eigens haften von Bewegungen, wissen aber ni ht, obsol he Abbildungen - abgesehen von der identis hen Abbildung - überhaupt existieren.Die Existenz si hert erst das Axiom IV.IV BewegungsaxiomFür d(A, B) = d(P, Q) > 0 gibt es mindestens zwei Bewegungen,die A auf P und B auf Q abbilden.Mit Satz 4 und Satz 7 folgt aus dem Bewegungsaxiom derSatz 8 Für d(A, B) = d(P, Q) > 0 gibt es genau zwei Bewegungen b1, b2, die A auf Pund B auf Q abbilden. Ist H eine Halbebene mit der Randgeraden AB, so gilt b1(H) 6=b2(H).Mit Hilfe des Begri�s der �Fahne� wird in Satz 9 eine Aussage bewiesen, die in vielenAxiomensystemen als Axiom formuliert wird (so genannte freie Bewegli hkeit na hHelmholtz (1866)).Def. 7 Sind P ein Punkt, h = PQ+ eine Halbgerade und H eine Halbebene mit derRandgeraden PQ, so heiÿt das Tripel F = (P, h, H) eine Fahne (siehe Abbildung 6.6).

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6.2 Das Axiomensystem 109s

P h

H

Abbildung 6.6: Fahne F = (P, h, H)Satz 9 (Fahnensatz) Sind F = (P, h, H) und F ′ = (P ′, h′, H ′) Fahnen, so gibt esgenau eine Bewegung b, die F auf F ′ abbildet (für die also b(P ) = P ′, b(h) = h′ undb(H) = H ′ gilt).Beweis: Na h Satz 8 gibt es genau zwei Bewegungen bi (i = 1, 2) mit bi(P ) = P ′ undbi(h) = h′. Wegen b1(H) 6= b2(H) gilt ferner entweder b1(H) = H ′ oder b2(H) = H ′. �Bem. 5 Satz 9 erlaubt die De�nition vers hiedener Typen von Bewegungen, ausdenen man dur h Verkettung alle Bewegungen der euklidis hen Ebene erhält (vgl.Abs hnitt 3.2).(i) Wählt man P = P ′, h = h′ und H 6= H ′, so erhält man eine Geradenspiegelung b(siehe Kor. 2). Wegen b(b(H)) = H gilt b ◦ b = id. Die Geradenspiegelung ist also eineInvolution.(ii) Wählt man P = P ′, h = PQ+, h′ = PQ− sowie H 6= H ′, so liegt eine Punktspie-gelung vor. Au h diese Abbildung ist eine Involution.

c c

c

QP

Rc c

c

Q

P

RAbbildung 6.7: Drehung(iii) Seien P, Q, R ni ht kollinear. Wählt man P = P ′, h = PQ+, h′ = PR+ sowieH = PQR+, H ′ = PRQ−, so erhält man eine Drehung (siehe Abbildung 6.7). (Zwarwurden � ans hauli h gespro hen � dur h die Festlegung des Inneren nur Winkel zwi-s hen 0◦ und 180◦ de�niert. Da aber zwei Drehri htungen mögli h sind, erhält man �wenn man die Punktspiegelung hinzunimmt � alle Drehungen zwis hen 0◦ und 360◦.)(iv) Wählt man P 6= P ′, h′ ⊂ h ⊂ PP ′ und H = H ′, so erhält man eine Trans-lation (siehe Abbildung 6.8). Man kann also eine Translation ohne Verwendung desParallelenaxioms de�nieren. Ihre typis hen Eigens haften, die die Bezei hnung Paral-lelvers hiebung re htfertigen, lassen si h allerdings nur mit dem Parallelenaxiom Vzeigen.

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110 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen Geometries s

P P ′h h′

H = H ′

Abbildung 6.8: TranslationV (euklidis hes) ParallelenaxiomZu jeder Geraden g und jedem ni ht auf g liegenden Punkt Pgibt es hö hstens eine Gerade, die P enthält und zu g parallel ist.Bevor wir uns diesem Axiom zuwenden, beweisen wir weitere Sätze der absoluten Ebe-ne.6.3 Die absolute EbeneNa h 6.2 Def. 1 werden in der absoluten Ebene nur die Axiomgruppen I bis IV voraus-gesetzt. Wir werden nun einige Sätze dieser Geometrie beweisen und weitere Begri�eeinführen. Wi htig ist, dass diese ni ht vom Parallelenaxiom V abhängen. Wir beginnenmit Kongruenzbetra htungen.Def. 1 Zwei Punktmengen M1, M2 heiÿen kongruent (M1∼= M2), wenn es eineBewegung b gibt mit b(M1) = M2.Bem. 1 Die symmetris he Spre hweise ist erlaubt, da mit b au h b−1 eine Bewegungist. ∼= ist eine Äquivalenzrelation in der Potenzmenge von P .Bem. 2 Wir betra hten ein Dreie k ∆ABC. Gilt für eine Bewegung b

b(A) = A′ , b(B) = B′ , b(C) = C ′ ,so werden na h 6.2 Satz 6 (iii) die Seiten von ∆ABC auf die Seiten von ∆A′B′C ′ ab-gebildet. Die beiden Dreie ke sind daher kongruent. Ferner werden na h 6.2 Satz 6 (vi)die Winkel der beiden Dreie ke aufeinander abgebildet. Au h sie sind also kongruent.Wir beweisen im Folgenden einige aus der S hule bekannte Kongruenzsätze und zeigendamit, dass sie zur absoluten Geometrie gehören. Wir beginnen mit einem vorberei-tendem Lemma.Lemma Für jeden Winkel ∡(p, q) gelten die folgenden Aussagen.(i) Es gibt genau eine Bewegung b mit b(p) = q und b(q) = p.

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6.3 Die absolute Ebene 111(ii) Zu jeder Halbgeraden p′ und jeder Halbebene H ′, deren Randgerade p′ enthält, gibt esgenau eine Halbgerade q′ ⊂ H ′ mit∡(p′, q′) ∼= ∡(p, q) . (6.7)Beweis: (i) Es seien p = SP+ und q = SQ+ mit d(S, P ) = d(S, Q). Dann gibt es na h6.2 Satz 9 genau eine Bewegung b mit

b(S) = S , b(P ) = Q , b(SPQ+) = SQP+ .Für R = b(Q) giltd(Q, P ) = d(b(P ), b(Q)) = d(Q, R)und

d(S, P ) = d(b(b(S)), b(b(P ))) = d(S, R) ,woraus wegen R ∈ SQP+ na h 6.2 Satz 4 P = R folgt.(ii) Na h (i) gilt (6.7) genau dann, wenn es eine Bewegung gibt, die p auf p′ und q aufq′ abbildet. Dur h die erste Bedingung und die Festlegung der Halbebene H ′, die q′enthalten soll, ist eine sol he Bewegung na h 6.2 Satz 9 eindeutig bestimmt. �Na h dem Lemma (und 6.2 Satz 9) gibt es genau zwei Bewegungen b1, b2, die zweikongruente Winkel ∡(p, q), ∡(p′, q′) aufeinander abbilden. Sie sind festgelegt dur h

b1(p) = p′ , b1(q) = q′ ; b2(p) = q′ , b2(q) = p′ .Satz 1 (Kongruenzsatz sss) Dreie ke ∆ABC und ∆A′B′C ′ mit AB ∼= A′B′, AC ∼=A′C ′ und BC ∼= B′C ′ sind kongruent.Beweis: Na h dem Fahnensatz gibt es eine Bewegung b mit b(A′) = A, b(B′) = B undb(C ′) = D ∈ ABC+. Na h 6.2 Satz 4 gilt dann D = C. �Satz 2 (Kongruenzsatz sws) Dreie ke ∆ABC und ∆A′B′C ′ mit AB ∼= A′B′, AC ∼=A′C ′ und ∡BAC ∼= ∡B′A′C ′ sind kongruent.Beweis: Wir betra hten die na h dem Fahnensatz eindeutig existierende Bewegung bmit b(A) = A′, b(AB+) = A′B′+ und b(ABC+) = A′B′C ′+. Für diese Abbildung giltferner b(AC+) = A′C ′+ (na h obigem Lemma) sowie b(B) = B′ und b(C) = C ′ (na hIII(1)). Na h Bem. 2 sind daher ∆ABC und ∆A′B′C ′ kongruent. �Satz 3 (Kongruenzsatz wsw) Dreie ke ∆ABC und ∆A′B′C ′ mit AB ∼= A′B′,∡BAC ∼= ∡B′A′C ′ und ∡ABC ∼= ∡A′B′C ′ sind kongruent.Beweis: � A

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112 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen GeometrieSatz 4 Sind in ∆ABC die Seiten AC und BC kongruent, so sind au h die Basiswinkel∡BAC und ∡ABC kongruent.Beweis: Na h dem Lemma gibt es eine Bewegung b mit

b(C) = C , b(CA+) = CB+ , b(CB+) = CA+ .Na h Voraussetzung gilt dann b(A) = B und b(B) = A, woraus ∡BAC ∼= ∡ABCfolgt. �Def. 2 Ein Punkt P der Stre ke AB mit AP ∼= PB heiÿt Mittelpunkt von AB.Satz 5 Jede Stre ke AB besitzt genau einen Mittelpunkt.Beweis: Für P ∈ AB gilt na h 6.2 Def. 3 d(A, P ) + d(P, B) = d(A, B). Also ist PMittelpunkt genau für d(A, P ) = 12d(A, B). Na h III(1) gibt es genau einen Punkt Pmit dieser Eigens haft. �Wir bes häftigen uns nun etwas ausführli her mit Winkeln. Insbesondere werden wirre hte Winkel einführen.Def. 3 Gegeben sei ∡PSQ = ∡(SP+, SQ+).(i) Ist ∡PSQ kein gestre kter Winkel, so heiÿt die Halbgerade SR+ ⊂ In∡PSQ Win-kelhalbierende von ∡PSQ für ∡PSR ∼= ∡RSQ.(ii) ∡(SP+, SQ−) und ∡(SP−, SQ+) heiÿen Nebenwinkel zu ∡(SP+, SQ+).(iii) ∡(SP−, SQ−) heiÿt S heitelwinkel zu ∡(SP+, SQ+).(iv) Für ∡(SP+, SQ+) ∼= ∡(SP−, SQ+) heiÿt ∡(SP+, SQ+) ein re hter Winkel.Die Sätze 1, 2 und 5 liefern denSatz 6 Sei ∡PSQ kein gestre kter Winkel.(i) Gilt d(S, P ) = d(S, Q) und R ∈ PQ, so ist SR+ genau dann Winkelhalbierende, wenn

R Mittelpunkt von PQ ist.(ii) ∡PSQ besitzt genau eine Winkelhalbierende.Satz 7 (i) Die beiden Nebenwinkel eines Winkels sind kongruent.(ii) Nebenwinkel kongruenter Winkel sind kongruent.(iii) Jeder Winkel ist zu seinem S heitelwinkel kongruent.Beweis: �A

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6.3 Die absolute Ebene 113Satz 8 Zu jeder Halbgeraden SP+ gibt es in jeder Halbebene H mit der RandgeradenSP genau einen re hten Winkel ∡(SP+, SQ+).Beweis: Na h dem Fahnensatz gibt es genau eine Bewegung b mit b(S) = S, b(SP+) =SP− und b(H) = H . Wegen b(SP−) = SP+ gilt b ◦ b = id. Wir beweisen zunä hst dreiHilfsbehauptungen.(i) Für Q ∈ H \ SP und b(Q) = Q ist ∡PSQ ein re hter Winkel.Dies folgt aus

∡(SP+, SQ+) ∼= b(∡(SP+, SQ+)) = ∡(SP−, SQ+) .(ii) Es gibt (mindestens) einen re hten Winkel.Für einen Punkt Q ∈ H \ SP sind zwei Fälle mögli h.• Für b(Q) = Q ist ∡PSQ na h (i) ein re hter Winkel.• Für b(Q) = Q′ 6= Q wird wegen

b(QQ′) = Q′b(b(Q)) = Q′Qdie Stre ke QQ′ und damit au h ihr Mittelpunkt T auf si h abgebildet. Na h (i) ist∡PST ein re hter Winkel.(iii) Sind Q ∈ H \ SP und ∡PSQ ein re hter Winkel, so gilt Q′ := b(Q) = Q.Wegen

∡(SP−, SQ+) ∼= ∡(SP+, SQ+) ∼= b(∡(SP+, SQ+)) = ∡(SP−, SQ′+)und Q′ ∈ H folgt aus obigem Lemma SQ+ = SQ′+ und damit Q = Q′.(iv) Na h (ii) gibt es mindestens einen re hten Winkel. Na h (i) und (iii) liefern genaudie Fixpunktgeraden von b dur h S re hte Winkel. b 6= id besitzt na h 6.2 Kor. 3 (i)hö hstens eine Fixpunktgerade, weshalb es au h ni ht mehr als einen re hten Winkelgeben kann. �Def. 4 (i) Ein Winkel ∡(p, q) heiÿt spitz, wenn es einen re hten Winkel ∡(p, r) gibtmit q ⊂ In∡(p, r) und q 6= r.(ii) Ein Winkel, der kein spitzer, re hter oder gestre kter Winkel ist, heiÿt stumpf.Bem. 3 (i) Na h Satz 8 sind re hte Winkel kongruent. Ferner besitzen dana h au hgestre kte Winkel Winkelhalbierende.(ii) Jeder Nebenwinkel eines spitzen Winkels ist ein stumpfer Winkel und umgekehrt.Def. 5 Zwei Geraden k, l heiÿen zueinander senkre ht oder orthogonal (k ⊥ l),wenn es Halbgeraden p ⊂ k und q ⊂ l gibt, die einen re hten Winkel ∡(p, q) bilden (alsoinsbesondere den glei hen Anfangspunkt haben). Für L ∈ l heiÿt l Lot von L auf k

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114 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen Geometrieund der S hnittpunkt F der Geraden k und l dessen Fuÿpunkt. Ist F der Mittelpunktder Stre ke PQ ⊂ k, so heiÿt l Mittelsenkre hte dieser Stre ke.Satz 9 (i) Zu jedem Punkt P und jeder Geraden g gibt es genau ein Lot von P auf g.(ii) Jede Stre ke besitzt genau eine Mittelsenkre hte.Beweis: (i1) Für P ∈ g folgt die Aussage aus Satz 8.A (i2) Sei nun P /∈ g. Wir betra hten die (eindeutige) Bewegung b, die g als Fixpunkt-gerade besitzt und die beiden von g berandeten Halbebenen vertaus ht (siehe 6.2 Satz9). Na h III(2) s hneidet Pb(P ) die Gerade g in einem Punkt F . Für R ∈ g \ {F} giltdann∡(FR+, FP+) ∼= b(∡(FR+, FP+)) = ∡(FR+, F b(P )+) = ∡(FR+, FP−) .Also gibt es mindestens ein Lot von P auf g. Wir nehmen nun an, dass es zwei ver-s hiedene Lote PA, PB (A, B ∈ g) gibt und wählen Q ∈ BP− mit d(Q, B) = d(P, B)(siehe Abbildung 6.9). Na h Satz 2 (sws) gilt dann ∆ABP ∼= ∆ABQ, weshalb ∡BAQ

c c

c

c

A B

Q

P

g

Abbildung 6.9: Lote auf gein re hter Winkel ist. Also sind AQ und AP Lote von g in A im Widerspru h zuBeweisteil (i1).(ii) folgt mit Satz 5 aus (i). �Man bea hte, dass im Beweis au h die Existenz und Eindeutigkeit des Lotfuÿpunktesna hgewiesen wurde.Satz 10 Die Mittelsenkre hte m einer Stre ke AB ist der Ort aller Punkte P mitd(A, P ) = d(B, P ) . (6.8)Beweis: Sei M der Mittelpunkt von AB.(i) Für P ∈ m sind die Dreie ke ∆AMP und ∆BMP na h Satz 2 kongruent. Also gilt(6.8).

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6.4 Winkel im Dreie k 115(ii) Gilt umgekehrt (6.8) für einen Punkt P , so sind ∆AMP und ∆BMP na h Satz 1(sss) kongruent. Also gilt∡(MA+, MP+) ∼= ∡(MB+, MP+) = ∡(MA−, MP+) ,weshalb ein re hter Winkel vorliegt. �6.4 Winkel im Dreie kIm Zentrum dieses Abs hnitts steht die Frage, was man über die InnenwinkelsummeIWS (ABC) im Dreie k ∆ABC sagen kann, ohne das Parallelenaxiom V vorauszuset-zen. Dazu müssen wir den Winkeln, die wir bisher nur als geometris he Figur betra htethaben, eine Gröÿe zuordnen. Wir beginnen mit dem vorbereitenden

c(a) p

q

r c(b) p

q

r

Abbildung 6.10: Winkeladdition und -subtraktionLemma 1 Es seien p, q, r paarweise vers hiedene Halbgeraden mit dem Anfangspunkt Asowie p′, q′, r′ (paarweise vers hiedene) Halbgeraden mit dem Anfangspunkt A′.Aus ∡(p, r) ∼= ∡(p′, r′) und ∡(q, r) ∼= ∡(q′, r′) folgt dann:(i) Für r ⊂ In∡(p, q) (siehe Abbildung 6.10 (a)) und r′ ⊂ In∡(p′, q′) gilt ∡(p, q) ∼=∡(p′, q′).(ii) Für q ⊂ In∡(p, r) (siehe Abbildung 6.10 (b)) und q′ ⊂ In∡(p′, r′) gilt ∡(p, q) ∼=∡(p′, q′).Beweis: Wir beweisen exemplaris h (i). Na h De�nition und 6.3 Lemma gibt es Be-wegungen b1, b2 mit b1(p) = p′, b1(r) = r′ und b2(q) = q′, b2(r) = r′. Zu zeigen istb1 = b2. b2 bildet die q enthaltende Halbebene Hq mit der Randgeraden g ⊃ r auf dieq′ enthaltende Halbebene Hq′ mit der Randgeraden g′ ⊃ r′ ab. Da die entspre hendenHalbebenen Hp, Hp′, für die b1(Hp) = Hp′ gilt, hiervon vers hieden sind (siehe 6.2 Kor.1 und 6.2 Bem. 3 (i)), gilt au h b2(Hp) = Hp′ und damit b1 = b2. �Will man Winkel verglei hen, muss man ihnen eine Gröÿe so zuordnen, dass genaukongruente Winkel dieselbe Gröÿe erhalten. Dann ist ihnen zwar no h kein Maÿ zuge-ordnet, aber Lemma 1 erlaubt eine repräsentantenunabhängige De�nition der Additionund Subtraktion dieser Gröÿen. Dazu seien p, q, r paarweise vers hiedene Halbgeradenmit dem Anfangspunkt A. Ferner sei ∡(p, r) ein Winkel der Gröÿe α und ∡(r, q) einWinkel der Gröÿe β. Für r ⊂ In∡(p, q) (siehe Abbildung 6.10 (a)) heiÿt dann die Gröÿe

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116 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen Geometrieγ des Winkels ∡(p, q) die Summe von α und β (γ = α + β). Entspre hend de�niertman die Di�erenz (α = γ − β, β = γ − α). Ist ∡(p, r) kein Nullwinkel, so heiÿtder Winkel ∡(r, q) kleiner als der Winkel ∡(p, q) (genauer: die Gröÿe β heiÿt kleinerals die Gröÿe γ). Die Relation �<� ist in der Menge der Kongruenzklassen eine strengeOrdnungsrelation (irre�exive Totalordnung). Die kleinste Gröÿe hat ein Nullwinkel, diegröÿte ein gestre kter Winkel.Gedankli h ist es nun nur no h ein kleiner S hritt, jeder Winkelgröÿe eine Maÿzahlzuzuordnen. Nullwinkel erhalten das Maÿ Null, gestre kte Winkel erhalten das Maÿ π(man könnte natürli h au h jede andere von 0 vers hiedene reelle Zahl nehmen). Grö-ÿere Winkel treten in diesem Konzept ni ht auf. Diese Eins hränkung ist jedo h für dieeingangs gestellte Aufgabe unerhebli h. Re hte Winkel haben na h obiger Addition dasMaÿ π

2. Das Maÿ eines beliebigen Winkels ist (aufwendiger) dur h Intervalls ha hte-lung zu bestimmen. Umgangsspra hli h wird au h das Maÿ eines Winkels kurz Winkelgenannt. Dieser Spre hweise werden wir uns bisweilen ans hlieÿen, wobei uns aber derUnters hied zwis hen einem Winkel als geometris her Figur und seinem Maÿ stets be-wusst bleiben muss.Dass die Maÿbestimmung von Stre ken einfa her war, lag daran, dass bei Stre kenAxiom III(1) bereits das Maÿ liefert. In anderen Axiomensystemen ist au h bei derEinführung eines Stre kenmaÿes wie oben bes hrieben vorzugehen.Wir wenden uns nun den Winkeln im Dreie k zu. Dazu benötigen wir neben den (bisherbetra hteten) Innenwinkeln au h die Auÿenwinkel eines Dreie ks.Def. 1 In ∆ABC heiÿen die Winkel ∡(AB+, AC+), ∡(BA+, BC+), ∡(CA+, CB+)die Innenwinkel und ihre Nebenwinkel die Auÿenwinkel des Dreie ks.Satz 1 Jeder Innenwinkel eines Dreie ks ist kleiner als jeder ni ht anliegende Auÿenwinkel.Beweis: Wir zeigen ∡(AB+, AC+) < ∡(BA+, BC−) oder glei hbedeutend damit∃P ∈ In∡(BA+, BC−) \ (AB ∪BC) : ∡(AB+, AC+) ∼= ∡(BA+, BP+) . (6.9)Sei M der Mittelpunkt von AB und P ∈ MC− mit d(C, M) = d(M, P ) (siehe Abbil-dung 6.11).(i) Na h 6.3 Satz 2 (sws) gilt ∆AMC ∼= ∆BMP und damit die Kongruenz in (6.9).(ii) P /∈ AB ∪ BC ist klar.(iii) Wegen M ∈ (CP ) und M ∈ (AB) s hneidet (CP ) die Gerade AB. Also liegen Cund P in vers hiedenen von AB berandeten Halbebenen und es gilt P ∈ BAC−.(iv) Wegen MP ∩BC = {C} und C /∈MP gilt BC ∩MP = ∅.Wegen AM ∩ BC = {B} und B /∈ AM gilt BC ∩ AM = ∅.

A, M, P liegen daher in derselben von BC berandeten Halbebene, d. h. es gilt P ∈BCA+. �Korollar 1 (i) In jedem Dreie k sind mindestens zwei Innenwinkel spitz.

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6.4 Winkel im Dreie k 117c c c

c

c

A B

C

M

PAbbildung 6.11: Zu Satz 1(ii) In jedem Dreie k ist die Summe zweier beliebiger Innenwinkel kleiner als π.Beweis: (i) Gibt es einen spitzen oder re hten Auÿenwinkel, so folgt die Aussage ausSatz 1. Andernfalls ist sie klar.(ii) folgt unmittelbar aus Satz 1. �Satz 2 In einem Dreie k ∆ABC liegt dem gröÿeren Innenwinkel stets die gröÿere Seitegegenüber und umgekehrt.Beweis: Wir zeigend(A, C) > d(B, C) ⇐⇒ ∡(AB+, AC+) < ∡(BA+, BC+) .(⇒) Es gibt ein D ∈ (AC) mit d(C, D) = d(C, B) (siehe Abbildung 6.12). Damit gilt

c c

c

c

A B

C

DAbbildung 6.12: Zu Satz 2∡(BA+, BC+)

Def.> ∡(BD+, BC+)6.3 Satz 4∼= ∡(DB+, DC+)Satz 1 in ∆ABD> ∡(AB+, AC+) .(⇐) Na h Beweisteil (⇒) und 6.3 Satz 4 gilt

d(B, C) ≥ d(A, C)⇒ ∡(BA+, BC+) ≤ ∡(AB+, AC+) .

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118 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen GeometrieDies ist äquivalent zud(B, C) < d(A, C)⇐ ∡(BA+, BC+) > ∡(AB+, AC+) ,was zu zeigen war. �Zusammen mit Kor. 1 (i) folgt aus Satz 2 unmittelbar dasKorollar 2 Sind g eine Gerade, F der Fuÿpunkt des Lotes von P /∈ g auf g und Q 6= Fein beliebiger Punkt von g, so gilt d(P, Q) > d(P, F ).Def. 2 Der Abstand d(P, g) eines Punktes P von einer Geraden g ist de�niert alsder Abstand d(P, F ) von P zum Lotfuÿpunkt F des Lotes von P auf g.Lemma 2 Für jedes Dreie k ∆ = ∆ABC gibt es ein Dreie k ∆′ mit IWS (∆) =IWS (∆′), das einen Innenwinkel besitzt, der hö hstens halb so groÿ ist wie ∡(AB+, AC+).Beweis: Sei M der Mittelpunkt der Stre ke BC und D ∈ MA− mit d(A, M) =

d(M, D) (D existiert na h III(1)). Dann gilt na h 6.3 Satz 2 (sws) ∆ABM ∼= ∆DCM ,also mit den Bezei hnungen von Abbildung 6.13 α2 = δ und β = γ2, worausc c

c

c

c

A B

C D

M

α2

α1

β

γ1γ2 δ

Abbildung 6.13: Zu Lemma 2IWS (ABC) = α1 + α2 + β + γ1 = α1 + δ + γ1 + γ2 = IWS (ADC)folgt. Wegenα1 + δ = α1 + α2 = ∡(AC+, AB+) =: αgilt ferner α1 ≤ α

2oder δ ≤ α

2. �Satz 3 Die Innenwinkelsumme eines Dreie ks beträgt hö hstens π.Beweis: Wir nehmen IWS (∆) = π + ε, ε > 0 an. Ist α ein Innenwinkel von ∆, so gibtes na h Lemma 2 ein Dreie k ∆1 glei her Innenwinkelsumme und einem Innenwinkel

α1 ≤ α2. Dur h Induktion folgt für jedes n ∈ N die Existenz eines Dreie ks ∆n miteinem Innenwinkel αn ≤ α

2n . Wählt man nun n ∈ N so, dass α2n < ε gilt, erhält man fürdie restli hen Innenwinkel βn, γn von ∆n

βn + γn = IWS (∆n)− αn ≥ π + ε− α

2n> π

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6.4 Winkel im Dreie k 119im Widerspru h zu Aussage (ii) von Korollar 1. �Lemma 3 ∆ABC habe bei C einen re hten Winkel. Ferner sei D ∈ BC− mit d(C, B) =d(B, D) (siehe Abbildung 6.14). Dann folgt aus IWS (ABC) = π au h IWS (ADC) = π.

c

c c c

c cA

BC D

E FAbbildung 6.14: Zu Lemma 3Beweis: Wir betra hten die Bewegung b, die A auf B, B auf A und ABC+ auf ABC−abbildet. Mit E := b(C) gilt dann∡(CA+, CB+) ∼= ∡(EB+, EA+) ,

∡(BC+, BA+) ∼= ∡(AE+, AB+) ,

∡(AC+, AB+) ∼= ∡(BA+, BE+) .Somit sind alle Winkel im Viere k AEBC re hte Winkel. Daher gilt na h 6.3 Satz 2(sws)∆ABC ∼= ∆EDBund für F ∈ EA− mit d(A, E) = d(E, F ) au h∆AEB ∼= ∆EFD .Also sind die Viere ke AEBC und EFDB kongruent, so dass alle Winkel im Viere k

AFDC re hte Winkel sind. Na h Satz 3 haben daher die beiden Teildreie ke ∆ADCund ∆AFD die Innenwinkelsumme π. �Lemma 4 Gibt es ein re htwinkliges Dreie k ∆ABC mit IWS (ABC) = π, so hat jedesre htwinklige Dreie k diese Winkelsumme.Beweis: Sei ∆DEF ein beliebiges, bei F re htwinkliges Dreie k. Ist ∆ABC bei Cre htwinklig, so gibt es na h Lemma 3 ein bei C re htwinkliges Dreie k ∆A′B′C mitIWS (A′B′C) = π, d(A′, C) > d(D, F ) und d(B′, C) > d(E, F ) (siehe Abbildung 6.15).Mit D′ ∈ CA′, d(D′, C) = d(D, F ) und E ′ ∈ CB′, d(E ′, C) = d(E, F ) erhält man einzu ∆DEF kongruentes Dreie k ∆D′E ′C und es genügt, IWS (D′E ′C) = π na hzuwei-sen. Wegenπ = IWS (A′B′C) = IWS (A′E ′C) + IWS (A′B′E ′)− π

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120 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen Geometriec c c

c

cA′

B′C

D′

E ′

Abbildung 6.15: Zu Lemma 4gilt IWS (A′E ′C) + IWS (A′B′E ′) = 2π ,also na h Satz 3 IWS (A′E ′C) = IWS (A′B′E ′) = π .Von ∆A′E ′C ausgehend folgt mit dem glei hen ArgumentIWS (A′E ′D′) = IWS (D′E ′C) = π . �Satz 4 Gibt es ein Dreie k ∆ABC mit IWS (ABC) = π, so hat jedes Dreie k dieInnenwinkelsumme π.Beweis: (i) Wir zeigen zunä hst, dass alle re htwinkligen Dreie ke die Innenwinkel-summe π haben. Ist ∆ABC re htwinklig, folgt dies aus Lemma 4. Andernfalls sei derWinkel bei C der gröÿte Innenwinkel. Dann gilt na h Satz 2d(A, B) ≥ d(A, C) und d(A, B) ≥ d(B, C) .Fällt man von C das Lot auf AB (Fuÿpunkt D), so liegt in ∆ADC und ∆DBC na hSatz 3 der gröÿte Winkel bei D. Also gilt na h Satz 2

d(A, C) ≥ d(A, D) > 0 und d(B, C) ≥ d(B, D) > 0 .Die Annahme Zw(D, A, B) liefert den Widerspru hd(D, B) = d(D, A) + d(A, B) ≥ d(D, A) + d(B, C) > d(B, C) .Aus dem glei hen Grund ist Zw(D, B, A) ausges hlossen. Also gilt Zw(A, D, B) (sieheAbbildung 6.16) und damit

IWS(ADC) + IWS(DBC) = IWS (ABC) + π = 2π .Mit Satz 3 folgt hierausIWS(ADC) = IWS(DBC) = π .Au h in diesem Fall folgt also die Behauptung aus Lemma 4.(ii) Ist ∆EFG ein beliebiges Dreie k, so kann es wie in (i) bes hrieben in zwei re ht-winklige Dreie ke zerlegt werden, deren Innenwinkelsumme na h (i) jeweils π beträgt.�

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6.5 Das Parallelenaxiom 121c c c

c

A B

C

DAbbildung 6.16: Zur Innenwinkelsumme im Dreie k6.5 Das ParallelenaxiomKeine der bisher bewiesenen Aussagen setzt das Parallelenaxiom V voraus. Sie gehörenalle zur absoluten Geometrie. Bevor wir uns jetzt dem Parallelenaxiom zuwenden undzahlrei he dazu äquivalente Aussagen beweisen, werden wir im Satz 2 untersu hen, wasman über die Existenz von Parallelen weiÿ, wenn man V ni ht voraussetzt, und unszwei Beweisversu he des Parallelenaxioms ansehen.c c

r p

s q

Abbildung 6.17: StufenwinkelDef. 1 Zwei Winkel heiÿen Stufenwinkel, wenn ein S henkel p des einen WinkelsTeilmenge eines S henkels r des anderen Winkels ist und die beiden übrigen (so ge-nannten freien) S henkel in derselben von der Geraden g ⊃ p, r berandeten Halbebeneliegen (siehe Abbildung 6.17).Satz 1 Sind die Stufenwinkel ∡(SQ+, SR+) und ∡(S ′Q′+, S ′R′+) kongruent, so sind dieTrägergeraden der freien S henkel parallel.Beweis: Es gelte S ′Q′+ ⊂ SQ+.(i) Wir nehmen zunä hst an, dass es einen Punkt X ∈ SR+ ∩ S ′R′+ gibt (siehe Abbil-dung 6.18). Dann sind ∡(SQ+, SR+) ein Innenwinkel und ∡(S ′Q′+, S ′R′+) ein Auÿen-winkel von ∆SS ′X. Na h 6.4 Satz 1 sind diese Winkel im Widerspru h zur Vorausset-zung ni ht kongruent.(ii) Die Annahme, dass es einen Punkt X ∈ SR− ∩ S ′R′− gibt, führt man zum Wider-spru h, indem man die Winkel ∡(SQ−, SR−) und ∡(S ′Q′−, S ′R′−) betra htet, die alsS heitelwinkel zu den Ausgangswinkeln kongruent sind. �Satz 2 Zu jeder Geraden g und jedem ni ht auf g liegenden Punkt P gibt es mindestenseine Gerade h, die P enthält und zu g parallel ist.

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122 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen Geometriec c c c

c

c

c

S

R

X

Q S ′

R′

Q′Abbildung 6.18: StufenwinkelsatzBeweis: Sei f eine beliebige Gerade dur h P . Für f‖g ist der Satz gezeigt. Andern-falls s hneidet f die Gerade g in einem Punkt Q. Man trägt nun an PQ+ einen zu∡(g+, QP−) kongruenten Stufenwinkel an und erhält so na h Satz 1 eine Parallele zug dur h P . �Bem. 1 Die zahlrei hen Versu he, das Parallelenaxiom aus den Axiomgruppen I - IVherzuleiten, sahen oft so aus, dass man eine Aussage A als zu V äquivalent na hwiesund dann A bewies. Wir werden dies an zwei Beispielen vorführen. In Satz 4 werdenwir die Äquivalenz folgender Aussagen zeigen.(a) Es gilt das Parallelenaxiom V.(b) In jedem Dreie k beträgt die Innenwinkelsumme π.( ) Stufenwinkel an ges hnittenen Parallelen sind kongruent.Auf diesen (korrekten) Äquivalenzen beruhen die beiden folgenden Beweisversu he desParallelenaxioms.�Satz� In jedem Dreie k beträgt die Innenwinkelsumme π.�Beweis� (na h Legendre (1752-1833)): Wir nehmen an, dass es ein Dreie k ∆ABC miteiner Winkelsumme π − ε, ε > 0 gibt. Na h dem Kongruenzsatz sss �nden wir einenPunkt D ∈ BCA− so, dass die Dreie ke ∆ABC und ∆DBC kongruent sind (sieheAbbildung 6.19). Dur h D legen wir nun eine Gerade, wel he das Dreie k ∆BDC nurim Punkt D, die Gerade AB in einem Punkt B1 sowie AC in einem Punkt C1 tri�t. Dadie Dreie ke ∆BB1D und ∆CDC1 na h 6.4 Satz 3 hö hstens die Innenwinkelsummeπ haben, gilt

IWS(AB1C1) ≤ 2(π − ε) + π + π − 3π = π − 2ε .Na h n S hritten hat man IWS (ABnCn) ≤ π − 2nε .Damit gibt es ein n0 ∈ N mit IWS (ABn0Cn0

) ≤ 0, was ein Widerspru h ist. �Wo ste kt der Fehler? Die Existenz der Geraden BiCi ist ni ht gesi hert (wir kommendarauf im Abs hnitt 7.3 zurü k).

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6.5 Das Parallelenaxiom 123c

c

c

c

c

cA

B

C

C1

D

B1Abbildung 6.19: Zum �Beweis� von Legendre�Satz� Stufenwinkel an ges hnittenen Parallelen f, g sind kongruent.�Beweis� (na h John Wallis (1616-1703)): Wir zeigenStufenwinkel ni ht kongruent⇒ f und g ni ht parallel.h s hneide die Geraden f, g in den Punkten F, G. Die entstehenden Stufenwinkel seienni ht kongruent (siehe Abbildung 6.20 (a)). Wir setzen ohne Eins hränkung den einenals re hten, den anderen als spitzen Winkel voraus (diese Annahmen sind zulässig!).Ferner seien P ein beliebiger Punkt der Geraden g und Q der Fuÿpunkt des Lotes vonP auf h. Nun unters heiden wir vers hiedene Fälle.(i) Für Zw(G, F, Q) (siehe Abbildung 6.20 (b)) betra hten wir ∆GQP . Da f die SeiteGQ tri�t und zu PQ (wegen der kongruenten (re hten) Stufenwinkel bei F und Q)parallel ist, s hneidet f na h 6.2 Satz 3 die Seite GP .(ii) Für Zw(G, Q, F ) (siehe Abbildung 6.20 ( )) gibt es eine natürli he Zahl n undPunkte P1 ∈ g und Q1 ∈ h so, dass

d(G, Q1) = n · d(G, Q), d(G, P1) = n · d(G, P )gilt und F zwis hen G und Q1 liegt. Ersetzt man P dur h P1 sowie Q dur h Q1, so istwieder die Situation (i) errei ht.(iii) Für Zw(Q, G, F ) (siehe Abbildung 6.20 (d) oder (e)) wählen wir Punkte P2 ∈ GP−und Q2 ∈ GQ− mit d(P2, G) = d(P, G) und d(Q2, G) = d(Q, G). Dann liegt wieder dieSituation (i) oder (ii) vor. �Wo ste kt der Fehler? Es wird unterstellt, dass die Dreie ke ∆GP1Q1 und ∆GPQähnli h sind, weil sie im Verhältnis zweier Seiten und dem Zwis henwinkel überein-stimmen. Die Existenz ähnli her, aber ni ht kongruenter Dreie ke folgt jedo h erst ausdem Parallelenaxiom.

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124 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen Geometrie(a)

c cαG

h

g

f

F

(b)c

c

c cαG

h

g

f

F

P

Q

( )c

c

c

cc cαG Q

P

h

g

f

F

P1

Q1

(d)c

c

c

cc cαG

Q

P

h

g

f

F

P2

Q2

(e)c

c

c

cc cαG

Q

P

h

g

f

FQ2

P2

Abbildung 6.20: Zum �Beweis� von WallisIn weiteren Beweisversu hen des Parallelenaxioms spielen die folgenden Viere ke eineRolle, die wir später no h benötigen.Def. 2 Ein Viere k ABCD, in dem ∡DAB und ∡ABC re hte Winkel sind und indem d(A, D) = d(B, C) gilt, heiÿt Sa heri-Viere k.Satz 3 In einem Sa heri-Viere k gemäÿ Def. 2 gilt (siehe Abbildung 6.21):(i) ∡ADC ∼= ∡BCD.(ii) Kein Winkel ist gröÿer als π2.c c

c

A B

CDc

Abbildung 6.21: Sa heri-Viere kBeweis: (i) Na h 6.3 Satz 2 (sws) gilt ∆ABD ∼= ∆BAC, also d(A, C) = d(B, D) unddamit na h 6.3 Satz 1 (sss) ∆BCD ∼= ∆ADC.

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6.5 Das Parallelenaxiom 125(ii) ist wegen (i) klar na h 6.4 Satz 3. �Bem. 2 Im Sa heri-Viere k von Def. 2 sind also die kongruenten Winkel bei C undD hö hstens π

2groÿ. Sind sie in einem sol hen Viere k glei h π

2, gilt also in einemSa heri-Viere k die Hypothese vom re hten Winkel, so haben na h 6.4 Satz 3 undSatz 4 alle Dreie ke die Innenwinkelsumme π.Satz 4 In der absoluten Ebene sind die folgenden Aussagen äquivalent.(i) Es gilt das Parallelenaxiom V: Zu jeder Geraden g und jedem ni ht auf g liegendenPunkt P gibt es hö hstens eine Gerade, die P enthält und zu g parallel ist.(ii) Zu jeder Geraden g und jedem ni ht auf g liegenden Punkt P gibt es genau eine Gerade,die P enthält und zu g parallel ist.(iii) Stufenwinkel an ges hnittenen Parallelen sind kongruent.(iv) In jedem Dreie k ∆ gilt IWS (∆) = π.(v) Es gibt ein Dreie k ∆ mit IWS (∆) = π.(vi) Abstandslinien sind Geraden.(vii) Es gibt ein Sa heri-Viere k, das die Hypothese vom re hten Winkel erfüllt.(viii) Es gibt zwei Dreie ke mit übereinstimmenden Innenwinkeln, die ni ht kongruent sind.Beweis: (a) Wir zeigen zunä hst die Äquivalenz der Aussagen (i) � (v).(iv) ⇐⇒ (v) klar na h 6.4 Satz 4.(i) ⇒ (ii) klar na h Satz 2.(ii) ⇒ (iii) Gibt es ges hnittene Parallelen mit ni ht kongruenten Stufenwinkeln, soliefert Satz 1 eine zweite Parallele im Widerspru h zur Voraussetzung.(iii) ⇒ (iv) klar na h Abbildung 6.22.

c c

c

Abbildung 6.22: Innenwinkelsumme und Stufenwinkel(iv) ⇒ (i) Seien a eine Gerade, P /∈ a und A0 der Fuÿpunkt des Lotes von P auf a.Ferner sei p das Lot von A0P in P (siehe Abbildung 6.23). Na h Satz 1 gilt dann p ‖ a.Es ist zu zeigen, dass eine beliebige Gerade g 6= p dur h P die Gerade a s hneidet.Dazu wählen wir Q ∈ g so, dass ∡(PA+0 , PQ+) ein spitzer Winkel der Gröÿe

β =π

2− ε, ε > 0

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126 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen Geometriec c c c

c

c

c c

P

A0 A1 A2 An

p

a

Q

α1 α2

Abbildung 6.23: Innenwinkelsumme und Parallelenaxiomist, und Punkte Ai ∈ a ∩ PA0Q+ mit

d(Ai−1, Ai) = d(P, Ai−1) (i = 1, 2, 3, . . .) .Die Dreie ke ∆PAi−1Ai (i = 1, 2, 3, . . .) sind dann glei hs henklig. Für ihre Basiswinkelαi = ∡Ai−1PAi gilt na h 6.3 Satz 4 α1 = π

4und αi = αi−1

2, also

αi =π

2i+1=

π

2

1

2i.Hieraus folgt

∡(PA+0 , PA+

n ) =π

2

n∑

i=1

1

2i=

π

2

2n − 1

2n=

π

2− π

2n+1.Damit gibt es ein n ∈ N mit

∡(PA+0 , PA+

n ) > β ,also mit Q ∈ PA0A+n ∩ PAnA+

0 . Na h 6.2 Bem. 3 (i) s hneidet daher PQ+ die Stre keA0An.(b) (i)�(v)⇒ (vi) Seien d(P, g) = c > 0, h die Parallele zu g dur h P sowie Q ∈ h\{P}beliebig (siehe Abbildung 6.24). Sind K, L die Fuÿpunkte der Lote von P bzw. Q auf

c c c

c c c

c

P Q

K L

R

S

g

h

Abbildung 6.24: Abstandslinieng, so gilt na h Satz 1 PK ‖QL. Daher sind na h (iii) die Dreie ke ∆KLP und ∆QPLkongruent (wsw) und es gilt

c = d(P, K) = d(Q, L) = d(Q, g) .

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6.5 Das Parallelenaxiom 127Gilt umgekehrt d(R, g) = c für einen beliebigen Punkt R ∈ gP+ und ist S der S hnitt-punkt des Lotes von R auf g mit h, so giltd(R, g) = c = d(S, g) ,also R = S ∈ h.(vi) ⇒ (vii) Sei P /∈ g. Wir wählen zwei vers hiedene Punkte Q, R ∈ gP+ \ {P} mit

d(P, g) = d(Q, g) = d(R, g) und Zw(Q, P, R)und fällen die Lote von P, Q, R auf g (Fuÿpunkte A, B, C; siehe Abbildung 6.25). Dannc c c

c c cQ P R

B A C gAbbildung 6.25: Sa heri-Viere kesind APQB und ACRP Sa heri-Viere ke, in denen na h Satz 3 kein Winkel gröÿerals π2ist. Da si h ∡QPA und ∡APR als Nebenwinkel zu π ergänzen, ist also jedervon ihnen ein re hter Winkel. Somit ist na h Satz 3 (i) im Sa heri-Viere k APQB dieHypothese vom re hten Winkel erfüllt.(vii) ⇒ (iv) klar na h Bem. 2.( ) (i)�(v) ⇒ (viii) Zu einem gegebenen Dreie k ∆ABC wählen wir einen Punkt Dmit Zw(A, B, D) und betra hten die Parallele g zu BC dur h D (siehe Abbildung 6.26(a)). Für p = g ∩ ABC+ gilt na h (iii)

c

c

c

c

c

A

BC

D

E p ⊂ g

(a) c

c

c

c

c

A

B C

E ′F ′(b)Abbildung 6.26: Ähnli he Dreie ke

∡(BA+, BC+) ∼= ∡(DA+, p) .

g s hneidet AC in einem Punkt E (andernfalls wären AC und BC Parallelen zu gdur h C). Wiederum liefert (iii)∡ACB ∼= ∡AED .

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128 6 Ein Axiomensystem der euklidis hen Geometrie(viii) ⇒ (v) Seien ∆ABC und ∆DEF ni ht kongruente Dreie ke mit kongruentenInnenwinkeln. Wir wählenE ′ ∈ AB+ mit d(A, E ′) = d(D, E) ,

F ′ ∈ AC+ mit d(A, F ′) = d(D, F )(siehe Abbildung 6.26 (b)). Die Dreie ke ∆AE ′F ′ und ∆DEF sind dann kongruent(sws). Ferner gilt na h Satz 1 E ′F ′ ∩ BC = ∅. E ′F ′CB ist also ein Viere k mit derInnenwinkelsumme 2π. Wegen 6.4 Satz 3 gilt daher IWS (CE′F ′) = IWS (BCE′) = π.�Bem. 3 Na h Satz 4 ist klar, dass Ähnli hkeitsbetra htungen (zentris he Stre kun-gen, Strahlensätze) zur euklidis hen, ni ht aber zur absoluten Geometrie gehören. Wei-tere Ergebnisse dieser Art sind etwa die S hnittaussagen von 1.2 Satz 4 oder die Satz-gruppe des Pythagoras.

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7 Die hyperbolis he EbeneJede (ebene) Geometrie, die auf einem Axiomensystem basiert, das ni ht äquivalentist zu den Axiomen I - V, ist ni hteuklidis h. Es hat nur historis he Gründe, dassman darunter meist eine Geometrie versteht, die si h genau im Parallelenaxiom vonder euklidis hen Geometrie unters heidet. Wir werden dieser historis hen Entwi klungfolgen und zunä hst die so genannte hyperbolis he Geometrie betra hten, die die Axio-me der absoluten Ebene und die Negation des Parallelenaxioms V (wie lautet diese?)verwendet. Später werden wir aber weitere �ni hteuklidis he� Geometrien untersu hen.7.1 De�nitionWir formulieren zunä hst die Negation des Parallelenaxioms V als Axiom V'.V' hyperbolis hes ParallelenaxiomEs gibt eine Gerade g und einen ni ht auf g liegenden Punkt P ,dur h den mindestens zwei Geraden gehen, die g ni ht s hneiden.Def. 1 Eine Inzidenzstruktur (P , G,∈) zusammen mit einer Abbildung d : P ×P →R (siehe 6.2 Def. 1) heiÿt hyperbolis he Ebene oder Lobats hewski-Ebene, wennsie den Axiomgruppen I bis IV sowie dem Axiom V' genügt.Bem. 1 Es ist klar, dass im Unters hied zur euklidis hen Ebene die Parallelität inder hyperbolis hen Ebene keine transitive Relation ist.Wir beweisen nun einige Sätze der hyperbolis hen Ebene, ohne vorerst zu wissen, obes eine sol he überhaupt gibt. Die Widerspru hsfreiheit des Axiomensystems I - IV, V'wird erst das im nä hsten Abs hnitt behandelte Modell zeigen.Lemma In der hyperbolis hen Ebene gibt es zu jeder Geraden g und jedem Punkt P /∈ gmindestens zwei Geraden, die P enthalten und g ni ht s hneiden.Beweis: Gibt es dur h einen Punkt P /∈ g nur eine Parallele zu g, so liefert diese na h6.5 Satz 1 kongruente Stufenwinkel und damit ein Dreie k ∆ mit IWS (∆) = π (sieheAbbildung 6.22). Daraus folgt aber na h 6.5 Satz 4 die Gültigkeit des (euklidis hen)Parallelenaxioms V. �129

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130 7 Die hyperbolis he EbeneSatz 1 In der hyperbolis hen Ebene gibt es zu jeder Geraden g und jedem Punkt P /∈ gunendli h viele Geraden, die P enthalten und g ni ht s hneiden.Beweis: Es gibt na h dem Lemma Geraden h1 6= h2 dur h P , die g ni ht s hneiden,sowie Punkte B1 ∈ h1, B2 ∈ h2 mitg ⊂ PB1B

−2 ∩ PB2B

+1 . (7.1)[ Zunä hst �ndet man zu einem beliebigen B1 ∈ h1 \ {P} ein B2 ∈ h2 \ {P} mit

g ⊂ PB1B−2 . Gilt nun g ⊂ PB2B

−1 , ersetze man B1 dur h den an P gespiegeltenPunkt (siehe Abbildung 7.1) ℄. Wir zeigen, dass jede Gerade PX, X ∈ In∡B1PB2 eineParallele von g ist. Da In∡B1PB2 na h (7.1) ni ht von g getro�en wird, gilt na h 6.2

c

c

c

c

c

c

c

g

h2

h1

P

B2

B1

XY

C2

C1

Abbildung 7.1: Parallelen in der hyperbolis hen EbeneBem. 4 (ii)PX+ ∩ g = ∅ . (7.2)Sind C1, C2, Y die Spiegelpunkte von B1, B2, X an P so gilt na h (7.1)

g ⊂ PC1C+2 ∩ PC2C

−1und damit

PX− ∩ g = PY + ∩ g = ∅ ,was mit (7.2) die Behauptung liefert. �Satz 2 (Kongruenzsatz www) Stimmen zwei Dreie ke der hyperbolis hen Ebene in allenInnenwinkeln überein, so sind sie kongruent.Beweis: Klar na h 6.5 Satz 4. �Satz 3 In jedem Dreie k ∆ der hyperbolis hen Ebene gilt IWS (∆) < π.Beweis: Klar na h 6.4 Satz 3 und 6.5 Satz 4. �

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7.1 Definition 131Korollar In der hyperbolis hen Ebene ist jeder Auÿenwinkel eines Dreie ks gröÿer als dieSumme der ni ht anliegenden Innenwinkel.Bem. 2 Es seien a eine Gerade, A ∈ a der Fuÿpunkt des Lotes von einem Punkt P /∈ aauf a und A1 6= A2 Punkte von a mit d(A, A1) = d(A, A2). Na h dem Kongruenzsatzsws (6.3 Satz 2) gilt dann ∆APA1∼= ∆A2AP und damit

∡APA1∼= ∡APA2 .Mit ai := AA+

i (i = 1, 2) gilt daherγ := lim

d(A, A1)→∞A1 ∈ a1

∡APA1 = limd(A, A2)→∞

A2 ∈ a2

∡APA2 .Man nennt γ den Grenzwinkel in P bezügli h a.Bem. 3 (i) Ist h eine Halbgerade mit Anfangspunkt P , so gilt:∡(PA+, h)

= γ ⇒ h ∩ a = ∅> γ ⇒ h ∩ a = ∅< γ ⇒ h ∩ a 6= ∅

.Hätte nämli h eine Halbgerade h mit ∡(PA+, h) = γ einen Punkt Q ∈ a1 mit agemeinsam, so könnte man einen Punkt R ∈ a1 mit Zw(A, Q, R), also mit ∡APR > γ,wählen. Dies hätte ∡APS > γ für alle S ∈ (QR) zur Folge.(ii) Na h 6.5 Satz 1 gilt γ ≤ π2, woraus mit Satz 1 γ < π

2folgt.(iii) Es gilt genauer (ohne Beweis): d(P, A) = − ln tan γ

2.Def. 2 Seien P /∈ a, γ der Grenzwinkel in P bezügli h a und A der Fuÿpunkt desLotes von P auf a. Für

∡(PA+, PB+) = γheiÿt die Gerade PB eine Grenzparallele in P zu a. Jede Parallele zu a in P , dieni ht grenzparallel ist, heiÿt überparallel.Na h den obigen Überlegungen gibt es in jedem Punkt P /∈ a genau zwei Grenzparallelezu a.Satz 4 Sei g eine Grenzparallele in P zu a. Dann ist für jeden Punkt Q ∈ g die Geradeg au h Grenzparallele in Q zu a.Beweis: Wir gehen von der Situation in Abbildung 7.2 aus und unters heiden zweiFälle.(i) Wir betra hten zunä hst die Lage Q1 und zeigen, dass für

E ∈ In∡(Q1A+1 , Q1P

−) \ {g}

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132 7 Die hyperbolis he Ebene

c c c c c aA2 A S2 A1 S1

c

c

c

Q2 P

γ Q1

g

c

G

cF

cE

Abbildung 7.2: Grenzparallele(siehe 6.2 Def. 5) die Gerade Q1E die Gerade a tri�t. WegenPE+ ⊂ In∡APQ1 , E /∈ ggilt ∡APE < γ, weshalb PE+ na h Bem. 3 (i) die Gerade a in einem Punkt S1 tri�t.Na h dem Satz von Pas h (6.2 Satz 3) tri�t daher Q1E

+ entweder PA oder (AS1).Wegen Q1A1 ‖ PA (siehe 6.5 Satz 1) s hneidet Q1E+ also (AS1).(ii) Nun betra hten wir die Lage Q2 und zeigen, dass für

F ∈ In∡(Q2A+2 , Q2P

+) \ {g}die Gerade Q2F die Gerade a tri�t. Für G ∈ Q2F− \ {Q2} gilt

∡(PA+, PG−) < γ ,weshalb PG die Gerade a in einem Punkt S2 tri�t. Na h 6.2 Kor. 1 s hneidet daherQ2F die o�ene Stre ke (A2S2) (man betra hte ∆A2GS2). �Aus Satz 3 bzw. Bem. 3 (ii) folgen die Aussagen vonSatz 5 (i) In der hyperbolis hen Ebene besitzen parallele Geraden hö hstens ein Gemein-lot.(ii) Besitzen die Geraden a, b ein Gemeinlot, so sind sie überparallel.Es gilt au h die Umkehrung der Aussage (ii) (ohne Beweis). Wir werden darauf imnä hsten Abs hnitt zurü kkommen.

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7.2 Das Poin aré-Modell 1337.2 Das Poin aré-ModellKennt man eine Geometrie (etwa die euklidis he), so kann man Modelle weiterer Geo-metrien innerhalb der bekannten Geometrie entwi keln und so die Widerspru hsfreiheiteiner neuen Geometrie auf die Widerspru hsfreiheit der alten zurü kführen.Zunä hst ist der S hauplatz festzulegen, das heiÿt es ist zu klären, wel he Punkte derbekannten Geometrie au h Punkte der neuen sein sollen. Dann ist die Geradenmengezu de�nieren.tc

u Abbildung 7.3: S hauplatz und Geraden im Poin aré-ModellS hauplatz des von Poin aré 1881 vorgestellten Modells für die hyperbolis he Ebene isteine o�ene Halbebene H (Randgerade u) der euklidis hen Ebene. Die GeradenmengeGH ist die Vereinigung der Mengen

G1 = {k(M) ∩H |M ∈ u} (7.3)undG2 = {AB+ \ {A} | A ∈ u; B ∈ H ; AB ⊥ u} (7.4)(siehe Abbildung 7.3). Die Punkte dieses Modells nennen wir H-Punkte, die GeradenH-Geraden. Aus Si ht der hyperbolis hen Geometrie sind die Geradentypen (7.3) und(7.4) ni ht zu unters heiden. Es vereinfa ht aber die Spre hweise, wenn wir - aus eukli-dis hem Bli kwinkel - eine H-Gerade g ∈ Gi als Hi-Gerade (i = 1, 2) bezei hnen. Die(ni ht zu H gehörenden) Punkte von u nennen wir uneigentli he Punkte. Dadur hwerden jeder H1-Geraden zwei uneigentli he Punkte zugeordnet, jeder H2-Geraden ei-ner. Mit dieser Festlegung folgt unmittelbar dasLemma 1 (H, GH ,∈) erfüllt die Inzidenzaxiome I.Axiom III(1) zeigt, dass alsH-Abstand der euklidis he Abstand ni ht in Frage kommt.Die Überlegungen im Abs hnitt 4.1 legen folgende Abstandsmessung nahe (siehe Ab-bildung 7.4):

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134 7 Die hyperbolis he Ebene

c c c c c

c

c

c

c

U A′ B′ V W

C

D

A

B

Abbildung 7.4: Abstandsmessung im Poin aré-ModelldH(A, B) :=

1

2|ln DV (A′, B′, U, V )| , (7.5)

dH(C, D) :=

∣∣∣∣∣lnd(D, W )

d(C, W )

∣∣∣∣∣ =

∣∣∣∣∣lnd(C, W )

d(D, W )

∣∣∣∣∣ =∣∣∣ ln (− TV (C, D, W ))

∣∣∣ . (7.6)Warum in (7.5) der Faktor 12zu wählen ist, wird der Beweis von Satz 2 zeigen. Na h 4.1Satz 6 (und 4.1 Bem. 2) gelten die Abstandsaxiome II(1) und II(2). Die Gültigkeit desAxioms II(3) folgt für Punkte einer H1-Geraden ebenfalls aus 4.1 Satz 6. Die Re hnungfür H2-Geraden geht analog.Man zeige für drei ni ht kollineare Punkte die Dreie ksunglei hung.A Lemma 2 Mit (7.5) und (7.6) erfüllt (H, GH ,∈) die Abstandsaxiome II.Es ist ans hauli h klar, wie H-Halbgeraden und H-Halbebenen zu de�nieren sind, umdas Anordnungsaxiom III(2) zu erfüllen. Das Axiom III(1) gilt wegen der Eindeutigkeitdes Teilverhältnisses und der Injektivität der ln-Funktion.Lemma 3 Mit (7.5) und (7.6) erfüllt (H, GH ,∈) die Anordnungsaxiome III.Wir wenden uns nun den H-Bewegungen, also den abstandserhaltenden bijektivenAbbildungen b : H → H zu. Zunä hst ist zu überlegen, wie diese Abbildungen aussehen.Satz 1 S hränkt man eine der folgenden Abbildungen der euklidis hen Ebene auf dieHalbebene H ein, so erhält man eine H-Bewegung.(i) Vers hiebungen parallel zur Randgeraden u;(ii) Spiegelungen an Geraden senkre ht zu u;(iii) zentris he Stre kungen mit positivem Stre kungsfaktor und Zentrum auf u.

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7.2 Das Poin aré-Modell 135Beweis: Für jede sol he Abbildung b gilt b(H) = H . Auÿerdem lässt b das Teilverhält-nis und damit den H-Abstand unverändert. �Keine der H-Bewegungen aus Satz 1 bildet eine H1-Gerade auf eine H2-Gerade ab. DieseBewegungen rei hen also ni ht aus, um das Bewegungsaxiom IV zu erfüllen. Na h denErgebnissen von Abs hnitt 3.4 kommen Inversionen an einem Kreis k(M), M ∈ u alsweitere H-Bewegungen in Frage. Denn na h 3.4 Satz 1 bildet eine sol he Inversion ι dieGerade u auf si h ab. Auÿerdem bildet ι wegen der Winkeltreue (3.4 Satz 5) und derMöbiuskreistreue (3.4 Bem. (i)) H-Geraden auf H-Geraden ab.Satz 2 Die Eins hränkung einer Inversion ι an einem Kreis k(M, r), M ∈ u auf H isteine H-Bewegung.Beweis: Für alle A, B ∈ H istdH(A, B) = dH(ι(A), ι(B)) =: dH(A⋆, B⋆)zu zeigen. Es genügt, ungeri htete Abstände zu betra hten.Fall 1: A und B liegen auf einer H2-Geraden mit dem uneigentli hen Punkt W .Fall 1.1: W = MEs gilt

d(A⋆, M)

d(B⋆, M)=

r2

d(A, M):

r2

d(B, M)=

d(B, M)

d(A, M),also

dH(A⋆, B⋆) = dH(B, A) = dH(A, B) .Fall 1.2: W 6= MDie H1-Gerade dur h A⋆, B⋆ besitzt na h 3.4 Satz 3 die uneigentli hen Punkte U = Mund V (siehe Abbildung 7.5). Na h De�nition von ι giltd(A⋆, M) =

r2

d(A, M), (7.7)

d(B⋆, M) =r2

d(B, M), (7.8)

d(V, M) =r2

d(W, M). (7.9)Wegen AB ‖ A⋆A′ ‖ B⋆B′ gilt ferner

d(A⋆, M)

d(A, M)=

d(A′, M)

d(W, M), (7.10)

d(B⋆, M)

d(B, M)=

d(B′, M)

d(W, M). (7.11)

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136 7 Die hyperbolis he Ebene

c c c c c

c

c

c

c

M =U A′ B′ V W

A

BA⋆

B⋆

Abbildung 7.5: Zum Fall 1.2Also giltd(A′, M)

(7.10)=

d(A⋆, M) · d(W, M)

d(A, M)

(7.7)=

r2 d(W, M)

d2(A, M). (7.12)Analog folgt aus (7.8) und (7.11)

d(B′, M) =r2 d(W, M)

d2(B, M). (7.13)Aus (7.9), (7.12) und (7.13) folgt s hlieÿli h

DV (A′, B′, U, V ) =d(A′, M) · d(B′, V )

d(B′, M) · d(A′, V )=

d2(B, M) ·(d(V, M)− d(B′, M)

)

d2(A, M) ·(d(V, M)− d(A′, M)

)

=d2(B, M) ·

(r2

d(W,M)− r2d(W,M)

d2(B,M)

)

d2(A, M) ·(

r2

d(W,M)− r2d(W,M)

d2(A,M)

)

=d2(B, M)− d2(W, M)

d2(A, M)− d2(W, M)=

(d(B, W )

d(A, W )

)2und damitdH(A⋆, B⋆) =

1

2| lnDV (A′, B′, U, V )| = 1

2

∣∣∣∣∣ln(

d(B, W )

d(A, W )

)2∣∣∣∣∣

=

∣∣∣∣lnd(B, W )

d(A, W )

∣∣∣∣ = dH(A, B) .

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7.2 Das Poin aré-Modell 137

c c c c c c c c c c x

y

c

c

c

c

M U(u|0) A′ B′

A(xa|ya) B(xb|yb)

V (v|0)U⋆(u⋆|0)V ⋆(v⋆|0)

A⋆(xa⋆ |ya⋆)

B⋆

ZA⋆′B⋆′ Abbildung 7.6: Zum Fall 2.2Fall 2: A und B liegen auf einer H1-Geraden mit den uneigentli hen Punkten U, V .Fall 2.1: M ∈ {U, V }Wegen ι ◦ ι = id ist hier die Aussage na h Fall 1.2 klar.Fall 2.2: M /∈ {U, V }Wir wählen die Punktbezei hnungen und ein kartesis hes Koordinatensystem wie inAbbildung 7.6 und zeigenDV (A′, B′, U, V ) = DV (A⋆′, B⋆′, U⋆, V ⋆) ,alsoxa − u

xb − u:xa − v

xb − v=

xa⋆ − u⋆

xb⋆ − u⋆:xa⋆ − v⋆

xb⋆ − v⋆. (7.14)Klar ist na h De�nition der Inversion

u⋆ =r2

u, v⋆ =

r2

v. (7.15)Aus (

xa⋆

ya⋆

)= λ

(xa

ya

) und √x2

a + y2a ·

√x2

a⋆ + y2a⋆ = r2folgt ferner

λ =r2

x2a + y2

aund damitxa⋆ =

r2xa

x2a + y2

a

(7.16)

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138 7 Die hyperbolis he Ebenesowie analogxb⋆ =

r2xb

x2b + y2

b

. (7.17)Für jeden Punkt P (x|y) des Kreises k(Z, v−u2

) um den Mittelpunkt Z der Stre ke UVgilt (x− u + v

2

)2

+ y2 =

(v − u

2

)2worausx2 + y2 = (u + v)x− uvfolgt. Wegen A, B ∈ k(Z, v−u

2) lassen si h also (7.16) und (7.17) s hreiben als

xa⋆ =r2xa

(u + v)xa − uv(7.18)

xb⋆ =r2xb

(u + v)xb − uv(7.19)Aus (7.15), (7.18) und (7.19) folgt s hlieÿli h

xa⋆ − u⋆

xb⋆ − u⋆=

xa

(u + v)xa − uv− 1

uxb

(u + v)xb − uv− 1

u

=

uxa − uxa − vxa + uv

u[(u + v)xa − uv]uxb − uxb − vxb + uv

u[(u + v)xb − uv]

=

v(u− xa)

(u + v)xa − uv

v(u− xb)

(u + v)xb − uv

=xa − u

xb − u· (u + v)xb − uv

(u + v)xa − uv.Da der zweite Faktor in u und v symmetris h ist, gilt analog

xa⋆ − v⋆

xb⋆ − v⋆=

xa − v

xb − v· (u + v)xb − uv

(u + v)xa − uvund damit (7.14). �Wir betra hten nun die von den in Satz 1 und Satz 2 genannten H-Bewegungen erzeugteGruppe G. Da die Inversen der in Satz 1 und Satz 2 genannten H-Bewegungen wiedersol he H-Bewegungen sind (siehe 3.4 Satz 1 (i)), lassen si h alle Elemente von G alsVerknüpfung sol her Abbildungen darstellen. Wie im Abs hnitt 3.4 gezeigt, genügendazu sogar die Spiegelungen und Inversionen (H-Spiegelungen an H-Geraden).G ist eine Untergruppe der Gruppe der hyperbolis hen Bewegungen. Für den Na h-weis, dass G mit dieser Gruppe übereinstimmt, haben wir no h zu zeigen, dass G dasBewegungsaxiom IV erfüllt. Na h 6.2 Satz 7 genügt es dafür zu zeigen, dass man in Gzu beliebigen H-Punkten A, B, P, Q mit dH(A, B) = dH(P, Q) > 0 zwei Bewegungengemäÿ dem Bewegungsaxiom IV �ndet. Wir unters heiden vier Fälle.

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7.2 Das Poin aré-Modell 139Fall 1: A, B auf einer H1-Geraden l (uneigentli he Punkte U, V ); P, Q auf einer H2-Geraden g (uneigentli her Punkt W 6= U).Wir behandeln exemplaris h die in Abbildung 7.7 dargestellte Situation. Die Inversion

c c c

c

c

c

c

c

c

U V W

A⋆

B⋆

P

Q

A

B

l g

Abbildung 7.7: H-Bewegungenι1 am Kreis k(U, r) mit

r =√

d(U, V ) · d(U, W )bildet V auf W und damit l auf g ab. Seien A⋆ = ι1(A) und B⋆ = ι1(B). Die zentris heStre kung s mit Zentrum W und Stre kungsfaktor d(W,P )d(W,A⋆)

bildet g auf si h sowie A⋆auf P ab. Ferner giltdH(P, Q) = dH(A, B) = dH(A⋆, B⋆) = dH(P, s(B⋆)) .Für s(B⋆) = Q ist s ◦ ι1 eine der gesu hten Bewegungen. Andernfalls gilt für dieInversion ι2 am Kreis k(W, d(W, P ))

ι2 ◦ s ◦ ι1(B) = Q sowie ι2 ◦ s ◦ ι1(A) = P .In jedem Fall erhält man also eine H-Bewegung, wel he das Gewüns hte leistet. Führtman no h eine Spiegelung an g dur h, erhält man die zweite in Axiom IV geforderteBewegung.Fall 2: A, B auf einer H2-Geraden; P, Q auf einer H1-Geraden.Man kann die Überlegungen von Fall 1 umkehren.Fall 3: A, B auf einer H2-Geraden g; P, Q auf einer H2-Geraden h.Es gibt eine Vers hiebung t mit t(A), t(B) ∈ h. Dann kann man wie in Fall 1 bes hriebenfortfahren.Fall 4: A, B auf einer H1-Geraden k; P, Q auf einer H1-Geraden l.Sind X, Y Punkte einer H2-Geraden g mitdH(A, B) = dH(X, Y ) = dH(P, Q) ,

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140 7 Die hyperbolis he Ebeneso gibt es na h Fall 1 zwei Bewegungen, die (A, B) auf (X, Y ) abbilden. Na h Fall 2gibt es zwei Bewegungen, die (X, Y ) auf (P, Q) abbilden.Lemma 4 Mit (7.5) und (7.6) erfüllt (H, GH ,∈) das Bewegungsaxiom IV.Damit wissen wir, dass G die Bewegungsgruppe des Poin aré-Modells ist.Lemma 5 (H, GH ,∈) erfüllt das Parallelenaxiom V'.Beweis: Man betra hte die Abbildungen 7.3 und 7.8. Die weiteren mögli hen Situa-t t

Abbildung 7.8: Parallele Geraden im Poin aré-Modelltionen erhält man dur h Anwendung geeigneter Inversionen. �Zusammengenommen zeigen die fünf Lemmata dieses Abs hnitts, dass das Poin aré-Modell ein Modell für die hyperbolis he Ebene ist. Alle Abbildungen aus G sind imeuklidis hen Sinn winkeltreu. Daher stimmt im Poin aré-Modell das H-Winkelmaÿ mitdem euklidis hen Winkelmaÿ überein. Man nennt deshalb dieses Modell ein konformesModell der hyperbolis hen Ebene.Das Gemeinlot l einer H1-Geraden k und einer H2-Geraden g erhält man wie in Abbil-dung 7.9 gezeigt. Das Gemeinlot zweier überparalleler H1-Geraden k1, k2 erhält man,

c c

s

g

k

l

uAbbildung 7.9: Gemeinlotindem man eine dur h eine Inversion ι an einem Kreis um einen ihrer uneigentli hen

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7.3 Weitere Modelle 141Punkte auf eine H2-Gerade abbildet, dann das Gemeinlot der Bilder ι(k1), ι(k2) gemäÿAbbildung 7.9 konstruiert und darauf no hmals ι anwendet. Zwei H2-Geraden sindstets grenzparallel.Die Abbildung 7.10 zeigt ein Beispiel für einen vom euklidis hen abwei henden hyperbo-lis hen Sa hverhalt. Da die euklidis he Spiegelung an einer H2-Geraden eine Bewegungder hyperbolis hen Ebene ist und das Poin aré-Modell ein konformes Modell ist, ist∆ABC ein glei hs henkliges Dreie k mit ni ht s hneidenden Mittelsenkre hten.

c c c u

c c c

mc mb ma

A B C

Abbildung 7.10: Mittelsenkre hteBem. Wir werden im nä hsten Abs hnitt weitere Modelle der hyperbolis hen Ebenebetra hten. Alle diese Modelle sind zum Poin aré-Modell isomorph. Wie für die eukli-dis he Ebene gibt es au h für die hyperbolis he Ebene keine ni htisomorphen Modelle(ohne Beweis).Man verwende Abbildung 7.11, um die in 7.1 Bem. 3 (iii) angegebene Formel für den AGrenzwinkel γ in P bzgl. der Geraden a zu beweisen. Die eingezei hneten Winkel γ sindkongruent, da die S henkel paarweise orthogonal sind. Die dargestellte Situation kannohne Eins hränkung vorausgesetzt werden, da sie na h dem Fahnensatz auf jede anderelängen- und winkeltreu abgebildet werden kann. (Z. B. wird aus der H2-Geraden PAeine H1-Gerade, wenn man a festhält und A dur h einen anderen Punkt dieser Geradenersetzt.)7.3 Weitere ModelleWir gehen aus vom Poin aré-Modell.S hauplatz: o�ene Halbebene H des E2 mit Randgerade uGeraden: (o�ene) Halbkreise und Halbgeraden, die u senkre ht tre�en

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142 7 Die hyperbolis he Ebene

c c c c c

c

c

U M

P

A

a

r︸ ︷︷ ︸

R− r

R

γ

γ

Abbildung 7.11: Abstand und GrenzwinkelModell 2Wir betra hten eine Sphäre Σ ⊂ E3 um O und interpretieren den E2 als Ebene π ⊂ E3,die Σ in einem Punkt P ∈ u berührt (siehe Abbildung 7.12). Die Inverse σ−1 derstereographis hen Projektion σ : Σ \ {Z} → π aus dem Gegenpunkt Z von P bildetH auf eine o�ene Halbkugel mit dem Randkreis k = σ−1(u) ab. Man erhält also ohneEins hränkung folgendenS hauplatz: o�ene Nordhalbkugel Σo (Randkreis k: Äquatorkreis in der Ebene x3 = 0)Geraden: Halbkreise senkre ht zu k (also in Ebenen senkre ht zur Äquatorebene; siehe4.2 Satz)Wir untersu hen nun, wie si h der Punktabstand im Poin aré-Modell auf dieses Modellüberträgt. σ−1 bildet eine H1-Gerade h1 auf einen zu k senkre hten o�enen Halbkreisk1 = ε∩Σo ab, der Z ni ht enthält. Wir betra hten nun die Zentralprojektion f : ε→ πmit dem Zentrum Z. Für sie gilt f |k1

= σ|k1, insbesondere f(k1) = h1. Da π und εauf der Äquatorebene senkre ht stehen, bildet f na h 4.1 Satz 4 Lote der Äquator-ebene wieder auf Lote der Äquatorebene ab. Da die Zentralprojektion na h 4.1 Satz5 auÿerdem das Doppelverhältnis erhält, bere hnet si h der Abstand zweier Punkte

A(a1, a2, a3), B(b1, b2, b3) ∈ k1 gemäÿ (7.5) mit den Punkten A′(a1, a2, 0), B′(b1, b2, 0)der Äquatorebene.Eine H2-Gerade h2 wird dur h σ−1 auf einen o�enen Halbkreis k2 ⊂ Σ dur h Z abgebil-det. Betra htet man die von Z und h2 aufgespannte Ebene, so liegt genau die Situationvon Abbildung 7.5 vor (mit Z anstelle von M). Dabei ist zu bea hten, dass es zu jederH1-Geraden g1 und jeder H2-Geraden g2 eine Inversion ι mit ι(g1) = g2 gibt. Also istder Abstand auf k2 genau so wie auf k1 zu bere hnen.Modell 3Die stereographis he Projektion aus dem Südpol in die Äquatorebene bildet die Punktedes Modells 2 auf die Punkte der Äquatorebene ab, die innerhalb von k liegen. Wirerhalten damit ohne Eins hränkung folgenden

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7.3 Weitere Modelle 143

c

Σ

k

Σo

cP Z

H

π

c

u

k1

h2

h1

k2

Abbildung 7.12: S hauplatz und Geraden im Modell 2S hauplatz: Inneres des Einheitskreises kGeraden: Kreisbögen, die k senkre ht tre�en, und (o�ene) Dur hmesser von kModell 4 (Beltrami-Klein-Modell)Dieses Modell wurde 1868 von Beltrami und (mit anderen Methoden) 1871 von Kleinentwi kelt. Wir gehen aus von Modell 2. Die Parallelprojektionp :

Σo → Inneres von k

x1

x2

x3

7→

x1

x2

0

ist bijektiv. p bildet die o�enen Halbkreise des Modells 2 auf o�ene Stre ken (ihrenGrundriss) ab. Also hat man ohne Eins hränkung (siehe Abbildung 7.13) den folgen-denS hauplatz: Inneres des Einheitskreises kGeraden: o�ene Sehnen von k

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144 7 Die hyperbolis he Ebenec

cD

Abbildung 7.13: S hauplatz und Geraden im Beltrami-Klein-ModellDie beim Modell 2 angestellten Überlegungen zeigen, dass si h der Abstand d(A, B)zweier Punkte einer o�enen Sehne (UV ) wie folgt bere hnet:d(A, B) =

1

2| ln DV (A, B, U, V )| .Mit Hilfe des in Abbildung 7.13 eingezei hneten Punktes D ma he man si h klar,A dass die Existenz der im �Beweis� von Legendre verwendeten Geraden B1C1 (sieheAbbildung 6.19) nur gesi hert ist, wenn das euklidis he Parallelenaxiom vorausgesetztwird.

c

c

c

c

cc

g2

g1

l

F2

F1

SM

c

c

k1

k2

sP1

F1

sP2

F2

k

c

c

c

c

SAbbildung 7.14: Gemeinlot im Beltrami-Klein-ModellDie stereographis he Projektion ist winkeltreu. Daher werden die Winkel in den Mo-dellen 2 und 3 wie im Poin aré-Modell euklidis h gemessen. Dies gilt jedo h ni ht für

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7.3 Weitere Modelle 145das Beltrami-Klein-Modell, da die Parallelprojektion p ni ht winkeltreu ist. Modell 4ist also im Unters hied zu den Modellen 1 bis 3 ni ht konform.Im Beltrami-Klein-Modell der hyperbolis hen Ebene erhält man das Gemeinlot l zwei-er überparalleler Geraden g1, g2 besonders einfa h. Die in Abbildung 7.14 angegebeneKonstruktion ergibt si h auf Grund folgender Überlegungen. Die Halbkreise k1, k2, kseien die Urbilder von g1, g2, l im (konformen!) Modell 2. Ferner seien P1, P2 die Ur-bilder der Lotfuÿpunkte F1, F2. Wegen ki ⊥ k (i = 1, 2) ist die Tangente von ki in PiErzeugende des Drehkegels, der Σ längs k berührt (siehe die Argumentation im Beweisvon 4.2 Satz (iv)). Die beiden Tangenten s hneiden si h daher in der Spitze S diesesKegels.Damit ist au h klar, wie das Gemeinlot aussieht, wenn die Trägergeraden von g1 undg2 (euklidis h) parallel sind. A

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8 Projektive EbenenWir diskutieren in diesem Kapitel eine Struktur, die es uns später erlauben wird, dieeuklidis he Ebene und die hyperbolis he Ebene in einem allgemeineren Zusammenhangzu betra hten. Hat man dieses Ziel vor Augen, wird es verwundern, dass die hier for-mulierten Axiome dieser Struktur die Existenz von Parallelen auss hlieÿen. Wie diestrotzdem (oder gerade deshalb) zusammenpasst, werden wir in den Kapiteln 11 und12 sehen.8.1 De�nitionDef. 1 Eine Inzidenzstruktur (P , B, I) heiÿt projektive Ebene P2, wenn sie derAxiomgruppe PI genügt.PI Projektive Inzidenzaxiome(1) Zu zwei vers hiedenen Punkten gibt es genau einen Blo k,der mit ihnen inzidiert.(2) Jeder Blo k inzidiert mit mindestens drei Punkten.(3) Es gibt drei Punkte, die ni ht mit demselben Blo k inzidieren.(4) Je zwei vers hiedene Blö ke inzidieren mit einem Punkt.Bem. 1 Wegen PI(1) und PI(2) ist diese Inzidenzstruktur einfa h (siehe 6.1 Def.3). Man kann daher na h 6.1 Satz zu einer isomorphen Inzidenzstruktur (P , G,∈)übergehen. Für diese erhalten die Axiome PI die folgende - uns vertrautere - Fassung.PI Projektive Inzidenzaxiome(1) Zu zwei vers hiedenen Punkten P, Q gibt es genau eine Gerade g,die beide Punkte enthält (Bezei hnung: g = PQ).(2) Jede Gerade enthält mindestens drei Punkte.(3) Es gibt drei Punkte, die ni ht derselben Geraden angehören.(4) Je zwei vers hiedene Geraden haben einen Punkt gemeinsam.Bem. 2 Dies ist eine sehr allgemeine De�nition der projektiven Ebene. Wir werden147

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148 8 Projektive Ebenenspäter speziellere projektive Ebenen betra hten, aber ni ht dur h Vorgabe weitererAxiome (was au h mögli h wäre: siehe Klingenberg oder Coxeter), sondern dur h Wahleiner speziellen Struktur.Beispiel 1 Das in Abbildung 8.1 gezeigte Inzidenzstruktur ist das Minimalmodelleiner projektiven Ebene. Zunä hst gibt es na h PI(3) ni ht kollineare Punkte P1, P2, P3.

c c c

c

c

c

c

P1

P2 P3

P4 P5

P6

P7Abbildung 8.1: Minimalmodell der projektiven EbeneDie Geraden P1P2 und P1P3 enthalten na h PI(2) mindestens einen weiteren Punkt P4bzw. P5. Die Geraden P2P5 und P3P4 s hneiden si h na h PI(4) in einem Punkt P6.Die Gerade P1P6 enthält (wieder na h PI(2)) einen weiteren Punkt P7, der hier mitdem S hnittpunkt der Geraden P2P3 und P4P5 zusammenfällt.Beispiel 2 Wir betra hten den E3 und einen festen Punkt O ∈ E3. Wählt manals Punkte von P2 die Geraden des E3 dur h O und als Geraden von P2 die Mengeder Ebenen des E3 dur h O, so erhält man eine projektive Ebene. Bezügli h einesKoordinatensystems in E3 haben die Geraden des E3 dur h O und damit die Punktevon P2 die DarstellungP = [~v ] =

v1

v2

v3

, ~v 6= ~o .Die Punktmenge ist damit die Menge der 1-dimensionalen Untervektorräume des demE3 zugrunde liegenden Vektorraums. Entspre hend ist die Geradenmenge die Mengeder 2-dimensionalen Untervektorräume. Diese Bes hreibung erlaubt einfa he Verallge-meinerungen. Wir ma hen vorab die folgendeBem. 3 In der Vorlesung Lineare Algebra wurden Vektorräume über einem KörperK de�niert. Völlig analog kann man au h Vektorräume über einem S hiefkörperde�nieren. Bei einem Körper (K, +, ·) sind sowohl die additive Gruppe (K, +) als au hdie multiplikative Gruppe (K\{0}, ·) abels h. Einen S hiefkörper erhält man, wenn man

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8.1 Definition 149bei der multiplikativen Gruppe auf die Forderung der Kommutativität verzi htet. Derbekannteste S hiefkörper ist der Quaternionen-S hiefkörper H, dessen Elementesi h s hreiben lassen alsx = a + bi + cj + dk ; a, b, c, d ∈ Rmit der Verknüpfungstafel

· 1 i j k

1 1 i j ki i −1 k −jj j −k −1 ik k j −i −1Für r ∈ R und h ∈ H gilt rh = hr. Unter dieser Voraussetzung sind na h einem Satzvon Frobenius (1849-1917) C und H die einzigen endli hen (S hief)körpererweiterungenvon R.Beispiel 3 Ist V = V (K) ein dreidimensionaler Vektorraum über einem (S hief)kör-per K, so ist die Inzidenzstruktur (P , G,⊂) mit

P = { U | U eindimensionaler Untervektorraum (UVR) von V } ,

G = { U | U zweidimensionaler UVR von V }eine projektive Ebene. Für den kleinsten Körper K = {0, 1} (isomorph zu Z2) erhältman eine Inzidenzstruktur, die isomorph ist zum Minimalmodell aus Beispiel 1. ADie Rollen von P und G im Beispiel 3 lassen si h vertaus hen.Beispiel 4 Ist V = V (K) ein dreidimensionaler Vektorraum, so ist die Inzidenz-struktur (P , G,⊃) mitP = { U | U zweidimensionaler UVR von V } ,

G = { U | U eindimensionaler UVR von V }eine projektive Ebene. Man sieht dies lei ht, indem man die Axiome PI überprüft. Man Akann au h folgende Überlegung anstellen. Die Inzidenzstruktur (P ′, G′,⊂) mitP

′ = { U | U eindimensionaler UVR des Dualraums V ⋆ } ,

G′ = { U | U zweidimensionaler UVR des Dualraums V ⋆ }ist eine projektive Ebene (dim V = dim V ⋆ = 3). Die Elemente f ∈ V ⋆ sind Linearfor-men, also lineare Abbildungen von V in den Skalar(s hief)körper K. Wir betra htennun die ZuordnungenM⋆ ⊂ V ⋆ −→ { ~x ∈ V | ∀f ∈M⋆ : f(~x) = 0 } ⊂ V ,

M ⊂ V −→ { f ∈ V ⋆ | ∀~x ∈M : f(~x) = 0 } ⊂ V ⋆ .

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150 8 Projektive EbenenMan erhält dadur h eine bijektive Beziehung zwis hen den Untervektorräumen von Vund V ⋆ mit den folgenden Eigens haften: A[f ] ⊂ V ⋆ eindimensional ←→ Kern f ⊂ V (zweidimensional)

[f, g] ⊂ V ⋆ zweidimensional ←→ { ~x ∈ V | f(~x) = g(~x) = 0 } ⊂ V (eindim.)U⋆ ⊂ W ⋆ ←→ U ⊃ W .Sie ist also eine Isomorphie zwis hen den Inzidenzstrukturen (P ′, G′,⊂) und (P , G,⊃).Die im Beispiel 4 angespro hene Vertaus hung von Punkten und Geraden wird nunetwas genauer untersu ht. Wir beginnen mit derDef. 2 (i) Vertaus ht man im Axiomensystem einer Geometrie G die Begri�e �Punkt�und �Gerade� und kehrt man die Inzidenz um, so erhält man die duale GeometrieGd.(ii) Vertaus ht man in einer Aussage A die Begri�e �Punkt� und �Gerade� und kehrtman die Inzidenz um, so erhält man die duale Aussage Ad.Bem. 4 Folgende Aussagen sind klar.(i) (Gd)d=G, (Ad)d=A.(ii) Gilt A in der Geometrie G, so gilt Ad in Gd.Daher gilt derSatz 1 (Dualitätsprinzip) Ist M eine Menge von Geometrien, die mit jeder GeometrieG au h die duale Geometrie Gd enthält, so gilt:Ist A eine Aussage, die für alle G aus M ri htig ist, so ist au h Ad für alle G aus M ri htig.Bem. 5 Die zu PI dualen Aussagen lauten wie folgt.DI Duale Inzidenzaxiome(1) Zu zwei vers hiedenen Geraden gibt es genau einen Punkt,der auf beiden Geraden liegt.(2) Jeder Punkt liegt auf mindestens drei Geraden.(3) Es gibt drei Geraden, die ni ht dur h denselben Punkt gehen.(4) Zu zwei vers hiedenen Punkten gibt es eine Gerade,die diese Punkte enthält.Satz 2 In einer projektiven Ebene gelten die dualen Inzidenzaxiome.

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8.2 Endli he projektive Ebenen 151Beweis: Zu DI(1): �hö hstens� folgt aus PI(1); �mindestens� folgt aus PI(4).Zu DI(2), DI(3): siehe Beispiel 1 (Minimalmodell).Zu DI(4): folgt aus PI(1). �Hieraus folgt derSatz 3 (Dualitätsprinzip für projektive Ebenen) Ist M eine Menge projektiverEbenen, die mit jeder projektiven Ebene au h die duale Ebene enthält, und gilt eine AussageA für alle projektiven Ebenen aus M , so gilt au h die duale Aussage Ad für alle projektivenEbenen aus M .Insbesondere gilt folgendesKorollar Gilt die Aussage A für alle projektiven Ebenen, so gilt au h die Aussage Ad füralle projektiven Ebenen.8.2 Endli he projektive EbenenSatz 1 In einer endli hen projektiven Ebene enthalten alle Geraden dieselbe Anzahl vonPunkten.Beweis: Seien g1, g2 vers hiedene Geraden mit dem S hnittpunkt S sowie Pi ∈ gi \{S}(i = 1, 2) (siehe Abbildung 8.2). Na h PI(2) gibt es einen Punkt Z ∈ P1P2 \ {P1, P2}.

c

g1

c

c

g2

c

c

c

P1

P2

SZ

X

π(X)Abbildung 8.2: Punkte auf einer projektiven GeradenNa h PI(1) und PI(4) s hneidet jede Gerade XZ, X ∈ g1 \ {S} die Gerade g2 in einemPunkt π(X). Setzt man ferner π(S) := S, erhält man eine Abbildungπ : g1 → g2 ,

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152 8 Projektive Ebenendie injektiv, also (man vertaus he die Rollen von g1 und g2) bijektiv ist. �Def. Ist g eine Gerade einer endli hen projektiven Ebene, so heiÿt q := |g| − 1 (≥ 2)die Ordnung dieser Ebene.Satz 2 Dur h jeden Punkt einer projektiven Ebene der Ordnung q gehen genau q + 1Geraden.Beweis: Seien A ein Punkt und g eine Gerade, die A ni ht enthält (siehe Abbildung8.3). Da jede Gerade dur h A die Gerade g tri�t, gibt es genau q + 1 Geraden dur hA. �

c c c

cA

gAbbildung 8.3: Geraden dur h einen PunktSatz 3 Eine projektive Ebene der Ordnung q enthält genau q2 + q + 1 Punkte.Beweis: Die q + 1 Geraden dur h einen festen Punkt (siehe Satz 2) enthalten(q + 1)q + 1 = q2 + q + 1Punkte. �Satz 4 Eine projektive Ebene der Ordnung q enthält genau q2 + q + 1 Geraden.Beweis: Es gibtAnzahl der Punkte · Anzahl der Geraden dur h einen PunktAnzahl der Punkte auf einer GeradenGeraden. �Bem. 1 Satz 3 liefert unter anderem die folgenden Ergebnisse.Ordnung q 2 3 4 5Anzahl der Punkte 7 13 21 31Bem. 2 Ni ht zu jedem q ≥ 2 gibt es eine projektive Ebene der Ordnung q. So weiÿman seit 1949, dass es keine projektive Ebene einer Ordnung

q = 8n + 6 (n ∈ N ∪ {0})

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8.3 Projektive Ebenen über einem (S hief)körper 153gibt, insbesondere also keine Ebenen der Ordnungen 6, 14, 22. Dur h massiven Com-putereinsatz wurde 1991 gezeigt, dass es keine projektive Ebene der Ordnung 10 gibt.Umgekehrt weiÿ man, dass es für jede Primzahl p und jedes n ∈ N eine projektiveEbene der Ordnung pn gibt.8.3 Projektive Ebenen über einem (S hief)körperWir bes häftigen uns nun etwas genauer mit den in 8.1 Beispiel 3 betra hteten projek-tiven Ebenen.Def. 1 Ist V = V (K) ein dreidimensionaler Vektorraum über einem (S hief)körperK, so heiÿt die Inzidenzstruktur (P , G,⊂) mit

P = { [~x] | ~x ∈ V \ {~o} } ,

G = { U | U zweidimensionaler Untervektorraum von V }eine projektive Ebene P2(V (K)) = P2(K) über dem (S hief)körper K.Na h 8.1 Beispiel 4 ist die zur projektiven Ebene P2(V (K)) duale Geometrie isomorphzur projektiven Ebene P2(V ⋆(K)). Somit folgt aus 8.1 (siehe Beispiel 3 und Satz 3)derSatz 1 (i) Jede projekive Ebene über einem (S hief)körper ist eine projektive Ebene.(ii) Die Menge der projektiven Ebenen über einem (S hief)körper K enthält mit jeder Ebeneau h ihre duale Ebene. Gilt eine Aussage A in jeder Ebene P2(K), so gilt daher au h dieAussage Ad in jeder Ebene P2(K).Def. 2 Eine projektive Ebene heiÿt Desargues-Ebene, wenn in ihr der folgendeSatz des Desargues (1639) gilt (siehe Abbildung 8.4).Seien A1, A2, A3 bzw. B1, B2, B3 ni ht kollineare Punkte mit der Eigens haft, dass si hdie Geraden A1B1, A2B2, A3B3 in einem von Ai, Bi (i = 1, 2, 3) vers hiedenen Punkt Zs hneiden. (Man sagt au h: ∆A1A2A3 und ∆B1B2B3 liegen punktperspektiv.) Dann liegendie PunkteP12 := A1A2 ∩B1B2 ,

P23 := A2A3 ∩B2B3 ,

P31 := A3A1 ∩B3B1auf einer Geraden.Satz 2 Jede projektive Ebene P2(K) ist eine Desargues-Ebene.Beweis: Mit Z = [~z ], Ai = [~ai], Bi = [~bi] (i = 1, 2, 3) gilt~z = αi~ai + βi

~bi , αiβi 6= 0 , (i = 1, 2, 3)

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154 8 Projektive Ebenen

c

c

c

c c

c

c

c

c

c

Z

A1

A2

A3

B1

B2

B3

P12

P23

P31

Abbildung 8.4: Der Satz von Desarguesund damit ohne Eins hränkungP12 = [~p12] mit ~p12 = α1~a1 − α2~a2 = −β1

~b1 + β2~b2 ,

P23 = [~p23] mit ~p23 = α2~a2 − α3~a3 = −β2~b2 + β3

~b3 ,

P31 = [~p31] mit ~p31 = α3~a3 − α1~a1 = −β3~b3 + β1

~b1 .(Da die Vektoren ~a1,~a2,~a3 linear unabhängig sind, ist keiner der Vektoren ~p12, ~p23, ~p31der Nullvektor.) Hieraus folgt~p12 + ~p23 + ~p31 = ~o ,weshalb die Punkte P12, P23, P31 auf einer Geraden liegen. �Bem. 1 Wir betra hten nur projektive Ebenen. Man kann natürli h au h (dreidi-mensionale) projektive Räume betra hten, also Räume, bei denen jede Ebene eineprojektive Ebene ist und si h je zwei Ebenen in einer Geraden s hneiden. In einemsol hen Raum ist die Figur von Desargues ni ht notwendig eben. Für eine ni ht ebeneFigur folgt die Aussage von Desargues unmittelbar: P12, P23, P31 liegen auf der S hnitt-geraden der Ebenen A1A2A3 und B1B2B3. Unter Zuhilfenahme der dritten Dimensionlässt si h dann au h der ebene Fall beweisen, und zwar ni ht nur für projektive Räu-me über einem Körper. Während also in jedem (dreidimensionalen) projektiven Raum

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8.3 Projektive Ebenen über einem (S hief)körper 155der Satz von Desargues gilt, gibt es projektive Ebenen, die keine Desargues-Ebenensind. Na h Satz 2 ist eine sol he Ebene natürli h keine projektive Ebene über einem(S hief)körper.Def. 3 Eine projektive Ebene heiÿt Pappus-Ebene, wenn in ihr der folgende Satzdes Pappus (um 300) gilt (siehe Abbildung 8.5).

c c c cc

c

c

c

c cc

Z

A1

A2

A3

B1 B2 B3

Q12 Q23

Q31

a

bAbbildung 8.5: Der Satz von PappusSind a, b vers hiedene Geraden mit dem S hnittpunkt Z und A1, A2, A3 ∈ a \ {Z},B1, B2, B3 ∈ b \ {Z} paarweise vers hiedene Punkte, so liegen die Punkte

Q12 := A1B2 ∩ B1A2 ,

Q23 := A2B3 ∩ B2A3 ,

Q31 := A3B1 ∩ B3A1 ,auf einer Geraden.Satz 3 Eine projektive Ebene P2(K) ist eine Pappus-Ebene genau dann, wenn K einKörper ist.Beweis: Wir betra hten zunä hst die Punkte Z, A1, A2, B1, B2 und nehmen o. E.Z = [~z ] , A1 = [~v] , A2 = [~z + ~v] , B1 = [~w] , B2 = [~z + ~w]an. Dann gilt

A3 = [~z + α~v ] , B3 = [~z + β ~w] , α, β ∈ K \ {0, 1}

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156 8 Projektive Ebenenund damitQ12 = A1B2 ∩B1A2 = [~v, ~z + ~w] ∩ [~w, ~z + ~v] = [~z + ~v + ~w] ,

Q31 = A3B1 ∩B3A1 = [~z + α~v, ~w] ∩ [~z + β ~w,~v ] = [~z + α~v + β ~w] ,

Q23 = A2B3 ∩B2A3 = [~z + ~v, ~z + β ~w] ∩ [~z + ~w, ~z + α~v]

=[(

α + (α− 1)(β − 1)−1)~z + α~v +

((α− 1)(β − 1)−1β

)~w]

.Die letzte Glei hung ergibt si h wie folgt.λ(~z + ~v) + µ(~z + β ~w) = ν(~z + ~w) + ρ(~z + α~v)

⇒ (λ + µ− ν − ρ)~z + (λ− ρα)~v + (µβ − ν)~w = ~o

⇒ ν = µβ , λ = ρα , λ + µ− ν − ρ = 0

⇒ ρα + µ− µβ − ρ = 0

⇒ ρ(α− 1) = µ(β − 1)

⇒ µ = ρ(α− 1)(β − 1)−1

⇒ λ(~z + ~v) + µ(~z + β ~w) = ρ(α(~z + ~v) + (α− 1)(β − 1)−1(~z + β ~w)

).Es ist nun

Q23 ∈ Q31Q12 ⇐⇒ αβ = βαzu zeigen. Zunä hst giltQ23 ∈ Q31Q12

⇐⇒[(

α + (α− 1)(β − 1)−1)~z + α~v +

((α− 1)(β − 1)−1β

)~w]

⊂ [~z + α~v + β ~w, ~z + ~v + ~w ]

⇐⇒(α + (α− 1)(β − 1)−1

)~z + α~v + (α− 1)(β − 1)−1β ~w

= (λ + µ)~z + (λα + µ)~v + (λβ + µ)~w

⇐⇒

λ + µ = α + (α− 1)(β − 1)−1

λα + µ = α

λβ + µ = (α− 1)(β − 1)−1β

⇐⇒

λ(1− α) = (α− 1)(β − 1)−1

λα + µ = α

λ(β − α) = (α− 1)(β − 1)−1β − α

⇐⇒

λ = (α− 1)(β − 1)−1(1− α)−1

µ = (1− λ)α

(α− 1)(β − 1)−1(1− α)−1(β − α) = (α− 1)(β − 1)−1β − α

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8.3 Projektive Ebenen über einem (S hief)körper 157Das letzte Glei hungssystem ist genau dann lösbar, wenn die dritte Glei hung gilt. Alsokann man wie folgt s hlieÿen.Q23 ∈ Q31Q12

⇐⇒ (α− 1)(β − 1)−1(1− α)−1(β − α) = (α− 1)(β − 1)−1β − α

⇐⇒ (1− α)−1(β − α) = β − (β − 1)(α− 1)−1α

⇐⇒ β − α = β − αβ − (1− α)(β − 1)(α− 1)−1α

⇐⇒ 1 = αβα−1 + (1− α)(β − 1)(α− 1)−1

⇐⇒ α− 1 = αβ − αβα−1 + β − 1− αβ + α

⇐⇒ αβα−1 = β

⇐⇒ αβ = βα . �Bem. 2 (i) Die Sätze 2 und 3 zeigen, dass in einer projektiven Ebene P2(K) aus demSatz von Pappus der Satz von Desargues folgt. Es gilt sogar allgemein: Gilt in einerprojektiven Ebene der Satz von Pappus, so gilt in ihr au h der Satz von Desargues.(ii) Die Aussagen von Desargues und Pappus heiÿen Sätze, weil sie (modern gespro hen)in P2(R) untersu ht wurden, wo sie ja na h Satz 2 und Satz 3 gelten.

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158

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Teil IIIGeometrie als Invariantentheorie

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9 Der reelle projektive Raum9.1 De�nitionenDas Konzept der projektiven Ebene über einem (S hief)körper bietet zwei wi htigeVorteile.� Da es auf Vektorräumen basiert, steht das gesamte Repertoire an Begri�en undSätzen der Vektorraum-Theorie zur Verfügung.� Die Verallgemeinerung auf projektive Räume einer beliebigen Dimension n ist pro-blemlos mögli h.Wir geben dazu folgendeDef. 1 Ist V n+1 = V n+1(K) ein (n + 1)-dimensionaler Vektorraum über einem(S hief)körper K, so heiÿt die MengeP = Pn = Pn(K) = Pn(V n+1(K)) = { [ ~x ] | ~x ∈ V n+1 \ {~o} }ein projektiver Raum über dem (S hief)körper K der Dimension n. Die Mengealler 1-dimensionalen Untervektorräume eines ((k + 1)-dimensionalen) Untervektor-raums U von V n+1 heiÿt ein (k-dimensionaler) projektiver Unterraum S = S(U)von Pn (für k = 0, 1, 2, n − 1 au h Punkt, Gerade, Ebene, Hyperebene). FürX = [ ~x ] ∈ Pn heiÿt der Vektor ~x 6= ~o ein Repräsentant des Punktes X.Bem. 1 (i) Dem Vektorraum V = {~o} wird der projektive Raum P = ∅ zugeordnet,der dadur h die Dimension −1 erhält.(ii) Jeder projektive Unterraum ist wieder ein projektiver Raum.(iii) Mit ~x repräsentiert au h jeder Vektor λ~x, λ 6= 0 den Punkt X = [~x].Bem. 2 Man kann zeigen, dass jeder Desargues-Raum zu einem projektiven Raumüber einem (S hief)körper isomorph ist. Da andererseits jeder projektive Raum einerDimension d ≥ 3 ein Desargues-Raum ist (siehe hierzu die Überlegungen in 8.3 Bem.1), ist jeder projektive Raum einer Dimensionen d ≥ 3 zu einem projektiven Raumüber einem (S hief)körper K isomorph.Dies gilt ni ht für projektive Ebenen, also projektive Räume der Dimension 2. Es gibtsowohl endli he als au h unendli he projektive Ebenen, die keine Desargues-Ebenensind. Hieraus folgt insbesondere, dass es projektive Ebenen glei her Ordnung gibt, dieni ht zueinander isomorph sind.Im Unters hied dazu sind beliebige euklidis he Ebenen isomorph, weswegen wir vonModellen der euklidis hen Ebene gespro hen haben. Dasselbe gilt für die hyperbolis heEbene (verglei he 7.2 Bem.). 161

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162 9 Der reelle projektive RaumDie folgenden De�nitionen und Aussagen sind einfa he Übertragungen von Sa hverhal-ten, die aus der Linearen Algebra bekannt sind. Auf Beweise wird deshalb verzi htet.A Satz und Def. 2 Sind Si = Si(Ui), i ∈ I projektive Unterräume eines projektivenRaums Pn, so gelten die folgenden Aussagen.(i) S :=⋂i∈I

Si ist leer oder ein projektiver Unterraum von Pn, der S hnittraum der Si.(ii) Ist I endli h, so ist der VerbindungsraumR :=

i∈I

Si(Ui) := { X = [~x] | ~x =∑

i∈I

~ai , ~ai ∈ Ui }ein projektiver Unterraum von Pn und es gilt R = R(∑i∈I

Ui).(iii) Der Verbindungsraum R ist der kleinste projektive Unterraum, der alle Si enthält.(iv) Es gilt der Dimensionssatz (vgl. Bem. 1 (i))dim S1 + dim S2 = dim(S1 ∩ S2) + dim(S1 + S2) .Bem. 3 Statt A+B s hreibt man für die Verbindungsgerade der Punkte A, B in derRegel AB.Wir betra hten im Folgenden auss hlieÿli h die reellen projektiven RäumePn = Pn(V n+1(R)) und deren komplexe Erweiterung Pn

= Pn(V n+1(C)).K steht also stets für einen der beiden Körper R oder C.Uns interessieren hauptsä hli h die Fälle n = 0, 1, 2. Da es aber eher weniger als mehrS hreibaufwand erfordert, sei zunä hst n ∈ N ∪ {0} beliebig.9.2 Die komplexe ErweiterungBem. 1 Wir wissen aus der Vorlesung Lineare Algebra, dass si h jeder reelle Vektor-raum V (R) dur h Paarbildung

~z := (~x, ~y) =: ~x + i~y , (~x, ~y ∈ V , i2 = −1)mit der Addition~z + ~z ′ = (~x, ~y) + (~x′, ~y ′) := (~x + ~x′, ~y + ~y ′)und der skalaren Multiplikation

(a + ib)~z = (a + ib)(~x + i~y) := (a~x − b~y, a~y + b~x)

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9.2 Die komplexe Erweiterung 163zu einem komplexen Vektorraum V = V (C) mit dem Nullvektor (~o,~o) erweiternlässt. Wegen (~x,~o) = ~x ist V in V eingebettet, aber (wegen der unters hiedli henSkalarkörper) kein Untervektorraum von V . V heiÿt ein reeller Auss hnitt von V .Wir stellen die wi htigsten Ergebnisse zusammen.(i) In V linear (un)abhängige Vektoren sind dies au h in V .(ii) Jede Basis von V ist au h Basis in V .(iii) Jeder reelle Auss hnitt von V entsteht, indem man eine Basis von V wählt und dieMenge der reellen Linearkombinationen der Basisvektoren bildet. V ist die komplexeErweiterung jedes reellen Auss hnitts.(iv) Vektoren aus V nennt man reell, sol he aus V komplex.(v) Zwei reelle Auss hnitte von V sind (als glei hdimensionale Vektorräume über R)isomorph. (Die zugehörigen Basis- und Koordinatentransformationen enthalten im All-gemeinen komplexe Koe�zienten.) Man kann si h daher auf den reellen Auss hnitt Vbes hränken. Wählt man als Basis von V eine Basis von V , so besitzen genau die reellenVektoren reelle Komponenten.(vi) Ein Untervektorraum U ⊂ V besitzt genau dann eine reelle Basis und genau danneinen (glei hdimensionalen) reellen Untervektorraum U ⊂ V als reellen Auss hnitt,wenn mit ~z = ~x + i~y au h ~z := ~x − i~y zu U gehört.Bem. 2 Analog zu Bem. 1 lässt si h jeder reelle projektive RaumP = P(V (R)) = { [~x] | ~x ∈ V \ {~o}}zu einem komplexen projektiven RaumP = P(V (C)) = { [~x] | ~x ∈ V \ {~o}}erweitern und in diesen dadur h einbetten, dass man die Punkte X ∈ P mit deneindimensionalen Untervektorräumen [~z ] ⊂ V identi�ziert, die einen reellen Vektor~x ∈ V \ {~o} enthalten, also einen Untervektorraum [~x] ⊂ V als reellen Auss hnittbesitzen. Na h Bem. 1 (vi) ist dies genau dann der Fall, wenn [~z ] = [ ~z ] gilt. Ist W einbeliebiger reeller Auss hnitt von V , so heiÿt die PunktmengeR = R(W (R)) = { [~z ] | ~z ∈W \ {~o} }eine reeller Auss hnitt von P. Na h Bem. 1 sind V und W und damit au h P undR isomorph.Bem. 3 Eine komplexe Erweiterung ist in gewissem Sinne au h für die trigonometri-s hen Funktionen mögli h. Die wi htigsten Ergebnisse folgen hier aus der Euler's henFormel (1749)

e±ix = cos x± i sin x (x ∈ C) . (9.1)

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164 9 Der reelle projektive RaumMan erhält unmittelbarcos x =

eix + e−ix

2,

sin x =eix − e−ix

2i.Nun de�niert man den osinus hyperboli us und den sinus hyperboli us dur h

cosh x :=ex + e−x

2,

sinh x :=ex − e−x

2.Hieraus folgt

cosh2 x− sinh2 x = 1 ,

cosh x ≥ 1 ,

cosh(ix) = cos x ,

sinh(ix) = i sin x .Hat man eine trigonometris he Formel, in der nur Ausdrü ke der Form cos x, cos ax,sin x und sin ax vorkommen, so erhält man eine (korrekte) Formel für Hyperbelfunk-tionen, indem man cos dur h cosh und sin dur h i sinh ersetzt.Die trigonometris hen Funktionen lassen si h bekanntli h geometris h mit Hilfe desEinheitskreises x2+y2 = 1 de�nieren. Entspre hend lassen si h die Hyperbelfunktionengeometris h mit Hilfe der Hyperbel x2 − y2 = 1 de�nieren, was ihren Namen erklärt.Man diskutiere die Hyperbelfunktionen.A 9.3 KoordinatensystemDa der projektive Raum Pn über einem Vektorraum V n+1 de�niert ist, bietet es si han, eine Basis {~b0, . . . ,~bn} des V n+1 zu verwenden, um imPn Koordinaten einzuführen.Wir beginnen mit derDef. 1 Punkte des Pn heiÿen linear unabhängig, wenn ihre Repräsentanten linearunabhängig sind. n + 2 Punkte heiÿen in allgemeiner Lage, wenn je n + 1 linearunabhängig sind.Sind die Punkte A0 = [~a0], . . . , An = [~an] linear unabhängig, so gibt es für jeden PunktX = [~x] ∈ Pn eine eindeutige Darstellung

~x =

n∑

i=0

xi~ai .

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9.3 Koordinatensystem 165Allerdings sind die Vektoren ~ai dur h die Punkte Ai nur bis auf einen Faktor λi 6= 0bestimmt. Ersetzt man die Vektoren ~ai dur h ~a⋆i = λi~ai, so erhält man

~x =n∑

i=0

xi~ai =n∑

i=0

xi

λi

~a⋆i =:

n∑

i=0

x⋆i~a

⋆i .Die Faktoren λi ermögli hen es, dem Punkt X fast jedes beliebige Koordinatentupelzuzuweisen. Abhilfe s ha�t die Hinzunahme eines weiteren Punktes.Satz (i) Zu n + 2 Punkten A0, . . . , An, E ∈ Pn in allgemeiner Lage gibt es eine Basis

{~a0, . . . ,~an} des V n+1 mit der Eigens haftAi = [~ai] (i = 0, . . . , n) , (9.2)E = [

n∑

i=0

~ai] . (9.3)(ii) Eine weitere Basis {~a⋆0, . . . ,~a

⋆n} hat dieselbe Eigens haft genau für

~a⋆i = ρ~ai (i = 0, . . . , n; ρ 6= 0) .Beweis: (i) Da die Punkte A0 = [~b0], . . . , An = [~bn] linear unabhängig sind, ist

{~b0, . . . ,~bn} eine Basis des V n+1. Also erhält man für E = [~e ] eine Darstellung~e =

n∑

i=0

ei~bi .Damit leisten die Vektoren ~ai := ei

~bi das Gewüns hte.(ii) (⇐) ist klar.(⇒) Aus

Ai = [~a⋆i ] (i = 0, . . . , n) ,

E = [

n∑

i=0

~a⋆i ]folgt

~a⋆i = ρi~ai (ρi 6= 0) ,

n∑

i=0

~a⋆i = ρ

n∑

i=0

~aiund damit~o =

n∑

i=0

~a⋆i − ρ

n∑

i=0

~ai =

n∑

i=0

(ρi − ρ)~ai ,was ρi = ρ ergibt. �

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166 9 Der reelle projektive RaumDef. 2 n + 2 Punkte A0, . . . , An, E ∈ Pn in allgemeiner Lage bilden ein projekti-ves Koordinatensystem {A0, . . . , An; E} mit den Grundpunkten A0, . . . , An unddem Einheitspunkt E. Gilt (9.2), (9.3) und X = [∑

xi~ai], so heiÿen x0, . . . , xn dieprojektiven Koordinaten von X bezügli h dieses Systems.Hat ein Punkt X bezügli h eines Koordinatensystems die Koordinaten x0, . . . , xn, sos hreibt man dafür X(x0, . . . , xn).Bem. 1 Es ist klar, dass die projektiven Koordinaten homogene Koordinaten, alsonur bis auf einen Homogenitätsfaktor oder Normierungsfaktor λ 6= 0 bestimmtsind.Bem. 2 Man hat zwei Mögli hkeiten, ein projektives Koordinatensystem festzulegen.(i) Man gibt die Darstellungen (9.2) vor und bestimmt dazu den Punkt E gemäÿ (9.3)(siehe Abbildung 9.1 (a)).c cA0 A1

~a0

~a1c

`

` ``

s

s

(a)c c cA0 E A1

c

c

`

`

``

s

s(b)Abbildung 9.1: Projektives Koordinatensystem(ii) Man gibt n + 2 Punkte in allgemeiner Lage vor und bestimmt die Darstellungen(9.2) (dur h Normierung der Repräsentanten) so, dass (9.3) gilt (siehe Abbildung 9.1(b)).Beispiel Wir wählen auf einer Geraden A0A1 ein projektives Koordinatensystem{A0, A1; E} und ordnen jedem Punkt

X = [~x] = [x0~a0 + x1~a1]die homogenen Koordinaten (x0, x1) zu (siehe Abbildung 9.2). Für x0 6= 0, also fürc c c c

A0(1, 0) A1(0, 1) E(1, 1) X(x0, x1)

0 ∞ 1 ξAbbildung 9.2: Homogene und inhomogene KoordinatenX 6= A1 gilt

X = [x0~a0 + x1~a1] = [~a0 +x1

x0~a1] =: [~a0 + ξ~a1] .

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9.3 Koordinatensystem 167Jedem X 6= A1 ist somit bijektiv eine inhomogene Koordinate ξ ∈ K zugeordnet.Dem Grundpunkt A1 ordnet man ∞ zu.Das Beispiel zeigt (in Übereinstimmung mit unseren Überlegungen zur Zentralprojekti-on im Abs hnitt 4.1), dass man dur h Entfernung eines Punktes eine projektive Geradezu einer a�nen ma hen kann und umgekehrt dur h Hinzufügung eines Punktes einea�ne Gerade zu einer projektiven. Wir werden später allgemein den Zusammenhangvon projektiven und a�nen Räumen untersu hen.Bem. 3 Koordinatentransformationen verlaufen so, wie man es aus der LinearenAlgebra kennt. Sind{A0 = [~a0], . . . , An = [~an]; E = [

∑~ai] }und

{B0 = [~b0], . . . , Bn = [~bn]; F = [∑

~bi] }zwei projektive Koordinatensysteme des Pn, so gibt es eine reguläre Transformations-matrix T = (tki) mit~ak =

n∑

i=0

tki~bi .Die zugehörige Koordinatentransformation verläuft kontragredient, das heiÿt für

X = [~x] = [∑

xi~ai] = [∑

yi~bi]gilt

y0...yn

= T T

x0...xn

.Wie die Koordinaten ist au h die Transformationsmatrix homogen, also nur bis aufeinen von Null vers hiedenen Faktor bestimmt. Im Fall n = 1 lautet also die Koordi-natentransformation (y0

y1

)=

(t00 t10t01 t11

) (x0

x1

).Geht man zu inhomogenen Koordinaten über, wird daraus

η =y1

y0=

t01x0 + t11x1

t00x0 + t10x1=

a + bξ

c + dξ, bc− ad 6= 0 . (9.4)Für x0 = 0 gilt

y1 = bx1 ,

y0 = dx1 .Für d 6= 0 ist alsoa + b · ∞c + d · ∞ :=

b

d(9.5)

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168 9 Der reelle projektive Raumzu setzen, für d = 0 entspre henda + b · ∞c + 0 · ∞ :=∞ .Der Fall y0 = 0 ist analog zu behandeln.A 9.4 DoppelverhältnisIm Abs hnitt 4.1 haben wir uns erstmals mit dem Doppelverhältnis DV (X1, . . . , X4)von vier Punkten X1, . . . , X4 einer a�nen Geraden befasst. Für~xi = ~a0 + ξi~a1erhielten wir

DV (X1, . . . , X4) =TV (X1, X2, X3)

TV (X1, X2, X4)=

ξ1 − ξ3

ξ1 − ξ4:ξ2 − ξ3

ξ2 − ξ4. (9.6)Fasst man gemäÿ 9.3 Beispiel ξi als inhomogene Koordinate bzgl. eines projektivenKoordinatensystems {A0, A1; E} auf, so kann man mit

ξi =µi

λizu homogenen Koordinaten[~xi] = [λi~a0 + µi~a1]übergehen. Dadur h wird aus (9.6)

DV (X1, . . . , X4) =λ4(µ1λ3 − µ3λ1)

λ3(µ1λ4 − µ4λ1):λ4(µ2λ3 − µ3λ2)

λ3(µ2λ4 − µ4λ2)=

∣∣∣∣λ1 λ3

µ1 µ3

∣∣∣∣∣∣∣∣

λ1 λ4

µ1 µ4

∣∣∣∣:

∣∣∣∣λ2 λ3

µ2 µ3

∣∣∣∣∣∣∣∣

λ2 λ4

µ2 µ4

∣∣∣∣.(9.7)Umgekehrt erhält man (9.6) aus (9.7). Allerdings ist dafür

A1 /∈ {X1, . . . , X4}zu fordern. In (9.7) sind beliebige (paarweise vers hiedene) Punkte zulässig. Ist etwaX2 = A1, also λ2 = 0, so folgt aus (9.7)

DV (X1, . . . , X4) =µ1λ3 − µ3λ1

µ1λ4 − µ4λ1

:λ3

λ4

=µ1 − ξ3λ1

µ1 − ξ4λ1

=ξ1 − ξ3

ξ1 − ξ4

. (9.8)Dies folgt au h aus (9.6), wenn man dort∞+ c1

∞+ c2=

1

1

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9.4 Doppelverhältnis 169vereinbart. Ist speziell ξ die inhomogene Koordinate von X3 bezügli h des Koordina-tensystems {X1, X2; X4}, so folgt aus (9.8)DV (X1, . . . , X4) = ξ . (9.9)Die inhomogene Koordinate lässt si h also als Doppelverhältnis deuten. In diesem Zu-sammenhang ist der folgende Satz wi htig.Satz Das Doppelverhältnis (9.7) ist unabhängig von der Wahl des Koordinatensystems

{A0, A1; E}.Beweis: Hat X bzgl. {A0, A1; E} bzw. {A′0, A

′1; E

′} die inhomogene Koordinate ξ bzw.ξ′, so gilt na h (9.4)

ξ′ =a + bξ

c + dξ, ∆ := bc− ad 6= 0 .Wir setzen nun Ni := c + dξi (i = 1, . . . , 4).Fall 1: ξi, ξ

′i 6=∞ (i = 1, . . . , 4)Aus

ξ′i − ξ′k =a + bξi

Ni

− a + bξk

Nk

=(a + bξi)(c + dξk)− (a + bξk)(c + dξi)

NiNk

=adξk + bcξi − adξi − bcξk

NiNk

=∆(ξi − ξk)

NiNkfolgtDV (X ′

1, . . . , X′4) =

ξ′1 − ξ′3ξ′1 − ξ′4

:ξ′2 − ξ′3ξ′2 − ξ′4

=1

N1N3

(ξ1 − ξ3)1

N1N4(ξ1 − ξ4)

:1

N2N3

(ξ2 − ξ3)1

N2N4(ξ2 − ξ4)

= DV (X1, . . . , X4) .Fall 2: ξ1 =∞Na h (9.5) gilt ξ′1 = bdund damitξ′1 − ξ′k =

b

d− a + bξk

Nk

=bc− ad

dNk

=∆

dNk

,alsoDV (X ′

1, . . . , X′4) =

1N3

1N4

:1

N2N3(ξ2 − ξ3)

1N2N4

(ξ2 − ξ4)= 1 :

ξ2 − ξ3

ξ2 − ξ4

= DV (X1, . . . , X4) .Fall 3: ξ′1 =∞Analog zu Fall 2 zu behandeln. � A

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170 9 Der reelle projektive RaumMan kann also das Koordinatensystem o. E. so wählen, dass der Grundpunkt A1 mitkeinem der Punkte X1, . . . , X4 zusammenfällt, und zur a�nen Darstellung (9.6) über-gehen. Daher gelten alle Re henregeln für das Doppelverhältnis, die im Abs hnitt 4.1hergeleitet wurden, au h im projektiven Raum Pn sowie in der komplexen Erweite-rung Pn (die De�nition (1.1) des Teilverhältnisses ist ja in a�nen Räumen über einembeliebigen Skalarkörper mögli h).9.5 ProjektivitätenDa dem projektiven Raum über einem Körper die Struktur eines Vektorraums zugrundeliegt, ist es sinnvoll, strukturerhaltende Abbildungen von projektiven Räumen mit Hilfevon linearen Abbildungen einzuführen. Wir bes hränken uns dabei auf den einfa hstenFall.Def. 1 Es sei Pn ein projektiver Raum mit dem zugehörigen Vektorraum V = V n+1.Istf : V → Vein Automorphismus, so heiÿt die Abbildung

π :

{ Pn → Pn

X = [~x] 7→ π(X) = [f(~x)](die von f induzierte) Projektivität.Für λ 6= 0 gilt[f(λ~x)] = [λf(~x)] = [f(~x)] .Daher ist π wohlde�niert. Weiter sieht man, dass f und λf dieselbe Projektivität indu-zieren. Die Automorphismen bilden bekanntli h bezügli h der Hintereinanderausfüh-rung eine (n+1)2-parametrige Gruppe (man betra hte die Abbildungsmatrix bezügli heiner Basis). Wegen

(n + 1)2 − 1 = n(n + 2)gilt also folgende Aussage.Satz 1 und Def. 2 Die Projektivitäten des Pn bilden bezügli h der Hintereinander-ausführung eine Gruppe, die n(n + 2)-parametrige projektive Gruppe PGL(Pn).Sind {~a0, . . . ,~an} und {~b0, . . . ,~bn} Basen von V , so gibt es genau einen Automorphis-mus f mitf(~ai) = ~bi (i = 0, . . . , n) .Für f gilt weiter

f(

n∑

i=0

λi~ai) =

n∑

i=0

λif(~ai) =

n∑

i=0

λi~bi ,

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9.6 Vom projektiven zum affinen Raum 171speziellf(

n∑

i=0

~ai) =n∑

i=0

f(~ai) =n∑

i=0

~bi .Hieraus folgt derSatz 2 Sind {A0, . . . , An; E} und {B0, . . . , Bn; F} zwei Koordinatensysteme des Pn, sogibt es genau eine Projektivität π mit π(Ai) = Bi (i = 0, . . . , n) und π(E) = F . JederPunkt X hat bzgl. {A0, . . . , An; E} dieselbe Koordinatendarstellung wie der Bildpunktπ(X) bzgl. {B0, . . . , Bn; F}.Zwei weitere wi htige Eigens haften der Projektivitäten enthält derSatz 3 (i) Jede Projektivität π ist unterraumtreu, d. h. sie bildet Unterräume auf Unter-räume glei her Dimension ab. Insbesondere ist eine Projektivität geradentreu.(ii) Jede Projektivität π ist doppelverhältnistreu.Beweis: (i) folgt aus der entspre henden Eigens haft der Automorphismen.(ii) Seien X1, . . . , X4 Punkte einer Geraden G. Wir betra hten die Projektivität π|G so-wie die projektiven Koordinatensysteme {X1, X2; X4} auf G und {π(X1), π(X2); π(X4)}auf π(G) (siehe Satz 2). Ist ξ bzw. η die inhomogene Koordinate von X3 bzw. π(X3),so gilt ξ = η (siehe Satz 2) und damit

DV (X1, . . . , X4) = ξ = η = DV (π(X1), . . . , π(X4))(siehe (9.9)). �Bem. 1 Den etwas vage eingeführten Begri� �n(n + 2)-parametrig� (es könnten jazwis hen den Matrixelementen verborgene Abhängigkeiten bestehen) kann man präzi-sieren, wenn man weiÿ, dass PGL(Pn(R)) eine n(n + 2)-dimensionale Lie-Gruppe istund die Dimension invariant ist gegenüber topologis hen Abbildungen. Sol he Betra h-tungen sprengen allerdings den Rahmen dieser Vorlesung.Bem. 2 Eine Projektivität des P3 bildet wie gesehen Ebenen bijektiv, geradentreuund doppelverhältnistreu aufeinander ab, was den Namen dieser Abbildung erklärt(siehe Abs hnitt 4.1).9.6 Vom projektiven zum a�nen RaumIm Abs hnitt 9.3 haben wir gesehen, dass man eine projektive Gerade dur h die Ent-fernung eines Punktes zu einer a�nen Geraden ma hen kann. Wir werden in diesemAbs hnitt sehen, dass man analog eine projektive Ebene zu einer a�nen Ebene ma henkann, indem man eine (projektive) Gerade entfernt. Wir untersu hen den Zusammen-hang allgemein und gehen aus vom projektiven Raum Pn(V n+1(K)). Der Kern einer

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172 9 Der reelle projektive Raumlinearen Abbildungf : V n+1 → K(Linearform), die ni ht die Nullabbildung ist, ist na h dem Dimensionssatz für lineareAbbildungen ein n-dimensionaler Untervektorraum U . Also ist

H = H(U) = { X = [~x] ∈ Pn | f(~x) = 0 }eine Hyperebene in Pn. Uns interessiert im Folgenden die Menge A := Pn \ H . Fürjeden Punkt X = [~x] ∈ A giltf(~x) 6= 0 .Daher kann man den Repräsentanten ~x dur h

~x0 :=1

f(~x)~xersetzen. Dadur h wird jedem Punkt X ∈ A ein Repräsentant ~x0 zugeordnet, der dur hdie Forderung

f(~x0) = 1eindeutig festgelegt ist. Für Punkte X = [~x0], Y = [~y0] ∈ A mit entspre hend normier-ten Repräsentanten gilt dannf(~y0 − ~x0) = f(~y0)− f(~x0) = 1− 1 = 0 .Daher ist die Abbildung

ω :

{A× A → U(X, Y ) 7→ ~y0 − ~x0wohlde�niert. ω besitzt die beiden folgenden Eigens haften.A (i) Für alle Punkte X ∈ A und alle Vektoren ~u ∈ U gibt es genau einen Punkt Y ∈ Amit ω(X, Y ) = ~u.(ii) Für alle Punkte X, Y, Z ∈ A gilt

ω(X, Y ) + ω(Y, Z) = ω(X, Z) .Also ist A = (A, U, ω) ein n-dimensionaler a�ner Raum über dem Körper K. H heiÿtdie Fernhyperebene von A. Die Punkte von H heiÿen die Fernpunkte von A.Wir wählen nun in Pn ein festes projektives Koordinatensystem {A0 = [~a0], . . . , An =[~an]; E = [

∑n

i=0 ~ai]} und gehen zu Koordinatendarstellungen X(x0, . . . , xn) über. Dannlässt si h die lineare Abbildung f dur h ihre Abbildungsmatrix(m0 . . . mn)bzgl. der Basis {~a0, . . . ,~an} bes hreiben, der Untervektorraum U und die Hyperebene

H also dur h die Glei hung(m0 · · · mn)

x0...xn

= m0x0 + . . . + mnxn = 0 .

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9.6 Vom projektiven zum affinen Raum 173Beispiel 1 Wir wählen in Pn bezügli h des projektiven Koordinatensystems {A0 =[~a0], . . . , An = [~an]; E = [

∑ni=0~ai] } die Linearform

f :

V n+1 → K

x0...xn

7→ (1 0 . . . 0)

x0...xn

= x0,also die Hyperebene H : x0 = 0 als Fernhyperebene (A0 /∈ H ; A1, . . . , An ∈ H). Füreinen Punkt X ∈ A := Pn \H gilt dann

X = [~x] =

[n∑

i=0

xi~ai

]=

[n∑

i=0

xi

x0~ai

]=:

[~a0 +

n∑

i=1

ξi~ai

].Dur h die Normierung

x0

x1...xn

1x1

x0...xn

x0

=:

1ξ1...ξn

erhält man also aus den homogenen projektiven Koordinaten (x0, x1, . . . , xn) die (in-homogenen) a�nen Koordinaten (ξ1, . . . , ξn) bezügli h des a�nen Koordinatensystems{A0 ; ~a1, . . . ,~an }.Beispiel 2 Wie bereits in 9.3 Beispiel gezeigt, wird eine a�ne Gerade dur h Hinzu-nahme eines Punktes U mit der a�nen Koordinate∞ zur projektiven Geraden. Dabeiwerden die a�nen Koordinaten zu inhomogenen projektiven Koordinaten. Na h denErgebnissen von Abs hnitt 9.4 gilt dann A

−TV (A, B, W ) = DV (A, B, W, U) .Ersetzt man also im Poin aré-Modell der hyperbolis hen Ebene (siehe Abs hnitt 7.2)die euklidis he Ebene dur h die reelle projektive Ebene P2(R), kann man die Ab-standsde�nition (7.5) ni ht nur für H1-Geraden, sondern (ohne den Faktor 12) au h für

H2-Geraden verwenden.

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174

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10 Quadriken10.1 De�nition und Klassi�kationDie De�nition einer Quadrik ist im projektiven Raum einfa her als im a�nen Raum.Def. 1 Seien Pn(V n+1(R)) ein projektiver Raum undF : V n+1 × V n+1 → Reine ni ht triviale, symmetris he Bilinearform. Dann heiÿt die Menge

Qn−1 = { X = [~x] ∈ Pn | F (~x, ~x) = 0 }eine Quadrik in Pn, für n = 2 au h Kegels hnitt.Da F bilinear ist, ist die Punktmenge Qn−1 wohlde�niert.Bem. 1 Die quadratis he FormG :

{V n+1 → R

~x 7→ G(~x) := F (~x, ~x)bestimmt die (symmetris he!) Bilinearform F wegenF (~x, ~y) =

1

2

(G(~x + ~y)−G(~x)−G(~y)

)eindeutig.Bem. 2 Alle Bilinearformen F ′ = λF , λ 6= 0, bestimmen dieselbe Quadrik.Wählt man in Pn ein projektives Koordinatensystem, so ist dadur h (bis auf einengemeinsamen Faktor λ 6= 0, was aber na h Bem. 2 bedeutungslos ist) eine Basis{~b0, . . . ,~bn} in V n+1 festgelegt. Bezügli h dieser Basis gilt

F (~x, ~x) = F (n∑

i=0

xi~bi,

n∑

j=0

xj~bj) =

n∑

i,j=0

xixjF (~bi,~bj) =:n∑

i,j=0

aijxixj .Bezügli h dieser Basis erhält also die Glei hung F (~x, ~x) = 0 die Gestaltn∑

i,j=0

aijxixj =: ~xT A~x = 0 , A = AT . (10.1)175

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176 10 QuadrikenWählt man die Hyperebene H : x0 = 0 und im a�nen Raum An = Pn \ H dieinhomogenen Koordinatenξi =

xi

x0(i = 0, . . . , n) ,so kann man in (10.1) die xk dur h ξkx0 ersetzen und mit x−2

0 dur hmultiplizieren.Dadur h erhält man die a�ne Darstellungn∑

i,j=1

aijξiξj + 2n∑

i=1

a0iξi + a00 = 0 .Bem. 3 Erfüllen die Koordinaten xj = aj +ibj eines Punktes X = [~x] = [~a+i~b ] ∈ Pndie Quadrikglei hung (10.1), so gilt0 = (~a + i~b)T A(~a + i~b) = ~aT A~a −~b T A~b + i~b T A~a + i~aT A~b

= ~aT A~a −~b T A~b + 2i~aT A~b ,also~aT A~a −~b T A~b = 0 und ~aT A~b = 0 .Somit liegt mit X au h der konjugiert komplexe Punkt X auf der komplex erweiter-ten Quadrik Qn−1.Wir wollen nun die Matrix A dur h eine geeignete Koordinatentransformation auf einemögli hst einfa he Gestalt bringen. Dazu beweisen wir ein vorbereitendesLemma Zu jeder symmetris hen reellen (n + 1, n + 1)-Matrix A gibt es eine reguläre

(n + 1, n + 1)-Matrix T mitB := T TAT =

b0 0. . .0 bn

. (10.2)Beweis: Der konstruktive Beweis besteht aus n + 1 S hritten. Wir bes hreiben den(p + 1)-ten S hritt, gehen also von

A =

a00 0. . . 00 ap−1,p−1

app ap,p+1 · · · apn

0

ap+1,p...anp

ap+1,p+1...an,p+1

· · ·

· · ·

ap+1,n...ann

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10.1 Definition und Klassifikation 177aus und versu hen, die grau unterlegten Terme zu Null zu ma hen.Fall 1: app 6= 0Wegen~xT A~x = a00x

20 + · · ·+ ap−1,p−1x

2p−1 + (appx

2p + 2ap,p+1xpxp+1 + . . . + 2apnxpxn)

+R (Terme, in denen x0, . . . , xp ni ht auftreten)= a00x

20 + · · ·+ ap−1,p−1x

2p−1 + app

((xp) +

(ap,p+1

app

xp+1 + . . . +apn

app

xn

))2

− 1

app

(ap,p+1xp+1 + . . . + apnxn)2 + Rbringt die Koordinatentransformation (Sti hwort: quadratis he Ergänzung)xp = xp +

ap,p+1

app

xp+1 + . . . +apn

app

xn ,

xj = xj für j 6= pdie Matrix A auf die gewüns hte GestaltT TAT =

a00 0. . . 00 app

0 ⋆

.

Fall 2: app = 0, aqq 6= 0 für (mindestens) ein q ∈ {p + 1, . . . , n}Die Koordinatentransformationxp = xq ,

xq = xp ,

xj = xj für j /∈ {p, q}vertaus ht die Koordinaten p und q, womit wieder Fall 1 errei ht ist.Fall 3: app = . . . = ann = 0, apq 6= 0 für (mindestens) ein q ∈ {p + 1, . . . , n}Mitxp = xp + xq ,

xq = xp − xq ,

xj = xj für j /∈ {p, q}gilt0x2

p + 2apqxpxq + 0x2q = 2apq(x

2p − x2

q) ,

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178 10 Quadrikenwomit wieder Fall 1 errei ht ist.Fall 4: app = . . . = apn = 0Wegen der Symmetrie von A kann man zum nä hsten S hritt übergehen. �Hat man die Matrix A aus (10.1) in die Form (10.2) gebra ht, kann man weiter dur hUmsortieren der Matrixelemente (also dur h eine Koordinatentransformation gemäÿFall 2) die GestaltB =

a0 . . . 0ap−1

−ap . . .−ar−1

0

0. . .

0

, a0, . . . , ar−1 > 0

errei hen. Wegen der Homogenität der Darstellung kann man dabei zusätzli hq := r − p ≤ pfordern. Die Transformationsmatrix

T =

a− 1

2

0 . . . 0

a− 1

2

p−1

a− 1

2

p . . .a− 1

2

r−1

1

0. . .

1

formt B weiter um zuT T BT =

1 . . . 01−1 . . .

−10

0. . .

0

.

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10.1 Definition und Klassifikation 179Damit ist die folgende Normalform hergeleitet.Qn−1

rq : x20 + . . . + x2

p−1 − x2p − . . .− x2

r−1︸ ︷︷ ︸q

= 0 , r − 1 ≤ n , q ≤ r

2. (10.3)Uns interessieren nur die Fälle n = 0, 1, 2, die in der Tabelle 10.1 aufgelistet sind.Bez. Glei hung NameP0 P0

Q−110 x2

0 = 0 ∅ ∅P1 P1

Q010 x2

0 = 0 Doppelpunkt Doppelpunktnullteiliges Punktepaar oderQ020 x2

0 + x21 = 0 ∅ konjugiert komplexes Punktepaar

Q021 x2

0 − x21 = 0 Punktepaar reelles PunktepaarP2 P2

Q110 x2

0 = 0 Doppelgerade Doppelgeradenullteiliges Geradenpaar oderQ120 x2

0 + x21 = 0 Doppelpunkt konjugiert komplexes Geradenpaar

Q121 x2

0 − x21 = 0 Geradenpaar reelles Geradenpaar

Q130 x2

0 + x21 + x2

2 = 0 ∅ nullteiliger Kegels hnittni htentarteter ni htentarteterQ1

31 x20 + x2

1 − x22 = 0 Kegels hnitt Kegels hnittTabelle 10.1: QuadrikenBem. 4 Bei der Untersu hung der Quadriken stellen si h folgende Fragen.(i)Klassi�kationsproblem : Wie viele Klassen projektiv äquivalenter Quadriken gibtes?(ii) Normalformenproblem : Wie erhält man für jede sol he Klasse eine mögli hsteinfa he Glei hung?(iii) Invariantenproblem : Wel he projektiven Invarianten kennzei hnen die Klassen?Wir haben gezeigt, dass jede Quadrik eine Normalform (10.3) besitzt. Somit gibt es inder reellen projektiven Geraden hö hstens drei, in der reellen projektiven Ebene hö h-stens fünf vers hiedene Klassen. Andererseits zeigt die Tabelle 10.1, dass weder im P1no h im P2 Quadriken aus vers hiedenen Klassen dur h eine Projektivität aufeinanderabgebildet werden können. Damit sind für diese Räume das Klassi�kations- und dasNormalformenproblem gelöst. Für Räume einer beliebigen Dimension n ist dies ni htso einfa h. Man benötigt hier wie im a�nen Fall den Trägheitssatz von Sylvester.Def. 2 Eine Quadrik Qn−1

rq besitzt den Rang r und den Index q.

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180 10 QuadrikenDie Tabelle 10.1 zeigt, dass die Angabe von r und q genügt, um die Klasse einer Quadrikfestzulegen. Rang und Index bilden also (zumindest im P1 und P2) ein vollständigesInvariantensystem.Bem. 5 Der ni htentartete Kegels hnitt Q131 gestattet folgende a�ne Deutungen.(i) Wählt man die Gerade x2 = 0 (sie tri�t Q1

31 ni ht) als Ferngerade, so erhält mandie Ellipse0 =

(x0

x2

)2

+

(x1

x2

)2

− 1 =: ξ20 + ξ2

1 − 1 .(ii) Wählt man die Gerade x0 = 0 (sie tri�t Q131 in den Punkten (0, 1, 1) und (0, 1,−1))als Ferngerade, so erhält man die Hyperbel

0 = 1 +

(x1

x0

)2

−(

x2

x0

)2

=: 1 + ξ21 − ξ2

2 .(iii) Wählt man die Gerade x1−x2 = 0 (sie tri�t Q131 im Punkt (0, 1, 1)) als Ferngerade,so erhält man die Parabel

0 =

(x0

x1 − x2

)2

+

(x1

x1 − x2

)2

−(

x2

x1 − x2

)2

=: ξ20 + ξ2

1 − ξ22 = ξ2

0 + (1 + ξ2)2 − ξ2

2 = ξ20 + 1 + 2ξ2 .Zu (i) und (ii) verglei he man die Glei hungen (5.3) und (5.4), bea hte aber dabei, dasses si h dort um euklidis he Normalformen handelt: Während es im euklidis hen Raumunendli h viele Klassen von Ellipsen gibt, gibt es im a�nen Raum nur eine sol heKlasse (jede Ellipse lässt si h dur h eine A�nität auf einen beliebigen Kreis abbilden).10.2 Quadrik und GeradeBis auf den ni htentarteten Kegels hnitt Q1

31 ⊂ P2 ist das S hnittverhalten einer Ge-raden G mit einer Quadrik des P1 oder des P2 direkt abzulesen. In der Tabelle 10.2sind diese Mögli hkeiten aufgelistet. Wie wir in 10.1 Bem. 5 gesehen haben, treten au hS hnittmenge NameGerade ErzeugendeDoppelpunkt Tangentezwei vers hiedene Punkte Sekante∅ PassanteTabelle 10.2: Lage einer Geraden zu einer Quadrikbeim Kegels hnitt Q1

31 Tangenten, Sekanten und Passanten auf. Es bleibt zu untersu- hen, ob bei diesem Kegels hnitt no h weitere Fälle mögli h sind. Wir wählen einen

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10.2 Quadrik und Gerade 181festen Punkt A(a0, a1, a2) und eine Gerade G = AB. Da G die Gerade x2 = 0 tri�t,kann man o. E. B(b0, b1, 0) und damitG :

x0

x1

x2

=

λ

a0

a1

a2

+ µ

b0

b1

0

ansetzen. Wegen der Homogenität der Darstellung kann man ferner o. E.b20 + b2

1 = 1, also b0 = sin y , b1 = cos yvoraussetzen. Die Punkte der S hnittmenge G ∩Q131 erfüllen die Glei hung

0 = (λa0 + µb0)2 + (λa1 + µb1)

2 − λ2a22

= µ2 + λ2 (a20 + a2

1 − a22)︸ ︷︷ ︸

=: α

+2λµ(a0b0 + a1b1) .Wegen B /∈ Q131 ist λ = 0 keine Lösung dieser Glei hung. Mit x := µ

λlässt sie si hdaher umformen zu

x2 + 2x(a0b0 + a1b1) + α = 0 ,also zu(x + (a0b0 + a1b1))

2 = (a0b0 + a1b1)2 − α =: D .Fall 1: α < 0Es gilt stets D > 0, also |G ∩Q1

31| = 2. G ist eine Sekante.Für α ≥ 0 gilt stets a20 + a2

1 6= 0, weshalb man o. E.a2

0 + a21 = 1, also a0 = sin z , a1 = cos zansetzen kann. Damit folgt

D = (sin z sin y + cos z cos y)2 − (1− a22)

= cos2(y − z)− α , α ∈ [0, 1] .Fall 2: α = 0 (A ∈ Q131)Genau für y = z ± π2(beide Re henzei hen liefern denselben Punkt B) gilt D = 0,sonst D > 0. Dur h A gehen also nur Sekanten und genau eine Tangente.Fall 3: α > 0Für α < 1 kann man dur h geeignete Wahl von y (also von B) D < 0, D = 0 und

D > 0 errei hen. Für α = 1 erhält man die Passante x2 = 0. Im Fall 3 gehen also dur hA Passanten, Sekanten und genau zwei Tangenten.Bem. Insgesamt sieht man, dass Tabelle 10.2 au h für den ni htentarteten Kegel-s hnitt gilt. Zusätzli h wurde gezeigt, dass dur h einen Punkt

A ∈ I(Q131) := { X = [~x] ∈ P2 | x2

0 + x21 − x2

2 < 0 }

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182 10 Quadrikennur Sekanten, dur h einen PunktA ∈ A(Q1

31) := { X = [~x] ∈ P2 | x20 + x2

1 − x22 > 0 }Sekanten, Passanten und Tangenten gehen. Das Innengebiet I(Q1

31) und das Auÿen-gebiet A(Q131) sind somit geometris h unters heidbar. Es gibt daher keine Projektivi-tät, wel he die beiden Gebiete aufeinander abbildet; sie sind projektiv invariant. (Manverglei he unsere Untersu hungen zu Kegels hnittstangenten im Abs hnitt 5.3; wir ha-ben im Kapitel 5 den allgemeineren Begri� Berei h gewählt, da in der euklidis henEbene der Innenberei h einer Hyperbel kein Gebiet ist.) Ersi htli h gilt für die übrigenQuadriken des P1 und P2 keine entspre hende Aussage.Wir fassen in der Tabelle 10.3 zusammen, wie eine Gerade G zu den Quadriken des P1und P2 liegen kann. Quadrik G = P1 ist

Q010 : x2

0 = 0 TangenteQ0

20 : x20 + x2

1 = 0 PassanteQ0

21 : x20 − x2

1 = 0 SekanteQuadrik G ⊂ P2 kann seinQ1

10 : x20 = 0 Tangente, Erzeugende

Q120 : x2

0 + x21 = 0 Tangente, Passante

Q121 : x2

0 − x21 = 0 Tangente, Sekante, Erzeugende

Q130 : x2

0 + x21 + x2

2 = 0 PassanteQ1

31 : x20 + x2

1 − x22 = 0 Tangente, Sekante, PassanteTabelle 10.3: S hnitt mit einer Geraden GDef. Ein Quadrikpunkt, dur h den es keine Sekante der Quadrik gibt, heiÿt singulär,andernfalls regulär. Die singulären Punkte bilden die Spitze der Quadrik.Eine Quadrik mit leerer Spitze enthält also nur reguläre Punkte. Die Tabelle 10.4gibt eine Übersi ht. Die Spitze ist also leer, ein Punkt oder eine Gerade (mit anderenWorten: ein projektiver Unterraum der Dimension −1, 0 oder 1).Gegeben seien ein Kegels hnitt

k : ax2 + by2 + cz2 + 2dxy + 2exz + 2fyz = 0sowie Punkte A, B, C, D ∈ k, von denen keine drei kollinear sind. Man zeige:A (a) Die Tangente an k im Punkt P (p0, p1, p2) ∈ k besitzt die Glei hungtP : axp0 + byp1 + czp2 + d(xp1 + yp0) + e(xp2 + zp0) + f(yp2 + zp1) = 0 .(b) tA s hneidet tB auf der Geraden RT mit R = AC ∩ BD und T = AD ∩ BC.( ) Liegt der S hnittpunkt S = tA ∩ tB auf CD, so liegt U = tC ∩ tD auf AB.

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10.2 Quadrik und Gerade 183

Bez. Glei hung Bes hreibung SpitzeP0

Q−110 x2

0 = 0 ∅ ∅P1

Q010 x2

0 = 0 Doppelpunkt Q010

Q020 x2

0 + x21 = 0 ∅ ∅

Q021 x2

0 − x21 = 0 Punktepaar ∅P2

Q110 x2

0 = 0 Doppelgerade Q110

Q120 x2

0 + x21 = 0 Doppelpunkt Q1

20

Q121 x2

0 − x21 = 0 Geradenpaar Geradens hnittpunkt

Q130 x2

0 + x21 + x2

2 = 0 ∅ ∅Q1

31 x20 + x2

1 − x22 = 0 ni htentarteter Kegels hnitt ∅Tabelle 10.4: Die Spitze einer Quadrik

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184

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11 Cayley-Klein-GeometrienProje tive geometry is all geometry.Cayley (1821-1895)Au h wenn dieser Ausspru h aus heutiger Si ht zu kurz greift, verdeutli ht er dieRei hhaltigkeit der projektiven Geometrie. Einen kleinen Einbli k geben die nä hstenKapitel.11.1 Motivation und De�nitionWährend na h Abs hnitt 3.1 die a�ne Gruppe der a�nen Ebene 6-parametrig ist, istna h 9.5 Satz 1 die projektive Gruppe eines zweidimensionalen projektiven Raums 8-parametrig. Dies zeigt, dass die Klein's he Idee, Geometrie als Invariantentheorie einerTransformationsgruppe zu betreiben (siehe Abs hnitt 3.1), besonders ergiebig ist, wennman als Mannigfaltigkeit einen projektiven Raum Pn und als Transformationsgruppengeeignete Untergruppen der projektiven Gruppe PGL(Pn) verwendet. Wie man einfa hsol he Untergruppen erhält, zeigt der folgende Satz, der au h die zugehörigen Begri�eeinführt.Satz 1 und Def. 1 SeiF = { Fi ⊂ Pn | i ∈ I }eine Figur in Pn. Dann ist

U = { τ ∈ PGL(Pn) | ∀i ∈ I : τ(Fi) = Fi }eine Untergruppe von PGL(Pn). F heiÿt die zugehörige Absolut�gur. Jedes τ ∈ Uheiÿt eine F -Projektivität.Will man die zu einer Absolut�gur F gehörige Geometrie untersu hen, wird man inder Regel ni ht den gesamten Pn als Punktmenge nehmen. Die Überlegungen in denAbs hnitten 7.2 und 7.3 sowie beim Übergang vom projektiven zum a�nen Raumim Abs hnitt 9.6 haben gezeigt, dass zusätzli h ein geeigneter S hauplatz S ⊂ Pnfestzulegen ist.Die so genannten Cayley-Klein-Räume erhält man dur h Wahl spezieller MengenFi. Am einfa hsten wäre es, projektive Unterräume zu nehmen. Wir wissen bereits, dasswir einen a�nen Raum erhalten, wenn wir im Pn eine Hyperebene als Fernhyperebeneauszei hnen. Allerdings wissen wir no h ni ht, wie man von den Projektivitäten zu denA�nitäten und von diesen weiter zu Bewegungen kommt. 185

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186 11 Cayley-Klein-GeometrienWir betra hten zunä hst denP2, in dem wir ein projektives Koordinatensystem wählen,und halten die Gerade G : x0 = 0 fest. Nun gehen wir zur a�nen Ebene A2 = P2 \ Güber. Von den Projektivitäten

x0

x1

x2

7→

m00 m01 m02

m10 m11 m12

m20 m21 m22

x0

x1

x2

,des P2 interessieren uns jene, die G (als Ganzes) fest lassen. Dies liefert die Bedingung

0x1

x2

7→

m00 m01 m02

m10 m11 m12

m20 m21 m22

0x1

x2

=

m01x1 + m02x2

⋆⋆

=

0⋆⋆

.Notwendig und hinrei hend ist also m01 = m02 = 0. Hieraus folgt m00 6= 0, so dassman wegen der Homogenität der Darstellung o. E. von

x0

x1

x2

7→

1 0 0

m10 m11 m12

m20 m21 m22

x0

x1

x2

ausgehen kann, was in inhomogener Form(

ξ1

ξ2

)7→

(m10

m20

)+

(m11 m12

m21 m22

) (ξ1

ξ2

)lautet. Dies ist die Darstellung einer beliebigen A�nität des A2. (Dies sollte uns ni htverwundern, da wir ja bisher nur den Übergang vom projektiven zum a�nen Raumverwendet haben.) Um zu Ähnli hkeiten oder Bewegungen zu kommen, sind also zu-sätzli he Forderungen zu stellen.Da die Bewegungsgruppe insbesondere Vers hiebungen um einen beliebigen Vektorenthält, können weitere Fixgebilde nur in G liegen. Es liegt nahe, in G ebenfalls eineHyperebene, etwa den Punkt F (0, 0, 1) ∈ G fest zu halten.

1 0 0

m10 m11 m12

m20 m21 m22

001

=

0

m12

m22

ergibt die notwendige und hinrei hende Bedingung m12 = 0, also die Abbildungsmatrix

1 0 0

m10 m11 0m20 m21 m22

, m11m22 6= 0 .In inhomogener Form lautet die Abbildung(

ξ1

ξ2

)7→

(m10

m20

)+

(m11 0m21 m22

) (ξ1

ξ2

), m11m22 6= 0 .

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11.1 Motivation und Definition 187Dies liefert keinesfalls alle Bewegungen der euklidis hen Ebene. Sieht man vom Trans-lationsanteil ab, erhält man nämli h eine Abbildung mit dem Fixpunkt (0, 0) und derFixgeraden ξ1 = 0, weshalb unter diesen Abbildungen keine Drehung um den Fixpunktenthalten ist.Auf der Su he na h weiteren Mögli hkeiten erinnern wir uns daran, dass eine (Dop-pel)gerade des P2 eine Quadrik in P2 und ein (Doppel)punkt des P1 eine Quadrik inP1 ist. Wir erhalten also mehr Mögli hkeiten, wenn wir die Absolut�gur ni ht aus pro-jektiven Unterräumen, sondern aus Quadriken bilden. Die Tabelle 10.1 zeigt, dass esdabei sinnvoll ist, diese in der komplexen Erweiterung Pn zu betra hten. Dabei gehenwir wie folgt vor.Wir setzen n0 := n und wählen in Pn eine Quadrik Qn0−1.• Ist die Spitze von Qn0−1 leer, sind wir fertig.◦ Ist die Spitze von Qn0−1 ni ht leer, so ist sie ein projektiver Unterraum Sn1 mit

n1 < n0. Wir wählen in Sn1 eine Quadrik Qn1−1.• Ist die Spitze von Qn1−1 leer, sind wir fertig.◦ Ist die Spitze von Qn1−1 ni ht leer, so ist sie ein projektiver Unterraum Sn2mit n2 < n1. Wir wählen in Sn2 eine Quadrik Qn2−1.• Ist die Spitze von Qn2−1 leer, sind wir fertig.◦ Ist die Spitze von Qn2−1 ni ht leer, so ist sie ein projektiver Unterraum

Sn3 mit n3 < n2. Wir wählen . . .Wegen n0 > n1 > n2 > . . . ≥ 0 bri ht dieses Verfahren spätestens na h n = n0S hritten ab, für n = 1 also spätestens na h einem, für n = 2 spätestens na h zweiS hritten.Def. 2 Hat die Absolut�gur F ⊂ Pn, die gemäÿ obigem Algorithmus konstruiertwurde, die GestaltQn0−1

r0q0⊃ Sn1 ⊃ Qn1−1

r1q1⊃ . . . ⊃ Snk ⊃ Qnk−1

rkqkso wird der Pn zum Cayley-Klein-RaumP n

r0...rk|q0...qk.Die Punkte von Pn, die zur Absolut�gur gehören, heiÿen die Fernpunkte diesesRaums, Geraden von Pn, die auf F liegen, heiÿen Ferngeraden. Die F -Projektivitätenheiÿen die Ähnli hkeiten des Raums.Uns interessieren weniger die Ähnli hkeiten als die Bewegungen dieser Räume. ZurDe�nition dieser Abbildungen beweisen wir ein vorbereitendes

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188 11 Cayley-Klein-GeometrienLemma Ist bezügli h eines projektiven Koordinatensystems die Quadrik Qn−1 ⊂ Pn inNormalform gegeben dur hx2

0 + . . . + x2p−1 − x2

p − . . .− x2r−1 = ~xT A~x = 0und ist die Projektivität τ ∈ PGL(Pn) gegeben dur h

~x 7→ M~x , det M 6= 0 ,so gilt:τ(Qn−1) = Qn−1 ⇐⇒ MT AM = λA (λ 6= 0) . (11.1)Beweis: Es ist nur für �⇒� etwas zu zeigen. Zunä hst gilt für die Matrizen A = (ajk)und B := MT AM = (bjk) (j, k = 0, . . . , n)ajk =

1 für j = k ∈ {0, . . . , p− 1}−1 für j = k ∈ {p, . . . , r − 1}

0 sonstbjk = bkj .Um B = λA na hzuweisen, wählen wir nun vers hiedene Vektoren ~x, die bis auf dieangegebenen Komponenten nur Nullen enthalten (verglei he Abbildung 11.1).

(i) (ii)(iii)(iv) (iv)(v)

Abbildung 11.1: Zum Beweis des Lemmas(i) Für j ∈ {0, . . . , r − 1} und xj = 1 erhält man~xT A~x 6= 0 6= ~xT B~x = bjj .Für j ∈ {r, . . . , n} und xj = 1 erhält man~xT A~x = 0 = ~xT B~x = bjj .

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11.1 Motivation und Definition 189(ii) r ≤ j < k ≤ n und xj = xk = 1 liefert~xT A~x = 0 = ~xT B~x = ( · · · 1 · · ·1 · · · )

...bjj + bjk...bkj + bkk...

= 2bjk .

(iii) Annahme: Für ein j ∈ {0, . . . , r − 1} und ein k ∈ {r, . . . , n} gilt bjk 6= 0. Dannerhält man mit xj = 1 und xk = − bjj

2bjk6= 0 den Widerspru h

~xT A~x 6= 0 6= ~xT B~x = ( · · · 1 · · · − bjj

2bjk

· · · )

...bjj − bjj

2...bkj...

=

bjj

2− bjj

2= 0 .

(iv) Für 0 ≤ j < k ≤ p− 1 oder p ≤ j < k ≤ r− 1 sowie xj = 1 und xk = i erhält man~xT A~x = 0 = ~xT B~x = ( · · · 1 · · · i · · · )

...bjj + ibjk...bkj + ibkk...

= bjj + 2ibjk − bkk ,

also bjk = 0 undb00 = · · · = bp−1,p−1 , bpp = · · · = br−1,r−1 .(v) Für 0 ≤ j ≤ p− 1 < k ≤ r − 1 sowie xj = 1 und xk = ±1 erhält man

~xT A~x = 0 = ~xT B~x = ( · · ·1 · · · ± 1 · · · )

...bjj ± bjk...bkj ± bkk...

= bjj ± 2bjk + bkk ,

also bjk = 0 und bjj = −bkk.Insgesamt ist damit B = λA gezeigt. �Da eine Koordinatentransformation die Äquivalenz (11.1) erhält (B = λA ⇐⇒T T BT = λT T AT ), folgt aus dem Lemma der

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190 11 Cayley-Klein-GeometrienSatz 2 Sind bezügli h eines projektiven Koordinatensystems die Quadrik Qn−1 ⊂ Pndur h ~xT A~x = 0 sowie die Projektivität τ ∈ PGL(Pn) dur h~x 7→M~x , det M 6= 0gegeben, so gilt:

τ(Qn−1) = Qn−1 ⇐⇒ MT AM = λA (λ 6= 0) .In einem Cayley-Klein-Raum P nr0...rk|q0...qk

hat man k + 1 Quadriken, die unter denÄhnli hkeiten fest bleiben. Na h Satz 2 liefern diese k + 1 Bedingungen k + 1 Ähn-li hkeitsfaktoren λ0, . . . , λk. Dies legt folgende De�nition nahe.Def. 3 Eine Ähnli hkeit eines Cayley-Klein-Raums P nr0...rk|q0...qk

, deren k +1 Ähnli h-keitsfaktoren den Wert 1 haben, heiÿt Bewegung dieses Raums.Wir bes hränken uns im Folgenden auf die Dimensionen n = 1 und n = 2. Als S hau-platz S wählen wir eine Teilmenge von Pn \F . In der Regel gilt dabei S = Pn \F , dieAusnahmen werden jeweils erwähnt.11.2 Die Cayley-Klein-Geraden und ihre BewegungenDie Tabelle 11.1 gibt einen Überbli k über die Cayley-Klein-Geraden.Absolut�gur Bez. Name e hte Ähnli hkeiten[1.1℄ Q010 ⊃ S0 ⊃ Q−1

10s P 1

11|00 euklidis he Gerade ja[1.2℄ Q020 : x2

0 + x21 = 0 P 1

2|0 elliptis he Gerade nein[1.3℄ Q021 : x2

0 − x21 = 0 c c P 1

2|1 hyperbolis he Ger. jaTabelle 11.1: Die Cayley-Klein-GeradenWir untersu hen nun, wie die Bewegungen in diesen Geraden aussehen. Wir gehendabei aus von der Darstellung(

x0

x1

)7→

(a cb d

) (x0

x1

).Die Bere hnungen werden verständli her, wenn wir zuerst die hyperbolis he Geradebetra hten.[1.3℄ Es sind zwei Fälle zu unters heiden.Fall 1: Jeder der beiden Fernpunkte bleibt fest.

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11.2 Die Cayley-Klein-Geraden und ihre Bewegungen 191Die Forderungen(

a cb d

) (11

)=

(ρρ

)

(a cb d

) (1−1

)=

(σ−σ

)lieferna + c = b + d , (11.2)a− c = −b + d . (11.3)(11.2) + (11.3) ergibt a = d.(11.2) − (11.3) ergibt c = b.Also hat die Abbildungsmatrix die Gestalt

M1 :=

(a bb a

), det(M1) = a2 − b2 6= 0 .Fall 2: Die beiden Fernpunkte werden vertaus ht.Eine analoge Re hnung ergibt die Abbildungsmatrix A

M2 :=

(a −bb −a

), det(M2) = −a2 + b2 6= 0 .Um die Bewegungen zu �nden, bere hnen wir

MT1,2 A M1,2 =

(a b±b ±a

) (1 00 −1

) (a ±bb ±a

)

=

(a −b±b ∓a

) (a ±bb ±a

)= (a2 − b2)

(1 00 −1

).Genau für λ := a2 − b2 = 1 liegt eine Bewegung vor. Nur für λ > 0 kann man diesenFaktor zu 1 ma hen, indem man M1 bzw. M2 mit dem Homogenitätsfaktor 1√

λmulti-pliziert. Es gibt also Ähnli hkeiten, die keine Bewegungen sind (�e hte Ähnli hkeiten�).Die Bewegungen der hyperbolis hen Geraden haben die Form

(x0

x1

)7→

(cosh ϕ ± sinh ϕsinh ϕ ± cosh ϕ

) (x0

x1

) (11.4)(siehe 9.2 Bem. 3).[1.2℄ Wir re hnen in der komplexen Erweiterung und betra hten wieder die beidenmögli hen Fälle.Fall 1: Jeder der beiden Punkte bleibt fest.

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192 11 Cayley-Klein-GeometrienEs muss gelten:(

a1 + ia2 c1 + ic2

b1 + ib2 d1 + id2

) (1i

)=

(ρiρ

)=

(ρ1 + iρ2

−ρ2 + iρ1

) (11.5)(

a1 + ia2 c1 + ic2

b1 + ib2 d1 + id2

) (1−i

)=

(σ−iσ

)=

(σ1 + iσ2

σ2 − iσ1

) (11.6)(11.5) lieferta1 + ia2 + ic1 − c2 = ρ1 + iρ2 ,woraus man dur h Multiplikation mit i

−a2 + ia1 − ic2 − c1 = −ρ2 + iρ1erhält, sowieb1 + ib2 + id1 − d2 = −ρ2 + iρ1 .Da die re hten Seiten der beiden letzten Glei hungen übereinstimmen, gilt notwendig

a2 + c1 = −b1 + d2 , (11.7)a1 − c2 = b2 + d1 . (11.8)Analog liefert (11.6)a2 − c1 = b1 + d2 , (11.9)a1 + c2 = −b2 + d1 . (11.10)(11.7) + (11.9) ergibt a2 = d2.(11.7) − (11.9) ergibt c1 = −b1.(11.8) + (11.10) ergibt a1 = d1.(11.8) − (11.10) ergibt c2 = −b2.Insgesamt erhält man die Abbildungsmatrix

M1 :=

(a −bb a

), det(M1) = a2 + b2 6= 0 .Dies gilt sowohl für die komplexe Erweiterung als au h für den (uns interessierenden)reellen Auss hnitt.Fall 2: Die beiden Punkte werden vertaus ht.Eine analoge Re hnung ergibt die AbbildungsmatrixA

M2 :=

(a bb −a

), det(M2) = −(a2 + b2) 6= 0 .Wegen

MT1,2 A M1,2 = MT

1,2M1,2 =

(a b∓b ±a

) (a ∓bb ±a

)= (a2 + b2)

(1 00 1

)

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11.2 Die Cayley-Klein-Geraden und ihre Bewegungen 193liegt genau für λ := a2 + b2 = 1 eine Bewegung vor. Man kann stets λ = 1 errei hen,indem man mit dem Homogenitätsfaktor 1√λmultipliziert. In dieser Geometrie ist alsojede Ähnli hkeit eine Bewegung. (In der hyperbolis hen Ebene ist dies genauso; siehe7.1 Satz 2.)Die Bewegungen der elliptis hen Geraden haben also die Form

(x0

x1

)7→

(cos ϕ ∓ sin ϕsin ϕ ± cos ϕ

) (x0

x1

). (11.11)[1.1℄ Es ist sinnvoll, si h zunä hst zu überlegen, wie die Bewegungen der uns bekannten Aeuklidis hen Geraden aussehen. Die Überlegungen dieses Abs hnitts müssen zum selbenResultat führen. Gesu ht sind zunä hst alle Projektivitäten

(x0

x1

)7→

(a cb d

) (x0

x1

),die Q0

10, also den Fernpunkt (0, 1), fest lassen.(

a cb d

) (01

)=

(cd

)liefert die notwendige und hinrei hende Bedingung c = 0. Also hat man die Abbildun-gen (x0

x1

)7→

(a 0b d

) (x0

x1

)=

(x0a

x0b + x1d

), ad 6= 0 . (11.12)Wegen

(a b0 d

) (1 00 0

) (a 0b d

)=

(a 00 0

) (a 0b d

)= a2

(1 00 0

)liegt genau für a ∈ {+1,−1} eine Bewegung vor. Wegen der Homogenität der Darstel-lung kann stets a = 1 errei ht werden. Nun ist im projektiven Unterraum S0, der dur hx0 = 0 gegeben ist, die Quadrik Q−1

10 zu betra hten, die mit x := x1 gegeben ist dur hx2 = (x)T (1)(x) = 0 .Einges hränkt auf S0 lautet die Abbildung (11.12)

(x) 7→ (d)(x) .Der Ähnli hkeitsfaktor bere hnet si h daher aus(d)T (1)(d) = d2(1)zu d2. Eine Bewegung liegt also genau für d ∈ {+1,−1} vor. Da der Homogenitätsfaktorbereits für die Normierung von a verwendet wurde, ist dies eine e hte Forderung. Es gibt

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194 11 Cayley-Klein-Geometrienalso Ähnli hkeiten, die keine Bewegungen sind. Die Bewegungen haben die homogeneDarstellung (x0

x1

)7→

(1 0b ±1

) (x0

x1

).Wählt man als S hauplatz die a�ne Gerade A1 = P1\S0, so kann man zur inhomogenenDarstellung

ξ 7→ b± ξübergehen. Diese Abbildung ist für �+� eine Translation, für �−� eine Spiegelung amPunkt mit der inhomogenen Koordinate b2. Man erhält also alle euklidis hen Bewegun-gen, die a�ne Gerade wird - wie in der Tabelle behauptet - zur euklidis hen Geraden.Bem. In jedem der drei Fälle ist die Bewegungsgruppe einparametrig.11.3 Die Cayley-Klein-Ebenen und ihre BewegungenAbsolut�gur Bez. Name[2.1℄ Q1

10 ⊃ S1 ⊃ Q010 ⊃ S0 ⊃ Q−1

10s

P 2111|000 Flaggenebeneisotrope Ebene[2.2℄ Q1

10 ⊃ S1 ⊃ Q020 P 2

12|00 euklidis he Ebene[2.3℄ Q110 ⊃ S1 ⊃ Q0

21c c P 2

12|01 pseudoeuklidis he EbeneMinkowski-Ebene[2.4℄ Q120 ⊃ S0 ⊃ Q−1

10 s P 221|00 quasielliptis he Ebenedual-euklidis he Ebene[2.5℄ Q1

21 ⊃ S0 ⊃ Q−110 s P 2

21|10 quasihyperbolis he Ebenedual-pseudoeuklidis he Ebene[2.6℄ Q130 : x2

0 + x21 + x2

2 = 0 P 23|0 elliptis he EbeneRiemann-Ebene[2.7℄ Q1

31 : x20 + x2

1 − x22 = 0 P 2

3|1 hyperbolis he EbeneLobats hewski-EbeneTabelle 11.2: Die Cayley-Klein-EbenenDie Tabelle 11.2 gibt einen Überbli k über die Cayley-Klein-Ebenen. Auf die Namens-gebungen werden wir später no h eingehen. Insbesondere haben wir die Bezei hnungen�euklidis he Ebene� und �hyperbolis he Ebene� zu re htfertigen.Wie im vorigen Abs hnitt bestimmen wir nun die Bewegungen dieser Räume.Na h den Überlegungen in Abs hnitt 11.1 können wir in jedem der Fälle [2.1℄�[2.3℄ voneiner AbbildungsmatrixM =

e 0 0f a cg b d

(e 6= 0)

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11.3 Die Cayley-Klein-Ebenen und ihre Bewegungen 195ausgehen.MT

1 0 00 0 00 0 0

M = e2

1 0 00 0 00 0 0

zeigt, dass genau für e ∈ {+1,−1} eine Bewegung vorliegt. Wegen der Homogenitätder Darstellung kann man stets e = 1 errei hen. Geht man also o. E. von e = 1 aus, solauten diese Abbildungen

x0

x1

x2

7→

1 0 0f a cg b d

x0

x1

x2

. (11.13)S hränkt man sie auf die projektive Gerade S1 ein, indem man x0 = 0 setzt, erhältman (x1

x2

)7→

(a cb d

) (x1

x2

).Bis auf eine Indexänderung sind dies die im vorigen Abs hnitt untersu hten Abbil-dungen. Au h die in S1 zu betra htenden Absolut�guren stimmen mit den dortigenüberein. Daher kann man die Ergebnisse aus Abs hnitt 11.2 direkt übernehmen. Zubea hten ist dabei, dass der Homogenitätsfaktor bereits dur h die Forderung e = 1festliegt und ni ht zu weiteren Normierungen herangezogen werden kann. In jedem derFälle [2.1℄�[2.3℄ gibt es daher Ähnli hkeiten, die keine Bewegungen sind.Es liegt nahe, jeweils vom S hauplatz P2 \S1 auszugehen, der es gestattet, von (11.13)zur inhomogenen Darstellung

(ξ1

ξ2

)7→

(fg

)+

(a cb d

) (ξ1

ξ2

)überzugehen.[2.1℄ Der Fall [1.1℄ liefert für die Flaggenebene die Bewegungen(

ξ1

ξ2

)7→

(fg

)+

(ε1 0b ε2

) (ξ1

ξ2

); ε1, ε2 ∈ {+1,−1} .Man bea hte, dass hier ε1 ni ht notwendig +1 ist. Die im Abs hnitt 11.2 mögli heNormierung ist hier bereits dur h die Forderung e = 1 vergeben.Jede Bewegung der Flaggenebene lässt si h also aus� Translationen,� S herungen längs der ξ2-A hse (ε1 = ε2 = 1, siehe Abbildung 11.2),� Spiegelungen an den Koordinatena hsen (ε1ε2 = −1, b = 0)zusammensetzen. Für Punkte X(1, x1, x2), Y (1, y1, y2) bleibt daher unter den Bewe-gungen der Flaggenebene erhalten:

• |x1 − y1|,

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196 11 Cayley-Klein-Geometrien

c ξ1

ξ2

c

c

c

c

Abbildung 11.2: S herung• |x2 − y2|, falls x1 = y1 gilt, falls also XY die (zweite) Quadrik Q0

10 tri�t.Alle Bewegungen der Flaggenebene sind im euklidis hen Sinn �ä hentreu. Man erhältdie Flaggenebene, indem man die Gerade S1 zur euklidis hen Geraden ma ht.[2.2℄ Der Fall [1.2℄ ergibt(

ξ1

ξ2

)7→

(fg

)+

(cos ϕ ∓ sin ϕsin ϕ ± cos ϕ

) (ξ1

ξ2

). (11.14)Dies sind genau die Bewegungen der euklidis hen Ebene, weshalb die Bezei hnungdieser Ebene korrekt ist. Man erhält also die euklidis he Ebene, wenn man die Gerade

S1 zur elliptis hen Geraden ma ht.[2.3℄ Na h [1.3℄ haben die Bewegungen der Minkowski-Ebene die Gestalt(

ξ1

ξ2

)7→

(fg

)+

(cosh ϕ ± sinh ϕsinh ϕ ± cosh ϕ

)(ξ1

ξ2

). (11.15)In den Fällen [2.4℄ und [2.5℄ ist der S hnittpunkt S0 des Geradenpaars Fixpunkt jederÄhnli hkeit. Er besitzt die Koordinaten (0, 0, 1), so dass man von einer Abbildungsma-trix

M =

a c 0b d 0e f g

ausgehen kann. Wegen der Homogenität der Darstellung kann man dabei o. E. g > 0voraussetzen.[2.4℄ Wir re hnen in der komplexen Erweiterung. Da der Punkt (1, i, 0) zur Quadrik

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11.3 Die Cayley-Klein-Ebenen und ihre Bewegungen 197Q1

20 : x20 + x2

1 = 0 gehört, folgt aus

a c 0b d 0e f g

1i0

=

a + icb + id

die Beziehung(a + ic)2 + (b + id)2 = a2 − c2 + b2 − d2 + 2i(ac + bd) = 0 ,also

a2 + b2 = c2 + d2 ,

ac + bd = 0 .WegenMT AM = MT

1 0 00 1 00 0 0

M = (a2 + b2)

1 0 00 1 00 0 0

gilt für eine Bewegung a2+b2(= c2+d2) = 1. Es bleibt die Quadrik Q−110 ⊂ S0(0, 0, 1) zubetra hten. Wie im Fall [1.1℄ gezeigt, liefert diese die Bedingung g2 = 1. Wegen g > 0folgt hieraus g = 1. Insgesamt haben also die Bewegungen in der quasielliptis henEbene die Gestalt

x0

x1

x2

7→

cos ϕ ∓ sin ϕ 0sin ϕ ± cos ϕ 0

e f 1

x0

x1

x2

.[2.5℄ Eine analoge Re hnung (man verwende die Fernpunkte (1, 1, 0) und (1,−1, 0)) Aergibta2 − b2 = −(c2 − d2) ,

ac− bd = 0 .WegenMT

1 0 00 −1 00 0 0

M = (a2 − b2)

1 0 00 −1 00 0 0

gilt für eine Bewegung a2 − b2( = −(c2 − d2)) = 1. Es bleibt die Quadrik Q−110 zubetra hten. Wie im Fall [2.4℄ liefert diese die Bedingung g2 = 1. Insgesamt haben alsodie Bewegungen in der quasihyperbolis hen Ebene die Gestalt

x0

x1

x2

7→

cosh ϕ ± sinh ϕ 0sinh ϕ ± cosh ϕ 0

e f 1

x0

x1

x2

.

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198 11 Cayley-Klein-GeometrienDa in den Fällen [2.4℄ und [2.5℄ jeweils zwei Normierungsbedingungen zu erfüllen sindund nur ein Homogenitätsfaktor zur Verfügung steht, gibt es in diesen Cayley-Klein-Ebenen e hte Ähnli hkeiten.In den Fällen [2.6℄ und [2.7℄ gehen wir aus von einer Abbildung

x0

x1

x2

7→

a d gb e hc f k

x0

x1

x2

=: M

x0

x1

x2

.[2.6℄ Da die Punkte (1, i, 0), (1, 0, i) und (0, 1, i) zur Absolut�gur gehören, gilt(a + id)2 + (b + ie)2 + (c + if)2 =

a2 + b2 + c2 − (d2 + e2 + f 2) + 2i(ad + be + cf) = 0 ,

a2 + b2 + c2 − (g2 + h2 + k2) + 2i(ag + bh + ck) = 0 ,

d2 + e2 + f 2 − (g2 + h2 + k2) + 2i(dg + eh + fk) = 0 .Mit Hilfe der symmetris hen Bilinearform⟨

x0

x1

x2

,

y0

y1

y2

e

:= x0y0 + x1y1 + x2y2 =

x0

x1

x2

T

1 0 00 1 00 0 1

y0

y1

y2

(11.16)lassen si h diese Beziehungen s hreiben als⟨

abc

,

abc

e

=

def

,

def

e

=

ghk

,

ghk

eund0 =

abc

,

def

e

=

abc

,

ghk

e

=

def

,

ghk

e

.Weiter giltMT AM = MT

1 0 00 1 00 0 1

M = (a2 + b2 + c2)

1 0 00 1 00 0 1

,woraus a2 + b2 + c2 = 1 folgt. Wegen der Homogenität der Darstellung ist diese Forde-rung stets erfüllbar. Die Abbildungsmatrizen der Bewegungen der elliptis hen Ebenesind also orthogonale Matrizen bezügli h der Bilinearform (11.16). Sie stimmenüberein mit den Abbildungsmatrizen der Bewegungen des dreidimensionalen euklidi-s hen Raums mit dem Fixpunkt O bezügli h eines kartesis hen Koordinatensystems.

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11.3 Die Cayley-Klein-Ebenen und ihre Bewegungen 199Dabei ist zu bea hten, dass die (euklidis he) Punktspiegelung an O in der elliptis henEbene die identis he Abbildung ist.[2.7℄ Da der Punkt (1, i, 0) zur Absolut�gur gehört, gilt(a + id)2 + (b + ie)2 − (c + if)2 =

(a2 + b2 − c2)− (d2 + e2 − f 2) + 2i(ad + be− cf) = 0 .Da die Punkte (1, 0, 1) und (1, 0,−1) zur Absolut�gur gehören, gilt(a + g)2 + (b + h)2 − (c + k)2 = 0

(a− g)2 + (b− h)2 − (c− k)2 = 0 .Addition dieser Glei hungen lieferta2 + b2 − c2 = −(g2 + h2 − k2) ,Subtraktion ergibt

ag + bh− ck = 0 .Analog liefern die Punkte (0, 1, 1) und (0, 1,−1)

d2 + e2 − f 2 = −(g2 + h2 − k2)unddg + eh− fk = 0 .Mit Hilfe der symmetris hen Bilinearform

x0

x1

x2

,

y0

y1

y2

h

:= x0y0 + x1y1 − x2y2 =

x0

x1

x2

T

1 0 00 1 00 0 −1

y0

y1

y2

(11.17)lassen si h diese Beziehungen s hreiben als⟨

abc

,

abc

h

=

def

,

def

h

= −⟨

ghk

,

ghk

hund0 =

abc

,

def

h

=

abc

,

ghk

h

=

def

,

ghk

h

.Weiter giltMT

1 0 00 1 00 0 −1

M = (a2 + b2 − c2)

1 0 00 1 00 0 −1

,

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200 11 Cayley-Klein-Geometrienworaus a2 + b2 − c2 = 1 folgt. Füra2 + b2 − c2 > 0 (11.18)ist dies stets dur h geeignete Wahl des Homogenitätsfaktors errei hbar. Andererseitswissen wir, dass dur h eine Ähnli hkeit das Auÿengebiet A(Q1

31) der Quadrik Q131 aufsi h abgebildet wird (siehe 10.2 Bem.). Wegen

P (1, 0, 0) ∈ A(Q131) 7→ P ⋆(a, b, c) ∈ A(Q1

31)ist daher (11.18) stets erfüllt.Bem. 1 Die Bewegungen der elliptis hen und der hyperbolis hen Ebene unters hei-den si h nur dur h die unters hiedli he Bilinearform (11.16) bzw. (11.17). Diese beidenEbenen sind die einzigen Cayley-Klein-Ebenen, in denen jede Ähnli hkeit eine Bewe-gung ist.Bem. 2 In jeder Cayley-Klein-Ebene ist die Bewegungsgruppe dreiparametrig. EinVerglei h mit 11.2 Bem. zeigt, dass die Geometrien mit zunehmender Dimension rei h-haltiger werden.

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12 Abstands- und Winkelmetrik12.1 AbständeWir kennen jetzt die Bewegungen der 1- und 2-dimensionalen Cayley-Klein-Räume.Teilweise haben wir uns au h s hon mit Abständen in diesen Räumen bes häftigt. Diessoll nun systematis h ges hehen. Wir su hen für jeden dieser Räume eine Abbildungf :

{ Pn \ F × Pn \ F → R

(X, Y ) 7→ f(X, Y )(n ∈ {1, 2}), die für jede Bewegungτ :

{ Pn → Pn

X = [~x] 7→ τ(X) = [M~x]dieses Raums und alle Punkte X, Y des no h zu wählenden S hauplatzes S ⊂ Pn \ Fdie Bedingungf(τ(X), τ(Y )) = f(X, Y )erfüllt und mögli hst viele der aus dem euklidis hen Raum bekannten Abstandseigen-s haften besitzt. Dies bedeutet insbesondere für beliebige Punkte X, Y ∈ S

f(X, Y ) ≥ 0 , (12.1)f(X, X) = 0 , (12.2)f(X, Y ) = f(Y, X) . (12.3)Wüns henswert wäre natürli h anstelle von (12.2)

f(X, Y ) = 0 ⇐⇒ X = Y . (12.4)Auÿerdem soll die Abbildung linear additiv sein, also für kollineare Punkte X1, X2, X3bei geeigneter Nummerierung die Additivitätseigens haftf(X1, X2) + f(X2, X3) = f(X1, X3) (12.5)besitzen. Die Eigens haften (12.1), (12.2) und (12.3) sind bei allen Abstandsbegrif-fen, die wir im Folgenden betra hten, klar. Auf (12.4) und (12.5) werden wir jeweilseingehen.Ist die erste (gröÿte) Quadrik Qn−1 ⊂ Pn der Absolut�gur F gegeben dur h die Glei- hung

~xT A~x = 0 , 201

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202 12 Abstands- und Winkelmetrikso bleibt si herf(~x, ~y) := ~xT A~yinvariant unter Bewegungen (siehe 11.1 Def. 3):

f(M~x, M~y) = ~xT MT AM~y = ~xT A~y = f(~x, ~y) .Allerdings hängt der Funktionswert ni ht nur von den Punkten X, Y , sondern au h vonder Wahl ihrer Repräsentanten ab. Er ist also geeignet zu �normieren�. Man beweistlei ht das folgendeA Lemma Die GröÿeD2(X, Y ) :=

(~xT A~y)2

(~xT A~x)(~yT A~y), X = [~x], Y = [~y ] ∈ Pn \Qn−1ist wohlde�niert und bewegungsinvariant.Wir untersu hen nun den Werteberei h dieser Abbildung. Dazu betra hten wir in derkomplexen Erweiterung Pn für Punkte X, Y ∈ Pn \ Qn−1 mit X 6= Y den S hnitt

XY ∩Qn−1. Die S hnittbedingung(λ~x + µ~y)T A(λ~x + µ~y) = λ2~xT A~x + 2λµ~xT A~y + µ2~yT A~y = 0ist wegen µ 6= 0 äquivalent zu

ρ2 + 2ρ~xT A~y

~xT A~x+

~yT A~y

~xT A~x= 0 .Diese Glei hung liefert

µ=

)ρ =

1

~xT A~x

(−~xT A~y ±

√(~xT A~y)2 − (~xT A~x)(~yT A~y)

). (12.6)Für eine Passante ist die Diskriminante negativ, das heiÿt es gilt

0 ≤ (~xT A~y)2 < (~xT A~x)(~yT A~y) ,also0 ≤ (~xT A~y)2

(~xT A~x)(~yT A~y)≤ 1 ,wobei man das re hte �=� genau für X = Y erhält (was damit zugelassen werden kann).Also kann man (analog zur Winkelde�nition in euklidis hen Räumen)

D(X, Y ) =~xT A~y√

(~xT A~x)(~yT A~y)(12.7)setzen und den Abstand d(X, Y ) für zwei Punkte einer Passante de�nieren dur h

cos d(X, Y ) := |D(X, Y )| = |~xT A~y |√(~xT A~x)(~yT A~y)

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12.1 Abstände 203mit0 ≤ d(X, Y ) ≤ π

2.Bem. 1 Man sieht, dass der auf Passanten eingeführte Abstand ni ht nur bewe-gungsinvariant, sondern au h ähnli hkeitsinvariant ist. Ferner besitzt er die Eigens haft(12.4).Für eine Sekante folgt aus (12.6)

(~xT A~y)2 > (~xT A~x)(~yT A~y) .Bes hränkt man si h auf Punkte X, Y mit(~xT A~x)(~yT A~y) > 0 , (12.8)so gilt

(~xT A~y)2

(~xT A~x)(~yT A~y)≥ 1(�=� wieder genau für X = Y ). Man kann unter dieser Eins hränkung wieder (12.7)verwenden und den Abstand d(X, Y ) für zwei Punkte einer Sekante de�nieren dur h

cosh d(X, Y ) := |D(X, Y )| = |~xT A~y |√(~xT A~x)(~yT A~y)mit

0 ≤ d(X, Y ) <∞ .Bem. 2 Man sieht, dass der auf Sekanten eingeführte Abstand ni ht nur bewe-gungsinvariant, sondern au h ähnli hkeitsinvariant ist. Ferner besitzt er die Eigens haft(12.4).Bem. 3 Die Bedingung (12.8) erfordert in den Cayley-Klein-Räumen [1.3℄, [2.5℄ und[2.7℄, in denen Sekanten auftreten, eine geeignete Auswahl des S hauplatzes S. In derhyperbolis hen Ebene [2.7℄ legt 10.2 Bem. nahe, S = I(Q131) zu wählen, da dann nurno h ein Geradentyp (nämli h Sekanten) auftreten. Auf der hyperbolis hen Geraden[1.3℄ und in der quasihyperbolis hen Ebene [2.5℄ sind dagegen die beiden dur h x2

0−x21 >

0 und x20− x2

1 < 0 de�nierten Gebiete projektiv ni ht zu unters heiden. Hier ist es alsounerhebli h, für wel hes der beiden Gebiete man si h ents heidet.Eine Übersi ht über die bisher erzielten Ergebnisse ist in den ersten drei Spalten derTabelle 12.1 zu sehen (vgl. au h Tabelle 10.3).Um eine weitere Darstellung des Abstands auf Passanten und Sekanten zu erhalten,greifen wir auf das im Abs hnitt 9.4 behandelte Doppelverhältnis zurü k, das na h 9.5

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204 12 Abstands- und WinkelmetrikC-K-Raum Passanten Sekanten euklidis he Geraden

cos d(X, Y ) = |D(X, Y )| coshd(X, Y ) = |D(X, Y )| Nor- d(X, Y ) =D(X, Y ) = D(X, Y ) = mierungGeraden[1.1℄ euklidis he

s

x0 = 1 |x1 − y1|[1.2℄ elliptis he x0y0+x1y1√(x2

0+x2

1)(y2

0+y2

1)[1.3℄ hyperb.

c c

x0y0−x1y1√(x2

0−x2

1)(y2

0−y2

1)Ebenen[2.1℄ Flaggen- x0 = 1 |x1 − y1|

s |x2 − y2|, falls x1 = y1[2.2℄ euklidis he x0 = 1√

(x1−y1)2 + (x2−y2)2[2.3℄ Minkowskic c

x0 = 1√

|(x1−y1)2 − (x2−y2)2|[2.4℄ quasiellipt.s

x0y0+x1y1√(x2

0+x2

1)(y2

0+y2

1)

x2

0+x2

1=1 |x2 − y2|[2.5℄ quasihyp.

s

x0y0−x1y1√(x2

0−x2

1)(y2

0−y2

1)

x2

0− x2

1= ±1 |x2 − y2|[2.6℄ elliptis he x0y0+x1y1+x2y2√

(x2

0+x2

1+x2

2)(y2

0+y2

1+y2

2)[2.7℄ hyperbol. x0y0+x1y1−x2y2√

(x2

0+x2

1−x2

2)(y2

0+y2

1−y2

2)Tabelle 12.1: Abstandsmetrik

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12.1 Abstände 205Satz 3 (ii) eine projektive Invariante ist. Wir wählen auf XY ein Koordinatensystemmit den Grundpunkten X(1, 0) und Y (0, 1). Mitα := ~xT A~y ,

β :=√

(~xT A~y)2 − (~xT A~x)(~yT A~y) ,

γ := ~xT A~xhaben dann na h (12.6) die S hnittpunkte P, Q von XY mit Qn−1 in Pn o. E. dieKoordinaten P (−α + β, γ) und Q(−α − β, γ). Hieraus folgt (siehe (9.7))DV (X, Y, PQ, Q

P)

=1 · γ − 0

1 · γ − 0:

0− (−α ± β) · 10− (−α ∓ β) · 1 =

α± β

α∓ β=

(α± β)2

α2 − β2

=2(~xT A~y)2 − (~xT A~x)(~yT A~y)± 2~xT A~y

√(~xT A~y)2 − (~xT A~x)(~yT A~y)

(~xT A~y)2 − (~xT A~y)2 + (~xT A~x)(~yT A~y)

= 2D2(X, Y )− 1± 2D(X, Y )√

D2(X, Y )− 1 (12.9)=

(D(X, Y )±

√D2(X, Y )− 1

)2

. (12.10)(12.9) liefertDV (X, Y, P, Q) + DV (X, Y, Q, P ) = 4D2(X, Y )− 2 ,also die in P und Q symmetris he Darstellung

D2(X, Y ) =1

4

(DV (X, Y, P, Q) + 2 + DV (X, Y, Q, P )

)

=

{cos2 d(X, Y ) für eine Passante ,

cosh2 d(X, Y ) für eine Sekante .Wir unters heiden nun zwei Fälle.Fall 1: D(X, Y ) ≥ 0.Hier gilt na h (12.10) für eine Passante (man verwende die Euler's he Formel (9.1))DV (X, Y, P, Q) =

(cos d(X, Y ) +

√cos2 d(X, Y )− 1

)2

= ( cos d(X, Y ) + i sin d(X, Y ))2 = e2id(X,Y )bzw.d(X, Y ) =

1

2iln DV (X, Y, P, Q) .Für eine Sekante folgt entspre hend

DV (X, Y, P, Q) =

(cosh d(X, Y ) +

√cosh2 d(X, Y )− 1

)2

= ( cosh d(X, Y ) + sinh d(X, Y ))2 = e2d(X,Y )

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206 12 Abstands- und Winkelmetrikbzw.d(X, Y ) =

1

2lnDV (X, Y, P, Q) .Fall 2: D(X, Y ) ≤ 0.Analoge Re hnungen ergeben für eine Passante

d(X, Y ) =1

2ilnDV (X, Y, Q, P )und für eine Sekante

d(X, Y ) =1

2ln DV (X, Y, Q, P ) .Na h 4.1 Lemma 1 hat man also insgesamt für eine Passante

d(X, Y ) =

∣∣∣∣1

2iln DV (X, Y, P, Q)

∣∣∣∣ (12.11)und für eine Sekanted(X, Y ) =

∣∣∣∣1

2ln DV (X, Y, P, Q)

∣∣∣∣ . (12.12)Bem. 4 (i) Bei der Bere hnung des Abstandes d(X, Y ) von Punkten einer Passantemit Hilfe des Doppelverhältnisses ist zu bea hten, dass die komplexe Exponentialfunk-tion 2πi-periodis h ist. WegenDV (X, Y, P, Q) = e2id(X,Y ) = e2id(X,Y )+2iπk = e2i(d(X,Y )+kπ) (k ∈ Z)ist daher d(X, Y ) nur bis auf ein Vielfa hes von π bestimmt. Für genau ein k ∈ Z gilt

a := d(X, Y ) + kπ ∈ [0, π[ .Vertaus ht man P und Q (ersetzt man also das Doppelverhältnis dur h seinen Kehr-wert; siehe 4.1 Lemma 1), so ist d(X, Y ) dur h −d(X, Y ), also a dur hb := −d(X, Y ) + lπ ∈ [0, π[zu ersetzen.a + b = (k + l)π ∈ [0, 2π[liefert k + l = 0 (für a = b = 0) oder k + l = 1, also b = π − a. Die Voraussetzung

0 ≤ d(X, Y ) ≤ π2erzwingt also die Wahl der kleineren der beiden Mögli hkeiten.(ii) Da das Doppelverhältnis na h 9.4 Satz ni ht von der Wahl des Koordinatensystemsabhängt, ist der auf Passanten und Sekanten de�nierte Abstand koordinatenunabhän-gig. Ferner erfüllt er na h 4.1 Satz 6 die Additivitätseigens haft (12.5). Na h (i) istallerdings bei Passanten (bis auf das Vorzei hen) modulo π zu re hnen, das heiÿt

d(X, Z) = d(X, Y ) + d(Y, Z) ∈ [π

2, π[

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12.1 Abstände 207ist dur hπ − d(X, Z) = |d(X, Z)− π|zu ersetzen.Es bleiben no h die Tangenten zu untersu hen. Für diese gilt na h (12.6)

(~xT A~y)2 − (~xT A~x)(~yT A~y) = 0 ,also (siehe obiges Lemma)D2(X, Y ) = 1 .Für Tangenten ist diese Gröÿe somit ni ht zur Einführung eines Abstandsbegri�s ge-eignet. Hier muss man auf die weiteren in der Absolut�gur auftretenden Quadrikenzurü kgreifen, die bei Tangenten in einem singulären Punkt stets existieren. Tangentenin einem regulären Quadrikpunkt brau hen uns ni ht zu interessieren, da diese nur imFall [2.7℄ auftreten und wir dort das Innengebiet der Quadrik als S hauplatz gewählthaben.Eine Tangente in einem singulären Punkt heiÿt euklidis he Gerade. Diese Begri�s-bildung ist sinnvoll, da die euklidis he Ebene P 2

12|00 nur sol he Geraden enthält und derCayley-Klein-Raum P 111|00 selbst eine sol he Gerade ist.Eine euklidis he Gerade tri�t also na h De�nition die Spitze der ersten Quadrik Qn−1der Absolut�gur. Nur in der Flaggenebene kann es passieren, dass sie au h die Spitzeder zweiten Quadrik Q010 tri�t. Sol he Geraden heiÿen euklidis he Geraden 2. Art.Um zu sehen, wie man auf einer euklidis hen Geraden eine Metrik einführen kann,betra hten wir die uns bereits bekannten Fälle.[1.1℄ Zwei Punkte X(1, x1), Y (1, y1) der euklidis hen Geraden besitzen die a�nenKoordinaten ξ = x1 und η = y1 und damit den Abstand

d(X, Y ) = |ξ − η| = |x1 − y1| .[2.2℄ Zwei Punkte X(1, x1, x2), Y (1, y1, y2) der euklidis hen Ebene besitzen den Ab-standd(X, Y ) =

√(x1 − y1)2 + (x2 − y2)2 .[2.1℄ Zwei Punkte X(1, x1, x2), Y (1, y1, y2) der Flaggenebene besitzen für x1 6= y1 denAbstand

d(X, Y ) = |x1 − y1| .Ist XY au h eine euklidis he Gerade 2. Art, gilt also x1 = y1, verwendet man ersatz-weised(X, Y ) = |x2 − y2| .In den Cayley-Klein-Räumen [1.1℄ und [2.1℄�[2.5℄, die euklidis he Geraden besitzen, hatdie Absolut�gur die GestaltQn−1 ⊃ S ⊃ Q · · ·

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208 12 Abstands- und WinkelmetrikDie Quadrik Qn−1 sei gegeben dur h die Glei hung ~xT A~x = 0, die Quadrik Q in Sdur h ~xTs As~xs = 0. Die Spitze S kann sein(a) die Hyperebene x0 = 0 ([1.1℄, [2.1℄�[2.3℄),(b) der Punkt x0 = x1 = 0 ([2.4℄, [2.5℄).Liegt Fall (a) vor, tri�t also die euklidis he Gerade X(x0, . . .)Y (y0, . . .) die Hyperebene

x0 = 0, so kann man wie gesehen x0 = y0(= 1) wählen. Im Fall (b) erhält man aus

001

= λ

x0

x1

x2

+ µ

y0

y1

y2

die Beziehung ∣∣∣∣x0 y0

x1 y1

∣∣∣∣ = 0 ,weshalb man o. E.x0 = y0 , x1 = y1voraussetzen kann. Wie im Fall (a) kann man au h im Fall (b) zusätzli h die Normie-rung

~xT A~x = ±1dur hführen. Dies führt zu den in Tabelle 12.1 aufgeführten Normierungen.Na h diesen Vorbereitungen de�nieren wird(X, Y ) :=

√|(~xs − ~ys)T As(~xs − ~ys)| .Was dies für die einzelnen Räume bedeutet, ist in der letzten Spalte der Tabelle 12.1na hzulesen.In der Flaggenebene gibt es neben den euklidis hen Geraden au h euklidis he Geraden2. Art. Bei diesen muss man no h einen S hritt weiter gehen und die dritte Quadrikbetra hten, die dann

d(X, Y ) = |x2 − y2|liefert.Bem. 5 Ist τ eine Bewegung, so ist τ |S eine Bewegung in S. Somit ist die Metrikauf euklidis hen Geraden bewegungsinvariant. Wie die euklidis he Ebene zeigt, ist sieallerdings im Unters hied zu den Metriken auf Passanten und Sekanten ni ht ähnli h-keitsinvariant. In der Flaggenebene, der quasielliptis hen und der quasihyperbolis henEbene folgt die Additivität (12.5) der Metrik aus der Tabelle 12.1 oder 12.2. Für dieeuklidis he Ebene ist sie bekannt (und lei ht na hzure hnen), für die Minkowski-Ebenefolgt sie analog.A Wir haben gesehen (siehe Bem. 1 und 2), dass auf Sekanten und Passanten (12.4) gilt.Auf diesen Geraden gibt es also keine Punkte X, Y mitX 6= Y und d(X, Y ) = 0 . (12.13)

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12.1 Abstände 209Dass dies auf Tangenten (also auf euklidis hen Geraden) anders aussehen kann, besagtder folgendeSatz und Def. (i) Nur in der Minkowski-Ebene gibt es Punkte gemäÿ (12.13).(ii) Für Punkte X, Y der Minkowski-Ebene gilt d(X, Y ) = 0 genau dann, wenn X mit Yzusammenfällt oder die Gerade XY die (zweite) QuadrikQ0

21 = {P (0, 1, 1), Q(0, 1,−1) }tri�t. Eine sol he Gerade heiÿt isotrop.Beweis: (i) Da Punkte gemäÿ (12.13) nur auf euklidis hen Geraden auftreten können,zeigt die Tabelle 12.1, dass es hö hstens in den Räumen [2.3℄�[2.5℄ sol he Punkte gebenkann. Da auÿerdem in den Räumen [2.4℄ und [2.5℄ die Normierung x0 = y0 und x1 = y1unterstellt wird, bleibt nur die Minkowski-Ebene übrig. Damit folgt (i) aus (ii).(ii) Sei X 6= Y . Mit der Normierung x0 = y0 = 1 gilt dannd(X, Y ) = 0 ⇐⇒ (x1 − y1)

2 = (x2 − y2)2

⇐⇒ x1 − y1 = ±(x2 − y2)

⇐⇒ x1 ∓ x2 = y1 ∓ y2

⇐⇒ X, Y liegen auf einer der Geraden x1 ∓ x2 = c = cx0

⇐⇒ P (0, 1, 1) ∈ XY oder Q(0, 1,−1) ∈ XY . �Bem. 6 Genau in der Flaggenebene [2.1℄ und in der Minkowski-Ebene [2.3℄ gibt esTangenten der ersten Quadrik, die au h Tangenten der zweiten Quadrik sind. Wäh-rend jedo h in der Minkowski-Ebene der Berührpunkt ein regulärer Punkt der zweitenQuadrik ist, liegt in der Flaggenebene ein singulärer Punkt vor. Die Gerade ist alsoeine euklidis he Gerade dieser Quadrik, weshalb eine Ersatzmetrik eingeführt werdenkann.Wie die Tabelle 12.1 zeigt, kann man die bei den euklidis hen Geraden nötige Normie-rung au h bei Passanten und Sekanten verwenden, um die Abstandsmetrik zu verein-fa hen. In der Tabelle 12.2 sind die Ergebnisse zusammengestellt. Die Normierung inden (quasi)hyperbolis hen Räumen ergibt si h aus Bem. 3.Bem. 7 (i) Die Tabelle 12.2 zeigt, dass euklidis he Geraden (au h sol he 2. Art)unendli h lang sind.(ii) Aus (9.7) folgtlim

Y →PDV (X, Y, P, Q) =∞ , lim

Y →QDV (X, Y, P, Q) = 0 .Für Punkte X, Y einer Sekante gilt daher

limY →P

d(X, Y ) = limY →P

∣∣∣∣1

2ln DV (X, Y, PQ, Q

P)

∣∣∣∣ =∞ .

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210 12 Abstands- und WinkelmetrikC-K-Raum Normierung Passanten Sekanten eukl. Geraden

cos d(X, Y ) = cosh d(X, Y ) =|D(X, Y )| d(X, Y ) =D(X, Y ) =Geraden[1.1℄ euklidis h

sx0 = 1 |x1 − y1|[1.2℄ elliptis h

x20 + x2

1 = 1 x0y0 + x1y1[1.3℄ hyperb.c c

x20 − x2

1 = ±1 x0y0 − x1y1Ebenen[2.1℄ Flaggen-x0 = 1

|x1 − y1|s |x2 − y2|, falls x1 = y1[2.2℄ euklidis h

x0 = 1√

(x1−y1)2 + (x2−y2)2[2.3℄Minkowskic c x0 = 1

√|(x1−y1)2 − (x2−y2)2|[2.4℄ quasiell.

s

x20 + x2

1 = 1 x0y0 + x1y1 |x2 − y2|[2.5℄ quasihyp.s

x20 − x2

1 = ±1 x0y0 − x1y1 |x2 − y2|[2.6℄ elliptis hx2

0 + x21 + x2

2 = 1 x0y0 + x1y1 + x2y2[2.7℄ hyperbol.x2

0 + x21 − x2

2 = −1 x0y0 + x1y1 − x2y2Tabelle 12.2: Abstandsmetrik mit normierten Koordinaten

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12.2 Dualitätsbeziehungen und Winkelmessung 211Sekanten sind somit ebenfalls unendli h lang.Auf die Länge von Passanten gehen wir später ein (siehe 12.2 Bem. 1).12.2 Dualitätsbeziehungen und WinkelmessungDie Cayley-Klein-Geraden sind dur h Angabe ihrer Bewegungen und ihrer Abstands-metrik vollständig bes hrieben. In den Cayley-Klein-Ebenen ist dagegen no h zu klären,wie die Winkel zwis hen zwei Geraden zu messen sind. Zur Einführung einer Winkelme-trik in diesen Räumen verwenden wir ihre Abstandsmetrik sowie das Dualitätsprinzipder projektiven Ebenen.Na h 8.3 Satz 1 ist das duale Bild einer reellen projektiven Ebene wieder eine reelleprojektive Ebene. Das duale Bild der Punkte einer Geraden G ist ein Geradenbüs helΓ. Aus dem Abstand zweier Punkte von G wird dadur h der Abstand zweier Gera-den des Büs hels, den wir wie übli h alsWinkel zwis hen diesen Geraden bezei hnen.Kennt man daher das duale Bild eines Cayley-Klein-Raums, so kennt man au h dieWinkelmetrik in diesen Räumen. Dieses duale Bild werden wir im Folgenden bestim-men.Da der Dualraum eine reelle projektiven Ebene ist, hat er als Cayley-Klein-Raum eineder Gestalten [2.1℄ � [2.7℄. Um diese zu bestimmen, betra hten wir zunä hst die Spitzender auftretenden Quadriken. Ergänzt man sie dur h den Gesamtraum P2 (der Vereini-gung aller Punkte) und die dazu duale leere Menge (als Dur hs hnitt aller Geraden),ergeben si h die folgenden Fälle (siehe Tabelle 11.2).P2 ⊃ S1 ⊃ S0 ⊃ ∅ dual←→ ∅ ⊂ S0 ⊂ S1 ⊂ P2P2 ⊃ S1 ⊃ ∅ dual←→ ∅ ⊂ S0 ⊂ P2P2 ⊃ S0 ⊃ ∅ dual←→ ∅ ⊂ S1 ⊂ P2P2 ⊃ ∅ dual←→ ∅ ⊂ P2Man sieht unmittelbar [2.1℄ dual←→ [2.1℄ .Ferner ist jede der Ebenen [2.2℄, [2.3℄ zu einer der Ebenen [2.4℄, [2.5℄ dual (und um-gekehrt). Da zwei vers hiedenen reellen Punkten auf einer (Doppel)geraden dual zweivers hiedene Geraden dur h einen (Doppel)punkt zugeordnet sind, zeigt ein Bli k aufdie Absolut�guren (siehe Tabelle 12.2)[2.2℄ dual←→ [2.4℄ ,[2.3℄ dual←→ [2.5℄ .Die Bezei hnungen �dual-euklidis he Ebene� und �dual-pseudoeuklidis he Ebene� inTabelle 11.2 sind daher gere htfertigt.

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212 12 Abstands- und WinkelmetrikS hlieÿli h sind die Ebenen [2.6℄ und [2.7℄ entweder selbst- oder zueinander dual. Wieoben sieht man [2.6℄ dual←→ [2.6℄ ,[2.7℄ dual←→ [2.7℄ .Diese Dualitätsbeziehungen enthalten alle Informationen für die Einführung der Win-kelmetrik, mit der wir uns im Folgenden genauer bes häftigen werden. Wir verwendendabei die normierten Koordinaten der Tabelle 12.2 und fassen die Ergebnisse in derTabelle 12.3 zusammen.cos d(G, H) = cosh d(G, H) =C-K-Ebene Normierung |D(G, H)| d(G, H) =

D(G, H) =[2.1℄ Flaggen- falls g2 6=0: g2 = 1|g1 − h1|

s |g0 − h0|, falls g1 = h1sonst: g1 = 1 |g0 − h0|[2.2℄ euklidis hg21 + g2

2 = 1 g1h1 + g2h2|g0 − h0|falls parallel[2.3℄Minkowski

c c g21 − g2

2 = ±1 g1h1 − g2h2|g0 − h0|falls parallel[2.4℄ quasiell.

sfalls g2 6=0: g2 = 1

√(g0−h0)2 + (g1−h1)2sonst: g2

0+g21 = 1 g0h0 + g1h1[2.5℄ quasihyp.

sfalls g2 6=0: g2 = 1

√|(g0−h0)2 − (g1−h1)2|sonst: g2

0−g21 = 1 g0h0 − g1h1[2.6℄ elliptis h

g20 + g2

1 + g22 = 1 g0h0 + g1h1 + g2h2[2.7℄ hyperbol.

g20 + g2

1 − g22 = −1 g0h0 + g1h1 − g2h2Tabelle 12.3: Winkelmetrik mit normierten Koordinaten

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12.2 Dualitätsbeziehungen und Winkelmessung 213(a1) Wir betra hten zunä hst zwei GeradenG : g0x0 + g1x1 + g2x2 = 0 , (g1, g2) 6= (0, 0) ,

H : h0x0 + h1x1 + h2x2 = 0 , (h1, h2) 6= (0, 0) ,der euklidis hen Ebene [2.2℄. Ihre dualen Bilder sind Punkte der quasielliptis hen Ebene[2.4℄. Daher ist die Normierungg21 + g2

2 = h21 + h2

2 = 1vorzunehmen (also die Hesse's he Normalform zu bilden). Man bea hte die Index-transformation, die si h ergibt, da si h bei der Dualisierung die Inklusion umkehrt unddaher die erste Quadrik zur zweiten wird und umgekehrt. Also sind die Indexmengen{0, 1} und {2} dur h die Indexmengen {0} und {1, 2} zu ersetzen.Liegt der S hnittpunkt der Geraden G, H im Unterraum S1, so liegen die dualen Bilderdual−→dual−→dual−→dual−→

ue

G1 H1

e

`

`

`

`

`

`

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`

`

`

`

`

e

`

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`

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`

`

`

G2 H2

e

e

Gd1

Hd1

e

``````

e

``````

``````

Gd2

Hd2

Abbildung 12.1: Dualität zwis hen euklidis her und quasielliptis her Ebeneauf einer euklidis hen Geraden. (Man betra hte die Geraden G1, H1 in der Abbildung12.1.) Dies ergibt die Metrikd(G, H) = |g0 − h0| .In der euklidis hen Interpretation bedeutet dies, dass parallelen Geraden ihr euklidi-s her Abstand als Metrik zugewiesen wird.Liegt der S hnittpunkt der Geraden G, H ni ht im Unterraum S1 (man betra hte dieGeraden G2, H2), so ist die Verbindungsgerade ihrer dualen Bilder eine Passante, wasdie Metrik

cos d(G, H) = |g1h1 + g2h2|ergibt. In der euklidis hen Interpretation bedeutet dies wegen der vorliegenden Normie-rung, dass s hneidenden Geraden ihr euklidis her Winkel als Metrik zugewiesen wird.

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214 12 Abstands- und Winkelmetrikcc c

c

cc

c ccc

c

cAbbildung 12.2: Äquidistante PunkteBem. 1 Da die Geraden G, H den Unterraum S1 in den Punkten (0, g2,−g1) bzw.(0, h2,−h1) s hneiden, zeigt ein Verglei h mit Tabelle 12.1: Der Winkel s hneidendereuklidis her Geraden stimmt mit dem (elliptis hen) Abstand ihrer S hnittpunkte mitder Absolutgeraden überein. Damit lässt si h auf einer elliptis hen Geraden lei ht eineSkala äquidistanter Punkte erzeugen (siehe Abbildung 12.2). Abbildung 12.2 zeigt au h,dass die elliptis he Gerade und damit jede Passante eines Cayley-Klein-Raums dieLänge π besitzt.

u dual−→dual−→dual−→dual−→G2 H2

e

`

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`

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e

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`

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`

`

G1 H1

e e

Gd2 Hd

2

e

``````

e

``````

``````

Gd1

Hd1

Abbildung 12.3: Dualität zwis hen quasielliptis her und euklidis her Ebene(a2) Nun gehen wir umgekehrt von zwei Geraden G, H der quasielliptis hen Ebene[2.4℄ aus. Hat man zwei PassantenG : g0x0 + g1x1 + g2x2 = 0 , g2 6= 0 ,

H : h0x0 + h1x1 + h2x2 = 0 , h2 6= 0(die S0(0, 0, 1) ni ht tre�en), so sind ihre dualen Bilder Punkte der euklidis hen Ebene[2.2℄. (Man betra hte die Geraden G1, H1 in der Abbildung 12.3.) Es ist daher dieNormierungg2 = h2 = 1

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12.2 Dualitätsbeziehungen und Winkelmessung 215vorzunehmen und die Metrikd(G, H) =

√(g0 − h0)2 + (g1 − h1)2zu verwenden. Zwei euklidis hen Geraden

G : g0x0 + g1x1 = 0 ,

H : h0x0 + h1x1 = 0der quasielliptis hen Ebene werden zwei Punkte des (dur h x2 = 0 gegebenen) Unter-raums S1 zugeordnet (man betra hte die Geraden G2, H2). Dieser ist als Cayley-Klein-Raum eine elliptis he Gerade, was die Normierungg20 + g2

1 = h20 + h2

1 = 1und die Metrikcos d(G, H) = |g0h0 + g1h1|ergibt. dual−→dual−→dual−→dual−→

ue

G1 H1

e

`

`

`

`

`

`

`

`

`

`

`

`

`

`

e

`

`

`

`

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`

`

`

`

`

`

`

`

`

G2 H2

e

e

Gd1

Hd1

e

``````

e

``````

``````

Gd2

Hd2

Abbildung 12.4: Dualität zwis hen Minkowski- und quasihyperbolis her Ebene(b1) Die entspre henden Beziehungen zwis hen der Minkowski-Ebene und der qua-sihyperbolis hen Ebene lassen si h nun lei ht angeben. Wir betra hten zunä hst zweiGeradenG : g0x0 + g1x1 + g2x2 = 0 , (g1, g2) 6= (0, 0) ,

H : h0x0 + h1x1 + h2x2 = 0 , (h1, h2) 6= (0, 0) ,der Minkowski-Ebene [2.3℄. Ihre dualen Bilder sind Punkte der quasihyperbolis henEbene [2.5℄. Daher ist die Normierungg21 − g2

2 = h21 − h2

2 = ±1vorzunehmen.

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216 12 Abstands- und WinkelmetrikLiegt der S hnittpunkt der Geraden G, H im Unterraum S1, so liegen die dualen Bilderauf einer euklidis hen Geraden. (Man betra hte die Geraden G1, H1 in der Abbildung12.4.) Die liefert die Metrikd(G, H) = |g0 − h0| .Andernfalls (man betra hte G2, H2) ist die Verbindungsgerade ihrer dualen Bilder eineSekante, was die Metrik

cosh d(G, H) = |g1h1 − g2h2|ergibt.u dual−→dual−→dual−→dual−→

G2 H2

e

`

`

`

`

`

`

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`

`

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`

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e

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`

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`

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`

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`

`

G1 H1

e e

Gd2 Hd

2

e

``````

e

``````

``````

Gd1

Hd1

Abbildung 12.5: Dualität zwis hen quasihyperbolis her und Minkowski-Ebene(b2) Wir gehen nun umgekehrt von zwei SekantenG : g0x0 + g1x1 + g2x2 = 0 , g2 6= 0 ,

H : h0x0 + h1x1 + h2x2 = 0 , h2 6= 0 ,der quasihyperbolis hen Ebene [2.5℄ aus. (Man betra hte die Geraden G1, H1 der Ab-bildung 12.5). Da ihre dualen Bilder Punkte der Minkowski-Ebene [2.3℄ sind, ist nundie Normierungg2 = h2 = 1vorzunehmen und die Metrik

d(G, H) =√|(g0 − h0)2 − (g1 − h1)2|zu verwenden. Zwei euklidis hen Geraden

G : g0x0 + g1x1 = 0 ,

H : h0x0 + h1x1 = 0der quasihyperbolis hen Ebene (man betra hte G2, H2) werden zwei Punkte des (dur hx2 = 0 gegebenen) Unterraums S1 zugeordnet. Dieser ist als Cayley-Klein-Raum einehyperbolis he Gerade, was die Normierung

g20 − g2

1 = h20 − h2

1 = ±1

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12.2 Dualitätsbeziehungen und Winkelmessung 217und die Metrikcosh d(g, h) = |g0h0 − g1h1|ergibt.( ) Da die elliptis he Ebene [2.6℄ ebenso wie die hyperbolis he Ebene [2.7℄ selbstdualist, lassen si h hier die Winkelmetriken direkt angeben (siehe Tabelle 12.3).

u dual←→dual←→dual←→dual←→

ue

G1 H1

G3 H3

e

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`

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e

`

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`

G2 H2

e

e

Gd1

Hd1

e e

Gd3 Hd

3

e

``````

e

``````

``````

Gd2

Hd2

Abbildung 12.6: Dualitätsbeziehungen in der Flaggenebene(d) Es bleibt somit no h die Flaggenebene [2.1℄ zu betra hten. Hat man zwei euklidis heGeradenG : g0x0 + g1x1 + g2x2 = 0 , g2 6= 0 ,

H : h0x0 + h1x1 + h2x2 = 0 , h2 6= 0(die S0(0, 0, 1) ni ht tre�en), so liegen die dualen Bilder auf einer Geraden der Flaggen-ebene, was die Normierungg2 = h2 = 1erfordert. Liegt der S hnittpunkt G∩H auf S1 (gilt also g1 = h1), so liegen die dualenBilder auf einer euklidis hen Geraden 2. Art (man betra hte die Geraden G1, H1 in derAbbildung 12.6). Dies ergibt die Metrik

d(G, H) = |g0 − h0| .Andernfalls (man betra hte die Geraden G2, H2) erhält man eine euklidis he Geradeund die Metrikd(G, H) = |g1 − h1| .In der euklidis hen Interpretation heiÿt dies, dass der Abstand von Parallelen, die ni htzur y-A hse parallel sind, stets in y-Ri htung gemessen wird. Die dualen Bilder zweiereuklidis her Geraden

G : g0x0 + g1x1 = 0 , g1 6= 0 ,

H : h0x0 + h1x1 = 0 , h1 6= 0 ,

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218 12 Abstands- und Winkelmetrik2. Art dur h S0(0, 0, 1) liegen auf dem dur h x2 = 0 gegebenen Unterraum S1 (manbetra hte die Geraden G3, H3 in der Abbildung 12.6). Als Cayley-Klein-Raum ist diesereine euklidis he Gerade, was die Normierungg1 = h1 = 1und die Metrik

d(G, H) = |g0 − h0|liefert. In der euklidis hen Interpretation bedeutet dies, dass Geraden, die zur y-A hseparallel sind, ihr euklidis her Abstand als Metrik zugewiesen wird.Bem. 2 Man bea hte, dass in Ebenen mit vers hiedenen Geradentypen ein Abstandnur zwis hen Geraden desselben Typs eingeführt wurde.12.3 A�ne S hauplätzeDer kanonis he S hauplatz einer Cayley-Klein-Geometrie ist eine Teilmenge eines pro-jektiven Raums. In den Fällen [1.1℄ und [2.1℄�[2.3℄ hatte diese die Struktur eines a�nenRaums. Die Normierungen der Tabellen 12.2 und 12.3 gestatten es, au h in den übrigenFällen a�ne S hauplätze anzugeben.Gerade Normierung S hauplatz Metrik Bewegungen[1.1℄ euklidis hes

x0 = 1 a�ne Gerade d(X, Y ) = |x1 − y1| TranslationenSpiegelungen[1.2℄ elliptis he x20 + x2

1 = 1 Kreis mit ident. cos d(X, Y ) =Gegenpunkten |x0y0 + x1y1| siehe (11.11)(Kreisbogen)[1.3℄ hyperbol. x20 − x2

1 = ±1 Hyperbel- cosh d(X, Y ) =c c ast |x0y0 − x1y1| siehe (11.4)(Hyperbelbogen)Tabelle 12.4: A�ne S hauplätze: GeradenWir beginnen mit den Geraden (siehe Tabelle 12.4 und Abbildung 12.7). Der Übergangvon der projektiven zur a�nen Geraden im Fall [1.1℄ ist klar. In den beiden anderenFällen gehen wir von den Punkten der projektiven Geraden über zu den Geraden desE2 dur h O. Im Fall [1.2℄ bes hreibt dann die Normierungsbedingung x2

0 +x21 = 1 einenKreis in der euklidis hen Ebene. Wegen [~x] = [−~x] sind dabei Gegenpunkte zu identi-�zieren. Im Fall [1.3℄ bes hreibt jede der Glei hungen x2

0−x21 = ±1 in der euklidis henEbene eine glei hseitige Hyperbel. Da Gegenpunkte wieder zu identi�zieren sind, erhältman als S hauplatz einen Hyperbelast. Na h 12.1 Bem. 3 ist es unerhebli h, für wel heder beiden Normierungen man si h ents heidet.

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12.3 Affine S hauplätze 219c x1

x0

ccc c c x0 = 1c

c

cc

Abbildung 12.7: A�ne S hauplätze der Cayley-Klein-GeradenWenden wir uns nun den Ebenen zu. Hier sind die Fälle [2.1℄ � [2.3℄ klar, da wir hierbereits die a�ne Ebene als S hauplatz kennen. Die Tabelle 12.5 zeigt no hmals dieErgebnisse.C-K-Ebene Abstandsmetrik Bewegungen[2.1℄ Flaggenebene |x1 − y1| S herungen,s |x2 − y2|, falls x1 = y1 Translationen,A hsenspiegelungen[2.2℄ euklidis he Ebene √

(x1 − y1)2 + (x2 − y2)2 euklidis hsiehe (11.14)[2.3℄ Minkowski-Ebenec c

√(x1 − y1)2 − (x2 − y2)2 siehe (11.15)Tabelle 12.5: Cayley-Klein-Geometrien in der a�nen EbeneUm a�ne S hauplätze für die Räume [2.4℄ � [2.7℄ herzuleiten, gehen wir aus von 8.1Beispiel 2 und ersetzen die Punkte des P2(R) dur h die Geraden des E3 dur h O.Man veri�ziert damit lei ht die in der Tabelle 12.6 aufgelisteten Ergebnisse für diequasielliptis he und die quasihyperbolis he Ebene. Die Abbildung 12.8 zeigt in derquasielliptis hen Ebene den Abstand d1 = d(X1, Y1) von Punkten einer Passante sowieden Abstand d2 = d(X2, Y2) von Punkten einer euklidis hen Geraden.Es bleiben no h die elliptis he Ebene [2.6℄ und die hyperbolis he Ebene [2.7℄ zu be-tra hten (siehe Tabelle 12.7). Die Glei hung x2

0 + x21 + x2

2 = 1 der Einheitskugel des

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220 12 Abstands- und WinkelmetrikC-K-Ebene Norm. S hauplatz Geraden Abstandsmetrik[2.4℄ quasiellipt. x2

0+ x2

1= 1 Kreiszylinder S hnitte mit cos d(X, Y ) =

s mit ident. Ebenen dur h O; |x0y0 + x1y1|Gegen-punkten euklid. Geraden:Zylindererzeugende eukl.: |x2 − y2|[2.5℄ quasihyp. x2

0− x2

1= 1 halber S hnitte mit coshd(X, Y ) =

s hyperbol. Ebenen dur h O |x0y0 − x1y1|Zylinder euklid. Geraden:Zylindererzeugende eukl.: |x2 − y2|Tabelle 12.6: A�ne S hauplätze der quasielliptis hen und quasihyperbolis hen Ebenec

c

c

c

Y1

X1

d1

X2

Y2

d2

c

cc

Abbildung 12.8: Punktmetrik in der quasielliptis hen Ebeneeuklidis hen Raums um den Ursprung O liefert das erste a�ne Modell der elliptis henEbene. Gegenpunkte sind wieder zu identi�zieren. Wir betra hten nun die dur h x2 ≥ 0gegebene obere Halbkugel Σo sowie die Abbildung{

Σo → E2

(x0, x1, x2) 7→ (x0, x1).Wegen x2

0 + x21 ≤ 1 ist das Bild das Innere und der Rand des Einheitskreises um O.Punkte sind nun die Punkte im Kreisinneren sowie Gegenpunktpaare auf dem Kreis-rand.Um ein a�nes Modell der hyperbolis hen Ebene zu erhalten, gehen wir aus vom pro-jektiven S hauplatz, der dur h

x20 + x2

1 − x22 < 0 (12.14)gegeben ist. Die wegen (12.14) mögli he Normierung x2

0 + x21− x2

2 = −1 und die nötige

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12.3 Affine S hauplätze 221Normierung S hauplatz Geraden Metrik[2.6℄ x2

0+ x2

1+ x2

2= 1 Kugel mit S hnitte mit cos d(X, Y ) =elliptis he identi�zierten Ebenen dur h O, |x0y0 + x1y1 + x2y2|Ebene Gegenpunkten also Groÿkreise (Kreisbogen)Inneres undRand desEinheitskreises[2.7℄ x2

0+ x2

1− x2

2= −1 S hale eines S hnitte mit coshd(X, Y ) =hyperbol.Ebene zweis haligenHyperboloids Ebenen dur h O,also Hyperbeln |x0y0 + x1y1 − x2y2|

x2 = 1 Inneres I des S hnitte (12.12)Einheitskreises a�ner Geradenmit I(Modell von Klein)Tabelle 12.7: A�ne S hauplätze der elliptis hen und hyperbolis hen EbeneIdenti�zierung von Gegenpunkten liefert als ersten a�nen S hauplatz eine S hale eineszweis haligen Hyperboloids.Wegen (12.14) gilt x2 6= 0, weshalb au h die Normierung x2 = 1 zulässig ist. Mitanderen Worten: Man kann die Gerade G : x2 = 0 wählen, die den projektiven S hau-platz ni ht tri�t, und zur a�nen Ebene A2 = P2 \G übergehen. Damit lautet (12.14)

x20 + x2

1 < 1. Dadur h wird das Innere I des Einheitskreises zum S hauplatz (sieheau h 10.1 Bem. 5). Die Geraden dieses Modells sind die S hnitte a�ner Geraden mit I.Die Längenmessung (12.12) mit Hilfe des Doppelverhältnisses bleibt erhalten. Damitstimmt dieses Modell mit dem Modell von Klein (siehe Abs hnitt 7.3) überein, weshalbau h die Bezei hnung �hyperbolis he Ebene� für diese Cayley-Klein-Ebene korrekt ist.Bem. Das letztgenannte Modell der hyperbolis hen Ebene zeigt, wie man einfa hwesentli h allgemeinere Geometrien als die hier betra hteten erhalten kann. Man ersetztdas Innere des Einheitskreises dur h eine beliebige strikt konvexe o�ene Menge M ⊂ A2(also dur h eine konvexe Menge, deren Rand keine Stre ken enthält). Dann kann mananalog als Geraden die S hnitte von a�nen Geraden mit M nehmen und auf ihnen wiegewohnt mit Hilfe des Doppelverhältnisses den Abstand von Punkten messen.Wie man zu weiteren Modellen der hyperbolis hen Ebene kommt, wurde bereits imAbs hnitt 7.3 gezeigt.

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Indexabges hlossene Halbgerade, 103abges hlossene Stre ke, 103absolute Ebene, 101Absolut�gur, 185Abstand, 101, 118orientierter, 7sphäris her, 66Abstandsaxiome, 102Abstandslinien, 125A hse, 82imaginäre, 81reelle, 81Additionstheoremdes Sinus, 18a�ne Gruppe, 39Ähnli hkeit, 39, 187Ähnli hkeitsfaktor, 190Alexandria, 23Anordnungsaxiom, 104Antipoden, 65Apollonios, 23, 54Ar himedes, 23Aristoteles, 26Ast einer Hyperbel, 81Asymptoten, 92Augpunkt, 58Auÿenberei h, 78, 80, 82Auÿengebiet, 182Auÿenwinkel, 116Axiom, 25, 27Basiswinkel, 112Bewegung, 39, 40, 106, 190eigentli he, 40uneigentli he, 40Bewegungsaxiom, 108Bewegungsgruppe, 40

Bildebene, 55, 58Bli kri htung, 58Blo k, 98Brennpunkt, 77, 80, 82Brennstrahlen, 89Cayley-Klein-Raum, 185, 187Ceva, 9 osinus hyperboli us, 164Dandelin, 75deduktiv, 26Desargues, 153Desargues-Ebene, 153Dimensionssatz, 162Distanz, 58Dodekaeder, 69Doppelverhältnis, 60doppelverhältnistreu, 171Drehspiegelung, 42Drehungum eine Gerade, 41, 42um einen Punkt, 41, 109Dreie k, 8�22, 104dual-euklidis he Ebene, 194dual-pseudoeuklidis he Ebene, 194duale Aussage, 150duale Geometrie, 150Dualitätsprinzip, 150, 151Ebeneabsolute, 101Desargues-, 153dual-euklidis he, 194dual-pseudoeuklidis he, 194elliptis he, 194euklidis he, 101, 194hyperbolis he, 129, 194

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226 Indexisotrope, 194Lobats hewski-, 129, 194Minkowski-, 194Pappus-, 155projektive, 147pseudoeuklidis he, 194quasielliptis he, 194quasihyperbolis he, 194Riemann-, 194Ebenenspiegelung, 41, 42E ktransversale, 8eigentli her Punkt, 59einfa h, 99Einheitspunkt, 166Ellipse, 180elliptis he Ebene, 194elliptis he Gerade, 190Endpunkt, 103Entzerrung, 58Erlanger Programm, 39Erzeugende, 180Eudoxos, 23, 25Euklid, 23, 33, 70Elemente, 25�35euklidis he Ebene, 101, 194euklidis he Gerade, 190, 207euklidis he Gerade 2. Art, 207Euler, 33, 71Euler-Charakteristik, 74Euler's he Formel, 163Euler's he Gerade, 12Euler's he Polyederformel, 71Exzentrizitätlineare, 77, 80numeris he, 88Fahne, 108Fahnensatz, 109Fasskreisbogen, 5Fermat, 33Fermat-Torri elli-Punkt, 14Ferngerade, 59, 187Fernhyperebene, 172Fernpunkt, 59, 172, 187Feuerba h's her Kreis, 12

Figur, 185Flä heeines Dreie ks, 16, 19�ä hentreu, 39Flaggenebene, 194Flu htgerade, 60Flu htpunkt, 60F -Projektivität, 185freier S henkel, 121Frobenius, 149Fuÿpunkt, 114Galilei, 27Gar�eld, 17Gauÿ, 32, 33Gegenpunkte, 65Geometrie, 99duale, 150euklidis he, 26Gerade, 98elliptis he, 190euklidis he, 190, 2072. Art, 207hyperbolis he, 190Geradenbüs hel, 62Geradenspiegelung, 41, 109geradentreu, 171Ges hle ht, 74Gleitspiegelung, 40�42Goldener S hnitt, 35Grenzparallele, 131Grenzwinkel, 131Groÿkreis, 65Grundpunkt, 166Grundriss, 143Gruppeprojektive, 170H-Abstand, 133H-Bewegungen, 134H-Gerade, 133H-Punkt, 133Halbebene, 104abges hlossene, 104o�ene, 104Halbgerade, 103

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Index 227abges hlossene, 103o�ene, 103harmonis he Trennung, 63Haupta hse, 78Hauptebene, 55, 58Hauptgerade, 92Hauptkreis, 92Hauptlinie, 55, 58Hauptpunkt, 58Helmholtz, 108Hesse's he Normalform, 213Hexaeder, 69Hilbert, 29Hippokrates, 21, 23, 25Höhensatz, 14homogene Koordinaten, 166Homogenitätsfaktor, 166Horizont, 60Hyperbel, 80, 180hyperbolis he Ebene, 129, 194hyperbolis he Gerade, 190Hypothese vom re hten Winkel, 125Ikosaeder, 69imaginäre A hse, 81in allgemeiner Lage, 164Index, 179inhomogene Koordinate, 167Inkreismittelpunkt, 11Innenberei h, 78, 80, 82Innengebiet, 182Innenwinkel, 116Innereseines Dreie ks, 105eines Winkels, 106Invariantenproblem, 179Inversion am Kreis, 49Involution, 49, 109Inzidenzaxiome, 101, 147, 150Inzidenzstruktur, 98inzidieren, 98isomorph, 99isotrop, 209Kathetensatz, 14Kegels hnitt, 75, 175

Klassi�kationsproblem, 179Klein, 39Klein's he Vierergruppe, 43kollinear, 101Kolmogorov, 97konformes Modell, 140kongruent, 110Kongruenzsatzsss, 111sws, 111wsw, 111www, 130Konstruierbarkeit, 32KonstruktionenGoldener S hnitt, 36re hter Winkel, 15regelmäÿiges Fünfe k, 36konvex, 103Koordinatenhomogene, 166inhomogene, 167projektive, 166Koordinatensystemprojektives, 166Kugeldreie k, 66Kugelzweie k, 66Längeeiner Stre ke, 103Legendre, 122Leitgerade, 82Leitkreis, 83, 84linear additiv, 201linear unabhängig, 164lineare Exzentrizität, 77, 80Linearform, 149Lobats hewski-Ebene, 129, 194Lot, 113Lotfuÿpunkt, 114Menelaos, 8metris her Raum, 102Minimalmodell, 102, 148Minkowski-Ebene, 194Mittelpunkt, 112Mittelpunktswinkel, 4

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228 IndexMittelpunktswinkelsatz, 4Mittelsenkre hte, 114Möbius-Ebene, 53Möbius-Kreis, 53Mönd hen des Hippokrates, 21Nebena hse, 78Nebenwinkel, 112ni hteuklidis h, 129Normalformeiner Quadrik, 179Hesse's he, 213Normalformenproblem, 179Normalprojektion, 55Normalriss, 55Normierungsfaktor, 166nullteilig, 179Nullwinkel, 106numeris he Exzentrizität, 88o�en-e Halbebene, 104-e Halbgerade, 103-e Stre ke, 103Oktaeder, 69Ordnung, 152orientierter Abstand, 7orthogonal, 113Pappus, 155Pappus-Ebene, 155Parabel, 82, 180parallel, 101Parallelenaxiom, 110euklidis hes, 27hyperbolis hes, 129Parallelprojektion, 55Parallelvers hiebung, 109Pas h, 104Passante, 180pen il, 62Peripheriewinkel, 4Perspektive, 58Platon, 26Platonis he Körper, 69Polyeder, 69

reguläres, 69, 71Postulat, 25, 27PrimzahlFermat's he, 33Projektion, 55Projektionsri htung, 55Projektionsstrahl, 55, 58Projektionszentrum, 58projektive Ebene, 147über einem Körper, 153projektive Gruppe, 170projektive Koordinaten, 166projektiver Raum über einem (S hief)-körper, 161projektiver Unterraum, 161projektives Koordinatensystem, 166Projektivität, 170projizierend, 55, 58Proposition, 26pseudoeuklidis he Ebene, 194Ptolemaios I. Soter, 23Ptolemäus, 23Punkt, 98inverser, 49uneigentli her, 133punktperspektiv, 153Punktspiegelung, 41, 42, 109Pythagoras, 15, 23Quadrik, 175komplex erweiterte, 176Quadrikpunktregulärer, 182singulärer, 182quasielliptis he Ebene, 194quasihyperbolis he Ebene, 194Quaternionen-S hiefkörper, 149Rang, 179re hter Winkel, 112reelle A hse, 81reeller Auss hnitt, 163regelmäÿig, 32regulär, 32, 69, 71, 182Repräsentant, 161Riemann-Ebene, 194

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Index 229Riss, 55Rissebene, 55Sa heri-Viere k, 124Satzdes Ceva, 9des Desargues, 153des Menelaos, 8des Pappus, 155des Pythagoras, 14�22des Thales, 5S hauplatz, 133, 185S heitel, 81, 82, 106S heitelwinkel, 112S henkel, 106freier, 121s hiefe Parallelprojektion, 55S hiefkörper, 148S hnittraum, 162s hräge Parallelprojektion, 55S hraubung, 41, 42S hubspiegelung, 40S hwerpunkt, 11Sehnensatz, 6Sehnenviere k, 7Sehri htung, 55Sehstrahl, 55, 58Sekante, 180Sekantensatz, 6senkre ht, 113singulär, 182sinus hyperboli us, 164sphäris hes Dreie k, 66sphäris hes Zweie k, 66Spitze, 182spitzer Winkel, 113Spur, 58Spurpunkt, 58stereographis he Projektion, 67stetige Teilung, 35Strahl, 103Strahlensätze, 29Stre ke, 103abges hlossene, 103o�ene, 103

Stufenwinkel, 32, 121stumpfer Winkel, 113Sylvester, 179Tangente, 89, 180Tangentensatz, 6Teilverhältnis, 7Tetraeder, 69Thales, 23Trägheitssatz von Sylvester, 179Translation, 40�42, 109Transversale, 8trennen, 62überparallel, 131Umfangswinkel, 4Umfangswinkelsatz, 4Umkreismittelpunkt, 12uneigentli her Punkt, 59, 133Unterraumprojektiver, 161unterraumtreu, 171Verbindungsraum, 162Verbindungsstre ke, 103Vers hwindungsebene, 58Vers hwindungsgerade, 59Vers hwindungspunkt, 59Viele k, 32Wallis, 123Wantzel, 33We hselwinkel, 32Winkel, 106, 211eines Kugelzweie ks, 66gestre kter, 106re hter, 112spitzer, 113stumpfer, 113Winkelhalbierende, 112Würfel, 69Zentralprojektion, 58Zentriwinkel, 4