CH NH SnBr l3 (x = 0-3), ein Sn(II)-System mit kubischer...

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. CH3NH3SnBrxl3 x (x = 0-3), ein Sn(II)-System mit kubischer Perowskitstruktur CHsNHsSnBraJa-z = 0-3), a Sn(II)-System with Cubic Perovskite Structure Dieter Weber Institut für Anorganische Chemie der Universität Stuttgart Z. Naturforsch. 33b, 862-865 (1978); eingegangen am 5. Mai 1978 Synthesis, X-ray, Mössbauer Spectra CH3NH3SnBr^l3 -.x [x = 0—3) has the cubic perovskite structure with the unit cell parameters a = 5.89 A {x = 3), a = 6.01 A (x = 2) and a = 6.24 A (x = 0) and Z = 1. The compounds show intense colour and conducting property. The U9 Sn Mössbauer data are consistent with the high symmetry environment of the Sn(II)-ion. A bonding model, using a "p-resonance-bonding", can explain the properties of the cubic system. The synthesis is described. Es sind nur wenige Festkörperstrukturen von Sn(II)-Verbindungen [1] bekannt, in denen Sn(II) eine hochsymmetrische Umgebung und, daraus ab- geleitet, stereochemisch inaktive ns 2 -Elektronen im Valenzbereich besitzt. Die in den meisten Fällen anzutreffende Liganden Verteilung niederer Sym- metrie kann mit der Mischung von s- und p-Valenz- zuständen erklärt werden [2], Eines dieser seltenen Beispiele mit stereochemisch inaktiven ns 2 -Elek- tronen ist das schwarze, im kubischen Perowskit- gitter kristallisierende CsSnBr3 [3, 4], das sich im Gegensatz zu den übrigen Alkali-Zinn(II)-Haloge- niden durch intensive Eigenfarbe und elektrische Leitfähigkeit auszeichnet [5, 6], Das Sn(II)-Ion ist hier streng oktaedrisch von den Anionen umgeben. Das Kation A spielt offensichtlich eine entschei- dende Rolle bei der Kristallfeldstabilisierung des kubischen ASnHal3-Systems. Wie eng der hier mög- liche Bereich ist, zeigt die Tatsache, daß schon CsSnl3 bei Normalbedingungen kein kubisches Git- ter mehr bildet. Fände man ein Kation in der Grö- ßenordnung von Cs + , so sollte, abgeleitet von der Kristallfeldbetrachtung, der Zugang zu analogen kubischen Systemen und deren interessanten Ei- genschaften möglich sein und eventuell die Darstel- lung eines bei Raumtemperatur stabilen kubischen ASnl3-Gitters gelingen. Dem Experiment zufolge erfüllt das Methylam- monium-Kation dieses Kriterium, obwohl es nicht kugelsymmetrisch ist und außerdem H-Brücken- bindungen eingehen kann. Aus der alkoholischen Lösung der Ausgangskomponenten SnHal2 und Sonderdruckanforderungen an Dr. D. Weber, Institut für Anorganische Chemie der Universität Stuttgart, Pfaffenwaldring 55, D-7000 Stuttgart 80. CH3 NH3 Hal fällt CH3NH3SnBr 3 in Form weinroter, würfelförmiger Kristalle an. Die anthrazitfarbenen Kristalle der Zusammensetzung CHsNH^Snls zei- gen metallischen Glanz ebenso wie die schwarzen Mischhalogenide des Typs CH3NH3SnBrxl3_x, die aus Ansätzen entsprechender Zusammensetzung zu- gänglich sind; x kann prinzipiell alle Werte zwi- schen 0 und 3 annehmen. Röntgenbeugung Die Pulverdiagramme der hier beschriebenen Ver- bindungen lassen sich auf der Basis eines primitiven, kubischen Gitters vollständig indizieren. Im Ver- gleich zum System CsSnHal3 [5] werden etwas grö- ßere Gitterkonstanten gefunden (Tab. I). Es ist Tab. I. Strukturparameter der Verbindungen CH3 NH3 SnBr x l3 -z (x = 3, 2 und 0) a [Ä] Z d [g/cm 3 ] Farbe CH3 NH3 SnBr 3 5,89 1 3,17 weinrot CH3 NH3 SnBr 2 I 6,01 1 3,35 schwarz CH3 NH3 SnI 3 6,24 1 3,63 anthrazit 3,66* * Dichte pyknometrisch in Nujol bestimmt. also anzunehmen, daß der Raumbedarf des CH3NH3+ gegenüber Cs + geringfügig höher ist. Dieser Größen- unterschied hat zur Folge, daß hier erstmals ein bei Raumtemperatur stabiles kubisches Perowskitgit- ter des Typs ASnI 3 dargestellt werden konnte. Bei Normalbedingungen bevorzugt CsSnl3 ein ortho- rhombisches Gitter [5]. Über die Auswertung der Diffraktometeraufnah- me eines CH3NH3Snl3-Einkristalls wird in Kürze berichtet. Es sei hier vorweggenommen, daß mit Hilfe der Raumgruppe P m3m eine sinnvolle Struk-

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Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

CH3NH3SnBrxl3 x (x = 0-3), ein Sn(II)-System mit kubischer Perowskitstruktur

CHsNHsSnBraJa-z = 0-3), a Sn(II)-System with Cubic Perovskite Structure

Dieter Weber

Institut für Anorganische Chemie der Universität Stuttgart

Z. Naturforsch. 33b, 862-865 (1978); eingegangen am 5. Mai 1978

Synthesis, X-ray, Mössbauer Spectra CH3NH3SnBr^l3 -.x [x = 0—3) has the cubic perovskite structure with the unit cell

parameters a = 5.89 A {x = 3), a = 6.01 A (x = 2) and a = 6.24 A (x = 0) and Z = 1. The compounds show intense colour and conducting property. The U 9Sn Mössbauer data are consistent with the high symmetry environment of the Sn(II)-ion. A bonding model, using a "p-resonance-bonding", can explain the properties of the cubic system. The synthesis is described.

Es sind nur wenige Festkörperstrukturen von Sn(II)-Verbindungen [1] bekannt, in denen Sn(II) eine hochsymmetrische Umgebung und, daraus ab-geleitet, stereochemisch inaktive ns2-Elektronen im Valenzbereich besitzt. Die in den meisten Fällen anzutreffende Liganden Verteilung niederer Sym-metrie kann mit der Mischung von s- und p-Valenz-zuständen erklärt werden [2], Eines dieser seltenen Beispiele mit stereochemisch inaktiven ns2-Elek-tronen ist das schwarze, im kubischen Perowskit-gitter kristallisierende CsSnBr3 [3, 4], das sich im Gegensatz zu den übrigen Alkali-Zinn(II)-Haloge-niden durch intensive Eigenfarbe und elektrische Leitfähigkeit auszeichnet [5, 6], Das Sn(II)-Ion ist hier streng oktaedrisch von den Anionen umgeben.

Das Kation A spielt offensichtlich eine entschei-dende Rolle bei der Kristallfeldstabilisierung des kubischen ASnHal3-Systems. Wie eng der hier mög-liche Bereich ist, zeigt die Tatsache, daß schon CsSnl3 bei Normalbedingungen kein kubisches Git-ter mehr bildet. Fände man ein Kation in der Grö-ßenordnung von Cs+, so sollte, abgeleitet von der Kristallfeldbetrachtung, der Zugang zu analogen kubischen Systemen und deren interessanten Ei-genschaften möglich sein und eventuell die Darstel-lung eines bei Raumtemperatur stabilen kubischen ASnl3-Gitters gelingen.

Dem Experiment zufolge erfüllt das Methylam-monium-Kation dieses Kriterium, obwohl es nicht kugelsymmetrisch ist und außerdem H-Brücken-bindungen eingehen kann. Aus der alkoholischen Lösung der Ausgangskomponenten SnHal2 und

Sonderdruckanforderungen an Dr. D. Weber, Institut für Anorganische Chemie der Universität Stuttgart, Pfaffenwaldring 55, D-7000 Stuttgart 80.

CH3NH3Hal fällt CH3NH3SnBr3 in Form weinroter, würfelförmiger Kristalle an. Die anthrazitfarbenen Kristalle der Zusammensetzung CHsNH^Snls zei-gen metallischen Glanz ebenso wie die schwarzen Mischhalogenide des Typs CH3NH3SnBrxl3_x, die aus Ansätzen entsprechender Zusammensetzung zu-gänglich sind; x kann prinzipiell alle Werte zwi-schen 0 und 3 annehmen.

Röntgenbeugung Die Pulverdiagramme der hier beschriebenen Ver-

bindungen lassen sich auf der Basis eines primitiven, kubischen Gitters vollständig indizieren. Im Ver-gleich zum System CsSnHal3 [5] werden etwas grö-ßere Gitterkonstanten gefunden (Tab. I). Es ist

Tab. I. Strukturparameter der Verbindungen CH3NH3SnBrxl3-z (x = 3, 2 und 0)

a [Ä] Z d [g/cm3] Farbe

CH3NH3SnBr3 5,89 1 3,17 weinrot CH3NH3SnBr2I 6,01 1 3,35 schwarz CH3NH3SnI3 6,24 1 3,63 anthrazit

3,66*

* Dichte pyknometrisch in Nujol bestimmt.

also anzunehmen, daß der Raumbedarf des CH3NH3+ gegenüber Cs+ geringfügig höher ist. Dieser Größen-unterschied hat zur Folge, daß hier erstmals ein bei Raumtemperatur stabiles kubisches Perowskitgit-ter des Typs ASnI3 dargestellt werden konnte. Bei Normalbedingungen bevorzugt CsSnl3 ein ortho-rhombisches Gitter [5].

Über die Auswertung der Diffraktometeraufnah-me eines CH3NH3Snl3-Einkristalls wird in Kürze berichtet. Es sei hier vorweggenommen, daß mit Hilfe der Raumgruppe P m3m eine sinnvolle Struk-

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D. Weber • Das Perowskitsystem CH3NH3SnBra;I3_2; 863

turanalyse durchgeführt werden kann, wobei jedoch die exakte Bestimmung der CH3NH3+-Lage gewisse Schwierigkeiten bereitet.

Mössbaueruntersuchung Bei streng oktaedrischer Anordnung der Halogen-

atome, wie sie das Perowskitgitter fordert, ist keine Quadrupolaufspaltung der 119Sn-Mössbauerlinie zu erwarten. Dementsprechend findet man bei Raum-temperatur schmale Linien in einem für Sn(II) typischen Verschiebungsbereich (Tab. II). Die im Fall von CH3NH3SnBr3 bei 85 K gemessene Qua-drupolaufspaltung von 0,6 mm/s weist auf den Ver-lust der Oktaedersymmetrie bei dieser Bedingung hin. Hier ist offensichtlich eine Gitteränderung ein-getreten, die sich auch in einem deutlichen, reversi-blen Färb Wechsel von tief weinrot nach gelb bemerk-bar macht. CH3NH3SnI3 und auch CH3NH3SnBr2I verändern die Farbe beim Abkühlen auf 85 K nicht. Dementsprechend wird keine bzw. eine nur mini-male Quadrupolaufspaltung festgestellt. Die Li-gandenverzerrung ist vermutlich das Ergebnis einer bei tiefer Temperatur eingeschränkten Bewegung des Methylammonium-Kations. Im CH3NH3SnBr3-Gitter macht sich dieser Effekt am deutlichsten be-merkbar, da es innerhalb der untersuchten Verbin-dungsreihe das geringste Platzangebot für das Kat-ion zur Verfügung stellt. In welche Richtung diese Gitteränderung verläuft, die auch zu einer kleine-ren IsomerieVerschiebung (rel. zu CaSn03) führt, ist noch zu untersuchen.

Tab. II. 119Sn-Mössbauerdaten von CH3NH3SnBr^I3_: (x = 3, 2 und 0).

ö ZIEQ r Temp. [mm/s]* [mm/s] [mm/s] [K]

CH3NH3SnBr3 3,79 0,6 1.4 85 3,85 ~ 0 0,97 298

CH3NH3SnBr2I 3,88 0,3 1,05 85 CH3NH3SnI3 3,85 ~ 0 0,97 85

3,82 0 0,91 298

* Bezogen auf CaSn03.

Eigenschaften Die spröden Kristalle lassen über 200 °C lang-

same Zersetzung erkennen. Bei 290-300 °C geht CH3NH3SnBr3 in eine hellgelbe Schmelze über, wäh-rend CH3NH3SnI3 in diesem Temperaturbereich eine blauschwarze Schmelze bildet. In beiden Fäl-len wird Gasentwicklung aus der Schmelze beob-

achtet, vermutlich entweicht CH3NH3Hal. Die Löslichkeit in Methanol nimmt mit steigendem Iod-gehalt der Verbindung ab. In Benzol sind die Sub-stanzen praktisch unlöslich. Das Verhalten im wäs-serigen Medium ist pH-abhängig. Da das Methyl-ammonium-Kation im basischen Bereich nicht be-ständig ist, findet dort rasche hydrolytische Zerset-zung unter Bildung eines weißen Festkörpers statt. Dagegen behalten die Kristalle in verdünnten, nicht oxidierenden Säuren ihre Eigenfarbe bei, bevor sie sich langsam auflösen.

Alle hier beschriebenen Verbindungen sind über-aus oxidationsempfindlich. Die rasche Zunahme des Sn(IV)-Gehalts einer nicht sorgfältig unter Inert-gas aufbewahrten Probe kann in einfacher Weise im 119Sn-Mössbauerspektrum verfolgt werden. Als Folge dieser Oxidation beobachtet man eine mar-kante Farbveränderung im Grenzschichtbereich der Kristalle. Besonders eindrucksvoll ist dieser Effekt beim anthrazitfarbenen CH3NH3SnI3, das in Ge-genwart von Luftsauerstoff nach kurzer Zeit eine goldgelbe Farbe annimmt. Mit fortschreitender Oxi-dation wechselt die Farbe nach blau und grün, bis schließlich ein Kristall zurückbleibt mit stumpfer, schwarzer Farbe. Unter dem Mikroskop sind in der schwarzen Schicht deutlich weiße Bezirke zu er-kennen, die vollständige Oxidation anzeigen.

Daß der Farbwechsel sich ausschließlich auf eine dünne Grenzschicht beschränkt, zeigt ein einfacher Versuch, wonach ein z. B. goldgelber Kristall nach dem mechanischen Abtragen der oberen Schichten in der ursprünglichen Farbe erscheint.

Sämtliche Verbindungen sind elektrische Lei-ter mit einem Maximum der Leitfähigkeit bei CH3NH3SnI3. Erste Messungen lassen vermuten, daß bei dieser Substanz im Gegensatz zum Halb-leitercharakter der übrigen Verbindungen metal-lische Leitfähigkeit anzutreffen ist. Über das Ergeb-nis der zur Zeit noch laufenden Untersuchungen an Einkristallen wird in Kürze berichtet.

Diskussion Mit den Ionenradien rsn(ii) = 1,12 A, r i - =

2 , 1 6 A , r B r - = 1 , 9 5 A [ 8 ] u n d r C H 3 N H 3 + = 1 , 8 Ä i s t

die Radienbeziehung des kubischen Perowskitgit-ters recht gut erfüllt, so daß der vorgefundene Git-teraufbau aus der Sicht des Kristallfelds plausibel erscheint. Der Radius des Methylammonium-Kat-ions leitet sich vom maximalen Ionendurchmesser ab. der aus den Bindungslängen abgeschätzt wurde.

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864 D. Weber • Das Perowskitsystem CH3NH3SnBrä;l3-:r

Es wird vorausgesetzt, daß dieses Kation in der kubischen Struktur sehr beweglich und deshalb im Mittel als Kugel zu betrachten ist.

Nun ist ein reines Ionenmodell ungeeignet zur Beschreibung der Kristalleigenschaften wie Farbe und Leitfähigkeit. Es ist auch nicht relevant ange-sichts der geringen Elektronegativitätsdifferenz von Zinn und Brom bzw. Iod. Wie im folgenden gezeigt wird, ist es sinnvoll, homöopolare Bindungsanteile einzuführen.

Das Sn(II)-Ion stellt drei 5p-Quantenzustände zur Verfügung, in die von geeigneten, besetzten p-Orbitalen der Anionen Elektronen zurückgeführt werden. Die 5 ns2-Elektronen des Zinns bleiben unangetastet. Dementsprechend ist der Sn-Hal-Abstand in der kubischen Struktur einerseits größer als die kürzeste Bindungslänge in „verzerrten" Strukturen mit s-p-Mischung, andererseits wieder-um rund 5 % kleiner als der von den Paulingschen Ionenradien [8] abgeleitete Ionenabstand. Die drei p-Zustände haben die Eigenschaft, die Bindungen in Richtung der Achsen des cartesischen Koordi-natensystems zu fixieren. Wesentlich ist, daß in jeder dieser Achsenrichtungen ein besetzter p-Zu-stand eines Halogenidions gleichzeitig von zwei Sn(II)-Ionen beansprucht wird. Man gelangt zu einem Resonanzbindungssystem, das es ermöglicht, die oktaedrische Umgebung des Sn(II)-Ions aus-schließlich über p-p-Kombination zu erklären. Die Resonanzbindung ist in der chemischen Formel-sprache durch die Grenzstrukturen in Abb. 1 dar-gestellt.

i I i i i , '

i- -Sn I Sn 1 1 / I 1 1 i | • r i / i i / J

I Sn

i/'i I Sn' I ' I

I' I I

- Sn I Sn I I - - Sn 1 - - Sn / -I

I '

Abb. 1. Resonanzstrukturen des Snl3-Teils in CHsNHsSnIa. Die doppelt besetzten Bindungen sind mit durchgezogenen Strichen gekennzeichnet.

Diese Betrachtungsweise lehnt sich an das Reso-nanzbindungsmodell an, das Krebs [9] zur Inter-pretation der Färb- und Leitereigenschaften beson-ders des kubischen PbS eingeführt hat. Man kann diese Bindung als Art mesomeres (X-System auf-fassen, das die nach Elektronenübergang erfolgte

Störung im Valenzband über größere Kristallbe-reiche hinweg verschmiert.

Nun ist noch zu beachten, daß dt2g-Orbitale der hochsymmetrisch angeordneten Halogenatome ein leeres, den Valenzelektronen leicht zugängliches Leitfähigkeitsband aufbauen können [4, 7]. Zum Beispiel beträgt der I-I-Abstand in CH3NH3SnI3

nur rund 4,4 Ä. Eine metallische Leitfähigkeit von CHsNHsSnIs wäre dann dahingehend zu interpre-tieren, daß dieses Band mit dem Valenzband über-lappt.

Der am Beispiel CH3NH3SnI3 beschriebene Farb-wechsel - infolge partieller Oberflächenoxidation -kann als Folge einer Störung der Bänderstruktur und damit der Übergangsenergien gedeutet werden.

Experimentelles Beschreibung des Mössbauerspektrometers

Das Spektrometer ist eine Kombination der Möss-bauereinheit von MWE, München mit einem 2M2/2 Bicron Nal-Detektor und dem Vielkanalanalysator 8100 M der Firma Canberra, USA. Der Absorber mit einer durchschnittlichen Dicke von 7 mg Sn/cm2

konnte in einem VMK 3-700 Verdampferkryostat von Leybold-Heraeus, Köln bis auf 80 K gekühlt werden. Auf eine Kühlung der 2,5 mCi Ca119Sn03-Quelle von Amersham-Buchler, Braunschweig wurde verzichtet. Die Eichung des Spektrometers erfolgte mit der 1,712 mm/s großen Quadrupolaufspaltung von Na2(Fe(CN)5NO) • 2 H 2 0 und einer 5?Co(Pd)-Quelle.

Die Röntgen-Pulverdiagramme wurden mit einer Debye-Scherrer Kamera unter Verwendung der CuKa-Strahlung mit einer Wellenlänge vonl ,54178 A aufgenommen.

Darstellung von CH3NHsSnBrxh-x (x = 3 bzw. 0) Die Ausgangsverbindungen SnBr2(SnI2) und

CH3NH3Br (CH3NH3I) wurden entweder nach Lite-raturvorschriften hergestellt oder käuflich erworben und gegebenenfalls durch Umkristallisieren gerei-nigt.

Sämtliche im folgenden beschriebenen Opera-tionen sind unter wasserfreier Inertgasatmosphäre (N2 oder Ar) durchzuführen. Zu einem SnHal2/ Methanol-Gemisch wird bei Siedetemperatur eine in wenig Methanol gelöste, äquimolare Menge CH3NH3Hal zugetropft . Das gesamte Lösungsmittel-volumen sollte bei einem 0,05 molaren Ansatz 100 ml nicht übersteigen. CH3NH3SnBr3 fällt beim langsamen Abkühlen der farblosen Lösung in Form von weinroten, z.T. gut ausgebildeten kubischen Kristallen an, während die anthrazitfarbenen, metallisch glänzenden Kristalle der Zusammenset-zung CH3NH3SnI3 infolge der geringeren Löslichkeit sich schon Avährend der CH3NH3I-Zugabe aus der

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D. Weber • Das Perowskitsystem CHsNHaSnBr^Is-j; 865

hellgelben Lösung abscheiden. Die Kristalle werden aus der langsam auf Raumtemperatur gebrachten Reaktionsmischung abfiltriert, mit w-Butanol und zuletzt Benzol gut gewaschen und im Hochvakuum getrocknet. Bei der Reaktionsführung in n-Butanol wird zwar die Ausbeute um rund 20% erhöht, die Verbindung fällt jedoch dabei meist mikrokristallin an. Die Mischhalogenide lassen sich aus entspre-chenden SnBr2/CH3NH3I- bzw. SnI2/CH3NH3Br-Mischungen darstellen.

Unter Inertgas sind die Substanzen praktisch unbeschränkt lange ohne Veränderung haltbar, wäh-rend die Gegenwart von Sauerstoff am eingangs beschriebenen Farbwechsel zu erkennen ist.

CH3NH3SnBr3 (390,47) Ber. C 3,08 H 1,55 N 3.59 Sn(II) 30,4

Br 61,39,

Gef. C 3,28 H 1,61 N 3,59 Sn(II) 30,1 Br 60,8.

Schmp. 290-300 °C (Zers.).

CH3NH3SnBr2I (437,48) Ber. C 2,75 H 1,38 N 3,20 Sn(II) 27.13

Br 36,53 I 29,0, Gef. C 2,79 H 1,40 N 3.18 S n ( I I ) -

Br 36,9 I 29,0.

CH3NH3SnI3 (531,46) Ber. C 2,26 H 1,14 N 2,63 Sn(II) 22,33

I 71,63, Gef. Sn(II) 22,6

171,1. Schmp. 290-300 °C (Zers.).

[1] P. G. Harrison, Coord. Chem. Rev. 20, 1 (1976). [2] J. D. Donaldson, Progr. Inorg. Chem. 8, 287

(1967). [3] J. Barrett, S. R. Bird, J. D. Donaldson u. J.

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[6] J. Barrett, J. D. Donaldson, J. Silver u. N. P. Y . Siew, J. Chem. Soc. Dalton 1977, 906.

[7] J. D. Donaldson u. J. Silver, Inorg. Nucl. Chem. Lett. 10, 537 (1974).

[8] Entnommen aus N. N. Breenwood, Ionenkristalle, Gitterdefekte und Nichtstöchiometrische Verbin-dungen, S. 40, Verlag Chemie, Weinheim 1973.

[9] H . Krebs, Acta Crystallogr. 9, 95 (1956).