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-"" Firmenbericht 136 imagehifi2/2007 Beieinerderartigenausgepragtenex- trapersonalenSozialisationnimmt es nichtwunder,dassmirbangistbeider Vorstellung,inmeinemLieblingskauf- hausvonRheingold-Arienzugedudelt zuwerden,undichAngstvordemTag habe,andemallesgleichist,gleich aussieht,gleichschmeckt.Nationale Eigenheiten,landestypischeArchitek- turen, regionale Desserts - allesrund-

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Firmenbericht

Die Raumgestaltervon Dr. Petra Kirsch

Was macht der Italiener? Ersingt im Stau, tragt lustige BallonmOtzen und arbeitetzw51fStunden jeden Tag. Wenn er dann noch den Unterschied zwischen H5ren undKonsumieren kennt, ist es ein Lombarde aus Merate von der Lautsprecherfirma Chario.

Richard Wagner und die Globalisie-rung haben mehr gemein, als manauf den ersten Blick vermuten k6nn-te. Beide polarisieren. Entweder manist dafur, mit allen sich daraus erge-benden Konsequenzen wie dem tage-langen Ausharren auf einer zugigenSteinbank ohne Verptlegung, oderdagegen. Mit einem lauwarmen "Ja,aber ... « geben sich die zwei nichtzufrieden. Philosophen sprechen inso einem Fall gern von einer binarenKontradiktion. Nur These oder Anti-these, keine Synthese. Und Sozio-logen fahren dabei den extraperso-

nalen familiaren Bestimmungsfaktorins Feld der Wissenschaft. Das heiBt:Man mag den Walkurenreiter, weilihn Onkel Fritz und Vetter Hans-Jur-gen gut finden, und findet auch dieSteinbank in Bayreuth in Ordnung.Nun, meine Familie lehnt so etwasgeschlossen und souveran ab: "Mitmir nicht, nicht fur Geld und guteWorte!« .Ahnlichergeht es innerfami-liar der Globalisierung: "Mit mirnicht, nicht far Geld und gute Wor-te!« Extrapersonale Bestimmungs-faktoren, die pragen. Argumentati-onsketten, die sitzen.

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In vorderster Reihe: Marketing-Chef und Gitarrist Carlo Vicenzetto, Entwickler undPercussionist Mario Murace, Buchhalterin Antonella Vicenzetto und die Autorin

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Beieiner derartigen ausgepragtenex-trapersonalen Sozialisation nimmt esnicht wunder, dassmir bang ist bei derVorstellung,in meinem Lieblingskauf-haus von Rheingold-Arienzugedudeltzu werden, und ich Angstvor dem Taghabe, an dem alles gleich ist, gleichaussieht, gleich schmeckt. NationaleEigenheiten, landestypische Architek-turen, regionale Desserts - alles rund-gelutscht wie heute schon die Auto-marken.

Doch zumindest letztere Angste sindunbegrundet, solange es Miinner wieCarlo Vicenzettogibt.GroBund dunn,in hellerSommerhoseund rotem Polo-hemd, mit Brilleund Schnauzbart. Al-so nicht unbedingt das, was man sichgemeinhin im Erscheinungsbild untersudlandisch vorstellt. Aber dann, alswir kurz hinter dem MailanderFlugha-fen Malpensa,Italiens Sonne steht steilam wolkenlosen Himmel, in einemheftigen Stau feststecken,offenbart der54-Jahrige sein landestypisches Natu-rell.Man k6nnte auch sagen,er reagiertziemlich antithetisch. Kurz nachdemDirk Sommer angesichts der reglosenWagenkolonnen in ein melancholi-schesSchweigenverfalltund es der 47-jahrige und geburtige RheinlanderChristoph Mertens, SalesDirector vonChario Deutschland, ihm gleichtutund ebenfallsschweigt.BetreteneStilleherrscht nun in dem silbergrauenMercedes C 220. Die Gelegenheit farChario-HauptgeselIschafter Vicenzet-to, den deutschen Gasten anschaulich

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zu vermitteln,wie spielend man in sei-nem Land mit solchenSituationen fer-tig wird. Er singt. Lauthalsund begeis-tert die ersten beiden Strophen vonBobMarleysI shottheSheriff,aber inder Eric-Clapton-Version.Den ScWuss-akkord bildet ein herzhaftes Lachen.So viel gute Laune ist ansteckend, dakommtStimmungauf. .

Doch diesemusikalischeEinlagesoll-te wohl auch eine Art Klarstellungsein. Er, Carlo Vicenzetto, ist namlichRocksanger. Seit seinem achten Le-bensjahr spielt er mit seinem Freund,dem gleichaltrigenMario Murace, derbei Chario far die Entwicklungzustan-dig ist, in einer Band. Die heiBt- Cha-rio. Genau wie ihre Firma."Char-" wie"Charles",CarlosenglischerSpitznameseit der Kindheit, und ,,-io" von"Mar-io".Ersteht an der Gitarre,Mariomacht die Percussion. Bis zum heuti-gen Tag.JedeWoch~wird geprobt,undgelegentlichtreten siesogarvor zahlen-dem Publikum auf. VergangenesJahrauf einem Kreuzfahrtschiff,und dem-nachst in Agypten. "Musik ist unserLeben", resiimiert der Geschaftsfahrer,"und eigentlich haben wir unsere Fir-ma nur wegen dieser Liebezur Musikgegriindet." Liebe- das Stichwort farHerrn Sommer. Nachdem wir allesWissenswerte aus seinem bewegtenTonbandmaschinen -Leben erfahrenhaben, erreichen wir eine gute Stundespater die KleinstadtMerate.

Hier, an der viel befahrenen vier-streifigen AusfallstraBeVia BergamoRichtung Comer Seehat Chario seinenFirmensitz.Eine zweigeschossigeDop-pelhaushalfte mit Balkon und Flach-dach,mediterraner Baustil,getiincht inein erdigesOcker.ZweiTannenalsflan-kierende MaBnahmen, rechts larmteine Ford-Autowerkstatt, gegeniiberdie Banco Nationale del Lavoro undeine Pasticceria Fredda, eine Eisdiele.Das niichterne Besprechungszimmer

ist das Herz der Firma. Drumherumsind die Biiros angeordnet, die ersteEtage ist far Murace, nach dem jetztgerufen wird, reserviert. Der Entwick-ler hat einen spektakularen Auftritt:schlank, Lippen wie eine querliegendeStecknadel, schwarzeAugen, aber an-sonsten ganz in WeiB,von der Ballon-miitzebis hinunter zu den HausscWap-peno Zur BegriiBung und fiir denBruchteil einer Sekunde krauselt sichdie Stecknadel ein wenig, um dannaber wieder in ihre urspriingliche Lagezuriickzukehren.Die Kommunikation,dieverbalewienonverbale,iibernimmtab da der energiereiche und extrover-tierte Teilder Fiihrungsriege.

ChariosAusgangspunktliegt37Jahrezuriick und 40 Kilometer entfernt, ineinem Mailander Keller. Medizinstu-dent Vicenzetto und Murace, der anMailands Hochschule far Elektronikauf ein Pradikatsdiplom hinarbeitet,griinden ihre einer GmbH ahnlicheS.r.l. - ohne Boss,ohne Businessplan,

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aber mit einem hohen Anspruchsden-ken - und basteln an ihrem erstenLautsprecher, einem Drei-Wege-Sys-temoNachdem MuracedasProdukt derKollektivarbeitabgenickt hatte, schlugVicenzettos Stunde. Er musste Jollyjetzt nur noch an den Mann bringen.Natiirlichgliickteihm,bei dem dieElo-quenz nicht auf Kosten der Herzlich-keit geht, das auch auf Anhieb.Er habedie Handler so lange vollgequatscht,lacht er im Nachhinein, bis sie miirbewaren und froh, ihn wieder loszuwer-den, auch um den Preismindestens ei-nes Lautsprecherpaares. Der strengeEntwicklerhat far solcheArt Direktak-quise nur drei Worte iibrig: Wie einTeppichhandler!Doch damit haben siegut eine Handvoll ihres Erstproduktsverkauft. Leben konnten sie davonnicht.

Erst als Murace bei der RAI Arbeitfand, schlieBlich Aufnahmeleiter beider MailanderScalawurde,war der Ka-pitalzufluss gesichert. Auf dieser soli-

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Die Firmengrunder und Christoph Mertens, der den Vertrieb der Charios inDeutschland leitet. erklaren Petra Kirsch in der Endmontage technische Details

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den Grundlage entwickelte man sichnach und nach weiter. Heute beschaf-tigt das Unternehmen 20 Mitarbeiter,darunter die sechs Gesellschafter,dieVicenzettobis aufMurace aus der eige-nen Familie rekrutiert hat und die alleim Betrieb mitarbeiten. Effizienzver-luste sieht der Chario-Chef dadurchnicht. 1m Gegenteil..Seine Frau zumBeispielist Biiroleiterin, ein SchwagerChefbuchhalter,ein anderer Produkti-onsleiter,ein dritter in der Endrnonta-ge beschaftigt.Chario ist so etwas wieeine groBe Familie, wo jeder seinenPlatz hat. Die Identifikation mit derFirma geht vor Karriere und Profit.Denn in einer GroBfamilie brauchtsichkeinerzu profilieren,er weiB,wo erhingehort und dass er da im Prinzipauch zu bleiben hat.

VicenzettosKalkulation,dieunter an-derem einschlieBt,dass Betriebskoste!1sowie Investitionen untereinander, inder eigenen Verwandtschaft besser inden Griff zu bekommen sind, klingteinfach, ist aber raffiniert. Und vollaufgegangen.Gewinne werden immerin die Firma gesteckt, nie unter den

Gesellschafternaufgeteilt. Andernfallskonne man das Geld ja gleich zumFenster rausschmeiBen,sagt eroSie je-denfallskonnen iliren Angestelltenso-gar ein wenig mehr als den ortsiibli-chen Tarifbezalùen, und siebrauchtenauch in ilirem Krisenjahr 1982,als mitder Steuererhohung der Export fla-chendeckend zum Erliegen kam, kei-nen Mitarbeiter zu entlassen.Weil ihrAbsatz immer gleich bleibt. Ein Bei-spiel?2005 haben sie 40000 Lautspre-cher verkauft, genauso viel wie nochrunf Jahre zuvor.Dassder wirtschaftli-che Erfolg ilmen, von ein paar gering-fiigigen Schwankungen abgesehen,stetstreu gebliebenist,mag auch an derumliegenden schonen Gegend liegen,am Produktionsstandort. So gilt dieLombardei als reichste RegionItaliens,und die Lombarden stehen im Ruf,auBer besonders wohlhabend beson-ders fleiBigzu sein.Zwolf Stunden amTag, sagt Vicenzetto,arbeite man hierim Durchschnitt. Die Romer dagegenbringen es nur auf acht. Kein weitererKommentar, solche Zahlen sprechenja rur sich.

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Hier entwickelt und kontrolliert Mario Murace seine Lautsprecher. Die Akustikele-mente simulieren Wohnraumbedingungen

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1m Augenblick kann man zwischenfiinf verschiedenen Produktlinienwahlen,von der noblen High-End-Rie-ge Academy iiber die gediegeneHiFi-Abteilung Constellation bis hinunterzum Home-Theatre-Referat Piccolo.Auch preislich tut sich dem potenziel-len Kunden eine weite Spanne auf, dievon 20 000 Euro, so viel kostet ihrFlaggschiffSerendipity,bis zu 379Eurorur eine Silhouette100reicht.Doch dassind Extremwerte - im Schnitt zahltman rur die Markenware aus Meratenicht mehr als2000Euro.Ihre Produk-te gelten gemeinhin als bezahlbar undgleichzeitig als qualitativ hochwertig.Sogar die auslandischePresselobt den"verruhrerisch niedrigen Preis", "dieausgereifteTechnik",vor allemaber dasiiberraschende Zusammenspiel dieserzwei natiirlichen Feinde. Denn beideszusammen geht eigentlich nicht. 1mPrinzip ein typischer Fall von binarerKontradiktion. Doch den fleiBigenLombarden scheint es gelungen zusein, das Unmogliche moglich zu ma-chen.Chario als"leproduit au meilleurprix", Chario als Best Buy.Das meintauch der image hifì-Chefredakteur,auch wenn er es etwaszuriickhaltenderformuliert: "Siehaben ein gutes Preis-Leistungs-Verhaltnis."Ebenso breit gefachertwie ilire Preis-

liste ist die Kartei ilirer Kunden, diein 80 Landern dieser Erde vertretensind. Allen voran Europa inklusiveZy-pern und Island, dann natiirlich Fern-ost mit China - ilir zweitgroBterAb-satzmarkt -, Japan, den Philippinen,Siidkorea, Taiwan,Thailand. Selbst inIndien, den VereintenArabischenEmi-raten und in Israel erhalten die Laut-sprecher aus Merate viel Zuspruch.Doch am meisten geliebt werden sievon ihren Landsleuten,mit ihnen ma-chen sie den groBten Umsatz. Daheimscheint ein Chario eben in seinemnatiirlichen Biotop zu sein. (Und das,

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obwohler in Italien,das mehr alsande-re Liindervon inflationarenTendenzengebeuteltist, in der oberen Mittelklasserangiert.) Warum das so ist, kann sichVicenzetto auch nicht so recht er-klaren. Vielleicht liegt es am Wegbre-chen des Mittelstandesund an den sin-kenden Materialstandards, dass mannun in seiner Heimat die Marke Madein ltaly bevorzugt?,ratselt ero

Ganz sicher ist er dagegen, wenn esdarum geht, den typischen Chario-Kunden zu beschreiben. Gekauft wer-den ihre LautsprechervorwiegendvonMannern, wasja nichts Neues sei,aberdas letzte Wort dabei hatten derenFrauen als die heimlichen Entschei-dungstrager. Unter den Academy-Be-sitzernsind, sagtVicenzetto,etlicheDi-rigenten.Man hort es am Klang:Das isteine von vielen Trumpfkarten des Ge-schaftsftihrers, die er souveran aus-spielt. Dagegen sind die Jugendlichen,also die 16- bis 25-Jahrigen, eher beiden richtig preiswerten Linien zu fin-den. Doch im Prinzip komme jeder,unabhangig von Rang,GeschlechtundAlter,rur sie als potenzieller Kunde in-

frage. Jeder, der eine gute Verarbei-tungsqualitat zu schatzen weiB undSpaBan Musik hat. Ja,nickt er, das seiwichtig: HiFi als Mittel zum Zweck.Der Lautsprecheristnur einWerkzeug,rugt Entwickler Murace pragmatischhinzu.Werdie Reihenfolgeverwechseltund die Hardware tiber die Softwarestellt,hat in ihren Augennicht nur mitMusik nichts am Hut, sondern machtsichauch noch lacherlich.Wer sehenwill,wie ihre Lautsprecher

entstehen, muss nur tiber die Schwelleder rtickwartigen Ttir des Reihenhau-ses treten. Schon steht man in einemstattlichen,2500Quadratmeter groBenGewerbebetrieb. Wie bei einem Bie-nenkorb gelangtman zu den einzelnenGeschaftsbereichen wie Produktion,Kontrolle, Versand, Lager nur durchdiese eine Offnung. Ganz hinten diehohe Montagehalle mit den vergit-terten Oberfenstern ringsum ist dasHerzsttick der Firma. Eingebettet inKartonageregale,Bretterstapelund Bo-xenttirme, sind hier die teuersten Mo-belsttickevon Chario akkumuliert.Wiedie 400000-Euro-CNC-Maschine, die

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soeben reihenweiseSeitenteileder Sil-houette 200 Tower ausschneidet unddarauf kreisrunde Muster einstanzt.Nur beim Freilegendieser Aussparun-gen muss der Arbeiter noch die Handund eine Feilezu Hilfenehmen. Bisaufdie Academys, die aus Vicenza kom-men, entstehen so alle Chario-Gehau-se.Eine weitere Gemeinsarnkeitist de-ren identischer aufwendiger Aufbau.HDF bildet da den Kern,denn - soVi-cenzetto - das Ganze soll ja schalltot,muss also schwer sein, um Eigenreso-nanzen des Holzgehausesvon Anfangan zu unterbinden. "UngewollteReso-nanzen haben wir fast keine." Darauflegen sie zu beiden Seiten eine Schichtaus Massivholz. Nicht nur um denheimlichen Entscheidungstragern zuimponieren: "Holz spricht Frauen an."Sondern vor allem weil sie tiberzeugtsind, nur dieser Werkstoff stabilisieredie Lautsprecher genug, dass sie auchbei niedrigen Frequenzenverfarbungs-frei arbeiten konnen. Das ist zwar we-sentlich teurer als MDF, daftir aberokologisch und auch olfaktorisch nurkorrekt. Sokostet ein Raummeter Wal-

....- - .....

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Da Chario alle Gehause bis auf die der Academy-Serie inMerate fertigt, lohnt sich der Einsatz einer CNC-Maschine

Die fertig furnierten HDF-Platten werden zur Bearbeitungauf den Tisch der CNC-Maschine gelegt

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nuss derzeit immerhin 70000 Euro,denn in Italienmiissen rur jeden gefall-ten Nussbaum 100neue gepflanztwer-den. Den Abschluss bilden, natiirlichwiederan beiden Flachen,dieFurniere:"Damit das Holz auch wirklich planbleibt."

Das Zusammenrugen der einzelnenkonfektionierten Holzbestandteile er-folgt nach einer prazise einstudiertenChoreographie. Festhalten, Leim auf-tragen, Brett holen, festhalten, Leimauftragen,Brettholen ... Einer der bei-den Solotanzer ist bei diesem Pas dedeux immer auf dem Sprung, im Spa-gat,wahrend der andere sichan die biszuletzt fragile Holzkonstruktion an-lehnt wie an eine wackligeBallettstan-ge. Erst wenn dann im Synchron-verfahren die Gummiringe iiber denStander gezogen sind, verspricht dieBox geniigend Stabilitat, um es mitder kombinierten Furnierflachen-undKantenpresse aufnehmen zu konnen.1m Prinzip ein uberdimensionalesLaminiergerat,denn in Merate werden

Selbst die Boxenstiinder fabriziert man

in aufwendiger Handarbeit

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die Furniere erhitzt, damit der Leimschnellerabbindet.

Fiir das richtigeAbtrocknen sorgt inder Lackierstube nebenan eine abge-trennte Kammer mit definierter Luft-zirkulation. 1m Augenblick sitzt eineBatterieschwarzglanzenderTreiberun-ter dem Fon.AproposTreiber:Diewer-den zwar in Ancona zusammengebaut,sind aber, betont der Chario-Chef, ihrgeistigesEigentum.DasGleichegilt rurdie Frequenzweichen, die in Venedigmontiert werden,und rur die internenLautsprecher.Sietaufen ihre Eigenent-wicklungen auf recht anspruchsvollklingendeNamen.Vorallem dieHoch-tOner. "T 27 Softdome" heiBt einer,"T 38 Wave Guide", also "Wellenfiih-rer", ein anderer. Und natiirlich habendie reichen Lombarden auch ihre eige-ne, hausgemachte Technologie: dieWMT. Das hochgestellte kleine TM-Zeichenbedeutetwohl,dassesso etwasGutesnur in Lautsprechernaus Merategibt.Wennich esrichtigverstandenha-be, dann ist damit ein neuartiges- da-

." ,....

Carlo Vicenzetto sorgt nur noch selteneigenhiindig fOrden letzten Schliff

rum dasCopyright-Zeichen- Kontroll-system gemeint, das verhindert, dasssich Hoch-, Mittel- und Tieftoner beibestimmten Frequenzen in die Querekommen. Die dahinterstehende IdeeheiBtNatiirlichkeit.

Von der Dorre hat man einen ausge-zeichneten Blick auf den kiinstlichenWasserfall,vor dem die Lackierer mitihren Spritzpistolen hantieren. Diesprudelnden Kaskaden absorbierenden Spriihnebel, der bei ihrer Arbeitzwangslaufigentsteht. Und in Meratewird viellackiert, vor allem die Furnie-re, davon zeugt das Lackdosenarsenalmit den Aufdrucken "per uso profes-sionale" und "epossidico rapido". Miteinem einfachen Grundieren undSchleifen,wie es andere machen, "dieda mit speziellen Effektlacken demEndverbraucher etwas vorgaukeln",gibt man sich hier nicht zufrieden. Sohat ein Chario insgesamt vier dieserProzesse iiber sich ergehen zu lassen,bevor er in das Lager nebenan auf-riicken darf. Das teilt sich grob in ver-sandfertigeund noch nicht ganz fertigeWare auf. Was in einem Karton stecktmit dem ovalenFirmen-Logoobenauf,hat Chario sozusagenbei sich in Kom-mission, bis es die Spedition abholt.Was in den grauen Regalen frei, ohneKarton lagert, muss sich noch etwasgedulden, bis es in die Endmontagevorriicken darf, zu den SchwagernVi-cenzettos.

Die beiden sind gelernte Feinmecha-niker und Rennsportfans. Uber ihremArbeitstisch leuchtet eine rote Ferrari-Flagge. Ja sowieso, sie lieben MaikelSciumaker,wie jeder in diesem Land.Vorallemnachdem er ein paar einfacheSatzeauf Italienischsagenkonnte, isterein bisschen sympathischer geworden,merkt Vicenzetto niichtern ano Dannwendet sich seine Verwandtschaftwie-der der Innenverstrebungeiner Cygnusaus der Constellation-Linie zu - ein

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echter Hingucker vor allem wegen derfeinen Rillen in den Holzseitenfliigeln.Als Antivibrationsschutz fur die Fre-quenzweiche dient ein Neoprenstrei-fen. Ja, jeder Streifen und jede Rillehat zwar eine Eigenresonanz,kommtVicenzetto Dirk Sommers hochgezo-genen Augenbrauen zuvor, aber dieaddieren sichnicht,variierennur mini-mal. Die kann man, weilsie so extremniedrig sind,vernacWassigen.

Wenn dann innen alles an seinemPlatz ist, geht's auf das Forderband.GemacWichrollt die Boxan der Regal-zeile, die mit Schrauben und Ringen,mit "berni"",ranelle"und "grassolubri-ficante" gut abgefulltist, endang zu ih-rer letzten Station, in die AbteilungMessen und Testen.Unter einem Mi-krofon mit kombiniertem Tongenera-tor muss siezeigen,wassiekann. Ob siebei den Frequenzgangen die eng ge-steckten Toleranzeneinhalt oder nicht.Dabei gilt: Je hoher der Preis, destokleinlicher die Vorgabe.Geht bei denbilligeren Modellen ein Parchen, das

intern um 1,5 Dezibel variiert, geradenoch durch, diirfen es in den oberenKategoriennicht mehr als 0,7 sein.Diefunf Prozent, die hier versagen,habenDefizite entweder im Leim oder beimKondensator und werden ausgemus-tert. Nur was ohne Fehl und Tadel ist,darf auf dem Band hinter die griineLichtschrankeweiterrollen.Mit einemkleinen Umwegiiber den Verpackerdi-rekt ins Lager.Wir steigen mit Murace in die Bel-

etage, hinauf zu seinem Forschungs-institut.Aufdem Bodenein handelsiib-licher Perserteppich, blaue Rollen ander Deckeund jedeMengeVorhangeanden Wanden. Graue, rote, blaue, oran-gefarbige.EinesehrpsychedelischeEin-richtung,sageich.Wiegemachtfur eineFaschingsparty fur Alt-Hippies. Nein,widerspricht der wortkargeEntwickler,sein Labor ist EC-konform, vergleich-bar mit jedem beliebigen Wohnzim-meroLediglichdie Schroder-Diffusoren- "wegender Raumlichkeit"- und dieGlaswatteneben dem Horplatz deuten

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darauf hin, dass hier doch nicht einelaunige Rosenmontagsfeierin Planungist, sondern ein Wissenschaftleran derAbstrahlcharakteristik von Normrau-men und dem zeitkontrolliertenSchall-verhalten breiter Dbernahmefrequenz-bereichetiiftelt.SiewollenLautsprecherbauen, die selbst in scWechten,proble-matischen Raumlichkeiten sehr gutklingen,sagt Murace. Ihm geht es vor-rangig "um die korrekte Wiedergabedes musikalischen Materials". Einschoner Klang ist nicht sein Ziel: Dasraubt der Musik nur die Emotion. Da-rum auch gibt es keinen eigenen Cha-rio-Sound, selbst wenn manche ihrerKunden davon iiberzeugtsind. Darumuntersucht er diewechselseitigenBezie-hungen zwischenRaum und Lautspre-cher sehr genau und immer wieder.Darum werden ihre Boxen unter dendenkbar schlimmsten aller Umstandegemessen- im schalltotenRaum.Dannhat er daheim bestimmt einbis insLetz-te optimiertes Horzimmer? Nein, erhOrtin seinerFreizeitnie Musik.

Eine solche Fertigungstiefe ist heute selten: Bei Chario wird selbst das HDF-Mate-riai in der Fabrik furniert. Hier warten Rohgehause auf die Weiterverarbeitung

NatUrlich lackiert man auch selbst ineiner Wasserkammer

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Wenn man namlieh weiB,was Klangist, braueht man keine Stereoanlageund damit aueh keine Lautspreehermehr. Dann spielt man selbst Musik.Das ist der beste Klangvon allenoUnddann, was ist Klangtiberhaupt?,sehauter mieh forsehend anoMir istbei dieserFrage nieht wohl zumute. Etwas halb-wegs1ntelligenteswillmir dazu auf dieSehnellenieht einfallen. Muss es auehnieht, denn Muraee beantwortet siehseine Frage naeh einer angemessenenPause selbst: Klang ist Ursaehe undWirkung. Das heiBt, ob ein Klangvonmir als harmoniseh oder als stOrendempfunden wird, liegt an mir und andem "Umfeld des Klangerlebnisses".Nehmen wir nur mal das laute 1n-die-Hande-Klatsehen. Beim Flameneogeh6rt es unabdingbar dazu,anderswoist es Larm. Darum muss man, fahrtunser Dozent ztigig fort, zwisehendem inneren Klang, der in einemselbstverankert ist, und dem auBeren,der in den Zustandigkeitsbereieh derHiFi fallt, unterseheiden. Gute Laut-spreeher maehen es einem leieht, die-ses 1nnere aufzusptiren und anzu-rtihren. 1m1dealfallhOrt man namlieh

dann nur mehr die Struktur der Mu-sik, nieht den Lautspreeher. Das istder Untersehied zwisehen H6ren undKonsumieren. Aiso der Untersehiedzwisehendem, wasdie Leutebrauehenund was sie suehen. Bei Chario,kommt der Chefentwieklerzum Endeseiner Vorlesung,kriegen sie nattirlichnieht, was sie haben wollen, sondernwas sie brauehen: exzellente la-Laut-spreeher.

P.S.: Manehmal stellt man Fragen,deren Antwort einen naehhaltig ausder Fassung bringt. Ganze Weltan-sehauungen geraten da ins Wanken,das eigene Urteilsverm6gen hangt nurnoeh an einem seidenen Faden, liebgewonnene Vorurteile stehen auf demSpie!.!ch will von Signor Muraee wis-sen, ob es mit seiner irritierendenKopfbedeekung irgendetwas Bedeu-tungsvolles auf sieh hat. Ja, er ist doehein afroamerikaniseher Musiker, undweil alle afroamerikanisehen Musikereine solcheweiBeMtitze tragen, hat ereben aueh eine.

P.P.S.: Und manehmal stellt manFragen, die man hinterher bereut.Unser letzter Abend bei Chario. Wir

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Aueh die K6rbe der Chassis werden im Haus laekiert. Naeh

dem Troeknen werden sie einzeln inspiziert

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sitzen beim Sizilianer von Merate imFreien. Angenehme Temperaturen,leiehte Gespraehe, stiffiger Proseeeo,auBergew6hnlieh delikate Antipasti.!ch frage den Sheriff-KillerVieenzettonaeh seinem Lieblingskomponisten.Da muss er nieht lange tiberlegen,dasist Riehard Wagner.Der sehmaekhafteAuberginen-Oliven-Kapern-Salat hatauf einmal so einen essigsaurenBeige-sehmaek. Nein!, sehreie ieh laut auf,Sie doeh nicht, Sie sind doeh ein lie-benswerter Menseh, das glaube iehnieht! Doeh, als Kind besuehte er malseine Tante - aha, der extrapersonalefamiliare Bestimmungsfaktor - imAtelier ihres Lehrers. Da h6rte er denRing der Nibelungen, und zwar, erweiB es noeh wie heute, die Stelle,alsSiegfriedins Boot steigt, um die Prin-zessinzu retten. Wie das Englisehhorneinsetzt ... wunderbar. Ja,das hat seinLeben grundlegend verandert. OhneVorwarnung h6ren wir von ihm dazueine kleine musikalisehe Kostprobe.Er glaubt wohl, er tue uns damit einenGefallen. Da sieht man mal wieder,wie unendlieh weit Sehein und Seinauseinanderliegenk6nnen. .

Aueh bei der Endmontage gibt es keine Hektik. Nach derFertigstellung wird jede einzelne Box getestet