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HEFT NR. 18 6. JAHRGANG Für Feierbiester DER ULTIMATIVE SOMMER-FESTIVALGUIDE Für Weltretter „TOMORROW – DIE WELT IST VOLLER LÖSUNGEN“ Für Einzelgänger „NACH ALLEM, WAS ICH BEINAHE FÜR DICH GETAN HÄTTE“

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Der Kultur-Teil der aktuellen chilli-Ausgabe Ausgabe Mai 2016

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Heft Nr. 186. JaHrgaNg

für feierbiesterDer ultimative Sommer-FeStivalguiDe

für Weltretter„tomorrow – Die welt iSt voller löSungen“

für einzelgänger„nach allem, waS ich beinahe Für Dich getan hätte“

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Festival des Artefacts

Das Artefact Festival in Straßburg steht ganz im Zei-chen der Punk- und Rockmusik. Die rauen Klänge von Bands wie The Hives (25. Juni) oder Volbeat (25. Juni) entführen Musikfreunde der ganzen Region in die dunkle Welt des Metal. Mit neuem Sänger Franky Pe-rez im Gepäck legt die finnische Band Apocalyptica jede Menge Emotion in die kraftvollen und schweren Metallsongs.

Kamehameha

Diesen Sommer geht das Kamehameha Festival in die dritte Runde und verwandelt das Festivalgelände am Rande des Schwarzwalds in eine elektronische Traum-welt. Wo sonst Segelflieger starten, liegt an diesem Ju-ni-Wochenende ein besonderer Spirit in der Luft. Ge-prägt von den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde holt das Kamehameha namhafte Künstler wie Alle Farben, Claptone und Felix Jaehn in die Ortenau.

Große Musiker & unentdeckte Talente Der Festival-Sommer in Freiburg und Region

Wann? 24. & 25. Juni

Wo? La Laiterie & Le Zénith Straßburg Wann? 10. & 11. Juni

Wo? Flugplatz Offenburg

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SpeCIaL Festivalguide

Allein in der südlichsten Großstadt Deutsch-lands werden den Festival-Liebhabern vier Monate lang 27 Sommer-Events geboten.

Was in den letzten Jahren der Freiburger Münster-sommer war, ist heute der Sommer in Freiburg. Von Juni bis September verwandelt sich die Stadt in eine große Bühne. Der Sommer bietet eine gan-ze Bandbreite an musikalischen, kulinarischen und künstlerischen Highlights. Klassische Musik im imposanten Freiburger Münster, Open-Airs auf

zahlreichen Plätzen, rauschende Feste im Park und wilde Partys am See. Aber damit nicht genug: Zu keiner Jahreszeit ist es schöner, im Dreiländereck zu leben, als zur Festival-Saison. Von Rammstein bis Deichkind, über Musikgrößen des Jazz und der Klassik, bis hin zu sanften Reggae-Klängen und af-rikanischer Musik. In Frankreich und der Schweiz geht es ebenso zur Sache wie im südlichsten Zipfel Deutschlands. Der Sommer steht in den Startlö-chern und die Festivals warten.

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SpeCIaL Festivalguide

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Wann? 12. – 31. Juli

Wo? Lörrach & Umgebung

Wann? 8. Juli – 7. August

Wo? Tollhaus Karlsruhe

Wann? 24. – 26. Juni

Wo? Neuhausen ob Eck

Wann? 13. – 31. Juli

Wo? Mundenhof Freiburg

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Int. Musikfestival Colmar

Laut der „New York Times“ ist es eines der besten Festi-vals in Europa. In Colmar treten jedes Jahr hochbegabte Musiker der Klassik auf und verleihen der kleinen franzö-sischen Stadt einen ganz besonderen Zauber. In diesem Jahr wird einer der größten Musiker des 20. Jahrhunderts geehrt. Der russische Geiger Jascha Heifetz prägte die klassische Musikszene. Symphoniekonzerte, Kammer-musik und Solovorstellungen bieten eine tolle Gelegen-heit, die besten Solisten der Gegenwart kennenzulernen. Darunter bekannte Namen wie Renaud Capuçon und Vadim Gluzman sowie begabte Nachwuchshoffnungen. Ein Highlight wird eine ganz neue Formation sein: das russische Philharmonische Orchester unter Leitung von Wladimir Spiwakow und das Orchestre National du Ca-pitole de Toulouse unter Tugan Suchijew.

Stimmen Festival

Unzählige Stimmen und wunderbare Klänge verwan-deln Lörrach sowie umliegende Orte im Dreiländereck in eine singende Stadt. Bekannte Gesichter wie der bri-tische Jazz-Künstler Jamie Cullum oder die deutsche Popband Revolverheld verleihen dem Stimmen-Festi-val einen besonderen Charme. Aber auch noch unbe-kannte Künstler, die in Lörrach ihr Debüt geben wer-den, machen dieses Musikereignis einzigartig – und sorgen für musikalische Überraschungen.

ZMF Zelt Musik Festival

Der südbadische Sommer steht vor der Tür, und auch dieses Jahr ist das älteste Zeltfestival Deutschlands wieder ein Kulturhighlight inmitten einer einzig-artigen Zeltlandschaft im Naturerleb-

nispark Mundenhof. Das ZMF trumpft mit einem umfangreichen Programm

voller Neuentdeckungen und namhaften Künstlern. Am Start sind diesmal unter anderem das Musikduo Boy, die mit ihrem Hit „Little Numbers“ für einen Ohrwurm oh-negleichen gesorgt haben. Auch der deutsche Newcomer Joris ist mit von der Partie beim Zelt Musik Festival.

Southside

Einmal im Jahr teilt sich die Festival-Meute in Nord und Süd. Auf einem ehemaligen Militär- und Flugplatzge-lände steigt diesen Sommer wieder das legendäre Southside Festival parallel zu seinem Zwillingsfestival, dem Hurricane. Das imposante Line-up, an dessen Spit-ze sich Rammstein, Mumford & Sons sowie Tom Odell tummeln, lockt wieder tausende Festival-Liebhaber in den Süden. Und auch für die Newcomer lohnt es sich, über das Festival-Gelände zu schlendern.

Zeltival

Wie auf dem ZMF in Freiburg erwartet die Besucher auf dem Zeltival in Karlsruhe eine bunte Mischung ver-schiedener Musikgenres. Darunter bekannte Größen des Jazz wie José James und Gregory Porter. Soul, Blues, Indie und sogar R’n’B stehen auf dem umfangreichen Programm des Sommerfestivals des Karlsruher Kulturzentrums Tollhaus. Ein echtes Highlight ist die kanadische Sängerin Alejandra Ribera. Sie entführt die Zuhörer mit ihrer unverwechselbaren Stimme in die Musikwelt des Folk, Pop und Jazz.

Bang Your Head Festival

Das Bang Your Head lebt eine besondere Devise: Ein Fes-tival von Fans für Fans mit Großevent-Flair und trotz-dem in entspannter Atmosphäre. Geschätzt für seinen familiären Charakter, zieht es jedes Jahr Tausende von Hard Rock- und Heavy Metal-Fans aus ganz Europa an. Die beschaulichen grünen Auen der Schwäbischen Alb verwandeln sich dann in eine Hochburg der rauen Gi-tarrenklänge. Renommierte Szene-Stars wie die Me-tal-Legende Slayer oder Twisted Sister, die ihre letzte große Show spielen werden, geben dem Rockereignis eine besondere Note. Iced Earth werden sogar ihr einzi-ges Festival-Konzert in Europa dieses Jahr auf dem Bang Your Head spielen. Aber auch handverlesene Kultbands für echte Szene-Kenner gehören zum Repertoire und lo-cken viele Banger nach Balingen.

Wann? 5. – 14. Juli

Wo? Colmar

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Wann? 14. – 16. Juli

Wo? Messe Balingen

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Wann? 29. Juli – 6. August

Wo? Belchenhalle & Stadtpfarrkirche St. Martin Staufen

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SpeCIaL Festivalguide

Open-Air im Park

Einmal im Jahr öffnet der idyllische Kurpark in Bad Krozin-gen seine Pforten, um Fans der Schlager- und Volksmusiks-zene zu begeistern. Los geht’s am 16. Juli mit dem traditio-nellen Lichterfest und seinen 15.000 Kerzen und 1000 japanischen Bambuslaternen. Die Besucher erwarten lie-bevoll ausgeschmückte Lauben und am Sonntag ein um-fangreiches Familienprogramm mit der Europa-Park Kin-derparty im Kurhaus. Den musikalischen Auftakt macht der glanzvolle Galaabend am Donnerstag, dem 21. Juli, mit Reiner Kirsten, Verena Rose Ruder und Andy Borg. Am Frei-tag kombiniert Umberto Tozzi gekonnt Pop- und Rockmu-sik. Sein Repertoire reicht von gefühlvollen Balladen bis zu lauten Rocksongs. Zum Abschluss sorgt das bekannte Gl-enn Miller Orchestra für Unterhaltung vom Feinsten und spielt Hits wie „Moonlight Serenade“.

Sea You Festival

Sonne, Strand, elektronische Beats und ein Dancefloor auf dem Wasser. Das Sea You Festival Beach Republic 2016 steht ganz im Zeichen des Sommers. Die Electro-Liebha-ber erwarten nicht nur namhafte Live-Acts wie Robin Schulz, Monika Kruse oder Sven Väth, sondern auch eine eindrucksvolle Wasserwelt, eine komplette Food-Stadt so-wie eine Chillout-Meile zum Entspannen nach dem Rave.

Staufener Musikwoche

Zum Auftakt der traditionellen Staufener Musikwoche konnte das Festival her-ausragende Musiker wie Werner Güra und Fabrizio Chiovetta gewin-nen. Der erste Abend steht mit Ge-dichtvertonugen von Franz Schubert und Robert Schumann ganz im Zei-chen der Romantik. Eine Reise durch die Musikgeschichte beginnt: Mit Francesca Boncompagni und der Gruppe Echo du Danube holt die Staufener Musikwoche das quirlige Leben Neapels im 17. Jahrhundert auf die Bühne.

Wann? 16. & 17. Juli

Wo? Tunisee Freiburg

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Wann? 16. & 17. Juli

Wo? Kurpark Bad Krozingen

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I Em Music Festival

In diesem Jahr findet ein großer Abschied auf dem Schloss- platz in Emmendingen statt. Auf dem I Em Music Festival wird die Band Unheilig eines ihrer letzten Konzerte spielen. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung ihres letzten Longplay-ers „Gipfelstürmer“ gaben sie auch ihren Abschied vom Mu-sikgeschäft bekannt. Bevor jedoch der unheilige Vorhang fällt, können sich die Fans auf einer ausgedehnten Konzert- reihe gebührend verabschieden. Mark Forster hingegen sagt in seinen Songs zwar „Au Revoir“, startet aber gerade erst mal so richtig durch. Mit seiner „Bauch und Kopf“-Plat-te verdreht er nicht nur den Charts gehörig den Kopf, son-dern begeistert eine ganze Generation. In besonderem Ambiente wird er beim Schlossplatz sein Publikum mitrei-ßen. Auch auf den 13. I Em Music Festival können sich die Festival-Fans auf unvergessliche Konzerterlebnisse freuen.

African Music Festival

Unter dem Motto „Farbe bekennen“ feiert das African Music Festival zum 16. Mal in Emmendingen und geht weit über die Stadtgrenzen hinaus. Alles dreht sich um die Bereitschaft und vor allem den Mut, anders zu sein und Andersartigkeit zuzulassen. Dabei spielt Musik eine wichtige Rolle, denn die afrikanischen Klänge von Bands wie Tokame oder Julian Marley stehen für das Motto des ganzen Festivals.

Jazzfestival Freiburg

Das Jazzfestival ist in Freiburg ein bedeutender Treffpunkt der internationalen Jazzszene, und Neuentdeckungen der europäi-schen Musikszene sind ebenso Programm wie Auftritte gefeierter Jazzgrößen. Auch dieses Jahr steht wieder die Begeg-nung zwischen junger und etablierter Jazzszene im Fokus des Festivals – an unterschiedlichen Orten im Stühlinger und Sedanviertel – darunter die deutsch- iranische Musikerin Jasmin Tabatabai.

Wann? 5. – 7. August

Wo? Schlossplatz Emmendingen

Wann? 17. September

Wo? E-Werk Freiburg

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Wann? 22. – 24. Juli

Wo? Schlossplatz Emmendingen

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SpeCIaL Festivalguide

Konstanzer Seenachtsfest

Das traditionelle Konstanzer Seenachtsfest darf sich diesen Sommer über elektronischen Zuwachs freuen. Am Abend vor dem großen Spektakel am Bodensee- ufer geht erstmalig das Seesucht Festival an den Start. Mit Headlinern wie Lost Frequencies, Sigma und Sigala hat das Festival absolute Senkrechtstarter der DJ-Szene am Start. Am Folgetag bespielt dann das Seenachtsfest das ganze Seeufer von der Seestraße mit ihren hüb-schen Villen und herrschaftlichen Gärten, über den Stadtgarten und den Hafen bis zur Schweizer Grenze. Absolutes Highlight der beiden Veranstaltungen ist das halbstündige Seefeuerwerk, das zu den größten in Europa gehört. Hier arbeiten Schweizer und Deutsche Pyrotechniker Hand in Hand und sorgen für eine un-vergessliche Show auf dem Bodensee.

Shorts Filmfestival

Vor einer fachkundigen Jury um Schauspieler Matthias Scheuring, dem Regisseurinnen-Duo Böller und Brot sowie Gabriele Röthemeyer und Dieter Krauss von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, konnten sich junge Filmemacher 2015 beweisen. Seit 1999 werden auf dem Studentenfestival der Hochschule Offenburg span-nende Kurzfilme gezeigt. In den Kategorien Kurzspielfilm, Mittellanger Film, Dokumentarfilm, Animationsfilm und Experimenteller Film zeigen nicht nur die eigenen Studie-renden ihre Werke vor großem Publikum. Die jungen Re-gisseure kommen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz, um ihre Meisterwerke auf der großen Leinwand zu präsentieren. Dann verwandelt sich das Forum Kino in Offenburg vier Tage lang in eine trinationale Festival-Spiel-stätte. Der Call zur Einreichung endet dieses Jahr am 24. Juli.

Wann? 13. August

Wo? Bodenseeufer KonstanzWann? 8. – 11. November

Wo? Forum Kino Offenburg

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Das eintägige Kult Open-Air gehört zu den größten Rockevents in Baden-Württemberg und feiert dieses Jahr 30-jähriges Bestehen. Um dieses Highlight gebüh-rend zu ehren, holt das Festival eine der kreativsten und erfolgreichsten Rockgruppen dieser Zeit ins Bo-denseestadion. Der britische Rockgigant Muse steht für spektakuläre Live-Shows, ausverkaufte Arenen und eu-phorische Begeisterungsstürme weltweit. „Mit MUSE ist es uns gelungen, für die Jubiläums-Ausgabe einen internationalen Headliner nach Maß zu verpflichten“, freut sich Festivalchef Dieter Bös. Und es ist nicht ihr erstes Mal am Bodensee: Schon vor rund 16 Jahren leg-

ten Sänger und Gitarrist Matt Bellamy, Drummer Do-minic Howard und Bassist Chris Wolstenholme eine einschlägige Performance bei Rock am See hin. Neben den Songs ihrer neuen Platte „Drones“ wird die Band auch viele Klassiker wie „Survival“, „Supermassive Black Hole“ und „Starlight“ spielen. Damit aber noch nicht genug: Neben Muse werden auch namhafte Bands wie The Libertines am Start sein. Die Gruppe ge-nießt seit zwei Jahrzehnten Kultstatus. Am 20. August werden die beiden Frontmänner Pete Doherty und Carl Barât im Bodenseestadion rocken und mit lässigen In-die-Klängen den Sommer nach Konstanz holen.

Dieses Line-up kann sich sehen lassen: Am 5. Au-gust rocken Wanda, Bosse sowie die Sport-freunde Stiller auf den Wiesen des Donau-parks in Sigmaringen. Letztere begeistern schon seit 10 Jahren ihre Fans und bringen mit ihren Stadionhymnen wie „Ein Kompli-ment“ oder „Applaus, Applaus“ ganze Are-nen zum Beben. Sigmaringen erwartet eine Mischung aus bayerischem Charme, legendären

Hits und einer guten Portion energiegeladener Live-Performance. Ein großartiger Musiker der

deutschen Pop-Szene sorgt nicht nur auf dem Summernight für ein feierwütiges Publi-kum. Mit seinem sechsten Album „Engtanz“ schafft Bosse es endlich auf Platz Eins der Charts. Seine Musik strotzt nur so vor Energie

mit der Botschaft, alles in vollen Zügen zu zele-brieren und vor allem zu genießen.

Summernight Festival SigmaringenWann? 5. August – Wo? Donaupark Sigmaringen

Rock am SeeWann? 20. August – Wo? Bodenseestadion Konstanz

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Bands mit KultstatusEin Tag Rock am Bodensee

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Auf Tour: Laurin Rutgers (von links), Gabriel Bechler, Danny Mc Clelland und Markus Brückner

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sartDer Traum von Dublin

IndIe-Folk-PoP-Band RedensaRt touRt duRch deutschland

ier Jungs, ein Ziel: von der Musik leben. Die Freibur-ger Indie-Folk-Pop-Band Redensart hat sich 2015 als Supportact von Ton-bandgerät einen Namen gemacht. Einst spielten sie vor drei Fans in Kehl. Jetzt touren sie von Stadt zu

Stadt. Sie waren in Paris und zockten vor 1800 Leuten in Hamburg. Der Traum ist aber noch größer.

Draußen prasselt der Regen aufs Gras, drinnen sitzen Redensart. Im Café der Studentensiedlung wird bei Bier und heißem Tee geplaudert. Gleich ist Bandprobe im Unterge-schoss. Eine der letzten vor dem Start der Deutschlandtournee. Die Stim-mung ist gelöst, Bassist Gabriel „Gabbo“ Bechler präsentiert stolz die erste Vinylpressung ihrer EP „Am Ende war nicht alles schlecht“. Es gibt sogar ein handsigniertes Exemplar.

Gitarrist Laurin Rutgers war am Vormittag als Fahrradkurier unter-wegs. Wenn nicht gerade eine Tour ansteht, jobben alle vier. Im Kinder-garten, im Jazzhaus, in einem Café. Wäre es finanziell möglich, würden sie nur Musik machen. 150 Konzerte ha-ben sie seit der Bandgründung vor vier Jahren gespielt und zwei CDs veröf-

fentlicht. „Alles, was wir einnehmen, geht bisher wieder weg“, sagt Schlag-zeuger Markus Brückner. Trotz der mittlerweile vierten Tournee.

In Kehl spielten die Mittzwanziger vor zwei Jahren noch vor drei Zu-schauern. Bei der Deutschland-tournee der vergangenen Wochen füll-ten sie nun Säle mit 80 bis 200 Plätzen. Tübingen, Berlin, Hamburg, Marburg, München, Köln, Bremen und das Freiburger Jazzhaus. Tournee-fotos auf Facebook zeigen dahin-schmelzende Frauen in den ersten Reihen. „Im Vergleich zu vor zwei, drei Jahren haben wir einen ganz, ganz großen Schritt gemacht“, schwärmt Sänger Danny Mc Clelland.

Die Nachfrage steigt: „In Städten, in denen wir größere Supportkonzerte ge-spielt haben, läuft es ziemlich gut“, be-richtet Brückner, der für die Bandkas-se verantwortlich ist. Das Booking macht Rutgers. „Gabbo“ Bechler küm-mert sich um die Grafik. Mc Clelland schreibt die Texte, die Songs arbeiten sie gemeinsam aus. Die vier sind Freunde, auch neben der Bühne. „Das ganze Touren funktioniert nur, weil wir uns so gut verstehen“, sagen sie.

Die eingängigen Songs machen Laune: „Wenn alles klappt, ist alles gut, und wenn nicht, ist was wir haben

längst genug“, singen die vier in „Längst genug“. Sie wirken boden-ständig, sympathisch, nahbar – das kommt an. Vor kurzem gab’s die erste Fanpost. Ein Mädchen hat der Band einen Brief geschrieben und Bilder ge-schickt. Die Jungs fühlen sich geehrt.

Ein Karrieresprungbrett war die Supporttour vor einem Jahr mit der Hamburger Band Tonbandgerät. So kam’s zum bisher größten Gig: „In Hamburg haben wir vor 1800 Leuten gespielt, das war richtig krass“, schwärmt Rutgers. Auch in Paris wa-ren sie schon, spielen aber am liebsten an vertrauten Orten. „Es ist einfach immer wichtig, dass wir dahin zurück-kommen, wo wir schon waren“, sagt Sänger Danny Mc Clelland. Neuer-dings singen die Fans sogar Texte mit. „Wow, krass, was ist da los?“, be-schreibt Brückner solche Momente.

Die Sommertour mit 15 Konzerten ist gebucht. Nach Großbritannien führt sie nicht. Da würden sie aber zu gerne mal hin. Mc Clellands Vater ist schließ-lich aus Irland. „In Dublin gibt’s eine arschgeile Halle (das Olympia Theatre). Da zu spielen, ist das Ziel, auch wenn’s absolut utopisch ist“, schwärmt Rutgers. Einer ihrer Songs heißt „Wie das wohl wär“. Vielleicht hilft’s ja, ihn noch ein paar Mal zu spielen.

von Till Neumann

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Lässig, rotzig, vielschichtig

(tln). Samy Deluxe meldet sich mit „Berühmte letzte Worte“ zurück. 16 Tracks in alter Deluxe-Manier: Dop-pelreim jagt Doppelreim, flowtech-nisch kann ihm noch immer kaum einer das Wasser reichen. Doch Sa-muel Sorge belässt es nicht bei lässi-gen Wortspielereien. Die fein produ-zierte Platte bietet viel Tiefsinn.

„Papa weint nicht“ widmet Samy sei-nem verstorbenen Vater. Das rot-zig-rauhe „Mimimi“ steht für Mitbür-ger mit Migrationshintergrund. Der Sohn einer deutschen Mutter und ei-nes sudanesischen Vaters erzählt zu orientalisch-treibenden Sounds, wie in Deutschland Kulturen aufeinander-prallen – und dennoch am Ende mitein- ander klarkommen. „Haus am Mehr“ ist eine Anspielung auf „Haus am See“ von Peter Fox. Warum werden Men-schen nie satt? Das Hamburger Hip-Hop-Original kommt zu dem Ergeb-nis, dass weniger auch mal mehr ist.

Das Album ist größtenteils von Bazza-zian produziert. Der hat mit sou-lig-stampfenden Beats den richtigen Ton getroffen. Hin und wieder wird mit Effektgeräten an den Vocals gedreht. Neu erfunden hat Samy das Rad damit nicht. Aber das Album spielt locker 1. Liga. Auch wenn er mittlerweile in Hamburg einen Burgerladen mit „Dri-ve-Bei-Lagen“ betreibt, Samy hat das Rappen nicht verlernt. Seine letzten Worte waren das wohl nicht.

Samy DeLuxe

BerühmTe LeTzTe WorTeVertigo Berlin (Universal Music)

Klassik im rock-exil

(tln). Klassik-Rock könnte man das nennen, was Exil46 machen. Zumin-dest rocken da Klassiker. Die vier Musiker des Philharmonischen Or-chesters Freiburg lassen in kleiner Exil-Formation Grenzen verschwim-men. Mischen Geige und Cello mit satten Drums, lassen treibende Melo-dien auf versierte Breaks treffen.

Die Philharmoniker im musikali-schen Exil sind Friederike Hess-Gag-non (E-Geige), Dina Fortuna (E-Cel-lo), Timo Stegmüller (Percussion) und Drummer Tilman Collmer. Ihr Album „on the way“ ist unlängst erschienen. Auf zehn Instrumental-Songs bewei-sen sie, dass Gegensätze zusammen-passen. Das wuchtige „Divine Seven“ wäre mit windig-schnellen Geigen ein idealer Soundtrack für rasantes Kino. Ein Feuerwerk zündet, wenn in „Non-stop“ nach zarten Geigen harte Schläge die Stille durchbrechen. Und zum „Ab-schied“ gibt’s acht Minuten schwermü-tige Streicher im Zeitlupentempo.

Immer wieder brechen Breaks die Strukturen auf, um wenige Takte spä-ter mit geballter Energie zurückzu-kommen. Doch Drive ist nicht alles. Die großen Momente der CD liegen in der Melancholie düster-schillernder Dialoge zwischen Cello und Geige. Das ist hörens- und sehenswert. Die futuristischen Elektro-Streicher sind da nur ein Blickfang des erfrischend unphilharmonischen Exil-Quartetts.

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oN The WayEigenvertrieb

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titel: Petri-Heilurheber: Nils HeinrichJahr: Aktuell

Viele glauben mittlerweile, Petri-Heil ist die neue Pflichtgrußformel für die AfD-Vorsitzende. Aber das stimmt nicht. Nicht nur, dass es Petry-Heil heißen müsste, nein, Petri-Heil ist der Angler- Gruß, die genitivierte Form des frühzeitlichen Angler-Stars und Jesus-Intimus Petrus. Be-rufsangler. Übersetzt: „Dem Petrus sein Heil“. Wir sind im Milieu der Angler angekommen. Ein harmloses Völkchen, möchte man denken, kann man aber nicht. Denn oft wird hier im Trüben gefischt und das Verbrechen hält sich ja gern im Trüben auf. Den gravierendsten Fischzug haben wir hier mit dem RAP (!) „Angeln Berlin“ gemacht.„YO - Fischers Fritz fischt frische Fische! / Angeln Berlin! / Fischers Fritz fischt frische Fische. / Frische Fische fischt Fischers Fritz. Er fischt frische Fische O-YEA“ – Okay, das ist auch noch geklaut. Dafür sind wir aber nicht zuständig.„Ich passe nicht so in das Weltbild meiner Freundesmeute,denn ihr gebt euch ja nicht ab mit solchen Leuten,so wie ich einer bin mit Gummistiefeln an den Tretern,ich fang meinen Fisch mit Angel, das kann nicht jeder.“Nein, das kann wirklich nicht jeder:„Der Blinker schwimmt im Wasser, unten lauert der Haken, an ihm zappelt eine Made aus dem Madenau-tomaten. Ich hab mich immer schon gefragt, wieso Fische Maden fressen, ich hab’s selber mal probiert und ich musste brechen. Ganz egal wie oft ich mir die jungen Hände wasche, Schokolade schmeckt nach Fisch wenn ich sie nasche, alle Katzen meiner Straße sind voll scharf auf mich, denn kein anderer Hengst stinkt so nach Fisch wie ich, ich kann jede Muschi haben hier und unten am See, das Problem ist nur das ich auf Hunde steh!“

Sorry Leute, trotz der Schwere der Tat: Wir ham kurz weggeguckt. Dann war er zum Glück weg. Was sollen wir auch mit dem machen. angeln für deutschland!

Für Eure Geschmackspolizei Benno Burgey

Der SouNDDrecK ...... zu europa

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ie Schauspielerin Mélanie Laurent war schwanger, als sie in einer Ausgabe der Zeit-schrift „Nature“ eine aufrüt-telnde wissenschaftliche Stu-die las: Darin wurde bis Mitte des 21. Jahrhunderts der komplette Zusammenbruch der Ökosysteme der Erde

prognostiziert – und damit das Ende sta-biler Lebensbedingungen für die Men-schen. Nach dem ersten Schock über diese wenig hoffnungsvollen Aussichten entschloss sie sich, vorübergehend Fil-memacherin zu werden und mit dem NGO-Aktivisten Cyril Dion ein Filmpro-jekt über nötige Alternativen zur beste-henden Wirtschaftsordnung umzuset-zen. Das Ergebnis: Ein optimistischer Film, der zum Handeln anregt.

Bei ihrer Recherche setzten Laurent und Dion voraus, dass heute eigentlich jedem Erdenbewohner klar sein müsste, dass unsere von grenzenlosem Wachs-tum und ungehemmter Globalisierung bestimmte Lebensweise in eine Sackgas-se führt. Es ging ihnen nicht um das Be-nennen von Missständen, sondern um das Aufzeigen von Alternativen, die zei-gen, dass jeder dazu beitragen kann, den nächsten Generationen eine Welt zu hin-

terlassen, die sie trägt, die ihnen das gibt,

was sie

zum Leben brauchen. Und dass es mög-lich ist, wirtschaftlich zu handeln und Natur und natürliche Ressourcen den-noch zu schonen und zu bewahren.

Angefangen bei der kleinteiligen, sogar urbanen Landwirtschaft, über die Ener-giewende, den Ansatz eines stärker regio-nal ausgerichteten Wirtschaftskreislaufs bis hin zu einem anderen Demokratie- und Bildungsverständnis beleuchten sie die Möglichkeiten, die drohende Apoka-lypse abzuwenden. Sie besuchen eine städtische Food-Coop in Detroit, die in-mitten von Industrieruinen für die Ent-stehung einer urbanen Landwirtschaft sorgt, an der alle Bewohner beteiligt sind. Sie essen Beeren von einem der vielen Sträucher am Straßenrand, die von allen bewirtschaftet werden und allen zur Ver-fügung stehen. Sie zeigen, wie sich Ko-penhagen mittels alternativer Verkehrs- planung darauf vorbereitet, bis 2025 vollkommen unabhängig von fossiler Energie zu sein. Sie untersuchen, wie lo-kale Parallel-Währungen funktionieren und wie sie die örtliche Wirtschaft ankur-beln. Sie zeigen aber auch, dass alles mit allem zusammenhängt. Und dass es keine einheitliche Formel zur Weltrettung gibt. Sondern dass diese aus vielen Puzzletei-len besteht, die sich zu einem großen Ganzen zusammenfügen.

In Frankreich hat „Tomorrow“ mehr als 800.000 Zuschauer in die Kinos gelockt; der Film wurde mit dem César als „Bes-ter Dokumentarfilm“ ausgezeichnet. Sei-ne klare und einfache Botschaft: Der Wandel beginnt bei uns.

Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen Frankreich 2015Regie: Cyril Dion & Mélanie LaurentDokumentationVerleih: Pandora Laufzeit: 118 MinutenStart: 2.6.2016

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Beeren am StraßenrandDie Formel zur rettung Der Welt besteht aus vielen Puzzleteilen

von Erika Weisser

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Fotos: © Mars Distribution

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Frankreich 2015Regie: Régis MardonMit: Jean-Paul Belmondo, Paul Belmondo u.a.Verleih: Edel MotionLaufzeit: 102 MinutenPreis: ca. 15 Euro

Unterwegs mit Bébel

(ewei). Jean-Paul Belmondo dürfte ei-ner der bekanntesten Schauspieler Frankreichs sein. In den 1950er Jah-ren war der inzwischen 83-Jährige der wichtigste Darsteller der Nouvelle Va-gue, in den folgenden zwei Jahrzehn-ten avancierte der ehemalige Boxer mit dem nicht eben ebenmäßigen Ge-sicht in zahlreichen tempo- und acti-onbetonten Filmen zum Superstar.

Viele Gefährten und vor allem: Gefährtinnen begleiteten seinen Weg, der gegen Ende seiner aktiven Karriere dort endete, wo er immer sein wollte: im Theater. Einige Etap-pen dieses Wegs hat der legendäre Mime nun mit seinem Sohn Paul besucht – und an früheren Drehor-ten und anderen markanten Loca-tions trafen sie auf so manchen ehe-maligen Wegbegleiter Bébels, wie Belmondo von seine Fangemeinde genannt wird. Man schwelgt in Erin-nerungen, schaut sich Ausschnitte aus den alten Filmen an, man lacht viel – auch über sich selbst. Und die berühmten Stunts. Ein gelungenes Biopic-Roadmovie.

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Deutschland 2015Regie: Timon Birkhofer, Jørg M. KundingerDokumentarfilmVerleih: Lighthouse Entertainment Laufzeit: 86 MinutenPreis: ca. 13 Euro

Kreatives Geld

(ewei). Fast alle Ideen sind nur mit Geld umzusetzen. Und wenn man keines hat, muss man eben einen Sponsor fin-den. Doch was passiert, wenn die Idee so originell, so kreativ ist, dass ein ein-zelner großer Geldgeber sie vielleicht zu verrückt findet, um sie zu fördern?

Dann ist Crowdfunding angesagt: der Versuch, viele Unterstützer für ein Projekt zu gewinnen. In jüngster Zeit ist diese Art der Finanzierung für unabhängige Kreative zu einem wich-tigen Instrument für die Realisierung ihrer Ideen geworden. Unter ande-rem auch deshalb, weil sie damit die Abhängigkeit – und die damit ver-bundenen Einschränkungen – von einer gut betuchten Einzelperson oder Firma umgehen.

Für ihre natürlich per Crowdfun-ding finanzierte Dokumentation ha-ben Jørg M. Kundinger und Timon Birkhofer verschiedene Pioniere dieses Finanzierungsmodells begleitet. Sie zeigen die damit verbundenen Hoff-nungen, Chancen und Träume, die es mit sich bringt. Aber auch die Ängste, Gefahren und Fallstricke.

2 DVDs zu gewinnen! Teilnahme über www.chilli-freiburg.de – Stichwort: „Belmondo von Belmondo“

2 DVDs zu gewinnen! Teilnahme über www.chilli-freiburg.de – Stichwort: „Capital C“

KiNO FILMTIPPS

voll von der Rolle

trickfilme: made in Freiburg

(ewei). Bis Mitte Juni gibt es im Kommunalen Kino un-ter dem ein wenig rätselhaften Titel „Migrant, Mutant, Elefant“ eine Filmreihe, in der es um Superkräfte, Fanta-siegestalten, Zwischenwelten geht: Ausgewählte Co-mic-, Trick-, Animations- und Science-Fiction-Filme ent-führen uns in neue, von seltsamen Wesen bevölkerte Erlebniswelten, wobei diese Fremdartigkeit eher positiv, als Bereicherung empfunden wird. Anders als Neuan-kömmlingen, bei denen seitens Einheimischer oft das Trennende im Vordergrund steht.Zu den Klassikern, die bereits Filmgeschichte geschrie-ben haben, werden sich bald Freiburger Produktionen gesellen. Das Thema: Migrationsgeschichten – und die eigenen Bezüge dazu. Dieses ziemlich außergewöhnli-chen Comic- und Filmprojekt, erstreckt sich über drei arbeitsintensive, jeweils dreitägige Workshop-Wochen-enden; die dabei entstehenden Filme werden noch in diesem Sommer im Kommunalen Kino zu sehen sein. 12 experimentierfreudige Menschen im Alter von 18 bis 35 Jahren werden in den kommenden Wochen neue Ge-schichten zu Herkunft und Ankunft, zu Fremdsein und Heimat entwickeln – und dabei gehörig „in ihrer eigenen Geschichte, ihren eigenen Gefühlen und Erfahrungen kra-men“, wie Projektleiter Florian Fromm hofft. Begleitet wer-den die Experimentierenden dabei von Experten: Matthias Frischer, erfahrener Fachmann und Coach für interkulturel-les Lernen, reiste aus Bremen an, um die Teilnehmer in Sa-chen Perspektivwechsel und Einfühlung zu schulen. Und Falk Schuster aus Halle, der die praktisch-didaktische Seite der Workshops übernimmt, hat ein ganzes Repertoire von Kurzfilmen vorzuweisen (http://www.falkschuster.com/). Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein. info: www.koki-freiburg.de/filmreihen/1101/migrant-mutant-elefant

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kolumne

Foto: © Universal Pictures

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Literatur

66 chilli Cultur.zeit Mai 2016

Foto: © Christian Trieloff

n Freiburgs Literaturhimmel glänzt ein neuer Name: Marie Malcovati. „Nach al-lem, was ich beinahe für dich getan hätte“ heißt der erste Roman der 34-jährigen ge-bürtigen Freiburgerin, die nach Studien-jahren in Manchester, Ludwigsburg und Berlin hierhin zurückkehrte. Sie erzählt die Geschichte „von Zufällen an einem Ort der Ortlosigkeit“: Drei einander völlig unbekannte Menschen begegnen sich in der Wartehalle des Schweizer Bahnhofs in Basel. Hinterher hat ihr Leben eine an-dere Richtung als vorher.

Eigentlich begegnen sich in der Halle nur zwei Personen: Lucy und Simon. Sie ahnen nichts von der dritten Person, die in der Romanhandlung aber eine wesent-liche Rolle spielt: Kommissar Beat Marot-ti von der Basler Kantonspolizei. Er wird nur für die Leser sichtbar; den beiden an-deren Protagonisten bleibt er verborgen.

Er sitzt in einem Raum, in dem er die Aufzeichnungen der Überwachungska-meras auf dem Bahnhofsgelände kontrol-liert. Mehr als nur routinemäßig: Eine Spaß-Guerilla-Gruppe hat an diesem Tag eine Aktion in der Stadt angekündigt, und Marotti obliegt die Aufgabe, bei der Fest-stellung verdächtiger Handlungen am Bahnhof die unsichtbar bereitstehende Bereitschaftspolizei zu alarmieren.

Doch der verborgene Beobachter sieht sich bald an Lucy und Simon fest, die zwar nicht verdächtig, aber doch merk-würdig wirken. Lucy, die Marotti wegen ihrer Frisur bald „Kerze“ nennt, sitzt stundenlang bewegungslos inmitten des üblichen Bahnhofsgewimmels und starrt auf eine Wand. Und Simon, der irgend-wann neben ihr sitzt und mit einem rö-mischen Legionärskostüm bekleidet ist, wird zu Mark Anton.

Beide wirken auf den Kommissar ori-entierungslos, gestrandet: Einzelgänger, die ihr Leben gerade nicht so recht im Griff haben. So wie er selbst. Weshalb er sich ihnen auch persönlich zuwendet und öffnet – und darüber seine eigentli-che Aufgabe völlig vergisst. Dennoch erfährt er nichts von den beiden, kann nur interpretieren, welche Geschichten sie mit sich herumtragen, was sich auf der Bildfläche und in den nicht erfass-ten toten Winkeln zwischen ihnen ab-spielt. Nur die Leser erfahren es – und es ist die Wucht.

Marie Malcovati hat für ihren Ro-man, so erzählt sie der cultur.zeit, „viele erinnerte Momentaufnahmen zusam-mengetragen“ und zu einer beeindru-ckenden Geschichte verdichtet, deren lose Enden voneinander unabhängig scheinen, sich dann aber doch zusam-menfügen. Leicht kommt das Ganze da-her, fast schwebend, manchmal auch komisch. Der Roman wirkt wie ein Epi-sodenfilm, was kein Zufall ist: Malcova-ti hat Regie und Drehbuch studiert. Ihr erstes Buch hat sie unlängst beim Frei-burger Andruck präsentiert, das nächste habe sie „bereits im Kopf“.

Gestrandet in der BahnhofshalleEin bEEindruckEndEs roman-dEbüt dEr FrEiburgErin mariE malcovati

avon Erika Weisser

Marie Malcovati: Erkundet mit filmischem Blick

menschliche Beziehungen.

Nach allem was ich beinahe für dich

getan hättevon Marie Malcovati

Nautilus Verlag, 2016128 Seiten, gebunden

Preis: 16 Euro

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Kein sicherer Hafen

(Erika Weisser). Warum setzen sich Menschen in Gummiboote, in de-nen sie es nur mit viel Glück schaf-fen, ein Meer zu überqueren, um in einen nicht einmal sicheren Hafen zu gelangen? Weshalb begeben sie sich in die Hand von Kriminellen, denen nichts heilig ist außer dem Geld? Was bewegt sie, alles zurück-zulassen – für eine Zukunft, die vol-ler Zweifel ist und kaum Gewisshei-ten kennt?

Diese Fragen standen am Anfang einer Reportage, für die der Journa-list Dietmar Telser und der Fotograf Benjamin Stöß drei Monate lang an den Außengrenzen Europas unter-wegs waren – in Bulgarien, der Tür-kei, in Griechenland, Italien und Nordafrika.

Dabei stellten sie fest, dass dieses Europa auf die Schutzsuchenden wie eine Festung wirken muss: In zahlreichen Begegnungen, Gesprä-chen und Momentaufnahmen wird deutlich, was die Menschen empfin-den, wenn sie spüren, dass sie uner-wünscht sind. Dass man sie als Fein-de betrachtet, gegen die man sich schützen und durch Zäune und die Schließung längst geöffneter Gren-zen von ihrem Weg abbringen will.

Das Buch vermittelt eindrücklich, wie sich das Leben dieser von Flucht, Gefahren, Not und aus-sichtslosem Warten zermürbten Menschen anfühlt – und wirft die Frage auf, wie es uns in einer sol-chen Situation wohl ginge.

von Dietmar TelserVerlag: Styria Premium, 2016178 Seiten, gebundenPreis: 24,90 Euro

Vom Ruhm und vom Absturz

(Dominik Bloedner). Immer wieder Udo. Der Panikgroßmeister aus dem Hamburger Hotel Atlantic, der in die-sen Tagen stolze 70 Jahre wird, ist so etwas wie der rote Faden für den wie-derauferstandenen, einst als Poplitera-ten hochgelobten und dann unschön abgestürzten Benjamin von Stuck-rad-Barre. Udo nennt ihn Stuckiman und begleitet ihn durchs ganze Leben.

Vom verpickelten Teenager, der sich im Plattenladen der norddeutschen Provinz herumdrückt, bis zu jener lus-tigen ersten Szene auf diesen 568 lan-gen, manchmal auch langatmigen und selbstgefälligen Seiten. Die beiden Herren reisen in die USA, Udo kommt mit seinen Sprüchen und qualmender Zigarre gut am Zoll vorbei, in Los An-geles logieren sie im Hotel.

Stuckrad-Barre erzählt in „Panik-herz“ seine eigene Geschichte. Es ist eine Geschichte des Ruhms, der Sucht, des Elends. Es ist auch eine Geschichte des Zurückkämpfens, die in jenem Hotel „Chateau Marmont“ in Hollywood beginnt. Der Autor trifft andere Promis wie Courtney Love, Thomas Gottschalk oder Bret Easton Ellis – und will so en passant zwanzig Jahre Popkultur mit seinem eigenen Leben verknüpfen.

Manchmal gelingt es, manchmal langweilt es. Lesenswert ist es aber alle-mal, nicht nur wegen Udo. Dieser trös-tet, seine Lieder werden immer wieder zitiert. Und auch Udo hat, wie wir wis-sen, einige Jahre am Boden einer Whis-kyflasche verbracht. Keine Panik.

von Benjamin von Stuckrad-BarreVerlag: Kiepenheuer & Witsch, 2016568 Seiten, gebundenPreis: 22,90 Euro

PANiKHERz

Ermittlung aus dem Grab

(Erika Weisser). Rest an der Piehs heißt der 3000-Seelen-Ort, in dem sich merkwürdige Todesfälle häu-fen. Todesfälle, die den Schluss nahe legen, dass in dem ansonsten beschaulichen Dorf ein Mörder umgeht. Ein rätselhafter Mörder, der nicht nur Gustav Meta, Musik-lehrer am örtlichen Karl-Sarg-Gym-nasium, ins Grübeln bringt.

Unter den Dorfbewohnern ist Meta freilich derjenige, der die meis-te Zeit zum Nachdenken hat: Er ist das letzte Opfer dieses phänomena-len Mörders, den bisher noch nie-mand zu Gesicht bekommen hat – zumindest nicht bewusst in dieser Eigenschaft.

Er selbst auch nicht: Seine Begeg-nung mit dem meuchelnden Unbe-kannten trug sich so zu, dass er auf dem Heimweg von der Schule kur-zerhand von hinten erschlagen wur-de. Und da hatte er keine Zeit mehr, „sich mit Dingen zu beschäftigen, die auf der Straße passieren“.

Nun aber, da er im Grab liegt, in-teressiert es ihn schon, wer ihn so vorzeitig auf den Friedhof befördert hat. Er sinniert über abgründige Ver-strickungen, provinzielle Intrigen, geheimnisvolles Getuschel – und kommt bei seinen Ermittlungen zu einem überraschenden Schluss.

Ein ziemlich heiteres, skurriles, freundlich bitterböses Debüt von Tilman Schulze, der in Freiburg ge-boren ist, studiert hat und immer noch wohnt und arbeitet.

FrEzi

PRoViNzABGRüNDE

von Tilman SchulzeVerlag: AAVAA, 2016180 Seiten, TaschenbuchPreis: 11,95 Euro

DER zAuN – Wo EuRoPA AN SEiNE GRENzEN STöSST

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