Christian Barz - Jagdfieber - Jan Scherlers zweiter Fall

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JAGDFIEBER

Christian Barz

leipzig

ROMAN

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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Alle Rechte der deutschen Ausgabe: © 2014 Jonas Plöttner Verlag UG, Leipzig

1. AuflageISBN 978-3-95537-114-2E-Book 978-3-95537-123-4Umschlagreihengestaltung: Maike Hohmeier, HamburgUmschlag: Jonas Plöttner unter Verwendung eines Fotos von Tom Schulze.Satz: Martin SchottenGesetzt in der Adobe Garamond ProDruck: In der EU

www.ploettner-verlag.de

z u m au to r

Christian Barz wurde 1975 in Dortmund geboren und lebt heute als Rechtsanwalt in Leipzig. Er ist verheiratet, hat ein Kind und arbeitete für eine der größten südafrikanischen Kanzleien in Pretoria. Zahlreiche Aufenthalte in Südafrika, Mosambik, Zim-babwe, Botswana, Namibia, Swaziland, Lesotho und Tansania bilden die Grundlage seiner Schilderungen in den Afrika-Krimis mit Jan Scherler. Weitere Informationen über den Autor erhalten sie unter www.afrika-krimi.de

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z u m b u c h

Eine Jagd-Safari in der Nähe des Krüger-Parks nimmt ein jähes Ende. Jan Scherler und seine Begleiter entdecken in einem süd-afrikanischen Wild-Reservat eine Leiche. Was zunächst wie eine unfreiwillige Begegnung mit einem Rudel Löwen erscheint, ent-puppt sich als kaltblütiger Mord. Die Ermittlungen der Polizei gehen nur schleppend voran. Die sechs Freunde entschließen sich daher, auf eigene Faust nach dem Mörder zu fahnden. Schon bald stellt sich heraus, dass der Tote nicht das einzige Opfer war. Bereits dutzende Männer aus der Region verschwanden in den letzten Monaten spurlos. Das Gerücht vom » unsichtbaren Tod « macht in den umliegenden Ortschaften die Runde. Der Verdacht fällt auf eine Bande von Wilderern, die in der Gegend ihr Unwesen treibt. Doch die Aufklärung des Falls vollzieht eine dramatische Wendung, wodurch die Freunde in tödliche Gefahr geraten. Der Auftakt für ein mörderisches Spiel mit ungewissem Ausgang, das zu einem überraschenden Aufeinandertreffen mit einem alten Bekannten führt …

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Für Stephanie & Konstantin

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Inhalt

11 Kapitel 1 – Sonntag, 10. 07. 201149 Kapitel 2 – Montag, 11. 07. 201157 Kapitel 3 – Dienstag, 12. 07. 201183 Kapitel 4 – Mittwoch, 13. 07. 2011115 Kapitel 5 – Donnerstag, 14. 07. 2011157 Kapitel 6 – Freitag, 15. 07. 2012183 Kapitel 7 – Samstag, 16. 07. 2011215 Kapitel 8 – Sonntag, 17. 07. 2011249 Kapitel 9 – Montag, 18. 07. 2011309 Kapitel 10 – Dienstag, 19. 07. 2011357 Kapitel 11 – Mittwoch, 20. 07. 2011427 Kapitel 12 – Donnerstag, 21. 07. 2011517 Kapitel 13 – Freitag, 22. 07. 2011619 Kapitel 14 – Samstag, 23. 07. 2011705 Kapitel 15 – Epilog

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Kapitel 1 Sonntag, 10. 07. 2011

D ie Luft war klar und kühl an diesem Morgen. Ich at-mete tief ein und senkte den Kopf auf den Schaft meines

Drilling Sauer Jagdgewehrs, das ich auf der Motorhaube des Geländewagens abgelegt hatte. Langsam atmete ich aus. Der Springbock erschien durch das Zielfernrohr zum Greifen nah. Das Fadenkreuz lag direkt auf seinem Schulterblatt. Kein störender Seitenwind, freier Blick. Die Konturen des Bocks waren in der Morgendämmerung deutlich zu erkennen. Alles stimmte. Langsam krümmte ich meinen Finger und drückte ab. Der Schuss krachte durch die morgendliche Stille der Savanne. Sekundenbruchteile später zuckte der Springbock kurz zu-sammen, machte drei, vier Ausfallschritte zur Seite, strauchelte und stürzte neben mehreren Dornenbüschen zu Boden. Eine kleine Staubwolke stob empor und Maarten klopfte mir von hinten auf die Schulter.

» Guter Schuss ! Das ging schnell ! «, sagte er anerkennend.» Danke ! «» Hätte ich nicht besser machen können. «, fügte auch Tom

mit einem Augenzwinkern an.» Auf den Bock ! «, erhob Steven einen Toast und ließ seinen

silbernen Flachmann mit Whiskey herumgehen.Eine scheußliche Angewohnheit. Auch wenn ich sonst einem

guten Whiskey nicht abgeneigt war, so verursachte bereits der bloße Gedanke an diesen zu so früher Stunde eine Gänsehaut

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bei mir. Ich nippte an dem Flachmann, schüttelte mich kurz und gab ihn an Maarten weiter, der ebenfalls mit leicht ver-zerrter Miene einen Schluck nahm.

» Okay, einsteigen und festhalten. Wir fahren rüber. «, mur-melte Max, den wir in unserem Resort als ortskundigen Fahrer und Ranger ausgewählt hatten.

Ich sicherte die Waffe, stieg ein und verstaute sie in einer der Halterungen. Tom, Steven und Maarten stiegen ebenfalls ein und rutschten auf den hellbraunen Ledersitzen bis dicht an die Griffhalterungen des Wagens heran, um sich dort während der Fahrt auf der Buckelpiste besser festhalten zu können. Max fuhr los und stoppte den Wagen kurz vor dem Dornengebüsch, neben dem die Antilope leblos auf dem Boden lag.

» Moment, noch nicht ! «, bestimmte Max und deutete mit der Handfläche an, dass wir noch im Wagen sitzen bleiben sollten.

» Wo Gazellen und Antilopen sind, da sind auch häufig Löwen oder Geparden. «, erklärte er, bevor er über die herunter-geklappte Frontscheibe auf die Motorhaube kletterte, sich dort aufrichtete und in der Morgendämmerung in alle Richtungen schaute.

» Reicht mir mal das Gewehr rüber. «, flüsterte er, während er durch das Fernglas sah.

Tom löste es aus der Halterung und drückte es in Max’ Hand, die er nach hinten ausstreckte, während sein Blick einen Punkt in der Ferne fixierte.

» Löwen ? «, fragte Steven.» Ja. Ein ganzes Rudel. Scheinen auch Beute gemacht zu

haben. «, antwortete Max knapp, während er das Gewehr aus-

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richtete und zu einem gezielten Schuss über die Köpfe des Rudels ansetzte.

» Solange die noch hier sind, steigt keiner aus. Sind zwar viel-leicht dreihundert Meter, aber die sind schneller hier als uns lieb ist. «

Tom und ich beugten uns nach vorn, konnten ohne Fernglas in der Morgendämmerung aber nur erahnen, dass sich hinter den Schemen nahe der Schirmakazien ein Löwenrudel ver-bergen könnte. Zwei Schüsse aus Max’ Waffe ließen uns kurz zu-sammenzucken, dann folgte ein weiterer. Wortlos stand Max auf der Motorhaube und schaute nun wieder durch sein Fernglas.

» Okay, sie verschwinden. Ihr könnt ihn reinholen. «Wir stiegen aus und begutachteten den Springbock. Ein kapi-

tales Männchen. Im Licht der aufgehenden Sonne konnten wir eine kleine Blutlache entdecken, die ihren Ursprung in Höhe des Schulterblattes der Antilope hatte. Es war ein glatter Durch-schuss.

» So gut würde ich den wahrscheinlich nicht einmal treffen, wenn ihr mir den Bock direkt auf die Flinte schnallen würdet … «, fügte Steven an, der kein Problem damit hatte, dass er von uns Vieren eindeutig der schlechteste Schütze war.

» So ein Quatsch, das waren ja auch ideale Bedingungen und ein bisschen Glück ist sowieso immer dabei. «, gab ich zurück, obwohl ich genau wusste, dass ich diesmal in der Tat einen Voll-treffer gelandet hatte.

» Ganz ehrlich, Jan ! Dieses Fishing for Compliments steht dir nicht. Sieh einfach ein, dass du der zweitbeste Schütze von uns allen bist. «, erwiderte Tom mit einem breiten Grinsen auf dem

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Gesicht, während er mir mit der Hand einen festen Klaps auf den Rücken gab.

Tom und ich bückten uns, fassten den Springbock an den Vorder- und Hinterläufen und legten ihn behutsam auf die Ladefläche des Geländewagens. Er war zwar noch nicht ganz ausgewachsen, wog aber vermutlich bereits um die 40 kg. Sein Fell sah gesund aus und fühlte sich ein wenig struppig an, wäh-rend ich prüfend mit der Hand über Bauch und Rücken strich. Nachdem Steven vergeblich versuchte, noch ein weiteres Mal den Flachmann kreisen zu lassen und er der Einzige war, der noch einen Schluck zu sich nahm, stiegen wir wieder ein.

» Vielleicht solltest du weniger Zielwasser trinken … «, spielte Maarten mit einem Lächeln auf Stevens schlechte Schussquote an, während er die erste Sprosse der Stahlleiter betrat, um wieder zurück in den Geländewagen zu gelangen.

» Alles klar, Max ! Wir können weiter ! «, gab ich dem Ranger das Signal zur Weiterfahrt, der noch immer auf der Motorhaube stand und mit dem Fernglas in Richtung des Löwen rudels blickte.

» Okay, los geht’s. Wer ist als nächster dran ? «, fragte Max, der prompt in den Wagen zurückkletterte.

» Willst du oder soll ich ? «, erkundigte sich Maarten bei Tom.» Mach du ruhig. Ich warte bis es ein wenig heller wird. «, gab

er Maarten den Vortritt.» Bei dir war es eine Impala, oder ? «, erkundigte sich Max

bei Maarten.» Ja ! «» In Ordnung. Die sollten nicht so schwer zu finden sein. Ich

schlage vor, wir suchen uns jetzt eine Herde, du machst den Ab-

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schuss und dann gibt es für alle ein ordentliches Frühstück ! «, schlug Max vor, womit wir sehr zufrieden waren.

Wir freuten uns insbesondere auf das Frühstück, da wir bereits um kurz vor fünf im Camp aufgebrochen waren. Außerdem liebten wir alle die stimmungsvolle und entspannte Atmo-sphäre, die unweigerlich entstand, wenn die Klappstühle für das Picknick inmitten der Wildnis aufgebaut wurden und das Rauschen des Gasbrenners zu hören war, auf dem das Wasser für den Kaffee heiß gemacht wurde und kurz danach Speck, Bohnen und Eier in der Pfanne brutzelten. Vor allem sehnte ich mich nach einer Tasse Kaffee, da ich heute Morgen fast ver-schlafen und es daher nicht mehr geschafft hatte, mir noch eine Thermoskanne abzufüllen.

» Klingt gut ! So machen wir’s ! «, stimmten wir alle Max’ Vor-schlag zu.

» Habt ihr was dagegen, wenn wir noch kurz dort vorn vor-beifahren ? Ich würde gern sehen, was die Löwen erlegt haben. Ich konnte es gerade bei diesen Lichtverhältnissen noch nicht richtig erkennen. Mit ein wenig Glück kommen wir so auch noch etwas näher an das Rudel heran. «, erkundigte sich der Ranger.

» Kein Problem ! Sehr gerne sogar ! «, stimmten wir alle sofort zu, denn die Chance, ein Löwenrudel aus nächster Nähe zu betrachten, ergab sich für uns auch nicht allzu häufig.

Wir näherten uns rasch der Stelle, von welcher Max die Löwen mit seinen Schüssen vertrieben hatte. Obwohl wir angestrengt in das bereits leicht rötliche Licht der Morgendämmerung blickten, konnten wir noch nicht erkennen, welches Tier das Rudel ge-

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rissen hatte. Max mühte sich sehr, den Wagen in der Spur zu halten, einige Male verschlug ihm der holprige Untergrund je-doch das Lenkrad, sodass er einen etwas weiteren Bogen fahren musste, um schließlich zu dem erlegten Wild zu gelangen.

» Was ist denn das ? «, fragte Tom mit zusammengekniffenen Augen in die Runde.

» Weiß noch nicht. Von der Größe her könnte es ein Erdferkel sein. «, war meine erste Idee.

» Könnte hinkommen. Eine Antilope ist es jedenfalls nicht. «, grenzte Max den Bereich des Möglichen weiter ein.

» Wenn es noch nicht zu sehr von den Löwen angefressen wurde, können wir es ja mitnehmen und sagen, du hättest es geschossen. «, flachste Maarten, was Steven nur mit einem ge-quälten Lächeln quittierte.

» Ach nein ! Ach Scheiße, nicht schon wieder ! «, stieß Max genervt aus.

» Was denn ? Was ist es denn ? «, riefen wir im Chor von den hinteren Reihen des Jeeps und reckten unsere Köpfe in Rich-tung der heruntergeklappten Frontscheibe.

» Nicht aussteigen ! Die Löwen könnten schon wieder zurück sein. «, wies Max uns an, während er erneut auf die Motor-haube kletterte und die Umgebung mit dem Fernglas absuchte. Schließlich gab er uns mit einer Handbewegung zu erkennen, dass keine Gefahr drohte und sich die Löwen wohl nicht mehr in der Umgebung befanden.

» Habt ihr schon erkannt, was es ist ? «, fragte Maarten.» Wenn ich durch den Motorblock hindurchschauen könnte,

hätte ich es sicherlich schon gesagt. «, erwiderte Steven lapidar,

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der direkt hinter dem Fahrer saß und sich im Fahrzeug bereits leicht aufgerichtet hatte, um eine bessere Sicht zu erlangen.

» Wenn ihr wollt, könnt ihr aussteigen. Es ist aber nicht sehr schön. «, gab Max uns nun grünes Licht, sodass wir wie eine aufgeregte Schulklasse auf Klassenfahrt aus dem Geländewagen sprangen und um das Fahrzeug herumliefen. Tom war der Erste, der erkannte, worüber sich die Löwen noch vor wenigen Minuten hergemacht hatten.

» Wohohooo ! Stop ! Stop ! Stop ! «, rief er erschreckt aus und versuchte den Rest von uns mit ausgebreiteten Armen von einem zu ungestümen Anrennen abzuhalten.

» Was denn ? Was denn ? «, rief Maarten, der schon fast über Toms Schulter hing.

» Das ist eine Leiche ! «, antwortete Tom.» Was ? «» Eine Leiche. Ein Mensch. «

Unsere Aufregung verschwand zwar nicht, dafür bewegten wir uns nun aber etwas langsamer und aufmerksamer in Rich-tung des am Boden liegenden toten Körpers. Wir stellten uns im Halbkreis neben Tom um den Toten und auch Max stieg von der Motorhaube hinab, wobei er jedoch zur Sicherheit sein Gewehr mitnahm, damit er uns im Notfall gegen einen plötzlichen Angriff der Löwen verteidigen konnte.

» Was ? Wieso liegt der hier ? «, war die erste Frage die mir durch den Kopf schoss und ungefiltert meinen Mund verließ.

Tom schaute mich für einen kurzen Augenblick irritiert an. Dann blickte er wieder hinunter zu der Leiche, die vor seinen

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Füßen lag. Es war ein grauenhafter Anblick. Es handelte sich vom Körperbau zweifelsfrei um einen Mann, dessen Gesicht jedoch bereits durch zahlreiche Bisse entstellt war. Gleiches galt für Arme, Beine und insbesondere seinen Bauch, der von den scharfen Klauen der Löwen geöffnet war, sodass seine Ge-därme und Eingeweide zum Teil bereits im staubigen Boden der Savanne lagen. Maarten musste kurz würgen, übergab sich aber nicht. Die braune Leinenhose des Mannes war ebenso wie sein kariertes Hemd an zahlreichen Stellen zerfetzt und zerrissen. Im Bereich des rechten Oberschenkels konnten wir deutlich erkennen, dass bereits an einigen Stellen große Stücke Fleisch herausgerissen worden waren und der blanke Knochen zu sehen war.

» Vermutlich einer der vielen schwarzen Flüchtlinge, die von Mosambik durch den Park über die Grenze nach Südafrika kommen. «, stellte Max leise fest.

» Echt ? Da liegt doch sogar noch der Kruger Park dazwischen ! Wie breit ist denn der ? 30, 40, 50 Kilometer ? Das ist doch ein Selbstmordkommando bei den ganzen wilden Tieren ! «

» Doch. Ja. Das kommt schon hin. Es werden wohl so 40 bis 50 Kilometer sein. Und dann kommt noch einmal die Strecke dazu, die sie durch die privaten Game Reserves zurücklegen müssen. Das sind in der Regel auch noch mal so 20 bis 30 Kilo-meter zusätzlich durch die Wildnis. «, ergänzte Max Maartens Schätzung.

» Aber das macht doch keiner, der noch halbwegs bei Verstand ist ? Wie groß ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass man die Strecke überlebt ? Die Löwen sind ja nicht die einzigen hier, die

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einen umbringen können ! «, zweifelte Tom ein wenig an Max’ Theorie.

» Glaub mir ! Das machen weitaus mehr, als wir uns vorstellen können. Meistens machen die sich in größeren Gruppen von Mosambik aus auf den Weg. Vor allem im Kruger Park sterben jedes Jahr Hunderte von denen. Und das sind nur die, von denen etwas übrig geblieben ist und die auch tatsächlich ge-funden werden. Wie viele es wirklich sind, weiß keiner, aber es dürften erheblich mehr sein. Bei uns in den privaten Natur-schutzgebieten müssen die dann auch noch durch. Hier sterben allerdings meist weniger, weil wir auch an einigen Stellen Futter und Wasser verteilen, damit unsere Tiere nicht verhungern oder verdursten, wenn es mal wieder eine Dürreperiode gibt. Aber hin und wieder trifft es hier eben auch mal einen. Ist auch nicht mein Erster … «, klärte Max uns auf, der mittlerweile ange-fangen hatte, mit dem Lauf seines Gewehres notdürftig in den aufgerissenen Hosentaschen des Toten herumzustochern, um nach Papieren zu suchen.

» Das sind alles Wirtschaftsflüchtlinge, oder ? «, erkundigte sich Maarten.

» Ja. Früher zu Zeiten des Bürgerkriegs in Mosambik kamen auch viele Flüchtlinge wegen der anhaltenden Kämpfe über die Grenze, aber heute kommen die nur noch, weil sie drüben keine Arbeit finden und sich hier in Südafrika eine goldene Zukunft versprechen. «, erläuterte Max und nickte mit dem Kopf in Rich-tung der aufgehenden Sonne und damit zugleich gen Mosambik.

» Schöne Scheiße ! Und was passiert jetzt ? «, wollte Steven wissen.

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» Ganz ehrlich ? Wenn ich euch nicht im Schlepptau hätte, würde ich ihn hier liegenlassen. In zwei Tagen hätten die Löwen, Hyänen, Wildhunde und Geier schon dafür gesorgt, dass nichts mehr von ihm zu sehen wäre. Aber mit euch Touristen müssen wir immer ein bisschen vorsichtiger sein. Ist ja auch nicht gut fürs Geschäft, wenn sich das rumspricht, dass wir hier Leichen im Park herumliegen lassen. «

» Das heißt, er würde im Normalfall nicht mal ein ordentli-ches Begräbnis bekommen ? «, fragte Maarten verblüfft.

» Nein, ganz sicher nicht. Die sind doch wie eine Landplage ! Die kommen von Osten über den Kruger Park hier rein. Dann reißen sie unsere Zäune an einigen Stellen ein, damit sie weiter nach Westen kommen und machen die natürlich nicht wieder hinter sich zu ! Die Reparatur kostet zwar nicht so viel, aber wir müssen fast täglich den gesamten Zaun abfahren und kontrol-lieren, ob nicht schon wieder neue Löcher drin sind. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viele unserer Tiere schon durch die defekten Zäune in den Kruger Park rübergewandert sind. Hauptsächlich sind das kleinere Tiere wie Warzenschweine, aber uns ist auch schon mal eine ganze Herde Zebras abhanden gekommen. Und was einmal im Kruger Park ist, das bleibt auch da, wenn wir die Tiere nicht allesamt mit Peilsendern aus-statten. Das wird auf die Dauer ziemlich teuer, denn für ein Nyala oder ein Zebra zahlen wir auf den Tierauktionen 6.000,– bis 10.000,– Rand. Wenn da mal eine Herde durch einen nie-dergerissenen Zaun abhaut, hat unser Park direkt einen Verlust von 100.000,– oder 150.000,– Rand. Auf die Dauer kann das keiner der privaten Wildparks verkraften. Und wenn wir bei den

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Kosten auch noch jedes Mal den Aufwand betreiben würden und die Typen abtransportieren, einem Beerdigungsinstitut übergeben und auch dafür noch mal etwas zahlen müssen … Nein, nein. Glaubt mir, da ist es für alle besser, dass sie hier auf natürliche Art und Weise entsorgt werden. «

» Klingt schon irgendwie nachvollziehbar. Aber was passiert denn jetzt mit dem hier ? «, versuchte ich nachzuhaken.

» Ich werde gleich mal an der Rezeption anrufen, dort gebe ich die Koordinaten durch. Die geben das dann an die Parkver-waltung weiter. Die müssten etwa so gegen 10.00 Uhr öffnen. Mal früher, meistens später. Und die schicken dann zwei Leute los, die den hier einsammeln. «, erklärte uns Max.

» Wir können ihn aber auch bei uns auf den Jeep laden und mit ihm zurückfahren. «, fügte Max nach einer kurzen Pause an und schaute gespannt in unsere Gesichter, um unsere Reaktion zu sehen.

» Nein, ich glaube, wir sollten das lieber von euren Leuten er-ledigen lassen. «, antwortete Steven schnell, noch bevor jemand etwas anderes sagen konnte.

Auch ich konnte mit dieser Option sehr gut leben.» Mmmh, na gut. «, murmelte Max. » Dann geb ich denen

mal kurz Bescheid und ihr könnt euch inzwischen überlegen, ob ihr danach erst einmal frühstücken wollt oder ob du vorher noch deine Impala schießen willst. Wir können aber auch di-rekt wieder zurück ins Camp, falls euch das jetzt etwas zu viel Aufregung war. «

Er holte ein Funktelefon aus dem Wagen, das eine beacht-liche Größe hatte und kletterte wieder auf die Motorhaube, so-

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dass er während des Anrufs weiterhin die Umgebung im Auge behalten konnte. Wir standen noch immer im Halbkreis um die Leiche herum und beratschlagten, was wir nun tun wollten. Einen kurzen Augenblick später kletterte Max von der Motor-haube zu uns hinunter.

» Alles geklärt. Jenny von der Rezeption gibt die Sache an die Parkverwaltung weiter und die erledigen dann den Rest. Wisst ihr schon, was ihr machen wollt ? «

» Ja. Wir haben uns auf ein Frühstück geeinigt. Nach Jagen ist uns heute irgendwie nicht mehr zumute. «, ergriff ich das Wort.

» Okay, finde ich gut. Auch wenn das bei mir vielleicht ge-rade etwas ruppig rübergekommen ist … So ganz lässt mich das auch nicht kalt. Ich denke, ein heißer Kaffee tut uns jetzt allen ganz gut, oder ? Lasst uns am besten dort hinten in die Nähe des Wasserlochs fahren. Mit ein wenig Glück kommen dort nachher noch ein paar Elefanten oder Zebras vorbei. Das bringt uns vielleicht auch auf ein paar andere Gedanken. «, schlug Max vor.

» Sehr gerne ! Aber was machen wir mit … «, stimmte Maarten zu und nickte zur Leiche hinüber.

» Wir können den doch hier nicht so liegen lassen. Wenn wir jetzt wegfahren, sind doch in spätestens 10 Minuten die Löwen oder Geier wieder hier. «

» Wir können ja die Abdeckplane für die Ladefläche nehmen und sie über ihn drüber legen. Wenn wir die mit ein paar Steinen beschweren und noch ein paar Dornbüsche drum herum legen, dann könnte das die Tiere sicherlich noch eine Weile hinhalten. «, überlegte Tom laut.

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» Na gut. «, willigte Max ein und seinem Tonfall war zu ent-nehmen, dass dies nicht seine erste Idee gewesen wäre.

Er ging hinüber zur Ladefläche und zog die grüne Abdeckplane mühsam unter dem Springbock hervor, der nun auf das blanke Metall des Wagens rutschte.

» Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist. Die Plane riecht nach Springbockblut und wenn wir die jetzt noch auf den Toten legen, dann riecht es für alle Tiere in der Gegend so, als ob wir hier für sie ein Buffet eröffnet hätten. Da helfen vermutlich auch die Steine und die Dorn-büsche nicht viel. «, äußerte Max Bedenken gegenüber Toms Idee.

» Naja, kann schon sein. Aber ich finde es besser, als ihn ein-fach so hier liegen zu lassen. «, sagte ich.

Außerdem konnten wir mit der zurückgelassenen Abdeck-plane noch etwas sicherer sein, dass der Tote tatsächlich abge-holt werden würde. Ich schnappte mir die eine Seite der Plane, breitete sie gemeinsam mit Max aus und schob Steven etwas zur Seite, damit wir besser an den Toten herankommen konnten. Ähnlich eines Bettlakens, schüttelten Max und ich die Plane über dem Toten einmal auf und ließen sie dann langsam nie-dersinken.

» Halt ! Stop ! Warte mal ! «, rief ich und hob mein Ende der Plane wieder empor.

» Was denn ? Hat sich etwas verheddert ? «, wollte Max wissen.» Nein, nein, aber heb sie bitte noch einmal hoch. Das sah

gerade merkwürdig aus. «

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Wir legten die Plane beiseite und ich beugte mich über den Toten. Erst jetzt aus der Nähe bemerkte ich, dass er bestialisch roch. Eine Mischung aus Fäkalien und einem Geruch, den ich nicht zuordnen konnte.

» Da ist irgendetwas. «, sagte ich und deutete mit dem Finger auf seine Brust.

Tom und Max traten ebenfalls heran und schauten auf die Stelle, auf die mein Finger zeigte.

»Da wird wohl ein Löwe reingebissen haben.«, meinte Tom lapidar.» Nein, nein. Jan hat recht. Das sieht wirklich komisch aus.

Das ist nicht von einem Löwen. «, bestätigte Max meine Ein-schätzung und bückte sich zur näheren Betrachtung ebenfalls über den Toten.

» Was habt ihr denn da ? «, wollte nun auch Steven wissen, der von seiner Position nicht viel erkennen konnte.

» Wissen wir noch nicht. Aber er hat auf der Brust eine Wunde, die da irgendwie nicht hinpasst. Nur eine kleine Wunde. Ihr seht ja. Der Rest drum herum ist noch halbwegs unversehrt. Wenn da ein Löwe dran gewesen wäre, würde es so aussehen wie an seinem Bauch. «, erklärte Max mit einem Nicken in Richtung der herausquellenden Gedärme.

» Kann das … kann das ein Einschussloch sein ? «, fragte ich und kniete mich nun noch dichter an die Leiche heran.

» Ich meine … Schaut mal ! Hier sind keine anderen Kratz- oder Bissspuren in der näheren Umgebung. Aber trotzdem ist hier Blut ausgetreten. «

» Das kann schon sein. Verdammt ja ! Dort ! Sieh mal ! «, wurde auch Max nun plötzlich sehr aufgeregt.

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Max hob einen kleinen Stock vom Boden auf und versuchte mit dessen Ende das aufgerissene Hemd des Mannes an die ursprüngliche Stelle auf seiner Brust zu ziehen. Es gelang ihm jedoch nicht ganz, da die Eingeweide des Mannes das Hemd im Bauchbereich beschwerten und Max den Druck verringern musste, wenn er keine Sauerei veranstalten oder das Hemd zerreißen wollte. Er schaffte es mithilfe des Stockes aber, den oberen Teil des Hemdes etwas zur Seite zu zerren, sodass wir alle einen Blick darauf werfen konnten. Während das Hemd in Höhe des Bauches aufgrund der Vorarbeit der Löwen nur noch in Fetzen vorhanden war, war es im Brust- und Schulterbereich nahezu intakt. Bis auf eine winzige Stelle. Ein Einschussloch. Es befand sich nach unserer Schätzung in Höhe des Herzens, sodass es durchaus wahrscheinlich sein konnte, dass der Mann nicht durch einen Löwenangriff zu Tode kam, sondern er-schossen wurde.

» Heilige Scheiße ! Ihr habt recht ! «, rief Tom verblüfft aus.» Wir haben … Das ist … Oh Scheiße ! Verdammt ! Das hab

ich auch noch nicht erlebt ! «, stammelte Max, der nun nicht mehr die gleiche Gelassenheit ausstrahlte wie zuvor, als er noch von einem Löwenangriff ausging.

» Wie ist denn das passiert ? «, fragte Steven, der nun auch einen Blick auf die Einschusswunde geworfen hatte.

» Wenn du heute schon einen Schuss gemacht hättest, könnte ich es dir vielleicht sagen … «, lästerte Tom.

» Ich denke, du musst das jetzt auch der Polizei melden ! «, wandte sich Maarten an Max.

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» Ja, ja. Ich ruf gleich noch einmal bei der Rezeption an. Die machen das dann ! «, antwortete Max noch ganz konfus und stieg wieder auf die Motorhaube.

» Aber pass auch bitte noch auf die Löwen auf, ja ? «, erinnerte Maarten ihn sogleich noch an seine Pflicht als Ranger.

» Wie ? Ja, mach ich. «, antwortete Max, bevor er die Rezep-tion verständigte.

» Vermutlich wäre es besser, wenn wir alle wieder zurück in den Wagen gehen. Wenn hier noch irgendwelche Spuren zu finden waren, haben wir und die Löwen sie sicherlich schon zum Großteil beseitigt, aber wir müssen ja nicht noch mehr durcheinanderbringen als unbedingt notwendig. «, gab ich zu bedenken.

Die anderen stimmten mir zu und nachdem wir noch einen letzten Blick auf die Leiche des Mannes geworfen hatten, stiegen wir wieder in den Geländewagen ein. Kurze Zeit später beendete Max sein Telefonat und wirkte ein wenig angefressen.

» Ich hoffe, ihr habt etwas Zeit mitgebracht. «, grummelte er.» Warum ? «» Ich habe gerade mit Jenny gesprochen und ihr alles mitge-

teilt. Sie hat gleich auf der zweiten Leitung die Polizei verstän-digt, die Jenny angewiesen hat, uns auszurichten, dass wir am Tatort bleiben sollen, bis sie hier eintreffen. Ich befürchte, das kann eine ganze Weile dauern. «

» Aber wir müssen nicht die ganze Zeit hier direkt neben der Leiche warten, oder ? «, erkundigte sich Tom, dem der perma-nente Anblick der am Boden liegenden Gedärme auch etwas auf den Magen geschlagen war.

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» Nein, ich denke, das wird denen egal sein, wo wir genau auf sie warten. Wir können ja trotzdem noch wie geplant etwas frühstücken. Allerdings wäre es vermutlich besser, wenn wir uns dafür nicht ganz so weit von ihm entfernen und unser Picknick nicht am Wasserloch, sondern lieber da vorn bei der Akazien-gruppe aufschlagen. Dort müssen wir ihn nicht die ganze Zeit ansehen, haben ihn aber trotzdem noch von weitem im Blick um eventuell die Löwen wieder zu verjagen. «, antwortete Max.

» Gut, dann machen wir es so. «

Verständlicherweise war es um die Stimmung im Wagen nicht zum Besten bestellt. Anstelle unseres amüsanten Jagdausflugs, der mit einigen Abschüssen, einem gediegenen Frühstück an einem Wasserloch in der Wildnis und einem abendlichen Grill-fest mit dem erlegten Wild geplant war, erwartete uns nun eine elendige Warterei in der Savanne unter ein paar Akazien. Ich hatte mich auf unseren Jagdausflug schon Wochen zuvor ge-freut, nachdem feststand, dass wir vier gemeinsam mit Yzelle und Gloria das in den letzten Monaten erspielte Geld unserer privaten Pokerrunde für einen zweiwöchigen Urlaub im Ma-wani Game Reserve ausgeben würden. Es war alles so wun-derbar geplant gewesen. Maarten, Steven, Tom und ich würden zumindest an drei Tagen zum Jagen gehen, während die Mä-dels sich im resorteigenen Spa verwöhnen ließen. Stattdessen hatten wir nun einen übel zugerichteten Toten gesehen, wobei mir der Gedanke an seinen zerfetzten Bauch sicherlich noch in den nächsten Tagen den Appetit auf ein schönes Frühstück und auch jede andere Mahlzeit verderben würde.

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» Okay, da wären wir. Steigt aus, nehmt die Klappstühle mit und setzt euch erst einmal. Wenn ihr wollt, könnt ihr mir noch etwas helfen und ein paar Steine für die Begrenzung des Lager-feuers suchen. Am Wasserloch hätten wir schon eine Feuerstelle gehabt, aber hier … Holz haben wir dafür genug. Das sammel ich schon ein. Geht für die Steine aber bitte nicht zu weit weg, nehmt die Gewehre mit und passt auch auf, was sich so am Boden langschlängelt. Ein Toter reicht mir definitiv für den heutigen Tag ! «, wies Max uns an.

Wir stellten die fünf Klappstühle im Halbkreis auf, nahmen die Gewehre mit und gingen in Zweiergruppen auf die Suche nach größeren Steinen. Obwohl ich mit Tom unterwegs war und wir ansonsten nur selten gemeinsam schwiegen, sagte keiner von uns ein Wort, während wir Stein um Stein an un-serem Rastplatz aufschichteten. Der Tote hatte uns allen gründ-lich die Laune verdorben. Erst als unsere Suche abgeschlossen, Max das Feuer entzündet hatte und das Wasser für den Kaffee auf einem Gestell in einer Kanne zum Kochen brachte, durch-brach Maarten die Stille mit einer Frage.

» Was denkt ihr denn, wie es passiert ist ? «» Keine Ahnung. Vielleicht ein Streit unter den Flüchtlingen,

die durch den Park gelaufen sind ? «, mutmaßte ich, zuckte dabei aber ebenso wie Steven und Tom mit den Schultern.

» Glaub ich nicht. «, warf Max ein.» Die Flüchtlinge, die hier durchlaufen, sind definitiv da-

rauf bedacht, nicht aufzufallen. Die würden hier niemanden erschießen, weil sie Angst hätten, dass jemand den Schuss hören, sie festnehmen und wieder nach Mosambik zurückschi-

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cken könnte, noch bevor sie in das sichere Gebiet außerhalb des Parks gelangt sind. Allerdings halte ich es nicht für ausge-schlossen, dass sie auch Waffen bei ihrer Flucht mitgenommen haben. Wegen des Bürgerkriegs vor ein paar Jahren ist da ja fast jeder an eine Waffe rangekommen, wenn er am Ende des Krieges nur schnell genug ein Lager der Armee geplündert hat. Aber die schießen nicht hier herum. Dafür haben sie viel zu viel Angst, dass sie auffliegen könnten. «

» Und wenn es ein Unfall war ? Wenn sie sich vielleicht mit dem Schuss gegen einen Angriff eines Löwen, einer Hyäne oder etwas Ähnlichem verteidigen wollten ? Der ist dann aber da-neben gegangen und hat den armen Kerl getroffen. Klingt doch auch nicht so abwegig, oder ? «, hatte Steven eine weitere Idee.

» Kann schon sein. Glaub ich aber auch nicht so ganz. «, mut-maßte Max. » Habt ihr gesehen, wo er getroffen wurde ? Ich bin kein Mediziner, aber ich denke, sein Herz war nicht weit von der Einschussstelle entfernt. Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich einen Unfall ausschließen. Der ist mit Absicht dort getroffen worden. Wenn du auf einen angreifenden Löwen, eine Hyäne oder einen Wildhund schießt, dann legst du das Gewehr oder die Pistole so an, dass der Lauf leicht nach unten zeigt. Bei einem Fehlschuss wäre die Kugel dann vermutlich in seine Beine oder seinen Unterleib eingedrungen. Sie steckte aber in seiner Brust. Und in der Höhe findest du für gewöhn-lich keinen Löwen. «

» Aber warum erschießt man denn jemanden hier draußen in der Wildnis, wenn du die Flüchtlinge ausschließt ? Sonst geht doch keiner hier ohne eure Begleitung durch den Park.

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Schon gar nicht um jemanden zu töten ! «, zweifelte ich an Max’ Theorie.

» Die Flüchtlinge sind ja nicht unser einziges Problem hier. Was uns auch noch zu schaffen macht, sind die Horden von Wilderern, die nicht nur über den Kruger Park, sondern auch über die privaten Reservate herfallen. Das sind organisierte Banden, die meist im Auftrag von reichen Geschäftsleuten be-stimmte Tiere jagen, die sie dann als Trophäe ausstopfen lassen oder sich einfach die Hörner an die Wand hängen. Im Gegen-satz zu euch beschränken die sich aber nicht auf Impalas, Kudus und Springböcke. Die jagen und töten auch den seltenen Be-stand unserer Tiere. Wir sind bislang noch relativ glimpflich davongekommen. Uns wurde Ende letzten Jahres ein Löwe und ein Gepard weggeschossen. Solche Abschüsse kann der Park noch durchaus verkraften, aber im Matamba Game Reserve weiter im Norden haben sie vorletzten Monat zwei Nashörner in einer Nacht getötet. Sie haben ihnen das Horn abgesägt und sie dann im Sand verbluten lassen. Dabei hatte der Besitzer des Matamba Game Reserve sie erst wenige Wochen vorher auf einer Auktion für viel Geld ersteigert. Solche Verluste können die Parks nicht auf Dauer kompensieren. «

» Und was hat das mit dem Toten zu tun ? «, hakte Tom nach, damit Max endlich zum Punkt kam.

» Ich denke, dass er einer der Wilderer gewesen sein könnte. Vielleicht ist bei der Jagd Streit unter ihnen ausgebrochen und ein anderer hat auf ihn geschossen. Ich halte das jedenfalls für wahrscheinlicher, als dass es einer der Flüchtlinge aus Mo-sambik gewesen sein könnte. Wilderer haben auf jeden Fall