Christoph Reuter: Tonhöhen, Intervalle, Stimmungssysteme

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(Quelle: Material zum Stimmungssteme PS von Prof. Ch.Reuter, 2009) 1555: Archicembalo von Nicolai Vincentino. Cembalo mit zwei Manualen und zwei (davon unabhängigen) Stimmungssystemen: 1.) Mitteltönige Stimmung (31tönig, d.h. nach 32 Terzen erreicht man wieder eine Oktave, die im reinen Oktavverhältnis zur Ausgangsoktave steht -> Oktave wird in 31 Teile geteilt) 2.) oberes Manual wurde um 1/4 Komma höher als das untere gestimmt -> erlaubte, reine Quinten bei einer größtmöglichen Vielfalt reiner Terzen zu spielen. archicembalo, Nachbau (TU Berlin) 1606: Enharmonisches Cembalo: Clavemusicom Omnitonium von Vito Trasuntino: 4 Oktaven, Obertasten so breit wie die Untertasten, viermal geteilt, sowie zwei Obertasten zwischen den diatonischen Halbtönen (insgesamt pro Oktave 31 Tasten): Untertasten: Diatonische Reihe Obertasten: Kreuztöne, B-Töne, Doppelkreuz-Töne und Doppel-B- Töne.

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(Quelle: Material zum Stimmungssteme PS von Prof. Ch.Reuter, 2009) 1555: Archicembalo von Nicolai Vincentino. Cembalo mit zwei Manualen und zwei (davon unabhängigen) Stimmungssystemen:

1.) Mitteltönige Stimmung (31tönig, d.h. nach 32 Terzen erreicht man wieder eine Oktave, die im reinen Oktavverhältnis zur Ausgangsoktave steht -> Oktave wird in 31 Teile geteilt)

2.) oberes Manual wurde um 1/4 Komma höher als das untere gestimmt -> erlaubte, reine Quinten bei einer größtmöglichen Vielfalt reiner Terzen zu spielen.

archicembalo, Nachbau (TU Berlin)

1606: Enharmonisches Cembalo: Clavemusicom Omnitonium von Vito Trasuntino: 4 Oktaven, Obertasten so breit wie die Untertasten, viermal geteilt, sowie zwei Obertasten zwischen den diatonischen Halbtönen (insgesamt pro Oktave 31 Tasten): Untertasten: Diatonische Reihe Obertasten: Kreuztöne, B-Töne, Doppelkreuz-Töne und Doppel-B-Töne.

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Clavemusicom Omnitonium von Vito Trasuntino (1606)

Clavemusicom Omnitonium von Vito Trasuntino (1606)

(Dupont 1935, S. 53)

Instrument für Huygenssche System (Teilung der Oktave in 31 Diesise = die 31. Quinte fällt mit der 18. Oktave zusammen): Oktaveinteilung in 31 gleich große Teile (Werte in Cents):

Oktaveinteilung in 31 gleich große Teile

(Dupont 1935, S. 54)

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1639: Enharmonisches Cembalo: von Johann Albert Ban, nach einer Vorlage von Mersenne

Enharmonisches Cembalo von Johann Albert Ban (1639)

1641: Enharmonisches Cembalo von Janus Colcionius Pratensis: auf die beiden tiefsten Obertasten: D, E, Fis und Gis verteilt, in den beiden Oktaven darüber dis/es und gis/as auf jeweils zwei Tasten verteilt.

Enharmonisches Cembalo von Janus Colcionius Pratensis (1641)

(Dupont 1935, S. 49)

1683: Enharmonisches Cembalo von Girolam Zenti mit gebrochener Tastatur über dis/es und gis/as (nur bei den tieferen Tasten)

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Enharmonisches Cembalo von Girolam Zenti (1683)

(Dupont 1935, S. 48)

1697: Enharmonisches Spinett von P. W. (David Jacob Weidner?): auf die beiden tiefsten Obertasten: D, E, Fis und Gis verteilt, in den beiden Oktaven darüber dis/es auf jeweils zwei Tasten verteilt.

Enharmonisches Spinett von P.W. (1697)

(Dupont 1935, S. 49)

1711: Enharmonisches Spinett von Petrus Centamin: auf die beiden tiefsten Obertasten: D, E, Fis und Gis verteilt, in den beiden Oktaven darüber dis/es und gis/as auf jeweils zwei Tasten verteilt.

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Enharmonisches Spinett von Petrus Centamin (1711)

(Dupont 1935, S. 48)

o.J.: Enharmonisches Clavichord: dis/es-Tasten sind gespalten

Enharmonisches Clavichord

(Dupont 1935, S. 50)

zwischen 1720-1740: verstärkter Einsatz der Querflöte unter Friedrich dem Großen und seinem Lehrer Johann Joachim Quantz. Dieser erfand die Dis/Es-Klappe (entweder das Loch für Dis oder das daneben für Es wurde geöffnet).

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Friedrich II.

Bildausschnitt aus Adolph von Menzel: Das Flötenkonzert, 1852

Johann Joachim Quantz

Portrait von Jean Chrétien de la Fontaine, 1751

Flöte nach Quantz

Ähnlich: Patent von Charles G. Christman für die Flöte (New York 1849): Wenn eine Klappe gedrückt wird, erklingt ein Dis, werden beide Klappen gleichzeitig gedrückt, erklingt ein Es.

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Patent für die Christman-Flöte mit der dis/es-Klappe (1849)

1766: Enharmonisches Hammerklavier: alle Obertasten sind gespalten (gehörte Johann Christian Bach, hatte 1768 darauf in London öffentlich gespielt)

Enharmonisches Hammerklavier

(Dupont 1935, S. 50)

1829: Enharmonische Gitarre: von Louis Panormo (London

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1829): 18 mal 6 Steckbünde, die variabel in 93 mal 12 kleine Löcher auf dem Griffbrett gesteckt werden können.

Enharmonische Gitarre von Louis Panormo (London 1829)

(Musikinstrumenten-Museum der Universität Leipzig, Inv.-Nr. 566)

moderne Form der enharmonischen Gitarre:

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Wim Hoogewerf mit seiner Mikroton-Gitarre

(Foto: Huygens-Fokker-Stiftung)

1863: Enharmonisches Harmonium mit 2 Manualen, auf denen Dur- und Mollakkorde mit reinen Terzen gestimmt sind (von J. und P. Schiedmayer, Stuttgart gebaut) in: Helmholtz 1863, 5/1896, S. 511

1875: Bosanquet-Harmonium: 53-stufige Temperatur auf dem Generalized Keyboard (Tastatur von H.W. Poole entwickelt; 53 Tasten pro Oktave), von R.H.M. Bosanquet (Johns College, Oxford) entwickelt

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Anordnung der Tasten auf dem Bosanquet-Harmonium

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Bosanquet-Harmonium

(Science Museum)

ähnlich: das enharmonische Harmonium von Colin Brown (1875)

1883 entstand in Philadelphia das "Harmon" von James Paul White (es entsprach dem Bosanquet-Harmonium) in: R.H.M. Bosanquet: An Elementary Treatise on Musical Intervals and Temperament. London, Maximilian 1875

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1881: Mathematisches Harmonium: 2 in reinen Quinten gestimmte Manuale (gebaut von Georg Appunn in Hanau). über Druckknöpfe können die Töne um ein syntonisches Komma tiefer gestimmt werden -> Dreiklänge sind darüber immer harmonisch rein spielbar in: Gustav Engel: Das mathematische Harmonium. Berlin 1881

1890: Enharmonium: Einmanualiges "Transponir-Harmonium" mit 20 Tasten pro Oktave (5 Oktaven Umfang), zur Darstellung des enharmonischen Tongewebes (gebaut von Johannes Kewitsch, Berlin). Die auf der hinteren Tastenreihe liegenden Töne werden um eine Diesis erhöht (stand bis zum 2. Weltkrieg im Deutschen Museum in München; ein zweites Modell befindet sich heute in Tokyo in der Sogakudo-Concert Hall) in: Shohe Tanaka: Studien im Gebiete der reinen Stimmung. In: VfMw 6, 1890, S. 1-90

1902: Harmonium von Max Meyer:

enharmonisches Harmonium von Max Meyer (1902)

1909: Eitz-Harmonium: Normale Klaviatur mit 52 langen schmalen, farbigen Zusatztasten, zur Darstellung des enharmonischen Tongewebes

1909: Steiner-Austerlitz-Harmonium: orientiert sich ebenfalls am "unbegrenzten Tongewebe" im Umfang von 4,5 Oktaven; darin 486 Töne = jeder Ton kann in neunfacher Gestalt

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dargestellt werden in: Steiner: Harmonium in reiner Stimmung >System Steiner<.In: Bericht über den 3. Kongress der Internationalen Musikgesellschaft in Wien 1909, S. 680

1909: Harmonium System Brandsma: 3 Manuale: 1. Temperiert, 2. pythagoräisch, 3. harmonisch rein. Beim 3. Manual: jede Taste ist vierfach belegt (48 Töne pro Oktave). Durch Registerzüge können bestimmte Töne aus dem Tongewebe auf die Tasten gelegt werden. in: Engbert Brendsma: Über die Tonverhältnisse in der alten und neuen Musik. Iin: Bericht über den 3. Kongress der Internationalen Musikgesellschaft in Wien 1909, S. 353-360 u. 680.

1909: Polytonikum: Harmonium für reine und pythagoräische Stimmung in: Verzeichnis der für den Kongress bereitgestellten Hilfsapparate und Instrumente. In: Bericht über den 3. Kongress der Internationalen Musikgesellschaft in Wien 1909, S. 680.

1912: Harmonium mit 19-stufiger Temperatur: von M.E. Sachs mit Knöpfen, die in zwei Reihen hintereinander liegen, anstelle von Tasten (1912).

1917: Bichromatisches Harmonium: von Willi von Möllendorf, für Versuche mit Vierteltönen. (1917)

1943: Euler-Orgel: von Gebroeders van Leuwen, um eine Scala zu spielen, die aus großen Terzen und natürlichen Septimen zusammengesetzt ist:

0 1/1 C 0 cents 1 9/8 D 203.910 cents 2 8/7 D+ 231.174 cents 3 9/7 E+ 435.084 cents 4 21/16 F- 470.781 cents 5 189/128 G- 674.691 cents 6 3/2 G 701.955 cents 7 27/16 A 905.865 cents 8 12/7 A+ 933.129 cents 9 7/4 B- 968.826 cents

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10 27/14 H+ 1137.039 cents 11 63/32 C- 1172.736 cents 12 2/1 C 1200.000 cent

Euler-Orgel

(Huygens-Fokker-Stiftung)

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Euler-Orgel, Manual

(Huygens-Fokker-Stiftung)

Tonumfang/Stimmung

1950: "Arcifoon" oder Huygens-Fokker-Orgel: 31-stufige Orgel von A.D. Fokker, für das Teyler-Museum in Haarlem (Holland), 2 Manuale mit jeweils 11 Tastenreihen übereinander, Pedale in 5 Reihen. Stimmung beruht auf einer Terzenskala, die nach 31 Terzen wieder zum reinen Oktavverhältnis zurückkehrt.

Huygens-Fokker-Orgel (1950)

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Huygens-Fokker-Orgel (1950)

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Schema für die Tonhöhenanordnung der Huygens-Fokker-Orgel

Henk Badings: Siciliano (1954) auf der Huygens Fokker Orgel

1958: Mikrotonpiano (Carillo Tone Piano): von Julian Carillo erfunden, gebaut von der Klavierfirma Sauter, zwischen jeder Taste: 16tel-Ton-Abstand zwischen jeder Taste = Abstand einer Quinte auf einem normalen Klavier entspricht hier dem Abstand eines Halbtons. Insgesamt 97 Tasten, Saiten sind durchweg dreichörig gespannt.

Mikrotonklavier (Sauter)

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Ernst Helmuth Flammer: Klavierstück VIII

1970: Archiphon: Elektronische Version der von Adriaan Fokker gebauten Huygens-Fokker-Orgel, gebaut von Hermann van der Horst, 40 verschiedene Klangfarben (Kippschwingungsgeneratoren), 5 Oktaven, verteilt auf 333 Tasten.

Archiphon (1970)

Insgesamt gibt es vier Archiphone (2 in Haarlem, Holland (Huygens-Fokker-Foundation), 1 in Blackheath, Australien und 1 in St. Louis, USA (Webster College))

ca. 1970: enharmonische Orgel: 2 Manuale und herausklappbarer Spieltisch mit 328 Tasten, die im Sinne eines Tonnetzes angeordnet sind; Tasten unterscheiden sich in Form und Farbe; 48 Töne bilden jeweils eine Oktave von Orgelbaufirma Schumacher in Eupen/Belgien nach Plänen von Martin Vogel (steht im Konzertsaal der Musikschule Leverkusen)

1975: Skalatron: enharmonisches Keyboard von Motorola (verschiedene Stimmungen umschaltbar)

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Skalatron (1975)

1976: Ekmelische Orgel: 3 Manuale, am Ende jeder Taste: Druckknopf, durch den der Ton um 1/12 Ton erhöht werden kann; insgesamt sind 72 Töne pro Oktave möglich (alle Töne des Naturtonsystems sind darstellbar); von Franz Richter Herf und Rolf Maedel, am Salzburger Mozarteum.

2001: Microtonal Trumpet: von Stephen Altoft und Donald Bousted: Unterteilung der Oktave in 19 Teile (63,5 Cents pro Tonschritt)

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Mikroton-Trompete: Viertelton-Skala

Mikroton-Trompete: Viertelton-Intervalle

Mikroton-Trompete: 12tel und 19tel-Teilung der Oktave im Vergleich

2007: Bohlen-Pierce-Klarinette, von Stephen Fox nach einer Idee von Georg Hajdu, in der Bohlen-Pierce-Skala gestimmt:

Frequenz (Hz) Tonhöhe 146.7 159.6 173.7 189.0 205.7 223.8 243.5 265.0 288.4 313.8 341.5 371.6 404.3 440.0 478.8

D - 2 cent Es + 44 cent F - 9 cent Fis + 37 cent As - 17 cent A + 30 cent H - 25 cent C + 22 cent D - 32 cent Es + 14 cent F - 39 cent Fis + 7 cent As - 47 cent A +0 cent B + 46 cent

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521.0 567.0 617.0 671.4 730.6 795.0 865.1 941.4 1024.4

C - 7 cent Cis + 39 cent Es - 15 cent E + 32 cent Fis - 22 cent G + 24 cent A - 30 cent B + 17 cent C - 37 cent

Tonumfang/Stimmung