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Ein Leben mit Bach Masaaki Suzukis musikalische Meilensteine Classica Cubana Eine Liebeserklärung an Kuba Prunk und goldener Käfig 200 Jahre Musik aus Versailles Serenade to the Dawn Andrea Lieberknecht und Frank Bungarten Beseeltes Klavierspiel Sa Chen spielt Chopin Zum 200. Geburtstag Sämtliche Klavierwerke von Felix Mendelssohn-Bartholdy Die Kunst der Suche Das Leipziger Streichquartett spielt Jörg Widmann CLASS AKTUELL 2008/4 CLASS aktuell Association of Classical Independents in Germany ALFRED BRENDEL LIEST ALFRED BRENDEL

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Deutschlands auflagenstärkstes Independent Klassik-Magazin

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Ein Leben mit BachMasaaki Suzukis

musikalische Meilensteine

Classica Cubana Eine Liebeserklärung

an Kuba

Prunk und goldener Käfig

200 Jahre Musik aus Versailles

Serenade to the Dawn

Andrea Lieberknecht und Frank Bungarten

Beseeltes Klavierspiel

Sa Chen spielt Chopin

Zum 200. Geburtstag

Sämtliche Klavierwerke von Felix

Mendelssohn-Bartholdy

Die Kunst der Suche Das Leipziger

Streichquartett spielt Jörg Widmann

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Wenn man der Fernsehwerbung trauen darf, dann findet klassische Musik ihr natürliches

Lebensumfeld beim Wellness-Bad, beim romantischen Rotweintrinken mit Kerzenlicht

oder beim Sommerfrühstück auf weißen Stühlen im Gartenpark. In der Tat gibt es Hörer,

die mit klassischer Musik vor allem Entspannung verbinden, eine Art Kurzurlaub für die

Seele. Ihr relaxter Sonntagmorgen gehört der Zeitung, dem Latte macchiato und entweder

dem Krönungskonzert oder den GOULDberg-Variationen. Das achtzehnte Jahrhundert

wird da zum inneren Wochenend-Landhaus, zur Seelendatsche: ein Tapetenwechsel,

aber ohne Überraschungen. Denn letztere sind es ja, die im Urlaub am meisten stören:

das fremde Bett, der ungewohnte Fernsehapparat, das ausländische Frühstück. In der

Datsche ist man sicher vor solchen Unannehmlichkeiten. Beim hundertmal gehörten

Krönungskonzert auch.

Raus aus der Hördatsche!Es gibt andere Formen von Urlaub als den Rückzug in den Schrebergarten. Ich selbst habe

es nie zu einem Wochenendhaus gebracht und bin auch hörtechnisch immer Rucksack-

Tourist geblieben – unterwegs auf der Suche nach Entdeckungen, verborgenen Schätzen

und einem provisorischen Unterkommen für die Nacht. Klar, auch ich liebe vertraute

Eckpunkte: das Guggenheim-Museum, die Akropolis, Beethovens Klaviersonaten. Das kann

man sich von Zeit zu Zeit wieder antun, aber dann treibt mich die Neugierde weiter.

Vom Bekannten wird mein Appetit nicht satt, sondern erst richtig angeregt. Überall schießt

doch neue Architektur aus dem Boden, auch die alten Ruinen und Ausgrabungen kenne

ich noch längst nicht alle. Messenien? Epirus? Sparta? Es gibt so viel zu entdecken!

Viele musikalische Datschenbewohner kennen zwar ihren Wochenend-Klanggarten

in- und auswendig, haben aber von der Tonausgrabung hinter der nächsten Hügelkuppe

noch nie gehört. Für solche Menschen pflegen Klassik-Moderatoren im Radio diesen

gewissen Tonfall, wie ihn auch Nervenärzte beherrschen. So nach dem Motto: „Falls wir

jetzt ein Stück spielen, das Sie nicht kennen, bitte geraten Sie nicht in Panik! Bleiben

Sie in Ihrer Wohlfühlwanne! Das übernächste Stück kommt Ihnen bestimmt wieder

bekannt vor.“ Selbst vor der Musik ihrer Ur-Ur-Großväter scheuen viele Schrebergärtner

noch immer zurück. Ja, Sie lesen richtig: Ur-Ur-Großväter. Strawinsky wäre heute

126 Jahre alt, Schönberg 134. Das ist ganz ALTE Musik.

Wie schrieb ein deutscher Musikredakteur kürzlich? „Musikalische Entdeckungen müssen

emotional bestürzen und den Atem rauben.“ Bitte nachprüfen: Raus aus der Hördatsche

und losstiefeln ins weite Land der musikalischen Entdeckungen! Musik ist kein

Wochenend-Asyl, sondern ein tägliches Reise-Abenteuer. In diesem Sinne wünsche ich –

so von Tramper zu Tramper –, dass Ihnen CLASS aktuell viele Fährten weist, die zu

atemberaubenden Bestürzungen führen. Ihren Latte macchiato dürfen Sie ruhig weiter-

trinken – aber verschlucken Sie sich nicht dabei!

Ihr

Hans-Jürgen Schaal

CLASS aktuell 4/2008Inhalt

4 Sinnig wollen wir seinAlfred Brendel liest Alfred Brendel

6 Ein Geschenk von Freunden Olivier Messiaen zum 100. Geburtstag

7 Spontaneität und Tiefgang

Andrea Lieberknechts und Frank Bungartens Serenade an die Dämmerung

8 Polyptique und Passacaille

MDGs Frank Martin Werkschau geht in die dritte Runde

9 Ein Leben mit Bach

Masaaki Suzukis Meilensteine der europäischen Musikkultur

10 Zum 200. Geburtstag

Sämtliche Klavierwerke von Felix Mendelssohn-Bartholdy

11 Prunkresidenz und goldener Käfig200 Jahre Musik aus Versailles

12 Unser musikalischer Adventskalender mit Anregungen und Gewinnen

16 Beseelter Chopin

Sa Chens fesselnde Interpretationen

17 Classica Cubana

Eine Liebeserklärung an Kuba

18 Die Kunst der Suche

Das Leipziger Streichquartett spielt Jörg Widmann

19 Das Tor zur Weltspitze

Ein aufstrebendes Streichquartett erobert die Musikwelt

20 Mon Cœur

Jutta Bosch mit 9 Arien von Maria Callas

21 Blickpunkte

Neuveröffentlichungen vorgestellt von CLASS

Auflage: 127.500 Titelfoto: © Benjamin Ealovega Grafik: Ottilie Gaigl

CLASS Association of Classical Independents in Germany e.V.Bachstraße 35, 32756 Detmoldwww.class-germany.de · [email protected]

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Es gab einen Pianistender entwickelte einen zusätzlichendrittenZeigefingernicht etwa zum Klavierspielenobwohl er manchmal diskret in eine schwierige Passage eingriffsondern zum Hinzeigenwenn beide Hände beschäftigt waren…

Dieses erste Gedicht entstand im Halbschlaf.Brendel war unterwegs nach Japan, fand imFlugzeug keine Ruhe. Plötzlich war er da, der„Fingerzeig“: das Gedicht über einen Pianisten,dem ein dritter Zeigefinger wächst – wie prak-tisch für jemanden, dessen zwei reale Zeige-finger ständig über die Klaviertasten huschendpermanent beschäftigt sind. Der dritte Fingerkann zur Musik gleichzeitig auf die Huster imSaal zeigen und anderen Schabernack treiben.

… wenn der Finger danachin der linken oberen Fracktasche verschwandspürte man im Saal eine gewisse Erleichterung…

Als Buchautor befasste sich Alfred Brendelzunächst sehr sachlich mit Beethoven, mit Schu-bert, Liszt, Busoni und Fragen der Interpreta-tion. Als Lyriker kehrt er die skurril-groteskeSeite seines Wesens heraus, die sich nur zugerne mit Engeln und Teufeln einlässt.

Dass es Teufel im Grunde gar nicht gibt hat uns kürzlichder Leibhaftige selbst verratenWir haben dies betrübt zur Kenntnis genommenund beschlossenin Zukunftuns selbst an die Wand zu malen

„Alfred Brendel als begnadeter Vorleser gibtden Gedichten durch sein plastisches, mährischgefärbtes Altösterreichisch eine ganz besondereNote. Auf gut Österreichisch: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst“, schreibt seinSchüler Claudius Tanski im Begleitheft, daszusätzlich mit einem Essay von Harald Hartungzu den Gedichten allerlei Lesenswertes enthält.Und natürlich erfahren wir aus dem Munde die-ses an Malerei, Architektur und Literatur eben-

Dies ist kein bisher unbekanntesGedicht von Joachim Ringelnatz, viel-mehr ist es eine weitgehend unbe-kannte Seite des weltbekannten Alfred

Brendel, der mit 77 Jahren im Dezember inWien sein allerletztes Konzert geben wird. Bis-her eine Rarität: Der begnadete Pianist liestseine eigenen Gedichte. Ein völlig neues Genrefür die exquisite MDG-Edition, die sich damiteinen fulminanten Einstieg in die Hörbuchszeneverschafft.

Der am 5. Januar 1931 geborene Pianist ent-stammt einer österreichisch-deutsch-italienisch-

slawischen Familie. Er studierte Komposition,Dirigieren und Klavier, zuletzt bei Edwin Fischer.

Aber es gibt noch eine geheime Leiden-schaft, die des geschriebenen und gesproche-nen Wortes, mit dem er sein Publikum in denraren Lesungen immer wieder zwischen Betrof-fenheit und Lachsalven fasziniert. „Spiegelbildund schwarzer Spuk“ ist der beim Hanser-Verlag erschienene Sammelband mit den litera-rischen Ergebnissen der letzten Jahre, welchechangieren zwischen Sinn und Unsinn, gleich-sam übersinnlich hintersinnig den Finger natür-lich genüsslich an die rechte Stelle setzend:

4 AUSGABE 2008/4

Sinnig wollen wir sein… Gleichwohl unsinnig

SinnvollObschon voll Unsinn…

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so wie Kino, Comic und natürlich Musik Interes-sierten, dass es die musikalischen Geister sind,die der Autor nicht los wird. Oder wussten Sie,dass Beethoven als Mörder von Mozart entlarvtwurde, weil jener entdeckt hatte, dass (was auchziemlich unbekannt ist) dieser ein Neger war…

Wenn nachts das Gespenst erscheintund sich ums Klavier herumtreibtdann wissen wirBrahms ist gekommenDas wäre weiter nicht schlimmwenn nicht dieser Zigarrengeruchdas Musikzimmer tagelang verpesten würdeSchlimmer noch ist allerdings sein Klavierspiel…

Hintersinnig, anspielungsreich, mit großerFreude am Absurden und einer ganz eigenwilligenPunktuation: Brendels Erzählkosmos ist nichtweniger aufregend und spannungsvoll als seinKlavierspiel. Der Dichter Brendel beherrschtauch die Kunst dieses Vortrags und fesselt mitseiner Sprache und verrät dem Hörer eine Men-ge über sein Denken – und sich selbst – undtrifft damit direkt und sinnig mitten hinein – ins Schwarze.

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Ich war einmalkein Wunderkindbin es aberhartnäckig wie ich bindoch noch gewordenAnstrengend war das hochzukommenzugleich sich klein zu haltenunter einssechzigdamit der Matrosenanzug noch passteKürzliches war an meinem 97. Geburtstagschrieb das Bieler VolksblattEr spieltwir sagen es mit leuchtenden Augenwie ein Zehnjähriger

Es hatte sich gelohnt

Lisa Eranos

Alfred Brendel liest aus seinem Buch

„Spiegelbild und schwarzer Spuk“MDG 801 1526-2

978-3-939873-90-7 (Buchhandel)

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Hans Werner HenzeSinfonien 7 & 8

Hervorragende Einspielung der„Symphonie Nr. 7“ und der „SinfoniaN. 8“ durch das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter derLeitung von Marek Janowski!

„Ich lasse mich im Sinfonienschreibennicht beirren. Diesen Schauplatz dermusikalischen Anrede an ein großesPublikum, geschaffen für Mitteilun-gen, die über das Private hinaus-gehen, nehme ich in Anspruch. Denlasse ich mir nicht rauben, auch wenndie Kulturphilosophie der Modernediese Form für tot erklärt hat – undvielleicht sogar deswegen.“ (Henze)

„… Waldwispern des späten 20. Jahr-hunderts …“ (Welt online)

Weitere Henze-CDs bei WERGO:El Cimarrón (WER 67102) / Aristaeus · Orpheus Be-hind the Wire (WER 66802) / The English Cat (WER62042) / Streichquartette 1–5 (WER 60114-50) /Royal Winter Music (WER 60126-50) / La Cubana(WER 60129-50) / Klavierwerke (WER 62392) / Dreisinfonische Etüden · Quattro Poemi … (WER 66372) /Scorribanda sinfonica · Antifone … (WER 66572) /Boulevard Solitude Zwischenspiele · Ballett-Variatio-nen … (WER 66632) / Pollicino (WER 66642) · EinLandarzt · Das Ende einer Welt (WER 66662)

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und balinesischen Gamelan-Orchester samtSatztechnik und hatte eine besondere Vorliebefür altindische Rhythmen.

Im Dezember dieses Jahres feiert die Musik-welt Messiaens 100. Geburtstag. Ein Gratulantder besonderen Art ist das SWR Sinfonie-orchester Baden-Baden und Freiburg, das mitStolz auf eine 60-jährige Messiaen-Traditionzurückblicken kann: 1948 spielte das Orches-ter mit den „Offrandes oubliées“ seine erste Messiaen-Komposition, es folgten die deutscheErstaufführung der „Turangalîla“-Sinfonie undsechs Donaueschingen-(Ur)-Aufführungen. Einesolche Tradition verpflichtet: In der bei hänssler

Er war so ganz anders als seine Kompo-nistenkollegen um die Mitte des 20. Jahr-hunderts. Olivier Messiaen lag wenigdaran, mit mathematischen Konstrukten

oder elektronischen Klängen zu experimentie-ren, wie es die musikalische Nachkriegs-Avant-garde tat. Er schöpfte noch aus der Traditionvon Claude Debussy und Igor Strawinsky, ver-band sie mit Melodien aus der Vogelwelt, Klän-gen javanischer Gamelan-Ensembles oder dermittelalterlichen Gregorianik.Und schuf so seinen ganzeigenen Stil, den er unbeirrtbis zu seinem Tod im Jahre1992 beibehielt. In einer vielzitierten Umfrage von 1946hat er sich, nach seinerÄsthetik befragt, zu „Wollust,Melodie, katholischem Mys-tizismus, Farbenorgien“, zu„theologischen Regenbögen“bekannt: ein Credo, das vonder damaligen Musik-Avant-garde bestenfalls milde be-lächelt wurde.

Wer war diese außer-gewöhnliche Persönlichkeit,die sich jeglicher musikalischer Einordnungwidersetzte? Messiaen war sein Leben langOrganist an Sainte-Trinité in Paris und ein tiefgläubiger katholischer Christ. Er war Synästhe-tiker, d.h. er gehörte zu jenen Menschen, diebeim Hören von Tönen und Klängen – und beimKomponieren! – komplexe Farb-Vorstellungenhaben. Darüber hinaus war er Ornithologe, einVogelkundler mit wissenschaftlicher, musikali-scher und franziskanischer Liebe zu den „gefie-derten Gottesboten“. Seine Musik ist durchsetztmit Vogelrufen und -gesängen. Und Messiaenbezog wichtige Bestandteile seiner Musikspra-che aus Ostasien: Er studierte die javanischen

CLASSIC erschienenen 8-CD-Box mit den zen-tralen Werken des Messiaenschen Orchester-schaffens übernimmt das SWR-Orchester unterseinem Chefdirigenten und Messiaen-Spe-zialisten Sylvain Cambreling ganz allein den Orchesterpart. Die ersten Kritiken zeigen sichbegeistert: „Eine Anthologie mit geradezu elek-trisierenden Einspielungen ... herausragend.“(Bayern 4 Klassik). Die Musikkritiker sind über-zeugt und zeichneten diese Einspielung mit dem„Preis der deutschen Schallplattenkritik“ aus.

Michael Sawall

Olivier Messiaen (1908 – 1992) OrchesterwerkeSWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg Dirigent: Sylvain CambrelingSWR music / hänssler CLASSIC 93.225

Ein Geschenk von Freunden Olivier Messiaen zum 100. Geburtstag

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rin, die inzwischen selbst eine der wichtigstenProfessuren besetzt. Die mehrfach preisgekrönteSolistin benötigte nur eine Probe mit dem welt-weit bekannten Konzertgitarristen, sofort schlugdie anfängliche Zurückhaltung gegenüber derBesetzung in pure Begeisterung um. Eine Begei-sterung, die sich offenbar bei den Aufnahmenim Konzertsaal der ehemaligen Ackerscheuneder Abtei Marienmünster noch steigerte undsich bei den angefügten Bonustracks – spontanempfundenen Raumimprovisationen – spürbarund unmittelbar auf den Hörer überträgt. Michhat völlig überrascht, dass der Raumeindruckselbst bei der Stereowiedergabe dieser SACDschon so überzeugend ist.

Thomas Trappmann

Serenade to the DawnWerke von Bozza, Burkhard, Castelnuovo-Tedesco, Haug, Rodrigo und Villa-Lobos Andrea Lieberknecht, FlöteFrank Bungarten, GitarreMDG 905 1540-6 (SACD)

Spontaneität und Tiefgang

Zwei Virtuosen ihres Fachs begeistern miteiner für sie völlig neuen Kombinationaus Flöte und Gitarre: Andrea Lieber-knecht und Frank Bungarten blicken

beide auf eine umfangreiche Diskografie zurück.Nun präsentieren sie auf ihrer ersten gemein-samen Einspielung „Serenade to the Dawn“ –„an die Dämmerung“ einige der spannendstenWerke des 20. Jahrhunderts für ihre Besetzung.

Willy Burkhard hat mit seiner Serenade diesen beiden Instrumenten ein einziges, aberenorm inspiriertes und klangschönes Stückgewidmet. Hans Haug setzt die Gitarre häufigein, gibt aber bei seinem „Capriccio“ der unver-gleichlich opulenteren Flötenstimme weitausmehr Raum, ihren Klang zu entfalten.

Die „Serenata al Alba del Dia“ von JoaquinRodrigo ist jedem Gitarristen ebenso geläufigwie „Distribucào des flores“ des Brasilianer VillaLobos. Spätestens hier kommt es zu einer erstenÜberraschung, wenn Andrea Lieberknecht sei-

ner exotischen Klangsprache einen beinahemagischen Akzent mit ihrer Bassflöte verleiht.

Die „Sonatine“ von Mario Castelnuovo-Tedesco ist zumindest für Gitarristen längst einKlassiker – seine melodische Erfindungsgabeund ein quasi orchestral angelegter Gitarrenpartgepaart mit höchster Flötenvirtuosität teilt sichin dieser Aufnahme mit einer überbordendenMusizierlaune mit. Die eigentliche Entdeckungist jedoch Eugène Bozza. Das äußerst selten zu hörende „Polydiaphonie“ war ursprünglichfür einen Wettbewerb entstanden. Was fordertdieses quasi improvisierende Stück voller über-raschender Einfälle von beiden Instrumentenfür eine Fülle an technischem Raffinement.Keine Frage, die beiden Solisten erledigen Ihre„Sache“ mit Bravour, traumhafter Balance unddem nötigen Augenzwinkern…

Der legendäre Flötist Paul Meisen hatte dasCD-Projekt bereits vor 20 Jahren mit MDG aufder Agenda. Realisiert hat es nun seine Schüle-

Abtei Marienmünster

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Polyptique und Passacaille Fortsetzung der Frank Martin Werkschau bei MDG

Das Musikkollegium Winterthur unterder Leitung von Jac van Steen ergänztseine Reihe mit Einspielungen vonWerken des 20. Jahrhunderts durch

Vol. 3 der Orchesterwerke von Frank Martin.Der Schweizer Komponist bekennt sich aufrich-tig zu seinen Wurzeln in der Nachfolge Bachsund spannt hier einen geistigen Bogen von derLeidensgeschichte Jesu über seine Passacagliabis hin zu seinen konzertanten Werken.

Doppelt verwurzelt in frankophoner wiedeutscher Kultur hat sich der aus Genf stam-mende Pfarrerssohn schon in früher Jugend starkmit den Werken Johann Sebastian Bachs be-schäftigt. Selbstverständlich lernte Frank Martindabei auch die berühmte c-Moll-Passacagliakennen. Es fiel ihm daher leicht, auf Wunschdes Berner Organisten Kurt Wolfgang Senn imJahr 1944 eine eigene Passacaille für die Orgelzu schreiben. So richtig begeistert war er vonseiner Komposition aber erst Jahre später, als erdie hier eingespielte Fassung für Streichorches-

ter umschrieb, die 1963 sogar noch um eineVersion für großes Orchester ergänzt wurde.

Während einer Siena-Reise kam Frank Martindie rettende Idee, wie er die Bitte Yehudi Menuhinsnach einem Konzert für Violine und Streich-orchester erfüllen konnte, ohne dabei mit denMeisterwerken von Johann Sebastian Bach kon-kurrieren zu müssen: Er entdeckte ein Polypty-chon, eine Folge kleiner Bilder der Passions-geschichte, und entschloss sich, diese Szenen inhöchst virtuose und zugleich abwechslungs-reiche Musik für Solo (Willi Zimmermann) undzwei kleine Streicherensembles umzusetzen.

Das Cembalo kannte Martin ebenfalls durchseine Studien alter Musik. Er wollte dieses injüngster Zeit wieder sehr beliebte Instrument in einen moderneren Kontext stellen und komponierte das Konzert für Cembalo und kleines Orchester. Es scheintdem Musikkollegium Winter-thur und dem Solisten RudolfScheidegger wie auf den Leib kom-poniert. Der umfangreiche Book-lettext von Dominik Sackmannmacht viele Zitate Martins zu diesenWerken zugänglich. Eine schöneEdition. Thomas Trappmann

Frank Martin (1890-1974)Konzerte Vol. 2PolyptiquePassacailleKonzert für CembaloWilli Zimmermann, ViolineRudolf Scheidegger, CembaloMusikkollegium WinterthurJac van Steen, Ltg.MDG 601 1539-2 (CD)MDG 901 1539-6 (SACD)

Frank Martin Konzerte Vol. 1 Violinkonzert (1950/1951)Konzert für 7 Blasinstrumente,Pauken, Schlagzeug und Streichorchester (1949)Danse de la peur (2 Klaviere und kleines Orchester (1936)) Michael Erxleben, ViolineAdrienne Soós, Ivo Haag, Klavier Musikkollegium WinterthurJac van Steen, Ltg.MDG 601 1280-2 (CD)MDG 901 1280-6 (SACD)

Frank Martin Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph RilkeChristianne Stotijn, AltMusikkollegium WinterthurJac van Steen, Ltg.MDG 601 1444-2 (CD)MDG 901 1444-6 (SACD)

Aktuelle Konzerte: Musikkollegium Winterthur Heinz Holliger, Ltg. und Solist

13. 01. 2009 Bern

14. 01. 2009 Wangen im Allgäu

15. 01. 2009 Gütersloh

16. 01. 2009 Cuxhaven

17. 01. 2009 Leer

18. 01. 2009 Tonhalle Düsseldorf

Weitere Informationen: www.musikkollegium.ch

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gleichbleibenden überragenden Qualität dieserInterpretationen liegt aber in der Person desEnsembleleiters selbst begründet: MasaakiSuzuki macht nicht nur „einfach Musik“, son-dern er lebt sie. Die Aufführung der KantatenBachs ist dem bekennenden evangelischen Christen ein Herzensanliegen. „Ein tiefes Ver-

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Über zehn Jahre ist es her, dass vomschwedischen Label BIS die Ankündi-gung kam, man werde eine auf langeDauer angelegte Zusammenarbeit mit

einem japanischen Ensemble beginnen, um dasgeistliche Vokalwerk Johann Sebastian Bachs,insbesondere also die Kantaten, neu und gesamtaufzunehmen. Masaaki Suzuki heiße der Leiterdes Ensembles. Der 1954 geborene Cembalist,Organist und Dirigent sei schon mit zwölf Jahrenim sonntäglichen Gottesdienst auf der Orgelbankgesessen, habe u.a. bei Ton Koopman und PietKee am Sweelinck-Konservatoriumin Amsterdam studiert und 1990 dasBach Collegium Japan in der Absichtgegründet, das japanische Publikummit großen Werken des Barockzeit-alters in historischer Aufführungs-praxis vertraut zu machen.

Wurde diese Ankündigung ins-besondere hierzulande teilweisenoch in unangebrachtem Hochmutbelächelt („Japaner und Bach“), soblieb das Lachen so manchem nachHören der ersten Folgen der Kan-tatenreihe sehr schnell im Halsestecken. Es zeigte sich, dass SuzukisEinspielungen zum derzeit Bestengehören, was in diesem Genre aufdem Markt ist. Die stimmliche Qualität des Chores spielt hier eineRolle, die nicht minder profes-sionellen Instrumentalisten desEnsembles und natürlich auch die Reihe inter-national bekannter Solisten, spezialisiert auf dieWiedergabe barocker Musik in historischer Auf-führungspraxis. Beispielhaft seien hier nur dieSopranistin Carolyn Sampson, der Altus RobinBlaze, der Tenor Gerd Türk oder der Bass PeterKooij genannt. Ein besonderes Geheimnis der

Ein Leben mit Bach

ständnis für die grundlegende religiöse Botschaftdes jeweiligen Werkes ist das Wichtigste, wennman eine lebendige Aufführung der Partitureiner Bachkantate zustande bringen will“(Suzuki). Dies spürt man, und so wird jedeneue Folge der Kantatenserie von der Kritikgefeiert und vom Publikum begeistert aufge-nommen – über die Jahre ist eine immer nochwachsende Bach-Suzuki-Gemeinde entstanden.

Neben den Kantaten – es erscheinen vier,maximal fünf Folgen pro Jahr; Suzuki will sichnicht zu Lasten der Qualität drängeln lassen –haben die Japaner zwischenzeitlich auch diegroßen geistlichen Meisterwerke Bachs einge-spielt: Johannes- und Matthäuspassion, Messeh-Moll, Weihnachts-, Oster- und Himmelfahrts-oratorium. Die gibt es nun in einer schön aus-gestatteten Box zusammengefasst auf 10 CDs ineiner einmaligen Auflage (BIS-CD-9020). Einegute Gelegenheit für „noch nicht Suzuki-Begeis-terte“, Meilensteine der europäischen Musik-kultur in den herausragenden Interpretationender Japaner zu erleben, und für alle schon„konvertierten“ eine wunderbare Geschenkidee.

A. Rainer

Masaaki Suzuki

BIS-CD-9020 (Box mit 10 CDs)

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Spricht man von der Musik Mendelssohn-Bartholdys, so denkt man heute primär anseine Sinfonien, an sein Violinkonzert, an

den „Elias“ oder an die Musik zum Sommernachts-traum. Die wechselvolle Rezeptionsgeschichteseiner Musik gilt auch oder gerade besondersfür die Klaviermusik. Selbst in den Biographienund Konzertführern werden die einzelnen Opus-nummern nur zum Teil erwähnt. Das in Umfangund Qualität durchaus bedeutende Klavierwerkführt also bis auf wenige bekanntere Stücke imallgemeinen Musikbewusstsein eine Art Schatten-dasein. Schon zu Lebzeiten Mendelssohns wurdenrund 70 Kompositionen für Klavier veröffentlicht,nach dem Tod druckte man weitere, etliche Ju-gendwerke sind nach wie vor nicht erschienen.Insgesamt geht man also von einer Zahl vonrund 150 Werken für Klavier solo aus. Man hatMendelssohns Klaviermusik immer in Relationgesetzt zu Werken von Schumann oder Chopinund kritisch angemerkt, dass ihnen Tiefe und dervirtuose Aspekt fehle. Dem kann man so nichtganz zustimmen. Sicher haben die eben genanntenzwei Freunde und Kollegen Mendelssohns demKlavier mehr ihr Innerstes anvertraut und dasInstrument in den Mittelpunkt ihres Schaffensgerückt. Man darf dabei auch nicht vergessen,dass Mendelssohns kurz bemessene Lebenszeitgenau in die Blüte des Biedermeier fiel. Die Tugen-den dieser Gesellschaftsform lagen eher in einerbürgerlichen Beschaulichkeit und in einer Inti-mität der Seele. Man suchte also nicht unbedingtdie leidenschaftliche Veräußerung, wie es einVirtuosenstück ja bietet. Mendelssohns Stil hobsich dennoch bewusst von dem biedermeierlichenDenken ab, viele seiner Klavierwerke leben voneiner fließenden Eleganz und pianistischen Bril-

lanz. Seine Stücke, die eine bemerkenswerte Stel-lung zwischen Klassik und Romantik einnehmen,haben poetische Gefühlstiefe und heitere Graziezu gleichen Teilen. Wie Schubert fand auchMendelssohn im Lied den zentralen Ansatzpunktfür sein Klavierschaffen. Die „Lieder ohne Worte“,ein Genre, das man immer mit Mendelssohn inVerbindung bringen wird, sind dafür das bestemusikalische Beispiel: eher gemessene Bewe-gungslyrik mit ansprechender Melodik und ge-brochenen Akkorden in der Begleitung. In sei-nen sehr klaviermäßig geschriebenen Werkensublimierte er sehr maßvoll die vom Lied inspi-rierte kleine Form. Die Charakterstücke, Fanta-sien, Capriccios, Preludes, Etüden und andere,verlangen dabei durchaus große spielerische Fer-tigkeiten. Mendelssohns Grundhaltung für dieKlaviermusik war ein Sinn für einen natürlichenFluss der Gedanken. Dazu kamen leise Melan-cholie, Empfindungsausdruck und Zurückhaltung,alles aber verbunden durch eine Wärme desAusdrucks. Er hatte Scheu davor, irgendwie auf-zufallen, anzustoßen oder gar zu konfrontieren.Insofern hatten die Kritiker recht: sonderlich tieflotend ist seine Klaviermusik nicht. Sie lebt abervon einer besonderen Qualität der melodischenErfindung, sowie von einer formalen und satz-technischen Meisterschaft. Die größten Schöpferder Vergangenheit empfanden es als selbstver-ständlich „im Auftrag“ zu schaffen, gegen Honoraretwas zu einem bestimmten Termin abzuliefern.Das war bei Mendelssohn anders: er schrieb dieKlaviermusik aus einem inneren Antrieb, auseiner bestimmten Gefühlslage heraus. Der Begriffder „Inspiration“ bekommt so bei ihm einenbesonderen Akzent. Wolfgang Teubner

Zum 200. Geburtstag von Felix Mendelssohn-Bartholdy Seine Klavierwerke auf 8 CDs bei Profil Edition Günter Hänssler

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David Geringas (Cello), Tatjana Geringas (Piano)Pavel Giunter (Schlagzeug), Geir Draugsvoll (Akkordeon)

Arkady Gotesman (Schlagzeug), Vilnius QuartetPH09005

Werke von Béla Bartók & Ahmed Adnan Saygun Tim Vogler (Violine), Jascha Nemtsov (Piano)

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Johann Sebastian Bach Weihnachtsoratorium I – IIIFritz Wunderlich, Friederike Sailer, Erika Winkler Hannes Swedberg, Stuttgarter Hymnus-Chorknaben

Radiosinfonieorchester Stuttgart, August Langenbeck2CD: PH08028

Fritz Busch Sämtliche Dresdner Aufnahmen, 1923-1932Mit Original Kino-Film »Tannhäuser Ouvertüre«dirigiert von Fritz Busch, Staatskapelle Dresden

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Felix Mendelssohn-BartholdyKlavierwerke / Lieder ohne Worte / Klaviersonaten / Präludien / Fugen / Etüden / Rondo Capriccioso / Sieben Charakterstücke / Fantasien / Variationen / Klaviertrios Dana Protopopescu, Jan Vermeulen Fortepianotrio FlorestanPH08027 / Profil Edition G. Hänssler 8 CD Box

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Versailles – Prunkresidenzund goldener Käfig

Das Schloss in Versailles war im Barock der kulturelle Mittel-punkt Europas, und seinem Vorbild folgten in Deutschland Fürsten von Nord bis Süd, die mit Prunkschlössern die Resi-denz des Sonnenkönigs imitierten. Die Pflege des VersaillerKulturerbes genießt bei unseren Nachbarn hohe Priorität; so entstand vor 1987 das Centre de Musique Baroque de Versailles, das im vergangenen Jahr seinen 20. Geburtstag miteiner groß angelegten Konzertreihe feierte. 200 Jahre Musikin Versailles während der Regierungszeit von vier Herrschernpassierten Revue, und eine Sonderedition mit 20 CDs erscheint

jetzt gewissermaßen als klingender Rechenschaftsberichtdieser Veranstaltungsreihe. Die Musikfreunde können sich aufeine opulente Sammlung hochkarätiger Aufnahmen freuen! Für die musikalische Qualität der Aufnahmen stehen renom-mierte Ensembles ein wie William Christies Les Arts Florissants,Hervé Niquet und sein Le Concert Spirituel, Marc Minkowskiund Les Musiciens du Louvre, Jérôme Correas mit Les Paladinsund Antonio Florio mit seiner Capella della Pietà de’Turchinisowie Interpreten von Rang: Véronique Gens, Paul Agnew,Bernarda Fink, Andreas Staier (um nur einige zu nennen).

Adligen bei ihrerEitelkeit gepacktund sie in den golde-nen Käfig von Versaillesgesperrt, wo andauerndStaatstheater gespielt wurde undsie nicht auf aufrührerische Gedanken kamen.Die immense Rolle der Musik am Versailler Hofschilderte 2000 der Film „Der König tanzt“: Erhandelt vom tanzbesessenen Sonnenkönig undseinem Hofmusiker Jean-Baptiste Lully, derdurch königliche Gunst zum absoluten Herrscherdes Musiklebens am Hof zu Versailles aufstieg.

Auf die vier Könige mit dem Namen Ludwig,die in zwei Jahrhunderten die Geschichte desSchlosses Versailles prägten, verteilen sich die20 CDs der Box 200 Jahre Musik in Versaillesund bieten so ein umfassendes Panorama deshöfischen Lebens, das allezeit von Musik um-geben war: Das Morgen- und Abendgebet unddie feierlichen Messen in der Schlosskirche, dievielen Zerstreuungen in den Salons und denPavillons im Schlosspark, zu denen szenische

1623hatte König Ludwig XIII.sich in dem Dorf Versaillesein Jagdschloss gebaut, als

Refugium, in dem er sich von den Regierungsge-schäften im Louvre, dem Pariser Königspalast,erholen konnte. Sein Sohn, Ludwig XIV., bautediese königliche Erholungsstätte zu einer Residenzvon einzigartiger Pracht aus und machte Versailleszum Fokus seiner absoluten Herrschaft.

Zwei Filme haben diesen Wechsel vom Lust-schloss zum Machtzentrum eindrucksvoll be-leuchtet. 1966 schilderte Roberto Rossellini in„Die Machtergreifung Ludwigs XIV.“, wie derjunge König, bis zur Volljährigkeit von dermachtbewussten Mutter und dem allmächtigenKardinal Mazarin an kurzer Leine geführt, nachdem Tod des Kardinals kurz entschlossen dieMacht an sich reißt. Stets in Angst vor einerErhebung des um seine althergebrachten Privi-legien besorgten Adels, erfindet Ludwig ein auf-wändiges Zeremoniell, das den ganzen Tagminutiös einteilt und jedem Mitglied der Hofge-sellschaft wie einem Planeten seine Umlaufbahnum die königliche Sonne im Zentrum des höfi-schen Lebens zuweist. Wer in Frankreich etwasgelten will, muss am Königshof anwesend seinund sich beim König verschulden – das Leben inVersailles ist natürlich teuer, der König gewährtjedoch jedem Mitglied seines Hofes großzügigKredit. Rossellini zufolge hat Ludwig XIV. seine

Divertissements erklangen, Kantatenoder Kammermusik, die großen Opern-

vorstellungen im Hoftheater, fantastisch aus-staffiert und mit raffiniert choreographiertenBalletten versehen und schließlich die Tafelmu-sik, die bei den königlichen Soupers erklang.

Die großen Komponisten Frankreichs, Lully,Charpentier, Rameau… alle waren sie bestrebt,ihre Werke in Versailles zu präsentieren, Mu-siker aus Italien und Deutschland suchten hierihr Glück (der siebenjährige Mozart wollteMadame Pompadour zu ihrem Entsetzen um-armen und küssen), und auch Komponisten, diesich später begeistert in den Dienst der Revolu-tion stellten, wie François-Joseph Gossec, hattenfrüher vor König Ludwig XVI. und KöniginMarie-Antoinette ihren Kratzfuß gemacht. Mitdem Marsch der Marktfrauen nach Versaillesendet die Königsherrlichkeit in der prachtvollenResidenz – keiner der kommenden HerrscherFrankreichs hat es wieder gewagt, hier seinenWohnsitz zu nehmen. Detmar Huchting

200 Jahre Musik aus Versailles Boesset, Lully, Charpentier,Marais, Couperin, Lalande,

Rameau, Mondonville, Campra,Grétry, Philidor u.a.MBF 1108 / 20 CDs

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NicolausUfficio Liturgico di San Nicola

Ensemble di Musica Medioevale CalixtinusTC 100004 / Tactus

Die Gesänge zu Ehren des heiligen Nicolaus, wie sie in derKathedrale von Bari im 13. Jahrhundert erklangen, versetzen

uns zurück ins hohe Mittelalter, in eine Zeit, da Nicolaus nochnichts mit Folklore und Rute aus dem Sack zu tun hatte.

John Rutter A Christmas Festival

John Rutter, The Cambridge Singers,Royal Philharmonic Orchestra u.a.

COLCD 133 / Collegium

Kein lebender Komponist wird so oft mit Weihnachten in Verbindung ge-bracht wie John Rutter (geb. 1945): Seit mehr als dreißig Jahren schreibt

er Weihnachtslieder und Musik zur Adventszeit, die in der ganzen Weltaufgeführt und gesungen wird. Legendär sind seine jährlich stattfinden-

den Weihnachtskonzerte in der Londoner Royal Albert Hall. Die vorlie-gende CD „Christmas Festival" ist die erste Weihnachtsaufnahme vonRutters gefeierten Cambridge Singers seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Erstmals wird der Chor hier von einer Orgel und einem großen Sinfonie-orchester begleitet. Zu hören sind als Weltpremiere die Ersteinspielun-

gen von fünf brandneuen Kompositionen Rutters zu Weihnachten.

12 AUSGABE 2008/4

Lassen Sie sich bei Ihren weihnachtlichen Bastelstunden nicht durch das tägliche Ritualdes Adventskalendertürchenöffnens ablenken. Schicken Sie uns stattdessen einen

weihnachtlichen Gruß, gerne auch eine selbst gebastelte Weihnachtskarte, und vermerken Sie darauf, in welcher Zeitschrift oder bei welchem Händler Sie diese

CLASS aktuell-Ausgabe entdeckt haben. Damit nehmen Sie an der Verlosung dieser 24 musikalischen Empfehlungen teil.

Sollten Sie die elektrische Post der Briefpost vorziehen, senden Sie uns eine Mail mit einem weihnachtlichen Spruch oder einem Gedicht, gerne auch aus

eigener Feder, an [email protected]. Bitte vergessen Sie nicht, uns auch hier zu verraten, in welcher Zeitschrift oder bei welchem Händler

Sie diese CLASS aktuell-Ausgabe entdeckt haben.

Teilnahmemöglichkeit diesmal bis zum 24. Januar 2009, denn nach Weihnachten ist wiederum vor Weihnachten.

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Alte deutsche WeihnachtsliederWeihnachtliche OrgelmusikBachchor Würzburg / Christian Kabitz, Ltg.Gerd Wachowski an der Rieger-Orgel in der St. Jakobs-Kirche zu Rothenburg ob der Tauber MDG 605 1516-2

Deutsche Weihnachten: Diese CD vereint gesungen und auf derOrgel gespielt bzw. zu den Melodien improvisiert die schönstenkirchlichen Weihnachts- und Adventslieder: Macht hoch die Tür,Es ist ein Ros entsprungen etc. und natürlich nicht zu vergessen„Stille Nacht, heilige Nacht“. Lassen Sie sich mitnehmen auf eine Stunde Weihnachtsmusik in St. Jakob in Rothenburg ob derTauber, eingerahmt von den berühmten Glocken dieser Kirche,die noch aus dem 17. Jahrhundert stammen.

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Der musikalischeWeihnachtskalender

Fritz BuschSämtliche Dresdner Aufnahmen 1923 – 19323 CD + DVD Biografische Dokumentation Mit Original Kino-Film „Tannhäuser Ouvertüre“ dirigiert von Fritz Busch Anlässlich des 75. Jahrestags seiner Vertreibung durch die Nazis – eine späte WiedergutmachungPH07032 / Profil Edition Günter Hänssler

„Während elf Jahren habe ich in öffentlichen Aufführungen über tausendmalan der Spitze der Staatskapelle gestanden.Eine Zeit des Lernens, Reifens und manchmal Gelingens, deren Erinnerung in mir nicht ausgelöscht worden ist.Es ist das Wesen des Schönen, dass böseMächte keine Gewalt darüber haben.“ Fritz Busch, 1948

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Neubeurer WeihnachtssingenChor- und Spielmusiken der ChorgemeinschaftNeubeuernEnoch zu GuttenbergF 100 207 / FARAO classics

Traditionelle Advents- und Weihnachtslieder haben im alpenländischen Raum einen besonderen Stellenwertin der Umrahmung des Christfestes. Mit der neuen CDpräsentieren die Neubeurer neben Chorliedern Zwei-und Dreigesänge, Geigen-, Saiten- und Klarinettenmu-siken aus Bayern, Tirol, Salzburg und der Steiermark.

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„Amour Fou“ Tango à troisTangos von Peter LudwigF 100 208 / FARAO classics

Nach über drei Jahrzehnten Tangoleidenschaft steckt Peter Ludwig noch immer voll kreativer Ideen und findetimmer wieder unverbrauchte Ausdrucksformen. Die aktuelle CD des Klaviertrios fasziniert mit unterschiedlichenRhythmen, fremden Einflüssen, mit jazzigen Balladen undmit verträumter, nostalgischer Musik.

Chet In ChicagoChet Baker mit Bradley Young,Larry Gray, Rusty Jones, Ed PetersenENJ-9524 2 /enja

Die Legende lebt. In einer bisher unveröffentlichten Studio-Aufnahme von1986 präsentiert sich Trompeten-LyrikerChet Baker (1929-1988) auf der Höheseines Könnens. Auch in den schnellenStücken glänzt er mit ungehetzter melodischer Erfindungskraft. „Sehrrelaxed und mit einer überragenden Souveränität“ (arte.tv.de).Auch als Vinyl.

Little Amadeus präsentiert:Bach für Kinder4260045420058 / Gateway 4M

Bei der neuen Produktion aus der Serie

„Klassik für Kinder“ begibt sich Little Amadeus aufeine abenteuerliche Reise mit einer Zeitkutsche undstellt in spannenden und aufregenden Geschichtenden Komponisten Johann Sebastian Bach und seine wichtigsten Werke vor. Die CD enthält alszusätzliches Extra ein großes Bild zum Ausmalen.

Bach – Schubert - Brahms Wilhelm Kempff in PotsdamHCD 0808 / claXL

Wilhelm Kempff konzertierte vorgenau 45 Jahren in Potsdam imNikolaisaal. Zu diesem Konzerthieß es in den BrandenburgischenNeuesten Nachrichten u.a.: „… ein unvergleichlicher Deuter derRomantik … mit einer Wärme undmit einer Brillanz, die nicht zuüberbieten ist … Beifallsstürmedes überfüllten Saales…“

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Frédéric Chopin Das gesamte Klavierwerk

Garrick Ohlsson, Kazimierz Kord,Warsaw Philharmonic Orchestra

Universitätschor DresdenCDS 44351 / Hyperion

Frédéric Chopin (1810-1849) war einer der bedeutendsten und innovativsten Komponisten der Musikgeschichte. Mehr als jeder andere trug er zur

Entwicklung von Technik und Stil des modernen Klavierspiels bei.Die vorliegende Box mit insgesamt 16 CDs nimmt für sich in Anspruch, den

kompletten Chopin zu präsentieren. Entstanden ist das Großprojekt in den Jahren 1989 bis 2000 für das amerikanische Label Arabesque, nun bringt

Hyperion sämtliche Einspielungen erstmals gesammelt in einer Box heraus.Garrick Ohlsson, hat diese gewaltige Aufgabe mit Bravur gemeistert und

neben dem vollständigen Werk für Soloklavier auch die beiden Klavier-konzerte, sämtliche Orchesterwerke, Kammermusik und Lieder eingespielt.

Chansons GrisesJanina Baechlemit Charles Spencer (Piano)MAR-1803 2 / Marsyas

Mit geheimnisvollen Liedern von ReynaldoHahn, Alexander Zemlinsky, Lili Boulanger,Darius Milhaud und Alma Mahler verbreitetJanina Baechles Album-Debüt den melancholischen Zauber von Symbolismusund Jugendstil. „Lyrische Kleinodien, diehervorragend zu Baechles warmem, wohl-dosiertem Mezzo passen“ (Wiener Presse).

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Niccolò PaganiniGitarrenquartette a-Mollund Terzett D-Dur.Offenburger Streichtrio &Siegbert Remberger, Gitarreamb 96 899 / Ambitus

Man nimmt heute an, dassPaganini ein ebenso grandioser Virtuose auf derGitarre wie auf der Violinewar. Die Führung der Violastatt der Geige im letztenQuartett, verleiht diesemWerk nicht nur einen beson-deren Reiz, sondern machtes zu einer echten Raritätin der Musikliteratur.

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Feliz NavidadMediterranean Chrismas Music from the RenaissanceCécile Kempenaers, Sopran / José Pizarro, Tenor Capella de la Torre / Katharina BäumlCOV 20811 / Coviello Classics

Weihnachten war schon in der Renaissance Anlass für großeGefühle, die sich in reichem Volksliedgut ausdrücken – auch

und gerade in den Mittelmeerländern. Viele Komponisten haben diesen Volkston aufgegriffen und in kunstvollen Arrange-

ments verarbeitet. Die hoch gelobte Capella della Torre bietetauf ihrer neuen CD Weihnachtsstimmung der anderen Art,

effektvoll begleitet mit authentischen Instrumenten der Zeit.

Willaert, Rogier, Lassus,Gombert, Ockeghem,Dufay u.a.Masters from Flanders van Nevel,Capella Sancti Michaelis,Currende KTC 1380 / Etcetera

Die flämischen Komponistenzeichneten sich in einer jahrhundertealten Tradition durchauffallende stilistische Einheithinsichtlich des ‚Wohlklanges’ihrer Werke und der süßtönendenKlänge aus, wozu sich eine tech-nische Erfindungsgabe gesellte,die ans Unvorstellbare grenzt.

Olivier Messiaen (1908-1992)Vingt regards sur l‘Enfant-JésusJaana Kärkkainen, KlavierABCD 226 / Alba

Messiaens großer Weihnachtszyklus der etwas anderen Art: 20 kontemplativeBetrachtungen zur Geburtsgeschichte Jesu, wobei der Schwerpunkt eben nicht auf dem herzigen Kindlein mit lockigen Haar im Stall liegt, sondern auf der Mystik des Geschehens, dass Gott in diesem Kind Mensch wird.

Sankta LuciaWeihnachtliche ChorsätzeAus Schweden und dem AlpenlandVocalensemble Landsberg, Karl Zepnikamb 97 991 / Ambitus

In Schweden ist das Lucia-Fest, mit seinen eigenenBräuchen, Essen und Musik, der leuchtende Auftakt für Weihnachten. Es wird stets am 13. Dezember gefeiert: Elf Nächte vor Weihnachten, wenn die Dunkelheit ihren Höhepunkt erreicht. Das Chorrepertoirezu diesem Fest ist ein kleiner Schatz, der sich mit denklaren und schlichten Weisen von Manfred Beulecke zu einer stimmungsvollen Einheit verbindet.

Benjamin BrittenSaint Nicolas / Variations on aTheme of Frank BridgeMark Tucker, TenorZürcher Sängerknabe, Zürcher Kam-merorchester, Howard GriffithsCLA50-2302 / Claves

Britten komponierte diese seltengespielte Kantate zum hundertjährigenBestehen des Lancing College am 24. Juli 1948. Das auf einem Text vonEric Croziers basierende Werk stellt neunEpisoden aus dem Leben des Heiligendar. Mit dem Tenor Mark Tucker alsSolisten wird das Werk erstmals indeutscher Sprache auf CD präsentiert.

Johann Sebastian Bach Kammermusik aus eigener und fremder HandNeoBarockamb 96 904 / Ambitus

Ersteinspielungen von Urfassungen Bach’scher Kompositionen sowie unbe-kannte Kammermusik aus seinem direktenUmfeld erwarten Sie auf dieser CD.Gänzlich Neues, wie die ungewöhnlicheKlangwelt eines früher Bach zuge-schriebenen Trios von Kirnberger, stehtneben Bekanntem, wie der berühmtenOuvertüre h-Moll in einer Frühfassung fürStreicher, die selbst der populären Badinerie ein unerhört neues Klang-gewand verleiht.

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Magnificat Werke von Kuhnau,

Bach, ZelenkaBach Collegium Japan,

Masaaki SuzukiBIS-CD-1011

„Die Wiedergabe kann mannicht anders als glänzend

nennen. Besser kann man eskaum machen“ (nmz)

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Tochter Zion, freue dich.Weihnachtliches TrompetenkonzertPfeiffer-Trompeten-Consort C 58028 (Hybrid-SACD) / Cantate

Glanzvolle Adaptionen vorwiegend barocker Musik für dreiTrompeten, Pauken und Orgel im Surround-Sound.

Georg Friedrich HändelDer Messias (GA) Sampson, Padmore, Christophers,The SixteenCOR 16062 / CORO

Vorbereitung auf das Händel-Jahr: Für Harry Christophers und seinen Chor „The Sixteen“ war es

eine Herzensangelegenheit, den „Messias“ – so kurz vordem Händel-Jahr 2009 – auf CD einzuspielen. Man

könnte sich auch kaum kompetentere Interpreten vor-stellen. Seit 1985, werden seine fesselnden und inten-

siven Interpretationen von Publikum und Kritik gefeiert.

Weihnachts-MatutinGregorianische Gesänge der Weihnachts-Vigil

Rupert Huber, WDR Rundfunkchor Köln.NEOS 30806

Absoluten Besonderheit: neu entdeckte Weihnachts-messe. Auf der Suche nach einem Programm für das

Weihnachtskonzert 2007 stößt Rupert Huber auf ein altesBuch, eine Antiphonale aus dem frühen 15. Jahrhundertmit Gregorianischen Gesängen. Sie stammt überdies mitgroßer Wahrscheinlichkeit aus dem Benediktinerkloster

von Groß Sankt Martin in Köln, dem Aufführungsort.

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ORFEO International Music GmbHAugustenstr. 79, 80333 Münchenwww.Orfeo-International.com

Bach Gamba SonatasDaniel Müller-SchottAngela HewittC 693 071 A

Elgar · Walton Cello ConcertosDaniel Müller-SchottOslo Philharmonic OrchestraAndré PrevinC 621 061 A

C 659 081 A

DANIEL MÜLLER-SCHOTT

DANIEL MÜLLER-SCHOTT

“The magnetic young German cellist Daniel Müller-Schott administered a dose of adrenaline ... a fearless player with technique to burn ... But even more impressive were his gorgeous, plush tone and his meticulous attention to expression.“

The New York Times

Felix Mendelssohn Bartholdy Klavierwerke / Lieder ohne WorteKlaviersonaten, Präludien, Fugen, Etüden,Rondo Capriccioso, Sieben Charakterstücke,Fantasien, Variationen, KlaviertriosDana Protopopescu, Jan Vermeulen Fortepianotrio FlorestanPH08027 (8 CD Box) / Profil Edition Günter Hänssler

Zum Mendelssohn – Jahr 2009: „Seine Klavierwerkeleben von einer fließenden Eleganz und pianisti-schen Brillanz. Seine Stücke, die eine bemerkens-werte Stellung zwischen Klassik und Romantik ein-nehmen, haben poetische Gefühlstiefe und heitereGrazie zu gleichen Teilen.“

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Camille Saint-Saëns Oratorio de Noël / Messe op. 4

Bachchor Stuttgart, Bachorchester Stuttgart,Cantus Stuttgart, Jörg-Hannes Hahn C 58022 (Hybrid-SACD) / Cantate

„Die gut disponierten Solisten und Chöre unddas sensible Orchester erzeugen genau

die Besinnlichkeit, von der in dieser Jahreszeitimmer die Rede ist“ (Thorsten Stegemann)

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Seit den frühesten Aufnahmen der Klavier-konzerte Chopins ist ihre Faszinationungebrochen. Es verwundert daher kaum,dass regelmäßig neue Einspielungen

dieser Konzerte veröffentlicht werden – jedeGeneration hat ein Recht auf ihren Chopin. Erwar, dem Stile brillante, den seinen Werke fürKlavier und Orchester durchaus prägen, keinnur der Virtuosität verpflichteter „junger Renner“,schon gar kein Revoluzzer, der die angeblich ver-staubten Pariser Salons durcheinander wirbelte,wie es uns gewisse jugendliche „Neuerfinder“oder ihre Plattenfirmen glauben machen wollen.

Vertraut man Chopin – einem Mann der lei-sen Töne –, entsprang der langsame Satz, dasLarghetto des f-Moll-Konzerts, seiner zwar ge-heimen doch umso glühenderen Leidenschaftfür die junge Sopranistin Konstancja Gladkowska,die er drei Jahre zuvor am Warschauer Konser-vatorium kennen gelernt hatte. In einem Briefan seinen Freund Tytus Wojciechwski schreibter am 3. Oktober 1829:

Sa Chen und ein beseelter Chopin

Frédéric ChopinDie zwei Klavierkonzerte Sa Chen, Klavier PTC 5186341

„So bedauerlich es sein mag, habe ich dochbereits ein Ideal, dem ich treu, aber schweigendseit einem halben Jahr diene, von dem ich träu-me, dessen Gedenken sich das Adagio meinesKonzerts verdankt, und das heute morgen denkleinen Walzer [op. 70 Nr. 3, Des-Dur] inspi-riert hat, den ich Dir beilege ... Oft teile ich mei-nem Klavier mit, was ich Dir erzählen will.“

Auch der langsame Satz des später kompo-nierten e-Moll-Konzerts – das aufgrund seinerVeröffentlichung vor seinem f-Moll-Pendant 1833seitdem als Nr. 1 gezählt wird – ist von der Liebezu einem Ideal, das er nie erlangen sollte,geprägt: „Es soll nicht kraftvoll sein – viel ehereine Romanze, still, melancholisch, es soll denEindruck erwecken, als betrachtete jemandzärtlich einen Ort, der in ihm tausend liebeErinnerungen wachruft. Einer Meditation gleichin wunderschönem Frühlingswetter, jedoch beiMondlicht“. (Brief vom 15. Mai 1830).

Die neue Aufnahme der Interpretin Sa Chenfängt all dies und noch mehr ein. Eine junge,dabei künstlerisch reife Pianistin, deren Ein-spielungen eben auch an den alten Meistern ge-schult sind. Sie selbst nennt als Inspiration undVorbild den großen polnischen Virtuosen WitoldMalcuzynski, dessen u.a. von Paderewski ver-mittelte Chopin-Interpretationen sich durch einewunderbare klare Diktion und ein sehr persön-liches, dabei singendes Rubatospiel auszeichnen.Die Reverenz an solch eine künstlerische Tradi-tion, ihre Ausprägung in der Kunst Sa Chens,blieb auch der Musikkritik nicht verborgen. DieListe ihrer nationalen und internationalen Erfolgespricht Bände – ein erster Platz 1994 bei der„China International Piano Competition“, 1996dann belegte sie beim internationalen Klavier-wettbewerb in Leeds als jüngste aller Teilnehmerden vierten Platz. Den Warschauer Chopin-Wett-bewerb im Jahr 2000 absolvierte sie ebenfallsmit einem vierten Rang, zusätzlich wurde sie mitdem Preis für die beste Interpretation einerChopin-Polonaise ausgezeichnet. Ihren wahr-scheinlich wichtigsten Erfolg erspielte sie sich2004 während des renommierten „Van Cliburn“-Klavierwettbewerbs in Fort Worth, Texas. AlsDrittplatzierte des Finalistenfelds wurde sie mitdem „Crystal Prize“ prämiert.

Auch die internationale Musikkritik erkenntschnell ihr „pianistisches Potenzial und ihre

künstlerische Qualität“. So schreibt ein Korres-pondent der Straits Times anlässlich ihresDebüts in Singapur im letzten Frühjahr:

„Sa Chen gehört neben Lang Lang undYundi Li zu den wichtigsten chinesischen Pianis-ten der neuen Generation. Ihr Debüt-Recital inSingapur legt den Verdacht nahe, dass sie diefesselndste dieser drei ist. Sie meidet die schonzum Markenzeichen gewordenen ManierismenLang Langs und übertrifft Yundi Lis technischeBrillianz durch die ihr eigene, besonderemenschliche Note. [...] Wir haben es hier nichtmit jener Art von klinisch kalter, faustkämpfe-rischer Virtuosität zu tun, die allzu häufig dasSpiel des typischen Wettbewerbsgewinnerskennzeichnet – die mühelose Beherrschung jeg-licher pianistischer Mittel mag inzwischen gangund gäbe sein, es sind jedoch das Herz und dieSeele eines Künstlers, die solch einen Klavier-abend zum Erlebnis werden lassen.“

Dabei ähnelt Sa Chens musikalischer Wer-degang dem ihres Landsmannes Yundi Li. Auchsie wurde in China von dem hochgeschätztenKlavierpädagogen Zhaoyi Dan unterrichtet undfand – in ihrem Fall – den Weg über Groß-britannien an die Hochschule für Musik und Theater in Hannover.

Während die noch berühmteren chinesischenKollegen, vertraglich an einen der Global Playerdes Musikgeschäfts gebunden, für beispielsweisemobile Telefonie oder Limonade werben, ihreAnhängerschaft im Verbund mit einem Sportaus-rüster mit vermeintlich klaviertauglichen Frei-zeitschuhen oder der Biographie ihrer ersten 26 Lenze beglücken, unterschrieb die Künstlerineinen Vertrag mir dem kleinen, aber umso feineren niederländischen Label PentaTone. DieChopin-Konzerte sind ihre erste Einspielung fürdieses Label, der, im Licht ihrer exzellentenQualitäten, viele andere folgen werden.

Miguel Montfort

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Cubano, ein traditioneller Musikstil, spielt dabeieine zentrale Rolle, aber auch Rumba, Chachachaund Mambo sind auf dieser Aufnahme zu hören.

Pancho Amat ist der weltweit führende Tres-Spieler. Er entlockt dem Instrument einenunvergleichbar transparenten Klang, versteht esaber auch die Dynamik fein abzustufen. DieTres, ein Geschenk seines Vaters in Kindertagen,wurde sein Freund, mit ihr lernte er Land undLeute kennen, durch sie fand er seine großeLiebe und er traf mit ihr Joaquín Clerch, seinmusikalisches Spiegelbild an der Gitarre.

Das Ensemble wird bei einigen Stücken zumQuintett erweitert, wobei Anette Maiburg mitihrem weichen, einfühlsamen und ungemeingeschmeidigen Flötenton den klassischen euro-päischen Gegenpol zu Omar Rodriguez Calvo(was für Kontrabass-Soli!) und Alexander Raymat, Percussion, bietet. Ein ebenso unter-haltsames wie erfrischendes Programm mit einerhervorragenden Aufnahme und natürlich einemHauch „Havanna“ gewürzt. Lisa Eranos

Classica CubanaPancho Amat, Tres / Anette Maiburg, Flöte

Joaquin Clerch, Gitarre / Alexander Raymat,Perkussion / Omar Rodriguez Calvo, Bass

MDG 610 1536-2 (CD)MDG 910 1536-6 (SACD)

Classica Cubana ... im feinsten MDG-Raumklang

Joaquin Clerch

Pancho Amat

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Es ist eine Liebeserklärung an Kuba,eine Hommage an die Tres als „das“kubanische Nationalinstrument. Und esist eine Erinnerung an Maria Eugenia,

die viel zu früh verstorbene Ehefrau: PanchoAmat ist der berühmteste kubanische Tres-Spie-ler, und er präsentiert mit dem kubanischenGitarristen Joaquín Clerch die Musik seinerkaribischen Heimat. Als „Classica Cubana“haben die beiden weltbekannten Musiker mit

Freunden eine (SA)CD aufgenommen, diehöchst eindrucksvoll die Rhythmen und Stim-mungen Kubas nach Europa trägt.

Die Tres ähnelt einer kleinen Gitarre und istbespannt mit drei Saitenpaaren, die mit einemPlektron angeschlagen werden. Zuerst fand dasInstrument auf den Zuckerplantagen Verbreitung,dann trat es seinen Siegeszug durch die Dörferund Städte Kubas an und ist nun ein fester Be-standteil der kubanischen Volksmusik. Der Son

Anette Maiburg

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die Wand zu malen scheint“, erläutert der Kom-ponist im Beiheft. Das dritte gerät umso tempe-ramentvoller: Einem grimmigen Scherzo gleich,verarbeitet Widmann hier ein bei Schumannentliehenes Jagdthema und hetzt es bis zum Tod.Mit einfachsten Mitteln, aber höchst kompliziertzu spielen, präsentiert sich das vierte Streich-quartett als technisch äußerst anspruchsvollesWerk. Pizzicato, „mit dem Finger aufgeschla-gen“, col legno... mit jedem Ton wechselt dieSpielweise und die Klangfarbe. Da braucht esschon ein Weltklasse-Ensemble wie das Leipzi-ger Streichquartett, um diese Musik so faszinie-rend darzustellen.

Das fünfte Streichquartett, „Versuch überdie Fuge“, ist das umfangreichste des gesamtenZyklus und markiert musikalisch höchsteAnsprüche, indem es die verschiedensten poly-phonen Formen probiert und ausbreitet. Alsweitere Stimme und vorzügliche klangliche Ausweitung zitiert Juliane Banse in beeindruk-kend-dramatischer Weise das biblische „Vanitasvanitatum“. Fazit: Absolut hörenswert!

Thomas Trappmann

Die Kunst der SucheStreichquartett-Zyklus von Jörg Widmann mit dem

Leipziger Streichquartett

Mit 11 der erste Unterricht in Kom-position, mit 24 das erste Streich-quartett, mit 30 das zweite, seitdemgeht es Schlag auf Schlag: Jörg

Widmann, der nebenbei auch eine beeindruk-kende Karriere als Klarinettist aufweist – hat sichin der Königsdisziplin der Komponisten etabliert.Nun ist der fünfteilige Streichquartett-Zyklus desheute 35-Jährigen abgeschlossen und das Leip-ziger Streichquartett und Juliane Banse präsen-tieren eine äußerst gelungene Erstaufnahme.

Mehr suchend als jugendlich-stürmisch hatsich der Komponist dem Sujet genähert: ZuBeginn lässt Widmann die Bögen mit höchstenDruck auf die Saiten pressen, ohne dass dabeiein Ton erklingt. Dann zwei zart schwebendeFlageoletts als von Stille durchsetzte Klang-inseln. Allein die Bratsche bricht zu einem riskanten Befreiungsschlag aus und kann alsPrimus inter pares von den übrigen Streichernnur mit Mühe wieder eingefangen werden...

Die Langsamkeit von Haydns „Sieben Worte“scheint als Faszinosum hinter der Idee des zwei-ten Streichquartetts zu stehen – „eine fast autis-tisch rätselhafte Musik, die nur Fragezeichen an

Leipziger StreichquartettJuliane Banse

Jörg Widmann

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Jörg Widmann (*1973) Streichquartette Nr. 1-5

Juliane Banse, SopranLeipziger Streichquartett

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Er wurde von Guido Borciani, dem Bruder des1. Geigers des legendären „Quartetto Italiano“,Paolo Borciani, ins Leben gerufen und wirdheute von dem Verein „Amici del QuartettoGuido Alberto Borciani“ getragen. Angemeldethatten sich dieses Jahres 37 Ensembles aus allerWelt, von denen 20 für die Teilnahme ausge-wählt wurden.

Den ersten Preis gewann in diesem Jahr das tschechische Bennewitz Quartett, 1998 ge-gründet und nach dem renommierten tschechi-schen Geiger Antonin Bennewitz (1833–1926)benannt. Ausgebildet von Rainer Schmidt(Hagen Quartett) und Walter Levin (LaSalleQuartett) hat dieses „Instrument mit 16 Saiten“bereits bei zahlreichen Wettbewerben Erfolgevorzuweisen. Nun jedoch ist der wichtigsteSchritt zur weltweiten Bekanntheit geschafft: Dievier jungen Prager werden in der Saison 2008-2009 mit 50 Konzerten ihre Preisträger-Tourneedurch Europa, die USA und Japan absolvieren,darunter Konzerte in Tokio, New York, LosAngeles, Hamburg, Bremen, Stuttgart, Brüssel,Basel, Rom und Florenz.

„Die Zeit“ in Deutschland urteilte: „Für Streich-quartette ist Reggio Emilia das Tor zur Welt.“ Wünschen wir dem Quartett, dass der Weg hinterdiesem Tor lang und erfolgreich sein wird.

Hanna Wesner

‚‚Hier schlägt das Herz der Musik“, schriebdas italienische Blatt „La Stampa“ imJuni dieses Jahres über das Preisträger-

konzert des Wettbewerbs in der Königsdisziplinder Kammermusik: Der „Premio Paolo Borciani“Streichquartett-Wettbewerb im nord-italieni-schen Reggio Emilia, 1987 zum ersten Mal aus-getragen, gilt heute als der weltweit schwierigsteund wichtigste Wettbewerb für Streichquartette.

Das Tor zur Weltspitze Das Bennewitz Quartett gewinnt den Borciani-Wettbewerb

Leos Janácek: Streichquartett Nr. 1 Kreutzer Sonate und Nr. 2, Intime Briefe Béla Bartók: Streichquartett Nr. 4Bennewitz QuartettCoviello Classics / Note-1Koproduziert mit dem SWRCOV 50802

Bennewitz Quartet

String Quartetsby Leoš Janácek and Béla Bartók

á/

ó

Aktuelle Konzerte: Bennewitz Quartett

20. 01. 2009 Basel

21. 01. 2009 Karlsruhe

22. 01. 2009 Stuttgart

26. 01. 2009 Koblenz

29. 01. 2009 Bremen

20. 02. 2009 New York

08. 03. 2009 Los Angeles

14. 06. 2009 Tokio

19. 06. 2009 Salzburg

Weitere Informationen: www.bennewitzquartet.com/de/www.CovielloClassics.de

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Auch in ihrem neusten Projekt, das sie zu berühmten Arien derCallas entwickelt hat, ermöglicht die Künstlerin es uns, die ansich körperlose Musik nicht nur zu hören, sondern auch zusehen. Denn genau wie die einzelnen Töne einer Melodie auf-

glimmen und verlöschen, um vom nächsten abgelöst zu werden, entstehendie jeweiligen Bilder des audiovisuellen Farbflusses scheinbar aus denihnen jeweils vorausgehenden, um dann im nachfolgenden aufzugehen.Jutta Bosch geht es bei aller Präzision ihres Vorgehens also nicht um diebuchhalterische Aneinanderreihung einzelner Bilder sondern darum,die diversen optischen Frequenzen so zu stimulieren, bis die einzelnenWellenlängen zu einem mitteilbar visuellen Eindruck verschmelzen. Alseinzelne Phänomene sind sie das gemalte Äquivalent des in der Wahr-

nehmung der Künstlerin ent-standenen Sehbildes. In ihrerGesamtheit sind sie visuelleSpur geschauter (Innen-)Welt.Denn Jutta Bosch geht esnämlich nicht um das Illustrie-ren der Arieninhalte, sondernum die körperlichen, geistigenund seelischen Reaktionenauf diese Wirklichkeiten. Umsoberührender ist der persönlichanmutende Titel, mit dem dieKünstlerin ihren Zyklus über-schrieben hat: „Mon Cœur”.Sie greift damit den Titel einerder Callas-Arien auf. Doch man

möchte sogleich, den kompletten Titel der Arie aus Samson und Delilaergänzend, hinzufügen „à ta voix”. Denn Jutta Bosch hat mit dieser Wid-mung ja nicht neu einen Titel bemüht, sondern zugleich ihrer Empathiemit dem melancholischen Bewusstsein um die Ambivalenz des HerzensAusdruck verliehen, das herauszuarbeiten der Callas auf so unnachahm-liche Weise gelungen ist. Dr. Beate Elsen-Schwedler

Die DVD erscheint im Dezember beim Label DIVOX in einer limitierten Auflage.

Mon Cœur –ein Continuum von Jutta Bosch zu 9 Arien

von Maria Callas

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Im Blickpunkt

Laute / Gitarre

John Dowland (1563-1626)Sämtliche Werke für Laute soloJakob LindbergBIS-SACD-1724 (Single Layer SACD)

1995 veröffentlichte BIS das gesamteLautenwerk Dowlands zunächst auf vierkonventionellen CDs. Jakob Lindberg,ehemaliger Schüler und späterer Nach-folger der Dowland-Spezialistin DianaPoulton als Professor für Laute am RoyalCollege of Music in London, unterzog sichder Herkulesaufgabe, die oft nur schlechtdokumentierten und kaum zugänglichenWerke für Laute solo zusammenzutragenund einzuspielen. Die Aufnahme umfasst92 Stücke für Sololaute, von denen anzu-nehmen ist, dass sie von Dowland sind.

Detektivische Dokumentation

Es sind aber keine Werke dabei, dieihm vermutlich fälschlicherweise zuge-schrieben wurden. Viele dieser Werkewurden durch Textunterlegung später zu Lautenliedern umgestaltet. Lindbergnutzte drei verschiedene Instrumente, eineacht- und eine zehnsaitige Laute sowie ein achtsaitiges Orpharion für diese Ein-spielung. Die Lauten sind auch im Bassmit Darmsaiten bespannt, denn gespon-nene Saiten wurden erst nach Dowlands Tod erfunden. Das Orpharion empfiehlt Dowland selbst in drei seiner Lieder-bücher zur Wiedergabe seiner Musik.

Diese SACD ist NICHT abwärtskom-patibel, sondern mit ihren über vier Stun-den Musik NUR auf einem SACD-Playerabspielbar.

Cradle of ConceitsLautenwerke von Anthony HolborneLee Santana, Renaissancelaute,Basslaute, Pandora, CitternCD 16272 / Carpe Diem

Eine Hommage an einen der bedeu-tendsten Komponisten der englischenRenaissance, Kollege von Dowland, vordem jener den Hut gezogen hat: „Demallerberühmtesten Anthony Holborne“widmete Dowland sein zweites Lauten-buch. Und in der Tat war Holborne einbegnadeter Geschichtenerzähler dank sei-ner melodischen Genialität. Er verstandes, mit sparsamen Mitteln ein Maximuman Ausdruck zu erzielen.

Musik macht armDabei war er alles andere als ein

Lebenskünstler; sein musikalisches Talentin klingende Münze umzusetzen verstander nicht. Holborne verbrachte seine Tagein Armut und Elend. Besonders spannendist die Einspielung durch die Verwendungverschiedenster Instrumente der Lauten-familie, alle mit Darmsaiten bespannt,was zum süßsauren Klang beiträgt, deneine Laute haben soll, und mitteltöniggestimmt. Damit werden die Hauptton-arten „reiner“, klingen konsonanter, alswir das von der gleichschwebenden Stimmung gewohnt sind, und entferntereTonarten werden umso harscher und„schräger“. Vor allem aber ist es die Virtuosität Lee Santanas und sein Ein-fühlen in die Musik einer uns scheinbarso fernen Zeit, die diese CD zum Hör-erlebnis werden lässt.

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Bernd Alois Zimmermann (1918-1970)Requiem für einen jungen Dichter(1967/69)Claudia Barainsky (Sopran),David Pittman-Jennings (Bariton),Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn, Slowakischer Philharmo-nischer Chor, EuropaChorAkademie,Eric Vloeimans Jazz-Quintett,Jan Hage (Orgel),Holland Symfonia (Orchester),João Rafael (Klangregie),Bernhard Kontarsky (Dirigent)SACD 860.501 / Cybele

In Zimmermanns spätem Hauptwerk,dem Lingual für Sprecher, Sopran- undBaß-Solo, drei Chöre, Orchester, Jazz-Combo, Orgel und elektronische Klänge,nach Texten verschiedener Dichter, Be-richte und Reportagen zieht Zimmermanndie Summe seiner eigenen Biografie, aber auch der geistigen Situation seiner(Lebens-)Zeit, der rund fünfzig Jahre zwischen der Oktoberrevolution und demEinmarsch der Truppen des WarschauerPaktes in der Tschechoslowakei. DasRequiem ist die umfassende Verwirkli-chung des großen Oratorienprojektes,welches Zimmermann seit der Mitte derfünfziger Jahre beschäftigte. Bei seinerUraufführung gab es kein Werk, das dem„Requiem für einen jungen Dichter“ andie Seite zu stellen gewesen wäre.

Bei dieser Super Audio CD-Aufnahme– einem Mitschnitt des Konzerts vom 23.Juni 2005 im Concertgebouw Haarlem –wurde die von Zimmermann in seinerPartitur empfohlene räumliche Verteilungder ca. 250 Mitwirkenden gewählt; wie vonZimmermann vorgesehen, wurden dieacht Tonbandkanäle über gleichmäßig imRaum verteilt aufgestellte Lautsprecherwiedergegeben. Diese SACD ist die weltweit erste veröffentlichte Surround-aufnahme des Zimmermann-Requiems.Besitzer einer Surround-Anlage könnendas Werk erstmals so, wie es von Zimmermann ursprünglich räumlichkonzipiert wurde, genießen.

Chor

Exklusiv-Vertrieb für Deutschland:

Note 1 Musikvertrieb GmbHHeuauerweg 21 · 69124 Heidelberg · Tel. 0 62 21 / 72 03 51

Fax 0 62 21 / 72 03 81 · [email protected] · www.note-1.de

Feliz Navidad

COV 20811

Capella de la Torrebietet auf ihrer neuen CD Weih-nachtsstimmung der anderen Art

mit spanischen Bauernliedern aus dem 15. und 16. Jahrhundert sowie Renaissance-Gesängen aus verschiedenen Regionen Italiens.

Ebenfalls erhältlich:

Stadtpfeiffer / Waits / Piffari – Instrumentalmusik des 16. und 17. Jahrhunderts

Mater Matris Christi – Musik aus den Annaberger Chorbüchern

„Eine derbeeindruckendsten Einspielungen von Vokalpolyphonieder letzten Jahre“ Kulturradio am Mittag

COV 20714 (SACD)

„Makellos in Spieltechnik und Intonation“ WDR 3 Hörzeichen

COV 20804 (SACD)

Mediterrane Weihnachten mit Capella de la Torre

Jazz

Roby Lakatos With Musical FriendsAVANTI 10302

Der Mythos: Unter Lakatos-Fanswurde das Album „Roby Lakatos withMusical Friends” viele Jahre zu Höchst-preisen gehandelt – aus einem einfachenGrund: Das Album wurde nur in einemeinzigen Land veröffentlicht, im Jahr 2001in Japan von Universal Music Japan. DieGeschichte: Mitte der 90er Jahre, Ateliersde la Grande Île in Brüssel. Roby Lakatoskehrt zwischen seinen Tourneen immerwieder in jenen Club zurück, in dem einigeJahre zuvor seine Welt-Karriere begann.Hier trifft er berühmte Musiker wie Yehudi Menuhin, Stéphane Grappelli, Esa-Pekka Salonen, Nigel Kennedy oderVadim Repin. Man sitzt zusammen, unter-hält sich, spielt selbst oder hört demanderen beim Spielen zu. Aus diesenBegegnungen reift in Lakatos die Idee, miteinigen seiner Freunde eine Jazz-CD auf-zunehmen. Das Album: Die DeutscheGrammophon war zu jener Zeit Lakatos’Plattenfirma. Nach den großen Erfolgenmit seinen Zigeunerplatten war man dortvon einem Jazz-Album wenig angetan.Lakatos jedoch gab nicht auf und schafftees, das Projekt auf die Beine zu stellen.Zusammen mit dem legendären Jazz-Geiger Stephane Grappelli, dem russi-schen Star-Geiger Vadim Repin, dem Jazztrompeter Randy Brecker, dem Saxo-phonisten Tony Lakatos, dem Jazz-Gitar-risten Marc Fosset und dem VieuxtempsString Quartet entstand das Album „RobyLakatos with Musical Friends“ – undblieb unveröffentlicht! Das Happy End: ImJahr 2004 wechselte Roby Lakatos diePlattenfirma. Zwei äußerst erfolgreicheCDs bei seinem neuem Label folgten,doch das unveröffentlichte Album ließ ihn nicht los. Abgerundet wird dieErstveröffentlichung durch eine Bonus-CD (30 Min.) mit einigen bisher unver-öffentlichten Stücken aus dieser Zeit.

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Im Blickpunkt

Kammermusik

TonightLeonard Bernstein: Westside StoryHarold Arlen: Over the RainbowFrederick Loewe: Szenen aus „My Fair Lady“George Gershwin: Aus „Porgy and Bess“Linos Saxophon QuartettThorsten Blumberg, SchlagzeugM 56905 / Musicaphon (SACD hybrid)

Das Linos Saxophon Quartett hat in dervorliegenden Einspielung ein kaleidos-kopartiges Programm zeitloser „PopularSongs“ zusammengestellt, das in mitreis-senden Arrangements einen musikalischvielschichtigen Einblick in das Broadway-Schaffen einiger der größten und bekann-testen amerikanischen Komponisten desletzten Jahrhunderts ermöglicht.

Welcome on Broadway

Seit mehr als 20 Jahren ist das LinosSaxophon Quartett ein fester Bestandteilder deutschen Musikszene. Nach einemfulminanten Start mit ersten Preisen innationalen und internationalen Musik-wettbewerben hat sich das Quartett durchseine langjährige Konzerttätigkeit im In-und Ausland einen ausgezeichneten Ruferworben. Jeder Auftritt ist ein Erlebnis,ob in New York, im Moskauer Caikovskij-Konservatorium oder bei einem dergroßen deutschen Musikfestivals.

Thorsten Blumberg studierte an derHochschule für Musik Köln. Nach Statio-nen beim Rundfunkblasorchester Leipzigund dem Beethoven Orchester Bonn ist erseit 2002 beim WDR RundfunkorchesterKöln als Schlagzeuger und stellvertre-tender Solopauker beschäftigt.

Die vorliegende Einspielung ist nach„Impression“ (M 56861) die zweite Veröffentlichung des Linos SaxophonQuartetts auf Musicaphon.

Johannes BrahmsStreichquartette Nr. 1 & 3Takács QuartettCDA 67552 / Hyperion

Johannes Brahms sah im Streichquartettden Höhepunkt des kammermusikalischenSchaffens und legte deshalb bei seinenGattungsbeiträgen höchste Ansprüche ansich an. In einem Prozess härtester Arbeitund unerbittlicher Selbstkritik hat ermehr als ein Jahrzehnt, so weit sich daszurückverfolgen lässt, an seinen beidenQuartetten op. 51 gearbeitet. Das dritteQuartett (op. 67) ging ihm dann leichtervon der Hand. Die Mühe hat sich gelohnt:Kaum eine andere Musik seit dem TodBeethovens ist so kunstvoll gemacht wiediese Werk-Trias, ihr motivischer Bezie-hungszauber und ihre kontrapunktischeMeisterschaft sind unübertroffen.

Bereits vor zwei Jahrzehnten hat dasTakács Quartett, damals noch für das LabelDecca, Brahms’ Streichquartette einge-spielt. Warum macht sich eines der ganzgroßen Streichquartette unserer Zeit nunselbst Konkurrenz? Die Gründe für die Neu-auflage dürften wohl beim Label zu suchensein: Das Takács Quartett hat sich vor zweiJahren an Hyperion gebunden – und offen-bar ist eine langfristige Zusammenarbeit ge-plant, wenn man die ersten Veröffentlichun-gen betrachtet. Denn kein seltenes, ab-seitiges Repertoire stand auf dem Aufnah-meplan, sondern Schlachtrösser der Kam-mermusik: zunächst Schubert-Quartette,„Rosamunde“ und „Der Tod und das Mäd-chen“, dann Brahms’ Klavierquintett (mitStephen Hough) und Streichquartett Nr. 2– beide Aufnahmen mit Auszeichnungenund Kritikerlob überhäuft –, nun also dienoch fehlenden Streichquartette Nr. 1 und 3.Über die erste Brahms-CD schrieb Deutsch-landradio: „Erstaunlich, wie sehr dasTakács bei allen Umbesetzungen das Takácsgeblieben ist, wie sehr der warme, rundeKlang den Charakter dominiert. Und dochhat es sich verändert: Es geht maßvollermit seinen Mitteln um, deswegen aber nichtminder engagiert oder leidenschaftlich.“

„Spanien“ Werke für zwei Gitarren von Turina, Tarrega, Albéniz, Ibert,Moreno-Torroba, Esplá u. a.Heinrich-Albert-DuoMDG 603 1535-2

Boccherini, Moreno-Torroba, Espláund Giménez y Bellido… Spanien istmehr als Flamenco. In flirrende Hitze,leuchtende Farben, rassigen Wein, süd-liche Lebensfreude, Kastagnetten undnatürlich Gitarrenklänge entführt uns das Heinrich-Albert-Duo – und hatdabei offensichtlich viel Spaß.

AlhambraSicherlich hat Francisco Tárrega

niemals geahnt, dass seine „Erinnerungan die Alhambra“ selbst unter Schlager-komponisten ein „Hit“ wurde. Plötzlichfügt der Gitarrist Julio Sagreras eine zweite Stimme hinzu – und das Werkklingt völlig neu. Dem Heinrich-Albert-Duo scheint es nun wie auf den Leibkomponiert zu sein.

Mit Isaac Albéniz lernen wir Cordoba,Granada, Sevilla und schließlich Cataluñakennen. Spaniens Impressionist Nr. 1 hatmit seiner Musik herrliche Städtebildergemalt. Nach Sevilla entführt uns JoaquinTurina, der seine Nähe zum französischenImpressionismus nicht verleugnen will...Es ist immer wieder faszinierend, wie esJoachim Schrader und Jan Erler schein-bar mühelos gelingt, Partituren vonbekannten und unbekannten Werken fürdas Gitarren-Duo zu adaptieren undgleichzeitig Originalkompositionen fürzwei Gitarren virtuos zu interpretieren.Olé!

Bedrich Smetana (1824-1884) Trio op. 15 g-MollPeter Tschaikowsky (1840-1893)Trio op. 50Wiener KlaviertrioMDG 342 1512-2 (CD)MDG 942 1512-6 (SACD)

Seit beinahe 20 Jahren konzertiertdas Wiener Klaviertrio mit dem GeigerWolfgang Redik, dem Cellisten MatthiasGredler und dem Pianisten Stefan Mendlregelmäßig in fast allen wichtigen Mu-sikzentren und -festivals der Welt. Jetztpräsentieren die drei Musiker einebrandaktuelle und klangstarke SuperAudio CD der gewichtigen Trios vonSmetana und Tschaikowsky.

Innerhalb von nur zwei Monatenschrieb Smetana sein Trio in g-Moll op.15, bei dessen Uraufführung in Prag am3. Dezember 1855 er selbst am Klaviersaß. Sein privates Geheimnis: Er hatte indem Werk seine Trauer um seine frühverstorbene Tochter verarbeitet.

Nur durch Zufall erfuhr Peter Tschai-kowsky im Herbst 1881 vom Tod seinesFörderers und Mentors Nikolaj Rubin-stein. In tiefer Trauer komponierte erdas Trio in a-Moll op. 50, dem er aus-drücklich den Untertitel „à la mémoired’un grand artiste“ gab. Obwohl nurzwei Sätze, erreicht das Werk mit ca. 45Minuten wahrhaft sinfonische Ausmaße.Und das Wiener Klaviertrio: Wie immerin Top-Form!

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Ignaz Joseph Pleyel (1757-1831)Streichquartette op. 11, 1-3Quartetto TomasiniHCD 32593 / Hungaroton Ersteinspielung

Immer wieder widmet man sich beiHungaroton der Wiederentdeckung einerder schillerndsten Musikerpersönlich-keiten der Mozart/Haydn/Beethoven-Zeit:Ignaz Pleyel. Der Niederösterreicher warSchüler von Vanhal und Haydn und über-nahm nach erfolgreichem Aufenthalt inItalien, wo er als Opernkomponist ge-feiert wurde, die Position des Musikdirek-tors am Straßburger Münster. Auf einergroßen Konzerttournee 1791/92 kam esin London zu einem Aufeinandertreffenvon Haydn und Pleyel, die – bei verschie-denen Konzertmanagern unter Vertrag –einen freundschaftlich und in sportlicherFairness ausgetragenen Konkurrenz-kampf zu bestehen hatten. Ab 1795 wirk-te Pleyel in Paris, von wo aus er vor allemals Musikverleger und Gründer einer Kla-vierfabrik europaweite Erfolge feiernkonnte, während sein Ruhm als Kompo-nist allmählich verblasste.

Reife LeistungDie Quartette op. 11 stammen aus sei-

ner produktivsten Schaffenszeit und sindRepräsentanten eines reifen, hochklassi-schen Stils – sie wirken wie Geschwisterder Werke Haydns und Mozarts.

Ludwig van BeethovenCellosonaten Vol. 1Daniel Müller-SchottAngela HewittCDA 67633 / Hyperion

Daniel Müller-Schott, Schüler vonHeinrich Schiff und Steven Isserlis, zeich-net sich in seinem Spiel durch technischeBrillanz und Souveränität gepaart mitgroßem intellektuellem und emotionalemEsprit aus. Für seine hohe Musikalität undseinen klanglichen Nuancenreichtum, dieimmer neue Suche nach einer musika-lischen Vision und seine rückhaltlose Leidenschaft für die Musik, genießt erhöchste internationale Anerkennung.

Daniel Müller-Schott ist es in wenigenJahren gelungen, sich auf den bedeutends-ten Konzertpodien der Welt zu etablie-ren. Er konzertiert unter so renommiertenDirigenten wie Vladimir Ashkenazy, CharlesDutoit, Christoph Eschenbach, MichaelGielen, Bernard Haitink, Yakov Kreizberg,Kurt Masur oder André Previn und arbeitetmit den bedeutendsten Orchestern ausNew York, Boston, Chicago, Philadelphia,London, Berlin und Paris zusammen.

Start der GesamtaufnahmeDaniel Müller-Schott weist bereits eine

umfangreiche Diskographie bei Orfeo,Deutsche Grammophon, Pentatone undEMI auf. Seine Einspielungen wurden vonPublikum und Presse enthusiastisch auf-genommen und mit zahlreichen Auszeich-nungen bedacht, wie „Editor’s Choice“(Gramophone), „CD of the Month“ (BBCMusic Magazine) oder Vierteljahrespreisder Deutschen Schallplattenkritik. Zu-sammen mit der Pianistin Angela Hewitthat Daniel Müller-Schott bereits eine hochgelobte Einspielung der GambensonatenBachs in der Fassung für Cello und Klaviervorgelegt. In ihrer zweiten Zusammen-arbeit widmen sie sich nun einem Klassi-ker des Cellorepertoires und präsentierendie erste Folge ihrer Gesamtaufnahme vonBeethovens Cellosonaten.

Franciszek Lessel (um 1780–1838)3 SextetteConsortium ClassicumMDG 301 1509-2

Die Bläsersextette des in Warschaugeborenen Franciszek Lessel sind nur inhandschriftlichen Einzelstimmen überlie-fert – kein Problem für das ConsortiumClassicum, sie in gewohnt exzellenterQualität für MDG einzuspielen.

Glücksgriff Die Begabung des jungen Franzciszek

Lessel wurde zwar früh erkannt, dochdrängte ihn der Vater erst einmal zumMedizinstudium. Während einer Wien-Reise nahm Franciszek Kontakt zu JosephHaydn auf, der ihn mit großer Liebeunterrichtete. Lessel war dem berühmtenHaydn nicht nur musikalisch eng verbun-den, sondern umsorgte den Komponistenbis zu dessen Tod auch als Mediziner.Zurück in seiner Heimat begründete Lessel in der Instrumentalmusik eineneue Ära polnischer Nationalmusik,indem er Überliefertes mit avantgar-distischen Elementen verband, und wurdeso zum Mitbegründer der polnischenFrühromantik.

Es ist immer wieder verblüffend, inwelcher Zahl und Güte Dieter Klöcker seitJahrzehnten mit Neuentdeckungen undRaritäten aufwartet und wie er dieseStücke dann mit seinem Consortium Classicum in einer sprühenden Musikalitätund Spielfreude präsentiert, die sich, wieauch hier, in jeder Einspielung mitteilt.

CHAN 10499 Adrian JohnstonBrideshead Revisited Original Soundtrack Y. Torchinsky, T. Davies BBC Philharmonic Filmstart 20. November 2008

CHAN 10492 Robert SchumannSongs of Love and Loss Sarah Connolly Eugene Asti

CHAN 10497 Claude DebussyKlavierwerke Vol.412 Études, Buch 1&2,Images, Buch 1&2Étude retrouvée Jean-Efflam Bavouzet

N E U H E I T E N

Codaex Deutschland GmbH

Landsberger Straße 492 81241 München [email protected]

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24 AUSGABE 2008/4

Im Blickpunkt

Tasteninstrumente

Player Piano 7Conlon Nancarrow (1912-1997)Studies for Player Piano Vol. 4: Nr. 42-48Bösendorfer Grand Piano und Fischer Grand Pianomit Ampico Selbstspiel-MechanikMDG 645 1407-2

Raritäten-Fans, aufgepasst! JürgenHocker bietet erneut eine Weltpremiere:Niemals zuvor ist No. 45 c der Studies forPlayer Piano von Conlon Nancarrow aufeinem Original-Ampico-Player-Piano ein-gespielt worden.

Die ersten Aufnahmen von NancarrowsWerken auf Original-Instrumenten sindim Jahr 1977 in Mexiko entstanden.Damals hatte der in selbst gewählter Emigration lebende US-Amerikaner dieStudies bis No. 41 fertig gestellt. Eine weitere Aufnahme mit den restlichen Studies im Jahr 1988 litt unter demschlechten Zustand der Instrumente, sodass eine Lücke in der Diskographie entstand, die nun geschlossen ist.

Elemente der Jazz-Musik ziehen sichwie ein roter Faden durch die drei 45erStudies. Zuerst ist es ein „hinkender“Boogie-Woogie-Bass mit stark verfrem-deten Jazz-Melodien, den Nancarrow als „spastic rhythm“ bezeichnete. Dannhat er einen langsamen Blues mit sehr vertrackten Zeitverhältnissen auf diePapierrolle gestanzt. Schließlich greiftNancarrow eine Technik des US-Komponisten Henry Cowell auf und lässterst ein paar schnelle chromatischeGlissandi erklingen, die von Hand garnicht ausführbar wären, um die meistenTöne dann schlagartig abzudämpfen.Eine überraschende und faszinierendeKlangwelt!

Kammermusik

Leos Janacék (1854-1928) Streichquartette Nr. 1+2Antonín Dvorák (1841-1904)ZypressenLeipziger StreichquartettMDG 307 1472-2

Was für eine glückliche Programm-zusammenstellung: Alle drei Werke krei-sen um das ewige und immer facetten-reiche Thema Liebe, erzählen von Freudeund Leid, von hemmungsloser Zuneigungund tiefen Zerwürfnissen. Beste Vorausset-zungen für das Leipziger Streichquartettfür eine intensive, leidenschaftliche undeinfühlsame Interpretation.

Mit der Königsdisziplin der Kammer-musik beschäftigte sich Janacék erst fünfJahre vor seinem Tod. Die Novelle „Kreut-zersonate“ von Leo Tolstoj hatte ihn an-geregt, eine tragische Ehegeschichte, inder Beethovens berühmtes Werk gleichenNamens eine entscheidende Rolle spielt.Noch persönlicher drückt er im zweitenStreichquartett die strahlende Liebe zu seiner jungen Muse Kamila aus, der erkurz vor seinem Ableben im August 1928ein Denkmal setzt.

Intime Briefe„Denken Sie an einen Jungen, der

verliebt ist“, teilt Dvorák seinem Verlegermit. Aber dahinter verbirgt sich eingroßes Schicksal: sein eigenes. Mehr als20 Jahre schlummerten die einstigenGedichte eines mährischen Poeten imKoffer des berühmten böhmischen Ton-setzers. Im Frühling 1887 nimmt AntonínDvorák seinen alten Liederzyklus „Zy-pressen“ heraus und macht darauszwölf Streichquartettsätze über die Liebeund Leid des jungen Dvorák, der „seine“Josephina später als die eigene Schwä-gerin akzeptieren muss.

Giuseppe Tartini (1692-1770)L‘Arte dell‘Arco für Violine solo 50 Variationen über eine Gavotte von CorelliGilles ColliardDRC 3007 / Doron

Tartini trat nicht nur als Geiger (und,wie damals üblich, als sein eigener Kompo-nist) hervor, sondern galt auch als großerTheoretiker. Er unterrichtete Harmonieund Kontrapunkt und forschte über dieGeschichte, Bauweise und Technik seinesInstruments. 1727 gründete er eine Vio-linschule, die europaweit Bedeutung er-langte. Mit seinem Unterricht beeinflussteTartini eine ganze Geigergeneration. Indiesem Zusammenhang schrieb er dengroßangelegten Variationszyklus „L‘Artedell‘Arco“ mit nicht weniger als 50 Varia-tionen über eine berühmte Gavotte ausder Feder seines Kollegen Corelli.

Die Kunst desBogens

Veröffentlicht wurde das Werk in einerAbhandlung von Cartier im Jahr 1798. Bis heute ist dieser Variationenzyklus vonbesonderer Bedeutung für die Geschichtedes Geigenspiels. Vorgetragen wird er aufdieser Einspielung von dem 1967 in Genfgeborenen Gilles Colliard, der am Kon-servatorium seiner Heimatstadt studierte,sein Diplom mit Auszeichnung machteund einen ersten Preis für besondere Virtuosität erhielt. Neben Kooperationenu.a. mit dem Orchestre de la SuisseRomande ist Colliard ein begeisterterKammermusiker und spielt viel mit demPianisten Christian Favre zusammen.

Der berühmte Bariton Carlos Álvarez (Jagoin Verdis „Otello“ bei den SalzburgerFestspielen 2008) und der Gitarrist RafaelCatalá präsentieren auf der vorliegendenCD spanische Volkslieder, die der Dichterund Musiker Federico García Lorca (1898–1936) bearbeitet und herausgegeben hat.

Carlos Álvarez, Rafael CataláFederico García Lorca

CD GRAM98844

Die Sopranistin Cornelia Horak und dasHaydn-Quartett präsentieren auf der vorlie-genden CD Werke für Sopran undStreichquartett, teilweise in Bearbeitungen,wie die „Ophelia-Lieder“ von Brahms durchden Komponisten Aribert Reimann, undsechs berühmte Lieder Franz Schuberts.

Cornelia Horak, Haydn QuartettAuf dem Wasser zu singen

CD GRAM98836

Matthias Soucek hat sich nach seinen erfolg-reichen Gramola-Produktionen Schubert(98775) und Tschaikowsky/Rachmaninoff(98796) den Klaviersonaten Beethovens zuge-wandt und veröffentlicht nun die Sonaten„Pathétique“, „Der Sturm“ und „Mondschein“.

Matthias Soucek Beethoven -Klaviersonaten

CD GRAM98835

Codaex Deutschland GmbHLandsbergerstrasse 49281241 Mü[email protected]

www.gramola.at

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AUSGABE 2008/4 25

CLASS a k t u e l l

Georg Friedrich Händel (1685-1759)ClavierwerkeSiegbert Rampe, CembaloMDG 341 1537-2

Sensationell. Niemand ist bislang aufdie Idee gekommen, Händels Clavier-werke auf einem 16-Fuß-Cembalo auf-zunehmen. Dabei liegt es so nahe.

Die meisten Clavierwerke von GeorgFriedrich Händel entstanden von 1703 bis 1706, in seinen „Hamburger Jah-ren“. Hier lernte der Komponist auchdie großen zweimanualigen, mit einemzusätzlichen 16-Fuß-Register ausge-statteten Cembali der norddeutschenInstrumentenbauer kennen und so sehrschätzen, dass er sich eines davon spätersogar nach London liefern ließ.

Urklang Die großen Cembali nach Hamburger

Bauart zeichnen sich durch ihr weitesTonspektrum aus, und sie waren imfrühen 18. Jahrhundert so beliebt, weilsie den prunkvollen Klang eines Or-chesters vom Diskant bis in den tiefstenBass nahezu perfekt imitierten. Siewaren natürlich das Prestigeobjekt derhöchsten Stände aber auch unter Musi-kern weit verbreitet. So wissen wir, dassauch Johann Sebastian Bach solcheInstrumente besaß.

Es ist dem Spürsinn von SiegbertRampe zu verdanken, dass diese Auf-nahme auch zwei Händel-Kompositionenenthält, die niemals zuvor eingespieltwurden: Eine davon, die Chaconne G-Dur HWV 430, gilt als Urfassung seines berühmten „Air“.

KTC 1366

Gabriel FauréFrancis Poulenc

Mirages, Mélodies

Thomas Oliemans, BaritonMalcolm Martineau, Klavier

KTC 4028

GREGHESCHE

Musikalische Schätze der venetianischen Renaissance

Zefiro Torna

KTC 4027Georg Philipp Telemann

Suiten für Streicher

B’RockJürgen Gross

Codaex Deutschland GmbH Landsberger Straße 492 81241 München [email protected]

Überzeugende Vielfalt

Marcel Dupré (1886-1971) Orgelwerke Vol. 10Miserere Mei op. 46Lamento op. 24Trois Préludes et Fugues op. 36Cortège et Litanie op. 19,2Ben van Oosten, OrgelMusic Hall BirminghamMDG 316 1292-2

Zum zehnten Mal auf Duprés Spurenlegt uns Ben van Oosten eine neue Folgeder Gesamteinspielung vor und präsen-tiert uns fast nebenbei eines der wert-vollsten historischen Orgelinstrumente inEngland. Der hervorragende Konzert-organist und das unermüdliche Auf-nahmeteam von MDG machten Station inder Music Hall von Birmingham, die mitihrer berühmten Akustik allemal einenAbstecher lohnt.

Reisefieber Cortège et Litanie op.19 Nr. 2, ist eines

der beliebtesten Orgelwerke von Dupré,es war ursprünglich für Kammer-orchester als Teil einer Theater-Bühnen-musik komponiert. Und mit op. 28 schufDupré 79 „leichte Choräle“ für denOrgelunterricht, die als hinführendeÜbungen zu den Vorspielen über die-selben Choräle Bachs gedacht waren.

Die William-Hill-Orgel in der neo-klassizistischen Stadthalle von Birming-ham aus dem Jahr 1834 war zu ihrer Bau-zeit mit 89 Registern auf vier Manualenund Pedal die größte Orgel Englands.Klanglich wie auch optisch beeindrucktedas Instrument von Anfang an bis heutedurch ihre drei voll ausgebauten 32-FußBass-Register, von denen eines sichtbarim Prospekt steht. Was für ein phantas-tisches Klangkonzept!

Johann Sebastian BachDas wohltemperierte Clavichord(Buch 1 und 2) BWV 846-893

Jaroslav Tuma2 HP F 10165 / 2 HP Production

„Das wohltemperierte Clavichord“?Entschuldigung? „Das wohltemperierteClavier“ hat Bach seine zwei Sammlungenvon Präludien und Fugen durch alle Tonarten doch eigentlich genannt. Nur:„Clavier“ bedeutete damals lediglich, dassdas Werk auf einem Tasteninstrumentvorzutragen sei. Welches, das durfte derInterpret anhand der Faktur des Stückesund seiner Zweckbestimmung selbst herausfinden. Im häuslichen Bereichwurde damals gern das klanglich so intime, dabei lebendige Clavichord demrepräsentativ und mächtig rauschendenCembalo vorgezogen.

Bach ganz intimUnd da es sich bei den beiden

Büchern des „WT“ um Musik geradeauch für Lernende bzw. Liebhaber han-delt, liegt es nahe, eine Einspielung aufdem Clavichord vorzunehmen, zumal –wie bei allen Werken Bachs – die zu-grunde liegende musikalische Strukturdie Wahl des Instruments eher neben-sächlich macht. Eine interessante Ent-deckung, die dank der feinen Tongebung,die auf dem Clavichord möglich ist, reiz-volle klangliche Überraschungen bereithält – nach der verdienstvollen Einspie-lung des Werkzyklus auf dem Clavichorddurch Ralph Kirkpatrick in den 1960erJahren war das wirklich wieder einmal„dran“. Jetzt wagte sich der 1956 gebo-rene Organist, Cembalist, Pianist und Clavichordspieler Jaroslav Tuma daran,seines Zeichens Professor an der Aka-demie der Künste in Prag.

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Fagott. OrchesterLübeck Philharmonic Live vol. 3Arthur Honegger: 1. SinfonieRaffaele d‘Alessandro: Konzert fürFagott und Streichorchester, op. 75Maurice Ravel: Alborada del GraciosoIgor Strawinsky: Der FeuervogelJakob Meyers, FagottPhilharmonisches Orchester der Hansestadt LübeckRoman Brogli-SacherM 56908 / Musicaphon (SACD hybrid)

Neben einer herausragenden Inter-pretation von Honeggers „1. Sinfonie“und Strawinskys „L‘oiseau de feu“ bietetdieses Programm der Lübecker Philhar-moniker im 100. Jahr ihres Bestehens ein besonderes Highlight mit Raffaeled‘Alessandros so selten aufgeführtemFagottkonzert. Der Komponist, am17.3.1911 in St. Gallen geboren, erlerntedie Violine und nahm Klavier- und Orgel-unterricht. Er übersiedelte wegen seinerStudien 1932 nach Zürich, blieb aberweitgehend Autodidakt. 1933 machte erseinen Abschluss in Klavier und Orgel. Bis1937 setzte er seine Studien bei MarcelDupré und Nadia Boulanger in Paris fort.Ab 1940 lebte d‘Alessandro in Lausanne;er gab Klavier- und Orgelkonzerte undwidmete sich der Komposition. Seit 1950lebte er ausschließlich von Kompositions-aufträgen und Konzerten, was ihn immerwieder in schwierige wirtschaftlicheSituationen brachte. Er starb verarmt am17.3.1959, seinem Geburtstag.

Verarmtes FagottDas von Paul Sacher in Auftrag gege-

bene „Konzert für Fagott und Streich-orchester, op. 75“ schrieb d‘Alessandroim März 1956 in Lausanne. Ratschläge vonzwei französischen Fagottisten – RaymondCastellon und Henri Bouchet – arbeiteteer in den Solopart ein. Das Werk wurdeam 22.2.1957 in Basel mit Henri Bouchetals Solist uraufgeführt; Paul Sacher diri-gierte das Basler Kammerorchester.

26 AUSGABE 2008/4

Gaetano Donizetti (1797-1848)Don Gregorio Valerio, Trucco, Martirosyan,ScarpelliniOrchester und Chor des Bergamo MusikfestivalStefano MontanariRegie: Roberto RecchiaCDS 33579 / Dynamic

Don Gregorio, ursprünglich für dasTeatro Nuovo in Neapel 1826 konzipiert,ist die neapolitanische Version eines derersten Meisterwerke von Donizetti, „L‘ajonell‘imbarazzo“ (1824). Die Aufnahmevom Bergamo Festival im Herbst 2007dokumentiert die erste Aufführung desWerkes in unserer Zeit. Die wesentlichsteÄnderung, die Donizetti an der Urfassungvornahm, war der Austausch der Rezi-tative gegen gesprochene Dialoge, wasdem Werk eher den Charakter eines Sing-spiels verleiht. Dies wiederum tut demWerk im Blick auf die Handlung sehr gut.

Mit erhobenem Zeigefinger

Denn das Melodram auf ein Librettovon Iacopo Ferreti und Andrea Leone Tottola lebt von einem Versteckspiel undbeleuchtet die Zweifelhaftigkeit morali-scher Prinzipien (die Tochter des Hauseshat eine „verbotene“ Liebe und bekommt von ihrem Liebhaber auch noch ein Kind;dieses Verhältnis wird vom Hauslehrer,dem sie sich anvertraut, gedeckt), wes-halb Roberto Recchia die Handlung in die 1920er Jahre verlegte, eine Zeit, inder in Italien falsche Moral und Heuche-lei eng mit der politischen und sozialenSituation verbunden waren.

Im Blickpunkt

Oper

Camille Saint-Saëns (1835-1921)HélèneLa Nuit PersaneIlling, Davislim, Kenneally,McKendree-WrightBelle Époque ChorusOrchestra VictoriaGuillaume TourniaireMR 301114 / Melba

(2 Hybrid-SACD) Ersteinspielung

Nach mehr als einem Jahrhundert derNichtachtung kehrt ein Meisterwerk insRepertoire zurück: die einaktige Oper„Hélène“, Saint-Saëns‘ Nacherzählung derLegende von Helena von Troja.

Helena einmalanders

Geschrieben für die Namenspatronindes australischen Labels Melba, DameNellie Melba, die die Titelrolle bei derUraufführung in Monte Carlo 1904 sang.Nach Aufführungen in London, Mailandund Paris fiel das Werk, wie die meistender 14 Opern Saint-Saëns‘, in einen Dorn-röschenschlaf – bis die Melba-EignerinMaria Vandamme die Oper wiederent-deckte. Diese Wiederentdeckung wirdkombiniert mit einer anderen Erstein-spielung, der „großen“ Fassung des geradezu hypnotisch auf die Zuhörer wirkenden Zyklus für Tenor, Chor undOrchester nach Armand Renauds „La Nuit Persane“ (üblicherweise wird dieFassung mit Klavier gespielt). Nach demherausragenden „Ring“-Projekt wiedereine Melba-Veröffentlichung, die im Wort-sinne aufhorchen lässt, labeltypisch inopulenter Ausstattung.

Georg Friedrich HändelAcis und GalateaThe Dunedin Consort / John ButtCKD 319 / Linn

„Acis und Galatea“, Händels erstesdramatisches Werk in englischer Sprache,entstand im Frühjahr 1718. Das Librettovon John Gay mit Zusätzen von AlexanderPope, John Dryden und John Hughesbasiert auf Ovids „Metamorphosen“: DieWassernymphe Galatea liebt den SchäferAcis, der von dem eifersüchtigen RiesenPolyphem getötet wird. Komponiert fürden Earl of Carnavon, fand die Urauf-führung wahrscheinlich halbszenisch imPark von Cannons im Sommer 1718 statt.

Angesichts der begrenzten Möglichkei-ten einer Freiluftaufführung wählte Händeleine kleine Besetzung: Neben fünf Singstim-men (Sopran, drei Tenöre, Bass), die überihre solistischen Auftritte hinaus zugleichauch die Ensemblestimmen im Chor über-nehmen, umfasst der instrumentale Teil nurzwei Violinen, zwei Oboen (die auch dieBlockflöten spielten), zwei Violoncelli undein Cembalo als Continuoinstrument.

„Acis und Galatea“ steht einerseits inder Tradition der englischen Masque, demhöfischen Maskenspiel zu Musik, mit be-trächtlichem Anteil an Tänzen, andererseitsist es Händels erster Schritt hin zum eng-lischsprachigen Oratorium. Die Einbindungdes Chores und seine Behandlung nimmtvieles von dem vorweg, was später in dieserGattung zu Händels Stärken zählen wird.

John Butt und The Dunedin Consort,Schottlands führendes „Alte-Musik“-Ensem-ble, haben sich innerhalb kurzer Zeit einenexzellenten Ruf als Spezialisten für vokaleBarockmusik erarbeiten können: So ge-wann ihre Aufnahme des „Messias“ u.a.den Classic FM Gramophone Award 2007als „Bestes Vokalalbum Barock“ und einenMidem Classic Award 2008. Wie schon imFalle des „Messias“, der in der DublinerVersion aus dem Jahr 1742 eingespieltwurde, legt John Butt auch im Falle von„Acis und Galatea“ größten Wert auf einemöglichst originalgetreue Wiedergabe.

Konzert /Orchester

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Leopold MozartSinfonienLondon Mozart PlayersMatthias BamertCHAN 10496 / Chandos

In der Regel haben es die Kinder be-rühmter Mütter und Väter schwer, aus demSchatten ihrer Eltern zu treten. Bei LeopoldMozart liegt der Fall genau umgekehrt: Erhatte zwar eine recht angesehene Stellungam Salzburger Hof inne und war Verfassereiner bahnbrechenden „Violinschule“, derNachwelt in Erinnerung geblieben ist eraber hauptsächlich als unermüdlicherFörderer und Erzieher sowie Reisebeglei-ter seines gottbegnadeten Sohnes.

Darüber wird gern vergessen, dassLeopold nicht nur ein beträchtliches Werkhinterlassen hat – unter den rund 250erhaltenen Kompositionen finden sichaußer Messen, kleineren Kirchenmusik-werken und Liedern vor allem Instrumen-talwerke, zu denen außer Divertimenti,Konzerten und Klavierwerken nicht weni-ger als etwa 70 Sinfonien zählen –, son-dern dass er auch mit all jenen Satztech-niken und Formen vertraut war, die umdie Mitte des 18. Jahrhunderts in Europasführenden Musikzentren ‚en vogue’ waren.Er beherrschte sein kompositorischesHandwerk so souverän, dass eine seinerSinfonien (die so genannte „Neue Lamba-cher Sinfonie“) geraume Zeit für einWerk seines Sohnes gehalten wurde.

Vater Mozarts Welt-ersteinspielungenIn der hoch gerühmten Reihe „Con-

temporaries of Mozart“ widmet MatthiasBamert am Pult der London Mozart Players nun eine CD dem sinfonischenSchaffen Leopold Mozarts. Die vier hiereingespielten Sinfonien – allesamt Welt-ersteinspielungen – machen mit einemKomponisten bekannt, der mit seinemErfindungsreichtum und seiner handwerk-licher Souveränität auch den heutigenHörer für sich einzunehmen vermag.

OONNYYXX 44003300Bizet, Franck, Lalo, Gounod, Chausson, Ravel, u.a.Un frisson francais – A century of French songSusan Graham, Malcolm Martineau

OONNYYXX 44003366Frédéric Chopin24 Preludes op.28 Sonate 3 op.58Nikolai Demidenko

OONNYYXX 44003322Marais, Benda, Brahms, Ravel,Strawinksy, Prokofieff u.a.ReminiscencesYuri Bashmet Mikhail Muntian

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AUSGABE 2008/4 27

Im Blickpunkt

ViolinkonzerteVieuxtemps: Konzert Nr. 5 a-Moll op. 37Wieniawski: Konzert Nr. 2 d-Moll op. 22Fantaisie brillante auf Themen aus „Faust“Corey Cerovsek, ViolineOrchestre de Chambre de Lausanne,Hannu LintuCLA 50-2801 / Claves

Nach seinem Album mit sämtlichen So-naten für Violine und Klavier von Ludwigvan Beethoven, das in diesem Jahr mitdem Cannes Classical Award ausgezeich-net wurde, widmet sich der kanadischeGeiger Corey Cerovsek nun zwei Meisternder virtuosen Violine des 19. Jahrhunderts.Seine leidenschaftliche Interpretation derbeiden Violinkonzerte wird abgerundetdurch die Einspielung eines selten aufge-führten Werks Wieniawkis, der „Fantaisiebrillante“ über Motive aus Gounods„Faust“. Cerovsek erwarb als Wunderkindbereits mit zwölf Jahren sein Diplom amRoyal Conservatory of Music in Toronto miteiner Goldmedaille für die maximale Note.

Virtuose ViolineMit 16 erwarb er einen Master in

Mathematik und Musik, bevor er mit 18Jahren in beiden Fächern eine Promotionbegann. Parallel dazu studierte er auchnoch Klavier bei Enrica Cavallo und gabbis 1997 regelmäßig Konzerte sowohl alsGeiger wie auch als Pianist. Inzwischenkonzertierte er weltweit mit Meistern wieZubin Mehta, Charles Dutoit, Michael Tilson Thomas, Neeme Järvi, Andrew Litton und Jesús López Cobos. Als leiden-schaftlicher Kammermusiker ist er Part-ner von Thomas Quasthoff, LeonidasKavakos, Truls Mørk, Tabea Zimmer-mann, Isabelle van Keulen und Leif OveAndsnes, um nur einige zu nennen.

Tubakonzerte des 20. Jahrhundertsvon Ralph Vaughan Williams,Alexander Arutiunian, TorbjörnIwan Lundqvist, John WilliamsØystein Baadsvik, TubaSingapore Symphony OrchestraAnne MansonBIS-CD-1515

Nicht alle Instrumente können von sichbehaupten, einen Geburtstag zu haben.Die Tuba schon, denn am 12.9.1835wurde für dieses Instrument in Deutsch-land ein Patent angemeldet. Mit RichardWagners Opern nahm die Tuba danneinen festen Platz im Orchester ein, wenn-gleich sie als schwerfällig und dumpf galt.Es dauerte daher bis Mitte des 20. Jahr-hunderts, ehe Komponisten dem Instru-ment wirklich etwas zutrauten und sich andas Schreiben von Tubakonzerten wagten.

Virtuos veredelt Vier davon, die zwischen 1954 und

1985 entstanden, stellt Baadsvik hier vor,wieder in seiner unglaublich virtuosenArt, die schon auf vier anderen BIS-CDszu bewundern ist. Baadsvik ist der einzigeTubavirtuose, der sich ausschließlich füreine Solistenkarriere entschieden hat.Unablässig arbeitet er an der Erweiterungdes Ausdrucksspektrums der Tuba. Dieswiederum reizt natürlich Komponisten,sich mit dem Künstler und seinem Instru-ment zu befassen und für beide zu schrei-ben. Da die Kommunikation mit demPublikum sein Hauptanliegen darstellt,hat er neue Spieltechniken entwickelt, diein einer Reihe neuer Werke für Tuba Ver-wendung finden.

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Im Blickpunkt

Robert Schumann (1810-1856)Symphonie Nr. 3 Es-Dur (Rheinische) op. 97Symphonie Nr. 4 d-Moll op. 120Ouvertüre zu „Manfred“ op. 115Overtüre zu „Hermann und Dorothea“ op. 126Schwedisches KammerorchesterThomas DausgaardBIS-SACD-1619

Auf ausgedehnten Touren weltweithaben Dausgaard und das SchwedischeKammerorchester bereits ihr Projekt„Opening Doors“ dar- und vorgestellt.

Opening Doors (and Ears)

Ziel ist es, Symphonien und andereOrchesterwerke der Romantik eben nichtmit großem symphonischem Apparat,sondern einem kleinen, klanglich schlan-ken Kammerorchester zu spielen, und soden Satz der Werke transparent zumachen. Mit dieser Folge der bei BISbegleitend erscheinenden SACD-Reihe liegen nun alle Symphonien Schumannsvor, von Kritikern bereits als Referenz-Einspielung gelobt. Das SchwedischeKammerorchester aus Örebro, 1995gegründet, besteht aus 38 Musikern. Stetsdarum bemüht, den ihm zugeschriebenen„überraschenden“ und „frischen“ Klangweiterzuentwickeln, erweitert es ständigsein Repertoire. Seit 1997 steht das SKOunter der Leitung von Thomas Dausgaardund hat sich seitdem international einenhervorragenden Ruf als souveräner Inter-pret klassischer bis hin zu zeitgenös-sischer Orchestermusik erarbeitet.

Georg Friedrich HändelZwölf Concerti grossi op. 6Arte dei SuonatoriMartin GesterBIS-SACD-1705

In nur wenigen Wochen im Herbst1739 schrieb Händel zwölf große Konzer-te, die ihn als bedeutenden Komponistenvon Instrumentalwerken, nicht nur vonOpern und Oratorien, wieder ins Bewusst-sein der Öffentlichkeit heben sollten. Unddas mit Erfolg; schon vor der Druck-legung waren nicht weniger als 122Exemplare an 100 Subskribenten ver-kauft, darunter Händels königliche Schü-lerinnen, die Prinzessinnen Anne, Amelia,Caroline, Mary und Louisa wie auch ihrBruder, der Herzog von Cumberland.

Groß mit GrossiHändel folgt mit Besetzung und Anzahl

der Konzerte dem von Arcangelo Corellivorgegebenen Schema, dessen bedeu-tende Concerti op. 6 1714 erschienenwaren, gibt aber einen gehörigen SchussDramatik zu Corellis Form hinzu – nichtweiter erstaunlich für einen begnadetenOpernkomponisten. Und so ergibt sichein höchst abwechslungsreicher Konzert-zyklus, hier wiedergegeben auf dreiHybrid-SACDs durch das Orchester Artedei Suonatori, 1993 in Poznan gegründet,das eine Gruppe junger und äußersttalentierter Musiker unter der Klammerder historischen Aufführungspraxis ver-sammelt. Inzwischen ist die Besetzung desEnsembles eine internationale, und seit2003 organisiert das Orchester selbst vierFestivals. Zusammen mit dem Blockflö-tisten Dan Laurin hat Arte dei Suonatoribereits Werke von Telemann und Vivaldifür BIS eingespielt.

28 AUSGABE 2008/4

Konzert / Orchester

Arhur HoneggerUne Cantate de Noel et al.Alban Gerhardt James Rutherford Thierry FischerCDA 67688 / Hyperion

Arthur Honegger schrieb „Une Cantatede Noël“ (dt. Eine Weihnachtskantate) –sein zugleich letztes Werk – im Jahr 1953.Die Kantate ist für gemischten Chor, Bari-ton-Solo, Orgel und Orchester sowieeinen kleinen Kinderchor komponiertund behandelt die biblische Weihnachts-geschichte. Der erste Teil beschreibt dieWirren der Welt vor der Ankunft des Mes-sias, der zweite Teil besteht aus einemPotpourri basierend auf den Melodienvieler bekannter Weihnachtslieder wie „Odu fröhliche“, „Stille Nacht“, „Es ist einRos entsprungen“ oder „Il est né le divinenfant“. Der dritte Teil schließlich ist einfeierlicher Chor in C-Dur, der in denorchestralen Schluss mündet.

Mit flinkem Bogen

Abgerundet wird das vorliegende Pro-gramm durch eine Auswahl großerOrchesterwerke Honeggers. In „Prélude,Fugue et Postlude“ gibt sich Honegger alsMeister der Fuge zu erkennen, währender in „Horace victorieux“ vor allem seinKönnen als versierten Orchestrator unterBeweis stellt. Den Abschluss bildet das1930 uraufgeführte Cellokonzert, in demHonegger verschiedene Stile und Musik-arten (auch Jazz) gekonnt vereint. AlbanGerhardt, der sich im letzten Jahrzehnt zueinem der großen Cellisten unserer Zeitentwickelt hat, brilliert hier als Solist miteinem überlegenen Spiel, bei dem sichTalent mit Phantasie und stupender Musi-kalität verbinden. Er weiß sich gekonntmit flinkem Bogen und rasenden Fingernin Szene zu setzen, ohne effekthasche-risch oder manieriert zu wirken.

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AUSGABE 2008/4 29

CLASS a k t u e l l

Sinfonie NapolitaneWerke von Jomelli, Pergolesi,Fiorenza, Sacchini, Piccinni,Anfossi, GuglielmiOrchestra da Camera di NapoliEnzo AmatoCON 2020 / Concerto Ersteinspielung

Heute assoziiert man „Neapel“ gernemit Müll und Mafia – im 18. Jahrhundertdagegen assoziierte man die Stadt europa-weit mit bildender Kunst und Musik.Maler, Musiker, Intellektuelle aus ganzEuropa bestimmten zu dieser Zeit daskulturelle Leben, und Neapel wurde zueiner Musikhauptstadt. Auch LeopoldMozart, der nichts ausließ, um die Aus-bildung seines Sohnes zu vervollkomm-nen, schleppte den vierzehnjährigen Wolfgang Amadeus nach Neapel, um zulernen: am berühmten Theater San Carlound von den Lehrern in den nicht wenigerals vier Konservatorien. Die CD gibt einenEinblick in die unglaubliche Vielfalt desmusikalischen Schaffens dieser Zeit.

Aus goldener Zeit

Abgesehen von Pergolesi und allen-falls noch Jomelli sind die hier vorgestell-ten Komponisten sicher nur Spezialistenbekannt, aber das macht nichts: wie ineinem Labor beobachtet, zeigen dieWerke stilistisch sehr deutlich, dass vomneapolitanischen Stil in Sonate, Konzertund Sinfonie entscheidende Impulse fürdie Entwicklung der späteren WienerKlassik ausgingen.

W.A. Mozart (1756-1791) Klavierkonzerte Vol. 4Konzerte KV 459 und 466Christian Zacharias, Klavier + LeitungOrchestre de Chambre de LausanneMDG 340 1529-2 (CD)MDG 940 1529-6 (SACD)

Kurz vor Weihnachten 1784 vollendeteMozart das F-Dur-Konzert KV 459. Dasganze Stück ist kunstvoll instrumentiert, dieSätze sind mit Bedacht gewählt: Erst einprägnantes Thema mit Marsch-Charakter,dann der langsame Teil mit Ausflügen indie weiten Regionen des Quintenzirkelsund schließlich das an Haydn erinnerndefuriose Finale.

GeniestreichDer Jahreswechsel brachte den Wan-

del: Hatte Mozart seinem Vater zuvor von„brillanten“ Konzerten berichtet – „ange-nehm in die Ohren“, so stellt er nun unge-wohnte Forderungen. Nicht zu Unrechtsah man in der Leidenschaftlichkeit desGestus und dem durchaus tragischenTonfall des Werks eine Vorausahnung desDon Giovanni, was keineswegs nur durchdie gleiche Grundtonart bestimmt ist.Und jetzt höre man sich mal die raffi-nierte Kadenz an, die Christian Zachariassich hierzu hat einfallen lassen.

Mit ungemeiner Intensität und Aus-druckskraft hat sich Christian Zachariasund sein Orchestre de Chambre de Lausanne einmal mehr in das Repertoireversenkt. Seit zehn Jahren arbeitet derPianist, Kammermusiker und Dirigent mitMDG zusammen, eine exklusive Partner-schaft, die in jeder Hinsicht nur heraus-ragende Produktionen erzeugte. Wiederein Echo-Preis 2008 und die Auszeich-nung der internationalen Schallplatten-kritik zum „Künstler des Jahres“ belegendas eindrucksvoll.

Ludwig van Beethoven (1770-1827)Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 36Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92Minnesota OrchestraOsmo VänskäBIS-SACD-1816

Schon für die erste Folge seinesBeethoven-Zyklus ernteten Vänskä unddas Minnesota Orchestra großes Lob,auch für den hervorragenden Mehrkanal-Sound, denn er unterstreicht sowohl dieMusik wie die Interpretation und demon-striert, was Home Audio heutzutage seinkann, wie ein Kritiker meinte. Die hoheQualität wurde durchgehalten, mit einerPastorale von ungewöhnlicher Schönheit,einer 8., die Referenzstatus einnimmt undeiner 9. Symphonie, die sich unter diebesten je vorgenommenen Aufnahmeneinreiht, wie in einer internationalrenommierten Musikzeitschrift zu lesenwar. Die Reihe wird nun abgeschlossenmit der 2. und 7. Symphonie. Eröffnetwird mit der 2. Symphonie, die 1802während einer der dunkelsten Abschnitteim Leben des Komponisten entstand(seine fortschreitende Taubheit hatte einkritisches Stadium erreicht und sich alsunheilbar erwiesen) und dennoch vonüberraschendem Optimismus und Lebens-willen zeugt (als ob Beethoven sich mitdiesem Werk aus seinen düsteren Lebens-umständen „fortgeschrieben“ habe),gefolgt von der gut zehn Jahre später ent-standenen 7. Symphonie, die mit ihremrhythmischen Drive zu einem Lieblings-kind in den Konzertsälen wurde.

PackenderAbschluss

Unter ihren Bewunderern war auchRichard Wagner, der sie die „Apotheosedes Tanzes“ nannte. In der packendenDarstellung durch Vänskä und das Minne-sota Orchestra ist Wagners Bonmot gutnachvollziehbar.

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Landsberger Straße 492 81241 München [email protected]

AN 29947Ludwig van Beethoven Sinfonien 7 & 8Bruno Weil, Jeanne Lamon,Tafelmusik

CD + Bonus-DVD mit Ausschnitten vonden Orchesterproben und Interviewsmit Jeanne Lamon und Bruno Weil.

Pressestimmen zu Beethovens Sinfonien Nr.5 & 6:„superb playing by Canada’s crackperiod orchestra” (Daily Telegraph)

„felicitous period performance...imaginatively recorded” (Gramophone Magazine)

3 0 J A H R E

T a f e l m u s i k

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Im Blickpunkt

Alte Musik

John come kiss me nowSuiten, Divisions und Tänze ausMatthew Lockes „The Broken Consort“, John Playfords „The English Dancing Master“ und anderen Quellen des 17. Jahr-hundertsLa Beata OlandaCD 16273 / Carpe Diem

Dies ist eine farbenfrohe Sammlungenglischer Hof-, Kammer- und Tanzmusikaus dem 17. Jahrhundert, gespielt aufhistorischen Instrumenten in verschie-densten Besetzungen von dem FreiburgerEnsemble für Alte Musik „La Beata Orlanda“ (zu deutsch „Das schöneHolland“). Die Idee bei der Zusammen-stellung dieser CD war eine Gegenüber-stellung von ganz unterschiedlichen musi-kalischen Welten dieser Zeit.

Entertainment ausalter Zeit

Einerseits finden sich hier ernste undwohl durchdacht komponierte Suiten ausder Feder von Matthew Locke, die offen-sichtlich zum andächtigen Zuhören beiHofe, nicht aber zur Begleitung beim Tanzgedacht waren. Auf der anderen Seite stehen ausgelassene Tänze aus derSammlung „Dancing Master“ von JohnPlayford, der mit Locke befreundet war.Es ist dies eine abenteuerliche Sammlungvon Tanzweisen und Liedern, die nur als Melodien überliefert sind und damitviel Platz zum freien Arrangieren undImprovisieren lassen, wovon auf dieserCD ausführlich Gebrauch gemacht wurde.Die Playford-Sätze werden auf einer nach historischen Vorbildern gebautenPochette, der sogenannten Tanzmeister-geige gespielt, die diesen Stücken eineganz spezielle Färbung und ein aufre-gendes Klangbild verleiht.

Geistliche Musik

Johann Caspar KerllMissa RenovationisMissa Non sine quareMoritz, Wagner, Berger, Schneider,Volkmar, BrömselDresdner KnabenchorMatthias JungC 58031 / Cantate Ersteinspielung

Mit dem Aufkommen des generalbass-begleiteten Sologesangs, des mehrchöri-gen Musizierens und des konzertierendenStils hatte sich in den ersten Jahrzehntendes 17. Jahrhunderts von Italien ausge-hend auch die musikalische Gestalt derMesse erheblich verändert. Das Beset-zungsprinzip dieses neuen Messentypswar so einfach wie flexibel: Dem general-bassgestützten Singstimmensatz wurdenzwei weitere, eigenständig obligate Instru-mentalpartien hinzugefügt und die Sing-stimmen je nach Möglichkeit und Bedarfdurch weitere Sänger (Ripieni) und/oderInstrumente verstärkt. Als herausragend-ster Repräsentant der neu entstandenenMessa concertata galt unter den Zeit-genossen der 1627 im vogtländischenAdorf geborene Johann Caspar Kerll.

Kunstvoller Kontrapunkt

Dank anhaltender Rezeption seinerWerke für Tasteninstrumente heute vorallem als Verfasser von Instrumentalkom-positionen bekannt, gründete sich sein im17. Jahrhundert weit über den deutschenSprachraum hinausreichender Ruhm aufsein weltliches und geistliches Vokal-schaffen – und hier vor allem auf seineMesskompositionen, die nachfolgendeKomponisten beider Konfessionen alsvorbildliche Beispiele eines vollkomme-nen Kontrapunktes studierten. Noch imspäten 18. Jahrhundert wurden dieseMessen bei Breitkopf & Härtel in Leipzigangeboten, Johann Caspar Kerll nebenBach und Händel als „Orpheus der Deut-schen“ verehrt.

Erhältlich ab 15. Dezember

Ravel, Saint-Saens, de Falla, Mozart, KreislerSans Orchestre, Gilles Apap, Colors of Invention

Bereits erschienen:Bach, Monroe, Landis, Wimmer, Traditional FriendsGilles Apap

CD-Release-Konzert Do, 22.Januar 2009, 20 UhrPhilharmonie Berlin, Kammermusiksaal

Gil les Apap

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ApapAziz Jean Gilles (1668-1705)RequiemMotette „Cantate Jordanis Incolae“Magouët, Lièvre-Picard, Boterf, BuetKammerchor „les éléments“Orchestre „Les Passions“ Jean-Marc AndrieuLIDI 020219608 / Ligia Digital

Jean Gilles war Schüler von GuillaumePoitevin und folgte diesem ab 1693 alsLeiter der Chorschule der Kathedrale inAix-en-Provence. Später wirkte er in denKathedralen von Toulouse und Avignon als Kapellmeister. Er schuf, vom italieni-schen Stil und André Campra beeinflusst,15 „Grands Motets“ in verschiedenen Besetzungen und einige weitere kleinereWerke. Große Bekanntheit erlangte erschon zu seinen Lebzeiten durch eineTotenmesse. Die Söhne zweier verstor-bener Toulouser Ratsherren hatten dasWerk bei Gilles bestellt, fanden dann aberdie Auf- und Ausführung zu aufwendig.

Ein Requiem als Hit

So erklang es erstmals bei Gilles’ eige-nem Begräbnis. Das Requiem wurde in derFolgezeit alleine 15 mal bei den illustrenConcert Spirituel in Paris aufgeführt,sowie bei den Beisetzungsfeierlichkeitenfür Jean-Philippe Rameau, Stanisals vonPolen und Louis XV. Noch bis zum Endedes 18. Jahrhunderts erfreute sich Gilles’Requiem in ganz Frankreich großerBeliebtheit und kam immer wieder zumEinsatz – es ist eine der erfolgreichstenSchöpfungen geistlicher Musik im 18.Jahrhundert überhaupt, wenn man be-denkt, dass es noch bis in die Zeit derWiener Klassik hinein absolut unüblichwar, „Alte Musik“, d.h. Werke längst verstorbener Komponisten aufzuführen.

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GLOR Classics www.glor-classics.dec/o sono |music management GmbH – Am Hilgernfeld 12 – 83626 Valley-Oberlaindern – Tel. 08024-477300 – Fax. 08024-477301 – [email protected]

Das neu gegründete Label GLOR Classics prä-sentiert im November 2008 seine ersten 15Veröffentlichungen. GLOR Classics legt denSchwerpunkt seines Repertoires auf die Vo-

kal-Musik und verfolgt dabei das Ziel, Interpretationensowohl der klassischen als auch der modernen Gesangs-und Chorliteratur in höchstmöglicher Qualität zu produ-zieren, aufzulegen und dem Publikum nahe zu bringen.GLOR Classics setzt damit auf ein eigenes, außergewöhn-liches Profil. Im Zentrum stehen die Interpretationen derEuropaChorAkademie unter ihrem künstlerischen Leiter Joshard Daus sowie unter namhaften Gastdirigenten wieSylvain Cambreling oder Michael Gielen.

In der internationalen Musikszene gilt Joshard Dausals renommierter Interpret der Chorsinfonik. Wesent-liche Impulse für die eigene Arbeit verdankt Daus seinem jahrelangen Kontakt zu dem legendären

Maestro Sergiu Celibidache. Als Chefdirigent und Leiterder EuropaChorAkademie hat Daus ein Ensemble geschaf-fen, das sich aus handverlesenen Sängerinnen und Sän-gern europäischer Spitzenakademien zusammensetzt.Mit jugendlicher Frische in Verbindung mit höchster Pro-fessionalität hat sich der Chor über die Grenzen Europas hinaus einen exzellenten Ruf erworben.

Die regelmäßige Zusammenarbeit mit dem SWR,dem Bayerischen Rundfunk, DeutschlandradioKultur und Radio Bremen ermöglicht GLORClassics die Erstellung eines aufregenden Klas-

sik-Programms, das große Namen wie Plácido Domingo,Sylvain Cambreling, Michael Gielen und viele andere Starsder Klassik-Szene beinhaltet.So finden GLOR Classics Künstler von Weltrang zu Inter-pretationen, die bewegen. Zum Qualitätsanspruch von GLOR Classics gehört aucherstklassiges Design der CD-Produkte sowie ein niveau-voller Auftritt des Labels im Markt.

Ein neuer Stern am deutschen Klassikfirmament

Haydn „Nelson-Messe“, Sinfonie Nr. 103 CD GC08041

Die „Nelson-Messe“ von 1798 ist Haydnseinzige Messe in einer Molltonart. „Missain Angustiis“ hat er selbst sie genannt,also „Messe in Bedrängnis“. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb ist die vomHaydn-Forscher Robbins Landon als„Vokalsinfonie“ charakterisierte „Nelson-Messe“ eine der am häufigsten aufge-führten Haydn-Messen. 1795 komponiert,ist die 103. Symphonie „mit dem Paukenwirbel“ Haydns vorletzte Sinfonie.

C.P.E. Bach Lukas-Passion CD GC08071

Die Lukas-Passion, eine von C. P. E. Bachs über zwanzig Passionen, fand sichim Manuskript erst vor wenigen Jahren in dem aus der Ukraine nach Berlin rück-überführten „Archiv der Singakademie“.Die vorliegende Produktion ist die Welt-Ersteinspielung dieses faszinierenden,lange verschollenen Meisterwerkes.

Berlioz L’Enfance du Christ CD GC08131

Im 1854 uraufgeführten Oratorium „L’Enfance du Christ“ verbindet BerliozGestaltungsmittel des Oratoriums mit Opernelementen. Das Oratorium wurde schnell ein europäischer Erfolg.

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Johann Sebastian BachDie Kunst der Fuge BWV 1080Calefax Reed Quintet MDG 619 0989-2

Johannes BrahmsKlavierwerke op. 116-119Elisabeth Leonskaja MDG 343 1349-2

Johannes BrahmsKlavierquintett op. 34Andreas Staier, Klavier Leipziger StreichquartettMDG 307 1218-2

Johannes BrahmsStreichquartett op. 51,1Streichsextett op. 36Hartmut Rohde, Viola Peter Bruns, VioloncelloLeipziger StreichquartettMDG 307 1281-2

Anton BrucknerStreichquintett F-DurStreichquartett c-MollHartmut Rohde, Viola Leipziger StreichquartettMDG 307 1297-2

Anton BrucknerMotettenCzech Philharmonic Choir Brno Petr Fiala, Ltg.MDG 322 1422-2

Lex van DeldenKammermusikIntroduzione e Danza op. 26Duo per Flauto ed Arpa op. 27 Quartetto op. 58 Sestetto per Archi op. 97Nonetto per Amsterdam op. 101Viotta EnsembleMitglieder des Concertgebouw Orchesters Amsterdam MDG 603 1317-2

Michael HaydnSinfonie MH 334, MH 82Missae Pro Defuncto Archiepiscapo Sigismundo MH 155Solisten ; Schweizer KammerchorOrchestre de Chambre de LausanneChristian Zacharias, Ltg. MDG 340 1245-2

Michael & Joseph HaydnTrompetenkonzerteWolfgang Bauer, Trompete Württembergisches KammerorchesterHeilbronnRuben Gazarian, Ltg. MDG 601 1395-2

“Hubertusmesse”Jagdmusik für Parforce-HörnerDetmolder Hornisten Michael Höltzel MDG 324 0098-2

Lefébure-WélyOrgelmusikBen van Oosten, Cavaillé-Coll-OrgelÉglise Sainte-Madeleine Paris MDG 316 1278-2

Franz LisztKlaviermusikJean-Efflam Bavouzet, KlavierMDG 604 1350-2

Mahler: KlavierquartettZemlinsky: Klaviertrio op. 3Schönberg: Verklärte Nacht (arr. für Klaviertrio)Johannes Flieder, Viola Wiener KlaviertrioMDG 342 1354-2

Frank Martin"Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" Christianne Stotijn, Mezzosopran Orchester Musikkollegium WinterthurJac van Steen, Ltg.MDG 601 1444-2

W.A. MozartFlötenquartetteKonrad Hünteler, Flöte Camerata des 18. JahrhundertsMDG 311 0966-2

W.A. MozartSalzburger KirchenmusikVesperae solennes KV 339Missa solemnis KV 337 Regina coeli KV 276 Kölner KammerchorCollegium CartusianumPeter Neumann, Ltg.MDG 332 1346-2

Anton RubinsteinKonzert für Violoncello undOrchester op. 65Don Quichote op. 85 Ballettmusik aus „Der Dämon“Alban Gerhardt, VioloncelloSinfonieorchester WuppertalGeorge Hanson, Ltg.MDG 335 1165-2

Franz SchubertQuintett D 667 „Die Forelle“Trio D 581Trio D 111A (Fragment)Christian Zacharias, KlavierChristian Ockert, KontrabassLeipziger Streichquartett MDG 307 0625-2

Robert SchumannQuartett op. 47Quartett c-Moll (1829)Trio Parnassus Hariolf Schlichtig, ViolaMDG 303 1414-2

Alexander SkrjabinSonaten Nr. 3 & 8Préludes op. 11Severin von Eckardstein, Klavier MDG 604 1318-2

Jan Pieterszoon SweelinckOrgel- und ClaviermusikSiegbert RampeCembalo, Clavichord, Virginal & OrgelMDG 341 1256-2

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