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CLASS AKTUELL 2009/3 CLASS aktuell Association of Classical Independents in Germany ECHO Klassik 2009 CLASS stellt seine Gewinner vor Niederländische Cellosonaten Von Doris Hochscheid und Frans van Ruth neu entdeckt Mehr als lustig Orchesterwerke von Otto Nicolai Principal Sound Zeitgenössisches von Zeitklang Peter Hörr Selten gehörte Cellokonzerte von Duport Julia Fischer und Martin Helmchen Ein Kammermusikduo par excellence Großes G.F. Händel Portrait Günter Wand Ehrendirigent des Deutschen Symphonie- Orchesters Berlin

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ECHO Klassik 2009 CLASS stellt seine Gewinner vor

NiederländischeCellosonaten

Von Doris Hochscheid und Frans van Ruth neu entdeckt

Mehr als lustigOrchesterwerke von

Otto Nicolai

Principal Sound Zeitgenössisches

von Zeitklang

Peter Hörr Selten gehörte

Cellokonzerte von Duport

Julia Fischer und Martin Helmchen

Ein Kammermusikduo par excellence

Großes G.F. Händel Portrait

Günter Wand Ehrendirigent des

Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin

Die Gala ECHO DER STARS wird am 18. Oktober 2009 um 22 Uhr im ZDF ausgestrahlt.

Wolfgang Bauer gemeinsam mit Sax Allemande

Classica Cubana

Plácido Domingo

David Fray

Sol Gabetta

Elına Garanca

Christian Gerhaher

Anne-Sophie Mutter

Christina Pluhar und L’Arpeggiata gemeinsam mit Nuria Rial

Sächsische Staatskapelle Dresden mit Fabio Luisi

David Fray David Fray

Sol GabettaSol Gabetta

gemeinsam mit Nuria Rialgemeinsam mit Nuria Rialgemeinsam mit Nuria Rialgemeinsam mit Nuria Rial

Sächsische Staatskapelle Sächsische Staatskapelle Sächsische Staatskapelle Sächsische Staatskapelle Sächsische Staatskapelle Sächsische Staatskapelle Dresden mit Fabio LuisiDresden mit Fabio LuisiDresden mit Fabio LuisiDresden mit Fabio LuisiDresden mit Fabio LuisiDresden mit Fabio Luisi

Sonntag, 18.10.2009 16:45 Uhr

Semperoper Dresden

www.echoklassik.de

AssociationofClass

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dents in Germany

AUSGABE 2009/3 3

CLASS a k t u e l l

Schon die alten Griechen kannten die Musik als Heilmittel gegen allerlei Beschwerden

körperlicher und seelischer Art. Ob Gelenkschmerzen oder Wahnvorstellungen: Man hat

sie einfach mit Saitenspiel und Rohrblattvibration weggezupft und weggeblasen. Die

Asklepios-Urklinik in Epidauros war bei Musikern daher immer ein begehrter Auftrittsort.

Später, im Mittelalter, hat man Krankheiten zu Trommel- und Schalmeienklang einfach

im Veitstanz abgeschüttelt. Mit einer flotten Tarantella glaubte man sogar den Biss der

Giftspinne unschädlich zu machen.

Fazit: Musik macht gesund und hilft aus jeder Klemme. Kokopelli, der Musikgott der

Hopi-Indianer, strotzt so seit Jahrhunderten vor Heiterkeit und Lebenslust.

Mit Musik aus der KriseAuch Immanuel Kant, der schlaue Philosoph, schätzte die Musik – vor allem weil sie

Bewegung in seine Eingeweide und in sein Zwerchfell brachte. Leider hatte Kant noch keinen

CD-Player, konnte daher seine Eingeweide nur selten musikalisch bewegen und musste

sich für die tägliche Verdauungshilfe was anderes einfallen lassen. Er entwickelte sich zu

Königsbergs notorischstem Spaziergänger. Sein Kollege Friedrich Nietzsche lobte vor allem

den „tonischen Effekt“ der Musik, der das kreative Denken fördere. Die besten Ideen für

seine Bücher – oder die, die er für seine besten hielt – kamen ihm nämlich im Konzert.

Übrigens entstand die moderne Musiktherapie im Kriegslazarett, wo man – aus Mangel

an Schmerzmitteln – den wohlfeilen Wohlklang zur Dämpfung von körperlichen und

seelischen Nöten einsetzte. Seitdem weiß man: Musik erspart einen ganzen Medikamente-

Schrank. Ob bei postoperativen Schmerzen, Angst vorm Zahnarzt, Bluthochdruck, Migräne,

Wutanfällen, Beziehungsstress, Herbstmelancholie oder Krisendepression: Musik hilft

und heilt, stimuliert die guten und dämpft die schlechten Gefühle, ersetzt Aufputschmittel

und Psychopharmaka, Amphetamine und Tranquilizer. Mit einem gut sortierten CD-Schrank

kann jeder selbst zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen beitragen.

Seit 1993 ist der „Mozart-Effekt“ amtlich: Musikmachen und Musikhören fördern in der

Früherziehung die mathematischen und sprachlichen Fähigkeiten. Aber auch in späteren

Lebensstadien hilft die Musik: Sie schließt bei Demenz-Kranken Erinnerungen auf und

glättet bei Parkinson-Patienten die Bewegungsabläufe. Ein Leben lang wirkt Musik

auf diese Weise positiv auf unsere Hirnfunktionen ein. Was glauben Sie, warum Meeres-

delphine, die in in einem einzigartigen Unterwasser-Schallraum leben und singen, die

größten Gehirne haben? Und immer so fröhlich-verschmitzt gucken? Und über uns lachen?

Investieren Sie also nicht länger in Pfandbriefe und Bankaktien, sondern lieber in Musik-

Erlebnisse! Melodien, Harmonien, Rhythmen und Kontrapunkte sind nämlich absolut

krisenfest und das beste Hilfspaket, um Sie wieder flottzumachen. Auch eine Musikanlage

ist eine Geldanlage, aber eine mit unermesslicher Rendite. Wir sehen uns beim nächsten

Mozartkonzert zum fröhlichen Veitstanz!

Bis dahin,

Ihr

Hans-Jürgen Schaal

CLASS aktuell 3/2009Inhalt

4 Mut zur Repertoirelücke

Die Entdeckung niederländischer

Cello-Sonaten

5 Günter Wand

Ehrendirigent des Deutschen

Symphonie-Orchesters Berlin

6 Mehr als lustig

Die Orchesterwerke von

Otto Nicolai

7 Principal Sound

Zeitgenössisches von Zeitklang

8 Wechselspiel und Bogenwechsel

Peter Hörr entdeckt die

Cellokonzerte von Duport neu

9 Julia Fischer und Martin Helmchen

Ein Kammermusikduo

par excellence

10 CLASS stellt seine Gewinner vor

Der ECHO Klassik gehört zu den

etablierten und bekanntesten

Musikauszeichnungen der Welt.

Mit dieser jährlichen Auszeichnung ehrt die Deutsche Phono-Akademie

herausragende und erfolgreiche

Leistungen nationaler und inter-nationaler Künstler im Bereich der

klassischen Musik.

16 Großes Georg Friedrich Händel Portrait

21 Erstaunlich!

Mozarts Klavierquartette

22 CLASS-Blickpunkte

Neuheiten vorgestellt von

CLASS aktuell

Auflage: 137.500 Titelfoto: private Archive Grafik: Ottilie Gaigl

CLASS Association of Classical Independents in Germany e.V.Bachstraße 35, 32756 Detmoldwww.class-germany.de · [email protected]

4 AUSGABE 2009/3

Niederländische Cellosonaten Vol. 1Willem Pijper (1894-1947)Sonate Nr. 1 (1919) und Nr. 2 (1924)Luctor Ponse (1911-1998)Sonate Nr. 1 (1943)Rudolf Escher (1912-1980)Sonate Concertante (1943, rev. 1955)Audiomax 903 1534-6 (Hybrid SACD)

Niederländische Cellosonaten Vol. 2Julius Röntgen (1855-1932)Sonaten opus 41 und 58Cinq MorceauxDaniel van Goens (1858 – 1904)Scherzo, Invocation, MenuettAudiomax 903 1574-6 (Hybrid-SACD)

Doris Hochscheid, VioloncelloFrans van Ruth, Klavier

Weitere Informationen: www.cellosonate.nl

Mut zur RepertoirelückeDie Entdeckung der Niederländischen Cello-Sonaten

‚‚Die Literatur ist arm, und ich sucheschon längst ein schönes Werk für die-ses Instrument.“ schrieb der VerlegerAbraham Noske an Julius Röntgen

und kurze Zeit später erschien die a-Moll Cello-sonate op. 41. In Leipzig geboren erhielt Juliusschon bald Unterricht bei Moritz Hauptmann,Carl Reineke, Louis Plaidy und Franz Lachner. In Amsterdam wurde er zum Mitbegründer undDirektor des Konservatoriums. Eine besondereFreundschaft und gegenseitige Verehrung ver-band ihn mit Pablo Casals, dem er insgesamtdrei seiner Sonaten widmen sollte, die stilistischder Musik von Brahms nahe stehen.

„Die niederländische Musikalität ist nicht eineEmulsion von deutschem Tiefsinn und französi-schem ‚savoir faire‘, die niederländische Musika-lität ist die Konsequenz von fünf Jahrhundertenkultureller Einheit“, fasst der Komponist WillemPijper das Gefühl seiner Generation zusammen.

Die beiden Cello-Sonaten von Willem Pijpermachen deutlich, wofür die Niederländer im

frühen 20. Jahrhundert stehen: Die Klänge GustavMahlers und Claude Debussys noch im Hinter-kopf, setzen sie dennoch eigene Akzente. Ex-pressiv, überraschend, packend und beeindruk-kend wirkt ihre Musik. Auch Rudolf Escher,Pijpers wichtigster Kompositionsschüler in sei-ner Zeit als Direktor des neuen RotterdamerKonservatoriums, folgt mit seiner Sonate Con-certante diesem Stil. Weitaus klassischer fälltdie Cellosonate von Luctor Ponse aus, ein Kom-ponist, der aufgrund seiner französisch-nieder-ländischen Herkunft weitaus weniger modernis-tisch geprägt ist.

Angesichts der Qualität dieser Stücke undder sorgfältigen Dokumentation kann man diegemeinsame Initiative nur begrüßen, zumal dasklingende Ergebnis (auf Hybrid-SACD!) diesernun schon auf 2 Folgen angewachsenen Reihevöllig fasziniert. Und so bleibt nur eine nach-haltige Empfehlung für eine auch künstlerischherausragende Produktion. Lisa Eranos

Doris Hochscheid und Frans van Ruth haben sich die Pflege der niederländischen Kammermusik zur Lebensaufgabe gemacht.

Die beiden hervorragenden Solisten erarbeiteten ein umfassendesRepertoire für Cello und Klavier. Auf Initiative der beiden Musiker geht die Gründung der Stiftung Cellosonate Nederland zurück,

die diese neue CD-Reihe, die fast ausschließlich aus Ersteinspielungenbesteht, in Zusammenarbeit mit Audiomax herausgibt.

Doris Hochscheid und Frans van Ruth

Luctor Ponse

Willem Pijper

Julius Röntgen

Rolf Escher

CLASS a k t u e l l

gewandelt hatte, hielt Wand dem Orchester dieTreue. Bis 1996 dirigierte er insgesamt fünfzehnstets umjubelte Konzerte – Werke von Beethoven,Brahms, Mozart, Mussorgsky, Schubert undSchumann – große Musik also, wie es seine Artwar. Die meisten Konzerte in der Philharmoniewie im Konzerthaus wurden vom SFB live aufge-zeichnet. 1993 vermeldete die Pressestelle desOrchesters stolz: „Günter Wand, mit dem dasOrchester triumphale Erfolge feierte, wird ErsterGastdirigent des RSO (heute DSO).“ Und dreiJahre später erhielt er den Titel „Ehrendirigentdes Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin.“

In seiner letzten Lebensphase, als er die Zu-sammenarbeit mit den Berliner Philharmonikernintensivierte, wollte Wand nicht wechselweisedie beiden Berliner Orchester dirigieren unddadurch gewissermaßen sich selbst Konkurrenzmachen. Er konzentrierte sich mehr und mehrauf das Philharmonische Orchester und die mitihm verabredete Bruckner-Serie, deren Voll-endung sein Tod im Februar 2002 verhinderte.

Wolfgang Seifert

Vol 1: Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 5 Vol. 2: Franz Schubert: Sinfonie Nr. 8 „Unvollendete“

Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 9 (2 CDs)

Vol. 3: Robert Schumann: Sinfonie Nr. 4 Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 1 / Nr. 4 (2 CDs)

Vol. 4: Franz Schubert: Sinfonie Nr. 9 Vol. 5: Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 1

Sinfonie Nr. 4 / Sinfonie Nr. 3 „Eroica”Ouvertüre „Coriolan” / Ouvertüre „Egmont” (2 CDs)

Günter Wand / Deutsches Symphonie-Orchester Berlin PH09068 ( 8 CD Box )

Nicht allen Musikfreunden ist bewusst,dass dieses Berliner Orchester heutebereits den dritten Namen trägt undeine nicht unkomplizierte Geschichte

hat. 1946 vom amerikanischen Sender RIAS (Ra-dio in the American Sector) ins Leben gerufen,wurde es als „RIAS-Symphonie-Orchester“ (RSO)genau zehn Jahre alt. Als die Amerikaner dasOrchester nicht mehr tragen wollten, sprangendie Deutschen ein und führten es mit dem altenKürzel RSO unter dem neuen Namen „Radio-Symphonie-Orchester Berlin“ weiter. Zugeord-net wurde es zunächst dem SFB als BerlinerRegionalsender, der es aber nicht allein finan-zieren konnte. Deshalb entstand eine Träger-GmbH, der als weitere Gesellschafter das LandBerlin, die Bundesrepublik Deutschland undauch der inzwischen unter deutscher Intendanzstehende RIAS angehörten. In dieser Konstruktionhielt sich das RSO bis 1993.

Als man nach der politischen Wende imWesten gewahr wurde, dass es in Berlin noch einzweites Radio-Orchester mit großer Traditiongab, nämlich das bereits 1923 gegründete undnach 1945 erst zum sowjetischen, dann zumDDR-Rundfunk gekommene „Rundfunk-Sinfonie-orchester Berlin“ (RSB), hielt man eine erneuteNamensänderung für notwendig. Das RSO wurdenochmals umgetauft und firmierte nun als„Deutsches Symphonie-Orchester“ Berlin (DSO).Organisiert ist es heute – zusammen mit demRSB, dem Berliner Rundfunkchor und dem RIAS-Kammerchor – in der Auffang-Gesellschaft fürdie bei der deutschen Vereinigung freigesetztenerhaltenswerten Klangkörper des DDR-Rundfunksund des ehemaligen RIAS, die sich „r.o.c. GmbH“nennt; die Abkürzung steht für Rundfunk-

Orchester und Chöre GmbH. Gesellschafter sinddas DeutschlandRadio, die BundesrepublikDeutschland, das Land Berlin und der rbb (alsNachfolgesender des SFB).

Zum ersten Chefdirigenten des RSO war derjunge Ungar Ferenc Fricsay berufen worden, einGlücksfall, weil er das Orchester schnell auf einsehr hohes Niveau bringen konnte, auch durchseine Verbindung mit einer großen Schallplatten-Firma. Fricsay leitete es von 1948-54 sowie noch-mals von 1959-63. Namhafte Gastdirigenten wieKarl Böhm, Wolfgang Sawallisch, Georg Solti,Otto Klemperer wurden eingeladen, in den acht-ziger Jahren – als Riccardo Chailly Chef war –auch Günter Wand. Er dirigierte sein erstes RSO-Konzert im Alter von 71 Jahren, am 3. April 1983,und hielt seitdem regelmäßig Verbindung zudiesem Berliner Qualitätsorchester, das er mehrund mehr schätzte. Auch als es sich unter sei-nem neuen Chef Wladimir Ashkenazy zum DSO

Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und sein Ehrendirigent 8 CD Box bei Profil Edition Günter Hänssler

AUSGABE 2009/3 5

6 AUSGABE 2009/3

Otto Nicolai (1810-1849)OrchesterwerkeVariations brillantes op. 26 Ouvertüren zu / über „Die lustigen Weiber von Windsor“ „Die Heimkehr des Verbannten“ „Ein feste Burg ist unser Gott“ „Vom Himmel hoch“Johannes Pieper, KlarinettePhilharmonie Südwestfalen David Stern, LeitungMDG 601 1268-2

Phantasie und Variationenüber Motive aus „Norma“ op. 25 / Symphonie D-DurClaudius Tanski, KlavierSüdwestfälische PhilharmonieDavid Stern, LeitungMDG 601 0832-2

Aktuelle Konzerte: (Auswahl)

Philharmonie Süd-westfalenDavid Stern, Ltg.

12. 09. 2009 Dortmund

20. 09. 2009 Iserlohn

04. 10. 2009 Essen

09. 10. 2009 Siegen

17. 10. 2009 Frankfurt / Main

28. 10. 2009 Siegen

13. 11. 2009 Siegen

21. 11. 2009 Hannover

24. 11. 2009 Berlin

04. 12. 2009 Essen

‚‚Die lustigen Weiber von Windsor” istseine Parade-Oper – das Hauptwerkdes Wiener HofopernkapellmeistersOtto Nicolai. Weniger bekannt, aber

nicht weniger mitreißend sind seine feurigenInstrumentalwerke, die in der Musikgeschichtevon der Flutwelle der Symphonischen Dichtun-gen fortgespült wurden und hier von der Süd-westfälischen Philharmonie und dem Klarinet-tisten Johannes Pieper mustergültig auferwecktwerden. Im Mittelpunkt von Vol. 2 stehen die„Variations brillantes op. 26” für Klarinette undOrchester, flankiert von zwei weltlichen undzwei geistlichen Ouvertüren.

Anders als der kleine Felix (Mendelssohn)und Robert (Schumann) bekam der junge Otto(Nicolai) in seinem Elternhaus keine effektiveStarthilfe auf seinem Weg in den Musikerberuf:Vater Carl Ernst Daniel Nicolai opferte die Gym-nasialbildung des Knaben einer letztlich eklatantmisslungenen Wunderkindkarriere. Erst FriedrichZelter brachte den 18jährigen, passablen Pia-nisten Otto Nicolai in Berlin auf eine künstle-risch anspruchsvolle Bahn. Nicolais heimlicheLiebe wurde schon bald die Oper. Seine Karriereals Opernkapellmeister verfolgte er mit großemEinsatz und wurde mit 28 Jahren bereits ErsterKapellmeister der Wiener Hofoper: Ab sofortwar Carl Otto Ehrenfried Nicolai der MaestroOttone Nicolai.

Der gebürtige Königsberger fühlte sich zeitle-bens in Kirchen wie in Opernhäusern zu Hause.1833 ließ er die Berliner mit 23 Jahren erstmalsaufhorchen, als er ihnen die Weihnachts-Ouver-

türe über den Choral „Vom Himmel hoch, dakomm ich her“ präsentierte. Fünf Jahre späterpublizierte er in Wien die Variationen derSchluss-Arie aus einer Bellini-Oper. Dann wiedereine kirchliche Festmusik: Nicolai aktualisiertezum 300-jährigen Bestehen der UniversitätKönigsberg seine Ouvertüre über den Choral„Eine feste Burg ist unser Gott“. 1844 gelingtdem „Maestro“ ein weiterer Kunstgriff: Aus sei-ner italienischen Oper „Il proscitto“ macht er dietragische Oper „Die Heimkehr der Verdammten“,deren Ouvertüre hier ebenfalls zu hören ist.

Vor 150 Jahren fand im Wiener Redouten-saal die Uraufführung seiner Sinfonie D-Durstatt. Nicolai kombiniert in diesem viersätzigen,klassisch anmutenden Werk des Vormärz seinedramatische Begabung mit beethovenscherStrenge. Und mit der Fantasie op. 25 über einThema von Norma mit den brillanten Varia-tionen gibt es auch für einen Tastenvirtuosenwie Claudius Tanski genügend Virtuosenfutterfür eine mitreißende Wiedergabe (Vol. 1).

Lisa Eranos

Mehr als lustig Die Orchesterwerke von Otto Nicolai

AUSGABE 2009/3 7

CLASS a k t u e l l

‚‚Principal Sound“ – der Titel eines Werkesvon Morton Feldman ist gleichzeitig Über-schrift und Programm einer CD, die kürz-lich bei dem auf zeitgenössische Musik

spezialisierten Label Edition Zeitklang erschien.Organist Bernhard Haas, der u. a. bei LudgerLohmann, Michael Schneider und ZsigmondSzathmáry studierte und ein ausgewiesener Inter-pret zeitgenössischer Musik ist (obwohl seineRepertoireliste mit Sweelinck beginnt), ist seit1994 Professor für Orgel an der StaatlichenHochschule für Musik und darstellende Kunst inStuttgart. Er spielt an einem für die WiedergabeNeuer Musik wunderbar geeigneten Instrument,der 2004 erbauten Rieger-Orgel im Essener DomWerke von Ferneyhough, Feldman, Scelsi undXenakis. Und dies in solcher Qualität (was Inter-pretation und Aufnahme betrifft), dass die Ein-spielung (EZ 35033) in die Vierteljahresliste desPreises der deutschen Schallplattenkritik aufge-nommen wurde. Dies ist nicht das erste Mal, dasseiner „Zeitklang“-CD diese Ehre widerfuhr –Anlass genug, mit dem Gründer und Inhaber desLabels, Bernfried Pröve, über seine Arbeit undseine Zielsetzungen zu sprechen.

CLASS: Herr Pröve, wie und wann kam eszur Labelgründung der „edition zeitklangMusikproduktion“?

Bernfried Pröve: Die edition zeitklangMusikproduktion wurde von mir 1997 zu demZweck ins Leben gerufen, zeitgenössische Musikauf breiter Basis in Form von Interpreten- undEnsembleporträts sowie Komponistenmono-grafien zu fördern und gleichzeitig neue, inno-vative Entwicklungen wie z.B. die Entwicklungdes 1/16 Ton-Klaviers der Fa. Sauter / Spaichingenzu dokumentieren.

Ich habe selbst als Komponist immer wiederEnde der 90er Jahre erleben müssen, wie wenigInteresse von Seiten der Majors an experimen-teller, neuer Musik bestand, so dass ich michkurzerhand entschloss, hier Abhilfe zu schaffen.

Was sind die „Highlights“ innerhalb Ihrerzwölfjährigen Tätigkeit als Labelchef?

Bereits nach der dritten erfolgreichen CD-Release lud mich im Jahr 2000 Peter Baumgart,der damalige künstlerische Leiter des Deutschen

Wie sind die Ausblicke auf die nächstenJahre? Und wie begegnen Sie der Wirt-schaftskrise?

Nun, es ist wichtig, dem Kunden klarzu-machen, was für ein kultureller Wert in einerCD oder DVD steckt. Welcher Kunstsinn undwelches Kunstwerk dahinter steckt. Ich interes-siere mich stark für bildende Kunst und binimmer wieder fasziniert, wenn Grafik/Gestal-tung, Musik, Text, Dramaturgie bei einer CD-Produktion so zusammenwirken, dass ein wirk-liches Kunstwerk daraus wird, welches insbe-sondere auch „haptische“ Qualitäten besitzt.

Da wir in unserer Labelagglomeration von 4 Labels mit unterschiedlichster musikalischerAusrichtung auch ein Tonstudio in Berlin undAdenbüttel b. Braunschweig (www.pmp-studios.de)hinzukauften, konnten wir Gott sei Dank derKrise trotzen. Zudem ist die edition zeitklangMusikproduktion vertriebsmäßig weltweit breitaufgestellt und in fast allen Ländern im CD-Han-del oder im Versandhandel und über die Home-page zu erwerben.

In der heutigen Zeit bewährt sich in jederBeziehung Qualität auf höchstem Niveau gepaartmit dem richtigen Riecher für innovative Pro-dukte, die dem Markt angepasst sind und demKunden einen unvergesslichen Musikgenussbereiten sollen.

In Zukunft werden wir uns auch verstärktfür Weltmusik und Jazz (insbesondere inZusammenarbeit mit dem Jazzpianisten MatthiasClaus und dem New Heaven Jazz-Quintett) ein-setzen als auch unserer Devise treu bleiben das „BESONDERE“, das „UNGEWÖHNLICHE“ zufördern um uns auch als Jazzlabel einen inter-nationalen Ruf zu erwerben.

Pavillons auf der EXPO 2000,ein, sein Projekt LIED:STRAHL– (Zeitgenössische Klavierlie-der) auf 3 CDs herauszubringen.Mit einem Mal stand das Labelim Mittelpunkt der Öffent-lichkeit und die Edition wur-de von Dr. Margarete Zander, Redakteurin beim RBB undNDR als herausragendste Neu-veröffentlichung des Jahre 2000 bewertet.

Mittlerweile betreue ich jetzt 4 Label (Com-posers Art Label, Master Arts records, The angelsvoice, edition zeitklang Musikproduktion) undbetreibe zusammen mit den Tonmeistern UlrichKatzenberger und Leo Weiß die PMP-Studios(Professional Music Production Studios) fürKammer-, Film- und Orchestermusik.

Innerhalb von 12 Jahren haben wir nahezu70 CD Titel produziert, u.a. mit dem Gustav-Mahler-Jugendorchester, dem modern art sextet,dem Ensemble musica viva, dem Ensemble S,dem Ensemble ESTEBAN und anderen. Wirarbeiten mit drei Grafikbüros zusammen undhaben eine feste Übersetzerin und eine Lektorin.

Die absoluten Highlights sind die Zuerken-nung von drei Schallplattenpreisen: 2005 – KrairosQuartett (EZ-19017) mit Streichquartetten vonGeorg Friedrich Haas. 2007 – Ensemble S (EZ-20022) mit „Le noire de l‘étoile” für sechsSchlagzeuger und 2009 – Bernhard Haas: Principal Sound, entstanden in Zusammenarbeitmit dem WDR in Köln (Redaktion Harry Vogt).

Principal Sound

EZ 35033 / Edition Zeitklang

Bernhard Haas

Bernfried Pröve

8 AUSGABE 2009/3

Wechselspiel und Bogenwechsel Cellokonzerte von Duport neu entdeckt

Die 21 Etüden von Jean-Louis Duportgehören zum Standardrepertoire jedesaufstrebenden Cellisten. Peter Hörrüberrascht uns nun auch noch mit drei

Konzerten für Violoncello und Orchester des fran-zösischen Komponisten aus der zweiten Hälfte des18. Jahrhunderts, die bis vor kurzem in den Archi-ven schlummerten. Mit der „Hofkapelle Weimar“hat der äußerst vielseitige Musiker diese Werke alsDirigent und Cellist nun erstmals eingespielt.

Jean-Louis Duport, 1749 in Paris geboren,war einer der berühmtesten Cellisten seiner Zeit.Zu verdanken hat er diese Entwicklung seinemacht Jahre älteren Bruder und Lehrer Jean-Pierre,der ein anerkannter Cello-Virtuose war. Mit 17debütierte Jean-Louis im „Concert spirituel“.Später lernt er den berühmten italienischen Geiger Viotti kennen, der ihm zu einem Auftrittvor Königin Marie Antoinette verhilft. Die fran-zösische Revolution zwingt ihn 1789, seine Hei-matstadt zu verlassen. Er folgt seinem Brudernach Berlin, um als Kammermusiker in derköniglichen Hofkapelle und Solocellist an derBerliner Oper zu wirken. Die napoleonischenKriege setzen auch dieser Etappe ein Ende.Duport geht auf Konzertreisen, erhält ein Enga-gement an der Münchener Hofkapelle und kehrt1806 nach Paris zurück, wo er bis zu seinemTod in der Hofkapelle Ludwigs XVIII. und alsProfessor am Konservatorium wirkt.

Die drei Cellokonzerte gehorchen der klas-sischen Form in drei Sätzen mit Allegro, einem

langsamen Mittelsatz und einem Rondeau. Sieverlangen vom Solisten häufig in der Diskant-lage eine so hochvirtuose Technik, dass sie wo-möglich allein deswegen nicht so oft gespieltund schließlich übersehen wurden. Aber was für eine Fülle von Affekten und Gefühlsregungenliegen in diesen sich selbst quasi auf den Leibkomponierten Solopartien, die von einem mitwenigen Bläserstimmen ergänzten Streichorches-ter farbig und aufmerksam kontrastiert werden.

Peter Hörr ist ein würdiger Nachfolger desfranzösischen Cellovirtuosen. Der musikalischeSenkrechtstarter hat sich nicht nur als Solist undKammermusiker einen Namen gemacht, er ist auchein sehr angesehener Hochschullehrer, dessen

Jean-Louis Duport (1749-1809)Konzerte für Violoncello und OrchesterKonzert Nr. 4, 5 & 6Peter Hörr, Violoncello und LeitungWeimarer HofkapelleMDG 943 1581-6 (Hybrid-SACD)

Meisterkurse monatelang im Voraus ausgebuchtsind. Hörr ist Gründungsmitglied des weltweiterfolgreichen Mozart Piano Quartet. Seit 2008leitet Peter Hörr die „Hofkapelle Weimar“, inder sich junge, inspirierte Künstler führender

Musikhochschulen und Orchester zusam-menfinden, und die hier ein feines Debütbravourös absolvieren. Im Rahmen desvon ihm gegründeten Kammermusikfesti-vals „Westfalen Classics“ tritt Hörr regel-mäßig mit seinen Freunden vom Ma’alotBläserquintett, dem Waldsteinquartettoder dem Mozart Piano Quartett auf.

Thomas Trappmann

Aktuelle Konzerte:

18. 09. 2009 Warstein, Elisabethkirche

19. 09. 2009 Soest, Hohnekirche

20. 09. 2009 Warstein, Elisabethkirche

20. 09. 2009 Lippstadt, Ev. Gymnasium

21. 09. 2009 Warstein, Elisabethkirche

22. 09. 2009 Körtlinghausen, Schloss

25. 09. 2009 Geseke, Barockkapelle Johann Baptist

26. 09. 2009 Lippstadt, Jacobikirche

27. 09. 2009 Körtlinghausen, Schloss

www.westfalenclassics.de

Mitwirkende Künstler: Alexander Baillie (Cello), ChristianWetzel (Oboe), Cora Irsen (Piano), Friedemann Eichhorn(Violine), Gernot Süssmuth (Violine), Hartmut Rohde (Viola),Henri Sigfridsson (Piano), Mark Gothoni (Violine), MartinSpangenberg (Klarinette), Mirijam Contzen (Violine), OlivierDarbellay (Horn), Paul Rivinius (Klavier), Peter Hörr (Cello),Quirine Scheffers (Violine), Stephanie Winker (Flöte), SzymonMarciniak (Kontrabass), Ulf-Guido Schäfer (Klarinette),Ulrich Eichenauer (Viola), Volker Grewel (Horn), VolkerTessmann (Fagott), Wolfgang Emanuel Schmidt (Cello)

Peter Hörr

AUSGABE 2009/3 9

CLASS a k t u e l l

In der ersten Folge der Schu-bert-Werke mit Julia Fischerund Martin Helmchen spie-len die beiden Jungstars dieSonaten D 384, 385, 408sowie das „Rondo Brillant“D 895. Die 1816 entstande-nen Sonaten sind trotz derJugend Schuberts wahreMeisterwerke und auch alssolche schon bei ihrer Er-scheinung wahrgenommenworden. Motive, Nebenthe-men und Übergänge zeigenganz deutlich, dass Schubertsein Publikum mit Neuemprovozieren und seine Kön-

nerschaft präsentieren wollte. Das Rondo betontganz bewusst die virtuose Seite der Violine –Schubert schrieb es 1826 für den offenbar hin-reißend spielenden Geiger Josef Slawjk.

Beim holländischen Label PentaTone werdenaußerdem drei weitere Neuaufnahmen veröf-fentlicht, die grandiose Werke mit herausra-genden Künstlern präsentieren. Die chinesischePianistin Sa Chen spielt ausdrucksstarke Charak-terstücke, die ihr selber sehr am Herzen liegen.Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“,„Die Nacht auf dem kahlen Berge“ und die „Six Études tableaux“ von Sergej Rachmaninoff.Hinzu kommen zwei sinfonische Aufnahmen derWiener Klassik und der Spätromantik: Ludwigvan Beethovens Sinfonien Nr. 2 & 6 mit demRoyal Flemish Philharmonic unter der Leitungvon Philippe Herreweghe wurden im Februardiesen Jahres aufgenommen. Im Herbst 2008spielten das Pittsburgh Symphony Orchestra mitdem Dirigenten Marek Janowski „Die Alpensin-fonie“ und „Macbeth“ op. 23 von Richard Strauss.Der Konzertmitschnitt und alle anderen Neu-aufnahmen bei PentaTone erscheinen selbstver-ständlich wieder in SuperAudio-Klangqualität.

Marike Hasler

Volume 2 der Werke für Violine und Klavier vonFranz Schubert mit Julia Fischer und Martin Helm-chen erscheint vorraussichtlich im Frühjahr 2010.

Julia Fischer und Martin HelmchenEin Kammermusikduo par excellence

‚‚I ch beschäftige mich ausschließlich mit Mu-sik”, erklärte Stargeigerin Julia Fischer ineinem Spiegel-Online Interview. Neben 80 bis

90 Konzerten im Jahr, zahlreichen CD-Aufnahmenund natürlich ihrer Professur an der FrankfurterMusikhochschule, scheint im Leben der Stargei-gerin tatsächlich kaum noch Platz zu sein fürandere Aktivitäten. Davon profitieren ihre Schülerebenso wie die zahlreichen Konzertgänger, dieihre ausverkauften Konzerte stürmen.

Diese Ernsthaftigkeit an der Musik offenbartsich auch in den CD-Aufnahmen der jungen Musikerin, die regelmäßig mit Preisen geehrtwurden. Einen weiten Bogen umspannen die bei PentaTone erschienenen Einspielungen, vonBachs Solosonaten über Mendelssohn Klavier-trios bis hin zu russischen Violinkonzerten.Mozart, Brahms, Tschaikowsky: große Konzertestanden bislang im Mittelpunkt. Jetzt setzt JuliaFischer einen Glanzpunkt ganz anderer Art:Werke für Violine und Klavier von Franz Schubertpräsentiert sie gemeinsam mit dem PianistenMartin Helmchen. Die beiden jungen Künstlersind seit vielen Jahren Kammermusikpartnerund traten mit den unterschiedlichsten Program-men gemeinsam auf. Martin Helmchen weisteine reiche Kammermusikerfahrung mit großenWeltstars vor, der 2004 verstorbene Cellist BorisPergamentschikov war dabei einer seiner be-deutendsten Partner.

Sergej Rachmaninoff: 6 Etudes-Tableaux;

Mussorgsky: Bilder Einer Ausstellung, Nacht

auf dem Kahlen Berg; Rimsky-Korssakoff

Sa Chen, Piano

PT

C 5

18

63

39

Ludwig van Beethoven: Sinfonien 2 & 6

Royal Flemish Philharmonic

Philippe Herreweghe

PT

C 5

18

63

14

Codaex Deutschland GmbH

Landsberger Str. 492

81241 München

[email protected]

PT

C 5

18

63

35

Richard Strauss: Eine Alpensinfonie, Macbeth

Pittsburgh Symphony Orchestra

Marek Janowski

Franz SchubertVollständige Werke für Violine und PianoJulia Fischer, ViolineMartin Helmchen, PianoPTC 5186347

Anton Bruckner (1824-1896) Messe in e-Moll und MotettenSWR Vokalensemble StuttgartMitglieder des Radio-Sinfonie-orchesters Stuttgart des SWRMarcus Creed, Leitung Best.-Nr. 93.199 SWR music / hänssler CLASSIC (SACD)

Für seine SACD mit der e-Moll-MesseBruckners und einigen von dessen frühenMotetten ist das SWR VokalensembleStuttgart mit dem Preis der DeutschenSchallplattenkritik 2008 /3 und demEcho Klassik 2009 als bestes Ensemblesdes Jahres ausgezeichnet worden. Zuvorjubelten bereits die Kritiker über dieseAufnahmen, die bestens geeignet seien,„jenes nicht nur in angelsächsischen Ländern verbreitete Vorurteil zu entkräf-ten, wonach der Musik Bruckners eingründerzeitlich-pompöser Zug anhafte“.

Gerade anhand der hier aufgenom-menen Chorwerke lässt sich der Beweisführen, dass Bruckner nicht der „Hinter-wäldler“ war, als den ihn seine Zeitge-nossen ansahen. Die e-Moll-Messe, diefrühen Motetten wie auch jene aus Bruckners Reifezeit sind geprägt vonBruckners Erfindungskunst in SachenKlangfelder, von sorgsam miteinanderverwobenen repetitiven Mustern und von hoch differenzierter Dynamik. DieseKunst wiederum fand die Neue ZüricherZeitung mustergültig ausgeführt in derAufnahme des SWR Vokalensembles Stuttgart unter der Leitung seines Chef-dirigenten Marcus Creed: „Das Ensemblepflegt einen sehr warmen und zugleichäußerst geschmeidig verblendeten Chor-klang, der selbst dann nichts von seinerHomogenität einbüßt, wenn die starkendynamischen Kontraste der Musik aus-gereizt werden.“

Olivier Messiaen (1908 - 1992)Die Werke für Orchester SWR Sinfonieorchester Baden-Badenund FreiburgSylvain Cambreling, LeitungBest.-Nr. 93.225 SWR music / hänssler CLASSIC(8 CDs)

Im Dezember vergangenen Jahres feierte die Musikwelt den 100. Geburtstageines ihrer außergewöhnlichsten Kom-ponisten: Olivier Messiaen. Er war tief-gläubiger Katholik, sechzig Jahre Organistan der Kirche La Trinité in Paris und leidenschaftlicher Vogelkundler, eineschillernde, unangepasste und unruhigePersönlichkeit. Seine Musik wurzelt inder Tradition Debussys und Strawinskys.Neben allen Raffinessen europäischer Or-chestrationskunst bediente sich Messiaenauch Klängen von Gamelan-Orchestern,verwendete transkribierten Vogelgesangund ließ ebenso mittelalterliche Grego-rianik einfließen.

Ein ganz besonderes Geburtstagsge-schenk hielt SWR music /hänssler CLASSICbereit. Auf 8 CDs präsentierte das LabelMessiaens Orchesterwerke erstmals miteinem einheitlichen gestalterischen An-satz: Sie wurden eingespielt von einemeinzigen Orchester – dem SWR Sinfonie-orchester Baden-Baden und Freiburg –unter einem interpretatorisch verantwort-lichen Dirigenten – Sylvain Cambreling.

Das Orchester ist seit 60 Jahren engmit Messiaens Musik verbunden. SylvainCambreling, der für diese Einspielung als „Dirigent des Jahres“ mit dem ECHOKlassik 2009 geehrt wurde, ist ein großerKenner neuerer und neuester Musik und bestens vertraut mit französischerKlanglichkeit.

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Instrumentalist des Jahres / Trompete Dirigent des Jahres

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Ensemble des Jahres

SpitzenreiterWolfgang Bauer: Instrumentalist des Jahres / Trompete

offenbar mühelos bis in die entlegendstenLagen brillanten und geschmeidigen Ton.Das von ihm gegründete Ensemble ist nichtminder ambitioniert wie er selbst, der fürseine Einspielungen der Konzerte von Jo-seph und Michael Haydn und der Konzertevon Johann Christian und Johann WilhelmHertel hervorragende internationale Re-zensionen – und den diesjährigen Echo-Klassik-Preis erhielt. Herzliche Gratulation!

Vassily (Willy) Brandt (1869-1923)Konzertstück Nr. 1 + 2Ländliche Bilder für 4 TrompetenWiegenlied op. 14Oskar Böhme (1870-1938)Konzert op. 18 / Bläser-Sextett op. 30 Russischer Tanz op. 32 MDG 901 1577-6 (Hybrid-SACD)

Johann Christian Hertel / Johann Wilhelm Hertel Trompetenkonzerte und SinfonienWolfgang Bauer, Trompete Christian Wetzel, OboeWürttemb. Kammerorchester HeilbronnMDG 601 1499-2 (CD)MDG 901 1499-6 (Hybrid-SACD)

Anfang des 20. Jahrhunderts demons-trierten Oskar Böhme und Willy Brandt in den führenden Orchestern von SanktPetersburg und Moskau den hohen Aus-bildungsstand deutscher Musiker. An rus-sischen Konservatorien waren die beidenSolo-Trompeter gern gesehene Lehrer, diesich glücklicherweise auch mit eigenenKompositionen einen Namen machten.Wolfgang Bauer und seine Ensemblekol-legen haben mit dem Pianisten Oliver Triendl einige ihrer Werke aufgenommen.

„Niemand ist ihm in Kraft, Schönheitund lyrisch-dramatischem Spiel gleich“,urteilte ein Kritiker über Vassily (Willy)Brandt, der sein Instrument so virtuos be-herrschte, dass er im Moskauer Bolschoi-Orchester sofort eine Stelle bekam. SeineEtüden gehören zum Standard eines jedenTrompeters, seine Ländlichen Bilder lassenrussische Volksweisen auf faszinierendeWeise mit deutscher Trompeten-Quartett-Tradition verschmelzen.

In den drei Jahrzehnten in Sankt Petersburg wirkte Oskar Böhme als 1. Trompeter der Kaiserlichen Hofoper,als Lehrer und Komponist, der – nebenhalsbrecherischem Virtuosenfutter in sei-nen Konzerten – leicht zu spielende undschnell populär werdende Charakter-stücke schrieb. Sein hier eingespieltesBläsersextett op. 30 zeigt ihn auch alsMeister der kammermusikalischen Form.

Wolfgang Bauer zählt zur Spitze derweltweit führenden Trompeter, auch dieseAufnahme ist gekennzeichnet durch seinen

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Wolfgang Bauer

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Classica CubanaPancho Amat, Tres / Anette Maiburg,Flöte / Joaquin Clerch, GitarreAlexander Raymat, PerkussionOmar Rodriguez Calvo, BaßMDG 910 1536-6 (SACD)

Anette Maiburg und Joaquin Clerch sinddie Basis der Classica- Reihe bei MDG. Eineraffinierte Verbindung von klassischer Mu-sikausbildung und die Öffnung zur Musikder Welt ist die Besonderheit ihrer musi-kalischen Sprache. Mit „Classica Cubana“und dem unvergleichlichen kubanischenTres-Spezialisten Pancho Amat hatten diebeiden Musiker einen Überraschungs-erfolg erzielt, der prompt mit einem „EchoKlassik“ belohnt wurde. Und jetzt „Argen-tinia“. Argentinien ist Tango und Tango istPiazzolla. Dabei war der Tango-Spezialistwährend seines Studiums drauf und dran,seine musikalische Vita über Bord zu wer-fen, um sich ganz der europäischen klas-sischen Musik zu widmen. Es ist der Weit-sicht seiner Kompositionslehrerin NadiaBoulanger zu verdanken, dass sie ihn vordiesem Schritt bewahrte und ihm riet, seineWurzeln keinesfalls zu verleugnen…

Besondere Farbtupfer verleihen in die-sem Fall das Cellospiel von Guido Schiefenund die rassige Alt-Stimme von FranciscaBeaumont, mit der die enorm wandel-baren Werke von Astor Piazzolla immerwieder in einem neuen Licht erscheinen.

Durch die raffinierte Reihenfolge derStücke ist der Zuhörer immer wieder vonneuen Höreindrücken überrascht. Her-ausragend die Balladen für Altstimme,Gitarre und Cello. Aber auch die Tango-Etüden für Flöte solo oder die Solo-Stücke für Gitarre erhalten in dieser Ab-folge immer wieder neue Facetten undBlickwinkel. Es ist stets spannend, genauhinzuhören, denn auch die Musik wirkt soverführerisch, dass man ihr unwillkürlichim Dauerbetrieb lauschen möchte. Oderman wechselt zu Classica Cubana…

Der „Klassik ohne Grenzen”- Preis

Henri-Joseph RigelSymphonien Nr. 4, 7, 8, 10, 14Concerto Köln0016432BC / Berlin Classics

Concerto Köln ist seinem Ruf als Ent-decker aufsehenerregenden Repertoiresmit dieser Aufnahme erneut nachgekom-men: Das Ensemble entreißt mit dieserAufnahme die französischen Sinfoniendes Komponisten Henri-Joseph Rigel derVergessenheit. In vielfältiger Weise spie-geln diese Werke eine revolutionäre Zeitwider, in der sich bei allen großen gesell-schaftlichen Umwälzungen auch erstmalsein reges bürgerliches Konzertleben ent-wickelte. Bei den neuartigen „Concertsspirituels“ spielte Rigel, der im Jahr 1767aus Deutschland nach Paris kam, einebedeutende Rolle und konnte dem Stilder Zeit eine Facette hinzufügen, die beimPariser Publikum sehr gut ankam. Hörtman Rigels Symphonien, erscheint eskaum nachvollziehbar, warum seineMusik je Vergessenheit geraten konntenund bis jetzt unbekannt bleiben konnte.Tatsächlich grenzt ein solcher Trefferangesichts der Flut an mal mehr, malweniger spannenden Entdeckungen derletzten Jahrzehnte fast an ein Wunder.Rigel überzeugt durch eine Vielfalt anStimmungen und Farben, die von einembloßen Erfüllen konventioneller Formenmeilenweit entfernt ist. Die erstaunlicheKreativität Rigels transportiert ConcertoKöln mit unnachahmlicher Verve undstellt dem Hörer damit ein in jeder Hin-sicht frisches Repertoire vor.

Sinfonische Einspielung desJahres / 18. Jahrhundert

Nachwuchskünstler des Jahres

Inzwischen legte der hochbegabtejunge Pianist seine zweite Aufnahme vor –erneut auf einem bisher nicht dokumen-tierten, hervorragend restaurierten 235cm Ignaz Bösendorfer-Flügel aus demJahr 1849/50, den der in Wien lebendeSammler Gert Hecher zur Verfügung stellte. Was für ein Konzept. Kompliment!Und weiter so!

Johannes Brahms Frühe Klavierwerke Vol. 2Sonaten op. 1 + 5Hardy Rittner, Ignaz Bösendorfer-Flügel 1849/1850 aus der Sammlungvon Gert Hecher, WienMDG 904 1538-6 (Hybid-SACD)

Johannes Brahms Frühe Klaviermusik Vol. 1Sonate Nr. 2 op. 2Variationen op. 9, Balladen op. 10Hardy Rittner, Flügel von Johann Baptist Streicher 1851 ausder Sammlung von Gert Hecher, WienMDG 604 1494-2 (CD)MDG 904 1494-6 (Hybrid-SACD)

In den Katalogen mangelt es wahrlichnicht an Brahms-Einspielungen. Dennochgibt MDG diesem hochbegabten jungenPianisten die Chance, sich mit den frühenKlavierwerken von Johannes Brahms zupräsentieren. Hardy Rittner nutzt dieseGelegenheit und entführt den Hörer vonBeginn an in die faszinierende Klangwelteines historisch exakt passenden Flügels,der bisher noch nicht aufgenommen wurde.

Der Star dieser Aufnahme scheint der originale Flügel von Johann Baptist Streicher aus dem Jahr 1851, der genaudie Klangwelt des jungen Brahms reprä-sentiert. In hervorragendem Erhaltungs-zustand – selbst ein Großteil der Saiten istoriginal! – überrascht er mit einer unerwar-teten Vielzahl an Klängen, einem leuchten-den Diskant und einem beeindruckendenBassregister. All das wurde in Mehrka-nal-Qualität auf SACD eingefangen. Wiescheinbar mühelos aber Rittner die spiel-technischen Widrigkeiten der WienerPrellmechanik mit feinstem Klangsinn,ungebremster Musizierlust und poetischerIntensität zu verbinden weiß, ist beein-druckend, und er wird völlig zurecht miteinem Echo-Klassik-Preis ausgezeichnet.

Hardy Rittner

Weiter so!Hardy Rittner: Nachwuchskünstler des Jahres

12 AUSGABE 2009/3

Josef Bohuslav Foerster (1859-1951)Sämtliche Sinfonien Vol. 1Sinfonie Nr. 1 + 2Sinfonieorchester OsnabrückHermann Bäumer, Ltg.MDG 632 1491-2

Angesichts des Klangreizes dieser Ein-spielung fragt man sich, wieso das sym-phonische Werk Foersters nicht längstschon umfassend für die Schallplatte oderden Konzertsaal entdeckt wurde. Dabeihandelt es sich um sehr schöne, demböhmischen Idiom huldigende Werke, dietonal zwischen sanfter Melancholie undsprühender Ausgelassenheit pendeln.

Das Sinfonieorchester Osnabrück unterLeitung von Hermann Bäumer hat sichdieser Pretiosen angenommen und darf sichnun über einen Echo Klassik Preis freuen.

Obwohl keine Programmmusik, reflek-tieren die Sinfonien durchaus persönlicheBegebenheiten, so ist die erste Sinfonie1888 im Andenken an die Mutter kompo-niert. Die zweite Sinfonie entstand 1890kurz vor der Abreise nach Hamburg imAndenken an seine verstorbene Schwester.

Hier entstehen wunderbare Stimmungs-bilder von monumentaler Weite und bro-delnder Spannung, der Trauermarsch wirdeinem böhmisch heiteren Allegro-Scherzogegenübergestellt, das dumpfe Grollen dergroßen Trommel weicht gegen Ende einemätherischem Klang voller Zuversicht…Kein Zweifel, warum Mahler diesen Kom-ponisten so sehr schätzte.

In der Mitte seines Lebens gelang JosefBohuslav Foerster übrigens sein Meister-stück: Die vierte Sinfonie des böhmischenKomponisten ist sicher sein ambitionier-testes Werk. Zusammen mit der drittenSinfonie rundet sich auf dem inzwischenauch erschienenen Vol. 2 eindrucksvolldas Bild des Komponisten. Ein spannen-des Sujet, dem sich Dirigent und Or-chester mit Hingabe widmen.

Dietrich BuxtehudeOpera Omnia Vol. 7 Vocal works Vol. 3 Ton Koopman & Amsterdam Baroque OrchestraMiriam Meyer, Bettina Pahn,Johannette Zomer, Bogna Bartosz,Patrick van Goethem, Hugo Naessens,Jörg Dürmüller, Andreas Karasiak,Donald Bentvelsen, Klaus Mertens CC72246 / CHALLENGE CLASSICS (2 CDs)

Nach dem Abschluss der Bachkantaten-reihe, begann Ton Koopman im Herbst2006 mit der Aufnahme sämtlicher Werkevon Dietrich Buxtehude, der vielen alsVorläufer Bachs gilt. Ton Koopman, derPräsident der Internationalen DieterichBuxtehude Gesellschaft zu Lübeck ist,gelingt es, ihn endlich als den eigenstän-digen Musiker zu zeigen, der er ist undihn als Originalgenie zu würdigen.

Die mit dem Echo Klassik 2009 ausge-zeichnete Buxtehude-Folge enthält u.a.sechs Weltersteinspielungen mit Kompo-sitionen, die munter theatralische unddramatische Elemente mit anspruchs-voller Kirchenpolyphonie mischen.

Ton Koopman lässt diese einzigartigschönen Werke wie immer sehr agil musi-zieren und achtet auf eine nuanciertemusikalische Artikulation. Auch die vor-zügliche Sängerriege legt sehr viel Wertauf die Verständlichkeit der Texte, agiertdabei sehr ausgewogen und homogen.

Koopmans Lesart bringt uns die Innig-keit der Kompositionen auf vorbildlicheWeise nahe, nicht zuletzt durch die sinn-fällige Darstellung des kompositorischenAffektgehalts, die der an sich ernstenMusik eine heitere Gelassenheit verleiht.

Filia praeclaraEnsemble PeregrinaCDX-70603 / Divox

Schwerpunkt der vorliegenden CD bildet Musik des 13. und 14. Jahrhun-derts aus polnischen Klarissenklöstern.Die klösterliche Gemeinschaft um die1255 heilig gesprochene Clara wurdegegründet als eine Art Konvent ohneOrdensregel, der gemäß Weisungen desFranziskus von Assisi in absoluter Armutlebte. Mit Unikaten aus den Fragmentendes sogenannten „Magnus Liber”, lässtdas Ensemble Peregrina die vielschichtigeGeistes- und Klanglandschaft dieser Klös-ter auf subtile Weise aufleben. Insbe-sondere erwähnens- und hörenswert sindRaritäten dieses Programmes, darunterdie beiden Werke „{Stella naufraganti-um} et via regens devium“ und der Con-ductus „Omnia benefica”.

Dieses sorgfältig und kompetentrecherchierte Programm ist AgnieszkaBudzinska zu verdanken. Sie hat Frag-mente aus einem der wenigen noch er-haltenen Exemplare des „Magnus Liber”,das Kinga von Ungarn (1224-1292) ge-hörte, im Kloster Stary Sacz in Südpolengesichtet und teilweise selbst für das vorliegende Ensemble rekonstruiert. Das„Magnus Liber” ist ein berühmtes Werk,in welchem Musiker der damals heraus-ragenden Sängerschule von Notre-Damein Frankreich prächtige polyphone Musikzusammengetragen und niedergeschrie-ben hatten. Abgerundet wird das auf derCD dargebotene Programm von einstim-migen Sequenzen für die heilige Klara,Patronin des Klarissenordens und weite-ren liturgischen Gesängen aus demUmfeld der Klarissen.

Sinfonische Einspielung des Jahres / 20. -21. Jh.

Chorwerk-Einspielung desJahres / 16. -17. Jh. (a cappella)

Marin MaraisSéméléOper Le Concert SpirituelHervé Niquet, DirigentGCD 921614 / Glossa (2 CDs)

Die schöne Tochter des Königs vonTheben, Semele, war eine der vielen Lieb-schaften des Zeus’, die dieser in mensch-licher Gestalt mit schönen sterblichenFrauen hatte. Zeus’ eifersüchtige GattinHera nährte Zweifel bei Semele, dass Zeusgar nicht der Gott Zeus sei, und riet ihr,von Zeus zu verlangen, dass er sich ihr inseiner wahren göttlichen Gestalt zeigensolle. Der verzweifelte Zeus versuchte ver-geblich, ihr diesen Wunsch auszureden.Semele bestand auf der Erfüllung desWunsches, nicht wissend, dass kein Sterb-licher den Anblick überleben würde. Dasgleißende Licht des Gottes vernichteteSemele wie ein Blitz. Hermes rettete dasungeborene Kind aus ihrem Leib undZeus nähte es sich in seine Hüfte ein. DreiMonate später brachte er es selbst zurWelt, und so wurde der Gott Dionysosgeboren.

Bereits 1709 wurde das Sujet vonMarin Marais (1656-1728) mit Erfolg alsTragédie en musique für die Académieroyale de la musique vertont. Die MusikMarais’ begeistert mit prächtigen Chor-szenen, intimen Airs und mitreißendenTänzen. Hervé Niquet räumt mit dieserverdienstvollen Produktion einmal mehrmit dem immer noch häufig zu lesendenFehlurteil auf, in den Jahrzehnten zwi-schen Lullys Tod und Rameaus ersterOper hätte es in Frankreich keine bedeu-tenden Bühnenwerke gegeben.

Operneinspielung des Jahres / 17. -18. Jh.

Chorwerk-Einspielung desJahres /16.-17. Jh. (accompagnato)

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AUSGABE 2008/3 13

CLASS a k t u e l l

Ernst PeppingPassionsbericht des MatthäusRundfunkchor Berlin Stefan Parkmann, DirigentCOV 40802 / Coviello Classique (Hybrid-SACD)

Der Passionsbericht des Matthäus warfür Ernst Pepping (1901-1981) eine Artmusikalische Vergangenheitsbewältigung:Das Leiden Christi wird 1949, also nurkurze Zeit nach dem Ende des zweitenWeltkrieges und des Holocausts, zur Pro-jektionsfläche für die damals für vielenoch unaussprechliche und unbeschreib-bare Katastrophe der jüngsten deutschenVergangenheit. Das verfehlte seine Wir-kung bei Publikum und Kritik natürlichnicht. Das Berliner Volksblatt schriebseinerzeit nach der Uraufführung: „Nichtnur wegen des modernen Klangstils istdas Werk gegenwartsnah, sondern mehrnoch verleiht die schonungslose Aus-drucksintensität, in der das abgründigeSchicksal der Gegenwart durchbricht,Peppings Passionsgeschichte eine innereaufrüttelnde Aktualität.“ Stefan Parkmanund der Rundfunkchor Berlin sorgendafür, dass Peppings Passionsberichtauch in unserer heutigen Zeit noch auf-zurütteln weiß. Die Arbeit des Rund-funkchors Berlin wurde vor kurzem nichtnur mit einem Grammy für die Einspie-lung von Brahms’ „Ein deutsches Re-quiem“ in der Kategorie Chormusikgewürdigt, sondern erhielt jetzt für dievorliegende Einspielung auch den ECHOKLASSIK 2009 für die beste Chormusik-Einspielung.

Chorwerk-Einspielung desJahres / 20. -21. Jh. (a cappella)

Joseph HaydnAuryn’s Haydn: op. 1Sämtliche StreichquartetteVol. 1 von 14op. 1 nos. 1 – 6Auryn QuartetTACET 0167-0 (2 CDs)TACET 0167-3 (DVD-Audio)(Surround Sound)

Der Echo Klassik 2009 kommt fürdiese Einspielung wie gerufen: zum 20-jährigen Firmenjubiläum der TACET-Musikproduktion; 20 Jahre, die eineErfolgsgeschichte sind. Andreas Spreer,Musiker, Diplom-Tonmeister und Inhabervon Tacet produziert grandiose, aufre-gende CDs, LPs, SACDs und DVD-Audios.Viele Auszeichnungen kann das Unterneh-men vorzeigen, und mit dem Echo Klassikist ein weiterer Höhepunkt erreicht.

Für die jetzt ausgezeichnete Joseph-Haydn-Produktion – als erstem Teil einerGesamtaufnahme aller Haydn-Streich-quartette – liegen bereits von vielen Sei-ten hochkompetente begeisternde Be-sprechungen vor. Cristof Jetzschke in„Klassik heute“: „Zweifellos ein höchstverheißungsvoller Auftakt, mit dem sicheine exzellente Haydn-Kompetenz ankün-digt, vergleichbar der Meisterschaft, diedas Auryn-Quartett in seinem Beethoven-Zyklus beweisen konnte.“ Oder JohannesSaltzwedel im KulturSpiegel: „Schon dieersten beiden Boxen verweisen mit ihrerLebendigkeit auch respektable Konkur-renz (...) auf die Plätze – Götterspeiseund Heidenspaß in einem (...)“. AndreasSpreer bekennt: „Hier offenbart sichHaydns Musik als ideale Sprache derWahrheit. Die Auryns musizieren wie essein sollte: männlich stark, klangschönund empfindsam (...)“.

Kammermusik-Einspielungd. Jahres / 17.- 18. Jh. (Streicher)

Max RegerCellosonaten, CellosuitenAlban Gerhardt, Markus BeckerCDA67581

Alban Gerhardt ist es im letzten Jahr-zehnt eindrucksvoll gelungen, sich unterden großen Cellisten unserer Zeit zu etab-lieren. Er spielt in den großen Konzert-sälen zwischen Tokio und New York undauf renommierten Festivals, seine interna-tionale Solo-Karriere führte ihn mit denwichtigsten Orchestern und vielen dergroßen Dirigenten unserer Zeit zusammen.

Gerhardt weiß durch einen anziehen-den vibrierenden Ton, eine profunde Musikalität und ein überlegenes techni-sches Können zu überzeugen. Sein Klangist unverwechselbar und seine Interpre-tationen zeichnen sich durch höchste Originalität aus.

Vor drei Jahren startete der Cellist einelangfristig angelegte Zusammenarbeit mitHyperion. In der neu konzipierten Reihe„Das romantische Cellokonzert“ stellte erin den ersten beiden Folgen Konzerte vond’Albert, Dohnanyi, Enescu, Schumann,Gernsheim, Volkmann und Dietrich vor. Aufseiner zweiten Kammermusik-CD fürHyperion präsentiert Gerhardt nun MaxReger. Neben den vier Cellosonaten sindauch drei an Bach orientierten Cellosuitenaus dem Jahr 1915 zu hören, die zu denschwierigsten Solo-Werken für diesesInstrument zählen. Eine Herausforderung,die Alban Gerhardt mit beeindruckenderBravour meistert.

Markus Becker ist die ideale Beglei-tung und unterstützt mit seinem feinfühli-gen Spiel diese ausgezeichnete Aufnahme.

Kammermusik-Einsp. d. Jahres /19. Jh. (Gem. Kammerensemble)

Der seit Jahrzehnten in Wien lebendeamerikanische Pianist und Spezialist fürHammerklaviere Richard Fuller hat imHaydn-Geburtshaus in Rohrau auf einemsolchen von Haydn verwendetenInstrument vier Sonaten des Komponisteneingespielt.

Haydn - 4 KlaviersonatenRichard Fuller

CD GRAM98847

Das junge Renaissancemusik-Ensemble„Mikado“ um die Blockflötistin Maja Osojnik,die 2008 als „Bank Austria Artist of the Year“ausgezeichnet wurde, stellt Musik ausEngland zur Zeit von Königin Elisabeth I. vor.Inhalt ist vor allem der Liebesdiskurs, derauch als Spiegel der Zeit zu verstehen ist.

Can She Excuse?Ensemble Mikado

CD GRAM98850

Das Ensemble “Concertino Amarilli” mit derSopranistin Marelize Gerber unter der Leitungder Cembalistin Ulli Nagy präsentiert italieni-sche Barock-Kantaten, in denen wir die fiktiveWelt der Schäferinnen und Schäfer, derNymphen und Satyrn als Kunstfiguren wie-derfinden.

Amor hai vinto Concertino Amarilli

CD GRAM98856

Codaex Deutschland GmbHLandsbergerstrasse 49281241 Mü[email protected]

www.gramola.at

14 AUSGABE 2009/3

Mauricio Kagel: Der mündliche VerratFranz Schubert: Streichtrio B-Dur Nr. 1, D 471 & Nr. 2b, D 581Ein Kagel-Schubert-ProjektSax AllemandeB 108 038 / FARAO classics

Als Sax Allemande an Mauricio Kagelherantrat, die Möglichkeit zu prüfen, einStück für Saxophontrio zu komponieren,antwortete der Maestro er könne. Aberwann? Er sei auf Jahre ausgebucht. Doches existiere eine geeignete Komposition:‚Der mündliche Verrat’. „Ein szenischesWerk, für das ich zuallererst einen Kla-vierauszug geschrieben habe. Es sind aus-schließlich Charakterstücke von relativkurzer Dauer und ich bin überzeugt, dassman daraus eine gute Auswahl machenkönnte“, schrieb Kagel an Sax Allemande.

Die drei Künstler sind begeistert. Eskommt zu gemeinsamen Arbeitstreffen.Mauricio Kagel legt die Stimmverteilung fest,dann folgt der Feinschliff. Dynamik, Über-gänge und Tempi werden überarbeitet.

Die Idee einer Verbindung mit Schu-berts Musik war eine geniale Intuition vonMauricio Kagel. Zum einen ist das Projektdie exemplarische Einspielung eines Wer-kes von Kagel, zum anderen ein Experi-ment auf dem Gebiet der Wahrnehmungvon Musik. Wie sich die Klänge Schubertsund Kagels gegenseitig tangieren undbeeinflussen ist geheimnisvoll und faszi-nierend. Die Regie der Vernetzung vonSchuberts Triosätzen mit Kagels ver-störenden und unheimlichen Stücken ver-ändert das Hören von Schuberts Musik,und umgekehrt gewinnt man zu Kageldurch diesen synthetischen Zusammen-hang einen anderen Zugang.

Die Ersteinspielung eines gelungenenkompositorischen und konzeptionellenExperimentes!

Harald Genzmer (1909 bis 2007)Edition zum 100. Geburtstag CTH 2553Bella Musica Edition / Thorofon (Box mit 10 CDs)

Am 9. Februar 2009 wäre HaraldGenzmer 100 Jahre alt geworden.

„Wen die Götter lieben, der stirbt jung“sagte Plutarch. Aber waren Telemann,Richard Strauß, Carl Orff und Verdi vonden Göttern weniger geliebt – sie starbenalle weit über achtzigjährig und kompo-nierten große Musik bis in ihr hohes Alter.

Auch dem fast hundertjährigen HaraldGenzmer war es vergönnt, bis in seineletzten Lebensjahre Musik zu schreiben,die bleiben wird. Er war der letzte derHindemith-Schüler, blieb aber skeptischgegenüber allen Dogmen der Avantgardeund Esoterik und ging seinen ganz eige-nen Weg in unerschöpflicher Fantasie,Vitalität und Experimentierfreude.

Er schrieb sowohl Kompositionen, diein gut Hindemith’scher Tradition für denLaienmusiker gesetzt waren, als auchgroße und virtuose Werke. Dabei war seinMotto: „Musik soll vital, kunstvoll undverständlich sein: Als praktikabel mögesie den Interpreten für sich gewinnen, alserfassbar sodann den Hörer.“

Angesichts der Fülle seiner Komposi-tionen wäre es vermessen gewesen, zuGenzmers Gedenktag eine Gesamtausgabealler Werke herausbringen zu wollen (dieer wohl verdient hätte). Doch diese Aus-wahl auf zehn CDs gibt einen guten Ein-druck vom Umfang des gesamten Werk-schaffens von Harald Genzmers.

Er war einer von den Großen, undseine Musik macht Freude. Das ist wohldas Beste, was man über einen Kompo-nisten sagen kann.

SchubertPiano Sonata in A, D.959 6 Moments musicauxMartin Helmchen, KlavierPTC 5186329 / Pentatone

Lange assoziierte man mit dem NamenMartin Helmchen einen Musiker vongroßem Talent, der eher in der Kammer-musik zu finden war. Als dann im vergan-genen Jahr der junge Pianist seine ersteSolo-CD veröffentlichte, wurde klar: hierrückt ein Künstler ins Rampenlicht, derein herausragendes solistisches Profil ent-wickelt hat. Nun wird Martin Helmchenmit dem Echo-Klassik 2009 geehrt. Ererhält den Preis in der Kategorie „Solisti-sche Einspielung des Jahres (19. Jahrhun-dert)“ für seine CD mit Werken von FranzSchubert. Erschienen ist sein Solo-Album,wie bereits seine anderen Aufnahmenbeim Label PentaTone, das den jungenKünstler exklusiv unter Vertrag hat.

Martin Helmchen „nähert sich Schu-bert nicht von einer verkopft-analy-tischen, sondern von der empfindsamenSeite. Für Helmchen ist Schubert einKomponist der Einsamkeit und der Stille.„Was mir als allererstes einfällt”, schildertHelmchen, „sind diese ganz verstörendenPausen, in denen die Musik einfach insNichts läuft, einfach abrupt ins Leere,ohne dass irgend etwas übrigbleibt außerdieser schockierenden Stille”.

Neben der A-Dur-Sonate hat Helm-chen auch die sechs ‚Moments musicaux’eingespielt. Hier zeichnet sich ähnliches:ein inständiges, durchdachtes Schubert-Bild, das allen Äußerlichkeiten eine klareAbsage erteilt.

Helmchens Schubert-Spiel ist mallyrisch-intim, mal dramatisch-überbor-dend. Er nähert sich dieser Musik mitSorgfalt und drängender Ausdruckskraft.“

Kammermusik-Einspielungdes Jahres / 20.-21. Jh. (Bläser)

Solistische Einspielung des Jahres / 19. Jh. (Klavier)

Georg Friedrich HändelDie Klaviersuiten HWV 426-441Ragna Schirmer0016452BC / Berlin Classics

16 Suiten, und jede ein eigener musi-kalischer Kosmos. Dreieinhalb Stundenlauscht man gebannt, was dem barockenGroßmeister Händel alles von den Tastenin die Feder floß. Dieses Kompendiumkomplett auf einmal einzuspielen, unddabei jeder Suite, jedem Satz gerecht zuwerden, ist eine Herkulesaufgabe, dieRagna Schirmer im Sommer 2008 inAngriff nahm. Und dies auch noch in der Händelstadt Halle, in der sie seit Jahren lebt. So außergewöhnlich diesesProjekt, so überraschend auch die Reaktionen: Das Set mit drei CDs sorgtefür Aufsehen, die Händel-Suiten fandensich sogar in den Pop-Charts wieder, in denen sich sonst Madonna und Co.tummeln. Aber auch die kritische Zunftbefand, hiermit sei Ragna Schirmer dieeigentliche Überraschung zum Händel-Jahr gelungen. Und in der Tat erweckt sie diese Musik mit Einfühlungsvermö-gen, sicherem Stilgefühl und auch mitdem erforderlichen improvisatorischemKönnen zum Leben. Sie spielt auf einemmodernen Flügel und vermeidet dabei mit viel Geschick, den Klang des Cemba-los zu imitieren oder den des modernenInstruments unpassend auszureizen. DasErgebnis spricht für sich – und warumsoll, was bei Bach längst akzeptiert wird,nicht auch für Händels Musik gelten?

Solistische Einspielung des Jahres / 17.-18. Jh. (Klavier)

Editorische Leistung des Jahres

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AUSGABE 2009/3 15

CLASS a k t u e l l

Die Prinzessin und AfrikaKindergeschichtengeschrieben und gelesen von Arnold SchönbergCybele Hörbuch Wort&MusikSACD AB 005 / ISBN 978-3-937794-05-1

Diese SACD hat es in sich! Da sindzunächst die zwei Geschichten mit ihrerKomik in Wort und Rhythmus, die ArnoldSchönberg (1874-1951), der Meister derZwölfton-Musik, begeisterte Tennisspie-ler, Maler und liebende Vater einst seinenKindern erzählt hat. Alte Ton-Draht-Auf-nahmen mit nostalgisch-rauschendemUnterton haben seine Stimme bewahrt.Keckes Szenenspiel mit Kindern von heuteist als Pendant daneben gesetzt. DieGeschichten von der Prinzessin, die sichbeim Tennisspielen blaue Flecken holtund jammernd wieder und wieder ihrentumben Wolfsdiener ausschickt, umWärmflasche und Salbe zu holen, undauch die Szenen aus „Afrika“ als freches,witziges Jägerlatein sind allerdings nurSteinchen im kunstvoll gefügten Mosaikdieses Schönberg-Portraits.

Auch seine heute erwachsenen KinderNuria, Ronald und Lawrence kommendarin – original, mit ureigenem Zungen-schlag – zu Wort, erinnern sich an denVater und seine Geschichten. ErläuterndeZwischentexte liefert Mirjam Wiesemann.Es folgen noch Schönberg-Zitate, kinder-leicht aus Kindermund gesprochen. Dasalles umfassende Band aber ist Schön-bergs Musik. In historischen und neuenAufnahmen ist sie hier zu hören und fegt alle Skepsis gegenüber neuer Musikhinweg. Diese kunstvolle, schillernde(und wohl konkurrenzlose) Einführungmitsamt informativem Booklet weckt Neugierde bei Jung und Alt, nimmt Scheu. Sie öffnet Ohren für Wort undMusik, die voller Bilder sind! Schönbergwird darin lebendig.

„Klassik für Kinder”- Preis /Jugend

W. A. Mozart (1756-1791) Klavierkonzerte Vol. 4Konzerte KV 459 und 466Christian Zacharias, Klavier + LeitungOrchestre de Chambre de LausanneMDG 340 1529-2 (CD)MDG 940 1529-6 (SACD)

Was für ein Glück, dass MDG dieseAufnahme in einer mehrkanaligen Super-Audio-Version veröffentlichte. In demeigens entwickelten 2+2+2 Recordingentwickeln die Aufnahmen bei entspre-chender Wiedergabeanlage eine faszi-nierende natürliche Dreidimensionalität.Dass auch mit „einfacher“ Surround oderStereo-Wiedergabe hervorragende Klang-qualität geliefert wird, belegt auch dieseAufnahme wieder eindrucksvoll.

Kurz vor Weihnachten 1784 vollendeteMozart das F-Dur-Konzert KV 459. Einprägnantes Thema mit Marsch-Charakter,dann der langsame Teil und schließlichdas an Haydn erinnernde furiose Finale.Nicht zu Unrecht sah man in der Leiden-schaftlichkeit des Gestus und dem durch-aus tragischen Tonfall von KV 466 eineVorausahnung des Don Giovanni, was kei-neswegs nur durch die gleiche Grundton-art bestimmt ist. Und jetzt höre man sichmal die raffinierte Kadenz an, die ChristianZacharias sich hierzu hat einfallen lassen!

Mit ungemeiner Intensität und Aus-druckskraft hat sich Christian Zachariasund sein Orchestre de Chambre de Lausan-ne einmal mehr in das Repertoire versenkt.Seit 12 Jahren arbeitet der Dirigent, Pianistund Kammermusiker mit MDG zusammen,eine exklusive Partnerschaft, die in jederHinsicht nur herausragende Produktionenerzeugte. Zuletzt ein Echo-Preis 2008 fürdie solistische Einspielung des Jahres fürVol 3, jetzt in 2009 ein Echo Preis für dieSurround-Einspielung des Jahres belegeneindrucksvoll den wichtigen Zusammen-hang von hervorragender Aufnahme undherausragender Interpretation.

Kammermusik-Einspielungd. Jahres / 17.- 18. Jh. (Streicher)

Fritz Busch und DresdenEdition Staatskapelle Dresden diversePH07032 / Profil Edition G. Hänssler 4er Box (3CD+1 DVD+ Begleitbuch)

Zehn Jahre lang hat er die StaatskapelleDresden musikalisch geleitet, als Nachfolgerdes legendären Ernst von Schuch. ZehnJahre lang war er auch Direktor Semper-oper. Dabei hatte er gearbeitet „wie einTier“, ging eigentlich nur zum Schlafen nachHause, was ihm selbst seine politischenGegner bescheinigten. Fritz Busch hat inder Dekade seiner künstlerischen Tätig-keit in Dresden erstaunliches geleistet undtrotz aller Erfolge kam für ihn am 7. 6.1933 das „Aus“: Wegen Verkehr mitJuden und wegen der Verweigerung derHakenkreuz-Beflaggung am Opernhauswurde der Dirigent und Direktor ausallen Ämtern gejagt und zur Emigrationgezwungen, nur wenige Wochen nach derMachtübernahme der Nazis.

Heute – 75 Jahre nach den skandalö-sen Ereignissen von Dresden ist dieserdunkle Punkt endgültig historisch fun-diert aufgearbeitet worden: Eine späteWiedergutmachung mit einer einzigarti-gen Dokumentation auf 3 CDs, 1 DVD undeinem 192 Seiten starken Begleit-Buchenthält den vollständigen musikalischeNachlass von Fritz Busch.

Auf der DVD finden sich, nebenGrußworten z. B. von Sir Colin Davis auchdie Ansprache von Giuseppe Sinopoli, der1999 den Maestro um Vergebung für dieungeheuerlichen Vorgänge im März 1933bat und ihn posthum nach Dresden„heimholte“. Ein sensationelles Bild- undTondokument ergänzt die DVD musika-lisch: Erstmals wird der einstige Kinofilmder „Tannhäuser-Ouvertüre“ aus demJahr 1932 vollständig veröffentlicht.

Sonderpreis Historische Edition

E C H O K L A S S I K - G E W I N N E R 2 0 0 9

Franz Schubert STREICHQUARTETTE D 87 & D 887

Hugo Wolf Quartett

„Große Persönlichkeiten interagieren unsentimental, rücksichtsvoll und herzhaftzugleich, erzeugen einen emotionalen Sog,

der sich nur schwer erklären lässt.“

VM

S 208

Codaex Deutschland GmbH Landsberger Str. 492, 81241 München [email protected]

W. A. Mozart, Nino Rota HORNKONZERTE

Stefan Dohr, Emanuel Schulz, Camerata Schulz

CM

28176

„...ein Vertreter der allerersten Horn-Elite... Die butterweichen Kantilenen, die

unangestrengte Geläufigkeit und daserstaunliche Verwachsensein mit

seinem Instrument machen Dohr zu einem Generalisten auf einem Instrument.“

Die Zeit des Hoch- oder Spätbarock wurde inden musikalisch führenden Nationen Europasdurch eine ganze Reihe herausragender Kom-ponisten geprägt; zu den wichtigsten zählten

Lully, Couperin und Rameau in Frankreich, Vivaldi,Corelli und die Scarlattis in Italien (bzw. Spanien), unddrei Genies in Deutschland: Bach, Telemann und Händel.Letzterer gehört zu den Jubilaren 2009, denn am 14. April jährte sich sein Todestag zum 250. Mal. EinEreignis, das natürlich von zahlreichen Künstlerinnenund Künstlern und den dahinter stehenden Labels mitvielen interessanten Neuerscheinungen gewürdigt wurde.

Händel, Bach und Telemann: Während Bach den(geographisch) engen Raum Thüringens und Sachsensnur in der Jugendzeit kurzfristig verließ, konntenTelemann und Händel als weit gereist gelten. Der Kirchenmusiker Bach lebte bescheiden bürgerlich,während der städtische Musikdirektor Telemann zugewissem und der Hofkomponist Händel sogar zugroßem Wohlstand gelangte. Letzterer war ja nichtnur als Komponist und angestellter Hofmusiker tätig,sondern auch als Opernunternehmer. In guten Jahrenverdiente er umgerechnet rund eine Million Euro; seinVermögen bei seinem Tod lag bei – je nach Umrech-nung – zwei bis sechs Millionen Euro. Einer der wenigenMusiker der Geschichte, der sein Können geschickt inklingende Münze umzusetzen (und diese auch zubehalten bzw. zu vermehren) verstand. Und dies,

obwohl ihm auch wirtschaftliche (und künstlerische)Mißerfolge nicht erspart geblieben waren: 1737 endeteseine Karriere als erfolgreicher Opernkomponist, ver-bunden mit völligem wirtschaftlichem Ruin (und einemSchlaganfall, dessen Auswirkungen ihn körperlichnoch einige Jahre beeinträchtigte).

In Halle an der Saale wurde er geboren, und dorterhielt er auch seine grundlegende musikalische Aus-bildung bei dem vor allem als Kontrapunktiker weithingeschätzten Organisten und Musikdirektor der Markt-kirche, Friedrich Wilhelm Zachow. Wichtigste biogra-phische Eckpunkte waren die Jahre 1703 bis 1706 inHamburg (Anstellung an der ersten deutschen Oper,1678 gegründet, die unter der Leitung des KomponistenReinhard Keiser stand), die sich anschließende Studien-zeit in Italien und schließlich 1709 die Anstellung alsHofmusiker bei Kurfürst Georg Ludwig von Hannover,der 1714 als Georg I. zum englischen König gekröntwurde. Zu diesem Zeitpunkt war sein Hofkomponistschon in England bekannt, denn 1712 hatte Händel sicherstmals nach London begeben, um dort als Opern-komponist zu reüssieren. Die Krönung wurde natürlichmit allem gebotenem Pomp gefeiert; Händel steuerte vier„Coronation Anthems“ bei, die repräsentativ mit Paukenund Trompeten aufwarten. Eines der Anthems, „Zadok thePriest“ gehört seit 1727 sogar bei jeder Krönung einesenglischen Monarchen zum festen Repertoire (zuletztim Jahr 1953...). Harry Christophers und The Sixteen

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Georg Friedrich Händel, Gemälde von Balthasar Denner (1727)

Händel with Care

Coronation Anthems The Sixteen / Harry Christophers, Ltg.COR 16066 / Coro

Händel in Italien / Solo-CantatenEmma Kirkby / London Baroque BIS-SACD-1695

Arianna in Creta HWV 32Orchestra of Patras / George Petrou, Ltg.MDG 609 1375-2 (3 CDs)

Oreste HWV A11Camerata Stuttgart / George Petrou, Ltg.MDG 609 1273-2 (2 CDs)

Jupiter in ArgosConcert Royal Köln / Kammerchor WürzburgM 56891 / Musicaphon

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stellen die „Coronation Anthems“ in den Mittelpunkteiner interessanten Neuaufnahme (COR 16066).

Händel und die Oper: es ist schon kurios, dass eindeutscher Wahlengländer die italienische Barockoperzu ihrem Höhepunkt und – zumindest in England –auch zum Abschluss führen sollte. Vorübungen zurOpernkomposition hatte er in Italien betrieben. Vorallem in Rom hielt er sich damals auf; dort herrschtezu jener Zeit ein generelles Aufführungsverbot fürOpern. Also komponierte Händel rund 150 Kantatenfür eine Singstimme und Basso continuo, jede für sichein kleines musikalisches Drama, wie Emma Kirkbyund London Baroque auf BIS-SACD-1695 nachweisen.Und obwohl er in den Winter- und KarnevalsmonatenRom verließ, um die Opernzentren Venedig und Florenzzu bereisen, entstanden während seines Italien-Aufent-haltes nur zwei Opern, „Rodrigo“ und „Agrippina“.

Erst in London konnte er sein Talent so richtig aus-leben, und dies zunächst mit überwältigendem Erfolg.Mehr als 40 Opern brachte er von 1712 bis 1737 auf dieBühne. London war zu dieser Zeit geradezu operntoll.Verschiedene Veranstalter zahlten Sängern heimlich Ab-lösesummen, wenn sie in ihr Ensemble wechselten, undauch Händel beteiligte sich kräftig an diesem Spielhinter der Szene. Er köderte seine Stars schließlich mitdem Umzug ins neu erbaute „Covent Garden Theatre“.

Viele seiner Opern waren durchschlagende Erfolge.Schon 1724 ist „Tamerlano“ über den blutigen Konfliktzweier mittelalterlicher Herrscher neunmal in seinerursprünglichen Version aufgeführt worden. Umso über-raschender, dass diese von Händel persönlich bear-beitete Frühfassung nie zuvor auf CD vorgelegt wurde.Händel war begeistert von dem historischen Stoff umeinen Hirtenjungen, der zum Herrscher wurde. Er ar-beitete nur 20 Tage an seiner Komposition, dann war„Tamerlano“ am 23. Juli 1724 fertig. Viele Änderungen,die der Komponist in den drei Monaten bis zur Pre-miere noch vornahm, wurden bei späteren Aufführungen(und Einspielungen) nicht berücksichtigt. Ganz andersbei dieser CD: Sie bietet obendrein einen Einblick inHändels Komponistenwerkstatt und hält als Bonus fürdie Zuhörer in einem Anhang zur Oper auch noch einRezitativ und die Arie „Nel mondo e nell’abisso“ vonLeone bereit, die Händel zur Wiederaufnahme des„Tamerlano“ im Herbst 1731 hinzugefügt hatte.

George Petrou mit seinen Solisten der StaatsoperAthen und dem mit barocken Instrumenten aufspie-lenden Orchester von Patras knüpft damit nahtlos andie Erfolge seiner früheren Händel-Einspielungen beiMDG an und erhielt hierfür den Echo-Klassik-Preis2008 (MDG 609 1457-2).

Trotz des großen Erfolgs beim Publikum fielen vieleOpern Händels später nahezu dem Vergessen anheim(bedingt oft durch die als nicht mehr aktuell empfunde-

nen Libretti). In diese Kategorie fällt auch das philoso-phische Drama „Arianna in Creta“ aus dem Jahre 1733.

Normalerweise komponierte Händel seine Opernsehr zügig, doch die Arbeit an der „Arianna in Creta“verlief ungewöhnlich schleppend. Nach dem ersten Ent-wurf, der am 5. Oktober 1733 vervollständigt wurde,nahm Händel noch zahllose Veränderungen vor. HändelsArbeit an der „Arianna“ blieb der Londoner Konkurrenznicht verborgen: Nicola Porpora. Leiter von HändelsKonkurrenzunternehmen „Opera of the Nobility“, reagier-te gereizt – und setzte ebenfalls eine „Arianna“ auf denSpielplan: Die Premiere von Porporas „Arianna in Nasso“fand einen Monat vor Händels „Arianna in Creta“ statt.Den Kampf um die Publikumsgunst entschied jedochHändel eindeutig für sich: „Arianna in Creta“ wurde einKassenschlager. Die Oper liegt jetzt auf MDG 609 1375-2vor; die Leitung der Einspielung hatte George Petrou.

Wie viele große Komponisten der Zeit war auchHändel ein Meister in der Auswertung seiner musika-lischen Erfindungen. Ganze Arien wurden umtextiertwieder verwendet. Ein schönes Beispiel für diese öko-nomische Praxis lieferte er mit der Oper „Oreste“. Hiererfüllte sich Händel einen Traum: die Highlights deseigenen Schaffens in einer neuen Handlung zusammenzu fassen. Das Pasticcio wurde 1734 im spielfreudigenLondon aus der Taufe gehoben und schlummerte da-nach 250 Jahre in den Archiven. Ein Pasticcio (ital.:Pastetchen) ist eine Oper, in der Arien aus älterenStücken zu einem neuen Ganzen zusammengestelltwerden. Das uns heute befremdende Verfahren war im18. Jahrhundert durchaus gängige Praxis. So war eseben möglich, an einem Abend Musik von zahlreichenverschiedenen Komponisten zu hören. In drei seinerPasticci verwendete Händel allerdings fast ausschließ-lich eigene Werke.

Für den „Oreste“ wählte er aus seinen Werken diewirkungsvollsten Sätze aus und fügte sie durch Über-arbeitung und Anpassung so geschickt zusammen, dasseine homogene neue Oper entstand. So sind hier Kom-positionen aus einer Zeitspanne von 27 Jahren vereinigt,ohne dass ein Stilbruch spürbar wäre. Die CamerataStuttgart und die Solisten unter George Petrou habendiese Oper 2003 an historischer Stätte in Griechenlanderstmals wieder aufgeführt (MDG 609 1273-2).

Händels Geburtshaus in Halle

Atalanta Capella Savaria / Nicholas McGegan

HCD 12612 / Hungaroton

The People shall Hear!BIS-SACD-1736

Messiah Bach Collegium Japan / Masaaki Suzuki

BIS-CD-891

Great Oratorio DuetsOrchestra of the Age of Enlightenment /

Nicholas Kraemer, Ltg.BIS-SACD-1436

Athalia HWV 52Kölner Kammerchor

Collegium Cartusianum / P. Neumann, Ltg.MDG 332 1276-2 (2 CDs)

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Neben dem „Oreste“, der schon mehrfach in heuti-ger Zeit erfolgreich aufgeführt wurde, und dem immernoch zu entdeckenden „Alessandro Severo“ ist als drittesHändelsches Pasticcio, das fast ausschließlich auf Eigen-kompositionen beruht, auch „Giove in Argo“ zu nennen.Es ist dies seine einzige italienische Oper, in der nurtiefe Männerstimmen mitwirken, also keine Kastraten,und in der keine Hosenrollen vorkommen, und es ist die Oper mit den meisten und umfangreichstenChorsätzen. Das hat einen besonderen Grund: „Giovein Argo“, eines der letzten musikdramatischen WerkeHändels, entstand zu einer Zeit, als das Interesse anitalienischen Opern in London stark nachgelassenhatte. Es ist nicht nur ein bewusst kurzes Stück, dasdurch seinen pastoralen Charakter an Werke wie dieenglisch-italienische Serenata „Acis and Galatea“ unddie Hochzeitsoper „Atalanta“ erinnert. Mit den ausge-dehnten und virtuosen Chören wollte Händel vermutlichauch an den Erfolg seiner ersten englischen Oratorienanknüpfen. Steffen Voss und Thomas Synofzik habendas Werk unter Verwendung von Rezitativen aus AntonioLottis „Giove in Argo“ rekonstruiert, und Sylvie Krausund Matthias Beckert leiteten die Ersteinspielung, er-schienen auf SACD bei Musicaphon (M 56891).

Zu den letzten Bühnenwerken zählte „Atalanta“,geschrieben 1736 aus Anlass der Hochzeit des engli-schen Thronfolgers und uraufgeführt in Händels letzterAmtszeit als Operndirektor des Covent-Garden-Theatre.Das Werk, in seiner außergewöhnlichen Art wahr-scheinlich die beste Händel-Oper der ganzen Covent-Garden-Periode, errang einen großen Erfolg. DerGrund hierfür dürfte in der besonderen, tiefen undnuancierten Darstellung der Charaktere zu suchensein, durchaus ungewöhnlich für ein bukolisches Hirtenspiel, das dem Libretto eines unbekannten Ver-fassers zugrunde liegt. Nicholas McGegan leitete dieErsteinspielung mit der Capella Savaria und dem Savaria Vocal Ensemble (Hungaroton HCD 12612).

Was um 1730 in England noch Hits waren, seineitalienischen Opernmelodien, wurde schon wenigeJahre später zu „Ladenhütern“: Händels geschäftlicherOpern-Erfolgsstern sank zusehends. Doch der genialeKomponist wusste sich zu helfen: Er komponiertefortan englischsprachige Oratorien – und feierte damitnoch größere Triumphe! Hier konnte er begeistern mitseinen großen, gewaltigen Chören, die dramatische(biblische) Geschehnisse kommentieren. Eine schöneSammlung der besten Beispiele dieser Chorkunst findetman auf BIS-SACD-1736: „The People Shall Hear“. Derehrwürdige Bach Choir, begleitet vom English Concert,singt unter der Leitung von David Hill große Chorszenenvon „Israel in Egypt“ über„ Alexander's Feast“ bis zu„Judas Maccabaeus“. Und den Abschluss bildet ge-radezu unvermeidlich das „Hallelujah“ aus Händels

heute populärstem Oratorium: „Messiah“. Diesesmonumentale Werk, das Händel in nicht einmal zweiMonaten schrieb und einmal jährlich zugunsten vonWaisenhäusern aufzuführen pflegte, hat vor einiger Zeitexemplarisch Masaaki Suzuki mit dem Bach CollegiumJapan aufgenommen (BIS-CD-891).

Sozusagen das Gegenstück, der Nachweis, dass nichtnur die Chöre der Oratorien besondere musikalischeKleinodien bereit halten, sondern auch Duette über-zeugen können, liefern Sopranistin Carloyn Sampsonund Altist Robin Blaze, begleitet vom Orchestra of the Age of Enlightenment unter Leitung von NicholasKraemer, auf BIS-SACD-1436.

Eine große Oratorien-Auswahl findet sich im Ka-talog von MDG. Beginnen wir mit „Athalia“. Als Vorlagefür Racines letzte Tragödie diente der biblische Berichtaus dem Buch der Könige (2, 11). Thema ist der Triumph Gottes durch Rache seiner Diener über seineVerächter und Feinde. Athalia versucht in anmaßenderTyrannei, das Volk der Juden seinem Gott zu entreißen.Nach dem Tod ihres Ehemanns lässt sie alle rechtmäßi-gen Sprösslinge aus dem Hause David ermorden…

Die Premiere der „Athalia“ aus dem Jahre 1733,die anlässlich von Händels Promotion aufgeführt wurde,war ein berauschender Triumph. Kein Wunder: die mu-sikalisch-dramatische Sprache der „Athalia“ ist vollerKraft und Eindringlichkeit. Dennoch verschwand dasWerk nach dem Tod des Komponisten in der histo-rischen Rumpelkammer, die nun endlich von PeterNeumann geöffnet wurde: „Athalia“ ist ein zu Unrechtselten aufgeführtes Meisterwerk! (MDG 332 1276-2).

Weiter geht es mit „Saul“. Saul ist als der erste KönigIsraels überliefert. Nach dem Sieg Davids über Goliathverspricht Saul diesem seine Tochter und später sein Kö-nigreich. Doch Saul kommen Zweifel und er unternimmtdrei Anläufe, David zu töten. David ruft den ProphetenSamuel um Hilfe an und dieser verkündet Saul für dennächsten Tag den Tod, da Gott das Königreich Israel fürDavid bestimmt habe. Die Prophezeiung tritt ein.

Klar, dass Händel die immanente Dramatik diesesStoffes reizte. Der Chor gestaltet alle dramatischen Höhe-punkte und erhält so eine Fülle von glanzvollen Partien.Noch dazu besetzte Händel 1739 die Orchesterpartien inseinem „Saul“ so groß und prächtig wie nie zuvor – mitHarfen, Glocken und anderen exotischen Instrumenten.Das alles ist natürlich auch heute noch ein faszinie-rendes Klangfest (MDG 332 0801-2).

Auch nicht ganz bibelfeste Kunstliebhaber kennensicher die Geschichte von der „Susanna im Bade“. Händelmuss gegen Mitte des Jahrhunderts seine Oratorienerfolgemit waffenglänzenden Heroen und todesmutigen Soldaten

Saul HWV 53Collegium Cartusianum / P. Neumann, Ltg.MDG 332 0801-2 (3 CDs)

Susanna HWV 66Collegium Cartusianum / P. Neumann, Ltg.MDG 332 0945-2 (3 CDs)

Belshazzar HWV 61Collegium Cartusianum / P. Neumann, Ltg.MDG 332 1079-2 (3 CDs)

Joshua HWV 64Collegium Cartusianum / P. Neumann, Ltg.MDG 332 1532-2 (2 CDs)

Theodora HWV 68Collegium Cartusianum / P. Neumann, Ltg.MDG 332 1019-2 (3 CDs)MDG 932 1019-5 (DVD-Audio)

Georg Friedrich Händel, Tolomeo-Autograph (Ausschnitt)

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satt gehabt haben, denn wie ist anders zu erklären, dasser in der Folgezeit in seinen Oratorien gerade dasHohelied auf die Weiblichkeit anstimmte? Er entwarffortan eher sensible Psychodramen als klotzende Pracht-oratorien. Mit der Susanna haben wir eine spannendeMischung aus Tragödie und Komödie, aus hoherMoral und niederen Instinkten, aus opernhafter undreligiöser Musik vor uns. Peter Neumann leitet denKölner Kammerchor auf MDG 332 0945-2.

Zu den heute beliebten Werken gehört „Belshaz-zar“ – zu seiner Entstehungszeit allerdings ein Flop.Georg Friedrich Händel war fasziniert von der drama-tischen Wucht, die hinter dem Bibelstoff vom freveln-den König Belshazzar liegt. Das Erscheinen der un-sichtbaren Hand, die das „Mene Mene Tekel Upharsin“an die Wand des Palastes schreibt, das Umschlagenausgelassener Festfreuden in blankes Entsetzen – anden Überraschungsmomenten der Belshazzar-Ge-schichte entzündeten sich Händels Geistesblitze. Dasausgesprochen chorreiche Werk mit seinen außerge-wöhnlich vielen dramatischen Farben und brillantenEinfällen wurde zu spät fertig: im Oktober 1744. Zu kurze Proben und schlechte Musiker sorgten fürein fast leeres Haus und damit für ein finanzielles Desaster (MDG 332 1079-2).

Händel selbst führte den Taktstock, als „Joshua “am 9. März 1748 im Londoner Covent Garden TheatreUraufführung hatte. Einen Tag später zahlte der Kom-ponist die stolze Summe von 250 Pfund Sterling beider Bank of England ein. Im Libretto geht es vorder-gründig um die Eroberung Kanaans durch die Israelitenunter der Führung von Josua, tatsächlich jedoch erweistHändel mit seinem Werk dem Selbstbehauptungswillender vergleichsweise jungen, erst mit der GloriousRevolution von 1688 konstituierten britischen Nationseine Reverenz. Exakt einen Monat benötigte Händel,um „Josua“ zu komponieren. Ohne Kunstgriffe wardas nicht möglich: Für etliche Nummern des dreitei-ligen Oratoriums griff er auf frühere Kompositionenzurück – aus eigener und aus fremder Feder.

Starke musikalische Akzente setzen die Chöre, etwawenn die Mauern von Jericho unter dem Schall derPosaunen einbrechen. Ein faszinierendes Detail am Endedes zweiten Akts: Josua, der für die bevorstehendeSchlacht geeignete Lichtverhältnisse benötigt, befiehltder Sonne den Stillstand. Unmittelbar wechselt die denewig kreisenden Sonnenlauf beschreibende Violinen-figuration in ein neun Takte gehaltenes, strahlend leuch-tendes hohes A... (MDG 332 1532-2).

Und schließlich noch die dramatische Geschichteder Theodora, nachzuhören auf MDG 332 1019-2 (3 CDs) oder MDG 932 1019-5 (DVD Audio). Händelbetrachtete seine „Theodora“ als eines der besten Werke,die er je geschrieben hatte. Und doch fiel das Oratorium

bei seiner Uraufführung 1750 im Londoner Covent GardenTheatre durch. Händel resümierte bitter: „Der Saal warso leer, daß man hätte darin tanzen können...“

Inhaltlich geht das Werk nicht auf die Bibel, son-dern auf eine Legende zurück, die sich in der Zeit um300 nach Chr. zugetragen haben soll. Der ZwangslageTheodoras zwischen heidnischer und christlicherWelt verleiht Händel gerade mit den Mitteln des Chores eine faszinierende Plastizität: Wie zwischengroßen Chorblöcken zerrieben – auf Seite der Heidenvon Posaunen, auf Seite der Christen von Streichernbegleitet – endet Theodora im festen Glauben an einewiges Leben im Opfertod.

Einen großen Bereich in Händels Schaffen nehmenaber auch andere Vokalwerke ein. Da wären zum Bei-spiel die „Anthems“, die formal durchaus an deutscheKirchenkantaten erinnern. Im Sommer 1717 trat Händelin Dienste von James Brydges, zu dieser Zeit noch Grafvon Carnarvon, später Herzog von Chandos. Brydgeshatte auf seinem Anwesen in Cannons eigene Musikerangestellt. Zu Händels Aufgabe zählte es offenbar, auchKirchenmusik zu komponieren. So entstanden zwischenSommer 1717 und Sommer 1718 jene elf Werke, die all-gemein als „Chandos Anthems“ bekannt sind.

Eine Auswahl dieser Stücke liegt jetzt auf Hyperionmit Emma Kirkby und der Academy of Ancient Musicvor (CDA6773), eine neue Gesamtaufnahme aller 11 Anthems erschien bei Chandos (CHAN 0554) mit„The Sixteen“ unter Leitung von Harry Christophers.The Sixteen ist ein perfektes Chorensemble, das immerwieder hinreissend zeigt, mit welcher Homogenitätdie Stimmen geführt werden, wenn etwa alle Sopranis-tinnen quasi wie eine Stimme die Koloraturen aus-führen. Besonders erwähnenswert ist Lynne Dawsonmit einem wunderbaren, glockenhaft reinen Sopran.

Man mag es kaum glauben: Der Händel-Boom derletzten Jahre hat zwar unzählige Aufnahmen hervor-gebracht, gleichwohl gibt es noch immer Werke, dieauf CD nicht dokumentiert sind. Eines davon ist dieSerenata „Il Parnasso in Festa“, die zur Vermählungvon Händels Schülerin Prinzessin Anne mit dem PrinzenWilhelm von Oranien entstand und 1734 im King’sTheatre am Londoner Haymarket zur Aufführung kam.Das Werk blieb seitdem vergessen, obwohl der Händel-Spezialist Chrysander bereits im 19. Jahrhundert es alsbesonders prachtvoll und tonreich einschätzte undspäter viele Händelforscher meinten, „es würde sichsehr lohnen, das Werk aufzuführen“. Rechtzeitig zumnahenden Händel-Jahr 2009 hat das King’s Consortunter seinem neuen Leiter Matthew Halls die Bittenerhört und präsentiert nun als WeltersteinspielungHändels spritziges Gelegenheitswerk (CDA 67701).

Über der großen Aufmerksamkeit für Händels Vokal-werk wird oft vergessen, dass er natürlich auch ein

Chandos Anthems Kirkby / Davies / Gilchrist / Layton

Academy of Ancient Music CDA 67737 / Hyperion

Chandos Anthems 1-11The Sixteen / Harry Christophers, Ltg.

CHAN 0554 / Chandos

Parnasso in Festa Sampson / Crowe / Outram / Halls

The King's ConsortCDA 67701 / Hyperion

Concerti a due coriDeutsche Naturhorn Solisten

Franz Raml, Orgel MDG 605 0762-2

Concerti grossi / OuvertürenB'Rock

KTC 1383 / Et’Cetera

20 AUSGABE 2009/3

aus Buchsbaum hergestellt und wird in der Sammlungvon Frans Brüggen in Amsterdam aufbewahrt.

Eine weitere MDG-Aufnahme (311 1078-2) präsen-tiert die Gesamteinspielung der Händelschen Sonaten fürTraversflöte in historisch authentischer Interpretationund auf höchstem musikalischen Niveau, garantiert vonKonrad Hünteler, Rainer Zipperling und Carsten Lohff.

Wirtschaftliche Gründe dürfte es gehabt haben, dassim Titel der Sonaten, die im Raubdruck 1732 erschienen,die Querflöte zuerst genannt wird – quasi als eye catcher,denn unter den kaufkräftigen englischen Adligen wardie German Flute – die hölzerne Traversflöte – geradein Mode gekommen. Händels Sonaten – welch eineFundgrube kompositorischer Einfälle! Allein seineSonata in h-Moll passt in kein herkömmliches Form-schema. Sie ist weder eine Tanzfolge, noch ähnelt sieeiner Sonata da camera. Vielmehr finden sich in ihrlyrische Hornpipes und furiose Tänze zwischen Fugenim strengen Kirchenstil...

Zum Abschluss dieses kleinen Rundgangs durchdie Händel-Veröffentlichungen des Gedenkjahrs nochein Blick auf Händel als Tastenvirtuose. Dass er selbstgern in den Pausen seiner Opern Orgelkonzerte gab, istbekannt. Dass er aber auch einmal einen Wettstreit amCembalo gegen Domenico Scarlatti bestehen konnte(und sich mit seinem Duellanten in Folge befreundete),schon weniger. Niemand war bislang auf die Idee ge-kommen, Händels Clavierwerke auf einem 16-Fuß-Cembalo aufzunehmen. Siegbert Rampe ist einer „der“Kenner und Liebhaber historischer Instrumente, under hat mit einer Neueinspielung auf MDG (341 1537-2)auch mit Ersteinspielungen überrascht.

Die meisten Clavierwerke Händels entstanden von1703 bis 1706, in seinen „Hamburger Jahren“. Hierlernte der Komponist auch die großen zweimanuali-gen, mit einem zusätzlichen 16-Fuß-Register ausge-statteten Cembali der norddeutschen Instrumenten-bauer kennen und so sehr schätzen, dass er sich einesdavon später sogar nach London liefern ließ.

Die großen Cembali nach Hamburger Bauartwaren im frühen 18. Jahrhundert so beliebt, weil sieden prunkvollen Klang eines Orchesters vom tiefstenBass bis in den Diskant nahezu perfekt imitierten. Esist dem Spürsinn von Siegbert Rampe zu verdanken,dass diese Aufnahme auch zwei Händel-Kompositio-nen enthält, die niemals zuvor eingespielt wurden:Eine davon, die Chaconne G-Dur HWV 430, gilt alsUrfassung seiner berühmten „Air“.

Händel with Care: Gewaltig ist das hinterlasseneWerk des Meisters, und nahezu unüberschaubar mitt-lerweile die Zahl der Einspielungen, durch die wir mitdiesem Beitrag einen kleine Orientierungs-Schneiseschlagen wollten. A. Rainer

bedeutender Komponist von Instrumentalmusik war.Publikumswirksam waren schon um 1750 seine reprä-sentativen „Concerti a due cori”. MDG legt diese festlichedoppelchörige Barockmusik in klangprächtigster Formauf Originalinstrumenten vor: mit den DeutschenNaturhorn-Solisten und Franz Raml an der imposantendreimanualigen Holzhey-Orgel zu St. Verena.

In aufwändiger philologischer Kleinarbeit sinddie vorliegenden Werke – die zum Teil nur stimmen-weise überliefert sind – von Franz Raml rekonstruiertworden. Das Ausgangsmaterial boten dabei zahlreicheInstrumentalsätze aus Händels Feder, mit denen Ramldie Lücken in der Tradierung der Originalwerkekunstvoll schließen konnte (MDG 605 0762-2).

Festliches, Klangprächtiges lag Händel besonders.Mit einem Programm, das neben zwei Concerti grossidie Flavio-Ouvertüre und eine Suite aus „Il PastorFido“ umfasst, will das flämische Barock-OrchesterB’Rock diese festliche Seite Händels in den Mittelpunktstellen. Dabei weichen sie bewußt von der momentanvorherrschenden Meinung ab, dass diese Musik mög-lichst klein besetzt werden sollte, sondern streben nacheinem volleren, robusteren Klang (KTC 1383).

Schon für den Komponisten selbst war die Über-betonung seines Vokalschaffens gelegentlich ein Pro-blem. In nur wenigen Wochen im Herbst 1739 schriebHändel als sein Opus 6 zwölf große Konzerte, die ihnals bedeutenden Komponisten von Instrumentalwerkenwieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit heben sollten.Und das mit Erfolg; schon vor der Drucklegung warennicht weniger als 122 Exemplare an 100 Subskribentenverkauft. Händel folgt mit Besetzung und Anzahl derKonzerte dem von Arcangelo Corelli vorgegebenenSchema, gibt aber einen gehörigen Schuss Dramatikzu Corellis Form hinzu – nicht weiter erstaunlich füreinen begnadeten Opernkomponisten. Und so ergibtsich ein höchst abwechslungsreicher Konzertzyklus.Das Ensemble Arte dei Suonatori unter Leitung vonMartin Gester hat die 12 Konzerte in hervorragenderSACD-Qualität auf BIS-SACD-1705 vorgelegt.

Auch auf dem Gebiet der Kammermusik findet sichbei Händel einiges, das bis heute Bestand hat. So ge-hören die Händelschen Blockflötensonaten zum Basis-repertoire der Flötisten. Sie sind schon im 18. Jahrhun-dert herausgegeben und weit verbreitet worden. Händelhat sie selbst offenbar sehr geschätzt und sie nachweis-lich auch zu Unterrichtszwecken eingesetzt, und er nutztedie Sonaten ein Leben lang: Ihre Motive, Melodien undSätze, ja sogar ganze Sonaten finden sich in seinenOpern. Oratorien, Orgelkonzerten und Kantaten wieder.

Der eigentliche Star einer bei MDG auf SACD er-schienenen Neu-Einspielung (MDG 905 1564-6) ist eineAltblockflöte aus dem 18. Jahrhundert. Das Instrumentwurde zu Händels Lebzeiten in London von Peter Bressan

Twelve Grand Concerto’sBIS-SACD-1705

Sonaten für Blockflöte und CembaloHeiko ter Schegget / Zvi Meniker MDG 905 1564-6 (Hybrid-SACD)

FlötensonatenHWV 378, 367b, 363b, 379, 359bHünteler / Zipperling / Lohff MDG 311 1078-2

ClavierwerkeSiegbert Rampe, CembaloMDG 341 1537-2

Händel-Haus in London

AUSGABE 2009/3 21

CLASS a k t u e l l

Das g-Moll-Quartett war für das Publikumbesonders schwer zu verdauen. Zuerst irritierteder stürmische und überaus kontrastreicheBeginn, dann stellte Mozart mit einer selbst beiBeethoven seltenen Intensität den Grundgedan-ken seiner Komposition heraus. Schließlich einRondo mit einer verwirrenden Vielfalt an The-men, das Mozarts damaliges Publikum ratlosmachte. Das Es-Dur-Quartett fiel da schon weitgefälliger aus. Und dennoch hatte es VerlegerHoffmeister schwer, dieses Werk zu vermarkten.Das bereits fest vereinbarte dritte Klavierquartettmusste Mozart daher gar nicht erst schreiben.

Innerhalb kürzester Zeit katapultierte sichdas Mozart Piano Quartet seit 2000 in die oberste Etage des internationalen Musikbe-triebs: Kein Wunder, mit Paul Rivinius (Klavier),Mark Gothoni (Violine), Hartmut Rohde (Viola)und Peter Hörr (Violoncello) sind vier inter-nationale Solisten, Gewinner und Preisträgerzahlreicher internationaler Wettbewerbe, zusam-mengetroffen, die Interesse an neuem Reper-toire zum Traumpartner von MDG machten.

Thomas Trappmann

Mozarts Klavierquartette (KV 478 und KV 493) gelten heutzutage als Glanz-punkte seines Klavierschaffens und

zugleich als Gründungsdokumente dieser Musik-gattung. Keine Frage, für das Mozart PianoQuartet muss es ein besonderer Reiz sein, mitdiesen grundlegenden Werken ihrem Namens-patron eine Referenz zu erweisen. Dabei reagier-ten Publikum und Kritiker vor gut 200 Jahren nochmit Unverständnis auf diese Werke, weil Mozartkeinesfalls ihren Erwartungen nach Gefälligkeit,Eingängigkeit und Regelmäßigkeit entsprach.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundertswar die Klavierkammermusik entweder extrem„leicht“, also für Laien gedacht, oder es handeltesich um virtuose Kompositionen, bei der dieStreicher nur als Begleitung eines brillant aufspielenden Pianisten zum Einsatz kamen.Mozart jedoch entwickelte einen „neuen Stil“.Er beließ dem Klavier seine konzertante Rolle,wertete aber auch die Partien der plötzlichgleichberechtigten Streicher beträchtlich auf.

Erstaunlich!

WERGO

WERGOWeihergarten 5 · 55116 Mainz · Germany [email protected] · www.wergo.de

VertriebeDeutschland: Note 1, 06221/720351 · [email protected]Österreich: Lotus Records, 06272/73175 · [email protected]: Tudor, 044/4052646 · [email protected]

NEU BEI WERGO

In dieser Reihe bereits erschienen:

Symphonie Nr. 7 / Sinfonia N. 8WER 67212 (CD)

Hans Werner HenzeSinfonia N. 9Rundfunkchor Berlin (Michael Gläser)Rundfunk-Sinfonieorchester BerlinDirigent: Marek Janowski

Über seine Neunte Sinfonie für gemischtenChor und Orchester (nach dem Roman „Dassiebte Kreuz“ von Anna Seghers) äußert sichHans Werner Henze selbst:

„… eine Apotheose des Schrecklichen undSchmerzlichen … vor allem Ausdruck derallergrößten Verehrung für die Leute, dieWiderstand geleistet haben in einer Zeit desnazi faschistischen Terrors und die für dieFreiheit der Gedanken ihr Leben gegebenhaben.“

“Orchestra andsound are to diefor!” Amer icanRecord Guide

„Janowski erweistsich auch hier alsHenze-DirigentallerhöchstenRanges.“ Das Orchester

WER

672

22 (

CD

)

W. A. MozartKlavierquartette KV 478 & 493

Mozart Piano QuartetMDG 943 1579-6 (Hybrid-SACD)

Aktuelle Konzerte: Mozart Piano Quartet

07. 10. 2009 Mainz 21. 10. 2009 Mannheim 22. 10. 2009 Wien 31. 10. 2009 Bergheim 03. 11. 2009 Berlin 19. 11. 2009 München 05. 12. 2009 Berlin 07. 12. 2009 Nijmegen 20. 12. 2009 Lüdenscheid

Weitere Informationen: www.m-p-q.de

22 AUSGABE 2009/3

Im Blickpunkt

Tasteninstrumente

Für KinderWerke von Kurtág, Gubaidulina,Lachenmann, SchleiermacherSteffen Schleiermacher, KlavierMDG 613 1520-2

Wer Kindern und Jugendlichen abseitsder ausgetretenen Pfade ein interessantesKlavier-„Futter“ bieten möchte, wird beiSteffen Schleiermacher fündig. Der Neue-Musik-Spezialist hat ganz unterschiedliche„Kinderstücke“ des 20. Jahrhunderts ein-gespielt. Die Bandbreite reicht von male-risch-plakativ (Sofia Gubaidulina) überlustig (Helmut Lachenmann) bis zu abs-trakt (György Kurtág). Vier eigene Minia-turen hat der Pianist noch hinzugefügt.Und doch handelt es sich bei den meistenStücken nicht um Kinderlieder, sondernum von der Kindheit inspirierte Genieblitze,die Steffen Schleiermacher gekonnt undbisweilen augenzwinkernd präsentiert.

Musikalisches Kinderspiel

Bei 63 Tracks in 71 Minuten Spielzeitstößt das Display eines Wiedergabegerätsan seine Grenzen: Die wenigsten Stückedieser CD sind länger als eine Minute.Man muss schnell hinhören, sonst ist dieMusik vorbei, ehe man sich versieht. AlsMeister solch witziger Miniaturen erweistsich Helmut Lachenmann. Ihm gelingt dasKunststück, kurz und auch humorvoll zusein, was seine Version von „HänschenKlein“ und sein „Besoffener Chinese“beweisen…

György Kurtág plante eine Klavierschu-le, als er seine Mikroludien komponierte.36 der winzigen Stücke sind auf dieser CDzu hören. Für Klavierschüler eignen siesich nicht, denn Kurtág schrieb im Grun-de keine Klaviermusik, sondern eineMusik, die sich des Klaviers bedient. SofiaGubaidulina hat „Musikalisches Spiel-zeug“ geschaffen. Sie setzt Bilder in Musikum: einen Bär, der den Kontrabass zupftund damit die Jazzsängerin begleitet, dieSchlitten, die den Berg hinunter fahrenund mit den Glöckchen klingeln...

Orgellandschaft OstpreußenOskar Gottlieb BlarrMDG 319 0178-2

Das Cover ziert die festlich-barockeAnsicht der Orgel in Heiligelinde, derenüberlebensgroße Engel durch einenbesonderen Mechanismus in Bewegunggesetzt werden können. Ein Glück, dassdas MDG-Team bei den Aufnahmen 1984schon die neueste Digitaltechnik verwen-det hatte. So kann diese einmalige Klang-dokumentation von zehn ostpreußischenOrgeln nunmehr nahtlos und im Original-klang auf die CD übertragen werden.

Musikalisches Erbe

Es sind nicht nur die großen, reprä-sentativen Orgeln wie in St. Jakobi Allen-stein, im Dom zu Frauenburg und in derWallfahrtskirche Heiligelinde, die das BildOstpreußens prägen, sondern auch dievielen kleinen Instrumente, die in denDorfkirchen zum Teil im Originalzustanddie Zeitläufe überdauert haben, so wie diePfarrkirchen in Schippenbeil, Mohrungen,Mehlsack, Hirschfeld und Lötzen. Einbesonderes Kleinod ist die Orgel derSchlosskirche in Heilsberg.

Besonderes Gewicht hat die Reihe derOrgellandschaften bei MDG dadurch,dass die Instrumente mit dem zugehöri-gen und ortstypischen Repertoire präsen-tiert werden. Ein Glücksfall, dass OskarGottlieb Blarr, 1934 in Bartenstein gebo-ren, ein intimer Kenner der Komponisten-kollegen seiner Heimat ist, darunterNamen wie Johann Eccard, HeinrichAlbert, Felix Nowowiejski bis hin zu Dietrich von Bausznern, die weit überOstpreußen Bekanntheit erlangt haben.

Sir Julius Benedict Walter MacfarrenThe Romantic Piano Concerto Vol. 48Howard Shelley Tasmanian Symphony OrchestraCDA 67720 / Hyperion

Hyperions erfolgreiche Serie der„Romantischen Klavierkonzerte schreitetunaufhaltsam voran und macht in ihrerneuesten Folge Nr. 48 wieder in EnglandStation. Im London des viktorianischenZeitalters war das Klavierkonzert beson-ders beliebt und oft Bestandteil der fürdiese Zeit charakteristisch durchmischtenOrchesterprogramme. Besonders gefeiertwurden dabei die Tastenlöwen, die vomeuropäischen Kontinent stammten. Einerdavon war Julius Benedict (1804–1885),der in Deutschland geboren wurde undsich 1835 in London niederließ.

Er gehört zu einer großen Gruppe voneuropäischen Komponisten, die nachihrer Ausbildung in verschiedenen Haupt-städten Europas schließlich in Londonlandeten, wo sie einmalige Aufführungs-und Publikationsmöglichkeiten vorfan-den. Benedicts Werdegang weist erstaun-liche Parallelen mit Händels Karriereüber ein Jahrhundert zuvor auf: Beidewuchsen in ihrem Heimatland auf, gingendann nach Italien, um ihre Ausbildung ab-zuschließen und ließen sich schließlich inLondon nieder, wo sie lange und erfolg-reiche Laufbahnen als Tastenvirtuosen,Dirigenten und Komponisten genossen.

Julius Benedict widerlegt eindrucks-voll das Vorurteil, England sei im 19. Jahr-hundert „ein Land ohne Musik“ gewesen.Seine beiden hier eingespielten Klavier-konzerte, geschrieben 1837 und 1850,stehen ganz in der Tradition von Hummel,dessen Schüler Benedict war, und kom-binieren brillante Virtuosität mit feinenLyrismen. Die Konzerte liegen in denbewährten Händen von Howard Shelley,der vom Klavier aus das Tasmanian Symphony Orchestra leitet.

Ludwig van BeethovenDie frühen KlaviersonatenWalter GiesekingIDIS 6573 (erstmals digital)

Man mag es ja kaum glauben, abertatsächlich gab es bisher nicht eine digi-tale Wiederveröffentlichung aller frühenKlaviersonaten Beethovens in der Inter-pretation durch Walter Gieseking, einender besten Pianisten des 20. Jahrhun-derts. Auf keinen anderen trifft der BegriffKlavier“spiel“ so zu, wie auf ihn. Er hatgezeigt, dass Klavierspielen leicht seinkann, wenn der Körper nicht durchunnötige Starrheit die Leichtigkeit undGelöstheit hemmt. Die Fähigkeit, geistig-klangliche Vorstellungen unmittelbar inSpielbewegungen umzusetzen, macht ihnzu einer bis heute unerreichten Ausnah-meerscheinung. Giesekings Gedächtnisund seine Fähigkeit, vom Blatt zu spielen,waren nahezu konkurrenzlos und ermög-lichten ihm, ein riesiges Repertoire aufzu-bauen und soeben gehörte oder geleseneWerke sofort vor Publikum darzubieten.

Vermächtnis einesGenialen

Die Aufnahmen entstanden im Spät-sommer 1956 in London (für die EMI)und waren Teil einer geplanten Gesamt-aufnahme der 32 Sonaten, zu der es nichtmehr kam – Gieseking erkrankte undstarb unerwartet am 26. Oktober.

AUSGABE 2009/3 23

CLASS a k t u e l l

Tasteninstrumente

Player Piano Vol. 9Conlon NancarrowStudies for Player Piano Vol. 5Bösendorfer-Flügel mit Ampico-Selbstspiel-Mechanik (1927)MDG 645 1409-2

Gratulation zum Abschluss der Nan-carrow-Reihe. Und erneut Weltpremieren:Niemals zuvor sind die nachgelassenenvier „Studies“ von Conlon Nancarrow ein-gespielt worden. Auch die letzte Kompo-sition für das Selbstspielklavier, die derUS-Amerikaner seiner dritten Frau Yokowidmete, hat Jürgen Hocker mit seinenAmpico-Bösendorfer und Fischer Flügelnerstmals aufgenommen. Entstanden istdie bislang vollständigste Nancarrow-Gesamteinspielung in hervorragnedemKlang. Ein einzigartiges Monument.

Vollendet!Die ersten Aufnahmen von Nancarrows

Werken auf seinen privaten Klavieren sind1977 in Mexiko entstanden. Damals hatteder in selbst gewählter Emigration leben-de US-Amerikaner die Studies bis No. 41fertig gestellt. Eine weitere Aufnahme mitden restlichen Studies im Jahr 1988 littunter dem verheerend schlechten Zu-stand der Instrumente, so dass eine Lückein der Diskographie entstand, die Hockergeschlossen hat. Er ergänzt sein großesWerk nun um Kompositionen aus denletzten Lebensjahren (in denen eine tiefeFreundschaft zu dem Komponisten ent-stand) und aus Nancarrows Nachlass, dersich heute im Besitz der Paul-Sacher-Stiftung befindet.

Eine weitere Besonderheit dieser Auf-nahme ist die Toccata. Das um 1935 ent-standene kurze und fulminante Werk warursprünglich für Klavier und Violine vor-gesehen. Da den Klavierpart niemandadäquat umsetzen konnte, übertrug ihnNancarrow 1978 auf das Player Piano.Die hoch virtuose Geigenstimme spielthier Otfrid Nies, der das Stück auch inAnwesenheit des Komponisten schonmehrfach aufgeführt hatte.

Un Plaisir...Werke von AIchinger, Tayler,Georg Friedrich Händel,Johann Sebastian Bach, Silbermann,Seixas, Corrette, Boëly,Samuel Sebastian Wesley, Charles Wesley,Felix Mendelssohn BartholdyChristian Brembeck, OrgelC 58039 / Cantate (teilweise Ersteinspielung)

Im Jahre 1838 wurde in die Ommersheimer Kirche eine Orgel der Gebrüder Carl und Franz-Heinrich Stummaus der berühmten Orgelbauer-Dynastie aus Sulzbach /Hunsrück für 2200 Gulden geliefert und dort – nach einererhaltenen Aufzeichnung im Orgelgehäuse – am 10. Oktoberdes Jahres aufgestellt.

Entdeckung eines Juwels

Von Interesse ist hierbei die Tatsache, dass diese Orgel mitihrem prächtigen, von spätbarocken Stilelementen geprägtenEichenholzgehäuse und ihrer klassischen Disposition nochganz unbeeinflusst von modischen frühromantischen Ein-flüssen zu sein scheint – in der Stumm´schen Werkstatt wurdevon etwa 1720 bis 1896 ununterbrochen traditionell gearbei-tet; dann allerdings wollte man sich den damaligen neuestenEntwicklungen im Orgelbau nicht mehr anschließen und gabden Orgelbau endgültig auf.

Der Entschluss, an diesem Instrument ein Klangdokumenteinzuspielen, hat viele verschiedene Gründe. Als ChristianBrembeck 2007 anlässlich eines Hammerklavierkonzertes inder Ommersheimer Kirche auf den schönen Orgelprospektaufmerksam wurde und anschließend das Instrument pro-bierte, war er sichtlich bezaubert vom Charme und der klang-lichen Aussage der Orgel; so kam es, dass der Künstler einJahr später dort ein erstes Orgelkonzert spielte, das den zahl-reichen erstaunten Zuhörern die vielfältige Schönheit ihrerOrgel offenbarte. Brembeck war es daraufhin ein Vergnügen,„un plaisir“, ein buntes Programm für diese Einspielungzusammen zu stellen.

S 108052

Weitere Informationen und Hörproben unter

www.farao-classics.de 089 / 30 77 76 16

Gustav MahlerSymphonie Nr. 5Bayerisches Staatsorchester

Zubin Mehta

Zubin Mehta, Bayerischer Generalmusik direk tor

von 1998 bis 2006, ist seit seinem Münchner

Abschied regelmäßiger Gast am Pult des Baye -

r ischen Staats orchesters. Mit der vorliegenden

Live-Aufnahme vom Dezember 2008 zeigt »sein«

Orchester seine ganze Klasse und einzigartige

klangliche Tradition. Eine musikalische Stern-

stunde!

Im Blickpunkt

24 AUSGABE 2009/3

Angela Hewitt spielt Händel & HaydnAngela Hewitt CDA 67736 / Hyperion

Angela Hewitt gilt als „die überra-gende Bach-Interpretin unserer Zeit“(The Guardian) und „die Pianistin, die inden nächsten Jahren der Maßstab derBach-Interpretation sein wird“ (Stereo-phile). Ihr über mehr als ein Jahrzehntdauerndes und 2005 abgeschlossenesProjekt, bei Hyperion alle großen Klavier-werke Bachs auf CD einzuspielen, feiertedie „Sunday Times“ als „einen der disko-graphischen Triumphe unserer Zeit“.

Gleichwohl ist Angela Hewitts Reper-toire weitaus umfassender als es auf denersten Blick erscheinen mag. Ihre Disko-graphie reicht von Couperin, Rameau überChopin und Ravel bis hin zu Granadosund Messiaen. Der 250. Todestag vonGeorg Friedrich Händel (1685-1759)und der 200. Todestag von Joseph Haydn(1732-1809) ist für Angela Hewitt einwillkommener Anlass, sich erstmals mitdiesen beiden Komponisten auf CD aus-einanderzusetzen.

Händel ist mit den Suiten Nr. 2 und Nr. 8 aus seiner 1720 erschienenen Suiten-sammlung „First Set of Suites“ und der Chaconne (mit 21 Variationen) HWV435vertreten. Letztere spielt Hewitt nicht inder neuen Bärenreiter-Ausgabe, sondernin der alten Peters-Ausgabe – aus nostal-gischen, aber auch aus künstlerischenGründen, wie sie im Booklet erläutert.

Die Sonate „Un piccolo divertimento“Hob. XVII:6 ist wohl Haydns berühmtestesEinzelwerk für Klavier und „ein wahresSchmuckstück“ (Hewitt). Haydns letzte Kla-viersonate, die Klaviersonate Hob. XVI:52,zählt zu seinen anspruchsvollsten Klavier-werken. Sie vereint die für Haydn typischenMarkenzeichen: plötzliche dynamischeKontraste, expressive Pausen, Witz, Charme,Überraschungen und insbesondere dasNebeneinander entfernter Tonarten.

Tasteninstrumente

Johann Sebastian Bach Goldberg-Variationen: ARIA mit verschiedenen Veränderungen BWV 988Martin Schmeding an der großen historischen Gottfried-Silbermann-Orgel (1755),Kathedrale DresdenCYB 030802 / Cybele (Hybrid-SACD)

J. S. Bach äußert sich auf dem Titelblattdes Erstdrucks der „Goldberg-Variationen“eindeutig zum vorgesehenen Instrument:Das Cembalo erlaubt eine große Variabi-lität der technischen und klanglichenMöglichkeiten (Stimmkreuzungen, Ma-nualwechsel, Klangfarbenwechsel, Lagen-wechsel durch Registrierung etc.).

Martin Schmedings Bearbeitung fürOrgel ist hinsichtlich der klanglichenGestaltung eine konsequente Erweiterungder ursprünglichen Cembalo-Fassung.

Mithilfe der Vielfalt der Registerkom-binationen hebt Schmeding die intendier-ten Affekte und zum Teil sehr starkenKontraste in der Abfolge der Variationenauf der Silbermann-Orgel in der Kathe-drale Dresden – die das prachtvollste undgrößte Werk von Silbermann ist – beson-ders plastisch hervor.

So erhalten die Goldberg-Variationen inSchmedings Orgelfassung ihr eigenes, demjeweiligen Affekt angepasstes, klanglichesGewand, das sie so zu einer ganz eigeneninterpretatorischen Aussage werden lässt.

Zur hervorragenden Klangqualität derSACD kommt ein nicht nur ausführliches,sondern geradezu bibliophiles Booklet.Neben Fotos der Orgel und Bildern vonBachs Originalhandschrift des Werkes,findet der Orgelfreund zu jeder Variationeine genaue Aufschlüsselung der Register,die Martin Schmeding bei der Aufnahmebenutzt hat.

W. A. Mozart (1756-1791)Sämtliche Clavierwerke Vol. 10Adagio KV 540, Menuett KV 355(576b), Sonata I KV 279 (189d),6 Variationen KV 180 (173c) u.a.Siegbert Rampe, Cembalo, Clavichordund HammerklavierMDG 341 1310-2

London, München, Salzburg und Wien:Siegbert Rampe präsentiert uns mit Vol. 10 seiner Gesamteinspielung vierwesentliche Stationen des Salzburger„Wunderkinds“. Das MDG-Team musstefür diese Aufnahme noch weiter reisen alsder berühmte Komponist: Das Hammer-klavier und ein Clavichord werden inTempe/Arizona aufbewahrt, das Cembaloist im Kanton Glaurus (Schweiz) zuHause, während ein weiteres Clavichordin Köln gehegt wird.

GlobetrotterDie Sonate II (KV 11) ist erstmals in

der Fassung für Cembalo solo auf CD zuhören. Dieses Werk wie auch das Clavier-stück (KV 15 bb) hat Mozart während derLondon-Reise in den Jahren 1764/65geschrieben. Zehn Jahre später begann erin München mit der Arbeit an seinerbekannten Sonate KV 279, die hier aufdem zwar leisen, aber wegen seiner dyna-mischen Möglichkeiten geliebten Clavi-chord erklingt. Weitere zwei Jahre späterentstanden in Salzburg aus Anlass vonFaschingsbällen die „4 Kontratänze fürJohann Rudolf Graf Czernin“ (KV 269b),einen Neffen des Salzburger Fürsterzbi-schofs und passionierten Musikliebhaber.

Rampes Versionen sind sicher einzig-artig. Sie zeigen Mozarts Werke in „ur-sprünglicher“ Sicht, wodurch sie durchdie konsequente Verwendung der histo-rischen Tasteninstrumente klanglich invöllig neuem Licht stehen. Gewürzt mitwie selbstverständlicher virtuoser Raffi-nesse nebst behutsam angewendeten Ver-zierungen in den Wiederholungsteilenentsteht in dieser Serie ein faszinierendesAbbild von Mozarts Welt.

Virtuose Cembalo-Musik der Bach-Söhne Wilhelm Friedemann, CarlPhilipp Emanuel, Johann ChristophFriedrich u. Johann Christian BachWaldemar Döling, CembaloMDG 605 0100-2

Rechtzeitig zum 300. Geburtsjahr vonWilhelm Friedemann Bach erscheint eineaudiophile Kostbarkeit aus längst vergan-genen Schallplattenzeiten. Die historischeAufnahme mit dem international renom-mierten Cembalisten Waldemar Dölingauf einem Instrument von Egbert Sass-mann enthält die D-Dur-Sonate von 1745und andere virtuose Clavierstücke desältesten und für viele Bewundererzugleich genialsten Bach-Sohns. Die Ein-spielung wird ergänzt durch Werke seinerkomponierenden Brüder.

WechselspielAn der Schwelle zwischen Barock und

Klassik sind die Wechselwirkungen zwi-schen den Bach-Söhnen und nachfolgen-den Komponisten-Generationen vielfältig.Carl Philipp Emanuel hat dabei wohl amstärksten und nachhaltigsten ausgestrahlt:Sowohl Haydn als auch Beethoven spre-chen mit der größten Hochachtung vonihm. Der Einfluss, den Johann Christianauf Mozart ausübte, ist ebenfalls eindeutigbelegt. Johann Christoph Friedrich (der„Bückeburger“ Bach) wiederum hat sichoffenbar von Mozart inspirieren lassen: Erkomponierte kurz nach dem berühmtenSalzburger seine 18 Variationen über dasbeliebte Lied „Ah, vous dirai-je Maman“...

Nach einem breit angelegten Musik-studium (Dirigieren, Cembalo, Schlag-zeug) in Detmold war Döling Solo-Paukerbei den Berliner Sinfonikern und begannparallel dazu seine Karriere als Cembalist.1973 kehrte er als Cembalo- und Schlag-zeug-Professor an die Detmolder Hoch-schule zurück, der er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1999 treu blieb.Drei Jahre später ist Waldemar Dölingverstorben.

CLASS a k t u e l l

AUSGABE 2009/3 25

Joseph Haydn Piano Sonaten IIMarc-André Hamelin CDA 67710 / Hyperion

Obwohl Joseph Haydn kein Virtuose im Stile eines Mozartoder Beethoven war, stand das Klavier immer im Mittelpunktseines kreativen Schaffens. Als Schüler an Wiens Elite-Chor-schule war er bestens mit Clavichord, Cembalo und Orgel ver-traut. Und als Erwachsener begann er seine strikte Morgen-routine, indem er seine Ideen auf dem Clavichord oder abAnfang der 1780er Jahre auf dem Fortepiano ausprobierte.

Haydns Evolution der klassischen Sonate

Haydn komponierte im Laufe seiner Karriere viel fürTasteninstrumente. Obwohl seine circa sechzig Solosonatenein weniger vollständiges Bild seiner künstlerischen Entwick-lung zeichnen als die Sinfonien und Streichquartette, verkör-pern und zeichnen sie besser als Mozarts schmaleres Sonate-noeuvre die Evolution der klassischen Sonate nach: von denschlanken Divertimenti und Partiten (er verwendet dieBezeichnung „Sonate“ erst ab circa 1770), die er meist nachdem Vorbild des Cembalostils des galanten Wieners GeorgChristoph Wagenseil in den 1750er Jahren komponierte, überdie individuelleren Werke der späten 1760er und frühen1770er Jahre, von denen mehrere von der Empfindsamkeit C. Ph. E. Bachs inspiriert sind und dem sorgfältig kultiviertenpopulären Idiom der zwischen 1773 und 1780 veröffentlich-ten Sammlungen bis hin zu den beiden Meisterwerken Nr. 48und 49 – beide hier zu hören – vom Ende der 1780er Jahre.Inspiriert wurden sie durch die neuen, klangvollen Broad-wood-Instrumente, die Haydn in London kennenlernte.

Solist der vorliegenden Einspielung ist Marc-AndréHamelin. Der franko-kanadische Pianist ist bekannt dafür,dass er sich insbesondere den Werken wenig bekannter Kom-ponisten des 19. und 20. Jahrhunderts widmet und bevorzugtStücke mit extremen technischen Schwierigkeiten spielt. Nacheiner Reihe von CDs mit exotischer, vergessener oder kaumspielbarer Klavierliteratur hat sich Hamelin zuletzt vermehrtauch dem gängigen Klavierrepertoire zugewandt und brillanteEinspielungen mit Werken von Chopin und Haydn vorgelegt.

Tasteninstrumente

Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788)Werke für Klavier solo vol. 19:Verschiedene Stücke aus den1760er JahrenMiklós Spányi, TangentenflügelBIS-CD-1493

Alles hat einmal ein Ende, selbst dieseerfolgreiche Serie – zum letzten Malerfreut und verblüfft uns Spányi mit musi-kalischen Kleinodien eines ungewöhnlicheinfallsreichen und fruchtbaren Kompo-nisten, diesmal mit Werken aus der Reife-zeit des Meisters, entstanden in den1760er Jahren. In diese Zeit fällt BachsWechsel von der Tätigkeit als Hof-cembalist Friedrich II in Potsdam nach Hamburg, wo er die Nachfolge seines Tauf-paten Telemann als Musikdirektor antrat.

Abschluss einer besonderen

EditionZu jener Zeit galt Bach weithin als eine

Autorität auf dem Gebiet des Klavierspiels,und sein Ruf als Klavierkomponist warvorzüglich. Seine Kundschaft unter denAmateurmusikern wuchs exponentiell,und die eifrigen Amateure verlangte esnach allen möglichen Arten von Klavier-werken. Bach bediente sie alle mit Kom-positionen, die auch in kleiner Form stetsvon hohem Qualitätsniveau zeugen. Vonbesonderer Beliebtheit war die Form derKlaviervariation über bekannte Melodien,ein Genre, das Bach in der bis in die Zeitder Wiener Klassik hinein gepflegtenWeise überhaupt erst geschaffen hat. –Für die meisten Folgen dieser Gesamtauf-nahme setzte Spányi ein Clavichord ein,ein Instrument, dass Bach ob seines inti-men, beweglichen und ausdrucksstarkenKlanges besonders liebte. Diesmal ent-schied er sich für einen Tangentenflügel,der ebenfalls klanglich reicher ist als daszeitgleiche Fortepiano, aber doch den hiereingespielten Werken, ihrem Charaktergemäß, mehr orchestrale Fülle verleiht.

KTC 1395Milhaud, Hindemith, Ysaye

Violakonzert, 4 Visages, Sonaten für Viola Solo

Susanne van Els, Gerard Bouwhuis Schoenberg Ensemble

Reinbert de Leeuw

KTC 1383Georg Friedrich Händel

Concerti grossi, Ouvertüren B'Rock

KTC 4031 Mancini, Anonym

Missa Septimus und andere italienische Musik

Claire Lefilliatre, Marnix de CatCurrende, Erik van Nevel

Überzeugende musikalische

Vielfalt

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Im Blickpunkt

Johann Sebastian BachToccatasLéon BerbenRAM 0903 / Ramee

Die frühen Toccaten zählen zu den rätselhaftesten Werken Johann SebastianBachs, zugleich aber auch zu seinen fas-zinierendsten Schöpfungen. Ihr gattungs-geschichtlicher Hintergrund ist viel-schichtig, wobei vor allem die OrgelwerkeBuxtehudes und dessen Schüler Bruhnsdie kompositorische Gestaltung beein-flusst haben mögen. Sie dienten wohl alsMustervorlagen seiner hochgerühmtenImprovisationskunst, die es dem Kom-ponisten erlaubten, sich im Bereich derSpieltechnik sowohl am Cembalo als auchan der Orgel an die Grenzen des Instru-mentes heranzutasten, ohne dabei einemeinschränkenden Formschema unterwor-fen zu sein. Von der mit dieser Freiheiteinhergehenden Virtuosität gibt die vor-liegende Einspielung von Léon Berben eineindrucksvolles Zeugnis.

Léon Berben darf am Cembalo und an der Orgel als Meister seines Fachs gelten. Umfassende Kenntnisse in Musik-geschichte und historischer Aufführungs-praxis weisen ihn als einen der führendenKöpfe der jüngeren Generation der „AltenMusik“-Szene aus. Intensives Quellen-studium und stete Forschungsarbeit ver-leihen der Interpretationskunst von LéonBerben einen besonderen Rang. Als Ex-Cembalist von Musica Antiqua Köln, ver-folgt er seit der Auflösung des Ensembleseine ausgedehnte Solo-Karriere, die nochviele weitere aufregende CD-Einspielun-gen verspricht.

26 AUSGABE 2009/3

Peter Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893)Sämtliche Streichquartette Vol. 1, op. 11 + 22Utrecht String QuartetMDG 903 1575-6 (Hybrid-SACD)

Tschaikowsky hatte die Konservatorienin Sankt Petersburg und Moskau besuchtund mit Unterstützung der Brüder Antonund Nikolai Rubinstein auch schon Erfah-rungen als Komponist gesammelt. Auf den großen Durchbruch wartete er mit30 Jahren aber immer noch. Und dannwar es vor allem der heute berühmtezweite Satz des op. 11, der Zuhörer undKritiker gleichermaßen zu Lobeshymnenhinriss: Tschaikowsky berichtet 1872voller Stolz, dass sein Werk auch in SanktPetersburg für „Furore“ gesorgt habe.

Hinreißendes Strömen

Die positive Resonanz beflügeltTschaikowsky. Zur Jahreswende 1873/74schreibt er sein zweites Streichquartett. Ineinem Brief an seinen Bruder Modestbezeichnet er dieses Werk als sein bisherbestes: „Nichts strömte aus mir so leichtund einfach hinaus.“

Das Utrecht String Quartet ist einesder renommiertesten Kammermusik-ensembles der Niederlande, das dieErforschung von verschollenem oder inVergessenheit geratenem Repertoire alseinen Schwerpunkt seiner Arbeit sieht.Noch in bester Erinnerung sind uns dieAufnahmen der Streichquartette von Alexander Grechaninov, Alexander Glazu-nov und Lex van Delden, die hier auf her-vorragende Weise fortgesetzt werden.

Johann Philipp Kirnberger (1721-1783)6 Trios für zwei Violinen und B.c.NeoBarockAMB 96929 / Ambitus

Kirnberger ist heute vor allem alsgroßer Theoretiker des 18. Jahrhundertsbekannt („Die Kunst des reinen Satzes“),dabei war er stets auch ausübender Musiker. Ausgebildet zunächst bei JohannPeter Kellner und dem Bach-SchülerHeinrich Nicolaus Gerber, genoss er abEnde 1740 Unterricht bei Bach selbst. Ab1758 war er bis zu seinem LebensendeHofmusiker bei der Schwester Friedrichsdes Großen, Anna Amalia von Preußen.Wann genau seine sechs Trios entstandensind, lässt sich nicht mehr feststellen. Stilistische Merkmale wie eine Polonaisemit folkloristisch-polnischen Zügen las-sen aber darauf schließen, dass es sichum Werke handelt, die nach seinen Wanderjahren, also nach 1750 entstan-den sind. Die sechs Werke bilden eineabgerundete Werksammlung. Den Beginndes ersten Trios bildet eine französischeOuvertüre, Berufung auf eine alte Tradi-tion, und den Beschluss machen Tanz-sätze nach Suitenart – ein Menuett mitTrio als heiterer Ausklang. Immer wiederwird deutlich, wie sehr Kirnberger anBach anknüpft, aber ihn nicht nachahmt,sondern sein Vorbild auf der Stilstufe sei-ner Generation zu verwirklichen trachtet.

Bach und die Folgen

Offenbart sich Kirnberger in vielen sei-ner Triosonatensätze als Mensch seinerZeit und ihrer Gefühlswelt, so überraschter doch immer wieder mit ungewöhnli-cher historischer Tiefendimension durchEinsatz von Kompositionstechniken undStilmitteln der „Alten“, wie man damalssagte (stile antico, polyphoner Satz,Fugentechnik). Eine Bereicherung desPlattenschranks nicht nur für Bach-Fans.

Georgs Pelécis RevelationGidon Kremer / Kremerata BalticaMDC 7797 / Megadisc

Georgs Pelécis ist einer der führendenKomponisten Lettlands und zugleich einhervorragender Musikwissenschaftler mitdem Spezialgebiet Geschichte und Theoriedes Kontrapunkts. Geboren in Riga am18. Juni 1947, erhielt er 1970 seinDiplom in Komposition in der Klasse vonAram Khatchaturian am Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau. Das tonaleUniversum der Musik von Pelécis spiegelteinen klaren und positiven Geist wider:Sein musikalischer Stil kann am bestenmit den Worten einfach, melodiös undeingängig beschrieben werden. Pelécishat eine deutlich hörbare Affinität zur lettischen Volksmusik, aber auch zurwestlichen Musik der Vergangenheit, vomMittelalter über Renaissance bis hin zumBarock. Daneben gibt es – und das giltvor allem für seine vokale Musik – hör-bare Berührungsflächen mit der Musikseines Kollegen Arvo Pärt (geb. 1935)und dem englischen Komponisten JohnTavener (geb. 1944).

Konsonante Musik

Der aus Lettland stammende StargeigerGidon Kremer hat eine besondere Nähe zurMusik seiner Heimat, wie zahlreiche seinerCD-Aufnahmen zeigen. Auf seiner bei derDeutschen Grammophon erschienenen CD„Kremerland“ hat er zuletzt auch GeorgsPelécis mit dem Stück „Meeting with a friend“ einem breiten Publikum vorgestellt.Auf der vorliegenden Aufnahme präsentiertKremer zusammen mit seiner KremerataBaltica nun neue und neueste Werke seinesLandsmannes. „Buena Riga“ und „The LastSong“ sind für Violine und Streichorchestergeschrieben, „Nevertheless“ für Violine,Klavier und Streichorchester und das jüng-ste Werk „Revelation“ (2003) für die unge-wöhnliche Besetzung Countertenor, Flöte,Viola da gamba und Cembalo.

Alte Musik Kammermusik

AUSGABE 2009/3 27

CLASS a k t u e l l

Pavel Haas (1899-1944)Bläserquintett op. 10Suite für Oboe und Klavier op. 17Streichquartett Nr. 3 op. 15Ensemble Villa MusicaMDG 304 1527-2

Mit aller musikalischen Kraft stemmtesich der tschechische Komponist PavelHaas gegen die Eroberung seiner Heimatdurch Hitler-Deutschland, doch es warvergeblich: Die Truppen marschierten imMärz 1939 in Prag ein, der jüdische Kom-ponist kam ins KZ und komponierte dortseine letzten Stücke, bevor er 1944 inAuschwitz ermordet wurde.

Groß geworden in spätromantischerTradition, nutzte Haas mährische Volks-lieder und Tänze als Quelle seiner Inspi-ration, lehnte sich gleichzeitig an syno-dale Gesänge und die Gregorianik an undzeigte sich auch offen für die Strömungender Moderne.

Ohrenzeuge„Ernst und Heiterkeit“ markieren

inhaltliche Gegensätze, die im Bläserquin-tett op. 10 aus dem Jahr 1929 auch musi-kalisch deutlich werden. Ein handschrift-licher Vermerk zum dritten Streichquar-tett aus den Jahren 1937/38 macht klar,warum das Werk so wuchtig aggressivklingt: Während Haas komponierte,lauschte er den Radio-Berichten über dieletztlich erfolglosen Demonstrationszügeder tschechischen Bevölkerung gegen dieExpansionsgelüste Hitlers. Doch es kommtnoch schlimmer: Der jüdische Komponistversucht erfolglos sein Heimatland zu ver-lassen und verarbeitet diese negativen Er-lebnisse im Sommer und Herbst 1939 inseiner Suite für Oboe und Klavier op. 17.Als Zeichen des Widerstands zitiert er darinunter anderem zwei tschechische Choräle.

Das Ensemble Villa Musica bringt mitgroßem inneren Einsatz und künstlerischerDelikatesse die so unterschiedlich beset-zen Werke zur Aufführung und fügt seinerviel beachteten Reihe von Komponisten-portraits eine weitere Kostbarkeit hinzu.

Kammermusik

Monteverdi, Frescobaldi, Kapsberger,Merula, u.a.Sacred Garland Erbauliche Kammermusik aus dem Zeitalter von Claudio MonteverdiThe Gonzaga Band Jamie Savan, Faye Newton,Richard Sweeney, Steven DevineCHAN 0761 / Chaconne

Die Gonzaga Band, im Jahr 1997 von dem Zinkenisten JamieSavan gegründet, widmet sich vor allem der historisch in-formierten Erkundung der instrumentalen und vokalen Musikdes 16. und 17. Jahrhunderts. Die Besetzung des Ensembles ist flexibel: Die in der vorliegenden Einspielung zu hörenden vier Musiker bilden die Kerngruppe, zu der sich – entsprechendden spezifischen Anforderungen der jeweiligen Programme –weitere führende Spezialisten für historische Instrumente undSänger dazugesellen.

Anfang des 17. Jahrhunderts bildete sich das Genre des solis-tischen Gesangs mit basso accompagnato-Begleitung heraus. Dieneue Kompositionspraxis gab dem Wort und dessen deutlicherWiedergabe den Vorrang. Im Bereich der Instrumentalmusik galtder Zink als das geeignetste Instrument, die Singstimme nachzu-ahmen. Der neue Stil, der ursprünglich die Affekte weltlicherTexte sowie die ersten Versuche in der Gattung Oper unmittel-barer ausgestalten sollte, wurde von Komponisten auch für dieSakralmusik übernommen. Intime Vertonungen erbaulicherTexte fanden Eingang in Privatkapellen der italienischen Adels-paläste und der wohlhabenden Mittelschicht.

Sakrale GirlandeFür ihre Aufnahme „Sacred Garland“ (Sakrale Girlande)

haben die Gonzaga Band eine wunderbare Sammlung mitandächtigen Gesängen für Solostimme und obligate Instrumentesowie instrumentale Kammermusik aus dem italienischen Früh-barock zusammengestellt. Neben bekannten Komponisten wieMonteverdi, Frescobaldi, Kapsberger oder Merula sind mitNicolò Corradini, Benedetto Re oder Archangelo Crotti auch solche zu hören, die heute nahezu vergessen sind und hier ihreverdiente Wiederentdeckung erleben.

J.S. BachHeinz Holliger C.P.E. BachWorks for Flute solo

Felix Renggli · Flute / Traverso

String Quartets by

Ravel Stravinsky Debussy

Quatuor Sine NomineLausanne

Robert &Clara SchumannRomances and Fantasies

François Benda · clarinetElina Gotsouliak · piano

Im Blickpunkt

28 AUSGABE 2009/3

Oper

Robin de Raaff RaaffMarcel Reijans, Danielle de Niese, u.a.Nieuw Ensemble, Lawrence Renes, Ltg.KTC 1370 / Etcetera

Robin de Raaff (geb. 1968) gehört zuden brillantesten Repräsentanten derneuen holländischen Komponistengenera-tion. Er schrieb zahlreiche Auftragswerkeund studierte bei so namhaften Größen wieWolfgang Rihm und George Benjamin.Noch bevor er 1997 sein Studium am Kon-servatorium in Amsterdam mit summa cumlaude abschloss, hatte er bereits von sichreden gemacht, als er im Rahmen einesMeisterkurses bei Pierre Boulez eines sei-ner Werke präsentierte. Bei dieser Gelegen-heit wurde auch Pierre Audi, Intendant derNederlandse Opera in Amsterdam, auf ihnaufmerksam.

De Raaff muss offenbar einen beson-ders nachhaltigen Eindruck hinterlassenhaben, denn Audi erteilte dem jungen nie-derländischen Komponisten einen Kompo-sitionsauftrag für De Nederlandse Opera.2004 schließlich erlebte die Oper „Raaff“in Amsterdam in einer Inszenierung vonAudi ihre Uraufführung. Robin de Raaffbeschreibt seine Oper als „ein Stück, indem die Vielzahl von musikalischen Ideenvon entscheidender Wichtigkeit ist für die Entwicklung der Charaktere und die zugrunde liegende dramatische Ent-wicklung“.

Inhaltlich dreht sich die zweiaktigeOper um den künstlerischen Konflikt zwi-schen Mozart und Anton Raaff, dem wohlberühmtesten Tenor seiner Zeit, und dieEntstehung des „Idomeneo“, bei derenUraufführung im Jahr 1781 der 67-jährigeTenor die Rolle des Titelhelden sang. Nebendem Tenor Marcel Reijans ist die junge auf-strebende Sopranistin Danielle de Niese –sie interpretiert die Geliebte des alterndenRaaffs, die sich mehr und mehr zu demjungen Mozart hingezogen fühlt – vokalerMittelpunkt der vorliegenden Aufnahme.

Leonardo Leo (1694-1744)L‘AlidoroErmolli, Schiavo, Varriale, Ercolano,De Vittorio, Ruggeri, MoraceOrchestra Barocca Cappella dellaPietà del Turchini, Antonio FlorioRegie: Arturo CirilloCDS 33588 / Dynamic (2 DVD Video) Ersteinspielung

Im Kloster Montecassino fand sichkürzlich die Partitur dieser komischenOper aus der Feder von Leonardo Leo,einem der führenden neapolitanischenKomponisten des 18. Jahrhunderts, derneue stilistische Elemente in das Genreeinbrachte. 1740 hatte er ein besondersintensives Arbeitsjahr, denn er brachtesechs Bühnenwerke heraus, darunter„L'Alidoro“. Dies war das Ergebnis derZusammenarbeit mit dem Dichter G.Federico, unter anderem Librettist der„Serva padrona“ und des „Flamingo“ vonPergolesi sowie von anderen Opern Leos,darunter „Amor vuoi sofferenza“, dieeuropaweit Erfolg hatte. Die Handlungvon „L'Alidoro“ basiert auf zwei häufigenMotiven des Musiktheaters: der Verklei-dung zwecks amouröser Eroberung undder Wiederfindung, die dem zentralenPaar die Erfüllung seines Liebestraumesermöglicht. Cirillo zeigt auf sehr spannendeWeise in seiner Regie, wie in dieser Opereigentlich nichts passiert – ausser einemsehr subtilen Spiel der Beziehungen dersieben Protagonisten untereinander.

Subtile Beziehungen

Wie bei Marivaux geht es hier um diesozialen Unterschiede, wenn sich Mittel-klasse der Dienerschaft und umgekehrtzuwendet, und wie in einer FeydeauschenKomödie wandern sie auf die Bühne (undgehen wieder ab), um zu spionieren, sich darzustellen oder jemandem den Hofzu machen, bis jedermann vom Zweifelzerfressen ist.

Agostino Steffani (1654–1728)Orlando Generoso, Drama per ilTheatro d’Hannover (1691)SolistenMusica Alta RipaBernward Lohr, Cembalo und LeitungMDG 309 1566-2 (3 CDs)

Mehr als 300 Jahre sind vergangen,seit das Herzogtum Hannover die Kur-würde erhielt, doch an dem steten Be-mühen der Welfen, öffentliche Aufmerk-samkeit zu erlangen, hat sich bis heutenichts geändert. Ende des 17. Jahrhun-derts startete das Herrscherhaus eine kul-turelle Offensive und verpflichtete den ita-lienischen Komponisten Agostino Steffanials Hofkapellmeister, damit aus dem Her-zog Ernst August ein Kurfürst wurde.

Yellow PressFür den Herzog war der Italiener ein

Glücksfall. Er nutzte das Geschick des viel-fältig ausgebildeten Theologen, Diploma-ten und Musikers auch zu vielerlei dis-kreten Verhandlungen. „Orlando generoso“ist Steffanis vierte Oper. Das Libretto be-schreibt den in der höfischen Gesellschaftder damaligen Zeit typischen Zwiespaltzwischen persönlicher Emotionalität undkühler Machtstrategie: UnüberbrückbareStandesunterschiede stürzen zwei Lieben-de in den Wahnsinn. Steffani greift diesesThema mit virtuoser und expressiver Vo-kalmusik auf. Er kombiniert italienischeVirtuosität und Spontaneität mit französi-scher Eleganz und Raffinesse und schafftdadurch einen eigenen, mondänen Tonfall.

In den Herrenhäuser Gärten unweitdes einstigen Sommerschlosses der Wel-fen werden die Werke Steffanis auch inder Ära des heutigen Ernst August vonHannover noch immer gern gespielt, wieein lebendiger Live-Mitschnitt der Oper aufdrei CDs mit Musica Alta Ripa und her-vorragenden Solisten eindrucksvoll belegt.

Sergej Rachmaninoff (1873-1943)Der geizige RitterIldar Abdrazakov, Misha Didyk,Peter Bronder, Sergey Murzaev u.a.BBC Philharmonic , Yuri Torchinsky, Ltg.Gianandrea Noseda,CHAN 10544 / Chandos

Sergej Rachmaninoff schrieb denOperneinakter „Der geizige Ritter“ in denJahren 1903 bis 1905 nach der literari-schen Vorlage von Alexander Puschkinsgleichnamiger Tragödie aus den „KleinenTragödien“ (1830). Musikalisch ist dasWerk unverkennbar von Richard Wagnerbeeinflusst. Sein Besuch bei den BayreutherFestspielen im Jahr 1902 hatte bei Rachma-ninoff einen tiefen Eindruck hinterlassen;entsprechend groß besetzte er das Orches-ter mit drei- bis vierfachem Holz, ein-schließlich farblich prägnanter dunklerInstrumente wie zwei Englischhörnern undzwei Bassklarinetten und – typisch fürRachmaninoff – erweitertem Schlagwerkmit Basstrommel, Triangel, Becken undTamtam, sowie einer Harfe. Auch dieWagnersche Leitmotiv-Technik fehlt nicht.

Nach der hoch gelobten Aufnahme von„Francesca da Rimini“ setzt Chandos seineGesamteinspielung der drei einaktigenOpern Rachmaninoffs nun mit „Der geizigeRitter“ fort. Am Pult steht GianandreaNoseda, Chefdirigent des BBC Philharmonicund seit 2007 auch Chefdirigent des TeatroRegio in Turin. Die Besetzung macht miteinigen aufregenden neuen Stimmen be-kannt. Der stimmgewaltige junge russischeBass Ildar Abdrazakov ist ein gern gesehe-ner Gast an den Opernhäusern in New York,San Francisco, Wien, Berlin und immerwieder Mailand, in diesem Sommer konnteer sein Debüt bei den Salzburger Festspielenfeiern. Der ukrainische Tenor Misha Didyk,in der „Francesca da Rimini“-Aufnahmebereits in der Partie des Paolo zu hören,debütierte zuletzt an der Mailänder Scala,der San Francisco Opera, dem Teatro RealMadrid und an der Staatsoper Unter denLinden Berlin. Er gilt als einer der interes-santesten lyrischen Tenöre unserer Zeit.

AUSGABE 2009/3 29

CLASS a k t u e l l

Joseph Haydn (1732-1809)Le PescatriciTumuliauskaité, Ciurilaité,Jonutyté, Littay, Agamirzow,Jouzapaitis, BergorulkoChor und Orchester der Litauischen OperOlga GéczyHCD 32643 / Hungaroton

Haydn benannte „die Fischerinnen“,dieses dreiaktige Dramma giocoso, 1770in Esterhazy uraufgeführt, als eine seinererfolgreichsten Opern. Nach dem Erfolgdes „Apothekers“ vertonte Haydn in den„Fischerinnen“ zum zweiten Mal einLibretto von Goldoni, und zwar jene Ver-sion, die dieser in der Karnevalszeit desJahres 1752 in Venedig für den Kompo-nisten Bertoni verfasst hatte. Dessen Operwurde zu einer der populärsten komi-schen Opern ihrer Zeit, ein Bühnenwerk,dass in ganz Italien und auch im Auslandoft gespielt wurde.

Komisches vom Altmeister

Und obwohl Haydn auf seine Verto-nung des Stoffes so große Stücke hielt, fielsie doch wie viele andere Haydn-Operndem Vergessen anheim; beim Brand desTheaters 1776 ging ein Teil der Partitur(und wahrscheinlich auch Stimmenmate-rial) verloren, so dass die „Pescatrici“heute nur noch als Fragment oder mit der1965 nachkomponierten Ergänzung vonH. Robbins Landon aufzuführen sind.Robbins Landon hatte für die neuzeitlicheErstaufführung 1965 in Holland die feh-lenden Teile insbesondere im zweiten Aktbehutsam ergänzt. Als Ouvertüre wirdheute gern der Einleitungssatz der D-Dur-Sinfonie Hob. 1:57 verwendet. Im Ver-gleich zu der italienischen Opernpraxisder Epoche und zu den frühen OpernHaydns ist die Orchesterbesetzung der„Fischerinnen“ besonders vielfältig; dieInstrumentierung wird durch zahlreichetonmalerische Effekte bereichert.

Oper

Agostino Steffani (1654-1728)AlaricoMaiardi, Curia, Young,Capilupi, LiberatoScarlatti Camerata Ensemble,Luca CasagrandeConcerto CD 2039 (Ersteinspielung)

Die meisten seiner Opern schrieb dergebürtige Venezianer Steffani in Deutsch-land, vorwiegend in seiner Münchner Zeit(also zwischen 1681 und 1688) und inHannover (1689-1709), bevor er Diplomatwurde und seine Karriere als Kirchen-komponist begann (1709 wurde er aufder Rückreise von einem Besuch bei Kar-dinal Ottoboni in Rom von einem jungenKomponisten begleitet, einem gewissenGeorg Friedrich Händel, der ihm ein Jahrspäter in Hannover als Chorleiter undMusikdirektor nachfolgen sollte...). InHannover schrieb er acht Opern für dasneu errichtete Opernhaus und war zu derZeit DIE musikalische Autorität in derStadt. Neben Alessandro Scarlatti gilt Stef-fani heute als eines der größten Talenteseiner Generation. „Alarico il Baltha, cioèl‘Audace, Rè di Gothi“ schrieb er 1687 inMünchen. Das Werk ist ein herausragen-des Beispiel für das barocke Drama.

Aus der Werkstatteiner Autorität

Die technischen Anforderungen an dieSängerinnen und Sänger sind enorm, ins-besondere schien es den Komponistennicht zu kümmern, dass der menschlichenStimme auf dem Weg nach oben durchdie Tonräume mal eine Grenze gesetzt ist.Steffani muss damals ein ungewöhnlich„hochwertiges“ Personal in Hannover zurVerfügung gestanden haben. Dabei sindseine Arien, auch hochdramatisch aufge-fasste, immer angenehm und zwingend immelodischen Verlauf; nichts wirkt ange-strengt oder gekünstelt.

Die schönste Kunst: ein Mensch zu seynLieder aus der Zeit der Deutschen Aufklärung von Scholtze, Herbing, Kunzen, Görner,Telemann, Gräfe, Schmügel u.a.Martin Hummel, BaritonGlen Wilson, CembaloM 56897 / Musicaphon

„Mit vorliegender CD habe ich ver-sucht, die Befindlichkeit des Menschenzur Zeit der deutschen Aufklärung (1720-1780) anhand der mir einsehbaren Liedersammlungen aufzuspüren.

In dieser Zeit des erwachenden Bür-gertums, in der viele Menschen noch nichtlesen und schreiben konnten, versuchtenDichter und Musiker in der kleinen Formdes Liedes, den Geist der Zeit einzufangenund auf dessen Ideale hinzuweisen. Frei-heit statt Absolutismus, Gleichheit stattStändeordnung, wissenschaftliche Erkennt-nis statt Vorurteil und Aberglaube, Tole-ranz statt Dogmatismus – so lauteten dieIdeen dieser neuen Zeit, die mit Optimis-mus vom gebildeten Bürgertum und dessenStudenten eingefordert wurden. JohannChristoph Gottsched verlangte von denzeitgenössischen Dichtern, Erzieher derLeserschaft im Sinne der Aufklärung zusein. So verwundert es nicht, dass in diesenLiedern die Belehrung der Zeitgenossenim Vordergrund steht.

Geschieht das in der Mehrzahl derGedichte im moralisierenden Tonfall,habe ich bei meiner Auswahl oft Stückeberücksichtigt, die mit Ironie und Augen-zwinkern menschliche Unzulänglichkeitenaufdecken. Verschiedene Typen der Gesell-schaft werden karikiert oder humorvollan den Pranger gestellt. Wer den Unfehl-barkeitsanspruch des Meisters – der ja ge-legentlich noch heute an diversen Hoch-schulen anzutreffen ist – hinterfragt wissenwill, wird genauso bedient, wie derjenige,der sich nach dem schnellsten Weg zurgroßen Karriere in der Gesellschaft erkun-digt; die immer wieder gültige Antwort:Seyd dumm und reich!“ (Martin Hummel)

Stabat MaterVivaldi: Sonata „Al Santo Sepolchro“,RV 130 / Stabat Mater, RV 621Pergolesi: Salve Regina Bach: Tilge, Höchster, meine Sünden, BWV 1083Emma Kirkby, SopranDaniel Taylor, AltusTheatre of Early MusicBIS-SACD-1546 (Hybrid-SACD)

Da heißt eine SACD „Stabat Mater“und kann auch mit Pergolesi aufwarten –aber was fehlt, ist sein berühmtes „StabatMater“! Aber nicht ganz: Nur wenigerJahre, nachdem Pergolesi das „StabatMater“ 1736 vollendet hatte, adaptierteBach es für seine Vertonung des Psalms 51(„Tilge, Höchster, meine Sünden“). UndPergolesi selbst ist mit seinem „SalveRegina“ vertreten, etwa zur gleichen Zeit wie das „Stabat Mater“ komponiert,und von einer durchaus vergleichbarenAusdruckstiefe.

Schmerzlich schön

Ganz dem Titel entsprechend ist aller-dings Vivaldi zu hören; seine Vertonungentstand etwa 1711. Seltsamerweise wur-de Vivaldis geistliche Musik erst Anfangdes 20. Jahrhunderts zur Kenntnis ge-nommen – bis dahin galt er ausschließ-lich als Komponist von Instrumental-musik. Mitverantwortlich für diese Unwis-senheit ist der Komponist selbst, der nurInstrumentalwerke veröffentlicht hatte.Dabei hatte er nicht weniger als 44 Opern,59 Kantaten und mehr als 60 anderegeistliche Werke (Motetten, Oratorien)verfasst. Das „Stabat Mater“ ist eines der ersten geistlichen Werke Vivaldis, dieuns bekannt sind. Bemerkenswert: ZumZeitpunkt der Komposition war der „rotePriester“ bereits über 30 Jahre alt. Erstmit einer gewissen erworbenen kompo-sitorischen Reife wandte er sich der geistlichen Musik zu.

Lied/Vokalmusik

30 AUSGABE 2009/3

Pyotr Ilych TchaikovskySymphonie Nr. 3 D-dur „Polnische“,op. 29 / BühnenmusikenGöteborger Symphoniker, Neeme JärviBIS-SACD-1468 (Hybrid-SACD)

Mit dieser SACD wird die Gesamtauf-nahme der Symphonien Tchaikovskys ab-geschlossen. Ein Zyklus, den man wohlals konsequent unsentimental bezeichnenkann; die Interpretationen sind wohltuendentfernt von dem oft süsslichen Torten-guss, mit dem Tchaikovsky in einer mitt-lerweile über hundertjährigen Interpreta-tionsgeschichte gern verziert wird (undder ihn ziemlich ungenießbar macht).„Groß“ und „überaus schwierig“ nannteTchaikovsky selbst seine 3. Symphonie, dieNikolai Rubinstein am 7.11.1875 inMoskau uraufführte. Die Fünfsätzigkeit desWerkes ist im symphonischen SchaffenTchaikovskys ebenso ungewöhnlich wiedie Dur-Tonart. „Überaus schwierig“, unddoch in kürzester Zeit komponiert: ImJuni 1875 auf dem Landgut Ussowo desFreundes Wladimir Schilowsky entworfen,war sie schon Anfang August fertiggestellt.Die Reaktionen des Publikums auf das Werkwaren sehr erfreulich; bei der St. Peters-burger Aufführung am 24.1.1876 wurdeder anwesende Tchaikovsky dreimal her-ausgerufen. Dabei bemerkte er selbstkri-tisch gegenüber Rimsky-Korsakow: „Wiemir scheint, enthält die Symphonie keinebesonders erfolgreichen Ideen, aber tech-nisch ist sie ein Schritt vorwärts.“ Dagegenschrieb der Freund und MusikkritikerHermann Laroche zu Recht: „Herr Tchai-kovsky schreitet unablässig voran. In sei-ner neuen Symphonie hat die Kunst derForm und der kontrapunktischen Ent-wicklung ein so hohes Niveau wie in kei-nem seiner früheren Werke erreicht. Ganzallgemein gesagt, stellt die neue Symphonieaufgrund ihrer inhaltlichen Kraft und Be-deutung, ihrem mannigfaltigen Formen-reichtum, der Vornehmheit ihres eigen-ständigen Stils und der technischen Voll-kommenheit eines der Hauptwerke in derMusik Europas der letzten zehn Jahre dar.“

Im Blickpunkt

Orchester / Konzert

Sergej ProkofieffCellokonzert op. 58 e-MollSinfonie op. 125 e-MollAlban Gerhardt, CelloBergen Philharmonic Orchestra Andrew Litton, Ltg.CDA 67705 / Hyperion

Alban Gerhardt hat sich in kürzesterZeit in die vorderste Front der Cello-solisten gespielt, kein Wunder, dass er inden großen Musikzentren Europas,Japans und der USA mit den bedeutends-ten Orchestern und deren Dirigentenkonzertiert. Seine Diskografie zeigt, dasser sich auch immer gerne den Reper-toirebesonderheiten widmet, was ihnnatürlich für den Plattensammler beson-ders interessant macht.

So bietet auch Gerhardts neueste Aufnahme mit Cello-Werken von SergeiProkofieff einen interessanten Blick in dieWerkstatt eines Komponisten. Nach dererfolglosen Uraufführung seines erstenCellokonzerts op. 58 Ende der 1930erJahre ließ Prokofieff die Partitur des Wer-kes unveröffentlicht. Einige Jahre späterjedoch fand der kaum zwanzigjährigeMstislaw Rostropowitsch ein Exemplarmit Klavierbegleitung und beeindruckteden Komponisten mit seiner Aufführungim Dezember 1947. Prokofieff versprachRostropowitsch, das Werk umzuschrei-ben. Am Ende entstand ein ganz neuesWerk: das „Sinfonische Konzert“ op. 125,das 1952 mit Rostropowitsch als Solistenund Sviatoslav Richter als Dirigenten(übrigens sein einziges Dirigat!) seineUraufführung erlebte. Hier also die span-nende und absolut hörenswerte Gegen-überstellung der beiden Versionen.

Anton Bruckner Sinfonien Nr. 3 & 4 Royal Concertgebouw OrchestraMariss Jansons, Ltg.RCO 09002 / RCO Life

Das Concertgebouw Orchestra ent-wickelte sich nach seiner Gründung imJahre 1888 rasch zu einem der bestenOrchester Europas. „Wirklich prachtvoll,voll Jugendfrische und Begeisterung“, solautete das Urteil von Richard Strauss imJahre 1897. Seit kurzem darf das RoyalConcertgebouw Orchestra aus Amsterdam„offiziell“ den Titel „bestes Orchester derWelt“ führen. In einer Ende 2008 veröffent-lichten Rangliste im Gramophone, demwichtigsten Klassik-Fachmagazin der Welt,landete das Orchester auf dem erstenPlatz, gefolgt von den Philharmonikernaus Berlin und Wien.

Die „samtenen“ Streicher, der „gol-dene“ Klang der Blechbläser sowie dasbesondere, individuelle Timbre der Holz-bläser gelten als besondere Markenzeichendes Orchesters. Maßgeblich zu seinemWeltruhm trugen auch die Interpretationendes spätromantischen Repertoires bei. DieMahler-Tradition, die ihre Wurzeln in denunzähligen Aufführungen hat, die Mahlerselbst dirigierte, erlebte zwei Höhepunktebei den Mahler-Festspielen 1920 und 1995.Der langjährige Chefdirigent BernardHaitink beeindruckte mit integralen Auf-nahmen der Mahler-Sinfonien.

Aus dem Repertoire des Orchestersnicht mehr wegzudenken ist auch AntonBruckner. Es war Eduard van Beinum, dernach dem Krieg seine Sinfonien nachhaltigzu Gehör brachte. Bernard Haitink undRiccardo Chailly ließen Maßstab setzendeGesamtaufnahmen der Sinfonien folgen.Mariss Jansons, der aktuelle Chefdirigent,setzt die große Bruckner-Tradition desOrchesters eindrucksvoll fort, wie dieumjubelten Live-Konzerte von BrucknersSinfonien Nr. 3 und 4 aus den Jahren2007 und 2008 belegen.

Carles Baguer SinfonienAcademia 1750, Orquestra Historicadel Festival de Torroella,Faran James, Ltg.1CM 0210 / Columna Musica

Die Wiederentdeckung der katalani-schen und spanischen Musik des 17. und18. Jahrhunderts in den letzten Jahren hatbis dahin unbekannte Komponisten wie-der einem breiteren Publikum bekanntgemacht. So auch Carlos Baguer (1768 -1808), der von 1786 bis zu seinem Todals (Titular-)Organist an der Kathedralevon Barcelona wirkte. Baguer betätigtesich in nahezu jedem musikalischenGenre seiner Zeit: Er schrieb eine Vielzahlvon Kompositionen für die Orgel, liturgi-sche Werke und Oratorien, eine Samm-lung von Flötenduos, eine Oper und nichtweniger als neunzehn Sinfonien. Baguergilt heute als wichtigster sinfonischerKomponist der katalanischen, ja vielleichtsogar der spanischen Klassik.

Die Sinfonie als Gattung machte inKatalonien erstmals zwischen 1780 und1790 auf sich aufmerksam. Um diese Zeitbegann auch die Musik Joseph Haydnszunehmend an Einfluss zu gewinnen, undbald tauchten die ersten Sinfonien auf, diein ihrem Stil dem österreichischen Kom-ponisten nacheiferten. Auch die meistenSinfonien Carlos Baguers sind durchHaydn geprägt. Dieser Einfluss lässt sichbesonders an Form, Tonalität, Metrumund Melodik feststellen.

Gleichwohl stellen sich Baguers Sinfo-nien als eine sehr persönliche Mischungaus Elementen verschiedenen Ursprungs– nämlich deutschen, italienischen undkatalanischen – dar. Die vorliegende Auswahl bietet einen Querschnitt durchBaguers Schaffen (eine der Sinfonienwurde eine Zeitlang sogar Haydn zuge-schrieben) und zugleich einen interes-santen Einblick in eine besondereRandausprägung des klassischen Stils.

AUSGABE 2009/3 31

Klarinette. UniversumLübeck Philharmonic live vol. 5:Brahms (Berio): Sonate für Klarinette und Klavier op. 120,1 (Orchesterfassung)Holst: The PlanetsReiner Wehle, KlarinetteChor und Extrachor des Theater LübeckPhilharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, Roman Brogli-SacherM 56912 / Musicaphon (Hybrid-SACD)

Nur wenige Werke für Klarinette schrieb Johannes Brahms– und allesamt entstanden sie in den letzten Lebensjahren desKomponisten. Die vorliegende Bearbeitung der f-Moll-Sonatefür Klarinette und Orchester ist außergewöhnlich, stammt siedoch nicht lediglich von einem in moderner Zeit lebenden,sondern von einem dezidiert modernen Komponisten. LucianoBerio, geboren 1925 in Italien, startete zunächst eine Pianistenkarriere und wandte sich nach eine Handverletzungder Komposition zu. Immer wieder widmete er sich außerdemBearbeitungen – ein Umstand, der ihn mit Brahms verbindet.Teilweise revidierte Berio auch seine eigenen Werke, ver-änderte oder erweiterte sie. In seiner Bearbeitung der erstenKlarinettensonate hat er die Solo-Stimme nicht angetastet.

Hinaus ins All„The Planets“ ist fraglos eines der populärsten Musik-

stücke überhaupt. Ihr Schöpfer Gustav Holst hingegen ist keinpopulärer Komponist, von dem man außer eben jener „Plane-ten“-Suite so gut wie nichts kennt. Es ist kein riesiges Œuvre,das er hinterlassen hat; nur ein Bruchteil davon ist je im Druckerschienen und viele der Handschriften ungedruckter Werkewurden an Freunde verschenkt. Wenige Jahre vor Holsts Todwurde der Pluto entdeckt – was Colin Mathews zum Anreiznahm, im Jahr 2000 die Suite mit „Pluto, der Erneuerer“astronomisch zu komplettieren. Dennoch ist sie in der sieben-sätzigen Originalform durchaus vollständig: Schon 2006wurde der Pluto zum Zwergplaneten degradiert.

CLASS a k t u e l l

Orchester / Konzert

Erich Wolfgang Korngold Richard StraussViolinkonzertePavel Sporcl Prager Sinfonieorchester, Jiri Kout, Ltg.SU 3962 / Supraphon

Pavel Sporcl, tschechischer „Wunder-geiger“ feiert dank seiner Kunst und seines unkonventionellen Auftretens – eserinnert nicht selten an Nigel Kennedy –Erfolge auf den wichtigsten Konzertbüh-nen der Welt. Für seine neueste Aufnahmehat er Violinkonzerte zweier Komponistenausgewählt, die in jungen Jahren als„Wunderkinder“ gefeiert wurden.

Richard Strauss (1864-1949) versuchtesich bereits mit sechs Jahren an ersten klei-nen Kompositionen. Bis 1886 schrieb erfünfzehn mit Opuszahlen versehene Werke,darunter das Konzert für Violine undOrchester d-Moll op. 8, das er im Jahr sei-nes Abiturs im Sommer 1882 abschloss.Das Konzert verrät, dass der junge Kompo-nist die damals populären Konzerte vonHenryk Wieniawski und Max Bruch sehrgut kannte. Trotz seines jungen Alters schufStrauss ein eindringliches Werk, dessenSolopart trotz seiner äußerlichen Eleganzzahlreiche Tücken enthält.

Mehr noch als Strauss wurde ErichWolfgang Korngold (1897-1957) in sei-nen jungen Jahren als musikalischesWunderkind gefeiert. Sein Violinkonzerthingegen zählt zu seinem Spätwerk. DasKonzert entstand im Jahr 1945, als sichseine Hollywood-Karriere langsam demEnde zuneigte. Das sehr romantische undlyrische Konzert verarbeitet Themen ausseinen Scores zu Another Dawn, Juarez,Anthony Adverse und The Prince and thePauper. Die nostalgische Hommage anseine Jahre in Hollywood vermag auchheute noch durch ihren Melodienreich-tum und die breite Palette an Orchester-farben für sich einzunehmen.

32 AUSGABE 2009/3

Im Blickpunkt

Hubertusmessenvon Gustave Rochard, Tyndare,Albert Sombrun und Jules CantinDeutsche Naturhorn SolistenJohannes Michel, OrgelMDG 605 1576-2

Es ist Herbst, wenn Jäger traditionellihren Schutzpatron feiern, sei es in freierNatur oder in feiner Kirchenakustik.Dabei ist es seit dem 19. Jahrhundertüblich, dass diese Messen völlig auf denLiedgesang verzichten – allenfalls dieOrgel tritt bisweilen in harmonischen Dialog mit den Hörnern. Die DeutschenNaturhorn Solisten haben diese Traditionaufgegriffen und einige der schönstenMessen von Gustave Rochard, Tyndare,Albert Sombrun und Jules Cantin zuEhren von Sankt Hubertus zum Teil erst-mals auf Parforcehörnern eingespielt.

HalaliVornehmlich um 1900 entstanden -

zunächst in Frankreich - die eigens kom-ponierten Hubertusmessen. In dieser Zeitwar der Aufführungsort schon längst vomForst in die Kirche verlegt. Daher konnteder Organist in französisch-romantischerTradition in freier Improvisation das Tonspektrum der Hörner ausweiten. Be-sonders faszinierend: „les Cloches“, dieGlocken, deren Klang sich verblüffend mitden Naturtönen der Hörner darstellenlässt...

Die Deutschen Naturhorn Solisten gelten als absolute Spezialisten auf demGebiet des ventillosen Hornblasens. Ihrebisherigen Einspielungen zeigen einHöchstmaß an Vertrautheit mit histo-rischer Aufführungspraxis und sindgeprägt von unbändiger Virtuosität. KeinWunder also, dass sie gern geseheneGäste bei festlich-jagdlichen Veranstal-tungen aller Art sind. Ihr Partner an der historischen Steinmeyer-Orgel von1911 in der Christuskirche Mannheim istJohannes Michel.

Geistliche Musik

Pehr Henrik Nordgren (1944-2008)Taivaanvalot (Die Lichter des Himmels)Merja Wirkkala, SopranAnssi Hirvonen, TenorRitva Talvitie, LyraCentral Ostrobothnian Chamber ChoirKaustinen Children‘s ChoirFolk OrchestraOstrobothnian Chamber OrchestraJuha KangasABCD 269 / Alba

Taivaanvalot, für das Kaustinen Kam-mermusikfestival 1985 geschrieben (unddort am 3. Februar uraufgeführt), nimmtin der finnischen Musikgeschichte eineAusnahmestellung ein. Niemals zuvor undniemals seither wurde Vergleichbareskomponiert. Das riesenhafte, unkonven-tionell besetzte Werk beschwört denalten, im finnischen Nationalepos Kalevalaerzählten Mythos von der Befreiung derSonne. Diese Ersteinspielung enthältsozusagen als Anhang auch den „kosmi-schen Tanz der himmlischen Körper“, derfür eine spätere Aufführung des Werkes(1999) geschrieben wurde. Nordgrensagte:„ Taivaanvalot basiert auf dem Kalevala, und es ist ein Tribut an Lönnrot.“

Vom Anfang der Zeiten

Gemeint ist der Sammler finnischerDichtung Elias Lönnrot, der im heute russischen Teil Kareliens in den 1820erJahren finnische Mythologie erforschteund sammelte. Bewusst setzt NordgrenVolksmusikinstrumente in seinem sechs-teiligen Werk ein, nicht nur, um an dieuralte Dichtung anzuknüpfen, sondernauch, um gegen die Übertechnisierungunserer Zivilisation und entsprechendeTrends in der zeitgenössischen Musik zu protestieren.

Zeitgenössische Musik

SouvenirsAlison Stephens, Mandoline Craig Ogden, Gitarre CHAN 10563 / Chandos

Alison Stephens gilt als beste klas-sische Mandolinistin Großbritanniens,einem breiteren Publikum bekannt wurdesie mit dem musikalischen Solopart in dem Spielfilm „Corellis Mandoline“(mit Penelope Cruz und Nicolas Cage).Stephens tritt regelmäßig mit Solo-Pro-grammen auf, aber auch im Duett mitPartnern, z.B. der Harfenistin LaurenScott, und als Solistin bei klassischenKonzerten für Mandoline. Im Jahr 1999nahm sie zusammen mit dem GitarristenCraig Ogden die CD „Music from theNovels of Louis de Bernieres“ (CHAN 9780)auf. Das Album markierte den Beginneines musikalischen Duos, das im fol-genden Jahrzehnt mit großem Erfolg inKonzerten und Tourneen auf der ganzenWelt gastierte.

Die neue CD „Souvenir“ feiert die nunseit zehn Jahren andauernde musikali-sche Partnerschaft der beiden Künstlermit selten aufgenommenem Repertoirefür ihre Besetzung aus der ganzen Welt.Mandoline und Gitarre sind zwei sehranpassungsfähige Instrumente, die Brük-ken zwischen musikalischen Stilen undKulturen bauen können, und das in einerArt, wie es kaum andere Instrumente ver-mögen. So versammelt das vorliegendeAlbum ein Repertoire, das sich Alison Stephens und Craig Ogden im Laufe dervergangenen Jahre angeeignet und erfolg-reich in Konzerten erprobt haben: Dassind Stücke aus Kolumbien, Mexiko, Griechenland und vielen anderen Län-dern, darunter die Ersteinspielungen„Diferencias“ von Kiouphides, die „SuiteVenezolano“ von Zambrano und „MountFiji“ von Stephens selbst.

SaiteninstrumenteKonzert

Leopold Mozart (1719-1787)Sämtliche Horn-KonzerteHerman Jeurissen, HornMichael Höltzel, HornConcerto Rotterdam / Heinz Friesen, Ltg.MDG 321 0085-2

Als das Wolferl noch nicht geborenund die berühmte Violinschule von 1756noch nicht geschrieben war, ließ LeopoldMozart die Hörner erklingen: Der Vaterdes berühmten Salzburgers komponiertein der ersten Hälfte des 18. Jahrhundertseine Reihe von Werken für Horn und kleines Orchester, handfeste und pralleGenrestücke zur Ergötzung der Wohl-hochgeborenen.

Schall und Rauch

Die digitale Aufnahmetechnik stecktenoch in Kinderschuhen, als die Ton-meister von MDG ihre Mikros in derAbtei-Kirche von Den Haag positionierten.Das nachträgliche Abmischen der ver-schiedenen Kanäle war nicht möglich. Die„Sinfonia da caccia“ musste daher gleichmehrfach geübt werden, bis dieses beson-dere Werk für vier Hörner, Streichor-chester und Kugelbüchse saß – heftigerPulverdampf in dem calvinistischen Gotteshaus inklusive. Auf das Original-Hundegebell und den von Mozart an sichvorgesehenen Einsatz von johlendenJägern verzichtete das Aufnahmeteam –dankbare aktive Zuhörer können dieseScharte nachträglich auswetzen.

Jahrzehntelang hat Michael Höltzel die„Hohe Schule des Horns“ als Hochschul-professor gelehrt und als Solo-Hornist inden Konzertsälen dieser Welt auch ein-drucksvoll demonstriert. Gemeinsam mitseinen Schülern Herman Jeurissen undVincent Lévesque sowie den renommier-ten Musikern des „Concerto Rotterdam“hat Höltzel dem Aufnahmeteam von MDGdie Chance zu dieser wegweisenden Ein-spielung gegeben, die lange Zeit vergriffenwar. Immer schon audiophil. Und einPflichtstück für jeden Mozart-Sammler!