Couragezum eigenen Ich Hornby wird60 · Peter Lindbergh ist einer der einflussreichsten...

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KULTUR DK Nr. 88, Samstag/Sonntag/Montag, 15./16./17. April 2017 19 Courage zum eigenen Ich Peter Lindbergh ist einer der einflussreichsten Modefotografen der Gegenwart – Retrospektive in München Von Annette Krauß München (DK) Peter Lind- bergh trägt ein schlichtes schwarzes T-Shirt und dunkle Jeans, als er sich in seiner eige- nen Ausstellung dem Blitzlicht- gewitter der Zeitungsfotografen stellt. Und schon bald schießt er mit seinem Smartphone zu- rück, fotografiert die aufgereg- ten Kollegen lächelnd und wie nebenbei. Dann beginnt er, über seinen eigenen Stil Aus- kunft zu geben. Und da zeigt sich: Lindbergh ist ein Ge- schichtenerzähler auch mit seiner Kamera. Die 220 Foto- grafien aus 40 Jahren, die jetzt in der Hypo-Kunsthalle zu se- hen sind, zeigen Gesichter, zu- weilen auch Mode, aber sie zei- gen vor allem Stimmungen, Emotionen eines Augenblicks. Lindbergh ist Profi, und als solcher weiß er: Wenn man nichts zu erzählen hat, dann geht man an den Strand und macht dort ein paar Aufnah- men. Aber eigentlich empfindet er ein solches Arbeiten als lang- weilig. Deshalb fotografiert er 1988 eine Gruppe von sechs Models, die lediglich schlichte weiße Hemden tragen. So ent- standen Aufnahmen von jun- gen Frauen, die herumtollen – und nichts anderes zeigen als ihre Fröhlichkeit. Die Mode, die sie tragen, ist nebensächlich – und dennoch erntete der Foto- graf mit diesen Aufnahmen der Lebenslust internationale An- erkennung. Sein Statement: „Man kann nicht einfach die ganze Welt, die vor einem liegt, ignorieren; es wäre keine He- rausforderung, Modefotografie einfach auf Mode zu reduzie- ren.“ Das Zitat schmückt einen schwarzen Raum, der dem Ar- chiv des Fotografen nachgebaut ist. In silbrig glänzenden Me- tallregalen lagern Kartons mit Abzügen, Kameras, Koffer, ein Kalender und wenige Bücher. Ein anderer Raum ist als Dun- kelkammer inszeniert, mit Rot- licht und Wäscheleinen, an de- nen Abzüge zum Trocknen auf- gehängt sind. Beim Gang durch die Ausstellung erlebt der Be- sucher einen Wechsel an Licht- intensität und begegnet einer Vielfalt an Medien, denn neben den Fotos sind auch Modezeit- schriften, persönliche Notizen und Ausschnitte aus Videos zu sehen. Und die wichtigsten Aufnahmen hängen als überle- bensgroße Abzüge in Räumen, die schwarzer oder weißer Ku- bus sind, sodass die Fotografien zu schweben scheinen. Kurator Thierry-Maxime Lo- riot hat das Werk Lindberghs sorgfältig inszeniert und gerade nicht chronologisch gehängt, sondern nach Themen geord- net. Das zahlt sich aus, denn die teilweise wandgroß aufgezoge- nen Aufnahmen sind tatsäch- lich zeitlos, weil die Mode nicht im Vordergrund steht. Eine Korsage, Sandaletten und ein Chiffonkleid mit Swarowski- Kristallen liegen als einzige Mode-Objekte in Vitrinen – auf dem Foto wirkt das kostbare Kleid wie ein zerrissenes Braut- kleid. Den zusätzlichen Raum, in dessen Mittelpunkt sich eine Plattform mit Swarowski-Kris- tallen dreht, hätte sich der Ku- rator freilich sparen können. Lindbergh hat vielmehr im Laufe seines beruflichen Le- bens seinen Blick für Persön- lichkeiten und Emotionen ge- schult. Er zeigt eine herbe, strenge Jeanne Moreau mit dunkel nachgezogenen Lip- penkonturen, er fotografiert Ti- na Turner mit geschlossenen Augen hingegeben an den ei- genen Gesang, und in den Hän- den von John Galliano blitzt die große Schneiderschere auf. Die Haut des ukrainischen Ballett- tänzers Vladimir Malakhov zeigt Alterungsspuren, Kate Moss schaut melancholisch vom Ausstellungsplakat auf die Stra- ße. Und immer wieder entste- hen Serien, die wie Film-Stills anmuten: Models als Friedens- Demonstranten auf einer in Rauch gehüllten Straße; Models in Uniformen, die mit geballten Fäusten an monströsen Ma- schinen stehen. Sie alle öffnen ihr Gesicht diesem Mann, der bekennt: „Schön ist man, wenn man die Courage hat, man selbst zu sein!“ „From Fashion to Reality“ heißt die Münchner Schau über das Schaffen von Peter Lindbergh. Zu sehen ist auch dieses Foto mit Estelle Lé- febure, Karen Alexander, Rachel Williams, Linda Evangelista, Tatjana Patitz und Christy Turlington von 1988. Foto: Lindbergh/Gagosian Gallery PETER LINDBERGH Sein erstes Geld verdiente sich Peter Lindbergh als Schaufensterdekorateur. In München knüpft er an diese Tätigkeit noch einmal an und dekoriert ein Fenster im Kauf- haus Ludwig Beck am Marienplatz: Schwarz-Weiß sind die Fotogra- fien im Hinter- grund, weiß die Modepuppen und schwarz-weiß die ausgestellte Mode. Der 1944 im pol- nischen Lissa geborene Fo- tograf, der auch an der Berli- ner Kunstakademie und an der Kunsthochschule Krefeld studiert hat, schwärmt bis heute von seinem großen Vorbild: „Van Goghs Porträts sind kraftvoll und alles Kraftvolle ist interessant!“ Seit 1971 macht Lindbergh Bilder von Menschen mit dem Fotoapparat, und er fo- tografierte international be- kannte Models, Schauspielerin- nen, Tänzer und Modedesigner für Zeitschriften; seine Arbeiten werden in Museen und Gale- rien gezeigt. Heute lebt er in Arles, Pa- ris und New York. Die Hypo- Kunsthalle zeigt seine großformatigen Foto- grafien in der Schau „Peter Lindbergh – from fashion to reality“ („Von der Mode hin zur Wirklichkeit“) bis zum 27. August, täglich von 10 bis 20 Uhr (am 30. Juni bis 17 Uhr). akr/Foto: Hörhager/dpa Autor Nick Hornby wird 60 Von Uli Hesse London (dpa) Kahlköpfig, mit Knubbelnase und abstehenden Ohren, mehr Fußballfan als In- tellektueller – das macht Nick Hornbys Charme aus. Und er ist langsam: Drei Stunden schreibt er maximal am Stück, mit Computerspielen und Re- cherchen dazwischen. „Ich kann nicht weitermachen, ehe ein Absatz steht,“ erklärte er der „Financial Times“. Seit mehr als 25 Jahren sitzt der Schriftsteller tagsüber alleine in einem Ein- Zimmer-Apartment auf der ge- genüberliegenden Straßenseite seines Wohnhauses und schreibt Bestseller über Beses- sene. Am Montag feiert der er- folgreiche Pop-Autor seinen 60. Geburtstag. Vater Manager, Mutter Se- kretärin, ein Anglistik-Studium in Cambridge, dann Arbeit als Englischlehrer und Gelegen- heitsjournalist lange Zeit schaut es nicht so aus, als wäre Hornby Erfolg vergönnt. Das ändert sich schlagartig, als 1992 „Fever Pitch: Ballfieber – Die Geschichte eines Fans“ heraus- kommt, die amüsante und er- nüchternde Liebesgeschichte eines Arsenal-Fußballfans. Fünf Jahre später wird sie erst mit Colin Firth in Großbritannien, dann ein weiteres Mal in den USA verfilmt. In „High Fidelity“ (Buch 1995, Film 2000) geht es natürlich wieder um einen besessenen Fan, diesmal um einen Schall- plattensammler, gespielt von John Cusack. An Auszeichnun- gen und Ruhm gewöhnt sich Hornby nur langsam. In einem Interview von „The Atlantic“ gestand er: „,High Fidelity‘ hät- te ich niemals aus der Sicht ei- nes Künstlers geschrieben. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich einer war. Ich war ein Fan und schrieb ein Buch über einen Fan.“ Danach folgt „About A Boy“, das natürlich auch verfilmt wird, diesmal mit Frauen- schwarm Hugh Grant als ego- istischem Faulenzer, der Frau- en in Selbsthilfegruppen für al- leinerziehende Mütter aufga- belt, bis sich eine ungewöhnli- che Freundschaft entwickelt. Seither setzt Nick Hornby vermehrt Frauen in den Mit- telpunkt, sei es in „A Long Way Down“, „Juliet, Naked“ oder „Funny Girl“: „Ich finde es schwer, über jemanden ande- ren als mich selbst zu schrei- ben, egal ob Mann oder Frau“, lachte Hornby im Gespräch mit dem „Guardian“. „Am ein- fachsten war ,Fever Pitch‘, weil es Memoiren waren.“ Netflix zeigt in Deutschland nun eine Verfilmung seines Teenager-Dramas „Slam“, das nach Rom verpflanzt wurde: Ein 16 Jahre alter Skateboarder hat Angst davor, Vater zu werden und findet einen überraschen- den Ratgeber: ein lebensgroßes Poster seines Star-Skaters. Wo- mit Hornby, selbst Vater dreier Söhne, sich wieder an ein The- ma machte, das aus seinem ei- genen Leben stammen könnte. Irgendwie handeln alle seine Bücher über ihn – das macht Distanz so schwierig. Pop und Fußball: Kultautor Nick Hornby wird am Montag 60 Jahre alt. Foto: Vennenbernd/dpa Suche nach Perfektion Klarinettistin Annelien Van Wauwe spielte beim Georgischen Kammerorchester Ingolstadt Von Regina Greck Ingolstadt (DK) „Was ist per- fekt?“ Dieser schwierigen Frage widmete sich das Georgische Kammerorchester Ingolstadt am Donnerstagabend bei sei- nem Abonnementkonzert. Un- ter der Leitung von Dirigent Philipp Pointner und zusam- men mit Solo-Klarinettistin An- nelien Van Wauwe gingen die Musiker im Festsaal des Stadt- theaters dieses Unterfangen an. Auf dem Programm standen Schuberts 3. Sinfonie D-Dur, Mozarts Klarinettenkonzert A- Dur und seine Linzer Sinfonie. Ein perfektes Programm? Die einen mögen diese Frage an- gesichts der runden klassisch- romantischen Stückauswahl bejahen. Die anderen könnten einen Kontrastpunkt im Pro- gramm vermissen. Schwierig zu sagen. Für die Stückauswahl dieses Abends verstärkten Holz- und Blechbläser das GKO. In den dramatischen Passagen von Schuberts erstem und letztem Sinfoniesatz unterstützten sie das Georgische Kammeror- chester majestätisch, im tän- zerischen Menuetto und im vorsichtigen Allegretto um- spielten sich Streicher und Blä- ser mal gefühlvoll, mal ne- ckisch. Eine perfekte Balance? Für die einen mag das Bass- fundament dabei etwas zu zu- rückhaltend gewesen sein; den anderen mögen die tastenden, forschenden, rasanten und for- dernden Passagen perfekt im- poniert haben. Nicht leicht zu beurteilen. Bei Mozarts Linzer Sinfonie hatte sich die Bläserbesetzung etwas reduziert. Nichtsdesto- trotz hatten sie wichtige solis- tische Parts. Die Oboen und Geigen verschlangen im ersten Satz die Melodiebögen inei- nander, die Fagotte schmieg- ten sich im Andante an die Basslinien an. Im Menuetto be- dienten Streicher und Bläser abwechselnd die tanzenden Melodielinien, während im fi- nalen Presto Attacke gefragt war: Teilweise flogen die Finger über Saiten und Klappen der Instrumente bei den rasanten Motiven. Perfekte Technik mit perfektem Zusammenspiel? Für diejenigen, die das Gefühl der langsamen Sätze und den Schwung, die Rasanz der schnellen lieben, sicherlich; je- ne, die Perfektion in Exaktheit messen, mögen ein paar fal- lengelassene Motivbälle zwi- schen Streichern und Bläsern bemängeln. Schwierig zu be- antworten. Die Melodieführung von So- listin Annelien Van Wauwe bei Mozarts Klarinettenkonzert war grazil und wendig. Sie über- zeugte mit schnellen Läufen in den Ecksätzen und mit gefühl- vollen Linien im weltbekann- ten Adagio. Dabei schien ihr Luftvorrat fast unerschöpflich, so lange Phrasen konnte sie spielen, ohne nachzuatmen. Die Mozartschen Motive strahlten dabei stets über die Begleitung des Georgischen Kammerorchesters, das Anne- lien Van Wauwe präsent, aber zurückhaltend begleitete. Die Musikerin präsentierte das Kon- zert auf der Bassettklarinette, wofür Mozart es ursprünglich schrieb. Diese Mischung aus Bassetthorn und Klarinette er- möglicht einen großen Tonum- fang, den der Komponist auch ausnutzte. Van Wauwe zauber- te darauf eine samtige, sonore Tiefe in den Festsaal und wech- selte danach sofort in strah- lende Höhen. Eine perfekte Klangqualität? Exaktheits-Per- fektionisten mögen wieder ein, zwei Tonausrutscher monie- ren; Liebhaber des weichen, aber flexiblen Klangs, den Van Wauwe zupackend und gefühl- voll präsentierte, werden ein perfektes Stück gehört haben. Nicht einfach zu entscheiden. „Was ist perfekt?“ Ein pro- vozierendes Konzertmotto. Die Antwort darauf: Perfektion ist eine Frage der Perspektive. Ex- aktheit, Gefühl, Präsenz, Schwung verschiedenste Maßstäbe können an Perfekti- on angelegt werden. Egal, wel- chen das Ingolstädter Publi- kum gewählt hat, sein langer Applaus zeugte davon, dass der Abend den Zuhörer gefallen hat. Annelien Van Wauwe gastierte beim Georgischen Kammerorchester und spielte Mozarts berühmtes Klarinettenkonzert A-Dur. Foto: Schaffer Lummerland zum Entdecken Potsdam (dpa) Die Insel Lummerland, wo König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte regiert, liegt in Babelsberg: Am Don- nerstag wurde die Filmkulisse als neue Attraktion des Film- parks Babelsberg in Potsdam eröffnet. Zu sehen ist unter an- derem die Lokomotive Emma. Auf dem Set und in den Ba- belsberger Studios hatte Regis- seur Dennis Gansel die Ge- schichte von Jim Knopf und Lu- kas, dem Lokomotivführer, nach dem Kinderbuchklassiker von Michael Ende vergangenes Jahr erstmals verfilmt. Annette Frier, Uwe Ochsenknecht und Oscar-Preisträgerin Shirley MacLaine spielen mit. Der Film soll 2018 in die Kinos kommen. Besucher des Filmparks Babels- berg können seit Kurzem Lum- merland und die Lokomotive Em- ma bestaunen. Foto: Settnik/dpa

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KULTUR DK Nr. 88, Samstag/Sonntag/Montag, 15./16./17. April 2017 19

Courage zum eigenen IchPeter Lindbergh ist einer der einflussreichsten Modefotografen der Gegenwart – Retrospektive in München

Von Annette Krauß

München (DK) Peter Lind-bergh trägt ein schlichtesschwarzes T-Shirt und dunkleJeans, als er sich in seiner eige-nen Ausstellung dem Blitzlicht-gewitter der Zeitungsfotografenstellt. Und schon bald schießt ermit seinem Smartphone zu-rück, fotografiert die aufgereg-ten Kollegen lächelnd und wienebenbei. Dann beginnt er,über seinen eigenen Stil Aus-kunft zu geben. Und da zeigtsich: Lindbergh ist ein Ge-schichtenerzähler – auch mitseiner Kamera. Die 220 Foto-grafien aus 40 Jahren, die jetztin der Hypo-Kunsthalle zu se-hen sind, zeigen Gesichter, zu-weilen auch Mode, aber sie zei-gen vor allem Stimmungen,Emotionen eines Augenblicks.Lindbergh ist Profi, und als

solcher weiß er: Wenn mannichts zu erzählen hat, danngeht man an den Strand undmacht dort ein paar Aufnah-men. Aber eigentlich empfindeter ein solches Arbeiten als lang-weilig. Deshalb fotografiert er1988 eine Gruppe von sechsModels, die lediglich schlichteweiße Hemden tragen. So ent-standen Aufnahmen von jun-gen Frauen, die herumtollen –und nichts anderes zeigen alsihre Fröhlichkeit. Die Mode, diesie tragen, ist nebensächlich –und dennoch erntete der Foto-graf mit diesen Aufnahmen derLebenslust internationale An-erkennung. Sein Statement:„Man kann nicht einfach dieganze Welt, die vor einem liegt,ignorieren; es wäre keine He-rausforderung, Modefotografieeinfach auf Mode zu reduzie-ren.“Das Zitat schmückt einen

schwarzen Raum, der dem Ar-chiv des Fotografen nachgebautist. In silbrig glänzenden Me-tallregalen lagern Kartons mitAbzügen, Kameras, Koffer, einKalender und wenige Bücher.Ein anderer Raum ist als Dun-kelkammer inszeniert, mit Rot-licht und Wäscheleinen, an de-nen Abzüge zum Trocknen auf-gehängt sind. Beim Gang durchdie Ausstellung erlebt der Be-sucher einen Wechsel an Licht-intensität und begegnet einerVielfalt an Medien, denn nebenden Fotos sind auch Modezeit-schriften, persönliche Notizen

und Ausschnitte aus Videos zusehen. Und die wichtigstenAufnahmen hängen als überle-bensgroße Abzüge in Räumen,die schwarzer oder weißer Ku-bus sind, sodass die Fotografienzu schweben scheinen.Kurator Thierry-Maxime Lo-

riot hat das Werk Lindberghssorgfältig inszeniert und geradenicht chronologisch gehängt,sondern nach Themen geord-net. Das zahlt sich aus, denn dieteilweise wandgroß aufgezoge-nen Aufnahmen sind tatsäch-lich zeitlos, weil die Mode nichtim Vordergrund steht. EineKorsage, Sandaletten und einChiffonkleid mit Swarowski-Kristallen liegen als einzigeMode-Objekte in Vitrinen – aufdem Foto wirkt das kostbareKleid wie ein zerrissenes Braut-kleid. Den zusätzlichen Raum,in dessen Mittelpunkt sich einePlattform mit Swarowski-Kris-tallen dreht, hätte sich der Ku-rator freilich sparen können.Lindbergh hat vielmehr im

Laufe seines beruflichen Le-bens seinen Blick für Persön-lichkeiten und Emotionen ge-schult. Er zeigt eine herbe,strenge Jeanne Moreau mitdunkel nachgezogenen Lip-penkonturen, er fotografiert Ti-na Turner mit geschlossenenAugen hingegeben an den ei-genen Gesang, und in den Hän-den von John Galliano blitzt diegroße Schneiderschere auf. DieHaut des ukrainischen Ballett-tänzers VladimirMalakhov zeigtAlterungsspuren, Kate Mossschaut melancholisch vomAusstellungsplakat auf die Stra-ße. Und immer wieder entste-hen Serien, die wie Film-Stillsanmuten: Models als Friedens-Demonstranten auf einer inRauch gehüllten Straße; Modelsin Uniformen, die mit geballtenFäusten an monströsen Ma-schinen stehen. Sie alle öffnenihr Gesicht diesem Mann, derbekennt: „Schön ist man, wennman die Courage hat, manselbst zu sein!“

„From Fashion to Reality“ heißt die Münchner Schau über das Schaffen von Peter Lindbergh. Zu sehen ist auch dieses Foto mit Estelle Lé-febure, Karen Alexander, Rachel Williams, Linda Evangelista, Tatjana Patitz und Christy Turlington von 1988. Foto: Lindbergh/Gagosian Gallery

P E T E R L I N D B E R G H

Sein erstes Geld verdientesich Peter Lindbergh alsSchaufensterdekorateur. InMünchen knüpft er an dieseTätigkeit noch einmal an unddekoriert einFenster im Kauf-haus Ludwig Beckam Marienplatz:Schwarz-Weißsind die Fotogra-fien im Hinter-grund, weiß dieModepuppen undschwarz-weiß dieausgestellte Mode.Der 1944 im pol-nischen Lissa geborene Fo-tograf, der auch an der Berli-ner Kunstakademie und ander Kunsthochschule Krefeldstudiert hat, schwärmt bisheute von seinem großenVorbild: „Van Goghs Porträtssind kraftvoll – und alles

Kraftvolle ist interessant!“Seit 1971 macht LindberghBilder von Menschen mitdem Fotoapparat, und er fo-tografierte international be-

kannte Models,Schauspielerin-nen, Tänzer undModedesigner fürZeitschriften; seineArbeitenwerden inMuseen und Gale-rien gezeigt. Heutelebt er in Arles, Pa-ris undNew York.Die Hypo-

Kunsthalle zeigtseine großformatigen Foto-grafien in der Schau „PeterLindbergh – from fashion toreality“ („Von der Mode hinzurWirklichkeit“) bis zum 27.August, täglich von 10 bis 20Uhr (am 30. Juni bis 17Uhr).

akr/Foto: Hörhager/dpa

Autor NickHornbywird 60

Von Uli Hesse

London (dpa) Kahlköpfig, mitKnubbelnase und abstehendenOhren, mehr Fußballfan als In-tellektueller – das macht NickHornbys Charme aus. Und erist langsam: Drei Stundenschreibt er maximal am Stück,mit Computerspielen und Re-cherchen dazwischen. „Ichkann nicht weitermachen, eheein Absatz steht,“ erklärte er der„Financial Times“. Seit mehr als25 Jahren sitzt der Schriftstellertagsüber alleine in einem Ein-Zimmer-Apartment auf der ge-genüberliegenden Straßenseiteseines Wohnhauses undschreibt Bestseller über Beses-sene. Am Montag feiert der er-folgreiche Pop-Autor seinen 60.Geburtstag.Vater Manager, Mutter Se-

kretärin, ein Anglistik-Studiumin Cambridge, dann Arbeit alsEnglischlehrer und Gelegen-heitsjournalist – lange Zeitschaut es nicht so aus, als wäreHornby Erfolg vergönnt. Dasändert sich schlagartig, als 1992„Fever Pitch: Ballfieber – DieGeschichte eines Fans“ heraus-kommt, die amüsante und er-nüchternde Liebesgeschichteeines Arsenal-Fußballfans. FünfJahre später wird sie erst mitColin Firth in Großbritannien,dann ein weiteres Mal in denUSA verfilmt.In „High Fidelity“ (Buch 1995,

Film 2000) geht es natürlichwieder um einen besessenenFan, diesmal um einen Schall-plattensammler, gespielt vonJohn Cusack. An Auszeichnun-gen und Ruhm gewöhnt sichHornby nur langsam. In einemInterview von „The Atlantic“gestand er: „,High Fidelity‘ hät-te ich niemals aus der Sicht ei-nes Künstlers geschrieben. Ichhatte nicht das Gefühl, dass icheiner war. Ich war ein Fan undschrieb ein Buch über einenFan.“

Danach folgt „About A Boy“,das natürlich auch verfilmtwird, diesmal mit Frauen-schwarm Hugh Grant als ego-istischem Faulenzer, der Frau-en in Selbsthilfegruppen für al-leinerziehende Mütter aufga-belt, bis sich eine ungewöhnli-che Freundschaft entwickelt.Seither setzt Nick Hornby

vermehrt Frauen in den Mit-telpunkt, sei es in „A Long WayDown“, „Juliet, Naked“ oder„Funny Girl“: „Ich finde esschwer, über jemanden ande-ren als mich selbst zu schrei-ben, egal ob Mann oder Frau“,lachte Hornby im Gespräch mitdem „Guardian“. „Am ein-fachsten war ,Fever Pitch‘, weiles Memoiren waren.“Netflix zeigt in Deutschland

nun eine Verfilmung seinesTeenager-Dramas „Slam“, dasnachRomverpflanzt wurde: Ein16 Jahre alter Skateboarder hatAngst davor, Vater zu werdenund findet einen überraschen-den Ratgeber: ein lebensgroßesPoster seines Star-Skaters. Wo-mit Hornby, selbst Vater dreierSöhne, sich wieder an ein The-ma machte, das aus seinem ei-genen Leben stammen könnte.Irgendwie handeln alle seineBücher über ihn – das machtDistanz so schwierig.

Pop und Fußball: Kultautor NickHornby wird am Montag 60 Jahrealt. Foto: Vennenbernd/dpa

Suche nach PerfektionKlarinettistin Annelien Van Wauwe spielte beim Georgischen Kammerorchester Ingolstadt

Von Regina Greck

Ingolstadt (DK) „Was ist per-fekt?“ Dieser schwierigen Fragewidmete sich das GeorgischeKammerorchester Ingolstadtam Donnerstagabend bei sei-nem Abonnementkonzert. Un-ter der Leitung von DirigentPhilipp Pointner und zusam-men mit Solo-Klarinettistin An-nelien Van Wauwe gingen dieMusiker im Festsaal des Stadt-theaters dieses Unterfangen an.Auf dem Programm standen

Schuberts 3. Sinfonie D-Dur,Mozarts Klarinettenkonzert A-Dur und seine Linzer Sinfonie.Ein perfektes Programm? Dieeinen mögen diese Frage an-gesichts der runden klassisch-romantischen Stückauswahlbejahen. Die anderen könnteneinen Kontrastpunkt im Pro-gramm vermissen. Schwierig zusagen.Für die Stückauswahl dieses

Abends verstärkten Holz- undBlechbläser das GKO. In dendramatischen Passagen vonSchuberts erstem und letztemSinfoniesatz unterstützten siedas Georgische Kammeror-chester majestätisch, im tän-zerischen Menuetto und imvorsichtigen Allegretto um-spielten sich Streicher und Blä-ser mal gefühlvoll, mal ne-ckisch. Eine perfekte Balance?Für die einen mag das Bass-fundament dabei etwas zu zu-rückhaltend gewesen sein; denanderen mögen die tastenden,

forschenden, rasanten und for-dernden Passagen perfekt im-poniert haben. Nicht leicht zubeurteilen.Bei Mozarts Linzer Sinfonie

hatte sich die Bläserbesetzungetwas reduziert. Nichtsdesto-trotz hatten sie wichtige solis-tische Parts. Die Oboen undGeigen verschlangen im erstenSatz die Melodiebögen inei-nander, die Fagotte schmieg-ten sich im Andante an dieBasslinien an. Im Menuetto be-dienten Streicher und Bläserabwechselnd die tanzendenMelodielinien, während im fi-nalen Presto Attacke gefragtwar: Teilweise flogen die Fingerüber Saiten und Klappen der

Instrumente bei den rasantenMotiven. Perfekte Technik mitperfektem Zusammenspiel? Fürdiejenigen, die das Gefühl derlangsamen Sätze und denSchwung, die Rasanz derschnellen lieben, sicherlich; je-ne, die Perfektion in Exaktheitmessen, mögen ein paar fal-lengelassene Motivbälle zwi-schen Streichern und Bläsernbemängeln. Schwierig zu be-antworten.Die Melodieführung von So-

listin Annelien Van Wauwe beiMozarts Klarinettenkonzert wargrazil und wendig. Sie über-zeugte mit schnellen Läufen inden Ecksätzen und mit gefühl-vollen Linien im weltbekann-

ten Adagio. Dabei schien ihrLuftvorrat fast unerschöpflich,so lange Phrasen konnte siespielen, ohne nachzuatmen.Die Mozartschen Motivestrahlten dabei stets über dieBegleitung des GeorgischenKammerorchesters, das Anne-lien Van Wauwe präsent, aberzurückhaltend begleitete. DieMusikerinpräsentiertedasKon-zert auf der Bassettklarinette,wofür Mozart es ursprünglichschrieb. Diese Mischung ausBassetthorn und Klarinette er-möglicht einen großen Tonum-fang, den der Komponist auchausnutzte. Van Wauwe zauber-te darauf eine samtige, sonoreTiefe in den Festsaal und wech-selte danach sofort in strah-lende Höhen. Eine perfekteKlangqualität? Exaktheits-Per-fektionisten mögen wieder ein,zwei Tonausrutscher monie-ren; Liebhaber des weichen,aber flexiblen Klangs, den VanWauwe zupackend und gefühl-voll präsentierte, werden einperfektes Stück gehört haben.Nicht einfach zu entscheiden.„Was ist perfekt?“ Ein pro-

vozierendes Konzertmotto. DieAntwort darauf: Perfektion isteine Frage der Perspektive. Ex-aktheit, Gefühl, Präsenz,Schwung – verschiedensteMaßstäbe können an Perfekti-on angelegt werden. Egal, wel-chen das Ingolstädter Publi-kum gewählt hat, sein langerApplaus zeugte davon, dass derAbenddenZuhörer gefallenhat.

Annelien Van Wauwe gastierte beim Georgischen Kammerorchesterund spielte Mozarts berühmtes Klarinettenkonzert A-Dur. Foto: Schaffer

Lummerlandzum EntdeckenPotsdam (dpa) Die Insel

Lummerland, wo König Alfonsder Viertel-vor-Zwölfte regiert,liegt in Babelsberg: Am Don-nerstag wurde die Filmkulisseals neue Attraktion des Film-parks Babelsberg in Potsdameröffnet. Zu sehen ist unter an-derem die Lokomotive Emma.Auf dem Set und in den Ba-belsberger Studios hatte Regis-seur Dennis Gansel die Ge-schichte von Jim Knopf und Lu-kas, dem Lokomotivführer,nach dem Kinderbuchklassikervon Michael Ende vergangenesJahr erstmals verfilmt. AnnetteFrier, Uwe Ochsenknecht undOscar-Preisträgerin ShirleyMacLaine spielen mit. Der Filmsoll 2018 in die Kinos kommen.

Besucher des Filmparks Babels-berg können seit Kurzem Lum-merland und die Lokomotive Em-ma bestaunen. Foto: Settnik/dpa