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  • Ziegler Digitaler Distanzschutz

  • Dipl.-Ing. Gerhard Ziegler ist Jahrgang 1939 und arbeitete 35 Jahre auf dem Gebiet des Selektivschutzes bei der Siemens AG in Erlangen/Nürnberg. Seit 2002 ist er als Berater tätig.

    Er war auf den Gebieten Produktbetreuung, Projektierung, Marketing und Vertrieb weltweit aktiv und hat zahlreiche nationale und internationale Beiträge zum Selektivschutz veröffentlicht.

    Von 1993 bis 2001 war er deutscher Sprecher im IEC TC95 (Messrelais und Schutzeinrichtungen) und von 1996 bis 2002 Chairman im Studien-komitee 34 (Schutz und Stationsleittechnik) der CIGRE.

  • Digitaler Distanzschutz

    Grundlagen und Anwendung

    von Gerhard Ziegler

    2. Auflage, 2008

    Publicis Corporate Publishing

  • Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Autor und Verlag haben alle Texte in diesem Buch mit großer Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Eine Haftung des Verlags oder des Autors, gleich aus welchem Rechtsgrund, ist ausgeschlossen. Die in diesem Buch wiedergegebenen Bezeichnungen können Warenzeichen sein, deren Benutzung durch Dritte für deren Zwecke die Rechte der Inhaber verletzen kann.

    www.publicis-erlangen.de/books

    ISBN 978-3-89578-320-3

    2. Auflage, 2008

    Herausgeber: Siemens Aktiengesellschaft, Berlin und MünchenVerlag: Publicis Corporate Publishing, Erlangen© 2008 by Publicis KommunikationsAgentur GmbH, GWA, Erlangen

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Bearbeitungen sonstiger Art sowie für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Dies gilt auch für die Entnahme von einzelnen Abbildungen und bei auszugsweiser Verwendung von Texten.

    Printed in Germany

  • 5

    Vorwort

    Zur ersten Auflage

    Der Distanzschutz ist ein universell einsetzbarer Kurzschlussschutz. Er bildet dieBasis des Netzschutzes in Übertagungsnetzen und in vermaschten Verteilungsnet-zen. Klassische Distanzrelais in elektromechanischer oder statische Technik sindzwar noch in großer Zahl im Einsatz, Stand der Technik sind heute aber multi-funktionale Mikroprozessorgeräte, die mit übergeordneten Leitsystemen kommu-nizieren und mit dem PC lokal oder von ferne bedient werden können.

    Die Grundprinzipien des Distanzschutzes, sind in der neuen Technik auch weiter-hin gültig. Die digitale Signalverarbeitung und die intelligenten Auswertepro-gramme ermöglichen jedoch Messmethoden mit erhöhter Genauigkeit undSchutzverfahren mit verbesserter Selektivität. Die hohe Funktionsintegration unddie dauernde Selbstüberwachung führen außerdem zu platzsparenden Schutz-konzepten und zu kostengünstigen Wartungsstrategien.

    Das vorliegende Buch behandelt zunächst die allgemeinen Grundlagen des Dis-tanzschutzes und geht dabei auf den besonderen Einfluss der Digitaltechnik ein.Den Schwerpunkt bildet die praktische Anwendung der digitalen Distanzrelais imNetz. Das Verhalten des Distanzschutzes unter verschiedenen Fehler- und Netzbe-dingungen wird dabei ausführlich analysiert. Verfahren und Formeln für die prak-tische Anwendung werden abgeleitet.

    Da das Gerätedesign Hersteller-abhängig ist und sich relativ schnell verändernkann, wird auf Geräteausführungen nur eingegangen sofern dies für das allge-meine Verständnis erforderlich ist. Als Beispiel wird dabei die digitale Gerätereihe7SA von Siemens hergenommen. Die grundlegenden Aussagen gelten jedoch auchfür andere Fabrikate. Im Übrigen wird auf die Beschreibungen der Hersteller ver-wiesen.

    Schließlich wird die gängige Praxis der Distanzschutzanwendung im EVU- und In-dustriebereich beschrieben. Die Wahl der Themen und Beispiele basiert dabei aufder mehr als dreißig-jährigen Erfahrung des Autors auf dem Gebiet des Selektiv-schutzes. Die Fragen und Probleme der Anwender haben insofern direkt oder indi-rekt zu diesem Buch beigetragen.

    Das Buch wendet sich an Studenten und Jungingenieure, die sich in das ThemaDistanzschutz und dessen Anwendung einarbeiten wollen, aber auch an praxiser-fahrene Anwender, die den Einstieg in die digitale Distanzschutztechnik suchen.Es kann auch als Nachschlagewerk für spezielle Anwendungsprobleme hergenom-men werden.

    Nürnberg, Juli 1999 Gerhard Ziegler

  • Vorwort

    6

    Vorwort

    zur zweiten Auflage

    Die erste Auflage erschien 1999 und wurde seitdem vielfach angewendet als Ar-beitsbuch und Nachschlagewerk für die Theorie und Anwendung des digitalenDistanzschutzes. Die englische Ausgabe erscheint inzwischen in der 3. Auflage.

    Die positive Resonanz hat Autor und Herausgeber bewogen diese neue Auflagevorzulegen.

    Die Kapitel zur Wirkungsweise und Anwendung wurden nahezu unverändert bei-behalten. Zum besseren Verständnis wurden jedoch zusätzliche Berechnungsbei-spiele aufgenommen und eine Formelsammlung im Anhang ergänzt.

    Wesentliche Änderungen betreffen die Geräteausführung und Systemtechnik.

    Die technischen Daten, Kennlinien und Abbildungen der Geräte wurden dabeidem letzten Stand der Technik angepasst. Die Anwendung digitaler Kommunikati-on wird ausführlicher behandelt.

    Nürnberg, März 2008 Gerhard Ziegler

  • 7

    Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

    2 Definitionen

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    3 Wirkungsweise

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

    3.1 Grundlagen des Distanzschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.1.1 Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.1.2 Relaisimpedanz (Sekundärimpedanz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.1.3 Impedanzdiagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.1.4 Distanzmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.1.5 Richtungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.1.6 Anregung (Fehlererkennung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.1.7 Distanzzonen (-stufen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393.1.8 Anrege- und Auslöselogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423.1.9 Ein- und mehrsystemiger Distanzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463.1.10 Distanzschutz mit Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493.1.11 Pendelsperre, Pendelauslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613.1.12 Distanzschutz mit Automatischer Wiedereinschaltung (AWE) . . . . . . . 663.1.13 Fehlerortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723.1.14 Staffelplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

    3.2 Numerische Distanzmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873.2.1 Definition der Fehlerschleife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873.2.2 Bestimmung der Schleifenimpedanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933.2.3 Numerische Impedanzberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

    3.3 Numerische Richtungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1083.3.1 Richtungsbestimmung mit kurzschlussgetreuen Spannungen . . . . . . 1083.3.2 Richtungsbestimmung mit kurzschlussfremden Spannungen . . . . . . . 1103.3.3 Richtungscharakteristik im Impedanzdiagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1123.3.4 Wahl der kurzschlussfremden Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1143.3.5 Einfluss der Lastübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1153.3.6 Einsatz von Spannungsspeichern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1183.3.7 Adaptive Richtungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

    3.4 Kreischarakteristiken in numerischer Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1203.4.1 MHO-Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1213.4.2 Polarisierte MHO-Charakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1223.4.3 Lasteinfluss auf den polarisierten MHO-Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1263.4.4 MHO-Kreis mit gespeicherten Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

    3.5 Distanzmessung, Einflussgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1293.5.1 Fehlerwiderstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1293.5.2 Zwischeneinspeisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

  • Inhaltsverzeichnis

    8

    3.5.3 Parallelleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1523.5.4 Distanzschutz an Transformatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1643.5.5 Leitungsunsymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1743.5.6 Serienkompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

    4 Geräteausführung

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

    4.1 Multifunktionale Mikroprozessorgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

    4.2 Gerätedesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

    4.3 Hauptmerkmale und Integrierte Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

    4.4 Anschlussschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

    4.5 Kommunikation mit Relais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

    4.6 Bedienung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

    5 Anwendung

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

    5.1 Allgemeine Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2125.1.1 Anwendungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2125.1.2 Kürzeste Leitungslänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2135.1.3 Kommandozeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2145.1.4 Signalvergleichschutz, Wahl des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2175.1.5 Wandleranforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

    5.2 Distanzschutz im Verteilungsnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2475.2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2475.2.2 Distanzschutz im isolierten oder gelöschten Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2555.2.3 Distanzschutz im Verteilungsnetz mit niederohmiger Stern-

    punkterdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2625.2.4 Distanzschutz im Industrienetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

    5.3 Distanzschutz im Übertragungsnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2665.3.1 Allgemeine Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2665.3.2 Schutzkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

    6 Schutzeinstellung

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

    6.1 Allgemeine Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

    6.2 Anregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2846.2.1 Distanzschutz mit und ohne Anregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2856.2.2 Anregesicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2866.2.3 Relaisabhängige Belastbarkeit der Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2876.2.4 Phasenselektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2896.2.5 Einstellung der

    U

    -

    I

    -

    ϕ

    -Anregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2906.2.6 Einstellung der Impedanzanregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

    6.3 Einstellung der Distanzzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2986.3.1 Reichweite (X-Einstellung) und Staffelzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2986.3.2 Lichtbogenkompensation (R-Einstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3016.3.3 Besonderheiten für die Zoneneinstellung im Kabelnetz . . . . . . . . . . . . 3066.3.4 Anpassung der Zonenreichweite bei großen R/X-Einstellungen . . . . . . 3086.3.5 Staffelung von Kreis- und Polygoncharakteristiken . . . . . . . . . . . . . . . . 3106.3.6 Einstellung der Pendelsperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

  • Inhaltsverzeichnis

    9

    7 Berechnungsbeispiele

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

    7.1 Doppelleitung im geerdeten Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

    7.2 Dreibeinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

    8 Inbetriebnahme

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

    8.1 Prüfen des Schutzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

    8.2 Prüfung mit Last . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

    9 Wartung

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

    9.1 Selbstüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

    9.2 Wartungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350

    10 Literaturverzeichnis

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352

    10.1 Fachaufsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352

    10.2 Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

    11 Anhang

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

    A1 Rechnen mit Zeigern und komplexen Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359A1.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359A1.2 Rechnen mit Zeigern und komplexen Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360

    A2 Rechnen mit symmetrischen Komponenten, Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 363A2.1 Berechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363A2.2 Typische Systemkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368A2.3 Ersatzschaltbilder für die Netzreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

    A3 Impedanzen von Freileitungen und Kabeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371A3.1 Einfachleitung (verdrillt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371A3.2 Doppelleitung (verdrillt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372A3.3 Bündelleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373A3.4 Impedanzen von Kabeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374

    A4 Algorithmus der Distanzmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375A4.1 Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375A4.2 Distanzmessung auf Basis der Fourier-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377A4.3 Transientes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382A4.4 Praktische Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382A4.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

    A5 Neigung der oberen Polygonbegrenzung zur Vermeidung eines Übergreifens bei Leitungen mit Lastübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

    Sachregister

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

  • 10

    1 Einleitung

    Der Distanzschutz ist ein universeller Kurzschlussschutz.

    Seine Wirkungsweise basiert auf der Messung und Auswertung der Kurzschlus-simpedanz die im klassischen Fall der Entfernung („Distanz“) des Fehlers propor-tional ist.

    Anwendungsbereich

    Der Distanzschutz bildet die Basis des Netzschutzes in Transportnetzen und invermaschten Verteilungsnetzen.

    Dabei erfüllt er die Aufgabe des Hauptschutzes für Freileitungen und Kabel, undzusätzlich die Funktion des Reserveschutzes für anschließende Netzteile, wie Sam-melschienen, Transformatoren und weitere Leitungen.

    Der Distanzschutz ist schneller und selektiver als der Überstromzeitschutz und istweniger beeinflusst durch veränderliche Einspeiseverhältnisse und Netzzustände.

    Beim digitalen Distanzschutz kommt als weiterer Vorteil die integrierte Fehleror-ter-Funktion hinzu.

    Aus diesen Gründen kommt er auch in Radialnetzen zum Einsatz.

    Seine Kommandozeit ist etwa ein bis zwei Perioden (20 bis 40 ms bei 50 Hz) in derersten Stufe für Fehler auf den ersten 80 bis 90% der Leitungsstrecke und etwa300 bis 400 ms in der zweiten Stufe für Fehler auf den letzten 10 bis 20% der ge-schützten Leitung. Weitere Stufen für den Fern-Reserveschutz folgen mit entspre-chend höher eingestellten Staffelzeiten.

    Mit einer Signalverbindung zwischen den Leitungsenden kann der Distanzschutzhochgerüstet werden zu einem Vergleichschutz mit absoluter Selektivität. Er er-möglicht dann Schnellabschaltung von Kurzschlüssen auf 100% der Leitungsstre-cke ähnlich wie ein Differentialschutz, bietet aber darüber hinaus noch den Reser-veschutz für die folgenden Netzabschnitte.

    In konventioneller Technik erfolgt die Signalübertragung über Draht, TFH oderRichtfunk. Dabei genügt ein schmalbandiger Übertragungskanal, da keine Mess-werte sondern nur Ja/Nein-Signale übertragen werden müssen. Stand der Technikist heute jedoch die digitale Informationsübertragung über eigene Lichtwellenlei-ter oder Kommunikationsnetze.

    Der Distanzschutz mit Signalübertragung (Kommunikation) kommt in verschie-denen Varianten vor allem in Hoch- und Höchstspannungsnetzen zur Anwen-dung, wo die Abschaltung aller Kurzschlüsse in Schnellzeit (< 100 bis 150 ms) ge-fordert wird.

  • 1 Einleitung

    11

    In Verteilungsnetzen ist der einfache Distanzschutz als Zeitstaffelschutz meistausreichend.

    Schließlich wird der Distanzschutz auch eingesetzt als Reserveschutz für größereGenerator- und Transformatoreinheiten, wo hohe Ansprechempfindlichkeit beikurzer Kommandozeit gefordert ist.

    Technischer Fortschritt

    Der Distanzschutz wurde um etwa 1920 eingeführt und seitdem ständig weiterent-wickelt, vom Ferraris-Messwerk zur Drehspulrelaistechnik, bis hin zu den analogstatischen Relais mit Operationsverstärkern. Dabei wurden Genauigkeit und Se-lektivität jeweils erheblich verbessert und die Auslösezeit um den Faktor zehn vonursprünglich einigen hundert auf nunmehr wenige zehn Millisekunden reduziert

    Ein „Quantensprung“ in der Entwicklung wurde dann mit Einführung der Mikro-prozessortechnik um etwa 1985 erzielt: [1-1 bis 1-4]

    Die digitalen Geräte sind intelligent, können Information speichern und mit ih-rem Umfeld kommunizieren. Diese Fähigkeiten eröffnen grundlegend neuartigeAnsätze zur Verbesserung der Schutzqualität. Auch für die Anwendung und dasSchutzmanagement ergeben sich ganz neue Aspekte.

    Gleichzeitig entspricht die Weiterentwicklung des Distanzschutzes den steigendenSchutzanforderungen, die durch die zunehmende Komplexität der Energieversor-gungsnetze und die höhere Auslastung der Betriebsmittel entstehen.

    Digitaler Distanzschutz

    [1-5 bis 1-9]

    Die diskrete Signalverarbeitung und die numerischen Messmethoden ermögli-chen eine höhere Messgenauigkeit und kürzere Auslösezeiten durch exakte Filte-ralgorithmen und die Anwendung adaptiver Verfahren.

    Intelligente Auswerteprogramme ermöglichen außerdem eine verbesserte Selekti-vität auch in schwierigen Fehlersituationen.

    Darüber hinaus wurde das Preis-Leistungsverhältnis wesentlich verbessert:

    Die modernen Geräte sind multifunktional und können damit neben den Schutz-funktionen auch zusätzliche Funktionen für andere Aufgaben übernehmen, wiez. B. Betriebsmessung, Störschreibung und Steuerung.

    Je Leitungsende wird damit in den meisten Fällen für Haupt- und Reserveschutz(falls vorhanden) jeweils nur noch ein Gerät benötigt.

    Die integrale Selbstüberwachung ermöglicht außerdem den Übergang von deraufwendigen vorbeugenden Wartung zu einer kostengünstigeren ereignisorien-tierten Prüfung und Fehlerbehebung.

    Darüber hinaus können die digitalen Geräte über serielle Schnittstellen mit einemPC bedient werden oder in übergeordnete Leitsysteme eingebunden werden.

    Für die Projektierung, Montage, Inbetriebnahme ergaben sich damit wesentlicheneue Gesichtspunkte.

  • 12

    2 Definitionen

    In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet.

    Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Wörter-buchs IEV, Kapitel 448 „Energienetz – Selektivschutz“ übereinstimmen, ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben:

    Distanzschutz

    Selektivschutz mit relativer Selektivität, dessen Funktionsweise und Selektivitätvon der lokalen Messung elektrischer Größen abhängen, aus denen die Entfer-nung zum Ort des Fehlers durch Vergleich mit den Einstellwerten der Distanzstu-fen ermittelt wird. [448-14-01]

    Statischer Distanzschutz

    Relais in analog elektronische Technik, ursprünglich mit Transistorschaltungen,später mit Operationsverstärkern und hoch integrierten Logikbausteinen.

    Digitaler Distanzschutz

    Distanzschutz in Mikroprozessortechnik mit Analog/Digital-Umsetzung der Mess-werte (Ströme und Spannungen), rechnerischer (numerischer) Distanzberech-nung und digitaler Verarbeitungslogik.

    Teilweise ist dafür auch der Begriff „Numerischer Distanzschutz“ in Gebrauch.

    1

    Distanzstufen oder Distanzzonen

    Reichweiten der Messelemente des Distanzschutzes in einem Energienetz. [448-14-02]

    Unter- bzw. Überreichweite (englisch Under- bzw. Overreach)

    Arbeitsweise eines Distanzschutzes, wenn die kürzeste Stufeneinstellung einerReichweite entspricht, die kürzer bzw. länger als der geschützte Abschnitt ist.[448-14-05 bzw.07]

    Kippimpedanz

    Messimpedanz die der Zonengrenze entspricht.

    1

    Im Englischen wird der Begriff „numerical distance relay“ für ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet. Der Begriff „digital relay“ bezeichnet den Vorläufertyp mit analog statischer Messwertverarbeitung und digitaler Koinzidenzzeitmessung (Winkelmessung) auf der Basis von Mikroprozessoren.

  • 2 Definitionen

    13

    Transientes Übergreifen (engl. „transient overreach“)

    Falsche Verlängerung der Zonenreichweite im Einschwingvorgang nach Fehler-eintritt, meist verursacht durch die Verlagerung (das Gleichstromglied) des Kurz-schlussstromes.

    Dieses Verhalten war kritisch beim analogen Schutz. Beim digitalen Schutz wirdder Effekt durch effektive Filterung und adaptive Messverfahren weitgehend ver-mieden (Messfehler < 5%).

    Messsystem (Messelement)

    Modul zur Messung der Fehlerdistanz und -richtung einschließlich Grenzwertstu-fe. Den Eingang bilden Kurzschlussstrom und -spannung. Am Ausgang erscheintein aktives Signal wenn der Fehler in der zugeordneten Zone liegt, d. h. wenn dasMesssystem „anspricht“.

    In konventioneller Technik bestand das Messsystem aus einem elektromechani-schen „Messwerk“ oder einer statischen Messschaltung. Bei digitalen Relais ent-spricht dem Messsystem ein Unterprogramm zur Berechnung der Scheifenimpe-danz und zum Grenzwertvergleich mit einer hinterlegten (parametrierten) An-sprechcharakteristik.

    Volldistanzschutz

    Distanzschutz, der im Allgemeinen gesonderte Messsysteme (Messelemente) fürjede Art des zweipoligen Kurzschlusses sowie des einpoligen Erdkurzschlussesund für jede Stufenmessung enthält. [448-14-03]

    Beim digitalen Schutz bedeutet dies, dass vom Relais alle Ph-Ph- und Ph-E-Schlei-fenimpedanzen gleichzeitig berechnet und mit den Zonengrenzen verglichen wer-den (z. B. 7SA6).

    Distanzschutz mit Auswahlschaltung (Einsystemiger Distanzschutz)

    Distanzschutz, der im Allgemeinen nur ein Messsystem (Messelement) für alleFehlerarten und/oder Stufen hat. [448-14-04]

    Beim digitalen Schutz entsprechen dieser Bezeichnung Relais, die für die Distanz-messung nur eine Fehlerschleife auswerten (7SA511).

    Mehrsystemiger Distanzschutz

    Distanzschutz mit mehreren Messsystemen (Messelementen) und vereinfachterAuswahlschaltung (Diese Variante war in Deutschland beim elektromechanischenHöchstspannungsschutz üblich: R3Z27 mit drei Messsystemen).

    Kreischarakteristik

    Kreisförmige Distanzzone im Impedanzdiagramm.

  • 2 Definitionen

    14

    In Deutschland waren in R-Richtung verschobene Kreise üblich (Schubkreis, Mi-schimpedanzkreis, Konduktanzkreis), im Ausland der entlang einer Impedanzge-raden verschobene MHO-Kreis.

    Impedanzkreis

    Kreis mit dem Mittelpunkt im Ursprung des R-X-Diagramms, mit konstanter Impe-danzreichweite unabhängig vom Kurzschlusswinkel.

    Schubkreis

    Kreis, der automatisch in R-Richtung verschoben ist, abhängig vom eingestelltenLeitungswinkel. Diese Charakteristik war üblich bei elektromechanischen Distanz-relais für das Hoch- und Höchstspannungsnetz in Deutschland (R1Z23, R3Z27).

    Konduktanzkreis

    Kreis durch den Ursprung des R-X-Diagramms mit dem Mittelpunkt auf der R-Ach-se

    Wurde bei mechanischen Relais für die Mittelspannung in Deutschland benutzt(R1KZ4).

    MHO-Kreis (Admittanzkreis)

    Kreis durch den Ursprung des R-X-Diagramms mit dem Mittelpunkt auf einer Im-pedanzgeraden mit einstellbarem Winkel (normal an die Leitungsgerade ange-passt).

    In angelsächsischen Ländern wird diese Kennlinie auch noch bei digitalen Relaisbevorzugt.

    Polarisierter MHO-Kreis

    Mit kurzschlussfremden Spannungen polarisierter MHO-Kreis, der seine Größeabhängig von der Quellenimpedanz verändert (siehe Abschnitt 3.4.2).

    Offset

    Verschiebung der Zonencharakteristik gegen den Ursprung des Impedanzdia-gramms.

    Typisch ist der Offset MHO-Kreis, der nach Rückwärts verschoben ist und den Ko-ordinatenursprung einschließt (normal die 3. Zone).

    Polygon-Carakteristik

    Aus Geraden zusammengesetzte Zonencharakteristik.

    Typisch ist die viereckige Kennlinie (engl. „quadrilateral“)

  • 2 Definitionen

    15

    Reaktanzgerade

    Begrenzt die Zone in X-Richtung als Gerade parallel zur R-Achse. Benötigt zusätzli-che Richtungs- und Anregecharakteristik, z. B. Kreis.

    Lastsektor

    Konusförmiger Ausschnitt aus Distanzzonen im Impedanzdiagramm zur Abgren-zung gegen Annäherung der Lastimpedanzen bei hoher Belastung von Übertra-gungsleitungen.

    Distanzschutz mit Informationsübertragung

    Distanzschutz der eine Signalverbindung zwischen den Enden des geschütztenAbschnitts benötigt. [nach 448-15-01]

    Distanzschutz mit Freigabe

    Distanzschutz bei dem der Empfang eines Signals das Ausschaltkommando durchdie örtliche Schutzeinrichtung frei gibt. [448-14-09]

    Distanzschutz mit Sperrung

    Distanzschutz, bei dem der Empfang eines Signals das Ausschaltkommando durchdie örtliche Schutzeinrichtung sperrt. [448-14-10]

    Ansprechzeit

    Die Zeit eines Messsystems vom Fehlereintritt bis zum Ansprechen (Kippen) derGrenzwertstufe (z. B.

    I

    >

    I

    Grenze

    , oder

    Z

    <

    Z

    Kippunkt

    ). Nach dieser Zeit wird normaler-weise nur eine weitere Funktion freigegeben oder gesperrt und eine Meldung ab-gesetzt. Ein Aus-Kommando wird erst nach entsprechender Verknüpfung in einerAuslöselogik oder nach Ablauf einer Zeitverzögerung gegeben.

    Rückfallverhältnis

    Das Verhältnis Rückfallwert zu Ansprechwert eines Messsystems. Dieser Unter-schied ist erforderlich, damit das Messsystem nicht intermittierend anspricht undzurückfällt („klappert“).

    Das Rückfallverhältnis ist kleiner 1 bei Messsystemen die auf Anstieg der Messgrö-ße ansprechen (z. B. 0,95 bei der Überstromanregung) und größer 1 bei Messsys-temen die auf Rückgang geeicht sind (z. B. 1,05 bei der Impedanzanregung).

    Nachlaufzeit

    Die Zeit, die das Messsystem aufgrund seiner Trägheit nach läuft, nachdem dieMessgröße den Rückfallwert des Messsystems wieder unterschritten hat, aber ge-rade nicht mehr zum Ansprechen führt.

    1

    Beim Distanzschutz interessiert dabei im

    1

    Bei Impedanzzonen ergeben sich umgekehrte Verhältnisse: Beim Ansprechen wird die Z-Grenze (

    Z

    A

    )

    unter-

    schritten. Zum Rückfallen muss deshalb der höher liegende Rückfallwert (

    Z

    R

    = 1,05

    Z

    A

    )

    über

    schritten werden.

  • 2 Definitionen

    16

    Wesentlichen die Nachlaufzeit der Anregung nach Unterbrechung des Kurz-schlussstromes. Sie ist eigentlich für die Ermittlung der Staffelzeiten maßgebend.In der Regel wird aber die etwas längere, in den Relaishandbüchern genannteRückfallzeit benutzt. (Der Unterschied machte sich praktisch nur beim elektrome-chanischen Schutz bemerkbar (siehe Abschnitt 3.1.13).)

    Rückfallzeit

    Die Zeit, die das Messsystem benötigt, um in die Ausgangslage zurückzukehren,(der Schießkontakt wieder öffnet) nachdem die Messgröße den Rückfallwert deswieder unterschritten hat.

    1

    Beim Distanzschutz interessiert dabei im Wesentlichendie Rückfallzeit der Anregung nach Unterbrechung des Kurzschlussstromes. Sieist für die Ermittlung der Staffelzeiten erforderlich (siehe Abschnitt 3.1.13).

    Kommandozeit

    Die Kommandozeit

    des Distanzschutzes

    ist die Zeit gemessen von Fehlereintritt biszum Schließen des Auslösekontaktes.

    Für die unverzögerte Schnellauslösestufe wird die kürzeste oder typische Kom-mandozeit unter den technischen Daten genannt (Schnellzeit).

    Die Kommandozeit ist aber nicht konstant, sondern unterliegt bestimmten Ein-flussfaktoren (Kurzschlussspannung, -strom und Fehlerort). Diese Abhängigkeitwird üblicherweise in Diagrammform dargestellt (Konturkurven).

    Bei der

    Kommandozeit der Schutzeinrichtung

    addieren sich eventuell noch die Zei-ten eines Signalübertragungskanals und von externen Auslöserelais hinzu.

    Staffelzeiten

    Verzögerungszeit der Reservezonen.

    Endzeiten

    In Deutschland wird die Anregung des Distanzschutzes als Fernreserveschutz mitlanger Zeitverzögerung auf Auslösung geschaltet. Dabei gibt es eine „GerichteteEndzeit“ und eine „Ungerichtete Endzeit“ (Grenzzeit).

    Automatische Wiedereinschaltung (AWE)

    Bei Freileitungen sind Fehler meist nur vorübergehend und verschwinden nachder Abschaltung der Einspeisung. Die Leitung kann danach wieder in Betrieb ge-nommen werden. Dies geschieht üblicherweise mit einer AWE nach einer Kurz-zeitunterbrechung (KU) und eventuell einer zusätzlichen Langzeitunterbrechung(LU).

    1

    Bei Impedanzzonen ergeben sich umgekehrte Verhältnisse: Beim Ansprechen wird die Z-Grenze (

    Z

    A

    )

    unter

    -schritten. Zum Rückfallen muss deshalb der höher liegende Rückfallwert (

    Z

    R

    = 1,05

    Z

    A

    )

    über

    schritten werden.

  • 2 Definitionen

    17

    Phasen (Außenleiter)

    In diesem Buch wird statt „Außenleiter“ der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) übliche Begriff „Phase“ verwendet. Das heißt, es werden zum Beispiel die Be-zeichnungen Phase L1, statt Außenleiter L1, und phasenselektiv, statt leiterselek-tiv, benutzt.

    Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

    Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Rückweg in Energienetz.

    Auf den Distanzschutz bezogen ist es der Weg des Kurzschlussstromes vom Relais-Einbauort zum Fehlerort und zurück.

    Kurzschlussspannung („kurzschlussgetreue“ Spannung)

    Dieser Begriff bezeichnet die Spannung an der Kurzschlussschleife (Fehlerschlei-fe). Auf das Distanzrelais bezogen ist dies die Spannung zwischen den fehlerbe-hafteten Phasen (beim Phase-Phase-Kurzschluss) oder zwischen einer fehlerbe-hafteten Phase und Erde (beim Phase-Erde-Kurzschluss) am Relais Einbauort.

    Die Kurzschlussspannung wird für die Distanzmessung benötigt. Wenn sie für dieRichtungsmessung benutzt wird, spricht man auch von „kurzschlussgetreuer“Spannung.

    Kurzschlussfremde Spannung („gesunde Spannung“)

    Für die Richtungsbestimmung (Lage des Kurzschlusses vor oder hinter dem Re-lais-Einbauort) werden beim modernen Distanzschutz Spannungen benutzt, dienicht vom Fehler betroffen sind, zum Beispiel die Spannung

    U

    L2-L3

    bei einem Kurz-schluss L1-E.

    Dies ermöglicht eine unbegrenzte Richtungsempfindlichkeit auch bei Nahfehlern,wo die kurzschlussgetreue Spannung zu klein für eine zuverlässige Messung ist(siehe Abschnitt 3.3.2).

    Kurzschlussimpedanz

    Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Außenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Außenleitern).

    1

    [448-14-11]

    Im Bezug auf die Distanzmessung bezeichnet „Kurzschlussimpedanz“ die Im-pedanz zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Relais und der Fehler-stelle.

    Im Zusammenhang mit der Kurzschlussstromberechnung bezeichnet der Begriffdie Impedanz der gesamten Kurzschlussbahn.

    1

    Nach DIN VDE1304, Teil 3 gilt als genormte Bezeichnung Außenleiter. Im Sprachgebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten, wie er auch im Englischen üblich ist.

  • 2 Definitionen

    18

    Quellenimpedanz (Quellenimpedanz)

    Für einen bestimmten Fehlerort ist die Quellenimpedanz (Quellenimpedanz) derImpedanzanteil der Kurzschlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Span-nung des Messrelais und der Quellenspannung, die den Kurzschlussstrom liefert.

    Impedanzverhältnis

    An einer gegebenen Messstelle, das Verhältnis der Netzquellen- zur Kurzschlus-simpedanz (Impedanz des geschützten Abschnitts). [448-14-14]

    Im Englischen lautet dieser Begriff „System (USA: Source) Impedance Ratio“, oderabgekürzt SIR. Er ist ein Maß für die Höhe der Spannung am Relais im Fehlerfall.

    Lastimpedanz

    An einer gegebenen Messstelle, der Quotient Spannung Phasenleiter-Sternpunktdurch Phasenstrom während der Energieübertragung. [448-14-15]

    Scheinimpedanz

    Die nicht zur Kurzschlussschleife gehörenden Messsysteme berechnen („sehen“)jeweils eine scheinbare Fehlerimpedanz aus der Mischung von Last- und Kurz-schlussgrößen. Sie können bei zu großer Zoneneinstellung zum Fehlansprechenund zum Verlust der Phasenselektivität führen.

    Fehlerwiderstand

    Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde.

    Zeiger (englisch „phasor“)

    In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung für die elektrischen Größen verwendet:

    Dabei bezeichnet

    A

    jeweils den

    Effektivwert

    von Strom, Spannung oder Leistung,und

    ϕ

    deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt

    t

    = 0.

    Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch für Impedanzen benutzt, die nichtzeitabhängig sind.

    A_ A e jϕ

    ⋅ A ϕcos j ϕsin+[ ]⋅ B jC+= = =

    A B2

    C2

    +=

  • 19

    3 Wirkungsweise

    In diesem Abschnitt wird zunächst eine allgemeine Einführung in die Distanz-schutztechnik gegeben.

    Darauf aufbauend wird dann in den folgenden Abschnitten die Wirkungsweiseund Anwendung des digitalen Distanzschutzes im Detail erläutert.

    3.1 Grundlagen des Distanzschutzes

    3.1.1 Prinzip

    Der Distanzschutz bestimmt die Fehlerimpedanz aus Kurzschlussspannung und -strom am Relaiseinbauort (Bild 3.1).

    Die gemessene Fehlerimpedanz wird dann mit der bekannten Leitungsimpedanzverglichen. Wenn die gemessene Fehlerimpedanz kleiner ist als die eingestellteLeitungsimpedanz, dann wird auf inneren Fehler erkannt und ein Auslösekom-mando an den Leistungsschalter gegeben.

    Das heißt, der Distanzschutz benötigt in seiner Grundform außer Spannung undStrom am Relaiseinbauort keine weitere Information für den Schutzentscheid undist deshalb unabhängig von irgendwelchen Zusatzeinrichtungen oder Signalüber-tragungskanälen.

    Aufgrund der Unschärfe der Distanzmessung, bedingt durch Messfehler, Wandler-fehler und die Ungenauigkeit der meist nur gerechneten Leitungsimpedanzen, istein 100%-Schutz der Leitung mit einer Distanzstufe (auch Distanzzone genannt)vom Prinzip her nicht möglich. Zur sicheren Entscheidung auf inneren oder äuße-ren Fehler muss deshalb für die sogenannte untergreifende Stufe (1. Zone) ein

    Bild 3.1 Prinzip des Distanzschutzes, Messung der Fehlerimpedanz

    Einspeisendes Netz

    ZQ

    D

    IK

    UK

    ZF = UKIK

  • 3 Wirkungsweise

    20

    entsprechender Sicherheitsabstand (10-15%) vom Gegenende gelassen werden(Bild 3.2).

    Der verbleibende Rest der Leitung wird mit einer übergreifenden Stufe (2. Zone)abgedeckt, die zum Erreichen der Selektivität zeitlich gegen den Schutz der fol-genden Leitung verzögert (gestaffelt) sein muss. Diese Staffelzeit beträgt 400 bis500 ms beim mechanischen Schutz und 250 bis 300 ms beim analog statischenund digitalen Schutz. Sie berücksichtigt die Eigenzeit (Abschaltzeit) des vorgela-gerten Schalters, die „Nachlaufzeit“ der Anregung des Distanzschutzes und einenSicherheitsabstand (siehe Abschnitt 3.1.14).

    Im Gegensatz zu einem Differentialschutz, der absolut leitungsselektiv ist (seineSchutzzone ist exakt durch den Einbauort der Stromwandler an beiden Leitungs-enden begrenzt), hat der Distanzschutz (in der Grundform ohne Signalvergleich-zusatz) nur eine relative Selektivität.

    Der Distanzschutz bietet aber zusätzlich die Möglichkeit des Reserveschutzes fürdie folgenden Leitungen. Dazu dient die zweite Stufe (Übergreifstufe), die die fol-gende Sammelschiene und den Anfang der folgenden Leitung schützen soll. Wei-ter ist normal eine dritte Stufe vorhanden, die die folgende Leitung möglichstganz abdecken soll (Bild 3.2).

    Die Koordinierung der Stufenlängen und -zeiten erfolgt in einem sogenanntenStaffelplan (siehe Abschnitt 3.1.14).

    3.1.2 Relaisimpedanz (Sekundärimpedanz)

    Distanzrelais sind als sogenannte Sekundärrelais ausgeführt, d. h. sie werdenüber Strom- und Spannungswandler an das Primärnetz (Leitung) angeschlossen.Am Relais erscheinen deshalb Sekundärimpedanzen, die sich durch die Überset-zungsverhältnisse der Wandler ergeben:

    Bild 3.2 Prinzip des Distanzschutzes, Gestaffelte Distanzzonen

    (3-1)

    Zeit

    D1 D2 D3

    t1

    t2

    t3

    Z1

    Z2

    Z3

    Distanz

    Δt = Staffelzeit

    ZsekIprim Isek⁄

    Uprim Usek⁄------------------------------ Zprim⋅=

  • 3.1 Grundlagen des Distanzschutzes

    21

    Beispiel:

    Netznennspannung: Uprim = 110 kV

    Stromwandlerübersetzung: Iprim / Isek = 600 / 1 A

    Spannungswandlerübersetzung: Uprim / Usek = 110 kV / 100 V

    Die Staffelpläne werden normalerweise mit Primärimpedanzen erstellt.

    Die Relaiseinstellung erfolgt jedoch gemäß VDEW Empfehlung in Sekundärwer-ten, da auch die Relaisprüfung mit Sekundärgrößen vorgenommen wird. Dasheißt, die Relaisimpedanzwerte sind jeweils nach Formel (1) umzurechnen.

    Bei digitalen Relais ist die Einstellung und Prüfung heute auch mit Primärimpe-danzen möglich. Die für die Umrechnung notwendigen Wandlerübersetzungensind als Parameter einzugeben.

    3.1.3 Impedanzdiagramm

    Zur Beurteilung des Distanzschutzverhaltens ist das Impedanzdiagramm ein un-abdingbares Werkzeug des Schutzfachmanns.

    Hierbei werden in der komplexen R/X-Ebene die Relais-Charakteristik und die ge-messenen Last- und Kurzschlussimpedanzen dargestellt (Bild 3.3). Aus der Zuord-nung dieser drei Impedanz-Komponenten lässt sich das Relaisverhalten im Netzeinfach beurteilen.

    Im Normalzustand des Netzes entspricht die gemessene Impedanz der Lastimpe-danz. Diese ist im Betrag umgekehrt proportional zur Größe der übertragenenLast ( ). Der Winkel zwischen Strom und Spannung entspricht indiesem Zustand dem Lastwinkel ϕL (Bild 3.3). Er ist abhängig vom VerhältnisBlind- zu Wirkleistung (ϕLast = arctg [Pblind / Pwirk ]).

    Bei Eintritt eines Fehlers springt die Lastimpedanz auf die Kurzschlussimpedanz.Diese ist normalerweise kleiner als die Lastimpedanz, wobei ihr Wert der der Lei-tungsimpedanz vom Relaiseinbauort bis zur Fehlerstelle entspricht (NahfehlerZLF1 oder Fernfehler ZLF2). Bei Lichtbogenfehlern oder Übergangswiderständen ander Fehlerstelle addiert sich noch eine mehr oder minder große Widerstandskom-ponente (RF) zur Leitungsimpedanz hinzuf. Der nun gemessene Winkel zwischenKurzschlussstrom und Kurzschlussspannung ist der Kurzschlusswinkel ϕK.

    Der Ansprechcharakteristik des Distanzschutzes entsprechen feste Kennlinien imImpedanzdiagramm1. Damit wird einerseits der Fehlerbereich vom Lastbereichabgegrenzt (Anregekennlinie) und andererseits wird die Reichweite der Distanz-

    1 Im besonderen Fall der Anwendung kurzschlussfremder Spannung verändern sich die Kennlinien abhängig von der Quellenimpedanz des einspeisenden Netzes. Dies wird in Abschnitt 3.3.2 ausführlich erläutert.

    Zsek600 1⁄

    110 0,1⁄----------------------- 0,545 Zprim⋅= =

    ZLast Uvk2

    PLast⁄=

  • 3 Wirkungsweise

    22

    zonen festgelegt. Darüber hinaus ist ersichtlich, ob die eingestellte Reichweite inR-Richtung (auch als Lichtbogenkompensation bezeichnet) den zu erwartendenFehlerwiderstand abdeckt. Schließlich werden durch eine Richtungscharakteristikzwei Impedanzbereiche definiert, in denen das Relais auf Fehler in Vorwärtsrich-tung bzw. Rückwärtsrichtung entscheidet.

    Die Relais-Impedanzkennlinien sind traditionell geometrische Figuren, die ausGeraden und Kreisen oder Kreisabschnitten zusammengesetzt sind. Diese Ein-schränkung leitet sich von den begrenzten Möglichkeiten der analogen Messtech-nik ab.

    Bei digitalen Relais ist durch die enorm gestiegene Rechenleistung der Geräte eineweitgehend freizügige Wahl und Optimierung der Kennlinien möglich. Bild 3.19zeigt ein typisches Beispiel.

    3.1.4 Distanzmessung

    Bei konventionellen Relais wurde die Kurzschlussimpedanz mit einer Leitungsab-bild-Impedanz verglichen und so zwischen einem inneren und äußeren Fehler un-terschieden.

    Klassische Messtechnik:

    Bei mechanischen Relais wurde dazu von deutschen Herstellern die Gleichrichter-brückenschaltung als „Impedanzwaage“ verwendet. Bild 3.4 zeigt die prinzipielleWirkungsweise dieser Messschaltung. Die angegebene Gleichung resultiert dabeiin einem Kreis in der Impedanzebene.

    Bild 3.3Last- und Kurzschlussimpedanz

    X

    R

    Fehlerbereich

    Distanzschutz-CharakteristikZL

    ZLF1

    ϕSC1

    ϕL

    ZLast

    steigendeLast

    Lastbereich

    Fehler in Rückwärts-richtung

    RF

    ZF1

    ZF2

    RF

    ϕSC2

    ZLF2

    ZLZLF1

    ZLF2

    RF RF ZLast

    DF1 F2

  • 3.1 Grundlagen des Distanzschutzes

    23

    Durch entsprechende Modifikation der Messschaltung kann der Kreis auch in derImpedanzebene verschoben werden (Bild 3.5).

    Damit wird eine bessere Abdeckung von Fehlerwiderständen (Lichtbogenkompen-sation) erreicht. [3-1]

    Von englischen und amerikanischen Herstellern wurde eine Messschaltung mit ei-nem Induktionsrelais nach dem Ferrarisprinzip verwendet (Bild 3.6).

    In diesem Fall entspricht die bewegliche Trommel dem Rotor eines Induktionsmo-tors. Der magnetische Kreis schließt sich über die stationären Joche und den fest-stehenden Kern. Durch Variation der Anschlussschaltung können ebenfalls Kreiseund Geraden in der Impedanzebene erzeugt werden. Die bekannteste Kennlinie istdabei der MHO-Kreis (Admittanzkreis). [3-2]

    Da der Kreis durch den Koordinatenursprung verläuft, vereint er von Natur ausDistanz- und Richtungsbestimmung (selbst-polarisierter MHO-Kreis), das heißt,eine zusätzliche Richtungscharakteristik ist hier nicht erforderlich. Dies bedeuteteeinen Kostenvorteil in der elektromechanischen und statischen Technik. Außer-dem entfiel die zeitliche Koordinierung von Distanz- und Richtungsbestimmung

    Bild 3.4 Impedanzmessung mit der Gleichstrombrückenschaltung (Prinzip)

    Bild 3.5Auslösecharakteristiken des elektromechanischen Distanz-schutzes (deutsche Hersteller)

    X

    RrZ

    ⎟ ZK ⎢< rZ:innerer Fehler

    ⎟ ZK ⎢> rZ:externer Fehler

    rZUKrZ

    UK

    IK

    Auslösebedingung: | IK | > | |UKrZ

    oder | | = | ZK | < rZUKIK

    +

    a) Gleichrichterbrückenschaltung b) Impedanzkreis

    X

    R

    Impedanzkreis

    Mischimpedanzkreis

    Konduktanzkreis

  • 3 Wirkungsweise

    24

    die in der klassischen Relaistechnik kritisch war. Selbst heute noch wird dieseKennlinie in den USA beim digitalen Schutz bevorzugt. Nur bei kurzen Leitungenwird die polygonale Charakteristik gewählt zur Verbesserung der Lichtbogenkom-pensation bei Erdfehlern.

    Der MHO-Kreis ist definiert durch die Einstellung der Relaisimpedanz ZR (ent-spricht dem Kreisdurchmesser) und den Neigungswinkel Θ.

    Abhängig vom Winkel der Kurzschlussimpedanz ϕ, ergibt sich dann folgende For-mel für die Zonenreichweite:

    Der Winkel Θ wird normalerweise an den Winkel der Leitungsimpedanz ange-passt. Bei kurzen Leitungen wurde in der Praxis auch ein kleinerer Winkel einge-stellt um die Lichtbogenreserve etwas zu verbessern.

    Im Grenzfall Θ = 0 erhalten wir den Konduktanzkreis, der in Deutschland mit demelektromechanischen Schutz in der Mittelspannung eingesetzt wurde, insbeson-dere in Kabelnetzen wo der Kurzschlusswinkel unter 30° liegen kann.

    Kennlinien mit verbesserter Lichtbogenkompensation

    Für die Distanzmessung ist genau genommen nur der Reaktanzanteil XF der Fehle-rimpedanz aussagekräftig, da im Resistanzanteil der variable, unbekannte Wider-standsanteil der Fehlerstelle enthalten ist (z. B. der Lichtbogenwiderstand).

    Die Messgrenze in X-Richtung sollte deshalb möglichst flach sein und parallel zurR-Achse verlaufen (idealerweise als Reaktanzgerade). Dabei muss die Reichweite inR-Richtung begrenzt sein um Lastimpedanzen auszugrenzen. In mechanischer

    Bild 3.6 Prinzip des Induktionsrelais mit MHO-Kreis-Charakteristik

    (3-2)

    W1

    W2

    W3 W4

    UU

    d1

    d2

    I

    bewegliche Drommel

    feststehender Kern

    U1

    W1: AnsprechenW2: RückhaltenW3+W4: Polarisieren

    UK · IK · cos(ϕ - Θ) ≤ · UK2ZA

    = ZK < ZR · cos(ϕ - Θ)UKIK

    ZA

    ZK

    ZK'

    äußerer Fehler

    innererFehler

    X

    R

    ϕΘ

    Z ZR ϕ Θ–( )cos[ ]⋅=

  • 3.1 Grundlagen des Distanzschutzes

    25

    Technik wurde dies mit einer Kombination aus Kreis und Geraden versucht zu er-reichen (Bild 3.7).

    Eine gewisse Verbesserung der Lichtbogenkompensation bringt auch der mitkurzschlussfremden Spannungen polarisierte MHO-Kreis1, bei dem sich der Kreis-durchmesser mit der Quellenimpedanz des einspeisenden Netzes verändert (Bild3.8). Eine gute Kompensation ergibt sich hier aber nur bei schwacher Einspeisung,d. h. großer Quellenimpedanz. [3-3]

    Ideal für die Kompensation von höheren Lichtbogen- bzw. Fehlerwiderständensind polygonale Charakteristiken, wie sie bei den statischen Relais eingeführt wur-den (Bild 3.9). [3-4]

    Moderne Relais erlauben dabei eine unabhängige Einstellung der X- und R-Reich-weite in weiten Bereichen, so dass auch bei extrem kurzen Leitungen eine akzep-table Lichtbogenkompensation erreicht werden kann.

    Bild 3.7Kombinierte Charakteristik aus Kreis und Geraden

    Bild 3.8Polarisierter MHO-Kreis

    1 Die Benutzung kurzschlussfremder Spannungen beim MHO-Kreis wird im Abschnitt 3.4.3 erläutert.

    Anregezone

    Zone 3

    Zone 2

    Zone 1

    X

    R

    X

    R

    ZQ = 0

    ZQ klein

    ZQ groß

    ZQ

    RF

    ZL

  • 3 Wirkungsweise

    26

    Statische Distanzmessverfahren (Phasenkomparator)

    Bei dieser Technik wird die Distanzmessung auf Basis einer Winkelmessung aus-geführt (Bild 3.10).

    Ausgangsgrößen sind der Zeiger der Spannung an der Abbildimpedanz alsein Maß für die Zonenreichweite (eingestellte Relaisimpedanz) und der Zeiger derKurzschlussspannung (entspricht ) als Maß für die Kurzschlussimpedanz.Durch Subtraktion wird der Hilfszeiger gebildet.

    Bild 3.9 Polygonale Auslösecharakteristik

    Bild 3.10 Distanzmessung als Phasenkomparator

    Einstellbare Lichtbogenkompensation

    X

    XA

    ZLRLB

    RRA

    Z_A* I_K

    Z_K* I_KΔU_

    X

    R

    I K · Z

    A

    ϕ

    ϕ

    1

    2

    UK(ZK)

    ΔU

    URef. = UK

    ϕGr. = 90°

    U Ref. = IK · Z Ref.ϕ

    ϕGr.X

    RIK

    Δ U

    I K· Z A

    U K

    (ZK)

    ϕGr.

    2

    11 innerer Fehler2 äußerer Fehler

    Signal A:

    Signal B:

    Koinzidenzsignal:

    Auslösesignal C:(ϕ > ϕGr. )

    ϕGr.

    AUS-Kommando D:

    ϕ

    a) MHO-Kreis b) Polygon

    c) Komparator c) Messsignale

    C

    Anregung

    A

    B

    ϕ

    > ϕ

    Gr.

    Phasenkomparator(Koinzidenzzeitmessung)

    ΔU = IK · Z R - U K

    UK bzw. URef

    -

    +

    SR

    D

    X

    R

    I K · Z

    A

    ϕ

    ϕ

    1

    2

    UK(ZK)

    ΔU

    URef. = UK

    ϕGr. = 90°

    U Ref. = IK · Z Ref.ϕ

    ϕGr.X

    RIK

    Δ U

    I K· Z A

    U K

    (ZK)

    ϕGr.

    2

    11 innerer Fehler2 äußerer Fehler

    U Ref. = IK · Z Ref.ϕ

    ϕGr.X

    RIK

    Δ UΔ U

    I K· Z A

    U KU K

    (ZK)(ZK)

    ϕGr.

    2

    11 innerer Fehler2 äußerer Fehler

    Signal A:

    Signal B:

    Koinzidenzsignal:

    Auslösesignal C:(ϕ > ϕGr. )

    ϕGr.

    AUS-Kommando D:

    ϕ

    a) MHO-Kreis b) Polygon

    c) Komparator c) Messsignale

    C

    Anregung

    A

    B

    ϕ

    > ϕ

    Gr.

    Phasenkomparator(Koinzidenzzeitmessung)

    ΔU = IK · Z R - U K

    UK bzw. URef

    -

    +

    SR

    DC

    Anregung

    A

    B

    ϕ

    > ϕ

    Gr.

    Phasenkomparator(Koinzidenzzeitmessung)

    ΔU = IK · Z R - U K

    UK bzw. URef

    -

    +

    SR

    D

  • 3.1 Grundlagen des Distanzschutzes

    27

    Beim MHO-Kreis ist der Winkel (ϕ > oder < 90°) zwischen und das Kriteriumfür inneren oder äußeren Fehler. Beim Polygon ist es der Winkel (ϕ > oder < ϕGr =135°) zwischen und einem festgelegten Referenzzeiger .

    Zur Winkelmessung werden die Größen und in Rechtecksignale umge-formt und in einem Komparator auf Koinzidenz (Überdeckung) überwacht.

    Dem Grenzwinkel 90° entspricht dabei eine Koinzidenzzeit von 5 ms bei 50 HzNetzfrequenz.

    Numerische Messverfahren

    Bei digitalen Relais werden die Ströme und Spannungen laufend abgetastet unddigitalisiert. Mit den digitalisierten Messwerten wird danach die Fehlerimpedanz(X- und R-Wert) numerisch nach einem festgelegten Algorithmus berechnet. DasErgebnis wird dann rechnerisch mit den Grenzwerten der programmierten undeingestellten Ansprechcharakteristik verglichen.

    Damit können fast beliebig geformte und optimierte Kennlinien realisiert werden,wie später noch ausführlich gezeigt wird.

    3.1.5 Richtungsbestimmung

    Bei Leitungen mit beidseitiger Einspeisung (z. B. Ringnetz) muss der Schutz un-terscheiden können, ob der Fehler vorwärts oder rückwärts liegt, damit rückwärtsaußerhalb der Leitung liegende Fehler nicht zur Fehlabschaltung führen.

    Die Richtungsbestimmung kann sowohl in der Spannungsebene als auch in derImpedanzebene dargestellt werden (Bild 3.11).

    Bei einem Fehler in Vorwärtsrichtung fließt der Strom vorwärts in einen ohmisch-induktiven Kurzschlusskreis, d. h. bei dem gewählten Verbraucherzählpfeilsystemeilt der Strom der Spannung nach (Bild 3.11a). Dabei wird vorausgesetzt, dass das

    Bild 3.11 Richtungsbestimmung

    ΔU_ U_K

    ΔU_ U_Ref

    ΔU_ U_Ref

    ϕK

    Strombereich beiVorwärtsfehlern

    ΙK

    Strombereich beiRückwärtsfehlern

    ΙKUK

    R

    ZF

    ZF

    Impedanzbereichfür Vorwärtsfehler

    Impedanzbereichfür Rückwärtsfehler

    X

    ϕK

    Richtungsgerade

    MHO-Kreis

    Richtungs-charakteristiken

    a) Strom-/spannungsdiagramm b) Impedanzdiagramm

  • 3 Wirkungsweise

    28

    Relais so definiert und angeschlossen ist, dass die gleichen Verhältnisse an derMessschaltung gelten. Der Winkel ϕK liegt über 80° bei Höchstspannungsleitungenund kann bei Kabeln unter 20° liegen, oder kann im Extremfall sogar 0° werdenbei einem Lichtbogenfehler direkt vor dem Relais.1

    Tritt der Fehler in Rückwärtsrichtung auf, dann kehrt sich der Strom um, d. h. ererscheint um etwa 180 Grad gedreht im Vergleich zum Vorwärtsfehler.

    Die Stromumkehr bewirkt auch, dass sich die gemessene Impedanz umkehrt, d. h.die Fehlerimpedanz liegt dann im dritten Quadranten der Impedanzebene.

    Damit kann durch Messung des Winkels zwischen Strom und Spannung ein Rich-tungsentscheid herbeigeführt werden.

    Die Messschaltung wurde bei konventionellen Relais so aufgebaut, dass sich eineRichtungsgerade in der Spannungs- bzw. Impedanzebene ergab.

    Bei numerischen Relais ist die Bestimmung der Fehlerrichtung in ähnlicher Weisemöglich durch die Auswertung des Vorzeichens der berechneten Fehlerimpedan-zen.

    Zur Vollständigkeit sei hier noch erwähnt, dass der Konduktanzkreis (Bild 3.5)und der MHO-Kreis (Bild 3.6) vom Prinzip her die Richtungsfunktion beinhalten,d. h. eine getrennte Richtungsmessung ist in diesem Fall nicht erforderlich.

    Die hier beschriebene Methode wird als Richtungsbestimmung mit „kurzschluss-getreuen Spannungen“ bezeichnet. Sie hat den Nachteil, dass bei Nahfehlerndirekt vor oder hinter dem Relaiseinbauort keine Richtungsmessung möglich ist,weil theoretisch die Spannung Null sein kann. Konventionelle Relais dieser Arthatten deshalb eine sogenannte „Tote Zone“ bei Kurzschlussspannungen unteretwa 0,1 V.

    Schon bei mechanischen und analog statischen Relais für die Hoch- und Höchst-spannung wurde deshalb die Messung mit „kurzschlussfremden“ Spannungeneingeführt. Dabei wird eine nicht vom Fehler betroffene Spannung ersatzweise be-nutzt.

    Zum Beispiel wird für einen Fehler in Phase L1 die gegenüberliegende verketteteSpannung L2–L3 hergenommen. Dabei muss natürlich im Relais eine entspre-chende Phasenanpassung vorgenommen werden. Bei einem dreipoligen Fehler,wo alle Spannungen vom Fehler betroffen sind, werden die vor Eintritt des Fehlersin einem Spannungsspeicher gespeicherten Spannungen verwendet. Dazu war beianalogen Relais ein relativ aufwendiger Spannungsspeicher (Resonanzkreis) not-wendig und wurde deshalb nur für den Schutz im Höchstspannungsnetz einge-setzt.

    Digitale Relais speichern die abgetasteten Messwerte in einem Umlaufpuffer so,dass die Richtungsmessung entsprechend der festgelegten Speichertiefe immer

    1 Auf die Besonderheiten bei serienkompensierten Leitungen wird in Abschnitt 3.5.6 eingegangen.

  • 3.1 Grundlagen des Distanzschutzes

    29

    auf Spannungen vor Eintritt des Fehlers zurückgreifen kann (beim 7SA6 z. B. biszu zwei Sekunden).

    Die Richtungsmessung mit kurzschlussfremden und gespeicherten Spannungenhat besondere Bedeutung bei serienkompensierten Leitungen. Darauf wird in Ab-schnitt 3.5.6 ausführlich eingegangen.

    3.1.6 Anregung (Fehlererkennung)

    Die Funktion Anregung hat zunächst die Aufgabe, einen Kurzschluss im Netz zuerkennen und zu klassifizieren.

    Die Anregung soll dabei phasenselektiv sein, d. h. sie soll die fehlerbehaftetenPhasen richtig erkennen, ohne Fehlanregung in einer der gesunden Phasen.

    Dies ist besonders wichtig bei einpoligen Fehlern zur Sicherstellung der selekti-ven einpoligen Schalterauslösung im Falle der einpoligen Kurzunterbrechung.

    Bei einsystemigen Distanzschutzgeräten mit nur einem Distanzmesswerk steuertdie Anregung außerdem die Messgrößenauswahl.

    Daneben ist das Ansprechen und Abfallen der Anregung der jeweilige Referenz-zeitpunkt für den Beginn und das Ende eines Störfalls, d. h. die Anregung startetzum Beispiel die Zonenzeiten und die Störschreibung (letztere auch auf Start mitdem Aus-Kommando parametrierbar).

    Als Kriterien für die Anregung kommen Stromanstieg, Spannungseinbruch undImpedanzveränderung in Frage.

    Überstromanregung

    Sie ist die einfachste und schnellste Art der Fehlererkennung.

    Sie kann angewendet werden in räumlich begrenzten Netzen mit kleinen Lei-tungsimpedanzen und nicht zu kleiner Einspeiseleistung, d. h. überall dort, woausreichend große Kurzschlussströme fließen. Der minimale Kurzschlussstromsollte dabei nicht kleiner als etwa zweimal maximaler Laststrom sein. Die Einstel-lung erfolgt auf den etwa 1,3-fachen maximalen Laststrom in den Phasen und aufetwa 0,5-mal IN (Wandlernennstrom) im Erdpfad. Bei Doppelleitungen ist zu be-rücksichtigen, dass bei Ausfall einer Leitung die andere Leitung zumindest fürkurze Zeit den zweifachen Strom führen muss. In diesem Fall ist in den Phasender doppelte Wert einzustellen.

    Es ist ferner zu beachten, dass im geerdeten Netz eine Erdstromanregung alleinenicht genügt. Für eine korrekte Schleifenauswahl muss der Kurzschlussstrom sogroß sein, dass auch die entsprechende Phasenanregung mitkommt.

    Für die Überprüfung der Anregesicherheit muss der zweipolige Fehler gerechnetwerden, da der zweipolige Fehlerstrom um den Faktor kleiner ist als derdreipolige.

    3 2⁄