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Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg »ód< – Stuttgart StädtePartner in Europa Stadtgänge • Erkundungen Geschichte und Geschichten Erfolgreiche Industrielle: Poznaøski und Bosch Ghetto Lodz Nachkriegszeit: Hoffnung und Modernisierung Lodzer Landschaften – Stuttgart und seine Region Literarische Spuren Kunst • Film Partnerschaft konkret Reihe für Politik, Geschichte, Deutsch, Geografie, Kunst Heft 46/47 · 2003

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Landeszentralefür politische BildungBaden-Württemberg

»ód< – Stuttgart StädtePartner in Europa

Stadtgänge • Erkundungen Geschichte und Geschichten

Erfolgreiche Industrielle: Poznaøski und BoschGhetto Lodz

Nachkriegszeit: Hoffnung und ModernisierungLodzer Landschaften – Stuttgart und seine Region

Literarische Spuren Kunst • Film

Partnerschaft konkret

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2003

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Herausgeber:Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Direktor Dr. h. c. Siegfried Schiele

Redaktion:Dr. Walter-Siegfried Kircher

Beirat:Robert Bosch Stiftung GmbH, Stuttgart, Günter GerstbergerMinisterium für Kultus, Jugend und Sport, Klaus Happold, MinisterialratProf. Dr. Lothar Burchardt, Universität Konstanz Dietrich Rolbetzki, Oberstudienrat, FilderstadtLothar Schaechterle, Studiendirektor, Stetten i. R. Landeszentrale für politische Bildung, Dr. Walter-Siegfried Kircher

Anschrift der Redaktion: 70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38, Telefon (07 11) 16 40 99-43/-45, Telefax (07 11) 16 40 99-77 E-Mails der Redaktion: [email protected] [email protected]

erscheint zweimal im Jahr

Jahresbezugspreis 6,– Euro Preis der Einzelnummer: 3,– Euro

Satz:Schwabenverlag mediagmbh 73760 Ostfildern-Ruit

Layout:W.-S. Kircher und Schwabenverlag mediagmbh

Druck:Süddeutsche Verlagsgesellschaft Ulm mbH 89079 Ulm

Auflage: 12 000

Redaktionsschluss: Mai 2003

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers oder der Redaktion wieder.

Nachdruck oder Vervielfältigung auf elektronischen Datenträgern sowie Einspeisung in Datennetze nur mitGenehmigung der Redaktion.

Mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport, der Stiftung für Bildung undBehindertenförderung und der Robert Bosch Stiftung.

Titelbild: W.-S. Kircher (s. a. Bildnachweis)

Heft 46/47 · 2003

D E U T S C H L A ND & EU R O PA

Autorinnen & AutorenMitarbeiter & Mitarbeiterinnen

Bohusch, Wolfgang, OStR, Universität »ód<, »ód<, Fremdspra-chenkolleg IFederführung I I.1 »ód< und seine Straße: die Piotrkowska II.4 Izrael Poznaøski – ein erfolgreicher Industrieller I I.8 Gelobtesoder verfluchtes Land? »ód< in der Literatur: W. Reymont,J. Roth, J. Becker I Praktische Tipps »ód< I II. Völkerverständi-gung und Friede in Europa: 2. Partnerschaft konkretDr. Budziarek, Marek, Kustos, Muzeum Historii Miasta »ód<i,»ód< I I.6 Stadt einer außergewöhnlichen HoffnungCeg«owska, Magda, XXIII. L.O., Warschau II.9 Die Kunst- und Filmstadt »ód< – ein Ort der Avantgarde1. Das Kunstmuseum in »ód< – Muzeum SztukiJaedecke, Ralph, SWR I III. Tipps für junge Leute (Stuttgart)Kern, Helmuth, Prof., Fachleiter am Seminar für Schulpädago-gik (Gymnasien) Esslingen, und Kern, Erika, StR’in a.D., beideNeckartenzlingen I III.7 Kunst: Staatsgalerie ist eine Reise wertMüller, Bernhard, StD und Fachleiter für Geschichte am Semi-nar für Schulpädagogik (Gymnasien) Heilbronn, Untergruppen-bach I Federführung I Einleitung I II. Völkerverständigung undFriede in Europa: 1. Zur Entstehung der Partnerschaft »ód< –Stuttgart I III. Stuttgart: 1. Stuttgart von oben I 2. Stuttgarthistorisch I 3. Ein sozialer Unternehmer: Robert Bosch I4. Wiederaufbau und Modernisierung I 5. Stuttgart und seineRegion I 6. Literarische Spuren in StuttgartMüller, Helga, OStR’in a. D., Untergruppenbach I I.8 Gelobtesoder verfluchtes Land? »ód< in der Literatur: J. Tuwim I I.9 DieKunst- und Filmstadt »ód< – 1. Muzeum Sztuki I III.6 Literari-sche Spuren in StuttgartPodolska, Joanna, Journalistin, Gazeta Wyborcza, »ód< II.2 Die Geschichte des Hugo Glass I I.7 Unbekanntes Land –Lodzer Landschaften I I.9 Die Kunst und Filmstadt »ód< – einOrt der Avantgarde: 2 Holly»ód<Dr. Radziszewska, Krystyna, Universität »ód<, Institut für Ger-manistik I I.5 »Unser einziger Weg ist Arbeit« – das Ghetto in»ód< I I.8 Gelobtes oder verfluchtes Land? »ód< in derLiteratur: W. Reymont, J. Roth, J. BeckerWilkowska, Monika, VIII. L.O., »ód< I I.1 »ód< und seineStraße: die Piotrkowska I ÜbersetzungenDr. Wo<niak, Krzysztof Pawel, Universität »ód<, Institut fürGeschichte I I.3 »ód< wird Zentrum der Textilindustrie

Leiter des Projekts : Dr. Walter-Siegfried Kircher

D E U T S C H L A ND & EU R O PA

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I n h a l t

1

Inhal t

»ód< – Stuttgart: StädtePartner in Europa

Geleitworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

I. »ód< . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1. »ód< und seine Straße – die Piotrkowska . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2. Die Geschichte des Hugo Glass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3. »ód< wird Zentrum der Textilindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

4. Izrael Poznaøski – ein erfolgreicher Industrieller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

5. »Unser einziger Weg ist Arbeit« – Das Ghetto in Lodz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

6. Stadt einer außergewöhnlichen Hoffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

7. Unbekanntes Polen – Lodzer Landschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

8. Gelobtes oder verfluchtes Land? »ód< in der Literatur: W. Reymont, J. Roth, J. Becker . 25

9. Die Kunst- und Filmstadt »ód< – ein Ort der Avantgarde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Praktische Tipps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

II. Völkerverständigung und Frieden in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

1. Zur Entstehung der Partnerschaft »ód< – Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

2. Partnerschaft konkret: Beispiele für Begegnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

III. Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

1. Stuttgart von oben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

2. Stuttgart historisch – ein Gang durch die Stadt- und Landesgeschichte . . . . . . . . . . . . . . 40

3. Ein sozialer Unternehmer – Robert Bosch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

4. Wiederaufbau und Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

5. Stuttgart und seine Region . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

6. Literarische Spuren – Schiller, Hegel, Hermann Lenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

7. Kunst: Staatsgalerie ist eine Reise wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Tipps für junge Leute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Gesichter einer Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Neues aus der Landeszentrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U 3

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G e l e i t w o r tGelei twort der Städte

Liebe Leserinnen und Leser,

In dem von der Landeszentrale fürpolitische Bildung Baden-Würt-temberg veröffentlichten Heft»»ód<-Stuttgart: Partner inEuropa« wird den Leserinnen undLesern auf eine äußerst interes-sante Art und Weise das Porträteiner europäischen Städtepartner-schaft, die Geschichte, Gegenwartund die gegenseitigen Beziehun-

gen der beiden Städte »ód< und Stuttgart geschildert. »ód< hat als erste Stadt in den MOE-Ländern vor 15 Jah-ren mit der Landeshauptstadt Stuttgart einen offiziellenStädtepartnerschaftsvertrag unterzeichnet. Seit dieserZeit hat sich in Europa vieles geändert. Dank der politischen und wirtschaftlichen Transformationin Polen und dem Mauerfall und der Wiedervereinigung inDeutschland konnten sich die freundschaftlichen Bezie-hungen zwischen unseren Ländern und Städten kontinu-ierlich entwickeln. Durch den EU-Beitritt Polens kann diestädtepartnerschaftliche Zusammenarbeit sicherlich umneue Erfahrungen und Impulse bereichert werden. Eine große Bedeutung wird ohne Zweifel dem Austauschder jungen Generation beigemessen Unsere Hochschu-len arbeiten eng zusammen, die Studenten haben immermehr Möglichkeiten, in die Partnerstadt zum Studiumbzw. Praktikum zu kommen, auf beiden Seiten findenGastvorträge und Seminare statt. Viele Lodzer Schülerlernen schon in der Grundschule fleißig die deutscheSprache. Einige Gymnasien und Jugendhäuser pflegenseit Jahren regelmäßige Kontakte miteinander, bei denensie gemeinsam zahlreiche Projekte durchführen. Das Heft »»ód< – Stuttgart: StädtePartner in Europa«erscheint im Vorfeld der Erweiterung der EuropäischenUnion zur richtigen Zeit und kommt den Interessen vielerjunger Leser im Land Baden-Württemberg und insbeson-dere in der Landeshauptstadt Stuttgart entgegen. Die aktive Teilnahme der jungen Generation an der städ-tepartnerschaftlichen Arbeit ist als tragende Kraft für denBau des neuen großen Europäischen Hauses notwendig.Diese Veröffentlichung stellt dazu einen wichtigen Beitrag.In diesem Sinne wünsche ich Ihnen interessante Lektüreund freue mich auf viele neue Initiativen bei den Kontak-ten zwischen unseren Partnerstädten!

Dr. Jerzy KropiwnickiStadtpräsident von »ód<

Städtepartnerschaften waren undsind auch in der deutsch-polni-schen Zusammenarbeit von zent-raler Bedeutung. Als im Jahr 1988das Städtepartnerschaftsabkom-men zwischen Stuttgart und Lodzunterzeichnet wurde, stand bereitsder Wille zu einer verstärktenZusammenarbeit mit Mittel- undOsteuropa im Vordergrund.Kennzeichnend für die Partner-schaft in den ersten Jahren waren

bilaterale Begegnungen in den Bereichen Kultur, Jugend-und Schüleraustausch. Das Kennenlernen der Kultur desjeweils Anderen stand, wie auch heute noch, im Vorder-grund. Anfang der 90er Jahre unterstützte die baden-württembergische Landeshauptstadt die Stadt Lodz auchbeim Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung. Heutekooperieren beide Städte im Rahmen von europäischenNetzwerken und Programmen.Vor diesem Hintergrund begrüße ich das Erscheinen die-ses Heftes im Jahr unserer 15-jährigen Städtepartner-schaft. Ich danke allen, die zur Erstellung des Heftesbeigetragen haben und wünsche den Leserinnen undLesern viel Freude. Die Beiträge enthalten Informationenüber unsere lebendige Städtepartnerschaft mit Lodz undbieten vielfältige Ansatzpunkte für den Unterricht.

Dr. Wolfgang SchusterOberbürgermeister

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G e l e i t -w o r t

Geleitwort des Ministeriums

D a n k -s a g u n g e n

Danksagungen

Vo r -w o r t

Vorwort des Herausgebers

»… wir fahr’n nach Lodsch … Da packen wir dasGlück beim Schopf …« Wer ist die Freundin, die singend Theo dazu auffordert,»alles auf den Kopf« zu hauen und nach Lodz zu »fahr’n«?– wer kannte im 19. Jahrhundert diesen Ort, wer kenntdie Stadt »ód</Lodz heute? Erstaunlicherweise kennen viele Deutsche die Melodieund ein paar Zeilen des Schlagers, den Vicky Leandros1974 zum ersten Mal sang, - und sie fallen ein, sobald sieden Anfang des Schlagers hören: »Theo, wir fahr’n …«.Nur, warum wollten Theo und seine Freundin ausgerech-net nach Lodz? – und wo liegt Lodz überhaupt? Daraufgibt es seltener eine Antwort.Warum verließen in den zwanziger Jahren des 19. Jahr-hunderts Hunderttausende ihre Dörfer in Mittel- und Ost-europa und zogen in das zum russischen Kaiserreichgehörende Wiener-Kongress-Polen nach »ód< in eineetwa achthundert Einwohner zählende Ansiedlung vonzumeist Holzhütten. Ein halbes Jahrhundert später lebtendort dreihunderttausend Menschen, je ein Drittel Polen,Juden, Deutsche. Heute wird die zweitgrößte StadtPolens etikettiert als »gelobt«, »verflucht«, »wunderbar«und »europäischer als alle anderen«. – Seit 1988 besteht eine partnerschaftliche Verbindung zwi-schen »ód< und Stuttgart mit vielfältigen Beziehungen aufprivater und öffentlicher Ebene. In der Reihe » «erarbeiteten erstmals polnische und deutsche Autorinnenund Autoren ein Heft über die beiden Partnerstädte undführen damit die Veröffentlichungen fort, die sich miteuropäischen Regionen und Städten befassen. Praktische Überlegungen bestimmten den Aufbau diesesDoppelheftes. Auf Teil I »Lodz« folgt ein verbindenderTeil II »Völkerverständigung« mit konkreten Beispielen,wie »Europa von unten« von den Gemeinden und ihrenBürgern her gebaut werden könnte – sollen diese dochdabei eine Schlüsselrolle spielen. Teil III »Stuttgart« ist füralle gedacht, die in der Landeshauptstadt einige Tageverbringen und mehr erfahren wollen als eine Auto- undMusicalstadt.Das Heft kann auch parallel gelesen und benutzt werden.Dazu bieten sich fast alle Beiträge an. Und zu guter Letztkann man sich der beiden Teile »»ód<« und »Stuttgart«auch getrennt bedienen. Alle, ob jugendliche Gruppenoder Erwachsene, ganz egal, woher sie kommen, könnendamit facettenreiche Städte kennen lernen, vielleichtnoch Unbekanntes oder Erstaunliches erfahren über ihreGeschichte(n) und Kultur, über die Bevölkerung, derenSorgen und Hoffnungen, sowie über verschüttete europä-ische Wurzeln.

Dr. h. c. Siegfried Schiele Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Der Beitritt Polens zur Europäischen Union steht unmittel-bar bevor. Gleichwohl ist dieses Land – unser unmittelba-rer Nachbar, dessen wechselvolle Geschichte eng mit derunseren verknüpft ist - vielen jungen Menschen weitge-hend unbekannt.Das Europa der Zukunft gründet aber in Wissen umgeschichtliche, strukturelle oder soziale Gegebenheitendes jeweils anderen Landes: nur so wird Gemeinsamessichtbar, Trennendes überwunden und Offenheit für fremdErscheinendes befördert. Besonders wichtig ist es, diese Aufgeschlossenheit beider jungen Generation zu wecken. Städtepartnerschaftenmit gegenseitigen Besuchsprogrammen für Jugendliche,Kontakte zwischen Schulen oder die Begegnungen vonVereinen helfen mit bei der Entwicklung des Fundamentszu einem größeren, von gegenseitigem Verständnisgeprägten Europa.Das vorliegende Heft soll dazu einen kleinen Beitragleisten.

Klaus HappoldMinisterialratMinisterium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

Ein besonderer Dank des Herausgebers und der Redak-tion für freundliche Unterstützung und Förderung desHeftprojekts auf polnischer Seite geht an die Stadt »ód<und hier vor allem an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,die bei der Städtepartnerschaft mit Stuttgart engagiertsind. Im Museum für Stadtgeschichte konnten wir auf denRat des Kustos Dr. Marek Budziarek rechnen, der auchbei der Suche nach historischen Fotos behilflich war.Wolfgang Bohusch spann von »ód< aus unermüdlich dieFäden zu polnischen Autorinnen und Autoren, zur Stadt-verwaltung, zu Museen und Archiven, fand kompetenteFotografinnen und Zeichner und übersetzte zusammenmit Monika Wilkowska alle polnischen Texte. JoannaPodolska von der Gazeta Wyborcza spürte dieGeschichte des Hugo Glass (Ebingen) auf, dem wir auch,unterstützt von Herrn Jaschke (Ebingen), die historischenFotos aus den Jahren 1937, 1942 und 1960 verdanken.

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E i n l e i t u n g

L ó d z 1 – S t u t t g a r t : P a r t n e r i n E u r o p a

Von Bernhard Müller

Wer von der europäischen Stadt spricht, denktvielleicht an Nürnberg oder Krakau, Brügge oder

Köln, Florenz oder Lyon: alte Römer- oder Bischofs-städte, wichtige Handelszentren mit selbstbewuss-tem Bürgertum und hervorragenden Bau- und Kunst-werken. Stuttgart und »ód< wird man in dieser Reihenicht nennen, obwohl es sich um alte Städte handelt,die auf eine lange Geschichte zurückblicken können.

»ód< erhielt schon 1423 Stadtrecht, blieb aber lange Zeitein unbedeutender Provinzort. Erst mit der Industrialisie-rung im 19. Jahrhundert wurde »ód< eines von fünf Wirt-schaftszentren im zaristischen Russland nebenSt. Petersburg, Moskau, Riga und Warschau. Im Zusam-menhang mit dem Aufschwung der Textilindustrie wan-derten immer mehr Polen, Juden und Deutsche nach»ód<, das heute mit knapp 800 000 Einwohnern diezweitgrößte Stadt in Polen ist.Auch Stuttgart verdankt seinen Aufstieg der industriellenVerstädterung im 19. und 20. Jahrhundert. Davor war eszwar Residenz der Grafen, später der Herzöge undKönige von Württemberg, die gesamtdeutsche Ausstrah-lung blieb aber gering. Erst durch die moderne Auto- undElektroindustrie gewann Stuttgart weltweite Bedeutung:DaimlerChrysler, Bosch und Porsche mögen als Stich-worte genügen.Dem unbefangenen Besucher von heute fällt zwar dieunterschiedliche Lage beider Städte auf; im Zentrumsieht er aber ähnliche Fußgängerzonen und Kaufhäuser,Straßencafés und Boutiquen wie in vielen anderen euro-päischen Städten. Moderne Geschäftshäuser, Reklameund Verkehrschaos verdecken die Unterschiede und his-torischen Spuren, die ganz andere Entwicklung und Tradi-tion beider Städte, die seit 1988 durch eine Partnerschaftverbunden sind (vgl. Kapitel II).Inzwischen gibt es vielfältige wirtschaftliche, kulturelleund gesellschaftliche Beziehungen zwischen »ód< undStuttgart. Auswärtigen Besuchergruppen sollen Anregun-gen für eine Erkundung vermittelt und Hintergrundinfor-mationen bereitgestellt werden, damit sie beide Städtenicht nur als Ansammlung von Menschen und Gebäuden,sondern als lebendige Orte mit eigener Vergangenheitkennen lernen. Polnische und deutsche Autoren versu-chen, beide Städte vorzustellen und vor allem jugend-lichen Besuchern (jenseits von »shopping« und »Szene«)ein Gespür für die jeweiligen Besonderheiten zu vermit-teln – gemäß dem europäischen Motto »Einheit und Viel-falt«.Am Beispiel von Stuttgart und »ód< können auch überre-gionale Zusammenhänge aufgezeigt werden. »ód<gehörte nach den polnischen Teilungen Ende des

18. Jahrhunderts zunächst zu Preußen, dann von 1815bis 1918 zum russisch beherrschten Kongresspolen.»ód< ist als »Stadt der drei Kulturen« groß worden, weildie Industrialisierung im Zusammenwirken des deut-schen, polnischen und jüdischen Bevölkerungsteilserfolgte. Während der deutschen Besatzung im ZweitenWeltkrieg, als »ód< Litzmannstadt hieß, wurde dort dasgrößte jüdische Ghetto eingerichtet.Stuttgart gehörte vor der Reichsgründung 1871 zum»Dritten Deutschland«, zu den liberalen Verfassungsstaa-ten im Süden Deutschlands neben Preußen und derHabsburger Monarchie. Seit der erfolgreichen Südwest-staatsgründung 1952 ist Stuttgart Landeshauptstadt vonBaden-Württemberg und Mittelpunkt einer starken Wirt-schaftsregion.Die beiden Partnerstädte werden zwar gesondert vorge-stellt, die einzelnen Kapitel folgen aber gemeinsamenFragestellungen und einem ähnlichen Aufbauprinzip. Woimmer möglich und sinnvoll, wird von Schauplätzen (Bau-werken, Denkmälern, Platzanlagen) ausgegangen, sodass vieles auf Rundgängen erwandert und erfahren wer-den kann. Ziel ist eine lebendige Einführung in beideStädte, welche die Lücke zwischen touristischen Pro-spekten und wissenschaftlicher Spezialliteratur schließensoll. Umfang und Anspruchsniveau sind so gewählt, dassdie Grundinformation für eigenständige Erkundungengeliefert und zeitaufwändige Recherchen erspart werden.Das Heft versteht sich als Ergänzung zu dem »Europa vonoben«, das Regierungen und Parlamente mit Verhandlun-gen und Verträgen voranbringen wollen. Bekanntlichbedarf das europäische Projekt auch heute noch unserertatkräftigen Mitwirkung. Die Unterstützung dieses Prozes-ses durch Städtepartnerschaften, Schulkontakte undBegegnungsfahrten ist notwendiger denn je, weil nichtalles der Politik oder Wirtschaft überlassen werden kann.Insofern fügt sich das Heft in die Bemühungen ein,Europa von unten zu bauen und durch gegenseitige Kon-takte zum besseren Verständnis beizutragen.

1 »ód< (gesprochen wuudsch) wird in deutschsprachigen Tex-ten »ód<, Lodz oder – seltener – Lodsch geschrieben. Im vor-liegenden Heft wird im Teil I (verfasst von Autoren aus »ód< )die auch in Schulatlanten, Straßenkarten, den Übersichtskar-ten der Deutschen Bahn benutzte polnische Schreibweise»ód< verwendet. In Originalfassungen, Literaturangaben unddergl. wird die dort verwendete Schreibweise üernommen. InTeil III (Stuttgart) verwenden die Verfasser zumeist dieSchreibweise »Lodz« (siehe auch »Glossar«).

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Piotrkowska 78: oryginalny pomnik przed domem narodzin genialnego pianisty A. Rubinsteina ein originelles Denkmal vor dem Geburtshaus des großen Pianisten A. Rubinstein

L ó d z

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die P iotrkowska6

1Von Monika Wilkowska und Wolfgang Bohusch

I . L ó d z

Manche behaupten, »ód< bestehenur aus einer Straße. Und wenn

schon? Welche Stadt hat so eineStraße von vier Kilometern Länge,eine Mischung aus Straßentheaterund Café, ein Lehrbuch für Stadt-und Architekturgeschichte, weitge-hend verkehrsberuhigt, Polensbekannteste Einkaufs- und Kneipen-meile, in der sich vor allem jungeLeute treffen? Die erste Orientierungim Schachbrettmuster von »ód< versuchenwir entlang dieser Straße. Und keine Angstvor den vier Kilometern Länge; wem’s zuviel wird, der kann mit der Rikscha weiter-fahren.

»ód< hat kein europäisches Stadtbild, dasheißt eine Altstadt mit Marktplatz, Kirche undRathaus im Zentrum, um die herum dieAnsiedlung dann ringförmig wuchs. Als bedeu-tende Großstadt ist »ód< ein Produkt des 19.Jahrhunderts, so alt wie viele Städte in Nord-amerika. Sein Stadtplan ist dem von Manhat-tan ähnlich und nicht dem von Krakau oderDanzig, Stuttgart oder München.

Der »wilde Westen« des Zarenreichs

Der Strich – die ulica Piotrkowska, so genanntweil sie Richtung Piotrków Trybunalski führt –beginnt am Plac Wolno,ci (Freiheitsplatz).Hier im Norden begann auch das Wachstumder Textilstadt in Russlands »wildem Westen«.In der Mitte des Platzes steht TadeuszKo,ciuszko, Teilnehmer am Unabhängigkeits-krieg der USA und Führer des gescheitertenpolnischen Aufstandes 1794 (siehe »Polen inEuropa«, H. 37/1998 der Reihe ). Da ergegen Russland gekämpft hatte, durfte ihmerst 1930 ein Denkmal errichtet werden, neunJahre später wurde es von den deutschenBesatzern abgerissen, erst 1960 konnte eserneuert werden. An der Südseite des Platzesfallen zwei klassizistische Gebäude auf: dasehemaliges Rathaus, heute Stadtarchiv, unddie ursprünglich evangelische Heilig-Geist-Kirche. Die beiden Gebäude symbolisieren dienational-konfessionelle Ordnung der neuen

Stadt unter der russischen Verwaltung(1815–1918, siehe auch Teil I.3), nämlichdie Anwerbung evangelischer, deutschsprechender Siedler und ihre Bevorzu-gung gegenüber den polnischen Ein-wohnern.An den Plac Wolno,ci schließt sich derältere Teil der Piotrkowska an, die Häu-

ser sind niedriger als im südlichen Teilder Straße. Hier fallen als Meisterwerke

der Architektur Wohnhäuser reicher Fabri-kanten auf (Hausnummern 11, 29, 37, 43).Dass die meisten Gebäude im Nordteil derPiotrkowska gleich breit sind, liegt daran,dass sie auf ehemaligen Webergrundstückenerrichtet wurden (vgl. I.3), die alle eine Front-seite von rund 20 Metern hatten (aber bis zu280 Meter tief waren).

Beim Scheibler-Wohnhaus (Hausnummer 11)zweigt links die ulica Rewolucji 1905 ab. Andieser Kreuzung stand bei der russischen

»Ein Strich ist von oben nach untendurch die ganze Stadt gezogen … ichhabe in keiner Stadt einen solchenStrich gesehen.«

(Alfred Döblin, Reise durch Polen, 1927)

1 . L ó d z u n d s e i n e S t r a ß e – d i e P i o t r k o w s k a

Scheibler Wohnhaus. Blick zum Ko,ciuszko-Denkmal

pl. Wolno,ci

Rewolucji 1905r.

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Revolution 1905 eine der wichtigsten Barrikaden derstreikenden Arbeiter. Ihr Aufstand wurde auf Befehl derrussischen Verwaltung vom russischen Militärblutig niedergeschlagen. Danach galt bis zumErsten Weltkrieg der Ausnahmezustand in derStadt, die wegen der Arbeiterunruhen denNamen »das rote »ód<« erhielt.

Multikulturalität und Kunst

Nach 640 Metern, an der Kreuzung mit derZielona/Narutowicza (alle Straßen links undrechts der Piotrkowska haben verschiedeneNamen), beginnt der architektonisch schönsteTeil der Straße auf 1260 Metern. Hier habendie reichen Bürger gebaut. Nummer 56war das manieristische WohnhausRobert Schweikerts, dessen bäuerli-che Vorfahren im 16. Jahrhundert ausSulz am Neckar und Mössingen beiTübingen einwanderten und derenNachfahren Textilfabrikanten wurden.Die zahlreichen deutschen Namen unterden Fabrikanten fallen auf. »Unter den Vor-kämpfern des ›gelobten Landes‹ dominiertendie Deutschen und die Juden. Unter ihnenwaren nur wenige Polen und Russen vertreten.Im »ód< des 19. Jahrhunderts lieferten diePolen meistens die Arbeitskraft und die Rus-sen waren vor allem Verwaltungsbeamte.« (M.Budziarek, S. 6; vgl. Sozialstruktur und Bevöl-kerung, Teil I.3)In der nächsten Querstraße links steht dasHotel Savoy, Titel und Schauplatz des erstenRomans von Joseph Roth (siehe I.8). In derPiotrkowska 72 fällt ein anderes Hotel auf, dasGrand, eine ehemalige Fabrik, die 1888 in ein

Luxushotelumgebautwurde. Ein Studentüber das »ód<der Nachkriegs-zeit: »»ód< warein Drecksnest.Das fanden alle.Tag und Nachtspieen dieSchlote derChemie- undTextilindustrieRuß hervor, undder allgegen-

wärtige Schmutz, zusammen mit Dieselgasen,bröckelnden Mauern und zerbrochenen Fen-stern, ist für mich immer der Inbegriff einerkommunistischen Industriestadt gewesen. Siewar so völlig ohne Charme …«. Heute ist die-ser ehemalige Student der Lodzer Filmhoch-schule, Roman Polaøski, Ehrenbürger derStadt. An ihn und andere Absolventen derLodzer Filmhochschule, die große Regisseurewurden, erinnern die Sterne im Straßenpflas-ter vor dem Hotel Grand, so auch an AndrzejWajda, seit 2002 Ehrendoktor der Universität

»ód< (siehe I.9). Auf der gegenüberlie-genden Straßenseite haben die Schau-spieler ihre Sterne. Dort im Hof stand

das erste Theater in »ód<, heutedas Kino Polonia. Das Thea-ter war eine der wenigenStätten, an denen sich dieverschiedenen Kulturenwirklich begegneten. Sym-bolisch zeigte der Theater-vorhang auf der einen Seite Goethe, auf deranderen Moniuszko, den Schöpfer der polni-schen Nationaloper. Von der Hauswand desGebäudes mit der Nummer 71 blickenberühmte Lodzer, unter anderem dieSchriftsteller Tuwim und Reymont (siehe I.8),

die Fabrikanten Scheibler, Geyer, Groh-mann und Poznaøski (siehe I.4), derSchöpfer der Kunstsprache Esperanto,Zamenhof, die Regisseure Kieslowskiund Polaøski, der Musiker Rubinstein.

Auch auf der Straße vor seinemGeburtshaus (Hausnummer 78) sitzt der

große Pianist und spielt Chopin, wennTouristen zwei Z«oty in den Flügel werfen.

Bei der Nummer 80 lässt ein Abstecher inden Hinterhof das typische Lodzer Ensem-ble von Wohnhaus der Fabrikantenfamilie(vorne an der Straße), Arbeiterwohnungen(Hinterhöfe) und Fabrik erkennen. DieseFabrik ist heute eine der erfolgreichsten Dis-kotheken der Stadt; wegen der Architekturlohnt sich ein kurzer Besuch auch für die, die

7 die P iotrkowska

Artur Rubinstein

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die P iotrkowska8

Diskos nicht mögen. Allgemein ist die Belebung derHinterhöfe ein interessantes Phänomen in der Piotr-kowska. Hier entstehen bemerkenswerteCafés, Buchhandlungen und Galerien. Dazugehören der Pub Kaliska (Nummer 102 im

Hof), mehr Bühnen-bild als Bar, ent-standen als Treff-punkt einerKünstlergruppe,dessen Einrichtungin der Zeit der Dik-tatur den verordne-ten Geschmackschockierte, unddas Café Verte(Nummer 115/119im Hof) mit seinembesonderen Flair.

Kehren wir auf die Straße und zu den Gebäu-den zurück. An der Fassade mit der Hausnum-mer 86 steht die einzige Statue des Erfindersdes Buchdrucks, Johannes Gutenbergs, inPolen. Hier erschien die »Lodzer Zei-

tung«, diesichselbstals»Fort-schritt-lichesOrgan derDeutschenWestruss-lands«bezeich-nete. SieerschienaufDeutsch,

der amtliche Teil musste aber russischsein, vorübergehend hatte sie außerdemeine polnische Beilage. Daneben gab es in»ód< eine jüdische Zeitung. Amts- und Unter-richtssprache war allein Russisch.Julius Heinzel war mit seinem Vater, einemWebermeister, aus Schlesien nach »ód<gekommen und brachte es in kurzer Zeit zueinem riesigenVermögen. InThüringen kaufteer sich damit einRittergut mitsamt Adelstitel, in derPiotrkowska(Nummer 104)ließ er sich eineResidenz mitzwei links undrechts anschlie-ßenden Hofhäu-sern bauen. DieSkulpturgruppenunter demGesims stellen allegorisch Handel und Indus-trie dar. Heute beherbergt Heinzels Palast die

Stadtverwaltungund die Verwaltungder Woiwodschaft

»ód<. Vor demGebäudesitzt derDichterund Mär-chener-zählerJulianTuwim.SeinSchrift-steller-kollege,derNobelpreisträger W«adys«aw Reymont (sieheAbb.), sitzt und schreibt etwas weiter auf der

anderen Straßenseite. Im Haus dane-ben (Nummer 137), dem ehemaligen

Palast des reichen Baumwollfabri-kanten Kindermann, ist der Leh-rerklub untergebracht. Entworfenhat es Anfang des vorigen Jahr-hunderts derWiener KarlSeidl, deritalienische

Architektur-elemente nach

»ód< importierte. DasTreppenhaus ist einenBlick wert, ebenso dieRäume im ersten Stockmit ihren Möbeln undKaminen. Dass nebenStuttgart auch LyonPartnerstadt von»ód< ist, sieht mangegenüber. In Nach-ahmung der »murs

peints« sind hier Bauten vom Anfang derPiotrkowska an die Wand gemalt, fasterdrückt von einem riesigen Boot. Boot heißtauf Polnisch »ód<.

»murs peints«

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Textilfabriken

Danach unterqueren wir eine monströse Schnell-straße, welche die Piotrkowska und die Stadtdurchschneidet. Man sieht ihr an, dass sie einmalStalinallee hieß. Auf den letzten beiden Kilome-tern der Piotrkowska werden die prächtigenWohnhäuser seltener, dafür gibt es Fabriken zubestaunen, zunächst die Markus-Silberstein-Fabrik (Hausnummer 242/250). Auf drei Weber-grundstücken entstand ein 60 Meter langesGebäude (im Vergleich zu Scheiblers undPoznaøskis Bauten ist das ein bescheidenes Aus-maß) mit 30 Meter hohen dekorativ geschmück-ten Ecktürmen, die als Liftschächte dienten. Auchhier lohnt sich ein Blick ins Innere auf Gusseisen-pfeiler und andere Konstruktionselemente.Eine Villa verdient in diesem Abschnitt der Piotr-kowska besondere Beachtung: Nummer 262,eine Residenz der Familie Schweikert aus demJahr 1913, heute Sitz des Europa-Instituts. Sie

steht frei, wirkt eher wie ein prächtigesLandhaus. Der Park dahinter verstärktdiesen Eindruck.Auf der anderen Straßenseite steht der neugoti-sche Dom vom Anfang des vergangenen Jahr-hunderts, der 100 Meter hohe Glockenturm istdas höchste Bauwerk in »ód<. Unter der russi-schen Verwaltung war der Dom eine von nur zwei

katholischen Kirchen der Stadt.Das Zarenreich sah in derkatholischen Kirche eineStütze des polnischen Stre-bens nach Unabhängigkeit.Ein Stück weiter (Hausnum-mer 283) sehen wir die neu-romanische evangelischeMatthäuskirche, die von1909 bis 1928 erbaut wurdeund Zentrum der LutheranerPolens war. Wegen ihrer aus-gezeichneten Akustik findenin der Matthäuskirche auchKonzerte statt. Gegenüber, fast am Ende der Piotr-kowska, ist die »Weiße Fabrik« unüber-sehbar, ein Muster polnischer Industriear-chitektur aus dem 19. Jahrhundert. Ab1835 ließ Ludwig Geyer an einem kleinenTeich ein vierstöckiges Fabrikgebäude inForm eines riesigen C anlegen, symme-trisch gegliedert und weiß verputzt, daherder Name. Im Innenhof stand ein Pavillonfür das »Herz des Werks«, die Dampfma-schine. Das Baudenkmal ist heute alsTextilmu-seum zubesichtigen.Im Erdge-schoss wirddurch rie-sige mecha-nische Web-stühle dieFabrikwelt

ange-

deutet. In den darüber liegendenStockwerken werden klassische und

avantgardistische Produkte der Textilkunstausgestellt, zum Teil preisgekrönte Arbei-

ten.Der Gang entlang der Piotrkowska

deutet vieles an. Aber »ód< istmehr als seine Straße.

Literaturhinweis:

Budziarek, Marek: »ód<, nasze miasto/UnsereStadt Lodz, »ód< 2000

die P iotrkowska9

Die »Weiße Fabrik«: Sitz des Textilmuseums

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Hugo Glass10

L ó d z2 . D i e G e s c h i c h t e d e s H u g o G l a s s

Von Joanna Podolska

Eine Lodzer Journalistin sucht in der Geschichteihrer Stadt nach dem, was sie selbst nicht mehr

erlebt hat und was lange offiziell nicht existierte. EineSpur führt sie nach Baden-Württemberg.

Hugo Glass traf ich in Ebingen, imHaus der Jaschkes, eines deut-schen Ehepaares aus »ód<. Gebo-ren wurde er in Miko«ajew, getauftin Brzeziny, über ein halbes Jahr-hundert lebt er in Deutschland, bisheute fühlt er sich als Lodzer. Nie-mals dachte er daran, dass er keinPole ist. Er spricht korrekt Pol-nisch, ohne jeden fremden Akzent.»Ich habe eine Tochter in »ód< undunterhalte mich oft auf Polnisch«,erklärte er sofort.Trotz seiner 89 Jahre ist er fit. Er istgroß, würdevoll und charmant. Er

muss einmal sehr gut ausgesehen haben. »Neun Jahrewar ich Soldat«, erklärt er. Die Uniform passt tatsächlichzu ihm. »Was für eine Uniform?«, geht mir durch denKopf. Nach einer Weile ist es klar.Seit 1937 diente Glass beim Grenzschutz an der pol-nisch-russischen Grenze. Er war polnischer Soldat. Am

17. September 1939, als dieRussen als Folge des Hitler-Stalin-Paktes die polnischeGrenze überschritten, kam erin sowjetische Gefangen-schaft. Die Russen einigtensich mit den Deutschen überdie Kriegsgefangenen. »Siebehielten diejenigen, die öst-lich des Bugs wohnten undübergaben den Deutschen dievon westlich des Bugs«,erinnert sich Glass. Er kamnach Ostaszków.Ostaszków, Katyø und Staro-bielsk sind für Polen schmerz-hafte Namen. Sie erinnern andie Ermordung Tausender pol-nischer Offiziere durch sowjeti-sche Henker. »Ich war keinOffizier, aber ich bin beinaheals Offizier erschossen wor-den«, erzählt Glass. Aussowjetischer Gefangenschaftin Ostaszków kam er in deut-sche Gefangenschaft nach

Brandenburg. Dort wurden die Gefangenen wiedergetrennt. Diesmal in Polen und Deutsche. »Ich wurde alsDeutscher eingestuft und durfte nach Hause.«Er kam zurück nach »ód< und arbeitete bei der Bahn.1941 kam seine Tochter Anna Krystyna zur Welt.

Noch vor dem Krieg hatte er 1937 die Polin HelenaMa«achowska geheiratet. Solche »Mischehen« waren in»ód< zwischen den Kriegen üblich. Glass war polnischerStaatsbürger deutscher Nationalität, so wie über 60 000weitere Lodzer. Seine Familie stammte aus Thüringen undkam im 19. Jahrhundert nach »ód<, um die Textilindustriemit aufzubauen. Das »gelobte Land« brachte auch ihnenGlück. »Der Großvater Glass war sehr reich, er hattesechs Mietshäuser in »ód<. Wir hatten ein Mietshaus inder Krasickiego, es steht bis heute«, erzählt Hugo. SeinVater, Otto Glass, war Bäcker. Die Bäckerei befand sich inder Nähe der Rzgowska.An die Zeit zwischen den Kriegen erinnert sich HugoGlass mit großer Nostalgie. »Wir haben alle miteinandergelebt – Polen, Deutsche, Juden. Es gab Konflikte, aberkeine großen.«Seine Erinnerungen wandeln sich zu einer Erzählung über»ód<, die meine Generation überhaupt nicht kennt.»Auf dem Markt in Górna konnte man alles kaufen. Dortverkauften Juden, mit denen man handeln konnte. DieAnprobe war ausgezeichnet«, lächelt er. ›Dieser Anzug ist zu groß? Wie, zu groß. Er passt wieangegossen.‹ »Was 90 Z«oty kostete, konnte man für 40kaufen. Es war klar, dass ein Jude seinen ersten Kundennicht gehen lässt. Man musste etwas kaufen, sonstwürde der Tag schlecht. Ich wusste das sehr gut undmanchmal konnte ich ziemlich viel herunterhandeln.«Als Glass 1940 nach »ód< zurückkam, war die Stadt ganzanders, als er sie aus seiner Jugend kannte. Sie hießsogar anders, Litzmannstadt. Die Juden wurden zuerstgezwungen, ihre Häuser im Zentrum zu verlassen, dannmussten sie in ein anderes Viertel ziehen. In Ba«uty wurdeein Ghetto eingerichtet, in dem die ganze jüdische Bevöl-kerung konzentriert wurde. Glass fuhr oft mit der Straßen-bahn die Zgierska entlang, die zweite Bäckerei seinesVaters war in Radogoszcz, die Straßenbahn fuhr durchdas Ghetto. »Wie war es, diese eingeschlossenen Men-schen zu sehen?«, wiederholt er meine Frage. »Schreck-lich. In Ba«uty gab es immer viele Juden, auch vor demKrieg. Dort lebten die ärmsten Lodzer. Während des Krie-ges wurden sie zusammengepfercht. Es war schmerzvoll,das zu sehen. Ich wusste aber nicht, was wirklich mitihnen geschieht«, versichert er.

Hugo Glass in Ebingen,2001

HugoGlass beider Bahn-meistereiLitzmann-stadt/Lodz,1942

Hugo Glass als polnischerRekrut in »owicz, 1937

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Glass hoffte, dass der Krieg für ihn schon zu Ende sei. Erhatte den Septemberfeldzug hinter sich, ein paar MonateGefangenschaft, arbeitete bei der Bahn, was als kriegs-wichtig eingestuft war. 1943 wurde er zur Wehrmacht ein-gezogen. Als Deutscher konnte er sich nicht weigern. Alssolcher war er ja aus der Gefangenschaft nach »ód<gekommen. Jetzt hatte er kein Argument, der Front zuentkommen.»Aber konnte man »ód< nicht verlassen?«, frage ich naiv.»Ich hatte Familie, Tochter, eine polnische Frau …«Als deutscher Soldat war er in Russland, dann kam er andie Westfront nach Frankreich. Die Daten vermischensich. Er weiß nicht mehr, an welcher Front er war, wo erkämpfte. 1944 kam er wieder in Gefangenschaft, diesmalin amerikanische. Zwei Wochen später kamen Soldatender polnischen Armee in das Gefangenenlager. Sie frag-ten, wer vor dem 1.9.1939 polnischer Staatsbürger gewe-sen war. Und ob diejenigen nicht polnische Soldaten wer-den wollten. »Sie kannten die Situation, wussten, dassdie Menschen manchmal keinen anderen Ausweg hatten.Am nächsten Tag wurde ich Soldat in der Armee vonAnders«, sagt Glass. Bis Kriegsende blieb er in der polni-schen Armee. Ich überlege, wer er war, als die Uniformen wechselten,von der polnischen zur deutschen, von der deutschen zurpolnischen. Auf der anderen Seite der Front stand jaimmer einer der Seinen. Entweder ein deutscher Soldat –sein Landsmann, oder ein polnischer – ein Klassenkame-rad aus »ód<, mit dem er Fußball gespielt hatte. War esihm egal, auf welcher Seite er kämpfte? Sie musstendamit irgendwie zurechtkommen.»Wir waren eigentlich nirgends ganz zu Hause, und nir-gends vertraute man uns wirklich. In Polen waren wirSchwaben, in Deutschland Polacken. Wir hatten sogarden typisch Lodzer Akzent. Bis heute spreche ich nichtSchwäbisch, obwohl ich seit 50 Jahren hier wohne. DieEinheimischen hören, dass wir nicht von hier sind. AberLodzer sind wir auch nicht mehr.«Als der Krieg zu Ende war, konnte Glass nach »ód<zurück, aber er hörte, dass die Deutschen – unabhängigdavon, ob sie etwas Schlechtes getan hatten – in Lageroder Gefängnisse kamen oder in die Sowjetuniongeschickt wurden. Die nach 1945 fliehen konnten, erzähl-ten von Exekutionen und Verfolgungen. Er hatte Angstzurückzukommen. Er wollte nicht wieder ins Lager. SeineFrau wollte nicht weg aus Polen. So entschied dieGeschichte über ihr Schicksal. Erst 15 Jahre nach demKrieg sah er seine Tochter wieder.»Ich war sehr klein, als er weg musste. Ich kann michnicht an ihn erinnern«, erzählt Anna Pawlik. Die Tochtervon Hugo Glass wohnt in Ba«uty, in einem Block nahe derInflancka. Ich besuchte sie nach meiner Rückkehr ausDeutschland. Ihr Mann, Maciej Pawlik, ist Professor amLodzer Polytechnikum. »Um eine Reiseerlaubnis zu mei-nem Vater habe ich mich viele Monate bemüht«, erinnertsich Anna Pawlik. Drei- oder viermal wurde ihr Antrag abgelehnt. Begrün-dung? »Wichtige Staatsinteressen«. »Von Januar bis Sep-tember 1959 war ich bei vielen Ämtern. Ich bat umGenehmigung. Ich erklärte, dass ich nur meinen Vaterkennen lernen will. Schließlich gab ich auf. Ich fing an, imHelena-Wolf-Krankenhaus in »agiewnicka zu arbeiten,und zwei Wochen später durfte ich fahren. Zum Glück

hatte ich eine sehr sympathische Chefin, die mir unbe-zahlten Urlaub gab.« Anna Pawlik zeigt mir ein Foto. Es ist genau beschriftet:23. September 1960, 9.20, Bahnhof in Stuttgart. Mansieht einen Zug, im Hintergrund Leute mit Gepäck, eineFrau mit einem Kind auf dem Arm. Im Vordergrund einMann von hinten, der eine Frau umarmt. Ihre Gesichtersieht man nicht. In der Haltung des Kopfes und in derUmarmung liegen viel Wärme und traurige Freude.»Meine Großmutter, die Mutter meiner Mutter, mochte mei-nen Vater sehr. Sie brachte mich dazu, ihm zu schreiben.Für mich war das eine Qual, aber ich schrieb und meinVater antwortete mir. Wir waren die ganze Zeit in Kontakt.«Ihre Eltern ließen sich scheiden. Hugo wurde in Deutsch-land geschieden, weil seine Frau nicht vor Gerichterschien. Helena Glass wurde in Polen geschieden, weilihr Mann nicht vor Gericht erschien. Sie lebten zusammenmit anderen Partnern weiter. Er heiratete 1951, sie einJahr später.Als Anna ihren Vater besuchte, lernte sie ihre neuenGeschwister kennen. Inga war zehn, Dieter acht. »Siehaben mich sehr gut aufgenommen. Dieter war zwar aufden Vater eifersüchtig, aber er hat sich tapfer abgefun-den. Jetzt ist er 49, und wir haben einen sehr guten Kon-takt. Inga starb 1977.«Anna lernte nie Deutsch. Bis heute kennt sie nur ein paarWörter. »Es war halt so«, erklärt sie.Anna Pawlik nimmt ein Album mit alten Fotos, in dem esviele leere Blätter gibt. Einen Teil der Fotos gab sie ihremVater. Auf einem Foto sehe ich ein paar junge Männer inpolnischen Uniformen, auf dem anderen posiert ein schö-nes Paar. Ein anderes ist eine Erinnerung an eine GruppeFreunde, die in »ód< wohnten. Sie gingen zusammen zurSchule, tanzen, in den Park.Der Krieg hat sie getrennt. Manche fielen, andere gingenaus »ód< nach Deutschland oder in die USA. Hugo Glasskam nach Baden-Württemberg.Glass kommt gern in die Stadt seiner Familie. Sowohl inseiner Erinnerung als auch in Wirklichkeit. »Mein Vater ver-misst »ód< sehr. Er geht gern auf den Wegen seiner Kind-heit spazieren. Er sieht gern Häuser, an die er sich erinnert.Einmal ist er in eins gegangen, traf zwei Damen, die ihnaus der Zeit vor dem Krieg kannten. Sie haben sich an diealten Zeiten erinnert, in denen alle zusammen gut gelebthaben.« Und ich überlege mir, wen das eigentlich störte.

Übersetzung: Monika Wilkowska, Wolfgang Bohusch

Hugo Glass11

Hugo Glass und seine Tochter Anna Pawlik, Stuttgart Hbf, 1960

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Industr ia l is ierung12

Von Krzysztof Wo<niak

3L ó d z

Im Textilsektor sind in »ód< heute nur noch mehrereHundert Menschen beschäftigt. Es gibt einige klei-

nere Familienbetriebe und als einziges größeresUnternehmen die Uniontex.SA in der ehemaligenFabrik von Scheibler. Das war vor 1990 ganz anders,damals prägten riesige Textilkombinate die Stadt.

Schon seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts war»ód< ein großes Textilzentrum, in dem damals 24 Prozentder Produktion des Königreichs Polen erzeugt wurden.Ende des 19. Jahrhunderts stellten 20 Aktiengesellschaf-ten in »ód< 70 Prozent der Textilproduktion Polens her.Von den 20 größten Baumwollunternehmen mit über 1000Arbeitern hatten 17 ihren Sitz in »ód<.Zahlreiche Fabrikanlagen zeugen noch heute von dieserVergangenheit, darunter Industriedenkmäler von Rangwie die Fabrik Poznaøskis oder die »Weiße Fabrik«Geyers, in der heute das Textilmuseum untergebracht ist(siehe oben I.1). Der eindrucksvolle FabrikkomplexScheiblers wurde in den 70er Jahren des 19. Jahrhun-derts errichtet und bestand aus einer riesigen Weberei,einer Arbeitersiedlung mit eigener Schule und Kranken-station, einem eigenen Kraftwerk, Sportplätzen undprächtigen Fabrikantenvillen. Auf dem rund 500 Hektargroßen Gelände im Süden von »ód< stand einer dergrößten Baumwolle verarbeitenden Betriebe.

Wie ist diese Entwicklung zu erklären? Warum erlebtegerade »ód<, das 1820 noch ein unbedeutendes Stadt-dorf mit 767 Einwohnern war, einen solchen Auf-schwung? Welche Rolle spielten dabei die zahlreichenFabrikanten mit deutschem Namen, neben den schonerwähnten Geyer und Scheibler unter anderem Bieder-mann, Eisert, Heinzel, Grohmann, Kindermann undSchweikert.Eine erste Antwort findet man in der Parkanlage bei derWeißen Fabrik am Ende der Piotrkowska: Die Wasser-läufe weisen auf den früheren Wasserreichtum hin, der

die Ansiedlung von Tuchmachern begünstigte. Mit derWasserkraft des Flusses Jasieø wurden die ersten Spinn-maschinen angetrieben. Aber die Gunst der Natur, ausrei-chend Holz und Lehm als Baustoffe kommen hinzu, reichtals Erklärung nicht aus. Grundlage für die spätere Textil-metropole war vielmehr die merkantilistische Politik derdamaligen polnischen Regierung unter SchatzministerFürst Xawery Drucki–Lubecki, die gezielt auswärtigeFachkräfte anwarb und ihnen weitreichende Privilegien,unter anderem Religions- und Zollfreiheit sowie finanzielleUnterstützung zusicherte. 1820 wurde »ód< zur »Fabrik-siedlung« ernannt. Diese entstand als »Neustadt« entlangder nach Piotrkowsk führenden Straße, was heute nochan der Grundstückseinteilung für die Weberkolonien zuerkennen ist. Das älteste, 1823 von Traugott Grohmanerrichtete Weberhaus, wurde inzwischen restauriert undist Sitz der »Deutsch-Sozial-Kulturellen-Gesellschaft« inder Targowa-Straße 81.Die Weber und ihre Familien kamen vorwiegend ausSachsen, Böhmen, Schlesien und den polnischen Gebie-ten unter preußischer Herrschaft. Abnehmer der Woll-und Webwaren war das zaristische Russland, das dieAnfänge der Lodzer Textilproduktion durch Schutzzöllebegünstigt hatte.

3 . L ó d z w i r d Z e n t r u m d e r Te x t i l i n d u s t r i e

Fabrikanlage der Aktiengesellschaft Scheibler und Grohmann.Plakat im Museum für Stadtgeschichte, Poznaøski-Palast

Eisenbahnnetz in Polen im 19. Jahrhundert

Granica Polski Kongresowe/Grenze des Kgr. PolenLinie kolejowe/EisenbahnenRzeki/Flüsse

»ód</Lodz

Cz™stochowa

Poznaø/Posen Warszawa

Lublin

Kraków/Krakau

Suwa«ki

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Mit der Umstellung auf Baumwollgewebe und der zuneh-menden Mechanisierung begann die »Take-off-Phase«der Lodzer Textilindustrie. Die erste Baumwollfabrik wurdevon Louis Geyer errichtet, der 1839 auch die erste Dampf-maschine einsetzte. Bis zur Jahrhundertmitte betrieb ermit englischen Maschinen die größte und modernsteSpinnerei in Polen.1842 hatte »ód< mit 17 000 Einwoh-nern alle benachbarten Textilstädte überholt. Der Eisen-bahnanschluss 1866 an die Linie Warschau–Wienmachte »ód< zum Zentrum einer bedeutenden Industrie-region.Die Jahre 1870–1914 kann man als Phase der Groß-industrialisierung bezeichnen. Außer der Eisenbahnver-bindung haben folgende Faktoren die Entwicklungbeschleunigt: ein aufnahmefähiger Markt in Russland,insbesondere nach Aufhebung der Zollgrenzen 1851, dieÜbernahme westeuropäischer Technologie und derZustrom billiger Arbeitskräfte. Hinzu kommen ein leis-tungsfähiges Bankensystem (1872: Handelsbank, Kredit-gesellschaft, 1879: Kaufmännische Bank) und seit 1877Zollschranken, die vor ausländischer Konkurrenz schüt-zen sollten. So entwickelte sich »ód< zum Zentrum derpolnischen Textilindustrie.Die Lodzer Großindustriellen gehörten zu den reichstenBürgern des damaligen Königreichs Polen. Zwischen1911 und 1913 gab es in »ód< 20 Multimillionäre. Damit ist die Frage nach der Rolle dieser »Baumwollkö-nige« und der Herkunft des Kapitals angesprochen. Vonden günstigen staatlichen Rahmenbedingungen ein-schließlich Krediten war schon die Rede. Hinzu kommendie unbestreitbare Tüchtigkeit dieser Industriepionieresowie die hohen Gewinne, die mit den niedrigen Löhnenund schlechten Arbeitsbedingungen zusammenhän-gen. Früher sprachen die Historiker in diesem Kontextvon »Ausbeutung«, heute ist man geneigt, das sozialeEngagement und die betrieblichen Wohlfahrtseinrichtun-gen hervorzuheben. Allerdings blieb der polnische Bevöl-kerungsteil im schulischen und kirchlichen Bereichbenachteiligt. Viele Polen hatten nur eine bescheidene

Schulbildung oder waren Analphabeten, für über 300 000Katholiken gab es lediglich zwei Kirchen.Während des Ersten Weltkriegs legte die deutsche Mili-tärverwaltung die gesamte Industrie in »ód< lahm. Deut-sche Besatzungsbehörden beschlagnahmten Rohstoffe,Textilien und Maschinen. Das Kapital und die Wertpa-piere, die in russischen Banken aufbewahrt wurden, gin-gen für die Lodzer Industrie verloren, insgesamt 200 Milli-onen Goldrubel. Vom Stillstand der Industrie warenungefähr 250 000 Arbeiter betroffen. Diese dramatischeSituation und der allgemeine Hunger führten zur massen-haften Rückwanderung in die ländlichen Gebiete. In denJahren 1914–1918 sank die Bevölkerungszahl von »ód<von 600 000 auf 342 000.Im Mai 1916 kam es während der deutschen Besatzungzu einer Massendemonstration polnischer Einwohner derStadt zur Erinnerung an den Jahrestag der ersten polni-schen Verfassung von 1791, ein Zeichen zunehmendenpolnischen Selbst- und Nationalbewusstseins.Nach der Gründung der Polnischen Republik (1918)wurde »ód< Hauptstadt der Lodzer Woiwodschaft. In derZwischenkriegsperiode (1918–1939) blieb »ód< dasgrößte Industriezentrum in Polen und gleichzeitig Mittel-punkt der Textilindustrie, wo über 50 Prozent derGesamtproduktion in Polen hergestellt wurden. DieWiederaufnahme der Produktion erfolgte in vielen Indus-triewerken erst im Jahre 1922. Nach der Zeit einer gutenKonjunktur von 1926 bis 1928 brach die Produktion inden Jahren der großen Krise ein (1929–1933). Viele Fir-men mussten ihren Bankrott erklären, finanzielle Schwie-rigkeiten trafen sogar sehr große Betriebe wie die Scheib-ler und Grohmann AG sowie die I. K. Poznaøski AG. ErstMitte der 30er Jahre besserte sich die Konjunktur. Aberselbst dann konnte die Lodzer Textilindustrie ihre Produk-tionskapazität nicht mehr voll ausnutzen. Für den Exportfehlten die traditionellen Märkte im Osten, die jetzt in derUdSSR lagen. Vor 1914 betrug der Export nach Russland75 bis 95 Prozent der gesamten Produktion.

Industr ia l is ierung13

»ód< um 1900

Arbeiterschaft

DienstbotenKleinhändler

Handlanger

Unterschicht

BürgertumKaufleute

HandwerkerAkademikerAngestellte

OberschichtFabrikanten, Bankiers

Polen(seit der Bauern-befreiung von1864)Juden

DeutscheZuwanderer seit 1820 (wenige Polenund Juden)

DeutscheJuden

→→

Russen

ca. 2 %

VerwaltungMilitär

Soldaten

75 %

20 %

3 %

»ód< um 1900: Sozialstruktur

B. Müller

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Industr ia l is ierung14

Trotz der Schwierigkeiten in der Industrie wurde »ód<wieder Anziehungspunkt für viele Menschen aus derUmgebung, hauptsächlich für Bauern, die Arbeit in derStadt suchten. In den Jahren 1918–1939 verdoppelte sichdie Einwohnerzahl von 342 000 auf 672 000. Der Zustromder polnischen Bevölkerung und der Prozess der Poloni-sierung unter den Einwohnern deutscher und jüdischerHerkunft haben die Nationalitätenstruktur verändert.

* Die Unterscheidung nach Nationalitäten kann nurNäherungswerte liefern, weil es keine zuverlässigenStatistiken gibt und ersatzweise die Religionszugehö-rigkeit herangezogen wird. Die meisten Einwohnerbesaßen bis 1918 die russische Staatsangehörigkeit,waren aber mit dem Zarenreich wenig verbunden. DieLodzer des 19. Jahrhunderts identifizierten sich mitihrer Stadt. Eine Schülerin des deutschen Gymnasi-ums antwortete auf die Frage nach ihrer Nationalität:»Ich bin Lodzerin«.

Karl-Heinz Goeppert, der aus einer Bankiers- und Indus-triellenfamilie in »ód< stammt, schreibt zu dem »Lodzer-mensch«:

➜ Zur weiteren Entwicklung der Textilindustrie,besonders in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg,vgl. I.4 und I.6

Literaturhinweise:

Hensel, Jürgen (Hrsg.): Polen, Deutsche und Juden in »ód<1820–1939. Deutsches Historisches Institut Warschau, 1999

Davies, Norbert: Im Herzen Europas. Geschichte Polens. München2000

Urban, Thomas: Lodz/»ód<. In: Von Krakau bis Danzig: Eine Reisedurch die polnische Geschichte. München 2000. S. 167–193

Radziszewska, Krystyna (Hrsg.): Sag mir, wo die Deutschen sind?Erinnerungen der Lodzer Deutschen/Gdzie sa Niemcy z tamtychlat? Wspomnienia lódzkich Niemców. »ód< 1999 [deutsch undpolnisch]

Textilindustrie in den Dreißigerjahren. »Lódz erwachte. Der erste schrille Pfiff einer Fabrik zerriss die Stille des frü-hen Morgens.« – Mit diesen Worten beginnt der Roman »Lódz. Das gelobte Land« des polnischen Literaturnobel-preisträgers W. St. Reymont.

Bevölkerung von »ód<*

1857 1897 1931

Polen 43 % 46,4 % 59 %Deutsche 41 % 21,5 % 9 %Juden 15 % 29,4 % 32 %Russen 1 % 2,4 % –

Einwohner 25 200 321 000 651 000

Über Jahrzehnte hinweg arbeiteten, litten und halfensich Lodzer untereinander. So die Handwerker, Arbei-ter und einfachen Menschen, gleichgültig, welcherNationalität oder welcher Kirche sie angehörten. Soentstand der »Lodzermensch«, der beneidet wurde,weil er fleißig war und zupacken konnte. Die Vielvöl-kerstadt Lodz erzog uns alle zum demokratischenDenken. Die multinationale Gesellschaft konnte nurüberleben, weil die abstrakte Denkungsart, hier Pole,hier Deutscher oder Jude oder Russe fehlte. Allewaren auf einander angewiesen … Ab Herbst 1939verschwand der »Lodzermensch«.

Zit. in: Radziszewska, Sag mir wo die Deutschen sind,S. 159. Die »Lodzermenschen« sind ein zentrales Thema inReymonts bereits erwähntem Roman »Lodz. Das gelobteLand« (vgl. I.8).

Saupe
Saupe
keine Bildrecht vorhanden
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Von Wolfgang Bohusch

Poznansk i15

L ó d z

Auf dem jüdischen Friedhof fällt ein Grab beson-ders auf, der größte jüdische Grabstein der Welt,

das Mausoleum für Izrael und Eleonora Poznaøski.Ähnlich dominant ist nicht einmal Scheiblers Grab aufdem evangelischen Friedhof.

Die Idee zu diesemDenkmal für sichselbst kam Izrael Poz-naøski angeblich, alser die Gräber deut-scher Ritter sah; erwollte auch so eines,nur größer. So ließ erein kreisförmigesMausoleum miteinem Durchmesservon 19 Metern ent-werfen; Pfeiler unddorische Säulen tra-gen die Kuppel. Analogien zur GruftTheoderichs inRavenna sind deut-lich. Das Mausoleumwurde aus grauemGranit, Marmor, Stahlund Glas erbaut, dieMosaiken im Innerender Kuppel – zweiMillionen Glasstücke –stammen von einervenezianischen Firma.In zwei roten Marmor-sarkophagen ruhenIzrael Poznaøski undseine Frau, inbescheideneren Grä-bern rund um das

Mausoleum ihre Kinder und Enkel.Erst 1825 zogen die Poznaøskis in die Nähe von »ód<,1834 – Izrael Poznaøski war ein Jahr alt – in die Stadtselbst. Den Familiennamen hatte sein Vater erhalten, weiler in der Nähe von Poznaø/Posen gewohnt hatte. In »ód<wohnte die Familie im jüdischen Viertel der Altstadt. Izraelbesuchte die Kreisschule, dann das Gymnasium undbeendete seine Ausbildung mit einem Praktikum alsWeber. Mit 18 Jahren heiratete er Leonia Hertz, die Toch-ter des Verwaltungsleiters des jüdischen Krankenhausesin Warschau, eine finanziell vorteilhafte Verbindung.Izrael Poznaøski verdiente sein Geld zunächst mit Garn-handel, sein Interesse galt aber der eigenen Stoffpro-duktion. Dafür erwarb er Immobilien im Tal des Flüss-chens Lodka westlich der Altstadt und ließ dort in der70er Jahren des 19. Jahrhunderts von dem ArchitektenHilary Majewski auf 30 Hektar die Anlage aus Fabrik,Arbeitersiedlung und Palast planen und errichten, damals

eine Stadt in der Stadt, zu der ein herrliches Tor mitschmiedeeisernen Flügeln führt. Der Komplex ist Kulissein der Verfilmung des Romans »Lodz. Das gelobte Land«durch Andrzej Wajda (siehe I.8 und 9).

Größtes Gebäude ist die ehemalige Spinnerei mit 170Metern Länge und fünf Stockwerken, eine auffallendschöne Fabrik. Elemente der Neorenaissance, Arkadenund Türme beleben die Fassade. In diesem Bau arbeite-ten 6000 Arbeiterinnen an 36 000 Spindeln. Die übrigenGebäude nördlich der Ogrodowa beherbergten Verwal-tung (neben dem Einfahrtstor), Baumwolllager, Färberei,Weberei, Schlosserei und Schmiede. Auf dem Geländegab es zwei Kraftwerke (Gas und Strom) sowie zweiEisenbahnen (Normal- und Schmalspur). Südlich der Ogrodowa wohnten die Arbeiter in Ein- undZweizimmerwohnungen, verteilt auf vier Stockwerke,Brunnen und Toiletten waren in den Innenhöfen unterge-bracht. Die Siedlung besaß ein eigenes Krankenhaus undeine Kirche. Diese Lärchenholzkirche aus dem Jahr 1765,

4 . I z r a e l P o z n a ns k i – e i n e r f o l g r e i c h e r I n d u s t r i e l l e r

Izrael und Eleonora Poznaøskis Grab-mal auf dem jüdischen Friedhof in»ód<

Fabrikgebäude entlang der Ogrodowa-Straße

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Poznansk i16

die Poznaøski hierher transportieren ließ, ist das ältesteBaudenkmal der ganzen Stadt.Poznaøski bezog die Baumwolle von seinen Feldern imasiatischen Teil Russlands und verkaufte seine Produktein eigenen Geschäften in Warschau, St. Petersburg, Mos-kau, Odessa, Tiflis, Rostow und Charkow. Sein Vermögenwurde Ende des 19. Jahrhunderts auf elf Millionen Rubelgeschätzt. In »ód< war er Ehrenbürger der Stadt undnach Scheibler die Nummer zwei. Er starb im Jahr 1900.In einem hat Poznaøski den Konkurrenten Scheibler über-troffen: in der Größe seines Palastes. Der Entwurfstammt vom Ende des 19. Jahrhunderts, wurde 1902/03verwirklicht und in den 30er Jahren des 20. Jahrhundertsin der heutigen Form umgestaltet. Nach Reymont fandein fiktives Gespräch zwischen Fabrikant und Architektstatt: »In welchem Stil soll ich Ihnen den Palast entwer-fen?« – »In allen, denn ich kann mir alles leisten.«Das Ergebnis ist bemerkenswert. Erhalten sind im Palastder Speisesaal mit vier Gemälden von Samuel Hirsch-berg und Deckendekor sowie Flur, Ballsaal (klassizis-tisch), Spielsalon, Kaminsaal (Jugendstil) und Schlaf-zimmer.Über den künstlerischen Wert des Palastes kann mangeteilter Meinung sein. Ganz frei von Größenwahn ist dasBauwerk nicht, im Ballsaal blickt der ehemalige Garn-händler als Gott Bacchus auf die Besucher herab. Unumstritten ist das Interesse am Museum für Stadtge-schichte, das sich im Palast befindet (siehe Kapitel I.6und »Praktische Tipps«).

Der Palast Ecke Ogrodowa/Zachodnia ist nur einer derPaläste der Familie Poznaøski. In der Nähe zu besichti-gen gibt es außerdem: die heutige Musikakadamie(Gdaøska 32), die Akademie für Medizin (EckeKo,ciuszki/Zielona) und das Kunstmuseum (siehe I.9).Eine Stiftung des Ehepaars Poznaøski stellt das ehemalsjüdische Krankenhaus in der Sterlinga dar. Die Trennungder Krankenhäuser nach Religionen war vor allem durchdie Speisegesetze begründet. Zum sozialen Engage-ment kam eine damals in Europa nicht selbstverständ-liche religiöse Toleranz. Ausdruck der Toleranz war, dassder Jude Poznaøski – wie Scheibler und Heinzel – einenbedeutenden Betrag für die russisch-orthodoxe Alexan-der-Newski-Kirche spendete. Dies mag ihm bei der Ver-waltung des Zarenreichs Vorteile eingebracht haben. Erunterstützte aber auch großzügig den Bau der katholi-schen Mariä-Himmelfahrt-Kirche, als die zaristischePolitik deutlich antikatholisch war. Ausdruck der »LodzerToleranz« kann auch darin zu sehen sein, dass die jüdi-sche Gemeinde die Glasmalereien für besagte katholi-sche Kirche spendete.Nach seinem Tod arbeitete die von Izrael Poznaøski 1889gegründete Aktiengesellschaft zunächst erfolgreich wei-ter. Das Ende des Zarenreichs und die Wiedergründungdes polnischen Staates nahmen ihr dann allerdings Roh-stoffe und Absatzmarkt, der Abstieg der Lodzer Indus-trie begann (vgl. I.3). Im Zweiten Weltkrieg erwies sich dieTextilproduktion als enorm wichtig für die Besatzungs-macht. Damals wurde die Fabrik durch das Ghetto vomRest der Stadt getrennt (vgl. I.5).Nach 1945 war der Zugang zu den Märkten im Ostenwieder frei. Aus der Fabrik Poznaøskis wurden die staat-lichen Poltex-Werke. Sie beschäftigten bis zu 10 000Arbeiterinnen. Die Bedingungen, unter denen sie arbei-ten mussten, ließen den Widerstandsgeist der Stadtimmer wieder aufleben. Der Streik der Lodzer Textilarbeiterinnen im Herbst1947 war der größte im Ostblock vor 1956. Auch in derFolgezeit stellten sich Beschäftigte immer wieder offengegen die Diktatoren in Warschau. Hans Magnus Enzens-berger erzählt von einem der großen Streiks der Siebzi-gerjahre, da »hatten die Frauen die Fabrik besetzt; sie for-derten, dass der damalige Partei- und Regierungschefpersönlich mit ihnen verhandle. Als er nach tagelangemZögern erschien, kam es zu erregten Auseinandersetzun-gen. Die Arbeiterinnen bewarfen ihn mit trockenen Sem-meln und verschimmelten Würsten. Die Sicherheitsbeam-ten mussten Gierek mit dem Hubschrauber herausholen;er wäre sonst kaum mit heiler Haut davongekommen.«(Ach Europa, 1987, S. 371 f.)Bei der Streik- und Demonstrationswelle 1980, die zurAnerkennung von Solidarno,ç führte, waren die Textilar-beiterinnen nicht bereit, ein Abkommen mit der Regierungzu schließen. Sie weigerten sich, Vertreterinnen mit Ver-handlungsvollmacht zu wählen. 1989 verlor der Betrieb erneut seinen Absatzmarkt imOsten, 1995 schloss die bis dahin größte Baumwoll-spinnerei Europas endgültig. (Zur Lage der Textilindus-trie in der Nachkriegszeit vgl. auch I.6)Das Gelände soll von der französischen Firma Apsys neugestaltet werden. In der Spinnerei ist ein Hypermarchégeplant (obwohl die Zahl der Supermärkte in »ód< bereitsrekordverdächtig ist), mit einem Parkplatz für 1500 Autosstatt der zunächst geplanten Grünanlage. Auf demGelände sollen ferner Hotel, Kegelbahn, Multiplex-Kino,Diskothek und ein Großmarkt für Autozubehör entstehen.

Poznaøskis Baumwolltextilfabrikanlage

Poznaøski-Palast, heute unter anderem Sitz des Museums fürStadtgeschichte

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Von Krystyna Radziszewska

Ghetto Lodz17

5L ó d z

»Im September 1942 versammelten sich TausendeGhettobewohner auf dem Lagiewnicka-Platz, um eineangekündigte Rede von Rumkowski zu hören. Rum-kowski appelliert an Mütter und Väter, alle Kinderunter zehn zur Deportation freizugeben, andernfallswürden die Deutschen sie mitsamt den Eltern depor-tieren, und viele Menschenleben würden unnötig geo-pfert. Die meisten Anwesenden ahnen, und vielleichtwissen sie es auch, dass die Kinder sterben werden.Wütender Protest erhebt sich unter den Müttern undVätern, ihre Verzweiflung ist mit den Händen zu grei-fen. An diesem Tag und in der darauf folgenden Nachtweint und klagt das ganze Ghetto, und in jedem Win-kel erheben sich Gebete zu Gott. Die hellen Kinder-stimmen sind zum letzten Mal zu hören, zum letztenMal … Viele Eltern beschließen ihre Kinder zu beglei-ten. Andere weigern sich, ihre Kleinen herzugeben.Die SS-Männer reißen sie den Müttern weg, werfensie kurzerhand aus dem Fenster. Mütter oder Väterspringen hinterher. Auf den toten Straßen fließt dasBlut. Jüdische Polizisten reißen die Kinder gewaltsamaus den Armen der Eltern, es kommt zu grauenhaftenSzenen, die Kinder brüllen vor Angst. Manche Elternlaufen hinter den Lastwagen oder Pferdewagen her,auf denen die Kinder zusammengepfercht stehen,und werden von den SS-Männern erschossen.Erschossen werden auch die jüdischen Polizisten, dienicht brutal und entschlossen genug ihre Pflicht tun.«

(M. Checinski, Die Uhr meines Vaters, S. 144 f.)

Diese unvorstellbare Tragödie, die ein Überlebender inseiner Lebenschronik schilderte, ereignete sich in der Zeitvom 5. bis 12. September 1942 im Ghetto »ód< währendder so genannten »Großen Gehsperre«. Damals wurden15 681 Kinder, Kranke und Alte in das 60 Kilometer nord-westlich von »ód< gelegene Vernichtungslager Kulmhof/Chelmno geschickt und dort bestialisch ermordet. Es wardie letzte Aktion der ersten Etappe der Vernichtung, inderen Rahmen insgesamt 72 745 Menschen, »unnötige,nicht berufstätige Elemente«, getötet wurden. Nach die-sen Deportationen wurde das Lodzer Ghetto in ein riesi-ges Arbeitslager umgewandelt, in dem nur arbeitsfähigeMenschen Recht auf Verlängerung des Lebens hatten. Heute ist vom ehemaligen Ghetto in »ód< fast nichtsmehr zu sehen. Zwei eindrucksvolle Denkmäler sowie dieMassengräber auf dem jüdischen Friedhof erinnern andas damalige Geschehen. Wer sich eine Vorstellung davon verschaffen will, ist aufdie Berichte der wenigen Überlebenden angewiesensowie auf die vollständig erhaltenen Lagerakten. Außer-dem wurden 1987 450 Dias entdeckt, die von einemAngehörigen der Lagerverwaltung aufgenommen undsorgfältig aufbewahrt wurden.Die Vernichtung der Lodzer Juden, die mit 233 000 Ein-wohnern ein Drittel der Stadtbevölkerung und somit eineder größten jüdischen Gemeinden der Welt bildeten,

begann aber schon im September 1939 mit dem Ein-marsch der deutschen Truppen in die Stadt. Sofort tratenzahlreiche antijüdische Verordnungen in Kraft. Zuerstwurde die wirtschaftliche Existenz der Juden vernichtet.Ihre Guthaben wurden eingezogen, Handel mit Leder-und Textilstoffen untersagt, was ihnen die Existenzgrund-lage entzog, da die meisten Juden eben in diesen Bran-chen tätig waren. Sie wurden verpflichtet, den gelbenDavidstern auf der rechten Brustseite und auf demRücken zu tragen. Die Benutzung öffentlicher Verkehrs-mittel wurde ihnen verboten. Sie durften nicht auf derHauptstraße gehen oder sich in den Stadtparks aufhalten.Plünderungen von jüdischen Wohnungen, wilder Raub,körperliche Misshandlungen waren an der Tagesordnung.Vier große Synagogen wurden angezündet undgesprengt.Die Verordnung über die Gründung eines separatenBezirkes für die Juden wurde am 8. Februar 1940 in derLodzer Zeitung veröffentlicht. Als Ghetto wurden denJuden die nördlichen Elendsviertel von »ód< – Baluty unddie Altstadt – zugewiesen.Bis 1939 waren 65 Prozent der Bevölkerung BalutysJuden. Das Viertel wurde vor allem von armen Juden

5 . » U n s e r e i n z i g e r We g i s t A r b e i t « –d a s G h e t t o i n L o d z

Das zersprungene Herz – Denkmal für die ermordeten Kinder(Zeichnung: Paulina Reszka nach dem Denkmal in derPrzemys«owastraße – Denkmal des Kindermärtyriums, 1971)

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Ghetto Lodz18

bewohnt. Auf 4,13 Quadratkilometern gab es keine Kana-lisation, selten fließendes Wasser und meist alte, bau-fällige Häuser. Alle Juden in »ód< mussten ihr Heim ver-lassen und ins Ghetto umziehen. Am 30. April war es soweit: 160 000 jüdische Einwohner wurden vom restlichenTeil der Stadt isoliert und hermetisch abgeriegelt. DasGhetto wurde von einem Drahtzaun und von Posten derSchutzpolizei umschlossen, die berechtigt waren, vonihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen, wenn sichjemand dem Zaun näherte.Die Organisationsstruktur des Ghettos bestand aus dreiElementen: der deutschen Ghettoverwaltung, die direktdem Oberbürgermeister der Stadt unterstand, der deut-

schen Polizeiaufsicht (Gestapo, Kripo, Schupo) und derjüdischen Selbstverwaltung mit dem Ältesten der Juden,Chaim Mordechaj Rumkowski, an der Spitze. Rumkowskiwurde von den Nationalsozia-listen am 13. Oktober 1939zum Ältesten der Judenbestimmt. Im Bereich der inne-ren Organisation des Ghettosübte er uneingeschränkteMacht aus. Der durch ihn aus-gebaute und gut funktionie-rende Verwaltungs- und Poli-zeiapparat, der das ganze Leben der Ghettobewohnerregelte, wurde zum wesent-lichen Instrument der Nazi-Politik der Ausbeutung undVernichtung der jüdischenBevölkerung. Im Zentrum vonRumkowskis Politik, diesowohl unter Historikern wieauch unter den noch lebendenZeitzeugen sehr umstritten ist,stand die Parole »Unser einzi-ger Weg ist Arbeit«. Diesewurde in einem Exposé vom 1.Februar 1941 als Überlebens-strategie für das Ghetto undseine Insassen formuliert.Dahinter verbarg sich dieÜberzeugung, dass dasGhetto nicht liquidiert werde,so lange es für die Deutschen

kriegswichtige Produkte herstelle. Rumkowski hat dazubeigetragen, dass zahlreiche Arbeitsplätze im Ghettogeschaffen wurden. In Werkstätten, Fabriken und anderenArbeitsstellen fanden Tausende Beschäftigung und stell-ten zum Beispiel für die Wehrmacht und private Unter-nehmen wie das Kaufhaus Neckermann verschiedeneWaren wie Jacken, Pullover, Babykleider, Anzüge,Strümpfe, Handschuhe, Ohrenschützer oder Schuhe her.Im Jahr 1943 waren in 93 »Ressorts« (Betrieben) bereitsüber 70 000 Menschen beschäftigt, das heißt 85 Prozentaller Ghettoeinwohner. Fast die ganze Bevölkerung imAlter vom zehnten bis zum 65. Lebensjahr wurde derArbeitspflicht unterzogen. Oft betrug die Arbeitszeit zwölfbis vierzehn Stunden täglich.Rumkowski hat die Bürokratie im Ghetto auf- und ausge-baut: vom Meldebüro, das die Wohnungen zentral ver-gab, bis zur Gesundheitsabteilung, die zahlreiche Kran-kenhäuser und Apotheken baute, von der Schulabteilungbis zur eigenen Bank und eigener Währung, den sogenannten »Rumkis«. Es gab zentral organisierte Lebens-mittelläden, Kindergärten, Alters-, Säuglings- und Wai-senheime, Kinderhorte bei den Fabriken und Werkstätten,sogar Erholungsheime sowie ein eigenes Gericht undeine jüdische Polizei. Einer der Autoren der so genannten »Tageschronik«,Oskar Singer, nennt diese sozialen Leistungen »Fürsorgeim großen Stil, Lebensrettung und Erhaltung durch Ernäh-rung …«So erfreuten sich die Menschen im Lodzer Ghetto besse-rer Lebensbedingungen als die in Warschau oder anderenGhettos. Andererseits entwickelte sich Rumkowski zueinem kleinen Diktator, dem das deutsche Ghetto-Regimeeine unmenschliche Rolle zuwies: »Er war wortwörtlich der alleinige Herrscher über Lebenund Tod«, erinnert sich Lucille Eichengreen. Er hatte dieMöglichkeit, jemanden sowohl zu beschützen als auch

Rumkowski kündigt die Einrichtung eines »unabhängigenSchnellgerichts« in Deutsch, Polnisch und Hebräisch an.

»Litzmannstadt – Getto Möbelfabrik«Diese Unterschrift steht auf einem Dia, das ein ranghoher Mitarbeiter der Lagerverwaltung machte.Die 450 Bilder umfassende Sammlung ist 1987 aufgetaucht.

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ihn sehr schnell ins Jenseits zu befördern. Furchterregendwar seine Macht über die Ghettobewohner, die er seine»Kinder« zu nennen pflegte. Er konnte willkürlich bestra-fen oder belohnen. Für die armen Menschengestalten,welche die Straßen des Ghettos bevölkerten, war derJudenälteste wie ein Gott.Das Ghetto befand sich in dauerndem Hungerzustand.Die häufigsten Wörter, um die sich alles drehte, waren»Brot« und »Hunger«. Die Menschen im Ghetto »vegetier-ten«, wodurch sich ihr Verhalten derart veränderte, dasssie »auf den Verlust einiger Bissen Brot und den Tod deseigenen Vaters mit gleich großem Kummer« reagierten.Auch zum Anstieg der verschiedensten Krankheiten trugder Hunger bei, der den ganzen Organismus entkräftete.Im Lodzer Ghetto sind durch Hunger und Krankheit45 327 Menschen umgekommen, das sind 22,7 Prozentder Bewohner. Von den Besatzern wurde das Ghetto»Krepierungslager« oder »Todeskiste« genannt.

Im Mai 1942 wurden 10 943 von den noch im Ghettolebenden Westjuden ins Vernichtungslager Kulmhofdeportiert und dort in den auf Lastwagen errichteten Gas-kammern umgebracht. Obwohl das Ghetto von derAußenwelt völlig abgeschnitten und der Besitz von Radio-geräten unter Todesstrafe verboten war, kursiertenGerüchte, dass die Deportierten ermordet wurden. Mansah Züge, die nach zehn Stunden leer ins Ghetto zurück-kamen und große Mengen von Kleidung mit Blutfleckenund Judensternen mitbrachten.Mitte Juli 1944 wurden die Transporte eingestellt, nachdem Ausbruch des Warschauer Aufstandes aber wiederaufgenommen, diesmal nach Auschwitz. In der Nachtvom 8. auf den 9. August 1944 begannen bewaffnetedeutsche Feuerwehrleute und die jüdische Polizei in dieWohnungen einzudringen und die Menschen mit Gewaltaus ihren Betten herauszuholen. Am 18. August ergingdie Anordnung, alle Ressorts zu schließen und die Men-schen aus dem westlichen in den östlichen Teil des Ghet-tos umzusiedeln. Das Ghettogebiet begann sich nachund nach zu verkleinern. Der letzte Transport mit demJudenältesten Rumkowski fuhr am 29. August 1944 los. Von den 76 551 Juden, die im Mai 1944 im Ghetto »ód<gewohnt haben, blieben nur 600 Personen in einemSchneiderbetrieb zurück, die später in das Lager Königs-wusterhausen in der Nähe von Berlin und in die Fabrikenin Dresden geschickt wurden. Außerdem blieben 840 Per-sonen als Aufräumungskommando zurück. Etwa870 Ghettoinsassen haben in Verstecken überlebt, darun-ter auch Kinder.

Literaturhinweise:

Checinski, Michael Mosche: Die Uhr meines Vaters. Eichborn,Frankfurt am Main 2001

Loewy, Hanno/Schoenberner, Gerhard (Red.): »Unser einziger Wegist Arbeit« – das Getto in Lodz 1940–1944 [Eine Ausstellung desJüdischen Museums in Frankfurt am Main (Katalog)]. Löcker,Wien 1990

Radsiszewska, Krystyna (Red.): Tonaca »ód< (Lata 1939–45)/Dassinkende Boot (der Zeitraum 1939–45). Literatura, »ód< 2002

Singer, Oskar: »Im Eilschritt durch den Ghettotag …«. Reportagenund Essays aus dem Ghetto Lodz. Sascha Feuchert, Erwin Leib-fried, Jörg Riecke, Julian Baranowski, Krystyna Radziszewskaund Krzysztof Wo<niak (Hrsg.). Philo Verlagsgesellschaft,Berlin/Wien 2002

Ghetto Lodz19

Rumkowski. Zeichnung von H. Szylis, Getto »ód< 1940

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20

Von Marek Budziarek

L ó d z

Stadt der Hoffnung

Der Kustos des Museums für Stadtgeschichte in»ód< schreibt über Entwicklungen in der Nach-

kriegszeit und Zukunftsaussichten der Stadt.

Die Folgen des Zweiten Weltkriegs

Viele europäische Städte wurden im Zweiten Weltkriegdurch Bombenangriffe und andere Kriegshandlungen zer-stört. Von anderer Art waren die Verluste der Stadt »ód<.Sie hörte für immer auf, eine multinationale, multikultu-relle und multikonfessionelle Stadt zu sein. Die jüdischeGemeinschaft wurde physisch eliminiert. Die LodzerDeutschen flohen entweder vor dem Ende der nationalso-zialistischen Besatzung oder wurden von der polnischenkommunistischen Regierung vertrieben. Die russischeGemeinschaft wurde vom sowjetischen NKWD (Volks-kommissariat für Innere Angelegenheiten) dezimiert. Anihre Stelle traten Polen aus den umliegenden Dörfernoder anderen Regionen Polens sowie aus den von derSowjetunion besetzten Ostgebieten. »ód< wurde zumersten Mal in seiner Geschichte eine rein polnische Stadt.Es hatte seine historischen Wurzeln verloren und sollteeine bessere, eine sozialistische Zukunft bekommen. Daswenigstens versprach die neue Regierung, die Polen zurVolksrepublik erklärte und in enger Anlehnung an dieSowjetunion fast 50 Jahre beherrschte.»ód< wurde damals als »Hauptstadt der Leichtindustrie«bezeichnet. Die Arbeitsbedingungen waren alles andereals leicht. In dieser Industrie arbeiteten vor allem Frauen,von denen höchstens eine Grundausbildung verlangtwurde. Die politischen Machthaber des sozialistischen

Staates schufen den Mythos von »ód< als einer kommu-nistischen Stadt, die euphemistisch »rotes »ód<« genanntwurde. Dieses Wortspiel benutzte die Verbindung proleta-rischer Tradition und der roten Ziegel der Lodzer Fabri-ken. Zwar wurde die Stadt Sitz mehrerer Hochschulen(Universität, Technische Hochschule, Filmhochschule,Medizinakademie, Kunsthochschulen), aber das wirktesich gesellschaftspolitisch zunächst nicht aus. Die Arbei-terschaft dominierte und wurde von der Partei bevorzugt. »ód< war eine Stadt der Textilindustrie. Noch in den Acht-zigerjahren galt »ód< zusammen mit den umliegendenStädten als größtes Textilindustriegebiet der Welt. DieTextilarbeiter arbeiteten in drei Schichten, die öffentlichenVerkehrsbetriebe fuhren rund um die Uhr, um Hunderttau-sende, die immer müde und immer in Eile waren, in dieBetriebe zu bringen. Es war eine Stadt, in der die Frauennachts arbeiteten und den Schwangeren Fehlgeburtendrohten, eine Stadt getrennter Familien, in der die Mütterdie Kinder nicht richtig erziehen konnten. »ód< wirktegrau und verloren, ohne Bezug zu den großen geschicht-lichen Ereignissen.

Politische Veränderungen

Polen wurde seit 1948 von der Vereinigten PolnischenArbeiterpartei (PZPR) beherrscht. In den ersten Nach-kriegsjahren hatte diese an der Sowjetunion orientierte»Arbeiter- und Bauernmacht« große Probleme mit derPolnischen Sozialistischen Partei (PPS) vor Ort. DiesePartei war bereits vor dem Krieg aktiv und hatte einbesonderes Verständnis von Solidarität in den Betrieben.

6 . S t a d t e i n e r a u ß e r g e w ö h n l i c h e nH o f f n u n g

»ód< in den Nachkriegsjahren

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Es umfasste gemeinsame Verantwortung und erlaubteden sowjetischen Soldaten nicht, in den Betrieben zustehlen. Die politische Polizei ging 1945 und 1946 sehrschnell gegen diejenigen vor, die ihre Unzufriedenheit aufder Straße zeigten. Deswegen fanden auch die »Oktober-aufstände« 1956 hier kein Echo. Im März 1968 wurde dieStudentenbewegung von den Spezialkräften der »Arbei-terpolizei« niedergeschlagen.Die Ereignisse vom Dezember 1970 und dann in der Zeitvon Solidarno,ç (vgl. H. 37/1998 der Reihe : Polenin Europa, I.1, S. 5 ff.) zeigen jedoch ein anderes Bild von»ód<. Sie bewiesen die große Entschlossenheit derFrauen, die Politik aus der Sicht des »leeren Kochtopfs«zu beurteilen. Diese besondere »weibliche Ökonomie«führte im Februar 1971 zum Streik in den Betrieben

J. Marchlewski, der die Regierung zwang, im ganzenLand die Preiserhöhungen für Nahrungsmittel zurückzu-nehmen. Im Sommer 1981 trieb die katastrophale ökono-mische und politische Situation die Frauen auf die Straße,die in den örtlichen Industriebetrieben arbeiteten. Der»Hungermarsch«, den sie organisierten, wurde zumschweigenden Protest gegen Teuerung und leere Regalein den Geschäften.

Zukunftsaussichten

»ód< kann wieder zu einer »Grenzstadt« werden, weilsich hier Autobahnen und Kulturen kreuzen, dank schnel-ler Verkehrsverbindungen nach Poznaø, Wroc«aw undWarschau. Eine Schnellbahnverbindung mit Warschaukönnte aus »ód< eine kulturelle und wissenschaftlicheErgänzung der Hauptstadt machen. Die Schaffung der»Duopolis« Warschau-»ód< wäre eine außergewöhnlicheChance für »ód<, weil es hier und nicht in der Hauptstadtgünstige Bedingungen für ausländisches Kapital, niedrigeSteuern und billige Grundstücke gibt. In der Stadt istaußerdem ein Reservoir gut ausgebildeter Akademikervorhanden. Das alles kann zu einem zweiten Wunder im»gelobten Land« beitragen. Jedoch wird nicht mehr dieTextilindustrie über die Zukunft der Stadt entscheiden.Von »ód< träumen ein amerikanischer Produzent opti-scher Kommunikationssysteme, eine französische Auto-mobilfirma und ein deutscher Hersteller von Elektro-motoren. Die Stadt ist bereits ein dynamisches Zentrumder Pharma-, Bau und Brennstoffindustrie geworden.Anlass zur Hoffnung, zu einem »Comeback« in Europa,gibt die wiedergewonnene Weltoffenheit der Stadt. »ód<hat seinen eigentümlichen Charme wiedergefunden. Manmuss nur den richtigen Ort wählen, die richtige Tageszeit,den richtigen Blickwinkel – »ód< überrascht durch euro-päischen Schwung, Fantasie und Einmaligkeit. Man mussdiese Stadt genau beobachten, um ihre außergewöhnli-che Schönheit zu erkennen. Zweifellos ist »ód< ein realesWunder.

Stadt der Hoffnung21

Hungermarsch,streikendeFrauen. Vorde-res Plakat:»Wer ist für den(Lebensmittel-)Kartenskandalverantworlich?«Plakat hinten:»Premierminis-ter, sei ehrlich.Wo gibt esMilch undKäse?

Im Museum für Stadtgeschichte kann man auch in»ód< frühe Zeichen der Veränderung und Vorboten desWandels beobachten. Die Geschichte von »ód< wurdenämlich jahrzehntelang nur in revolu-tionärer und proletarischer Perspek-tive wahrgenommen. Das Interessean der Vergangenheit der Stadt kon-zentrierte sich auf die Geschichteder lokalen Industrie und der radika-len Arbeiterbewegung. Man befasstesich nicht mit den Verhältnissen vor1945. Seit seiner Gründung am30. Oktober 1975 versucht dasMuseum diese Defizite auszuglei-chen.In einem interdisziplinären Ansatzwurde die Geschichte von Kunst undArchitektur, Musik und Literatur, Filmund Sport aufgegriffen. So kam dieGeschichte des Lodzer Bürgertums,das Kulturleben der beiden letztenJahrhunderte, kurz: die ganzeGeschichte der Stadt, allmählich

wieder zum Bewusstsein – einschließlich der Besat-zung durch das nationalsozialistische Deutschland und

der Aktivitäten der Untergrund-bewegung.Im Ostflügel des Museums, das imPoznaøskipalast untergebracht ist,befindet sich die Ausstellung überberühmte Lodzer (unter anderemTuwim, Reymont, Rubinstein, Tans-man, Karski, Dedecius), die teilweiseihr Leben im Exil verbringen muss-ten. Die ständige Ausstellung »TriadaLodzka« – drei große Gemeinschaf-ten: Polen, Deutsche, Juden –erinnert an die Anfänge der LodzerIndustrie und das Nebeneinanderdieser drei Bevölkerungsgruppen. Eine solche Rückbesinnung auf dieeuropäische Vergangenheit der Stadtkann als Beitrag zur Wende in Polenverstanden werden, die zur Annähe-rung an die europäische Gemein-schaft geführt hat.

Rubinstein-Zimmer

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Stadt der Hoffnung22

Ausländische Investitionen in »ód<

Ein Blick in die Schaufenster auf der Piotrkowska zeigt:Wirtschaftlich ist »ód< längst Teil der EU. Knapp zweiDrittel der Importe kommen aus der Europäischen Union,70 % der Exporte gehen dorthin.Auf 1,8 Milliarden Euro im Jahr belaufen sich die auslän-dischen Investitionen in »ód<. Allerdings handelt es sichoft um Supermärkte, in denen importierte Waren verkauftwerden, neue Produktionsstätten sind in »ód< eherselten.

Eine Ausnahme bildet die Bosch und Siemens Haus-geräte GmbH, die in »ód< Waschmaschinen fertigt.Ursprüngliches Ziel war, möglichst nahe an den polni-schen Kunden zu sein. Inzwischen ist das Werk so erfolg-reich, dass es auch nach Deutschland exportiert.500 Arbeitsplätze entstanden in »ód<.

»ód< 2002

Einwohnerzahl 786 500

abhängig Beschäftigte 213 427

davon

in der Industrie 65 201

im Baugewerbe 10 122

im Handel 28 652

im Erziehungswesen 21 875

im Gesundheitswesen 24 256

Arbeitslose 61 932

Im Jahr 2002 waren in »ód< 55,2 % in der Privatwirtschaft beschäftigt, 44,8 % im öffentlichen Sektor. 1995 beschäftig-ten private Unternehmen nur 43,7 %. In 94,2 % der Betriebe arbeiteten weniger als 50 Mitarbeiter. Der monatliche Dur-schnittslohn betrug etwas über 500 Euro. In »ód< waren 220 000 Pkws zugelassen, 28 auf 100 Einwohner.

Modernes »ód<: Bürogebäude an der Aleja Pi«sudskiego

Produktionsstätte der Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH in»ód<

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Von Joanna Podolska

Lodzer Landschaften23

L ó d z

Die Region »ód< – das sind nicht nur Fabriken des19. Jahrhunderts aus roten Ziegeln, deren

Gebäude an mittelalterliche Festungen erinnern, son-dern auch denkmalgeschützte Kirchen, malerischePaläste und prächtige Landschaften. »ód< liegt genauim Herzen Polens, historisch an der Grenze Großpo-lens und Masowiens. Die Woiwodschaft »ód< ist eineder neu geschaffenen sechzehn Woiwodschaften undstrebt eine Partnerschaft mit Baden-Württemberg an.Sie hat 2,6 Millionen Einwohner (6,8 Prozent derBevölkerung Polens) auf 18 000 Quadratkilometern(5,8 Prozent der Landesfläche).

Eine Region mit multikultureller Vergangenheit

Ihre rasche Entwicklung im 19. Jahrhundert verdankt dieRegion besonders der Regierung Kongresspolens sowieden deutschen – großenteils schlesischen – Handwer-kern, die von dieser Regierung geholt wurden und hier dieGrundlagen der Textilindustrie schufen. Die Spuren ihrerAnwesenheit und Arbeit kann man in Zgierz, Aleksan-

drów oder Ozorków finden. Die Entwicklung dieserStädte ist mit der von »ód< vergleichbar.Zu den wichtigsten Relikten der multikulturellen Vergan-genheit der Region »ód< gehört die Architektur: Industrie-denkmäler, Villen der Fabrikanten, Gotteshäuser und Fried-höfe verschiedener Religionen und Konfessionen. MancheObjekte sind heute nur noch Ruinen, andere überlebtenKriege und 50-jährige Vernachlässigung. InteressanteBeispiele der Industriearchitektur finden sich, wenn auchin kleinerem Maßstab, in Zgierz und Pabianice.Europäische Gemeinsamkeit in Baustil und Kultur zeigtder »romanische Weg«. Unbedingt sollte man »™czycaund das nahe gelegene Tum besichtigen, nach Sulejówoder Inow«ód< fahren. Die Königsburg »™czyca liegt 35

Kilometer nördlich von»ód<. In den Anfangs-zeiten des polnischenStaates war dort einwichtiges Machtzen-trum, die Hauptstadt

Masowiens. Schonim 10. Jahrhun-

dert gründe-ten Benedik-tiner einesder erstenKlöster auf

polnischemBoden. VierJahrhundertespäter ließKönig Kazi-mierz der Großeeine Burg mitFestungsmauernbauen, die erhal-

ten ist. Dort erklärteKönig W«adys«aw Jagie««o

dem Deutschen Ritterorden den Krieg. Lange gehörtedie Schlacht von Grunwald/Tannenberg (1410) zu den

dunklen und umstritte-nen Seiten polnisch-deutscher Geschichts-schreibung.Aus dem Fenster derBurg sieht man die klareGestalt der Kollegiatkir-che von Tum – einPflichtprogramm. Dieerste Kirche in Tum ent-stand schon im Jahr1000. Wahrscheinlichstiftete sie Boles«awChrobry, der erstegekrönte König Polens.Erst 1161 wurde dienoch heute erhaltene

7 . U n b e k a n n t e s P o l e n : L o d z e r L a n d s c h a f t e n

Parki/Parks

Rzeki/Flüsse

G«ówne drogi/Hauptstraßen

Siedziby UM/Sitze der Landratsämter

Woiwodschaft »ód<

»ód<

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Lodzer Landschaften24

und Maria und Alexius gewidmete Kollegiatkirche erbaut.Sie ist die größte romanische Kirche Polens und eine derbedeutendsten Sehenswürdigkeiten des Landes; ihreInnenausstattung ist sehr wertvoll. Sie besitzt die ältestenWandmalereien und ein einmaliges Sandsteinportal. Wun-derschön gelegen ist auch eine andere romanischeSehenswürdigkeit dieser Gegend, die Kirche in Inow«ód<(Kreis Tomaszów); auch sie ist einen Besuch wert.Das gilt ebenso für die Zisterzienserabtei in Przyklasz-torze (Kreis Piotrków). Vom Kloster sind nur die spätro-manische Kirche, ein Teil der Festungsmauer und derWirtschaftsgebäude erhalten. Heute befinden sich dortein Museum und ein Hotel.

Eine ehemalige Königsresidenz

Piotrków Tribunalski (44 Kilometer entfernt von »ód<)war am Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert daszweitwichtigste Zentrum Polens. Aus alten Zeiten sindunter anderem die Stadtanlage mit engen gekrümmtenStraßen sowie das Königsschloss erhalten, in dem KönigSigismund der Alte residierte. In Piotrków fanden dieerste historische Sitzung des Zweikammerparlamentsund weitere 37 Sejmsitzungen statt. Hier hatte auch daserste Gericht in Europa seinen Sitz, das von der könig-lichen Regierung unabhängig war. Am Ende des 17. Jahr-hunderts erschienen in Piotrków die Jesuiten und errich-teten ein Kloster und Kollegien. Gleichzeitig war Piotrkówbis zum Zweiten Weltkrieg eine bedeutende jüdischeAnsiedlung. Spuren der multikulturellen Vergangenheitsind unter anderem eine Synagoge, in der heute eineBibliothek untergebracht ist, und ein gut erhaltener jüdi-scher Friedhof. Geblieben ist auch die orthodoxe Allerhei-ligen-Kirche, ein Zeugnis der Zeiten, in denen PiotrkówSitz der zaristischen Verwaltung einer Woiwodschaft war,zu der auch »ód< gehörte.

➜ Zur Partnerschaft der Städte Piotrków Tribunalski undEsslingen siehe II.2: Partnerschaft konkret.

Sport und Kultur

Piotrków liegt nicht weit vom Stausee von Sulejów. Indieser schönen Gegend lohnt es sich im Sommer nichtnur, im Wald spazieren zu gehen oder die Umgebung zubesichtigen, sondern sie eignet sich auch für Wasser-sport. Am Stausee liegen viele Erholungszentren, die vomFrühling bis Herbst gut besucht sind.In der Region »ód< gibt es noch eine Reihe anderer Orte,deren natürliche Umgebung begeistert. Einigeder schönsten befinden sich im Landschaft-spark Za«™czaøska. Dort kann man unterJurafelsen wandern sowie nahe gelegeneHöhlen erkunden. Die Gegend eignet sichauch ausgezeichnet zum Rad fahren. Ein Beispiel vollkommener Harmonie vonNatur und Kultur ist der Landschaftspark Boli-mowo bei »owicz. Er umfasst 23 000 Hektar.Ihn durchzieht die Wasserfläche des FlussesRawka, außerdem befinden sich hier derBarockpalast Nieborów und der Park Arkadia.1694–97 wurde der Palast Nieborów für denPrimas Radziejowski erbaut. Heute ist er einMuseum. Die Innenräume können besichtigt

werden, darunter die schöne Bibliothek mit Cornellis Glo-ben aus dem 17. Jahrhundert. Von Nieborów sind es nurvier Kilometer zum frühromantischen Park Arkadia, den1778 Prinzessin Helena Radziwi««owa angelegen ließ. AlsBaumaterial für die Grotte der Sibylle dienten Felsen ausder Gegend. Im Park befinden sich auch ein Dianatempel,ein gotisches Haus, das Heiligtum des Erzpriesters undsogar ein römisches Aquädukt. Arkadia mit seiner senti-mental-romantischen Stimmung führt in die Welt desAdels und zeigt Polens Verankerung in gesamteuropäi-schen Kulturströmen.Anlagen mit Park und Palast gibt es in der Region »ód<noch viele.Nur ein paar Kilometer sind es von Arkadia zum Palastdes königlichen Kammerherren Anastazy Walewski. DieFrau Walewskis war Marysieøka, die eine Romanze mitNapoleon hatte. Ihr 1810 geborener Sohn Alexander ausdieser Beziehung war 1855–1863 französischer Außen-und Staatsminister. Von hier im Nordosten der Woiwodschaft »ód< lohnt sichein Abstecher nach Xelazowa Wola, dem Geburtsort Fry-deryk/Frédéric Chopins. Sein Vater war mit 16 Jahrenaus Frankreich nach Polen gekommen, wo er heirateteund inXelazowaWola alsHausleh-rer beieinerAdelsfa-miliearbeitete.WenigeMonatenach derGeburtFryderykszog dieFamilienach Warschau, wo der berühmte Musiker bis zum Auf-stand 1830 lebte, von dem er auf einer Reise in Wienerfuhr. Von da an lebte Chopin in Frankreich. SeinGeburtshaus ist ganzjährig geöffnet, ausgestellt ist auchein Brief Chopins aus Stuttgart. Von Mai bis Septemberfinden sonntags Konzerte statt.

➜ weitere Auskünfte Centrum Informacji Turystycznej »ód<, ul. Piotrkowska153

Übersetzung: Monika Wilkowska, Wolfgang Bohusch

Palast Nieberów

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Von Krystyna Radziszewska, Wolfgang Bohusch und Helga Müller

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8L ó d z

Im Vergleich mit der Partnerstadt Stuttgart fällt auf,welche Bedeutung »ód< in der deutschsprachigen

und polnischen Literatur hat, obwohl die Stadt nie einkulturelles Zentrum war. Im Roman »Das gelobteLand« des Nobelpreisträgers W«adys«aw Reymont ist»ód< Schauplatz und Thema. »Hotel Savoy« heißt dererste Roman Joseph Roths, das Hotel steht in »ód<und auch der Roman spielt in dieser Stadt, ebensowie Israel Singers »Die Brüder Aschkenasi«. Über ihreErfahrungen in und mit »ód< schreiben Alfred Döblinund Hans Magnus Enzensberger. Aus »ód< stammenJulian Tuwim, Karl Dedecius, der große Vermittler pol-nischer Literatur in Deutschland, und Jurek Becker.

»Lodz. Das gelobte Land« (W«adys«aw Reymont, 1867–1925)

Bevor Reymont denRoman schrieb, arbei-tete er 1896 einigeWochen in einer Fabrikund verbrachte seineFreizeit in der Piotr-kowska und in LodzerParks. Der Romanerschien 1899, die erstedeutsche Übersetzung1916. Im Roman tau-chen fiktive Vertreterverschiedener Berufs-und Gesellschaftsgrup-pen sowie Nationalitätenauf. Neben geizigen,»geldgierigen« reichenJuden, verarmten, aber»stolzen« polnischenAdeligen und wohlha-benden »biederen«deutschen Fabrikbesit-zern leben die armen

polnischen und jüdischen Arbeiter. Das Nebeneinanderdieser Gruppen wird von dem »Polyp« »ód< bestimmt.Karl Borowiecki, Max Baum und Moritz Welt, alte Freundepolnischer, deutscher und jüdischer Abstammung, spürendie faszinierende Anziehungskraft dieser Stadt. Bisherwaren sie Freunde. Der Pole Borowiecki bemerkt aberschnell: »Vergiss nicht, dass du in Lodz bist. Du vermeinstGeschäfte unter zivilisierten Menschen Mitteleuropas zuführen. Lodz aber, das ist ein Wald, eine Wüste, – hast duscharfe Krallen, dann geh mutig vorwärts und erwürgerücksichtslos deine Nächsten, sonst erwürgen sie dich,saugen dich aus und werfen dich dann beiseite.« (Band I,Seite 195) Er hat diese Krallen, deshalb kann er mit glän-zendem Erfolg unter den Lodzer Fabrikanten rechnen.Während ihn seine Geliebte Lucy »in unsagbarer Verzü-ckung küsste, vor ihm auf die Knie fiel, ihn umarmte, laut

verworrene Worte ausstieß, die ihr die Leidenschaft ein-gab, und, von ihrer eigenen Kraft überwältigt, in Verzü-ckung raste – dachte er an Baumwolle.« (I, 68 f.)Die wenigen Idealisten im Buch sind eigentlich die Realis-ten. Ihr Prototyp Trawinski »sieht es selbst, und er fühlt essehr gut, dass dieses Lodz, unser ›Gelobtes Land‹, für ihnzum verfluchten Land wird.« (I, 227) Darüber könnenDeutsche und Juden nur lachen. »Die öffentliche Mei-nung, die Ethik, die Anständigkeit! Wer schert sich in Lodzdarum? Wem kamen solch dumme Gedanken je in denKopf! Und was ist das eigentlich Anständigkeit!« (I, 328) Die »Lodzermenschen« sind ein zentrales Thema desRomans. Sie sind erfolgreich, hartherzig, selber nurScheinexistenzen in einem unbarmherzigen Räderwerk.Fast logisch, wie sie über Frauen denken: »Eine Braut istkein Wechsel, das ist ein einfacher Revers, den man nichtbezahlen braucht bei Fälligkeit.« (II, 71) Manchmal diffe-renzieren sie nach Abstammung, »weil die Jüdinnen gutsind für’s Flirten, die Polinnen für die Liebe, die Deut-schen, um einen Zuchtstall zu gründen.« (I, 252)»Das gelobte Land« ist aber auch ein Buch über »ód<.»Er blickte auf die Stadt, die langen Häuserreihen, dieHunderte Schornsteine, die wie Stümpfe von Kiefern inder sonnendurchglühten Luft röteten und ihre riesigenRauchsäulen nach oben bliesen; er hörte den Geräuschender Stadt zu, dem unaufhörlichen, aber unterdrücktenLärm der arbeitenden Fabriken, dem Dröhnen der mitWaren gefüllten Lastwagen, deren Wege sich in alle Rich-tungen kreuzten.« (II, 77) Insgesamt zeichnet Reymont ein kritisches Bild derStadt. Sie ist zwar faszinierend, aber ihre Opfer sindMenschen und Natur. Die Menschen »kamen, es mitihrem Blut zu düngen, und brachten ihm Kraft, Jugend,Gesundheit, ihre Freiheit, Hoffnungen und Elend, Hirnund Arbeit, Glauben und Träume. Für dieses ›GelobteLand‹, für diesen Polypen verödeten Dörfer, verschwan-den Wälder. Die Erde gab ihre Schätze her, Flüsse ihrWasser, Menschen wurden hier geboren – alles schlangder Polyp in sich hinein und zermalmte es zwischen sei-nen Kiefern, er fraß Menschen und Dinge, Himmel undErde, und als Entgelt gab er den wenigen Erwählten nutz-

8 . G e l o b t e s o d e r v e r f l u c h t e s L a n d ?L ó d z i n d e r L i t e r a t u r

Umschlagseite des Romans,deutsche Ausgabe

Ecke Piotrkowska/Moniuszki »… ›Eine wunderbare Stadt‹, flüsterte Moritz, an der Eckeder Meyer-Passage mit zugekniffenen Augen auf die end-

losen Häuser-dämmeblickend, diedie Straßenumklammer-ten. »EinewunderbareStadt, aber –was kann ichdabei verdie-nen?« (I, 126)

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lose Millionen, und der Menge gab er Hunger undErschöpfung.« (II, 357)Reymont entmythologisiert das werbeträchtige Imagevom Zusammenleben und -wirken der Kulturen.Im polnischen Original des Romans fallen deutsche Wör-ter und Sätze auf. Sie zeigen manches Stereotyp. Rey-mont gebraucht auf Deutsch unter anderem: Macher,(kein) Geschäft, polnische Wirtschaft, Lodzermensch, ver-flucht, Glück, passives Genie, ausgespielt, Vaterland, fein,Witz, Oberkellner, Mischmasch, Gründer, Großfamilien-Pleitenfest.Mit dem »Gelobten Land« nimmt der Nobelpreisträgervon 1924 einen wichtigen Platz im Kanon der polnischenLiteratur ein. Schon 1927 wurde die erste Verfilmung ver-sucht. Die bekannteste Umsetzung auf der Leinwandgelang Andrzej Wajda, der dafür den Oskar erhielt. Erdrehte an den Originalschauplätzen in den Originalspra-chen und schuf damit ein weiteres Kunstwerk über »ód<.

»Hotel Savoy« (Joseph Roth, 1894–1939)

Der Journalist Oskar Flatt schrieb 1853 in »Opis miastaLodzi«, einer Buchbeschreibung der Stadt mit den erstenLithografien, die Lodzer Gebäude darstellten: »Es gibt inganz Polen keine andere Stadt, die der Industrie so vielzu verdanken hätte wie »ód<. Keine Stadt, die durch dieIndustrie aus der totalen Vergessenheit und Nichtigkeit zudieser Wohlstands- und Entwicklungsstufe gestiegenwäre.« Anders sieht das nach dem Ersten WeltkriegJoseph Roth in seinem 1924 erschienenen Roman: »Es war eine gottverdammte Stadt. Es roch, als wäre hierder Pech- und Schwefelregen niedergegangen, nicht überSodom und Gomorrha. Gott strafte diese Stadt mit Indus-trie. Industrie ist die härteste Strafe Gottes.« (S. 61)Obwohl der Name »ód< im Roman nicht vorkommt,verweisen Beschreibungen auf die Stadt, und Roth selbsthat bestätigt, das Buch spiele »in Lodz, dem polnischenManchester«. Der Autor versucht, die gesamte LodzerGesellschaft einzufangen, in der die Idee der Revolutionkeimt. Das Ende des Romans und des Hotels Savoy neh-men die Revolution vorweg. »Im sechsten Stockwerkbrennt es auf, man sieht weiße Lichtbündel hinter denFenstern. Im fünften brennt es, im vierten. Es brennt inallen Stockwerken, während die Menge das Hotelstürmt … Früher, als ich gedacht hätte, kommen dieSoldaten … Es gab viele Tote … Viele Heimkehrer hat derTod im Hotel Savoy ereilt. Er hatte ihnen sechs Jahrenachgestellt,im Krieg undin der Gefan-genschaft –wem der Todnachstellt,den trifft erauch. In dengrauendenMorgen ragenhalbverkohlteReste desHotels.« Wäh-rend dasHotel Savoyim Roman einRaub derloderndenFlammenwird, steht esin Wirklich-keit noch soähnlich da,wie esJoseph Rothgesehen undbeschriebenhat. Es ist einsiebenstöcki-ger Palast mitspätsezes-sionistischerFassade,vielen kleinenBalkons,wenig Dekor,zwei Erker-flügeln.

Andrzej Wajda über Reymonts Roman:

Ich kannte »ód<, weil ich dort vier Jahre während mei-nes Studiums gelebt hatte, aber ich mochte es nicht,und die Stadt weckte in meiner Fantasie keinerlei Inte-resse. Und »ód< rächte sich jetzt dafür, dass ich früherihm gegenüber so gleichgültig gewesen war. Der größte Reichtum des Films bleibt der RomanReymonts. Ich war mir dessen bewusst. Reymont hatdie Menschen beschrieben, die eine andere Richtungunserer Geschichte ausmachten, parallel zur Romantik. Ohne diese Menschen, ohne die Fabriken, ohne dieArbeiter, die dort unter schrecklichen Bedingungenarbeiteten, gäbe es das nicht, was heute da ist. Ichwar überzeugt, dass diese Tradition der Industriegezeigt werden muss, aber auch die der Gewalt undder Kämpfe der Arbeiter. Die Gestalten im »Gelobten Land« sind großartig undreich. Es sind Emporkömmlinge der ersten Generation.Bevor sie zu Geld und Einfluss kamen, waren sie Vor-arbeiter, Weber und Kleinhändler. Wenn sie es aber soweit gebracht haben, mussten sie »jemand« sein, einestarke Persönlichkeit besitzen, und deshalb lohnte essich, von ihnen zu erzählen. Sie schufen die Industriemit der Kraft ihrer Charaktere, sie waren unnachgiebigund wild, aber auch voller unerwarteter Ideen. Von den drei Personen ist einer Pole, der andere Deut-scher und der dritte Jude. Die verschiedene Abstam-mung trennt sie nicht. Im Gegenteil, sie gründen zu-sammen Fabriken, sind durch gemeinsame Geschäfteverbunden, wie durch die Zugehörigkeit zur Gruppe»Lodzermensch«. Ich wollte die Aufmerksamkeit derZuschauer mehr auf die Handlungen der Personenlenken als auf ihre Abstammung … Reymonts »Das gelobte Land« stellt einen Ausnahme-fall in der polnischen Literatur dar. Sein Realismuspasst wunderbar zum Element Film, dessen Ziel es ist,die Welt fotografisch zu beschreiben. Selbst die Dia-loge haben sich als phonetische Aufnahme der Spra-che der Menschen erwiesen. Die Gestalten sprechenihre eigene Sprache, sie drücken auf Polnisch aus, wassie auf Deutsch, Russisch oder Jiddisch denken undschaffen so einen Sprachreichtum, der in der Literaturdes ausgehenden 19. Jahrhunderts kein Vorbild hat.

Aus: Dossier de la presse de la municipalité/UML,»ód<, deuxième métropole de Pologne, p. 24

Hotel Savoy heute»Europäischer als alle anderen Gasthöfedes Ostens scheint mir das Hotel Savoymit seinen sieben Etagen.« (S. 7)

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Im Roman wird das Hotel von Menschen verschiedenerNationalitäten, Berufe und sozialer Schichten bewohnt.Der Autor beschreibt scheinbar nebenher »ód<, seinePrachtstraße Piotrkowska, die Umgebung des BahnhofsFabryczna, Elendsviertel und Vororte, zeigt Klassen-gegensätze und schildert den schwierigen und konfliktrei-chen multikulturellen Alltag. Er sieht »schwarze Gruppenbehender Kaftanjuden, hörte lautes Gemurmel, Gruß undGegengruß, zorniges Wort und lange Rede« (S. 11), hörtKriegsheimkehrer singen, »jeder sein Heimatlied, und alleklingen gleich. Tschechische Lieder und deutsche, polni-sche und serbische, und in allen liegt die selbe Trauer«(S. 62) und bemerkt: »Der Schutzmann sprach Deutsch,viele Menschen sprachen hier Deutsch, deutsche Fabri-kanten, Ingenieure und Kaufleute beherrschten Gesell-schaft, Geschäft, Industrie dieser Stadt.« (S. 12)Das Bild der Stadt »ód< in »Hotel Savoy« bleibt ambi-valent, sie ist »grau, Kohlendunst naher Fabriken wälztesich über sie aus riesigen Schornsteinen, schmutzigeBettler krümmten sich an den Straßenecken, und Unratund Mistkübel waren in engen Gässchen gehäuft.« (S. 11),aber auch »eine recht amüsante Stadt mit allerlei wunder-baren Menschen – man traf derlei nicht in aller Welt.«(S. 44) »Ja, ich hätte gerne so eine Stadt wie diese zueinem längeren Ferienaufenthalt gewählt.« (S. 44)

»Jakob der Lügner« (Jurek Becker, 1937–1997)

Dieser 1969 erschienene Roman, der im LodzerGhetto spielt, wird häufig in den Schulen gelesen. Erträgt autobiografische Züge. Leben und Leiden derGhettobewohner werden dem Vergessen entrissen.

»Es ist also Abend. Fragt nicht nach der genauen Uhrzeit,die wissen nur die Deutschen, wir haben keine Uhren. Esist vor einer guten Weile dunkel geworden, in ein paarFenstern brennt Licht, das muss genügen. Jakob beeiltsich, er hat nicht mehr viel Zeit, es ist schon vor einer sehrguten Weile dunkel geworden. Und auf einmal hat erüberhaupt keine Zeit mehr, nicht eine halbe Sekunde,denn es wird hell um ihn. Das geschieht mitten auf demDamm der Kurländischen, dicht an der Ghettobegrenzung…« (S. 10)Jakob wird von einem Posten angehalten, weil er angeb-lich nach acht Uhr auf der Straße ist, was für Juden ver-boten ist, und aufs Revier geschickt. Dort hört er auseinem Radio – Juden ist der Besitz von Radios verboten:»In einer erbitterten Abwehrschlacht gelang es unserenheldenhaft kämpfenden Truppen, den bolschewistischenAngriff zwanzig Kilometer vor Bezanika zum Stehen zubringen.« (S. 15) Mit dieser Nachricht – und vor allem mit vielen weiterenerfundenen Meldungen – versucht der »Lügner« Jakob,den Menschen im Ghetto wieder Mut zu machen,indem er ihnen von den Befreiern erzählt, die immernäher rücken. »Das ist es wert, die Hoffnung darf nichteinschlafen, sonst werden sie es nicht überleben, er weißes genau, dass die Russen auf dem Vormarsch sind, erhat es mit den eigenen Ohren gehört, und wenn es einenGott im Himmel gibt, dann müssen sie auch bis zu unskommen, und wenn es keinen gibt, dann müssen sie auchbis zu uns kommen, und möglichst viele Überlebendemüssen sie antreffen, das ist es wert.« (S. 84) Da seine Leidensgefährten die Quelle wissen wollen,behauptet er, ein Radio in seiner Wohnung versteckt zu

haben, obwohl in der Ghettoverordnung »schwarz aufweiß geschrieben (steht), was es heißt Radio zu hören«(S. 94). Die Nachrichten, die er täglich verbreitet, verän-dern das Leben im Ghetto: »Alte Schulden beginnen eineRolle zu spielen, verlegen werden sie angemahnt, Töchterverwandeln sich in Bräute, in der Woche vor dem Neu-jahrsfest soll Hochzeit gehalten werden, die Leute sindvollkommen verrückt, die Selbstmordziffern sinken aufNull.« (S. 93/94) Zu den schönsten Erfindungen des Lüg-ners gehört das Märchen von der Wolke (S. 194–197). »Jakob der Lügner« wurde zweimal verfilmt (DEFA, DDR,1974; USA 1999).Der Autor Jurek Becker wurde 1937 in »ód< geboren. Erhatte als Jude die »falsche« Religion und wurde von denNationalsozialisten ins Lodzer Ghetto gesteckt. Sein Vatermachte ihn auf dem Papier älter, weil Jurek so zur Arbeitherangezogen und nicht ermordet wurde. Bei Kriegsendewar er im Konzentrationslager. Von ursprünglich 260 000Bewohnern des Ghettos überlebten 870, darunter JurekBecker. 1945 hatte er die »falsche« Muttersprache oderNationalität; sein Vater und er gingen nach Berlin (Ost).Grund für seine dritte Vertreibung war die »falsche« Über-zeugung. Als er gegen die Entscheidung der DDR-Regie-rung protestierte, Wolf Biermann auszuweisen, wurdeauch er ausgewiesen und zog nach Berlin (West). Dort ister 1997 gestorben.

Werke:

Becker, Jurek: Jakob der Lügner. Suhrkamp Taschenbuch Verlag,Frankfurt am Main 1999

Döblin, Alfred: Reise in Polen. dtv Taschenbuch, München 1993

Reymont, W«adys«aw: Das gelobte Land (2 Bände). Dietrich’scheVerlagsbuchhandlung, Leipzig 1984

Roth, Joseph: Hotel Savoy. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999

Singer, Israel Joshua: Die Brüder Aschkenasi. Hanser, München1986

Li teratur27

Die Franciszkanska heute – ein zentraler Schauplatz desRomans:»… ein Unglück hat sie heimgesucht, die Franziskanerwerden in Dreierreihen aufgestellt. Sie gehen Haus fürHaus durch, vorhin waren sie bei der Nummer zehn, inwenigen Stunden wird kein Mensch mehr dort wohnen,ins Lager oder sonst wohin.« (S. 259)

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Literaturhinweise

Enzensberger, Hans Magnus: Ach, Europa. Wahrnehmungen aussieben Ländern. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989

Radziszewska, Krystyna u. a.: Das gelobte Land oder die böseStadt? Das Bild von Lodz in der Literatur, in: Krystyna Radzis-zewska u. a.: Pod jednym dachem/Unter einem Dach,»ód</Lodz 2000

Julian Tuwim (1894–1953)

Wer mit offenen Augen die Piotrkowska (siehe oben I.1)hinuntergeht, kann ihn nicht übersehen: In Bronze gegos-sen sitzt Julian Tuwim vor dem Haus Nr. 104 auf einerBank, den Kopf vorgestreckt, als beobachte er aufmerk-sam das Geschehen in »ód<, wo er 1894 geboren wurdeund seine Kindheit und Jugend verbrachte. Kinder setzensich zu ihm, fassen ihn an die Nase in der Hoffnung, einWunsch gehe in Erfüllung. Sie kennen ihn als Autorbeliebter Jugendbücher und Gedichte.

Aber auch Erwachsene nehmen neben ihm Platz. Erin-nern sie sich an den Schriftsteller, den sie in der Schulegelesen haben, an den Lyriker oder Satiriker Tuwim odereinfach an einen bekannten Polen aus »ód<, dessenEltern auf dem jüdischen Friedhof begraben liegen unddessen Biografie viel von der bewegten Geschichte in derersten Hälfte des 20. Jahrhunderts widerspiegelt? Nach dem Ersten Weltkrieg und der Wiedererlangungstaatlicher Unabhängigkeit Polens gehörte Tuwim zu denDichtern, die sich in den 20er Jahren um die Zeitschrift»Skamander« sammelten. Es war eine Gruppe, die ohnefestes Programm nach einer neuen Poesie suchte, dieauch die zeitgenössische Wirklichkeit erfasste. Sie ent-deckte die Stadt, das Leben in ihr und den Bürger alspoetischen Gegenstand. Die Naturgedichte Tuwims aus

dieser Zeit sind von philosophischen Gedanken durch-drungen.In den Jahren der Weltwirtschaftskrise und sozialer Span-nungen wird der poetische Ton Tuwims satirisch. DerCitoyen sieht die Ideale der Französischen Revolutionund seine demokratischen und sozialen Überzeugungengefährdet:

»Schreckliche Häuser. In schrecklichen HäusernHausen erschreckend die schrecklichen Spießer …Prüfen noch einmal die Quittungen, Taschen,Ob auch der Flicken am Hintern noch hält,Hochwürdig, heilig erworbenes Besitztum,Selber erschwitztes und eigenes Geld …«1

Aber nicht auf diese künstlerische Schaffensepoche weistder bronzene Tuwim hin. Er hält ein Buch in der Hand, aufdessen Rücken wir lesen: »Kwiaty polskie«, übersetzt:»Polnische Blumen«. Dieses Poem, 1949 erschienen,stellt ein Werk aus Tuwims letzter Lebensphase dar, denner starb bereits 1953 in Zakopane. Der 1946 aus dem sie-benjährigen Exil in Brasilien und den USA nach Warschauzurückgekehrte Dichter reflektiert in poetischer Weise dieErfahrungen des Emigranten und die gewandelte Wirk-lichkeit Polens nach dem Zweiten Weltkrieg. Nur wenigeVerse sind ins Deutsche übertragen. Sie vermitteln aberauch in der Nachdichtung die Wirkung von Tuwims laut-malerischer und metaphorischer Sprache. Die Sehnsuchtnach künstlerischer Freiheit und die Hoffnung auf eineneue soziale Entwicklung Polens kommen ebenso zumAusdruck wie die Gefühle und Gedanken des Emigranten:Heimweh nach Polen und Dankbarkeit für das Exil, dasihn zu schöpferischer Arbeit anregt, zu einem »Wörterblu-menstrauß aus Polen«. Rio und »ód<, Avenida und Piotr-kowska verschwimmen in Versen, die in Brasilien gedich-tet wurden:

»In Rio nieselt’s, wie in Polen,Heut legte Lodz in Rio an,Durch polnisches Gewölk, verstohlen,Als Schatten, als Gespensterkahn.Der Regen zieht mich immer wiederHinaus … Doch nicht zur Avenida.Zu meiner Lodzer Magistrale,Stets auf und ab, wohl hundert Male …«2

Wenn die Stadt »ód< auch an anderen Stellen auf denDichter Tuwim aufmerksam macht – an seinem Geburts-haus in der Andrzej-Strug-Straße mit einer Gedenktafel,in der kleinen Grünanlage der Moniuszkostraße mit einerBüste – so ist der Platz auf der Bank mitten in der Piotr-kowska von besonderer Bedeutung. Julian Tuwim hat»ód< und seine berühmte Straße mit ins Exil genommenund dort vor dem Vergessen bewahrt. Damit stehen seineVerse in einer langen Tradition der polnischen Literatur,die immer dann Anwalt Polens und der polnischen Nationwar, wenn deren Existenz gefährdet schien.

1 »Bewohner«. In: Polnische Lyrik aus fünf Jahrzehnten, hrsg.von Henryk Bereska und Heinrich Olschowsky, Aufbau-Ver-lag. 2. Auflage, Berlin und Weimar 1977, S. 55 f.

2 »Polnische Blumen«. Auszug. In: Polen im Exil, hrsg. vonKrzysztof Dybciak, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1988,S. 237 [Polnische Bibliothek]

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Von Magda Ceg «owska und Helga Müller

Kunst- und F i lmstadt29

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1. Das Kunstmuseum in »ód< – Muzeum Sztuki

Jede Stadt besitzt eine Stätte, die ihre Identität bil-det, ihre Geschichte bereichert und ihre Überzeit-

lichkeit und Außergewöhnlichkeit offenbart. Dort ver-weilt die Zeit, als ob sie unsere Aufmerksamkeit aufetwas Ewiges richten wollte, doch gleichzeitig spürtman hier deutlich die Vergänglichkeit der Welt undihre zukünftigen Visionen. Eine solche Stätte ist dasMuzeum Sztuki in »ód<, das seit 1946 in einem altenPalais der Familie Poznaøski untergebracht ist.

Seine Anfänge reichen bis in die 30er Jahre zurück undsind mit dem Namen W«adys«aw Strzemiøski verbunden.Er hat 1931 im Namen der Künstler der Gruppe a.r(artyski revolucyjni – revolutionäre Künstler) eine »Interna-tionale Sammlung Moderner Kunst« angeregt und über100 Objekte dem Museum der modernen Kunst in »ód<überreicht. Strzemiøski war Maler, Kunsttheoretiker undzugleich Hauptvertreter des Konstruktivismus in Polen,dessen Werk »Theorie des Sehens« bis heute nicht nurdie jungen Künstler fasziniert. Er hat die Hauptidee derMuseumsarbeit entwickelt, ihr Interesse an der Avant-garde der 30er Jahre bis zur Suche nach der neuenmodernen Kunst. Anders als Warschau oder Krakau hatte »ód< nach demErsten Weltkrieg keine ausgeprägt polnische Kulturtradi-tion, eine ideale Voraussetzung für avantgardistischeKünstler. Dass die Arbeiterstadt »ód< linksgerichtete»revolutionäre Künstler« anzog, ist nicht überraschend.Bemerkenswerter ist, dass es sich um polnische Künstlerhandelte, während sonst das Kulturleben in »ód< ehervon der deutschsprachigen und der jüdischen Ober-schicht geprägt war.Die Sammlung des Kunstmuseums stellt Beispiele avant-gardistischer Richtungen vor: Exponate des Expressio-nismus, Kubismus, Surrealismus bis zur geometrischenAbstraktion, Objekte multimedialer Kunst, Installationenund Werke der britischen Pop-Art. Zu den wichtigsten Sälen im Museum gehört der Neo-plastische Saal, der von W«adys«aw Strzemiøski imJahre 1948 entworfen wurde. Es werden hier die Werkeder Anhänger des Neoplastizismus, der geometrischenAbstraktion und des Konstruktivismus gesammelt. Hierfinden sich die aus weißem und vielfarbigem Blechgeschaffenen Raumentwürfe von Katarzyna Kobro, dieBilder von Jan Helion, Theo von Doesburg, Henryk Ber-lewi, Henryk Staxewski sowie die Bilder-Collage und poe-tische Fotomontage von Mieczys«aw Szczuka.Über Strzemiøski und Kobro, ihre Kunstauffassung undihren Beitrag zur modernen europäischen Kunst infor-miert das Heft 37/1988 »Polen in Europa« der ReiheDEUTSCHLAND & EUROPA. Deshalb soll hier von zweianderen Künstlern die Rede sein, die mit ihren Werken imMuzeum Sztuki zeigen, dass die Souveränität des Künst-lers und der Kunst auch während der kommunistischen

Herrschaft behauptet werden konnte: Henryk Staxewskiund Tadeusz Kantor.

Henryk Staxewski (1894–1988)

gilt als Mitgestalter des polnischen Konstruktivismus. Ergehörte der Künstlergruppe um Strzemiøski an und hatdurch seine ausländischen Kontakte die »InternationaleSammlung Moderner Kunst« 1931 mit zusammentragenkönnen.Seine eigenen Bilder aus den Zwanziger- und Dreißiger-jahren wurden zum großen Teil während des Krieges inWarschau zerstört. 1955 trat er mit einer kleinen Ausstel-lung im Warschauer Literaturklub wieder an die Öffent-lichkeit und gab damit auch jüngeren Künstlern ein Zei-chen der Hoffnung, die politisch bedingte Isolationdurchbrechen und an die erste Epoche avantgardistischerKunst anknüpfen zu können. Als zwei Jahre später diePariser Galerie Denise René eine Ausstellung mit Werkendes polnischen Konstruktivismus zeigen wollte, kam eszur Zusammenarbeit mit dem Muzeum Sztuki. Staxewskikonnte nach 20 Jahren alte künstlerische Verbindungen inParis wieder aufnehmen und neue Anregungen nachPolen mitbringen.Er selbst blieb bei der abstrakten Malerei, entwickelte sieaber weiter. Kompositionen im Muzeum Sztuki zeigeneine behutsame Veränderung der strengen Flächigkeit.Eine dritte Dimension wird reliefartig in den Raum hineinangedeutet. Dahinter steht eine neue Sicht der Dinge. Diefrüher strenge Ordnung als Ausdruck einer gültigen Vor-stellung von der Entwicklung der Welt wird aufgelockert,die Gegenwart ist geprägt von wachsender Unsicherheitund Vielfalt.

9 . D i e K u n s t - u n d F i l m s t a d t L ó d z –e i n O r t d e r Av a n t g a r d e

EIngang Kunstmuseum, ul. Wieckowskiego 36

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Kunst- und F i lmstadt30

Bis zu Staxewskis Tod 1988 blieb sein Atelierin Warschau ein Treffpunkt der jüngeren polni-schen Künstler. Hier fanden auch viele Begeg-nungen mit Tadeusz Kantor statt.

Tadeusz Kantor (1915–1990)

»Emballage, Figures, Objects«, nennt Kantorseine 1968 entstandene Assemblage. Die Betrachtung des Bildes kann Fragen nachden Motiven im künstlerischen Schaffen Kan-tors provozieren: Wirkt das Bild schockie-rend? Woraus besteht die Verpackung? Wel-chen Rang gibt ihr der Künstler, welchen denanderen Objekten? »Umzingelung« und »Ver-dinglichung« werden immer wieder als zen-trale Motive in Kantors Kunst genannt.Von seinen Aufenthalten in Paris brachte erviele neue Ideen in die Krakauer Kunstszene.Kantor experimentierte viel, auch in seinerTheaterarbeit, die ihn neben der Malereibeschäftigte. Die von Carolin Rose aufgenom-menen Fotos während der Proben zu Kantorsbekanntestem Theaterstück »Die tote Klasse«zeigen die Vielseitigkeit dieses Künstlers. In den Sechzigerjahren wandte sich Kantorvon der Abstraktion ab und stellte diemenschliche Figur in den Mittelpunkt seinerArbeiten. Kunsthistoriker sehen darin eineAbsage an die avantgardistische Utopie einerbesseren Zukunft, nicht aber an den Elan, sichneuen Strömungen zu öffnen, um der Stagna-tion entgegen zu wirken. Kantor war bestrebt,die Auseinandersetzung mit den künstleri-schen Strömungen in anderen europäischenLändern trotz der politischen Trennung weiter-zuführen. Diese Haltung entspricht sowohl dem Pro-gramm als auch der Tradition des Kunstmu-

seums in »ód<, das selbst in politisch schwierigen Zeitender Kunst einen Freiraum bewahren konnte. Dadurch truges dazu bei, dass die meisten polnischen Künstler nichtdas Exil wählten, sondern von ihren Auslandsreisenzurückkehrten und die polnische Kunstszene mit ihrenErfahrungen bereicherten.Die internationale Zusammenarbeit erreichte 1981einen Höhepunkt, als Joseph Beuys kurz vor Ausrufungdes Kriegsrechts persönlich eigene Werke – »Polentran-sport« genannt – dem Muzeum Sztuki als Geschenkübergab. Bis heute kann man die Kiste sehen, in derBeuys seine Werke transportierte. Ihm hat das Museumeinen eigenen Raum gewidmet.Für 2500 Gemälde, 600 Plastiken und rund 4000 Grafikenreicht der Platz im ehemaligen Palais der Familie Pozna-øski längst nicht mehr aus. Deshalb ist ein Umzug auf dasGelände der leer stehenden Fabrik Poznaøskis (sieheoben I.4) geplant.

Relief 22 (1967) Acryl, Metall, Holz, 57x57 cm. Muzeum Sztuki Tadeusz Kantor: Emballage, Figures, Objects, 1968, Öl-Assem-blage auf Leinwand, 97 x 260 cm. Muzeum Sztuki, »ód<

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2. Holly»ód<

Von Joanna Podolska

Nicht ohne Grund nennt man »ód< »Filmstadt«. Dortwurde nach dem Zweiten Weltkrieg die Filmhochschulegegründet. Sie brachte so bekannte polnische Regisseurewie Roman Polaøski hervor, der »Tanz der Vampire«,»Rosemary’s Baby«, »Chinatown« und »Der Pianist« (vor-geschlagen für sechs Oscars 2003; Oscar für den bestenmännlichen Hauptdarsteller) schuf. In »ód< studiertenauch Andrzej Wajda, Oskar-Preisträger und Regisseurdes Films »Das gelobte Land« (siehe unten »Werdegang«und I.8), sowie Krzysztof Kie,lowski, dessen Filme, vorallem die Zyklen »Dekalog« und »Drei Farben«, zahlreichePreise erhielten und dem Publikum in der ganzen Welt gutbekannt sind. Unter den Absolventen der Lodzer Filmhochschule sindauch ausgezeichnete Kameraleute wie Slawomir Idziak,der für die Bilder zu »Hubschrauber im Feuer« für denOskar nominiert wurde. Piotr Sobociøski verdankt seineNominierung für die begehrte Trophäe dem Film »DreiFarben. Rot«.Seit Jahren studieren in »ód< viele Ausländer, auch Stu-dierende aus Baden-Württemberg. Sie fühlen sich vonder Atmosphäre der Stadt und der Geschichte der Film-hochschule angezogen, seit kurzem auch von dem Film-festival »Camerimage«, zu dem jedes Jahr eine Reihevon Stars kommt. Das ist ein echtes Kinofest. Gästewaren unter anderen der Kameramann Vittorio Storaro,der Schauspieler Ed Harris und der Regisseur DavidLynch, der von »ód< begeistert war. In drei Tagen machteer über tausend Fotos in den alten Lodzer Fabriken. Erplant, in einer von ihnen ein Filmstudio zu eröffnen. Es istalso nicht verwunderlich, dass man »ód< den BeinamenHolly«ód< gibt.

Übersetzung: Wolfgang Bohusch

Adressen:➜ Filmhochschule/Paøstwowa Wyxsza Szko«a Filmowa,

Telewizyjna i Teatralna – ul. Targowa 61/63

➜ Filmmuseum/Muzeum Kinematografii –pl. Zwyci™stwa 1

Werdegang von Andrzej Wajda

Werdegang von Andrzej Wajda Mk. Andrzej Wajda wurde am 6. März 1926 als Sohneines Berufsoffiziers und einer Lehrerin geboren. Wäh-rend der deutschen Besatzungszeit gehörte er derpolnischen Untergrundarmee an, danach wurde erRestaurateur. Anschließend begann er Malerei zu stu-dieren, wechselte später aber an die Filmhochschulein Lodz. Einen Wendepunkt im polnischen Filmschaf-fen bedeutete sein Débutfilm »Eine Generation«(1954), Teil einer polnischen Trilogie; seine internatio-nale Anerkennung begründete »Asche und Diamant«(1958). Immer wieder reflektieren seine Filme das kon-fliktreiche Verhältnis von Individuum und Gesellschaftvor dem Hintergrund der jüngsten polnischenGeschichte, wie »Der Mann aus Marmor« (1976) oder»Korczak« (1990). Mit seinem jüngsten, aufwendiginszenierten Historienfilm »Pan Tadeusz« (1999), einereigenwilligen Auseinandersetzung mit Adam Mickie-wiczs polnischem Nationalepos, gelang ihm ein großerPublikumserfolg, die polnische Filmkritik dagegen rea-gierte gespalten.

Aus: Neue Zürcher Zeitung, 29.10.2001, S. 29

Kunst- und F i lmstadt31

Das Muzeum Kinematografii im ehemaligen Palast KarolScheibler, Plac Zwyci™stwa 1Exponate im Filmmuseum

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Tipps32

L ó d zFinanzielle Unterstützung

für Schüleraustausch, Jugendbegegnungen und Gedenk-stättenfahrten gewährt das Deutsch-Polnische Jugend-werk (DPJW/PNWM). Für schulischen Austausch zustän-dig ist das Büro in Warschau, dessen Mitarbeiter sehr gutDeutsch sprechen (PNWM, ul. Alzacka 18, PL-03–972Warszawa, Tel. 00 48 22 617 34 65). Per E-Mail ist dasJugendwerk in Warschau oder Potsdam zu erreichen:[email protected] oder [email protected]; www.pnwm.org undwww.dpjw.orgSchulen in Baden-Württemberg wenden sich an das fürsie zuständige Oberschulamt.

Zur Anreise

aus Baden-Württemberg gibt es mit der Bahn drei Mög-lichkeiten: über Berlin, Dresden oder Prag. Für die Ein-reise nach Polen wird noch ein Reisepass verlangt, fürSchüler aus Nicht-EU-Staaten meist ein Visum. Zuständigfür Baden-Württemberg ist das polnische Generalkon-sulat in München.

Züge und andere öffentliche Verkehrsmittel

sind in Polen billig. Ein Tagesausflug nach Warschau istvon »ód< aus bequem möglich. Schulklassen erhalten beider polnischen Bahn PKP 50 Prozent Ermäßigung, dasAntragsformular muss von der (Partner-)Schule abge-stempelt werden. Unter www.pkp.pl informiert die polni-sche Bahn in verschiedenen Sprachen.Der öffentliche Nahverkehr funktioniert in »ód< rund umdie Uhr. Fahrkarten für den Stadtverkehr MKP kann manan Kiosken mit der Aufschrift »Ruch« (Verkehr) oder denMKP-Verkaufsstellen kaufen. In letzteren gibt es kosten-lose Linienpläne von Straßenbahn und Bus.

Eine gute Jugendherberge

in zentraler Lage befindet sich in der ul. Legionów 27,Tel. 0048 426 30 66 80, Fax 0048 426 30 66 83.

Informationsmaterial

gibt es bei der Stadtverwaltung. Urzad Miasta »odzi, ul.Piotrkowska 104, 90–926 »ód<, www.uml.lodz.pl.

Museen

bietet »ód< so viele, dass hier nur eine Auswahl folgenkann:

Museum für Stadtgeschichte im Poznaøski-Palast(siehe Kapitel I.4)/Muzeum Historii Miasta »odzi, ul. Ogro-dowa 15, bei der Jugendherberge,www.poznanskipalace.muzeum-lodz.pl

Museum für moderne Kunst/Muzeum Sztuki (sieheKapitel I.9), ul. Wieckowskiego 36, in der Nähe derJugendherberge, www.muzeumsztuki.lodz.pl

Textilmuseum in der »weißen Fabrik«/Muzeum Wlókien-nictwa, ul. Piotrkowska 282,www.muzeumwlókiennictwa.muz.pl

Weitere Hinweise und Öffnungszeiten stehen auch imMonatsprogramm »Kalejdoskop«, erhältlich an Zeitungs-kiosken.

Der größte jüdische Friedhof Europas

liegt nördlich vom Zentrum, nahe der Endhaltestelle derStraßenbahnlinien 1 und 6. Für männliche Besucher isteine Kopfbedeckung Pflicht. Am Sabbat und an jüdischenFeiertagen ist der Friedhof geschlossen.

Oper, Theater, Konzerte

sind in Polen oft billiger als Kino. Die Oper befindet sicham plac Dabrowskiego, das zur Zeit interessantesteTheater ist das Teatr Jaracza, ul. Kilinskiego 45, die neuePhilharmonie entsteht in der ul. Narutowicza. Programm,Anfangszeiten und Eintrittspreise stehen im »Kalejdos-kop«.

Klassische Musik kostenlos

spielen während des Studienjahres jeden Montag um18.15 Uhr Künstler und Absolventen der Musikakademiein der ul. Gdaøska 32, einem ehemaligen Palast derFamilie Poznaøski (Programm im »Kalejdoskop«).

Über Hard Rock und Jazz, Diskotheken und Kneipen

informieren monatlich erscheinende Blätter, zum Beispiel»City-Magazine«. Sie liegen in Pubs und Cafés aus. DieLodzer Jazz-Szene ist beachtlich, unter anderem Jazzga,ul. Piotrkowska 15, im Hof. Seit einigen Jahren gilt »ód<auch als eine Hochburg der Techno-Kultur.

Filme

laufen in Polen im Original mit Untertiteln. Das Kinopro-gramm für die folgende Woche veröffentlicht die GazetaWyborza am Freitag. Einen Hinweis verdienen die beidenKinos im »ódzki Dom Kultury, ul. Traugutta 18, und das»Charlie« in der Piotrkowska 203/205.

Geldwechsel

ist in Polen einfacher und meist günstiger als in Deutsch-land. Wechselstuben (»Kantor«) haben auch am Woche-nende geöffnet. Polnische Geldautomaten nehmen deut-sche EC-Karten an.

Für Notfälle

gibt es in der ul. Piotrkowska 111 ein deutsches Honorar-konsulat (Konsulat Honorowy Republiki Federalnej Nie-miec), Tel. 633 71 00, Fax 632 73 36.

P r a k t i s c h e T i p p s

Von Wolfgang Bohnsch

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Völker

Verständigung

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34

1Von Bernhard Müller und Wolfgang Bohusch

V ö l k e r v e r s t ä n d i g u n g1 . Z u r E n t s t e h u n g

d e r P a r t n e r s c h a f t L ó d z – S t u t t g a r t

In einem Sonderdruck des Amtsblatts der StadtStuttgart mit dem Titel »50 Jahre Städtepartner-

schaften Stuttgarts« heißt es 1998:

Mit »ód< schloss Stuttgart 1988 seine achte Partner-schaft. Im Zusammenhang mit der Ostpolitik der sozialli-beralen Koalition sollte der Partnerschaftsgedanke auchauf Osteuropa ausgedehnt werden (vgl. Europa in Baden-Württemberg: 50 Jahre, in: , H. 43/44, 2001/2002, S. 22–25). Deshalb bemühte sich seit Anfang der Siebzi-gerjahre der Gemeinderat auf Initiative der SPD-Fraktionum eine Partnerschaft mit einer polnischen Stadt. »Dempolnischen Volk wollen wir zeigen, dass sich die jüngsteVergangenheit bei uns nicht mehr wiederholen kann«,hieß es in einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten(28. 1. 1980). Nach den Spielregeln des Kalten Kriegswaren kommunalpolitischen Aktivitäten damals engeGrenzen gesetzt. Vor allem die polnische Seite stellteviele restriktive Forderungen, die mit der ungelöstenOder-Neisse-Frage und den deutsch-polnischen Schul-buchvereinbarungen zusammenhingen. Erst beimAntrittsbesuch des neuen polnischen Botschafters inStuttgart 1980 signalisierte dieser das Interesse der Stadt»ód< an einer »Verschwisterung« mit Stuttgart. 1986 kames zu ersten vertraglichen Vereinbarungen und Begeg-nungen von Studentengruppen. Aktivitäten des Stadtju-gendrings und der deutsch-polnischen Gesellschaftbereiteten den Weg zum Vertragsabschluss. Stuttgartgehörte (nach Bremen/Danzig und Hannover/Posen) zuden ersten Städten, die vor der Wende eine blocküber-greifende Partnerschaft abschießen konnten. Für »ód<war Stuttgart die erste frei gewählte Partnerstadt.Am besten lassen sich die Erwartungen beider Seiten dendamaligen Ansprachen entnehmen, den ein Artikel derStuttgarter Zeitung (27. 9. 1988) so zusammenfasst:»Bei einem Festakt im Stuttgarter Rathaus unterzeichne-ten Oberbürgermeister Manfred Rommel, der LodzerStadtpräsident Jaros«aw Pietrzyk und der Vorsitzende desStadtparlaments von »ód<, Andrzej Grabski, die entspre-chende Rahmenvereinbarung. In seiner Rede sagte Rom-

mel, die für eine »gute Zukunft« notwendige Zusammen-arbeit in Europa könne nur gelingen, wenn die »Emotio-nen, die die Völker füreinander haben, besser, mensch-licher werden«. Polen und Deutsche sollten Freundschaftschließen, »damit das ungeheuerliche Drama der moder-nen europäischen Geschichte ein gutes Ende habe«. Derpolnische Botschafter in Bonn, Ryszard Karski, sagte, erhoffe insbesondere auf eine verstärkte Zusammenarbeitin Kultur und Wissenschaft. Es gehe bei der beidseitigenPartnerschaft ums Kennenlernen, um die menschlichenKontakte zwischen den Bewohnern beider Städte. DerStadtpräsident von »ód<, Pietrzyk, erwähnte vor allem diewirtschaftlichen Beziehungen, die durch neue Richtlinienin Polen jetzt besser entwickelt werden könnten.Der Vertragsabschluss war also eine hochpolitischeAngelegenheit und fiel in die sich abzeichnende Wendeim Ost-West-Verhältnis, die mit dem Namen Gorbat-schow verbunden ist. Über die Komplikationen von deutscher Seite berichtetder damalige Oberbürgermeister Manfred Rommel:»Als wir mit der polnischen Stadt Lodz eine partner-schaftliche Beziehung eingehen wollten, erreichte unsvon einer hohen Bundesbehörde ein ebenso bedenken-schwangeres wie unverständliches Papier, dessen ichmich durch Rückfragen erwehrte. Bei meiner Abreiseerhielt ich einen Brief, der mir mitteilte, ich hätte dafür zusorgen, dass in der Partnerschaftsurkunde Lodz nicht,wie hier, mit »z«, sondern mit »sch« geschrieben würde.Zu später Stunde, nach reichlichem Wodkagenuss, zogich in Lodz bzw. Lodsch dieses Papier heraus und sagteden neugewonnenen Freunden, es gelte jetzt wiederernst zu werden, Deutschland fordere das »sch« statt des»z«. Diese nahmen es mit Humor und erklärten, mit »Litz-mannstadt« (dem Namen, den Lodz bei der Besetzungerhalten hatte) seien sie einverstanden, aber niemalsdamit, dass das polnische »z« in Lodz vom deutschen»sch« verdrängt würde.« (Aus: Trotz allem heiter, Stuttgart 1998, S. 112/113)Inzwischen haben sich die Verhältnisse »entspannt« undnormalisiert, die Partnerschaft hat seit 1990 eine beachtli-che Dynamik entwickelt. Sie betrifft vor allem die Berei-che Schule, Sport und Kultur – Beispiele finden sich imfolgenden Kapitel II.2.Auch auf kommunalpolitischem Gebiet sind nach 1990viele hilfreiche Kontakte entstanden. Im Zusammenhangmit der Entschädigung von Zwangsarbeitern stellt dieStadt Stuttgart der Stadt »ód< einen Betrag von 250 000Euro zur Verfügung, der einem Pflegeheim mit Begeg-nungsstätte zukommen soll.Am schwierigsten erweisen sich nach wie vor die Wirt-schaftsbeziehungen. Die noch von planwirtschaftlichemDenken geprägten Erwartungen der polnischen Seite hin-sichtlich schneller Investitionen deutscher Unternehmenhaben sich nicht erfüllt. Was der freie Markt zustandebringt, lässt sich schwer dokumentieren. Wie viele Ingeni-eure und Studenten, Handwerker und Künstler, EDV-Fachleute und Pflegekräfte aus dem Lodzer Raum in derRegion Stuttgart beschäftigt sind oder waren, lässt sichstatistisch nicht ermitteln.

»Die Landeshauptstadt Stuttgart unterhält partnerschaft-liche Beziehungen zu insgesamt zehn Städten in neunLändern auf vier Kontinenten. (…) Städtepartnerschaftentragen zur Völkerverständigung bei. Schon bald nachdem Ende des Zweiten Weltkriegs dienten sie dazu, inEuropa zwischen den ehemals verfeindeten Völkern einelangsame und behutsame Annäherung zu ermöglichen.Noch vor Gründung der Bundesrepublik Deutschlandund lange bevor sich die Beziehungen zwischen denehemaligen Kriegsgegnern auf staatlicher Ebene normali-sierten, begannen der Dialog und die tatsächlicheZusammenarbeit auf kommunaler Ebene (…) Allein inDeutschland pflegen über 4000 Städte und GemeindenPartnerschaften mit Städten in aller Welt. Heute darf dieStädtepartnerschaftsbewegung als die größte und erfolg-reichste Friedensbewegung in Europa bezeichnetwerden.«

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2V ö l k e r v e r s t ä n d i g u n g

2 . P a r t n e r s c h a f t k o n k r e t : B e i s p i e l e f ü r B e g e g n u n g e n

Es ist kaum möglich, die zahlreichen Begegnungenim Rahmen der Partnerschaft »ód<-Stuttgart, die

auch auf das Land Baden-Württemberg ausstrahlt,aufzuzählen. Unter den sechzehn Partnerschaften derStadt »ód<, darunter Lyon und Tel Aviv, ist die mit derbaden-württembergischen Landeshauptstadt dielebendigste. Hier eine kleine Auswahl vor allem vonProjekten, an denen Schulen in Baden-Württembergbeteiligt sind:

Bei den Stadtfesten

beider Städte ist dieBeteiligung von Grup-pen aus der Partner-stadt längst Tradition.Ein weiterer Schwer-punkt der Partner-schaft ist der kultu-relle Austausch,»Stuttgarter Tage« in»ód< mit Konzertenund Ausstellungen,»Kultur-Dialog« inStuttgart mit Theater-aufführungen und

Filmfestspielen. So war zum Beispiel die SchriftstellerinTina Stroheker (Eislingen/Fils) von August bis November2002 als »Gastschreiberin« in »ód<.

Die Jörg-Ratgeb-Schule

in Stuttgart Neugereut unterhält seit 1996 Beziehungenzur Gesamtschule Nummer 1 in »ód<. Unter anderemwurden folgende Projekte gemeinsam durchgeführt: Auf-räumarbeiten auf dem jüdischen Friedhof »ód<, Sprayak-tion zur Verschönerung der Schulfassade, Ökologische

Tage im Stuttgarter Lapidarium. Themen weiterer Begeg-nungen waren die Geschichte der beiden Städte, »Demo-kratie-Mobilität-Freiheit in Europa«, »Ausländerfeindlich-keit und Antisemitismus« sowie »Jörg Ratgeb« (ca.1480/85–1526, Hauptwerk u.a. Herrenberger Altar, 8 Flü-gelbilder aus dem Leben Christi, 1518–20, ausgestellt inder Stuttgarter Staatsgalerie).Besuche führten Neugereuter Schüler immer wieder nach»ód<, aber auch nach Krakau, Auschwitz und Tschensto-chau, die polnischen Partner besuchten neben Stuttgartdas Limesmuseum in Aalen und das Europaparlament inStraßburg.Auch andere Schulen in Stuttgart wie zum Beispiel dasJohannes-Kepler-Gymnasium in Bad Cannstatt pflegenseit Jahren Kontakte nach »ód<. Für Seminarkurse undComenius-Projekte wird »ód< zunehmend interessanter(vgl. den Beitrag »50 Jahre Partnerschaften von Gemein-den und Schulen«, in: Europa in Baden-Württemberg – 50Jahre: ein Panorama, Reihe D&E: H. 43/44, S. 22–25).

Begegnungen35

»ód< in Stuttgart: Kulturmarkt 2002

Schüler des Gymnasiums Stuttgart-Neugereut arbeiten auf demjüdischen Friedhof in »ód<.

Polnische Studentinnen und deutsche Schüler in Heidelberg(2000)

Königstraße in Stuttgart: »ód<-Mosaik

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Begegnungen36

Deutsche Theatergruppen

stoßen in Polen auf großes Interesse. Theater-AGsbaden-württembergischer Schulen, wie in letzter Zeit desFriedrich-List-Gymnasiums Reutlingen und des Gymnasi-ums Ehingen, überzeugten das Lodzer Publikum. ZurTheaterarbeit treffen sich regelmäßig zukünftige Lehreraus »ód<, Stuttgart und Rhône-Alpes.

Schulen aus Stuttgart, »ód< und Umgebung sind auch aneinem Projekt mit Lyon und Calw beteiligt, das transnatio-nale Theaterarbeit in deutscher und französischer Spra-che koordiniert.

Kooperation von Hochschulen

gibt es seit 1990, zum Beispiel zwischen der Musikaka-demie und der Kunstakademie in »ód< und der Staat-lichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst inStuttgart oder zwischen der Staatlichen Hochschule fürFilm, Fernsehen und Theater in »ód< und der Filmakade-mie Ludwigsburg.Studierende der Germanistik an der Universität »ód<haben unter Leitung von Krystyna Radziszewska zweiProjekte durchgeführt:

➜ Die Ausstellung »Unter einem Dach«, gezeigt in »ód<2000 sowie 2001 im Stuttgarter Rathaus: Unter einem Dach. Die Deutschen und ihre polnischenund jüdischen Nachbarn in Lodz im 19. und 20. Jahr-hundert/Pod jednym dachem. Niemcy oraz ich polscyi xydowscy sasiedzi w »odzi w XIX i XX wieku. »ód<2000 [Zweisprachiger Katalog]

➜ In Zusammenarbeit mit der Landsmannschaft Weich-sel-Warthe ein Oral-history-Projekt: Sie interviewtenLodzer Bürger, die in Deutschland eine neue Heimatgefunden hatten und ihre Familiengeschichte erzähl-ten. Nachzulesen in: Sag mir, wo die Deutschen sind? Erinnerungen derLodzer Deutschen/Gdzie sa Niemcy z tamtych lat?Wspomnienia lódzkich Niemców. »ód< 1999

Zukünftige Deutschlehrer,

die ihre Ausbildung am Fremdsprachenkolleg der Univer-sität »ód< abschließen, fahren in ihrem letzten Semesterzwei Wochen zur Hospitation an Schulen in Baden-Würt-

temberg. Jährlich veranstalten das Ministerium für Kultus,Jugend und Sport sowie die Volkshochschule der StadtStuttgart in den Sommerferien eine Weiterbildungsakade-mie für Deutschlehrer aus »ód<.

Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

engagiert sich in »ód< mannigfaltig. Kontakte und Materi-alien sind besonders wichtig in einem Land, in dem politi-sche Bildung noch mit Misstrauen betrachtet wird: – Durch ein E-Learning Projekt »Europa online« bereitet

die LpB polnische Studenten auf den Beitritt ihres Lan-des zur EU vor.

– Im »Haus der Demokratie« auf der Schwäbischen Albbei Urach finden seit mehreren Jahren Seminare fürStudierende aus »ód< und ihre Partnergruppen statt.

– Die Publikationen der LpB sind in »ód< wichtigeArbeitsmaterialien für Studium und Lehre.

Kunst im Internet

heißt ein EU-Projekt des Stadtjugendrings Stuttgart unddes Centrum Kultury m»odych (Jugendkulturzentrum)»ód<. Zur Zusammenarbeit in den Bereichen Malerei undMusik soll jetzt gemeinsames Theaterspielen kommen.

Auch die Schulen beteiligen sich an der Partnerschaft. Ander Realschule Oberesslingen besteht die Möglichkeit, ineiner Arbeitsgemeinschaft Polnisch zu lernen. Schülerbeider Städte bereiten ein Projekt »Umweltschutz« vor.Die Esslinger bearbeiten das Thema »Alternative Energie-quellen«, die Teilnehmer aus Piotrków Trybunalski dasThema »Probleme des Umweltschutzes in Polen«.Jeweils zu unterschiedlichen Zeiten fahren die Gruppendann für zehn Tage in die Partnerstadt und stellen dieErgebnisse innerhalb einer Ausstellung vor.

Partnerschaft Esslingen am Neckar – Piotrków Trybunalski

Im Jahr 2002 feierten die ehemalige Königsresidenz und die ehemalige Reichsstadt Esslingen das zehnjährige Jubiläum ihrer Städtepartnerschaft. Der (schwarze) Adlerim Esslinger Stadtwappen weist auf die lange Traditionals Reichsstadt hin, die nur dem Kaiser unterstand unddeshalb sein Wappen führen durfte. Der (weiße) Adler beiPiotrków Trybunalski verweist auf die königliche Traditionder Stadt als Sitz des Obersten Gerichts im KönigreichPolen.Die kommunale Partnerschaft ergänzt die Politik derRegierungen beider Länder, die auf dauerhaften Friedenin Europa gerichtet ist. Verwaltung, Vereine, Kirchen undnicht zuletzt die West-Ost-Gesellschaft Esslingen e. V.haben ein dichtes Netz von Beziehungen geflochten, dasauch in der Zukunft Bestand haben wird. Die Teilnahme an europäischen Förder-projekten, die Einbindung in europäische Netzwerke kommunaler Zusammenarbeit und die Verwaltungskooperation werden die künftigen Schwerpunkte bilden.

Stadt Esslingen am Neckar. Referat für Partnerschaften und inter-nationale Beziehungen

Die Theatergruppe des Friedrich-List-Gymnasiums Reutlingenspielt Terenz, Heautontimorumenos im Teatr Studyjny in »ód<(2002)

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von oben38

1Von Bernhard Müller

I I I . S t u t t g a r t1 . S t u t t g a r t v o n o b e n

Den besten Überblick gewinnt man von zwei Tür-men, die zugleich Wahrzeichen und Landmarken

der Stadt bilden: vom Turm des Hauptbahnhofs undvom Fernsehturm in Degerloch. Letzterer hat Stuttgartberühmt gemacht, er ist mit seinen 216,61 MeternHöhe die erste Stahlbetonkonstruktion seiner Art undhat seit 1956 viele Nachahmer in aller Welt gefunden.Das Technikdenkmal von Weltrang überzeugt mit sei-ner gelungenen Form und kann als Orientierungs-punkt für alle Besucher dienen, weil es fast immersichtbar ist. In 150 Meter Höhe (= 483 m ü. NN.) bietetdie Aussichtsplattform den Besuchern einen überwäl-tigenden Blick auf Stuttgart und seine Kessellage, aufdie umgebenden Wälder, die Vororte und Nachbar-städte im näheren und weiteren Umland.

Es empfiehlt sich aber, die Besichtigung der Landes-hauptstadt vom Turm des Hauptbahnhofs aus zu begin-nen, dem »Kopf« der Stadt und »Nabel Schwabens«, wieseine Architekten meinten, und sich den Fernsehturm alsSchluss– und Höhepunkt aufzusparen.Mit seinen monumentalen Hallen und Portalen sowie dem56 Meter hohen Turm auf quadratischem Grundriss (seit1952 vom Mercedesstern gekrönt) gilt der StuttgarterHauptbahnhof als Auftakt der modernen Architektur inder Stadt, weil er nicht mehr die bis dahin übliche klassi-zistische Bauweise, wie etwa die Bahnhöfe in Leipzigoder Köln, fortsetzt, sondern von den Architekten PaulBonatz und Fritz Scholer streng und sachlich geplant undgebaut wurde (1911–1928). Die Zerstörungen des Zwei-ten Weltkriegs veränderten das äußere Erscheinungsbild

nicht. Vom Turm aus erschließt sich die Stadtanlage amleichtesten.Der Blick nach Osten zeigt die abgeräumten Gleisanlagendes alten Güterbahnhofs, auf dem in Verbindung miteinem neuen unterirdischen Durchgangsbahnhof einezweite City (»Stuttgart 21«) entstehen soll. Eine Ausstel-lung im Turm informiert über die futuristischen Pläne undihre Verwirklichungschancen.

Auf der anderen Seite beginnt die 1,2 Kilometer langeKönigsstraße, die Hauptgeschäftsstraße und Achse derheutigen Stadt. Sie ist Teil der klassizistischen Stadtan-lage des 19. Jahrhunderts, die trotz der Zerstörungen imZweiten Weltkrieg auch heute noch erkennbar ist. DerSchlossplatz mit Altem und Neuem Schloss, die ausge-dehnten Grünanlagen, Staatsgalerie und Staatstheatersowie weitere klassizistische Bauwerke gehen auf diesePlanungen zurück. Auf kleinstem Raum sind die »offiziel-len« Sehenswürdigkeiten Stuttgarts zusammengedrängtund vom Schlossplatz aus leicht erreichbar: Die Türme

Hauptbahnhof,Turm

Blick vom Turm des Hauptbahnhofs nach Westen, Königstraße

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der Stiftskirche und der Rathausturm weisen auf den his-torischen Stadtkern hin, von dem allerdings fast nichtserhalten blieb. Nach den Zerstörungen des Zweiten Welt-kriegs hat der schnelle Wiederaufbau das »alte« Stuttgartnicht wiederherstellen können. Viele Entscheidungen sindumstritten, nur wenige Neubauten gelten als geglückt.

Trotz der dichten Bebauung mit Geschäfts- und Wohn-häusern aller Art kann man sich dem Reiz der Stadtlagenicht entziehen: Eingezwängt zwischen Hügeln und

Tälern, zwischen Wäldern und Weinbergen, öffnet sichder berühmte Stuttgarter Kessel trichterförmig von Westnach Ost, wo der lange selbstständige und wesentlichältere Vorort Bad Cannstatt mit seinen Mineralquellenliegt. Ungeachtet der modernen Verkehrsbauten wieStadtautobahn, Tunnels und S-Bahn, ist zu erkennen,dass Stuttgart verkehrsmäßig ausgesprochen ungünstigliegt – keine gute Voraussetzung für Handel und Industrie.Deshalb liegen auch die Industrievororte mit ihren Fabrik-anlagen und die modernen Dienstleistungszentren gewis-sermaßen unsichtbar im Neckartal sowie auf den Hoch-flächen im Süden. Stuttgart erscheint als Banken- undGeschäftsstadt, als Wohn- und Verwaltungsstadt, woraufder Landtag (zwischen Staatstheater und NeuemSchloss) sowie die Villa Reitzenstein (Sitz der Landesre-gierung) in Halbhöhenlage hinweisen. Erst vom Fernsehturm aus lässt sich die Stadt als Gan-zes überblicken, sofern eine moderne Großstadt über-haupt noch als Ganzes erfassbar ist. Von hier aus zeigtsich die Verflechtung der Stadt mit dem Umland, dieNachbarschaft von selbstständigen und selbstbewusstenStädten wie Esslingen, Ludwigsburg oder Sindelfingenweist auf die Schwierigkeiten der Region hin. Dazu gehö-ren in erster Linie die Verkehrsprobleme des Großraumssowie der Wettbewerb um Industrieansiedlungen undWohnbevölkerung.

Natürlich sind das städtische Leben, die vielfältige kultu-relle Szene sowie die großstädtische Atmosphäre vonoben »unleserlich«. Dazu muss man die Stadt auf eigeneFaust erkunden und erleben (siehe III.2). Der Blick vonoben zeigt vor allem den Reiz, gewissermaßen die Son-nenseite der Stadt. Die Kehrseite und die Gefährdun-gen werden dem kritischen Beobachter aber nicht ver-borgen bleiben. Von den Verkehrsproblemen und derKonkurrenzsituation mit dem Umland war schon dieRede. An der abnehmenden Einwohnerzahl (heute ca.590 000, davon 23 Prozent Ausländer) ist die Gefahr des»Ausblutens« der Stadt und die stagnierende Wirtschafts-kraft abzulesen. Die Verwaltungsreform von 1972 hat derLandeshauptstadt keinen Gebietsgewinn gebracht. Schon immer war die Entwicklung Stuttgarts durchKonkurrenz gekennzeichnet. Während der Landesteilung

39 von oben

Ein Weinberg im Zentrum. Blick vom Turm des HauptbahnhofsRichtung Norden. Im Vordergrund das Gebäude der ehemaligenBundesbahndirektion

Blick vom Hauptbahnhof Richtung Fernsehturm. Vorn links dieStaatsoper, rechts der Landtag

Blick vom Fernsehturm Richtung Nordosten: im VordergrundPischekstraße, links Christuskirche, linke Mitte hinten Gebäudedes SWR

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im 16. Jahrhundert war Urach neben Stuttgart Residenz-stadt geworden. Seit 1477 befindet sich die Landesuni-versität in Tübingen, nicht in der Landeshauptstadt. Im18. Jahrhundert wurden Residenz und Hofhaltung zeit-weise in das benachbarte Ludwigsburg verlegt, eine Neu-gründung nach dem Vorbild von Versailles. Die nahe gele-gene Reichsstadt Esslingen bildete immer eineHerausforderung für die Stadt Stuttgart, welche erst seitAnfang des 14. Jahrhunderts zur württembergischenResidenz ausgebaut wurde. 1682 schlug der PhilosophLeibniz vor, die Hauptstadt Württembergs nach Cannstattzu verlegen, denn erst wenn Handel, Hof- und Geistesle-ben in einer Stadt vereint seien, könne ein echtes Zent-rum entstehen, das auf die Flusslage angewiesen sei.Stuttgart musste jahrhundertelang mit seinem provinziel-len Image kämpfen, die Reihe der boshaften Urteile istlang. Dabei ist das Diktum von Thaddäus Troll (»größte

deutsche Kleinstadt«) noch das harmloseste. Peter Härt-ling schreibt 1986: »Stuttgart, das ist eine Provinzstadt, die ab und zu nochmehr ist, das hängt immer von den Leuten ab, die geradeda sind. Was gibt’s noch? Stäffele …«Die meisten auswärtigen Besucher preisen vor allem dieLage der Stadt:

»Die ganze Gegend ist ein Garten«, »Stuttgart liegtsehr schön in einem einer Venusmuschel gleichendenTale, aus dem sich rings Berge hinaufziehen …«,

»die Stadt ist mit lauter Bergen umgeben, die mit denbesten Weingärten angepflanzt sind«, so lauten einigeUrteile aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Heutige Besu-cher sehen sicher manches anders – alle sind aufgefor-dert, sich ein eigenes Bild von Stuttgart zu machen.

2 . Stuttgart historisch – ein Gang durchdie Stadt- und Landesgeschichte

Von Bernhard Müller

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»Da liegst du nun im Sonnenglanz,Schön wie ich je dich sah.In deiner Berge grünem Kranz,Mein Stuttgart, wieder da …«

Mit dieser Liebeserklärung des Stuttgarter Dichters undPrälaten Karl Gerok aus dem 19. Jahrhundert tut sich derheutige Besucher schwer. Aber wer an einem schönenNachmittag auf dem Schlossplatz das Panaroma derStadt bis zum Fernsehturm betrachtet, muss zugeben,dass Stuttgart eine schöne Stadt ist. Der Schlossplatz hatetwas »Weltläufig – Großartiges« (Otto Borst) mit fast süd-ländischer Atmosphäre. Nur wenige wissen, dass dieser Platz noch im 19. Jahr-hundert ein abseits gelegener Exerzierplatz gewesen unddie Königsstraße durch Aufschüttung des ehemaligenStadtgrabens entstanden ist. Erst unter König Wilhelm I.wurde der Schlossplatz gärtnerisch gestaltet und »für dieLeute« geöffnet. Wer sich genauer über die Stadt- und Landesgeschichteinformieren will, muss sich zu einem Rundgang ent-schließen, wie er im Folgenden vorgeschlagen wird(Dauer etwa zwei Stunden ohne Abstecher und Innenbe-sichtigungen).An sechs Stationen wird deutlich gemacht, dass dieGeschichte Stuttgarts eng mit der LandesgeschichteWürttembergs zusammenhängt. Weil die deutscheGeschichte bis zur Reichsgründung vorwiegend Landes-geschichte ist und weil der deutsche Nationalstaat sichbis heute föderativ versteht, erhält der Besucher auchEinblicke in die allgemeine Entwicklung und die politi-schen Verhältnisse Deutschlands.

Standort 1: Das »alte« und das »neue« Stuttgart

Wenn man vom Schlossplatz aus auf das Neue und AlteSchloss blickt, den Chor und die Türme der Stiftskirchesowie das Ensemble des Schillerplatzes im Hintergrund,dann steht man ungefähr an der Nahtstelle des »alten«und »neuen« Stuttgart. »Das Neue Schloss will eineDekoration des Ruhms und der Prachtentfaltung sein,während das Alte streng und verschlossen wirkt undseine Schönheit inwendig verbirgt«, schreibt der Schrift-steller Hermann Lenz, der lange in Stuttgart gelebt hat(vgl. III.6). Nach der Erhebung Württembergs zum Königreich durchNapoleon 1806 und dem beträchtlichen Gebietszuwachsnach dem Ende des »Alten Reichs« sollte die bis dahinbeschauliche Residenzstadt aufgewertet und ausgebautwerden. König Friedrich I. beauftragte damit seinen Bau-meister Thouret, der einen Plan für eine klassizistischeStadtanlage vorlegte. Dazu gehörte im Einzelnen derschon erwähnte Ausbau der Königsstraße, der als Pen-dant zum Neuen Schloss gedachte Königsbau mit seinerklassizistischen Säulenfassade, die Friedrichs-Vorstadtals Wohnquartier für »bessere Leute« sowie weitere reprä-sentative Bauwerke in der Neckarstraße (Gemäldegalerie,Wilhelmspalais usw.).Mit der 1846 ins Innere der Stadt geführten Eisenbahn(Kopfbahnhof in der Bolzstraße 10, heute Metropol-Palast-Kino) sowie mit den eisernen Brunnenschalen aufdem Schlossplatz, die von den Schwäbischen Hütten-werken in Wasseralfingen stammen, kündigte sich bereitsdas Industriezeitalter an, dem Stuttgart seinen Aufstiegzur Großstadt verdankt.

Allerdings hat der Abschied von der beschaulichen Resi-denzstadt – mit dem Alten Schloss als Eck- und Bezugs-punkt – schon Mitte des 18. Jahrhunderts mit dem Baudes Neuen Schlosses unter Herzog Carl Eugen begonnen.Die Errichtung des nach französischem Vorbild als Dreiflü-gelanlage mit Ehrenhof gestalteten Neubaus zog sich von1747 bis 1810 hin, der Stadtflügel wurde rechtzeitig zurKönigserhebung und zum Aufenthalt Napoleons fertig. Wenn man bedenkt, dass in der zweiten Hälfte des18. Jahrhunderts nicht nur das aufwändige Schloss in Lud-wigsburg und das Neue Schloss in Stuttgart gebaut wur-den, sondern auch noch Schloss Solitude und das Schlossin Hohenheim, dann lässt sich ermessen, was fürstlicheBaulust und absolutistische Machtfülle für die Entwick-lung Stuttgarts bedeuteten und welche Lasten der Bevöl-kerung zugemutet wurden. Um 1790 lebten in Stuttgartungefähr 18 000 Einwohner, davon 2000 Soldaten und2000 Bedienstete von Hof und Akademie. Die meistenernährten sich von Handwerk oder Landwirtschaft. Vorallem der Weinbau in und um Stuttgart prägte die Stadtdamals und machte sie zu einer Weinhandelsmetropole. Das »alte« Stuttgart mit Schloss, Stiftskirche, Marktplatzund den bescheidenden Häusern der Handwerker undAckerbürger war Mittelpunkt des aufstrebenden Territori-alstaats Württemberg, wie er sich nach Einführung derReformation unter den Herzögen Ulrich und Christoph im16. Jahrhundert herausgebildet hatte. Dieses oft als Mus-ter für eine protestantische Landesherrschaft betrach-tete Altwürttemberg war in einem langen Prozess durchdie Grafen von Württemberg geformt und durch Erwerbvon Herrschaftsrechten, durch Kauf, Tausch, Eroberun-gen sowie eine geschickte Heiratspolitik erweitert wor-den. Das Adelsgeschlecht mit dem schwer zu schreiben-den Namen Württemberg war in der Nachfolge derStaufer groß geworden und hatte Besitz im unterenRemstal. Nach der Zerstörung seiner Stammburg überdem Neckartal, wo heute die Grabkapelle Rotenbergsteht, und der Grablege in Beutelsbach durch die Reichs-stadt Esslingen verlegten die Grafen ihren Stammsitz indas abgelegene und geschützte Nebental des Neckars.Dort befand sich seit langem eine Wasserburg, die zumSchutz eines Stutengartens angelegt worden und durchHeirat in den Besitz der Württemberger gekommen war.Mit der Verlegung der Grablege in die damalige Heilig-Kreuz-Kirche sowie dem Ausbau der Burg zum Schlosswurde Stuttgart Residenzstadt – mit dem Hof als Mittel-punkt und Impulsgeber für die nächsten Jahrhunderte. Das Rössle im Stuttgarter Stadtwappen sowie die dreiHirschstangen aus dem Wappen der Württemberger, wie-der aufgenommen im Vereinswappen für den VfB Stutt-gart sowie im Firmenzeichen der Firma Porsche, deutenheute noch auf diese Entstehungsgeschichte hin.

Stadtgang41

Stuttgart um 1830

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Stadtgang42

Standort 2: Das »Herz« der Stadt – der Schillerplatz

Es handelt sich hierbei um den ehemaligen Schloss-platz (siehe auch III.6), der durch Abriss zahlreicherGebäude zwischen Stiftskirche und ehemaligem StadttorAnfang des 17. Jahrhunderts entstanden ist. Größe und rechteckige Form weisen auf eine planmäßigeAnlage nach italienischem Vorbild hin. Wenn der Platznicht durch Marktbuden vollgestellt ist, kann man seinearchitektonische Schönheit und Funktion erkennen. Ervereinigt die Kernelemente einer Landesherrschaft,nämlich das herzogliche Schloss als Herrschaftssitz, dieevangelische Stiftskirche als Mittelpunkt von Predigt undGlauben, den Fruchtkasten als Zeichen der landesväter-lichen Fürsorge, die Alte Kanzlei mit Rentkammer undLandschreiberei, Registratur und Bibliothek als Ausdruckder bürokratischen Landesverwaltung. Der dem AltenSchloss gegenüberliegende Prinzenbau (ebenfalls mitgroßen Kellergewölben) zeigt auch nach Zerstörung undWiederaufbau die elegante Fassadengliederung derRenaissance. Ursprünglich gehörte die Merkursäule amDurchgang zum heutigen Schlossplatz als Wasserturm fürdie Brunnen zum ehemaligen Lustgarten, die goldglän-zende Merkurfigur ist ein Werk des 19. Jahrhunderts.1590 hatte die Residenzstadt rund 9000 Einwohner. Einselbstbewusstes Bürgertum mit Anspruch auf Mitspracheim Stadtregiment konnte sich bei einem so dominieren-den Stadt- und Landesherren nur schwer durchsetzen. Seit 1286 kann Stuttgart als »Stadt« bezeichnet werden,weil in Urkunden erstmals Stadtmauer, Schultheiß, Rich-ter und Bürger erwähnt werden. Es ist jedoch fraglich, ob

Stuttgart bis zum Jahr1800 tatsächlich dieFunktion einer Stadtausfüllte, wenn darun-ter überregionale Han-dels- und Gewerbebe-ziehungen, kulturelleAusstrahlung und eineMittlerfunktion zwi-schen Stadt undUmland verstandenwerden. Wohlstandund Armut der Bevöl-kerung, Stellung undAnsehen der Bürgerhingen in hohemMaße vom Hof ab.Als Abstecher emp-fiehlt sich von unse-rem Standort einBesuch der Stiftskir-che mit den lebens-großen Standbildernder württembergi-schen Grafen im Chor.Seit 1999 wird die Kir-che grundlegendrenoviert (Fertigstel-lung 2003/4). Derromanische Unterbaudes südlichen Turms

Stuttgart im Jahr 1638.Innere Stadt. Vogelschauplan von Mathias Merian

Stiftskirche

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gehört zusammen mit den Kellergewölben unter demAlten Schloss zu den ältesten Baudenkmälern der Innen-stadt.Im Alten Schloss lohnt vor allem der Innenhof mit sei-nem nach italienischem Vorbild gebauten Arkadenhof, dereinen reizvollen Kontrast zu dem burgartigen Hauptbauund den massiven Rundtürmen darstellt. Sehenswert istauch die 1558–62 eingebaute Schlosskirche, weil sie denersten protestantischen Kirchenbau in Württemberg dar-stellt. Es handelt sich um einen Predigtsaal mit der Kanzelim Mittelpunkt. Die ungewohnte Queranlage ist nicht nurdurch den Schlossflügel vorgegeben, sie entspricht mitder Konzentration auf das Wort und die Predigt auch pro-testantischem Glaubensverständnis. Die Ausschmückungallerdings ist ein Werk des 19. Jahrhunderts.

Standort 3: Hospitalhof

Weil man Stadtgeschichte nicht nur über Bauwerke ver-mitteln kann, wird für die politischen und geistesge-schichtlichen Zusammenhänge ein Besuch im Hospital-hof vorgeschlagen, in dessen Innenhof (einemehemaligen Kreuzgang) man eine ruhige Zwischenpauseeinlegen kann.Ursprünglich gehörte die Hospitalkirche gehörte zu einemDominikanerkloster, das nach der Reformation in ein Bür-gerhospital umgewandelt wurde. Heute verbindet sich mitdem »Hospitalhof« eine weit über Stuttgart hinausbekannte Einrichtung der Evangelischen Erwachsenenbil-

dung.Das Denkmalaus dem Jahr1917 an derAußenseiteder Kirche mitden Reforma-toren Lutherund Brenzkann alsAnlass die-nen, auf dieBedeutungder Reforma-tion fürStuttgart undWürttembergeinzugehen.1534 beend-ete die Rück-kehr des zumLuthertumübergetrete-nen HerzogsUlrich nachdem Siegüber die

Habsburger deren vorübergehende Herrschaft in Würt-temberg, zu der es wegen der verfehlten Politik des Her-zogs gekommen war. Unter seinem Sohn und NachfolgerHerzog Christoph wurden Land und Herrschaft neugeordnet. Die Kirche wurde verstaatlicht, der Staat ver-kirchlicht, der Landesherr war als Fürst von Gottes Gna-den oberster Bischof und fühlte sich für das zeitlicheWohl und ewige Heil seiner Untertanen gleichermaßenverantwortlich. Mit der Einführung des neuen Glaubens

war ein erheblicher Machtzuwachs verbunden, weil derLandesherr die Oberaufsicht über die Kirche erlangt hatteund über wertvollen Klosterbesitz verfügen konnte. VieleKunstschätze im Württembergischen Landesmuseumweisen darauf heute noch hin.Im 18. Jahrhundert wurde eine als Pietismus bezeichnetereligiöse Erneuerungsbewegung neben der Landeskirchegeduldet. Ihr werden die zum Klischee erstarrten schwä-bischen Tugenden wie Fleiß, Sparsamkeit, Ordnungsliebesowie Enge und Strenge als Schlüsselwörter für die alt-württemberger und Stuttgarter Verhältnisse zugeschrie-ben. Durch die Reformation wurde das Schul- und Bil-dungswesen in Württemberg entwickelt und mit denzahlreichen Lateinschulen, Seminaren und dem TübingerStift ein Bildungsniveau erreicht, das langfristig die natür-liche Benachteiligung des Landes ausgleichen konnte.

Standort 4: Staatstheater und Landtag

Wer vom Eckensee/Theatersee aus auf das Landtagsge-bäude blickt, wird von dem architektonischen Kontrastzwischen dem Großen Haus der WürttembergischenStaatstheater und dem Gartenflügel des Neuen Schlos-ses überrascht sein. Es war eine mutige Entscheidung,diesen modernen Bau in Anlehnung an die ArchitekturMies van der Rohes zwischen die Gebäude aus demAnfang des 20. und Ende des 18. Jahrhunderts zu stellen.Der 1959–1961 errichtete, klar gegliederte und mit Glasverkleidete Bau auf quadratischem Grundriss beherbergtdie Landtagsverwaltung und den Plenarsaal und soll dasoffene Prinzip der Demokratie verkörpern. Stuttgart wurde erst 1976 offiziell der Titel »Landeshaupt-stadt« verliehen. Diese Rangerhöhung umfasst auch dieVerpflichtung des Landes, sich kulturell und finanziell inder Landeshauptstadt zu engagieren. Gleichzeitig wurdedadurch aber auch die Angst vor dem Zentralismusgeweckt, sowohl in der Region um Stuttgart als auch inden übrigen Teilen des Landes Baden-Württemberg. »InWürttemberg ist es Christenpflicht, gegen Stuttgart zusein«, so formulierte es gelegentlich der frühere Oberbür-germeister Rommel. Deshalb achtet die Politik des Lan-des sorgfältig darauf, dass neben Stuttgart mit dem Sitzvon Landesregierung, Landtag sowie zahlreicher Landes-einrichtungen die übrigen Regionen nicht benachteiligtwerden.Schon die Residenzstadt Stuttgart beherbergte einen»Landtag«, eine vom Herzog einberufene Ständevertre-

43 Stadtgang

Der Reformator Brenz an der Außenseite derHospitalkirche

Staatstheater, Kleines Haus, daneben rechts Großes Haus(Staatsoper), (links) und Landtag (rechts davon)

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tung, welche weitreichende Mitbestimmungsrechte beiSteuer- und Grundsatzfragen hatte. Die Machtverteilungzwischen Herzog und Landtag, damals keine Volksvertre-tung im heutigen Sinn, wohl aber eine Vertretung breiterBevölkerungsschichten der Städte und Ämter, war 1514im Tübinger Vertrag festgelegt worden. Diese lange »par-lamentarische« Tradition veranlasste den württember-gisch-badischen Ministerpräsidenten Reinhold Maier1945 zu folgender Formulierung gegenüber der amerika-nischen Besatzungsmacht: »Wir brauchen keine Nach-hilfe in Demokratie und Parlamentarismus …« Wichtigerals eine derart verklärte Tradition ist die Tatsache, dassmit der landständischen Verfassung die Herausbildungeiner bürgerlich-protestantischen Führungsschicht ver-bunden war, welche als »Ehrbarkeit« die gesellschaft-lichen Verhältnisse in Württemberg und Stuttgart jahrhun-dertelang geprägt hat.

Standort 5: Kulturmeile und Stadtautobahn

Zwischen Neuem Schloss und Landtag durchquert manReste des ehemaligen Akademiegartens, in dem von1775–95 die berühmte Hohe Carlschule untergebrachtwar. Die Reste der alten Schloss- und Kasernengebäude(Residenzstadt bedeutete immer auch Garnisonsstadt!)fielen dem Zweiten Weltkrieg und der modernen Ver-kehrsplanung zum Opfer. Wenn man auf dem Fußgängersteg über die Konrad-Ade-nauer-Straße stehen bleibt, ist die so genannte »Kultur-

meile« gut zu überblicken. Gegenüber dem Staatstheater(1907–1912 erbaut) über der Straße zur Rechten derberühmte Neubau der Staatsgalerie von 1984, einHauptwerk der Postmoderne (vgl. H. 43/44 der Reihe

: Europa in Baden-Württemberg, S. 30–33), dane-ben der 1838–43 errichtete Altbau. Zu dem von dem briti-schen Stararchitekten James Stirling geplanten Ensemblegehören auch die Musikhochschule und das Haus derGeschichte Baden-Württemberg. Seit Dezember 2002wird in diesem »Forum für Landesgeschichte« einemoderne und attraktive Ausstellung zu 200 Jahren Lan-desgeschichte, von Napoleon bis zur Gegenwart, gezeigt.Daran anschließend folgen die Württembergische Lan-desbibliothek, das Hauptstaatsarchiv Stuttgart und am

Ende das Wilhelmspalais. Durch die mehrspurige Stadt-autobahn und den ständigen Verkehrslärm gestört, kannman sich nur schwer mit der Bezeichnung »Kulturmeile«anfreunden. Vorschläge, die Straße zu überdeckeln undeine Fußgängerzone einzurichten, haben nur wenig Aus-sicht auf Verwirklichung. Heute steht das klassizistisch-vornehme Wilhelmspalaisrelativ isoliert da. Ursprünglich war es auf die »Planie«,eine künstlich angelegte Flanierzone mit Bäumen, undderen nördlichen Endpunkt, das Kronprinzenpalais, bezo-gen. Die moderne Verkehrsplanung hat diese alte Anlagevöllig zerstört.Das Wilhelmspalais war letzter Wohnsitz des württember-gischen Königs, der im November 1918 zur Abdankung

gezwungen wurde. Verbittert zog sich der sehr populäreMonarch, der bei seinen Spaziergängen in der Stadt mit»Grüß Gott, Herr König« begrüßt wurde, nach Bebenhau-sen zurück und hat Stuttgart nie mehr betreten.

Standort 6: Das Denkmal am Karlsplatz

Denkmäler für Herzöge und Könige gibt es in Stuttgartviele. Auch zahlreiche moderne Plastiken schmücken dieheutige Fußgängerzone. Ein bescheidenes Denkmal ander Südseite des Alten Schlosses auf dem Karlsplatz wirdleicht übersehen. Es erinnert an die Zeit des Nationalsozi-alismus und ist den Opfern der Gewaltherrschaft gewid-met.

Stadtgang

Die »Kulturmeile«: Blick vom Fußgängersteg nach Osten

Wilhelmspalais

Denkmal am Karlsplatz

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Von Ernst Bloch stammt die Inschrift:»1933 bis 1945. Verfemt, verstoßen, gemartert, erschla-gen, erhängt, vergast. Millionen Opfer der nationalsozia-listischen Gewaltherrschaft beschwören Dich: Niemalswieder!«In der »Kleinen Geschichte Stuttgarts« finden sich fol-gende Angaben: »14 000 gefallene Soldaten, 4600 Luftkriegstote, unterihnen 770 Fremdarbeiter und Kriegsgefangene, 1200 bis1400 alliierte Luftwaffenangehörige, die bei Einsätzenüber dem Stadtgebiet den Tod fanden (…) große TeileStuttgarts lagen unter riesigen Schuttmassen begraben.Von den 68 000 Gebäuden im Stadtgebiet waren 39 125oder 57,5 % zerstört oder beschädigt.« (Sauer, 1991,S. 84).Von den knapp 5000 Juden in Stuttgart konnte mehr alsdie Hälfte emigrieren, über 2000 wurden vom Sammella-ger Killesberg aus in die Lager transportiert. Nur etwa 250überlebten die NS-Zeit. Heute erinnern einige Straßenna-men und das Studentenwohnheim Max Kade an die Ver-treter der jüdischen Gemeinde vor dem Krieg. 1933 wurde Stuttgart der Titel »Stadt der Auslandsdeut-schen« verliehen. Bei einer Kundgebung mit Adolf Hitlerin der damaligen Stadthalle (heute steht dort dasGebäude des SWR) im Jahr 1933 wurde von kommunisti-schen Widerstandskämpfern das Übertragungskabeldurchgeschnitten, so dass die Veranstaltung abgebro-chen werden musste. Hitler soll die Stadt daraufhingemieden haben. Über die Widerstandsszene im Umkreis von RobertBosch berichtet das Kapitel III.3. Erwähnenswert ist, dassder Widerstandskämpfer Graf Stauffenberg und sein Bru-der in Stuttgart zur Schule gegangen sind. An den letztenwürttembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz (1933als württembergischer Staatspräsident zum Rücktrittgezwungen, nach dem 20. Juli 1944 zum Tode verurteiltund hingerichtet) erinnern eine Straße und eine Gedenk-tafel am Königsbau (vgl. Politische Denkmäler. In: Politik& Unterricht, H. 4/2002, hrsg. von der Landeszentrale fürpolitische Bildung Baden-Württemberg, besonders S. 5).Inzwischen sind in der Stadt fast alle Spuren der NS- undKriegszeit beseitigt. Wiederaufbau und wirtschaftlicherAufstieg haben aus Stuttgart eine andere Stadt gemacht.

Extratipps für Geschichts- undArchitekturinteressierte (Red.)

Wer noch zwei bis vier Stunden Zeit hat, wendet vomZentrum aus den Blick nach Norden und kann vomHauptbahnhof mit der Stadtbahn U 7 zum Killesberg, Hal-testelle Messe, oder mit dem Bus 43, Haltestelle Kunst-akademie, fahren. Dort oben können besichtigt werden:die Weißenhofsiedlung und das Theodor-Heuss-Haus mitErinnerungsstätte und Ausstellung.

➜ Theodor-Heuss-Haus, Erinnerungsstätte und Aus-stellung

Eine ständige Ausstellung im früheren Stuttgarter Wohn-haus des ersten Bundespräsidenten dokumentiert dasvielfältige politische und kulturelle Wirken von TheodorHeuss zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik. Umeinen Eindruck von Heuss’ Lebensstil Ende der fünfziger,Anfang der sechziger Jahre zu vermitteln, ist im Erdge-

schoss das Arbeits-, Wohn- und Esszimmer mit den nocherhaltenen Originalmöbeln rekonstruiert worden. Im Gar-tengeschoss erwartet den Besucher eine ständige Aus-stellung, die das Leben des Journalisten, Schriftstellers,Dozenten und Staatsmannes zeigt und es in vier Epochendeutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts einbettet. Sokönnen die großen Zäsuren der deutschen Geschichtedes 20. Jahrhunderts im Spiegel seines Lebenslaufsbetrachtet werden. Originalexponate, Ton- und Filmdoku-mente lassen Geschichte und Politik lebendig werden.Auch kann man sich interaktiv betätigen und zum Beispielwie ein Journalist auf elektronische Spurensuche gehen.

Adresse:

Theodor-Heuss-Haus, Erinnerungsstätte und AusstellungFeuerbacher Weg 4670192 StuttgartTel. 07 11/25 35 558 (Anmeldung für Führungen)Fax 07 11/25 35 132www.stiftung-heuss-haus.deÖffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18 Uhr,jeden ersten Donnerstag im Monat 10.00 bis 20.00 Uhr

• Lesetipp – auch für Schüler und Studenten:

Theodor Heuss. Heft 26/1993 der Reihe, hrsg. von der Landeszen-

trale für politische Bildung Baden-Württemberg. Mit einer bebilderten Zeittafel, Heuss-Anekdoten, Vor-schlägen für die Unterrichtspraxis, zahlreichen zeitgenös-sischen Abbildungen und Textquellen im Materialienteilfür Schüler.Bestellungen:Tel. 0711/164099-45Fax 0711/164099-77E-Mail [email protected] online: http://www.lpb.bwue.de

➜ Die Weißenhofsiedlung – ein Aushängeschild moderner Architektur

Anlässlich der 1927 vom Deutschen Werkbund unter demThema »Die Wohnung« veranstalteten Ausstellung wurdesüdwestlich des Killesbergs auf einem von den heutigenStraßen Am Weißenhof, Rathenau- und Friedrich-Ebert-Straße begrenzten Gelände von den damals führendsten

D E U T S C H L A ND & EU R O PA

Stadtgang45

Blick in die ständige Ausstellung

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Stadtgang46

europäischen Architekten eine Einzelhaussiedlung ange-legt, die in einzigartiger Weise die zukunftsweisendeBauweise der zwanziger Jahre widerspiegelte: die Wei-ßenhofsiedlung. Vor allem die WerkbundvorsitzendenLudwig Mies van der Rohe, Theodor Heuss und PeterBruckmann hatten das Projekt mit Nachdruck betrieben.Ziel des Architekturwettbewerbs war, moderne Wohnfor-men in Fertigbauweise vorzustellen. Die Vorgaben hießen:neue Materialien benutzen, Kosten sparen, Gebäude,Möbel, Kücheneinrichtungen in klaren Linien und Formenerstellen bzw. anfertigen.Aufgrund eines ordentlichen Wohnungsbauprogrammsder Stadt Stuttgart entstanden noch 1927 innerhalb vonnur acht Monaten insgesamt 33 Einzelgebäude, Ein- undMehrfamilienhäuser mit 60 Wohneinheiten.Teilnehmende Architekten und Künstler waren unteranderem:Ludwig Mies van der Rohe, Peter Behrens, Walter Gro-pius, Pier Jeanneret, Le Corbusier, Jacobus JohannesPieter Oud, Hans Poelzig, Hans Scharoun, Adolf G.Schneck, Bruno Taut, Max Taut.Sie entwarfen gewissermaßen die Bauhaus-Architekturauf dem Killesberg mit kubischen Gebäudeformen,Flachdächern, freier Grundrissgestaltung und Fensterb-ändern. Heftig umstritten war die Siedlung schon bei ihrer Pla-nung, mehr noch nach ihrer Fertigstellung. Der Architektdes Hauptbahnhofs zum Beispiel, Paul Bonatz, der eineBebauung mit traditionellen Satteldächern vorgeschlagenhatte, bezeichnete die Siedlung als »Vorstadt Jerusa-lems«. Ein weiteres herabwürdigendes Etikett war»Schwäbisch Marokko«.Die Nationalsozialistenempfanden sie alsundeutsch und rechnetensie zur »Entarteten Kunst«.Der Zweite Weltkrieg ver-hinderte den Abriss, Bom-benangriffe zerstörtenjedoch fünf von 21 Muster-häusern, weitere fünf wur-den abgerissen. Elf erhal-tene Originalbauten kamen1958 unter Denkmalschutz.Aber erst durch das Enga-gement des Vereins»Freunde der Weißenhof-siedlung« erfolgte 1979–1986 eine Sanierung undoriginalgetreue Restaurie-rung von elf Häusern. DerDenkmalschutz weitet sichzur Zeit aus auf die histori-sche Wegführung samtStraßenbelag und Parzellie-rung, wie sie der Bebau-ungsplan von Mies van derRohe ursprünglich vorsah.

Standort: Weißenhofsiedlung, Am Weißenhof, 70191StuttgartKontakt: Weißenhof-Informationszentrum, Freunde derWeißenhofsiedlung e.V.Am Weißenhof 20, 70191 StuttgartTel. 0711/2579187 oder [email protected] [email protected](Sonderführungen für Gruppen nach Vereinbarung)Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 14 Uhr,Sonntag 10 bis 15 UhrInternet: http://www.weissenhof2002.de,http://www.weissenhofsiedlung.de

Literaturhinweise

Borst, Otto: Stuttgart – die Geschichte der Stadt. Theiss, Stutt-gart/Aalen 1973

Sauer, Paul: Kleine Geschichte Stuttgarts. Kohlhammer, Stuttgart1991

Ders.: Geschichte der Stadt Stuttgart, Band 2 und 3, hrsg. von derLandesgirokasse, Stuttgart 1993 und 1995

Schukraft, Harald: Wie Stuttgart wurde, was es ist. Silberburg-Verlag, Tübingen 1999

Skrentny, Werner/Arbogast, Ralf (Hrsg.): Stuttgart zu Fuß. VSA-Verlag, Hamburg 1988

Stuttgart im Blick. Eine Ausstellung des Stadtarchivs 2002 [Katalog]

Wörner, Martin/Lupfer, Gilbert: Stuttgart – ein Architekturführer.Reimer, Berlin 1997

Doppelhaus von Le Corbusier und Pierre Jeanneret

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Robert Bosch47

Von Bernhard Müller

S t u t t g a r t3 . E i n s o z i a l e r U n t e r n e h m e r –

R o b e r t B o s c h

Die Robert Bosch GmbH ist heute eine Weltfirmamit rund 35 Milliarden Euro Umsatz, davon

72 Prozent im Ausland, und rund 224 000 Mitarbei-tern, davon 109 000 im Ausland. Im Jahr 2001 betrugder Jahresüberschuss 650 Millionen Euro. Großgeworden ist die Firma durch die Kraftfahrzeugtech-nik vom Magnetzünder bis zum Antiblockiersystem,aber sie ist auch in anderen Geschäftsfeldern erfolg-reich tätig: Elektrowerkzeuge, Hausgeräte, Fabrik-automatisierung, Verpackungsmaschinen und vielesmehr. Die Struktur des Bosch-Konzerns geht ausfolgender Grafik hervor:

An die bescheidenen Anfänge der 1886 von RobertBosch gegründeten »Werkstätte für Feinmechanik undElektrotechnik« mit einem Mechaniker und einem Lehr-ling erinnert heute nur noch eine Plakette in der Rotebühl-straße 73 B. Der Aufstieg der Firma Bosch hängt eng mitdem Siegeszug des Automobils nach 1900 und der Ent-wicklung Stuttgarts zur Industrie- und Autostadt zusam-men. Für das Erfolgsmodell »Mercedes« von Daimler-Benz lieferte Bosch die elektromagnetische Zündung, die

sein Unternehmen weltweit bekannt machte und zurräumlichen und personellen Expansion führte. 1913beschäftigte die Firma über 4500 Mitarbeiter, der Umsatzstieg von 295 000 Mark im Jahr 1900 auf 26,8 Millionenim Jahr 1913. Zwischen 1905 und 1913 wurden in demGebiet zwischen Breitscheid-, Seiden- und Holzgarten-straße Fabrikgebäude in der damals neuen Skelettbau-weise errichtet, die teilweise in dem heutigen modernenBosch-Areal als Industrie- und Architekturdenkmal erhal-ten sind. 1964 hat die Firma Bosch das Gelände aufgege-ben und an das Land Baden- Württemberg verkauft. Seit1909 produziert Bosch in dem Vorort Feuerbach; die Kon-zernzentrale befindet sich heute in Stuttgart-Gerlingen.

1914 bestand die elektrische Aus-rüstung eines Kraftfahrzeugs imWesentlichen aus Anlasser undBatterie, Zündung, Leuchten undLichtmaschine. Heute lässt sich dieElektronik im Auto(mobil) kaumnoch aufzählen: Außer der verbes-serten Antriebs- und Anzeigetech-nik gehören Kommunikations- undNavigationsinstrumente dazu, eineverfeinerte Sicherheitstechnik sowiehochtechnisierte Einspritz- undAbgasregelungen.Nicht alle, aber viele Verbesserun-gen wurden von Mitarbeitern derFirma Bosch entwickelt. Der Fir-mengründer selbst hat keine bahn-brechenden Erfindungen gemacht.Er verdankt seinen Aufstieg seinenUnternehmereigenschaften, dieTechnik und Industrie, Personalfüh-rung und Sozialpolitik erfolgreichverbinden. In seinen autobiografi-schen Aufzeichnungen bezeichnetsich Bosch selbst als »Unternehmermit sozialem Verständnis«, derschon früh (1906) den Achtstunden-tag eingeführt und eine vorbildlicheBetriebsfürsorge angeregt hat, der1910 den freien Samstagnachmit-tag gewährte und vor dem ErstenWeltkrieg weit höhere Löhne zahlteals branchenüblich. »Ich zahle nicht gute Löhne, weilich viel Geld habe, sondern ich

habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle« – dieser vonTheodor Heuss in seiner Biografie zitierte Satz deutet an,worin sich Bosch von anderen Unternehmern seiner Zeitunterschied.Vor allem in der Auswahl und Einstellung seiner Beschäf-tigten hatte er eine glückliche Hand: »Ich wollte mir willigeMitarbeiter heranziehen, und zwar dadurch, dass ichjeden möglichst selbstständig arbeiten ließ, ihm dabeiaber auch die entsprechende Verantwortung auferlegte.«

Die Struktur des Bosch-Konzerns

Robert Bosch Industrietreuhand KG*

Persönlich haftende Gesellschafter: Hermann Scholl (Bosch), Tilman Todenhöfer (Bosch)

Kommanditisten:Christof Bosch (Familie), Bo Berggren (Stora), Urs Rinderknecht (UBS),Franz Fehrenbach (Bosch), Hans Peter Stihl (Stihl), Peter Adolff (Allianz)

Beteiligung: 0,01 Prozent Stimmen: 93 Prozent

Robert Bosch GmbH

Stammkapital 1,2 Mrd. Euro (Zahlen 2002)

35,0 Mrd. Euro Umsatz, davon:• Kraftfahrzeugtechnik 23,3 Mrd. Euro• Industrietechnik 4,0 Mrd. Euro• Gebrauchsgüter 7,7 Mrd. Euro

Gebäudetechnik

RobertBosch

StiftungGmbH

Beteiligung:92 Prozent

kein Stimm-recht

FamilieBosch

Beteiligung:8 Prozent Stimmen:7 Prozent

* Zusammensetzung ab 1. Juli 2003

Nach: Stuttgarter Zeitung, 21. 6. 2003, S. 13 (Quelle: Bosch)

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Robert Bosch48

1953 hat die Robert Bosch GmbH als erstes deutschesUnternehmen einen Gesamtbetriebsrat installiert.Über die Grundsätze der Unternehmensführungschreibt Hans Walz, sein engster Mitarbeiter: »OptimaleQualität und Preiswürdigkeit, so lautet die magische For-mel, womit Robert Bosch sich allezeit Bahn geschaffenhat in freiem Wettbewerb mit dem fachlichen Können

einer ganzen Welt.« Bosch, der sich in seiner Jugendselbst als Sozialist bezeichnet hat, führte sein Unterneh-men bewusst patriarchalisch. Noch in seinen letztenLebensjahren sprach er von der »Werksfamilie«, undlange Zeit kannte er viele seiner Mitarbeiter persönlich. Der Erste Weltkrieg brachte für Robert Bosch und seineFirma nicht nur steigende Umsätze und Gewinne, son-dern führte auch zu einem Umdenken bei ihm selbst. »Ichfasste Ende 1916 den Entschluss, meinen Kriegsgewinnzu einer Stiftung für die Erbauung des Neckarkanals zuverwenden. Außer dieser Kanalstiftung habe ich auchnoch dem Verein Homöopathisches Krankenhaus unddem Verein zur Förderung der Begabten Mittel zugewen-det.« In den Richtlinien für die bereits 1921 gegründeteBosch-Vermögensverwaltung hieß es:

Sichtbarster Ausdruck dieser (wie man heute sagenwürde) Unternehmensphilosophie sind der Bau desRobert-Bosch-Krankenhauses am Pragsattel, heute Sitzder Landespolizeidirektion, sowie die Kanalisierung desNeckars. Schon 1910 hat Bosch eine Million Mark fürForschung und Lehre der Technischen Hochschulegespendet. Der heutigen Robert Bosch Stiftung gehören92 Prozent des Stammkapitals der Firma. Ihr fließenregelmäßig Dividenden zu, aus denen die Aktivitäten derStiftung finanziert werden. Antrieb für seine Stiftungenund Spenden waren nicht Wohltätigkeit oder Frömmig-keit, sondern Gerechtigkeitsempfinden. In gewissem Sinnnimmt Robert Bosch die Forderungen des Grundgesetzes(Artikel 14) vorweg, wo es heißt: »Eigentum verpflichtet.

»Meine Absicht geht dahin, neben der Linderung vonallerhand Not, vor allem auf Hebung der sittlichen,gesundheitlichen und geistigen Kräfte des Volkeshinzuwirken. Es soll gefördert werden: Gesundheit,Erziehung, Bildung, Förderung Begabter, Völkerver-ständigung …«

Bosch-Haus in der Heidehofstraße, Sitz der Robert BoschStiftung

Robert Bosch prüft im Verkaufshaus Frankfurt die Arbeit einesLehrlings, 1936

Das Bosch-Werk in Stuttgart-Feuerbach 1963

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Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheitdienen.« Schon 1884 schrieb der Unternehmer seinemBruder in einem Brief aus den USA: »Ich war nach Ame-rika gegangen, um mich in der Welt umzusehen, dannaber auch, weil den jungen Demokraten, der ich ausErziehung und nach dem Vorbild meines Vaters war, die-ses Land der Freiheit besonders lockte. Es gefiel mirSchwärmer aber nicht in dem Land, in dem der Ecksteinder Gerechtigkeit fehlte: die Gleichheit vor dem Gesetz.«Es ist hier nicht der Ort, über die zahlreichen Aktivitätender Bosch Stiftung zu informieren. Das kann unter derInternet-Adresse www.bosch-stiftung.de nachgelesen wer-den. Aber dass die Stiftung besonders für Osteuropa undPolen auch schon vor der Wende 1990 zahlreiche Pro-jekte in den Bereichen Bildung und Erziehung sowie Völ-kerverständigung, insbesondere den deutsch-polnischenSchüleraustausch, förderte, muss an dieser Stellewenigstens erwähnt werden. Als Beispiel sei auf die 50Bände der Polnischen Bibliothek hingewiesen, einerrepräsentativen Auswahl wichtiger Werke der polnischenLiteratur, zum größten Teil übersetzt und betreut von demaus »ód< stammenden Karl Dedecius. Seit 1986 hat die Bosch Stiftung ihren Sitz in der ehema-ligen Privatvilla von Robert Bosch auf dem Heidehof inStuttgart, einem 1910/11 errichteten Landhaus im antiki-sierenden Stil mit Jugendstilelementen. Der Vergleich mitden Poznaøski-Palästen in »ód< (siehe oben I.4) zeigt denKunstsinn und die Naturverbundenheit des Firmengrün-ders.Obwohl Robert Bosch persönlich Hitler und dem Natio-nalsozialismus ablehnend gegenüberstand, war die Firmain die deutsche Kriegswirtschaft eingebunden. Hitlerzeichnete den Betrieb als nationalsozialistischen Muster-betrieb aus, Bosch selbst wurde als Pionier der Arbeitgeehrt und erhielt die Ehrenbürgerwürde der Stadt Stutt-

gart. Die Firma profitierte von der Rüstungswirtschaft undbeschäftigte während des Krieges Zwangsarbeiter. 1942wurde Robert Bosch im Rahmen eines Staatsaktes beer-digt, doch: »Der Führer kommt nicht, die mögen sichnicht leiden«, so berichten Zeitzeugen über die damaligenVerhältnisse. Damit wird auf die grundsätzliche Opposi-tionshaltung des Firmenchefs und führender Mitarbeiterangespielt, die enge Verbindungen zu Widerstandskreisenunterhielten, das Ausland vor den Gefahren des NS-Regi-mes warnten, vielen Verfolgten halfen und jüdischeLandsleute unterstützten.Auch der weitgestreute Bekanntenkreis von RobertBosch (unter anderem Clara Zetkin, Theodor Heuss, CarlGoerdeler, Rudolf Breitscheid) weist auf eine gewisseAußenseiterrolle des Unternehmers hin. Vielleicht hängtdiese auch mit seiner Herkunft (er war das achte Kindeines Bauern und Gastwirts von der Ulmer Alb) und sei-nem Aufstieg als Selfmademan zusammen. Boschstammte nicht aus der Alt-Stuttgarter Handwerker-,Beamten- oder Kaufmannstradition. Gleichwohl ist er soetwas wie Stuttgarts »Vorzeigeunternehmer« geworden:fortschrittlich, weltoffen, bescheiden und erfolgreich. Erhat aus kleinen Anfängen eine Weltfirma geschaffen.

Literaturhinweise

Heuss, Theodor: Robert Bosch. Leben und Leistung. Rainer Wun-derlich Verlag, Tübingen 1946. Erweiterte Neuausgabe 2002,Deutsche-Verlags-Anstalt, Stuttgart 1986

Scholtyseck, Joachim: Robert Bosch und der liberale Widerstandgegen Hitler 1933–1945, Verlag C. H. Beck, München 1999

Robert Bosch49

Die Robert Bosch Stiftung istgeradezu ein Spiegelbild derRegion Stuttgart. Sie ist bo-denständig und weltoffen –und stellt ihr Licht perma-nent unter den Scheffel. (…) Dabei hat die Stiftung entge-gen allen Trends in Wirt-schaft und Staat in lediglichfünf Jahren ihre Projektmit-tel und auch die Zahl ihrerBeschäftigten verdoppelt.Heute arbeiten fast 70 Be-schäftigte in der Bosch-Villa.Es werden noch mehr wer-den. Gemäß des Vertrageszwischen dem Bosch-Kon-

zern und der Stiftung be-kommt die Stiftung umsomehr Geld, je mehr Gewinneder Konzern erwirtschaftet.(…) Die Stiftung handeltebenso im Westen Europaswie im Osten des Konti-nents. (…) Die Förderung der Stiftungerreicht vornehmlich jungeMenschen, wie die zahlrei-chen Stipendien-, Lektoren-,und Tutorenprogramme so-wie Wettbewerbe und Preisefür Schüler und Jugendlichedeutlich machen. Ein Haupt-ziel ist die Pflege der Bezie-

hungen Deutschlands zuFrankreich, zu den Ländernin Mittel- und Osteuropaund zu den USA. (…)Im Moment, so [Dieter]Berg, [der Geschäftsführerder Stiftung], bedürfe dastransatlantische Verhältnisbesonderer Aufmerksamkeitund wirksamer Impulse.(…) Berg vertraut aber demdichten Netzwerk zwischenDeutschland und Amerika.(…) Und die Stiftung ver-steht sich zu Recht als Teildieses Netzwerkes.(…)

Die Stiftung beteiligt sichaber auch am Wettbewerb»Jugend debattiert«, an demrund 16 000 Schüler in ganzDeutschland einen Wettstreitum die besten Argumenteausführen. Sie unterstützt dastrinationale Schülerclubpro-gramm »klub-net«, das Kin-der und Jugendliche in demZiel unterstützt, Eigeninitia-tive zu entwickeln und Ver-antwortung zu übernehmen.Dabei sind auch die Deutscheund die Polnische Jugendstif-tung sowie die tschechischeBürgerstiftung. (…)

»Unser Netzwerk … wird halten«Von Adrian Zielcke

Nach: Stuttgarter Zeitung, 22. Mai 2003, S. 4

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Wiederaufbau50

Von Bernhard Müller

4Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegshatte der Wiederaufbau das Ziel, schnell Wohn-

und Geschäftsräume zur Verfügung zu stellen.Gleichwohl gelang es, einige städtebauliche undarchitektonische Akzente zu setzen. Der Neubau derStuttgarter Liederhalle 1956, das Rathaus und derMarktplatz sowie die Schulstraße als Fußgängerzonegehören in diesen Zusammenhang.

»Der neugestaltete Marktplatzflügel soll Zeugnis ablegenvon der fortschrittlichen, gediegenen Baugesinnungunserer Zeit und unserer Stadt«, heißt es in den Wettbe-werbsrichtlinien des Gemeinderats für den Wiederaufbaudes Rathauses 1953. Am bekanntesten unter den moder-nen Bauwerken nach 1945 wurde der von den Architek-ten Fritz Leonhard und Erwin Heinle zwischen 1954–1956erbaute Fernsehturm. Bei Baubeginn heftig umstritten, ister zum weltbekannten Wahrzeichen geworden (Höhe 217Meter, erster Fernsehturm der Welt in Spannbeton, vgl.auch I.1). Weitreichende Änderungen erfolgten in der Ver-kehrs- und Straßenplanung: Der auf den Generalver-kehrsplan von 1962 zurückgehende City-Ring bildet denbis heute sichtbarsten Ausdruck einer Planung für eineautogerechte Stadt im engen Stuttgarter Talkessel. Imschönsten Bürokratendeutsch wurde als Ziel formuliert:»Schaffung eines technisch vollkommenen, leistungsfähi-gen Netzes von Hauptverkehrsstraßen über die ganzeStadt, für die Zurücklegung großer Entfernungen und füreine Fahrtechnik mit angemessen hoher Geschwindig-keit.« (Fecker, S. 118)

Wer die Zerschneidung der Innenstadt durch die zweigroßen West-Ost-Achsen mit ihren mehrspurigen Quer-verbindungen sowie die Unterbrechung der Schlossgar-tenanlage beklagt, sollte bedenken, dass die ausgedehn-ten Fußgängerzonen um die Königstraße ohne dieseStadtautobahnen mit ihren Tunnels und Hochstraßennicht möglich gewesen wären. Auch die U-Bahn (unterir-dische Führung der Straßenbahn) gehört zu den positivenAuswirkungen dieser Verkehrsplanung. Urbane Wohn-quartiere in der Stadt wie zum Beispiel das Bohnenvier-tel sind erst durch die brutalen Verkehrsschneisen mög-lich geworden.Oberbürgermeister Arnulf Klett (1945–74) wurdezunächst von der amerikanischen Besatzungsmacht insein Amt eingesetzt, später aber mehrmals mit großerMehrheit von der Bevölkerung bestätigt. 1946 hielt derdamalige US-Außenminister James F. Byrnes im GroßenHaus der Württembergischen Staatstheater in Stuttgartseine vielbeachtete »Rede der Hoffnung«, in der denDeutschen erstmals die Rückkehr in den Kreis der freienund friedliebenden Völker in Aussicht gestellt wurde. Dieengen Beziehungen zwischen Stuttgart und den USA, dieaus der Besatzungszeit herrühren, dauern bis heute an.Trotz des Abzugs der amerikanischen Truppen nach demEnde des Kalten Kriegs blieb das US-Hauptquartier fürEuropa (Eucom) in Stuttgart. Es handelt sich, von derÖffentlichkeit kaum beachtet, um eine wichtige Schalt-stelle für den weltweiten militärischen Einsatz der USA. Es kann in diesem Kapitel kein Überblick über die ganzeNachkriegsgeschichte Stuttgarts gegeben werden. Das

S t u t t g a r t4 . W i e d e r a u f b a u u n d

M o d e r n i s i e r u n g

Generalverkehrsplan für Stuttgart, 1962/65 (Stadtplanungsamt): »City-Ring-System«

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gilt auch für die »Ära Rommel« (1974–96), in der dieModernisierung der Landeshauptstadt fortgesetzt wurde.Die überdachte Einkaufspassage gehört zu den Attraktio-nen der Stuttgarter Innenstadt. Sie wurde 1974–78 überder denkmalgeschützten Calwer Straße in Verbindung mitdem Neubau der Allgemeinen Rentenanstalt errichtet undgilt als Beispiel für eine gelungene Denkmalsanierung.Zu den baulichen Ver-änderungen kam eintief greifender Struk-turwandel, der miteinigen statistischenAngaben verdeutlichtwerden kann. Am auf-fallendsten ist dieBevölkerungsent-wicklung:

1962 640 5601974 612 2961987 551 4042002 591 000

Gleichzeitig nahm dieausländische Wohn-bevölkerung zu: Siebeträgt heute rund135 000, das heißtfast ein Viertel der Ein-wohner Stuttgarts hatkeinen deutschenPass. Zwischen 1970und 1987 gingen70 000 Arbeitsplätzein der gewerblichenProduktion verloren; der

Dienstleistungssektor nahm entsprechend zu. Der Büro-komplex der Allianz hinter dem Charlottenplatz sowie dieneue Konzernzentrale von DaimlerChrysler in Stuttgart-Möhringen sind der architektonische Ausdruck dieserEntwicklung, wie auch die Ausweitung der Freizeitange-bote.

Wiederaufbau51

Befreiungsschlagoder Zerschlagungeiner Stadtland-schaft? – dieSchneise der Stadt-autobahn B 14/Kon-rad-Adenauer-Straße. Archivbild1974. Die GebäudeNeue Staatsgalerie,Haus der Abgeord-neten, Haus derGeschichte fehlennoch.

Friedrichsbau-Varieté, Friedrichsstraße

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Wiederaufbau52

»Stuttgarts Entwicklung der Wirtschaftskraft von 1996–2000 im Vergleich mit den elf anderen Großstädten über500 000 Einwohner« zeigt folgende Grafik:

Das Besondere an der Wirtschaftsstruktur der Landes-hauptstadt ist der hohe Anteil des produzierendenGewerbes an der so genannten Bruttowertschöpfung,nämlich 34,5 Prozent. Motoren der wirtschaftlichen Ent-wicklung sind der Fahrzeugbau, der Maschinenbau unddie Elektronik. Der Zuwachs bei den Dienstleistungen warbis Ende 2000 geringer. Bei den Erwerbstätigen betrugder Anstieg 4,1 Prozent auf 456 000.Das vom damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth inden achtziger Jahren verfolgte Ziel, Stuttgart zu einerWissenschafts- und Kunststadt zu machen (»Hightech«und ›High Culture‹ als Stichworte) lässt sich an den Neu-

bauten der UniversitätStuttgart im Vorort Vai-hingen sowie an zahl-reichen künstlerischenSchwerpunkten able-sen: Ballett, NeueStaatsgalerie, Bach-akademie, Musical-halls.UnausgesprochenesZiel der angedeutetenMaßnahmen war es,Stuttgarts Stellunginnerhalb der deut-schen Großstädte zuverbessern und dasprovinzielle Imageabzustreifen, das derStadt immer angehef-

tet wurde. Äußeres Zeichen dafür war der viel belächelteWerbespruch der Siebzigerjahre: »Stuttgart – Partner derWelt«.

Mit den Imageproblemen der Stadt befasst sich auchein Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 22. Mai 2002unter der Überschrift »Der Traum vom großen Wurf«: »Zu gern wäre man wie Berlin oder Paris oder Hamburg –Städte, die für Historie, Kultur und Weltläufigkeit stehen,oder zumindest ein bisschen wie das benachbarte Mün-chen, das zwar ebenfalls ein städtisches Dorf ist, aber lei-der ein Schöneres, Reicheres, Beliebteres … zu gernwäre man mehr als dieses schnöde Benzhausen oderStuggitown, das den Leuten zuerst einfällt, wenn sie anStuttgart denken … Ein erfolgreicher Architekt aus Stutt-gart hat dazu passend formuliert: ›Die Stuttgarter habenihre Industrie, ihren Mittelstand, das Schwäbisch-Grube-lige, Wurschtelige – da hat es der große Wurf schwer.‹Der große Wurf. Genau darum geht es. Vielleicht könntedas Projekt Stuttgart 21 der Große Wurf werden, von demdie Stadt seit langem träumt … Oder die OlympischenSommerspiele 2012, für die sich die Stadt als Ausrichterbewerben will. Mal ehrlich: Das wäre ein Wurf.«

Literaturhinweise

Fecker, Herbert: Stuttgart. Die Schlösser und ihre Gärten. Stein-kopf, Stuttgart 1992

Rommel, Manfred: Trotz allem heiter. Deutsche Verlags-Anstalt,Stuttgart 1998

Die Calwer Passage

Ve r g l e i c h d e r W i r t s c h a f t s k r a f t

Erwerbstätige (am Arbeitsort) und Arbeitslosenquote in den zwölf größten Städten Deutschlands 1996 und 2000

Erwerbstätige Erwerbstätige Arbeitslosenquoteje 1000 Einwohner Januar 2003

1996 2000 Veränderunggeteilt durch 1000 in Prozent 1996 2000

Berlin 1 581,9 1563,7 - 1,2 456 462 18,4Hamburg 1 009,8 1042,3 + 3,2 591 606 10,0München 869,0 909,2 + 4,6 711 757 6,9Köln 565,3 627,4 +11,0 586 652 11,8Frankfurt/Main 553,0 588,2 + 6,4 853 912 7,9Essen 291,3 301,5 + 3,5 475 505 12,0Dortmund 266,2 275,2 + 3,4 445 467 14,5Stuttgart 438,0 456,1 + 4,1 748 782 7,1Düsseldorf 427,8 458,2 + 7,1 749 805 9,6Bremen 321,4 324,6 + 1,0 585 602 13,5Duisburg 205,9 215,3 + 4,6 386 416 13,9Hannover 373,2 386,7 + 3,6 713 750 11,3*Alle Großstädte 6 902,8 7 148,4 + 3,6 576 605 –Deutschland 37 270,0 38 706,0 3,3 455 471 11,1

*Kreis Region Quelle: Arbeitskreis »Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder«, Bundesanstalt für Arbeit

Nach: Stuttgarter Zeitung, 19.2.2003, S. 17

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Region Stut tgart53

Von Bernhard Müller

S t u t t g a r t5 . S t u t t g a r t u n d s e i n e R e g i o n

5»Das Beste an Stuttgart ist …« – je nach Alter undInteressenlage kann man diesen Satz unterschiedlichfortsetzen: der ICE nach München, die Mineralbäderin Bad Cannstatt, Marbach und sein Literaturarchiv,die Schwäbische Alb und andere Naherholungsge-biete. In solchen Übertreibungen spiegelt sich diegespielte Bescheidenheit vieler Stuttgarter wider,welche die Vorzüge ihrer Stadt eher verschweigen.Die beiden letztgenannten Antworten weisen auf dienähere und weitere Umgebung Stuttgarts hin, für diesich der Name »Region« eingebürgert hat.

In der jüngsten Vergangenheit ist die wirtschaftliche Ver-flechtung mit dem Umland durch Standortverlagerungender Industrie und ausgedehnte Neubaugebiete engergeworden. Für diesen Verdichtungsraum existiert seit1994 der »Verband Region Stuttgart«, dem neben derLandeshauptstadt die fünf Nachbarkreise angehören –insgesamt 2,6 Millionen Einwohner.

In einem weiteren Sinn wird der ganze mittlere Neckar-raum als Region Stuttgart bezeichnet. Seine Ausdehnung

vom Albrand (Reutlingen/Tübingen) bis zum Schwarzwaldund dem Unterland entspricht ungefähr dem KerngebietAltwürttembergs seit der Reformation. Der Regionalver-band verfügt über ein direkt gewähltes Regionalparla-ment und ist für Planungsaufgaben (Verkehr, Umwelt-schutz) sowie für Wirtschaftsförderung und öffentlichenNahverkehr zuständig. (Näheres unter www.region-stuttgart.de.org) Zwei Großprojekte, die Neue Messe beimFlughafen sowie die Olympiabewerbung für das Jahr2012, haben neuerdings die Region ins Bewusstsein derBevölkerung gerückt.Die Besucher von auswärts interessieren sich vermutlichnicht für verwaltungstechnische Einzelheiten, zumal eskein sichtbares Symbol und keine zentrale Einrichtungder Region gibt. Am ehesten ist sie in der S-Bahn zu grei-fen, welche ein »Netz« für die Region bildet.Außer den kulturellen Sehenswürdigkeiten ist die Wirt-schaftskraft für Partnerstädte wie »ód< besonders anzie-hend. Die Attraktivität der Region Stuttgart bestätigt einebundesweite Umfrage:

In der Region Stuttgart leben rund 25 Prozent der Bevöl-kerung des Landes Baden-Württemberg, doch sie erwirt-schaften 29 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Rund einDrittel aller Güter und Dienstleistungen des Landes und36 Prozent aller Exporte kommen aus der Region Stutt-gart. Besonders hoch ist die Exportquote: 50,7 Prozentdes Umsatzes werden hier durch Exporte erzielt, im Landsind es nur 42,7 Prozent, bundesweit sogar nur 37 Pro-zent. Mit rund 140 000 Unternehmen ist die Region Stutt-gart der wirtschaftliche Motor Südwestdeutschlands. Ihre

Ballungszentren im Land, Stand August 2002

Lebendig

Weltoffen

Modern

Gute Freizeitmöglichkeiten

Sympathisch

Wirtschaftsregion mit Zukunft

Viele gute Arbeitsplätze

Dynamisch

Liberal

Provinziell

Behäbig

Langweilig

Image der Region Stuttgart im Vergleich

54 %70 %

37 %64 %

48 %

57 %

59 %56 %

56 %54 %

69 %

51 %

73 %

48 %

38 %43 %

35 %26 %

15 %11 %

11 %

24 %

5 %5 %

Eigenschaften von Ballungsräumen in Deutschland (Bundesweite Umfrage unter 2500 Personen und 600 Unternehmen, Angaben in Prozent)

Trifft zu auf:

Region Stuttgart

Durchschnitt aus zwölfabgefragten Regionen*

*Frankfurt/M., Stuttgart, München, Berlin, Leipzig, Düsseldorf, Hamburg, Dresden, Hannover, Köln, Nürnberg, Dortmund

Nach: Stuttgarter Zeitung, 14.2.2003, S. 29/zap/Allensbach-Archiv

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54

Wirtschaftsleistung entspricht ungefähr derjenigen vonFinnland oder Irland. Die Arbeitslosigkeit ist relativ gering,das Pro-Kopf-Einkommen relativ hoch. Hauptträger die-ser erfreulichen Lage sind die Automobil-, Maschinen-bau- und IT-Industrie sowie mittelständische Unterneh-men. Im IT-Bereich finden sich neben renommiertenGlobal Players wie IBM, Hewlett-Packard sowie Alcatel-SEL zahlreiche neu gegründete Unternehmen. Siebeschäftigen allein in der Region Stuttgart etwa 200 000Menschen, rund 90 000 mehr als die Automobilindustrie,und erwirtschaften rund 33 Milliarden Euro im Jahr. Aller-dings sind die Wachstumsraten inzwischen in anderenRegionen Baden- Württembergs höher als in Stuttgart.Das hängt unter anderem mit den Verkehrsverhältnissenund dem fehlenden Gelände für Betriebserweiterungenzusammen.

Die größten Arbeitgeber der Region Stuttgart

Unternehmen Sitz Bereich Arbeits-plätze:regional/weltweit

DaimlerChrysler Stuttgart Autohersteller 79 000/372 500

Robert Bosch Gerlingen Autozulieferer 26 200/219 000

Landesbank Stuttgart Kreditwirtschaft 10 687/10 816

Deutsche Post Stuttgart Dienstleistungen 8000/300 000

Porsche Stuttgart Autohersteller 7800/9324

IBM Stuttgart Informations- 7070/316 300technik

Alcatel SEL Stuttgart Elektrotechnik 6401/113 420

Hewlett-Packard Böblingen Informations- 5900/88 000technik

Wüstenrot & Stuttgart Versicherung 5860/11 281Württem-bergische

Siemens Stuttgart Elektrotechnik 4900/484 500

T-Systems Leinfel- Kommunika- 4000/43 500den-Ech- tionssystemeterdingen

Mahle Stuttgart Autozulieferer 3930/28 248

Festo Esslingen Maschinenbau 3030/10 500

Deutsche Bahn Stuttgart Verkehrswirtschaft 2950/14 000

E. Breuninger Stuttgart Einzelhandel 2830/4600

Nach: Stuttgarter Nachrichten, 3.12. 2002

Wer sich einen Eindruck von der Region Stuttgart ver-schaffen will, sollte zwei Ausflüge mit der S-Bahn unter-nehmen, einen nach Esslingen und einen nach Marbach.Auf den Fahrten sieht man die beiden Seiten der Region:eine reizvolle Flusslandschaft mit Weinbergen und Wäl-dern sowie Fabrik- und Industrieanlagen, Verkehrsbautenund ausgedehnten Wohngebieten.

1 Die Fahrt nach Esslingen mit der S 1 kann mit einemBesuch des vor allem bei jugendlichen Autofans belieb-ten Mercedes-Benz-Museums in Untertürkheim verbun-den werden (➜ siehe auch »Tipps für junge Leute«). Ess-lingen selbst bietet als ehemalige Reichsstadt all das,

was ausländische Besucher für typisch deutsch undmittelalterlich halten: Fachwerkhäuser, enge Gassen undmalerische Winkel, ein Rathaus mit einer astronomischenUhr, sehenswerte Kirchen, eine davon mit archäologi-schen Ausgrabungen, eine Stadtmauer, die in Teilenerhalten und mit der Burg oberhalb der Stadt verbundenist. Besonders lohnend ist das Stadtmuseum im GelbenHaus, Am Hafenmarkt 7, mit seiner modernen, didaktischgestalteten Präsentation der Stadtgeschichte([email protected]).Weitere Informationen: www.esslingen.de

2 Über die Industrievororte Feuerbach und Zuffenhausenführt der Ausflug mit der S 4 nach Marbach an der ehe-maligen Salamander-Schuhfabrik in Kornwestheim vorbeinach Ludwigsburg. Dort können ab Ende März bis Okt-ober täglich das Schloss und die Parkanlage »Blühendes

Esslingen. Die Burg, Teil der alten Stadtbefestigung der ehemalsfreien Reichsstadt, im Vordergrund das neue Rathaus.

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Barock« besichtigt werden. Es handelt sich um den größ-ten unversehrt erhaltenen Barockpalast in Deutschlandmit 18 Gebäuden, 3 Höfen und 452 Zimmern. An Literatur Interessierte sollten in Marbach dasGeburtshaus von Friedrich Schiller besuchen.

Das Schiller–Nationalmuseum auf der Schillerhöhe prä-sentiert eine Dauerausstellung der schwäbischen Geis-tesgrößen:

Sonderausstellungen zu Hermann Hesse, Franz Kafka,Marie-Luise Kaschnitz und weiteren Dichtern des20. Jahrhunderts finden weit über die Region hinausgroße Beachtung.Auch das Literaturarchiv ist sehenswert. Es gehört mitseiner Handschriftensammlung, den Dichternachlässenund Erinnerungsstücken zu den wichtigsten Gedenkstät-ten deutscher Dichtung.

Adresse: Deutsche Schillergesellschaft. Schiller-Nationalmu-seum/Deutsches LiteraturarchivSchillerhöhe 8–1071666 Marbach am NeckarTel. 0 71 44/848-0, 848 601Fax 0 71 44/848 299, 848 690

E-Mail: [email protected]

»Hier können diejenigen ins Leben zurückgeholt wer-den, die die Geschichte und Mentalität Württembergsgelebt und geprägt haben. Hier trifft man sie alle wie-der… den rebellischen Schubart … den MarbacherWeltbürger Friedrich Schiller, der sein Heil in derFlucht suchte. Den gepriesenen Ludwig Uhland, denblutjung verstorbenen Wilhelm Waiblinger … und dievielen, die es in der heimischen Enge einfach nichtmehr aushielten, die als Demokraten von den Bieder-meiern aus dem Land geekelt wurden wie LudwigPfau … Georg Herwegh … oder Friedrich List … Unddie Verhockten und scheinbar Gemütlichen wie Justi-nus Kerner … oder Eduard Mörike und später Her-mann Lenz, die im Lande blieben und die regionalenHorizonte poetisch weit überflogen. Sie alle lebten dieparadoxe, schwäbische Form der Mobilität, über dieman im Mercedes-Benz-Museum … gar nichtserfährt.«

Michael Kienzle in: Stuttgarter Zeitung, 13. 6. 2002

55 Region Stut tgart

Schiller-Nationalmuseum, Marbach

Marbach,Schiller-Geburts-haus inderNiklastor-straße

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Li terar ische Spuren56

Von Bernhard und Helga Müller

S t u t t g a r t6 . L i t e r a r i s c h e S p u r e n i n S t u t t g a r t –

S c h i l l e r, H e g e l , H e r m a n n L e n z

Friedrich Schiller

Es war eine Demonstration des selbstbewussten Bürger-tums im Vormärz, das in Schiller einen Dichter verehrte,der in vielen seiner Dramenfiguren das Ringen um per-sönliche und politische Freiheit gestaltet und damit Iden-tifikationsmuster geschaffen hatte. Wilhelm Tell, das Vor-bild national gesonnener Freiheitskämpfer von 1813, DonCarlos und Marquis Posa mit ihren politischen Visionenbegeisterten die kritischen und oppositionellen Bürger.Und Bürger waren es auch, die das Denkmal in Auftraggegeben hatten. Der Liederkranz und der Schillerverein inStuttgart verfolgten jahrelang das Projekt, riefen zu Spen-den auf und betrauten den dänischen Bildhauer BertilThorvaldsen, dem sie Kopien von Danneckers Schiller-büsten schickten, mit der Ausführung. Die Form desDenkmals entsprach dem bürgerlichen Selbstbewusst-sein jener Zeit. Thorvaldsen wählte eine Standfigur undstellte den Dichter aus bürgerlichen Lebensverhältnissenauf einen Denkmalssockel, was sonst nur adligen Herr-schern vorbehalten blieb. So feierten vermutlich auchviele der Festversammlung Schiller als einen Menschen,der durch eigene Anstrengung Erfolg und Ruhm erreichthatte und somit ein Vorbild bürgerlichen Emanzipations-strebens darstellte. Aber die Württemberger feierten ihn auch als einen derihren, denn Schiller wurde 1759 in Marbach am Neckargeboren und hat in seiner Kindheit und Jugend an mehre-ren Orten des Landes gelebt, in Stuttgart fast zehn Jahre.Auch die Tatsache, dass der junge Militärarzt und Dichterim September 1782 aus Stuttgart und Württemberg geflo-hen war, konnte die Sympathien nicht beeinträchtigen –im Gegenteil. Die Beweggründe für die Flucht und dieVerehrung der Bürger erwuchsen aus derselben Wurzel,dem Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung. Im Alter von 13 Jahren musste Schiller, Sohn eines würt-tembergischen Offiziers, auf Druck des Herzogs CarlEugen die Lateinschule in Ludwigsburg verlassen und aufdie Karlsschule überwechseln, die zunächst auf der Soli-tude, dann im Nebenflügel des Stuttgarter Stadtschlos-ses untergebracht war. Der Herzog hatte diese Ausbil-dungsstätte für künftige Offiziere und Beamte des Landeseingerichtet und suchte die Schüler unter den besten derLateinschulen aus. Schiller erfuhr auf der Karlsschule einesehr gute philosophische und sprachliche Bildung, littaber unter der Trennung von Familie und Freunden, dermilitärischen Strenge und der Unterdrückung persönlicherEntfaltung, die ihn und die Mitschüler um eine unbe-schwerte Jugend betrogen. Nach einer medizinischenAusbildung konnte Schiller 1780 die Schule verlassenund als Militärarzt für 240 halbinvalide Grenadiere privatin Stuttgart wohnen.

»Lorbeerbekränzt, das Haupt geneigt, so steht dieBronzefigur Friedrich Schillers auf dem Denkmalpo-dest vor dem Alten Schloß mitten in Stuttgart. Als am8. Mai 1839, fast auf den Tag genau 34 Jahre nachSchillers Tod, der zwölfjährige Enkel des Dichters dasDenkmal enthüllte, läuteten die Glocken der Stiftskir-che, der Leonhardskirche und der Hospitalkirche. DerAlte Schloßplatz war voller Menschen, viele drängtensich an den Fenstern der umliegenden Häuser, man-che sollen sogar auf dem Dach des Alten Schlossesgesessen haben. Stuttgart feierte ein großes Fest,etwa 30 000 Menschen, darunter 1800 Sänger aus43 Städten und Gemeinden, nahmen daran teil.«

(Erinnerungsstücke, S. 110)

Schiller-Denkmal, Schillerplatz

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Vier Jahre später schrieb er:

So verfasste Schiller in den letzten beiden Karlsschul-jahren sein erstes Drama: »Die Räuber«. Es hat durch dieprovozierende Auflehnung gegen feudalabsolutistischeHerrschaft und die daraus folgende soziale Ungerechtig-keit vor allem auf die junge Generation gewirkt undSchiller über die Grenzen Württembergs hinaus bekanntgemacht. Im Januar 1782 fand die Uraufführung einerentschärften Fassung des Dramas in Mannheim statt.Schiller wohnte ihr bei, ohne den Herzog um Urlaubgebeten zu haben. Auch ein zweiter Besuch inMannheim geschah ohne Erlaubnis Carl Eugens. DerHerzog reagierte mit Arreststrafe, später sogar mitSchreibverbot, was Schiller zu dem Entschluss trieb, ausStuttgart und Württemberg zu fliehen. Am 23. Septemberbrach er zusammen mit seinem Freund Andreas Strei-cher, einem Musikstudenten, auf. Die Fluchtroute führtevom heutigen Charlottenplatz durch das Esslinger Torüber die Neckarstraße Richtung Cannstatt und Ludwigs-burg nach Schwetzingen und endete in Mannheim. Nunbegann ein unruhiges, von materiellen Sorgen begleitetesLeben mit vielen Ortswechseln, das erst 1790 mitSchillers Heirat in Jena und später in Weimar zu mehrRuhe gelangte. Vieles aus Leben und Werk Schillers mag den Festteil-nehmern vom 8. Mai 1839 bekannt gewesen sein und siein ihrer Verehrung bestärkt haben. Aber es gab auch kriti-sche Stimmen. Der Literat Georg Herwegh, 1838 ausStuttgart in die Schweiz geflohen, warnte anlässlich desFestes in seiner »Standpauke zu einem Standbild« vorder Vereinnahmung Schillers durch einen »engherzigenPatriotismus« und erinnerte an den universalen Freiheits-gedanken des Dichters:

Dass die Gefahr nationalpolitischer Inanspruchnahmebestand, zeigte die Stuttgarter Schillerfeier am10. November 1859 zum 100. Geburtstag des Dichters.Das Pathos in den damaligen Reden und Berichten istjedoch vor dem Hintergrund der gescheiterten Revolution1848/49 zu verstehen. 1934 diente allerdings das Schil-lerdenkmal am 175. Geburtstag des Dichters als Schau-platz einer Feier der Nationalsozialisten, die SchillersGedankengut für ihre Ideologie missbrauchten.

So ist es von symbolischer Bedeutung, wenn das Denk-mal 1945 aus dem Wagenburgtunnel, wo es seit 1942eingelagert war, herausgeholt und am 10. November,genau elf Jahre nach dem nationalsozialistischen Spekta-kel, umgeben von Trümmern und Ruinen wieder aufge-stellt werden konnte.

Es war eine Feier an einem regnerischen Novembertag,die Teilnehmerzahl erreichte bei weitem nicht die von1839, aber es gab Zuhörer und Blumenschmuck. DieBronzefigur Schillers steht seitdem wieder am ange-stammten Platz. Mit gesenktem Haupt blickt sie heute aufdas Markttreiben – wer blickt zu ihr hinauf? Sicherlichkann der heutige Betrachter die Kritiker des 19. Jahrhun-derts kaum verstehen, die in der Neigung des Kopfes einZeichen für Duckmäusertum und Unterwürfigkeit sahen.Ist es nicht die Haltung eines Nachdenklichen, der jen-seits von Resignation zu Einsichten gelangte, die über-zeitlich sind? Schiller war Realist genug, die Grenzen derFreiheit im historisch-politischen Raum zu erkennen. Erhat ihr viele »Grabsteine« in seinem Werk gesetzt. Selbstwenn in der Schlussszene des »Wilhelm Tell« die Visionvon persönlicher und politischer Freiheit nicht tragischzerstört, sondern in einer veränderten Gesellschaft erfülltwird, hat dieser Erfolg mit der persönlichen Schuld vonTell einen hohen Preis gefordert. Aus den Erfahrungendes Verlustes im realen Leben aber erwuchsen dasSelbstbewusstsein und die Erkenntnis des Dichters, denIdealen im künstlerischen Werk Gestalt und damit Lebenim ästhetischen Raum geben zu können.Wenn wir die Denkmalsfigur genauer betrachten, sehenwir, dass Schiller ein halb geöffnetes Buch in der linkenHand hält. Zwischen welchen Textseiten mag seinZeigefinger liegen? Vielleicht zwischen denen, die Verseenthalten, welche die Kraft und Macht der Dichtkunstbesingen:

G. W. F. Hegel

Die Erinnerung an Hegel wird in Stuttgart heute durch denvor ein paar Jahren von der Stadt gestifteten Hegelpreiswachgehalten; ferner tragen ein Gymnasium, ein Saal imKongresszentrum Liederhalle sowie eine Straße und einPlatz seinen Namen. Hinzu kommt das als Gedenkstätteeingerichtete Geburtshaus in der Eberhardstraße, dasden Krieg und die Nachkriegszeit überstanden hat.

»Edler Freund! Wo öffnet sich dem Frieden,Wo der Freiheit sich ein Zufluchtsort?Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden,Und das neue öffnet sich mit Mord.[ … ]In des Herzens heilig stille RäumeMußt du fliehen aus des Lebens Drang:Freiheit ist nur in dem Reich der TräumeUnd das Schöne blüht nur im Gesang.«

(Der Antritt des neuen Jahrhunderts)

»Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, Und neues Leben blüht aus den Ruinen«.

(Wilhelm Tell IV, 2)

»Es gibt kein Gefühl, das Schiller nicht gekannt undbeinahe kein Volk, dessen Freiheit er nicht einenDenk- oder wenigstens einen Grabstein gesetzt hätte.Hat Italien nicht seinen Fiesko, Spanien seinen Carlos,die Schweiz ihren Tell, Frankreich seine Jungfrau vonOrleans, Deutschland seinen Wallenstein? Die Welt istder Mittelpunkt, von dem aus die Schillersche Poesieihre Kreise beschreibt.«

(Dichter sehen eine Stadt, S. 76)

»Neigung für Poesie beleidigte die Gesetze des Insti-tuts, worin ich erzogen ward, und widersprach demPlan seines Stifters. Acht Jahre rang mein Enthusias-mus mit der militärischen Regel; aber die Leidenschaftfür die Dichtkunst ist feurig und stark, wie die ersteLiebe. Was sie ersticken sollte, fachte sie an.«

(Zit. nach: P.-A. Alt, Schiller, S. 81)

Li terar ische Spuren57

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Li terar ische Spuren58

Diese Erinnerungsstätte kann nachdrücklich empfohlenwerden: Sie zeigt im Erdgeschoss eine Ausstellung»Stuttgart zur Zeit Hegels 1770–1831« mit Großfotos undFaksimiles. Im ersten und zweiten Obergeschoss werdenHegels Lebensstationen mit zeitgenössischen Dokumen-ten und Erinnerungsstücken sowie einführenden Textpas-sagen vorgestellt. In einem Faltblatt kann man diewichtigsten Stationen nachlesen.Es wäre unangemessen, von einer solchen Ausstellungeine Kurzfassung von Hegels Philosophie zu erwarten.Dies kann auch in diesem Beitrag nicht geleistet werden.Zu komplex und zu umstritten ist Hegels Gedankenge-bäude, als dass es auf wenigen Seiten skizziert werdenkönnte.

Hermann Lenz

Im September 2001 wurde die »Hermann-Lenz-Höhe« amKillesberg in Stuttgart eingeweiht. Eine unscheinbare

Metallplatte mit der Inschrift »Vor der Haut beginnt dieFremde. Hermann Lenz 1913–1998« erinnert an denSchriftsteller, der bis in die siebziger Jahre in Stuttgartgelebt und viel über Stuttgart publiziert hat: liebevolleStadtbeschreibungen und Betrachtungen über dieGeschichte der Stadt und ihre Menschen. Dennoch istLenz weitgehend unbekannt geblieben und nur einer klei-nen Leserschar vertraut. Die Stadt selbst hat sich langenicht um ihren literarischen Sohn gekümmert, der Sekre-tär beim Kulturverein und Schriftstellerverband in Stutt-gart war und der von 1963 bis 1975 in der Zeitschrift»Stuttgarter Leben« regelmäßig über den Kulturbetriebder Stadt sowie die Veränderungen schrieb, die der Wirt-schaftsaufschwung im Stadtbild hinterließ. Seine Essaysüber Stuttgart erschienen 1975 in Buchform. 1983 wur-den sie in einer erweiterten Auflage vom Belser-Verlagherausgegeben. Diese literarischen Bildnisse (»Porträteiner Stadt«) wurden dann zu seinem 90. Geburtstag imJahr 2003 neu aufgelegt. Sein erzählerisches Werk ist erst spät wahrgenommengeworden. Nach einer denkwürdigen Begegnung hatPeter Handke 1973 in einem Zeitungsartikel eine »Einla-dung, Hermann Lenz zu lesen«, veröffentlicht. 1978erhielt Lenz den Georg-Büchner-Preis, 1998 den Würth-Preis für Europäische Literatur.

Die Stadt erinnert an den Schriftsteller

»Da war nun Eugen also sozusagen frei. Durch dieSperre beim Schalter gehen und in einen Bummelzugmit Dampf einsteigen wie in alter Zeit (…) und dannnäherte er sich Stuttgart. Am Bahnhof schauten die Talhänge her, begrenzt mitlöcherigen Häusern, alle ausgeblasen von den Bom-ben. Die Bahnhofshallen waren oben offen, unddarunter spiegelten Pfützen und Wasserlachen denklaren Himmel wider. Merkwürdig dieses Ruinöse, dasjetzt dazugehörte; und irgendwie romantisch, weilsogar hier im Bahnhof da und dort von einem hohenTrümmerstumpf Grasfransen herabhingen. Auf der Treppe in der Schalterhalle, über die Wolkendahinzogen, ging er unter anderen Entlassenen dieTreppe abwärts, und unten fragte eine Frau, was dasdenn zu bedeuten habe und wer sie alle seien mit denSäcken auf dem Rücken und den schwarzen Mänteln.Und ihm kam’s vor, als wär die fast enttäuscht, als sieerfuhr: ›Wir sind halt Kriegsgefangene, aber jetzt kom-men wir heim.‹

Das Hegelhaus in der Eberhardstraße

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Es sind vor allem die autobiografisch geprägten Romaneum sein Alter Ego Eugen Rapp, die Lenz zu einem eigen-willigen Chronisten des 20. Jahrhunderts gemacht haben.»Außergewöhnlich ist die äußere Ereignisarmut seinerLebensbeschreibung sogar da, wo er in Nordrussland alsSoldat überlebt. Eugen Rapp ist meist nicht Täter, son-dern Beobachter, allerdings einer, wie es in diesem Jahr-hundert wenige gegeben hat«, schreibt Erhard Eppler inseinem Nachwort zu dem Hermann-Lenz-Lesebuch.Seine Erzählweise ist altmodisch, weil sie sich Zeit lässt,Stimmungen und Details wichtiger nimmt als äußereEreignisse. »Nur das Unauffällige ist des Anschauenswürdig« – dieser Satz kann als Maxime seines Schreibens

gelten. Eine Textprobe soll den Autor vorstellen und zuweiterer Lektüre anregen. Es handelt sich um einen Aus-schnitt aus dem »Tagebuch vom Überleben und Leben«(1978), in dem die Rückkehr aus der Kriegsgefangen-schaft nach Stuttgart beschrieben wird.

Literaturhinweise

Erinnerungsstücke. Marbacher Kataloge 56, Tübingen 2001

Alt, Peter- André: Schiller. Leben, Werk, Zeit. Bd. 1, C. H. Beck,München 2000

Brandstäter, Horst und Holwein, Jürgen (Hrsg.): Dichter seheneine Stadt. Texte und Bilder aus 250 Jahren, Metzler, Stuttgart1989

Das Bürgertum feiert Schillers Geburtstag. In: Auf dem Weg zumNationalstaat. Baden und Württemberg 1859–1871. Reihe D&E,Heft 24, S. 20–21 und 32–35 [Landeszentrale für politische Bil-dung Baden-Württemberg]

Eppler, Erhard (Hrsg.): Hermann Lenz. Ein Lesebuch. Suhrkamp,Frankfurt 1997

Schiller – ein Schwabe in Sachsen und Thüringen. In: Die deut-sche Frage im Unterricht, H. 1/1983 [Landeszentrale für politi-sche Bildung Baden-Württemberg]

Emundts, Dina und Horstmann, Rolf- Peter: G. W. F. Hegel. EineEinführung. Reclam, Stuttgart 2002

Hermann Lenz: Stuttgart. Porträt einer Stadt. Insel Verlag, Frank-furt am Main 2003

Li terar ische Spuren59

Dann hinaus zur Straßenbahn; er hatte nicht erwartet,dass sie fuhr. Und merkwürdig, dass alles schon auf-geräumt war. Die Straßen waren von Schutt frei, under konnte in einen Wagen der Linie zehn einsteigen, inden Zehner, wie man hier sagte. Der war so wie frühermit braun lackierten Holzbänken, Lampen und Fen-sterscheiben; heutzutage waren Lampen und Fenster-scheiben kostbar. Es graute ihm, als er an diesem kalten klaren Tag zumWeißenhof hinauffuhr. Von Onkel Alberts Villa nebender Erlöserkirche stand nur das Gerippe. Weiter obenwar das Haus unverletzt, das einem Renaissance-schloss glich und ihm immer so gefallen hatte. Jetzttröstete es ihn, als er es sah, und dies war dumm, weiles ihm doch nichts half, wenn er in zehn Minuten stattvor seinem elterlichen Haus vor einem Schutthügelstehen würde (…)«

Hermann Lenz. Ein Lesebuch. Suhrkamp, Frankfurt 1997,S. 188 f.

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Staatsgaler ie60

Von Erika und Helmuth Kern

S t u t t g a r t7 . K u n s t – S t a a t s g a l e r i e S t u t t g a r t

i s t e i n e R e i s e w e r t

Die Staatsgalerie Stuttgart zeigt die einzig erhaltenen Ori-ginale dieser epochemachenden »Kunstfiguren« für einezu ihrer Zeit neuartige Tanzschöpfung. 1938 hatteSchlemmer die Kostüme zu einer Bauhausausstellungnach New York geschickt. Die geplante Tanzaufführungkam jedoch nicht zustande; das Museum of Modern Artnahm die Kostüme in Verwahrung. Ab 1960 waren siewieder in Europa und in zahlreichen Ausstellungen zusehen. 1975 wurden sie in der Staatsgalerie grundlegendrestauriert.Was ist das Besondere an diesen Figuren?Kostüm und Maske werden zu einer Einheit, zur »Ganz-maske«, als eine vom Tänzer bewegte plastische, imRaum agierende Form, in der Individuelles und Natürli-ches abstrahiert wurde. Schlemmer sah in seinen »Tria-den« »die erste konsequente Demonstration des raum-plastischen Kostüms. Raumplastisch, weil es sozusagenfarbige und metallische Plastiken sind, die sich, von Tän-zern getragen, im Raum bewegen …«Die Körperteile dieser »Kunstfigur« sind auf elementareGrundformen zurückgeführt: Zylinder, Kegel, Kugel usw.Die Farbgebung ist reduziert auf die Grundfarben Rot, Blauund Gelb, dazu Schwarz, Weiß und Gold. Sie bestehen ausMaterialien wie Aluminium, Gummi, Zelluloid, Draht undbiegsamem Glas. Die Tänzer agieren innerhalb eines relativstarren Gehäuses: »… Das überbetonte, rechte, weiße Kol-lossal-Bein (des Abstrakten) als alleiniges Stand-, Stütz-

und Schwungbein (weil das linke, da Schwarz gegenSchwarz, für den Beschauer kaum existiert) – dieseswesentlich asymetrische Kostüm (…) stellt besonders hoheAnforderungen an seinen Träger …« (Schlemmer 1933)Damit erreicht der Tänzer neue Ausdrucksformen. »Tria-disch« deutet auf die Dreiheit. Das betraf die künstleri-schen Gestaltungsmittel (Form, Farbe, Raum), die Dimen-sionen des Raumes (Höhe, Breite, Tiefe) wie die dreiGrundfarben. Die Dreiheit galt auch für den Tanz: in denDarstellungsmitteln Tanz, Kostüm, Musik, in drei Tanzfol-gen mit ein, zwei oder drei Tänzern, die sich vom Heiter-Komischen zum feierlichen Ernst entwickelten. Seit sei-nem Berlinaufenthalt 1910 bis 1912 beschäftigteSchlemmer die Idee des Gesamtkunstwerkes in Formeiner Tanzschöpfung. Die erste Aufführung des »Triadischen Balletts« fand am30. September 1922 am Württembergischen Landesthea-ter in Stuttgart statt. Der Künstler selbst tanzte unter demPseudonym Walter Schoppe. 1923 präsentierte er dasBallett am Weimarer Bauhaus. Zur Aufführung auf denDonaueschinger Musiktagen 1926 schrieb Paul Hinde-mith eine Musik für mechanische Orgel. In diesem Jahrwar das Ballett auch in Frankfurt und Berlin, 1927 in Des-sau zu sehen; 1932, auf dem »Internationalen Tanzwett-bewerb«, eroberte es Paris. Mit der Schaffung seines »Tri-adischen Balletts« hat Schlemmer vor allem demTanztheater ganz neue Impulse gegeben.

Triadisches Ballett: »Der Abstrakte« – Höhe 202 cm Leihgabe des Stuttgarter Galerievereins

Neben vielen sehenswerten Kunstwerken kann manzwei Künstler kennen lernen, die mit Stuttgart verbun-den sind und hier wesentliche Werke für die Kunst des20. Jahrhunderts geschaffen haben: Oskar Schlemmerund Willi Baumeister.Außer den hier vorgestellten Werken bewahrt dieStaatsgalerie von beiden Künstlern eine größereAnzahl von Arbeiten, Zeichnungen, Druckgrafik undvon Schlemmer auch wichtige Plastiken auf.

Ein Zugang zur Kunst Schlemmers:Bewegungen erspüren – Stellen Sie sich der Figurine gegen-

über und machen sie die Bewegun-gen, welche die Ganzkörpermaskezulässt.

– Nehmen Sie die beiden kursivgedruckten Zitate und erklären Siediese der Figurine.

Oskar Schlemmer: Das Triadische Ballett

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Schlemmer, Baumeister und Stuttgart

1888 und 1889 in Stuttgart geboren, begegnetensich 1908 die beiden Künstler als Studenten derStuttgarter Akademie der bildenden Künste undblieben lebenslang befreundet und in brieflichemKontakt.Während ihrer Akademiezeit arbeiteten sie gemein-sam und unternahmen ihre erste größere Auslands-reise nach Amsterdam, London und Paris. Einegemeinsame Ausstellung 1918 in Stuttgart warwegen der Modernität ihrer Werke heftig umstritten. 1919 engagierten sie sich sehr stark für die Beru-fung Paul Klees an die Akademie, die jedoch amWiderstand konservativer Kräfte scheiterte.Die Freunde trafen erst 1938 wieder zusammen: AufVermittlung Baumeisters konnte der ebenfalls als»entartet« diffamierte Schlemmer, der ziemlichmittellos in Südbaden lebte, bei einem StuttgarterMalergeschäft den Lebensunterhalt für die Familiedurch dekorative Bemalung und nach Kriegsbeginndurch Tarnanstrich öffentlicher Gebäude verdienen.Ab 1939 arbeiteten die Freunde zusammen mitanderen Künstlern an maltechnischen Versuchender Lackfabrik Dr. Herberts in Wuppertal. Schlemmerstarb 1943 in Baden-Baden.Baumeister kehrte 1933, nach seiner Entlassung aus derStädelschen Kunstschule in Frankfurt am Main, nachStuttgart zurück. In seinem Haus in der Gerokstraßearbeitete er von nun an zurückgezogen. 1946–55 hatte ereine Professur an der Stuttgarter Akademie der bildendenKünste. Er starb 1955 in Stuttgart.

Willi Baumeister: Die Freiheit der Kunstsprache

Der Künstler lebte von 1933 an im Widerstand zur natio-nalsozialistischen Kunstdiktatur; 1941 erhielt er Ausstel-lungsverbot. Im März schrieb er in sein Tagebuch, er maleauf Pappe in kleinen Formaten. Es sei schwer, dieDepressionen zu ertragen. Seit den dreißiger Jahren faszinierten ihn frühgeschichtli-che Kulturen. Daher kam ihm die Arbeit an den maltech-nischen Untersuchungen in der Lackfabrik Dr. Herbertssehr entgegen. Er beteiligte sich an Exkursionen zu Aus-grabungen in der Umgebung Stuttgarts und auf derSchwäbischen Alb und sammelte Originale und Abgüssevor- und frühgeschichtlicher Objekte. Auch mit außereu-ropäischer ozeanischer und afrikanischer Kunst beschäf-tigt er sich. An einen Stuttgarter Freund schreibt Bau-meister: Das Gefühl der grenzenlosen Freiheit und »dieLust am Unbekannten« seien vonnöten.In einer Fülle von Zeichnungen und Bildern entwickelt derKünstler neue Ausdrucksformen, die von dorther inspiriertsind. Es ist wie eine Art Geheimschrift, zeichenhaft, wieverschlüsselte Botschaften. Ab 1946 entsteht die Serie »Urzeitgestalten«, zu der auchdieses Bild gehört. Der Katalog der Staatsgaleriebeschreibt es so: »Aus einem gewebeartigen Pointillé von dunklen und hel-len Flecken bilden sich fragmentarische Gestaltformen,die wie Positiv und Negativ ineinanderwirken und in opti-sche Vibration geraten. So entsteht eine geisterhaft

belebte Textur aus anthropomorphen, magisch anmuten-den Zeichen, die an afrikanische Kunst und totemistischeKulte erinnern.«

(Staatsgalerie Stuttgart 1982: Malerei und Plastik des 20. Jahr-hunderts, Seite 77)

1947 erscheint Baumeisters Buch »Das Unbekannte inder Kunst«, das zum Kultbuch im Nachkriegsdeutschlandavanciert. 1943 begonnen, definiert es die Bedeutung derungegenständlichen Kunst: Der Künstler, auf der Suchenach neuen Ausdrucksmitteln, macht Entdeckungen imUnbekannten, vorwärts gerichtet sowie im Vergangenen.Seine Werke regen die Einbildungskraft und Assoziations-fähigkeit der Betrachter an; das Unbewusste und dieFantasie spielen dabei mit.Baumeisters Kunst übte starken Einfluss auf die Modernenach 1945 aus. Abstraktion ist nun das Zeichen wieder-gewonnener geistiger, künstlerischer und politischer Frei-heit.Als erster deutscher Künstler stellt er 1948 wieder in Parisaus. Seine Beziehungen dorthin bestanden schon seitseiner Akademiezeit und rissen auch während der Dreißi-gerjahre nicht ganz ab.1930 wurde er Mitglied der Pariser Künstlergruppe »Cer-cle et Carré« und 1931 der Nachfolgeorganisation»Abstraction Création«. Zu beiden gehörte auch der pol-nische Künstler Henryk Staxewski, der im ➜ MuzeumSztuki in »ód< die Sammlung moderner Kunstzusammengestellt hat.

Staatsgaler ie61

»Urformen«, 1946 – Öl auf Hartfaserplatte, 81x100 cm

Ein Zugang zur Kunst Baumeisters:Unbekanntes entdecken – Schauen Sie das Bild eine Minute an.

Drehen Sie sich um und erzählen sieIhrem Partner oder Ihrer Partnerin, wasSie alles entdeckt haben.

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Tipps für junge Leute62

Von Ralph Jaedecke

S t u t t g a r tTi p p s f ü r j u n g e L e u t e

»Alles in allem ist Stuttgart eine durch und durch langwei-lige Stadt« – schreibt ein Besucher aus England im Jahr 1818. Dassdas heute nicht mehr gilt, können auch die folgendenHinweise zeigen:

Carl-Zeiss-Planetarium, Mittlerer Schlossgarten, Willy-Brandt-Straße 25, 70173 Stuttgart, Tel. 0711/162 92 15,Di., Do. 10 und 15 Uhr, Mi., Fr. 10, 15 und 20 Uhr, Sa 16,18 und 19.15 Uhr, So. 14, 16 und 18 Uhr, Stadtbahn U1,U2, U4, U9, U14, Buslinie 42 (Richtung Gablenberg), Hal-testelle Staatsgalerie, www.carl-zeiss-planetarium.de

Fernsehturm, Jahnstraße 120, 70597 Stuttgart-Deger-loch, täglich ab 9 Uhr, letzte Auffahrt 22.30 Uhr, Stadt-bahn U7, U8, Straßenbahn 15, Haltestelle Ruhbank, U7,U8 Haltestelle Waldau, Bus 70

Flohmarkt, jeden Samstag bis 17 Uhr auf dem Schiller-platz

Friedrichsbau Varieté, Friedrichstraße 24, 70174 Stutt-gart, Mo.-Fr. 10–18 Uhr, Sa. 10–16 Uhr, Stadtbahn U4,U9, U14, Haltestelle Keplerstraße/Friedrichsbau

Hauptbahnhof, Arnulf-Klett-Platz, S-Bahn S1-S6, Stadt-bahn U5, U6, U7, U9, U11, U14, Straßenbahn 15, Aus-sichtsplattform im Turm, Di.-So. 10–19 Uhr, Führungenn.V., Tel. 20 92 37 23-0

Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Konrad-Adenauer Straße 16, 70173 Stuttgart, Tel. 07 11/212 3969 (für Führungen); täglich (außer Mo.) 10–18 Uhr, Do. 10–21 Uhr, Stadtbahn U1, U2, U4, U9, U14, (HaltestelleStaatsgalerie), www.hdgbw.de

Höhenpark Killesberg und Aussichtsturm, Am Kochen-hof, 70192 Stuttgart, U7 oder Bus 43 bis Killesberg-Messe

Linden-Museum, Staatliches Museum fürVölkerkunde, Hegelplatz 1, 70174 Stuttgart, Tel. 07 11/20 22-3, Di., Do., Fr., Sa. und So. 10–17 Uhr, Mi. 10–20Uhr, Buslinie 40, 42 (vom Bahnhof), Haltestelle Hegel-platz/Lindenmuseum, www.lindenmuseum.de

Markthalle, im Jugendstil erbaut, Dorotheenstraße 4(Nähe Karlsplatz), 70173 Stuttgart-Mitte, Mo.-Fr. 7–18Uhr, Sa. 7–16 Uhr, Stadtbahn U5, U6, U7, Straßenbahn15, Haltestelle Schlossplatz

Das Maultäschle, 15 verschiedene Kreationen von Maul-taschen-Gerichten und schwäbische Küche, Brücken-straße 15, 70376 Stuttgart, Mo.–Fr. 11–15 Uhr und 17–23 Uhr, So. 11–23 Uhr

Mercedes-Benz-Museum, Mercedesstraße 137, 70322Stuttgart-Untertürkheim, Tel. 0711/17-225 78, Di.–So. 9–17 Uhr, Mo. und Feiertag geschlossen, Stadtbahn S1,Haltestelle Gottlieb-Daimler-Stadion oder Buslinie 56,Haltestelle Martin-Schrenk-Weg, www.mercedes-benz.com/classic

Mineralbad Leuze, Am Leuzebad 2–6, Stuttgart-Berg,U1, U2, U14 Mineralbäder, Stadtbahn S1, S2, S3, Bus402 vom Bahnhof Bad Cannstatt, täglich 6–21 Uhr, von6–8 Uhr ermäßigter Eintritt!

Musicalaufführungen im SI-Centrum, Plieninger Straße100, 70561 Stuttgart-Möhringen, Plieninger-Str. 100,Stadtbahn U3, Haltestelle Salzäcker/SI, Bus74, 75 (Land-haus), 77, 809, 7600, N9 (Sternhäule)

Neckar-Personen-Schifffahrt Berta Epple (»Neckar-Käpt’n«), Anlegestelle Wilhelma, 70376 Stuttgart, Tel.0711/54 99 70 60, Fahrten ab Ostern bzw. April bis Sep-tember/Oktober, unter anderem nach Ludwigsburg, Mar-bach, Lauffen

Rosensteinpark, Museum am Löwentor, StaatlichesMuseum für Naturkunde, Nordbahnhofstraße, 70191Stuttgart, Tel. 07 11/8936-0, Di.–Fr. 9–17 Uhr, Sa., So.,Feiertag: 10–18 Uhr, S 4, 5 und 6, Haltestelle Nordbahn-hof, Stadtbahn U13, Straßenbahn 15, Haltestelle Löwen-tor, www.naturkundemuseum-bw.de

Staatsgalerie Stuttgart, Konrad-Adenauer-Str. 30–32,70173 Stuttgart, Tel. 07 11/212 40 50, 212 40 28, Di.-So.11–18 Uhr, Do bis 21 Uhr, jeden ersten Sa. im Monat»Kunstnacht« bis 24 Uhr, Stadtbahn U1, U2, U4, U9, U11,U14, Bus 40, 42, 43, 92, Haltestelle Staatsgalerie,www.staatsgalerie.de

Stadtrundgänge in Stuttgart, Auskünfte und Karten beii-Punkt Touristik-Information, Mo.–Fr. 9.30–20.30 Uhr, Sa.9.30–18 Uhr So. und Feiertag 10.30–18 Uhr

Schwäbische Sternwarte, zur Uhlandshöhe 41, 70188Stuttgart, Straßenbahn 15, Haltestelle Heidehofstraße,Bus 40, 42 (Heidehofstraße)

Weinbaumuseum (Alte Kelter), Uhlbacher Platz 4,70329 Stuttgart-Uhlbach, April-Ende Oktober: Sa. 14–18 Uhr, So., Feiertag 10–12 Uhr und 14–18 Uhr, S 1 bisObertürkheim, Buslinie 62, Endstation Uhlbach, U 9 bisHedelfingen, Buslinie 62, Endstation Uhlbach

Wilhelma, Der Zoologisch-Botanische-Garten Stuttgart,Neckartalstraße/Pragstraße, 70376 Stuttgart-Bad Cann-statt, Tel. 0711/54 02-0, täglich geöffnet ab 8.15 Uhr,Stadtbahn U14, Haltestelle Wilhelma, U13, HaltestelleRosensteinbrücke, Buslinien 52, 55 und 56, HaltestelleRosensteinbrücke, S1, 2 und 3, Haltestelle Bahnhof Bad-Canstatt, S4, 5 und 6 Haltestelle Nordbahnhof,www.wilhelma.de

Zahnradbahn – Panoramabahn, verbindet seit über 100Jahren den Marienplatz mit Degerloch und bietet einentollen Ausblick auf Stuttgart, täglich 5.15–21 Uhr, So. ab6.30 Uhr im 15 Minuten-Takt (Fahrräder werden kostenlostransportiert)

➜ Weitere Informationen zu den genannten Tipps unterder Internet-Adresse Stuttgart: www.stuttgart.de

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Gesichtereiner Stadt

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polnischer Eigennamen mit AusspracheAleja aleja AlleeAndrzej antschei bia«a fabryka biawa fabrika weiße FabrikBreziny bschesinyCz™stochowa Tschenstochowa Tschenstochaudworzec dwoschez BahnhofG«ówne drogi gwuwne drogi HauptstraßenHolly»ód< holliwuudschko,ciól koschzul Kirche»™czyca Wentschyza»ód< wuudsch BootMuzeum sztuki museum schtuki KunstmuseumMuzeum historii miasta museum histori miasta Museum für Stadtgeschichtepomnik pomnik Denkmalrewolucja rewolucja RevolutionStaxewski Staschewski polnischer KünstlerStrzemiøski Stscheminski polnischer Künstlerulica ulitsa Straßewolno,ç wolnoschz Freiheitzamek samek SchlossZ«oty swoty (noch) polnisches Zahlungsmittel

(stimmhafte s und sch sind unterstrichen)

64 Glossar

Titelbild:li.: Stuttgart: © Stadtarchiv Stuttgart,aus der Plakatserie um 1930 re.: aus: »ód<. Barwy miasta. »ód<,2001. Foto: W«odzimerz Ma«ek

5 siehe o. Titelbild re.6 Joanna Ostrowska, Grajewo7 li. und re. oben Barbara Ha«adei, »ód<7 re. unten Joanna Ostrowska Grajewo8 alle: Barbara Ha«adei, »ód<, außer re.

unten: Joanna Ostrowska, Grajewo9 li. aus: Palac Schwejkerta. Hrsg. v.

Instytut Europejski. »ód< 1998, S. 299 re. oben und unten Barbara Ha«adei,

»ód<10 li. oben, Joanna Podolska, »ód<; alle

übrigen und S. 11 Hugo Glass, Alb-stadt

12 li. Walter-S. Kircher, Stuttgart12 re. Prot Ha«adei, »ód<13 Bernhard Müller, Untergruppenbach14 DIZ München GmbH, Süddeutscher

Verlag Bilderdienst, Foto Henryk Pod-debski

15 li. Leeor Engerländer, Berlin15 re. Joanna Ostrowska, Grajewo16 li. oben Museum für Stadtgeschichte,

»ód<16 li. unten Joanna Ostrowska, Grajewo17 Zeichnung: Paulina Reszka18 li. Walter-S. Kircher18 re. aus: Katalog: »Unser einziger Weg

ist Arbeit«. Das Getto in Lodz 1940-1944. Frankfurt a. M. 1990, S. 127© Jüdisches Museum Frankfurt a. M.

19 Zeichnung von H. Szylis, Getto »ód<,1940; aus: »Unser einziger Weg istArbeit«, S. 49; © YIVO Institute forJewish Research in New York

20 aus: Jerzy Kostrowicki. Polska. Przy-roda-Osadnictwo-Architektura.Wydawnictwo, Arkady, Warszawa1972, S. 273, Foto: R. Kropat

21 li. oben Foto: Bogdan Kopania,© Museum für Stadtgeschichte, »ód<

21 unten Mitte Walter-S. Kircher22 li. Joanna Ostrowska, Grajewo22 re. Robert-Bosch-Archiv23 Prot Ha«adei, Fotos: Barbara Ha«adei,

beide »ód<24 re. Mitte und unten Leeor Engländer25 li. Foto: Barbara Ha«adei25 re. aus: Broschüre der Stadt »ód<

»Stadtwege«, 200126 Joanna Ostrowska, Grajewo27 Barbara Ha«adei, »ód<28 Joanna Ostrowska, Grajewo29 Walter-S. Kircher, Stuttgart30 beide © Muzeum Sztuki, »ód<, Foto:

Piotr Tomczyk31 li. und re. aus: »ód<. Hamal books, S. 1433 Mitte: Postkarte der EU, Brüssel, zur

Erweiterung der Union, 200335 li. oben Walter-S. Kircher35 li. unten Gymnasium Stuttgart-Neu-

gereut, Foto: H. Eckart35 re. oben Walter-S. Kircher35 re. unten Helga Müller, Untergruppen-

bach36 li. oben Wolfgang Bohusch, »ód<36 re.: Stadt Esslingen37 Stadtarchiv Stuttgart, Plakatserie um

1930: links: Kaufhaus Schocken, Mitte:Tagblattturm und vorne Stiftskirche,rechts im Hintergrund Hauptbahnhof

38 li. und re.: Joanna Ostrowska, Grajewo39 li. oben Walter-S. Kircher39 li. unten Joanna Ostrowska

39 re. Walter-S. Kircher40 © Stadtmessungsamt Stuttgart, 200341 Stadtarchiv Stuttgart42 oben Stadtarchiv Stuttgart42 re. unten Joanna Ostrowska 43 li. Walter-S. Kircher43 re. Joanna Ostrowska 44 li. und re. oben Walter-S. Kircher44 re. unten Joanna Ostrowska 45 Stiftung Bundespräsident Theodor-

Heuss-Haus, Stuttgart46 © Ines Krewinkel, Sindelfingen48 li. oben B. Holtmann/Bosch-Archiv48 Mitte Bosch-Archiv und re. Robert-

Bosch-Stiftung, Kraufmann50 aus: Herbert Fecker: Stuttgart. Die

Schlösser und ihre Gärten, 1992, S. 119Foto Fernsehturm: Walter-S. Kircher

51 oben © Horst Rudel, Stuttgart51 unten Walter-S. Kircher52 Joanna Ostrowska, Grajewo54 oben © Esslinger Stadtmarketing &

Tourismus GmbH54 unten aus: Schlösser. Baden-Württem-

berg 2/54, S. 20. StaatsanzeigerGmbH. Foto: Blühendes Barock

55 oben Bernhard Müller, Untergruppen-bach

55 unten Walter-S. Kircher56 Joanna Ostrowska 58 li. oben Hegel-Haus, Stuttgart,

Foto: Michael Steinert58 li. unten und re. oben Walter-S. Kircher60 und 61 © Neue Staatsgalerie, Stuttgart62 Hintergrund: Bunker am Pragsattel bei

Nacht mit Regenbogen, Foto: KarinKircher, Stuttgart

63 Collage, alle Fotos: Joanna Ostrowska,Grajewo

G l o s s a rGlossar

B i l d n a c h w e i sBildnachweis

Page 67: ód – Stuttgart · 2006. 12. 14. · Baden-Württemberg »ód< – Stuttgart ... Dr. Wo

Spiele:

Weltpuzzle 2003. Ein Lernspielfür Schule und Unterrichtsowie für die außerschulischeJugend- und Erwachsenenbil-dung. Es vermittelt spielerisch undanschaulich Grundkenntnisse über dieStaaten der Erde und weckt Interesse am Weiterforschen.Als Lernhilfe ist es für alle Altersgruppen geeignet. DasPuzzle besteht aus 139 Teilen und benötigt zusammenge-legt eine Fläche von 190 x 120 cm. Schutzgebühr EUR 25,–(außerhalb BW EUR 35,–) zzgl. Versandkosten.

Zeitschriften:

»Der Bürger im Staat«

Heft 1/2003 Sicherheit und Kriminalität,80 Seiten mit elf Beiträgen über Krimi-nalität, Kriminalitätsfurcht und Präven-tion.Heft 2–3/2003 Islam und Globalisie-rung (erscheint im Juni 2003).

»Politik & Unterricht« für diePraxis der politischen Bildung

Heft 1/2003 Südliches Afrika, 48 Seitenmit den Bausteinen: Bilder und Realitäten;Von der Landnahme der Weißen bis zurApartheid; Probleme und Chancen heute.Heft 2/2003 Die Siebziger Jahre, 48 Sei-ten mit den Bausteinen: Facetten einesJahrzehnts; Neue soziale Bewegungen –zwei Beispiele; Die neue Ostpolitik; DieÄra Honecker; Der deutsche Herbst1977 (erscheint im Juni 2003).

»DEUTSCHLAND & EUROPA«, Reihe für Politik,Geschichte, Deutsch, Geographie, Kunst

Heft 46/2003 Lódz – Stuttgart:StädtePartner in Europa, 64 Seiten zahl-reichen Abbildungen, Tafeln, Karten undTexten zur Geschichte der beiden Part-nerstädte, zur Industriegeschichte(u. a. Bosch), Literatur (u. a. W. Rey-mont, Jurek Becker, Schiller, Hegel undHermann Lenz); zu Kunst und Film.Mit Vorschlägen zu Erkundungen undStadtgängen. Teile: I. Lódz, II. Völker-

verständigung und Frieden in Europasowie III. Stuttgart.

Broschüren und Bücher:

Gedenkstätten in Baden-Württemberg. Hrsg. von der Lan-desarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenk-stätteninitiativen in Baden-Württemberg und der LpB,60 Seiten, 3. vollständig überarbeitete Auflage 2003.JIM-Studie 2002. Jugend, Information, (Multi-)Media.Basisuntersuchung zum Medienumgang 12-bis 19-Jähri-ger, Hrsg.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Süd-west, Baden-Baden, März 2003, 72 Seiten.KIM-Studie 2002. Kinder und Medien – Computer undInternet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6-bis 13-Jähriger, Hrsg. Medienpädagogischer ForschungsverbundSüdwest, Baden-Baden, Dezember 2002, 60 Seiten.Digitale Spaltung. Informationsgesellschaft im neuen Jahr-tausend - Trends und Entwicklungen. Schriftenreihe Baden-Badener Sommerakademie Band 3, Hrsg. Gunnar Roters,Oliver Turecek, Walter Klingler, Berlin VISTAS Verlag, 2003,82 Seiten.Globales Lernen in den Naturwissenschaften. Dokumenta-tion einer Fachtagung, Stuttgart Oktober 2002, 52 Seiten.»Elevia, … Man denkt fast an Utopia!« Schule als Staat –Handlungsorientiert Demokratie lernen? Ein Unterrichts-projekt am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium Heilbronn,108 Seiten.

Bestellungen:

Soweit nicht anders vermerkt sind die Publikationen kos-tenlos. Bei Sendungen von über 1 kg Gewicht gehen dieVersandkosten zu Lasten des Bestellers oder der Bestelle-rin. Bestellungen bitte an die Landeszentrale für politischeBildung (LpB), Marketing, Stafflenbergstr. 38, 70184 Stutt-gart, Fax (07 11) 16 40 99-77 oder per E-Mail an:[email protected] Zusammenstellung aller Veröffentlichungen der Lan-deszentrale für politische Bildung (LpB) gibt es im Internetunter www.lpb.bwue.de/publikat.htm. Dort kann auchonline bestellt werden.

Aktiv gegen GewaltHerausgeber im Netzwerk gegen Gewalt an Schulen:Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg u. a.

Stuttgart 2003, 168 Seiten, Einzelpreis EUR 4,90, ab 10 Stck EUR 4,50 inkl. MwSt und Versand

Bezug und Bezugsbedingungen:Gegen Vorauskasse auf Konto 3 013 beiSchwäbische Bank (BLZ 600 201 00), unter Kennwort AgG und Absenderangabe

Schwabenverlag, mediagmbh, Senefelderstr. 12 73760 Ostfildern (Ruit)

Neues aus der Landeszentrale

für politische Bildung Baden-Württemberg

DER BÜRGER

IM STAAT

53. Jahrgang Heft 2/3 2003

Landeszentrale

für politische Bildung

Baden-Württemberg

Islam und

Globalisierung

Landeszentrale

für politische Bildung

Baden-Württemberg

»ód< – Stuttgart

StädtePartner in Europa

Stadtgänge • Erkundungen

Geschichte und Geschichten

Erfolgreiche Industrielle: Poznaøski und Bosch

Ghetto Lodz

Nachkriegszeit: Hoffnung und Modernisierung

»ód<er Landschaften – Stuttgart und seine Region

Literarische Spuren

Kunst • Film

Partnerschaft konkret

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03

Zeitschrift für die Praxisder politischen Bildung

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ISSN 0344-3531

Die siebziger JahreFacetten eines JahrzehntsNeue soziale Bewegungen –zwei Beispiele

Die neue OstpolitikDie Ära HoneckerTerrorismus

2/2003

Page 68: ód – Stuttgart · 2006. 12. 14. · Baden-Württemberg »ód< – Stuttgart ... Dr. Wo

Thema des nächsten Hefts:Rhône-Alpes – Partner-region Baden-Württembergs

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Stafflenbergstraße 38, 70184 Stuttgart Telefax 07 11/16 40 99-77 [email protected]://www.lpb.bwue.de

Telefon Stuttgart: 07 11/16 40 99-0

DurchwahlnummernDirektor: Dr. h. c. Siegfried Schiele . . . . . . . . . . . . . . . . . -60Referentin des Direktors: Dr. Jeannette Behringer . . . . . . . -62Controlling: Gudrun Gebauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -11Frauenvertreterin: Gordana Schumann . . Tel. 0 71 25/152-121

1 Querschnittsabteilung Zentraler Service11 Grundsatzfragen: Günter Georgi (Abteilungsleiter) . . -1012 Haushalt und Organisation: Jörg Harms . . . . . . . . . . -1213 Personal: Gudrun Gebauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -1314 Information und Kommunikation: Wolfgang Herterich . -14

2 Querschnittsabteilung Marketing21 Marketing: Werner Fichter (Abteilungsleiter) . . . . . . . -6322 Öffentlichkeitsarbeit: Joachim Lauk . . . . . . . . . . . . . . -64

3 Abteilung Demokratisches Engagement31* Geschichte und Verantwortung:

Konrad Pflug (Abteilungsleiter) . . . . . . . . . . . . . . . . . -3132 Frauen und Politik:

Christine Herfel . . . . . . -32, Beate Dörr . . . . . . . . . -7533* Freiwilliges Ökologisches Jahr: Steffen Vogel . . . . . . -3534 Jugend und Politik: Wolfgang Berger . . . . . . . . . . . . -2235* Schülerwettbewerb des Landtags:

Reinhard Gaßmann . . . -25, Monika Greiner . . . . . -26

4 Abteilung Medien41 Neue Medien:

Karl-Ulrich Templ (stv. Dir., Abteilungsleiter) . . . . . . . . -2042 Redaktionen Der Bürger im Staat/Didaktische Reihe:

Siegfried Frech . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -4443 Redaktion Deutschland und Europa:

Dr. Walter-Siegfried Kircher . . . . . . . . . . . . . . . . . . -4344 Redaktion Politik und Unterricht: Otto Bauschert . . . . . -42

5 Abteilung Regionale Arbeit51 Außenstelle Freiburg:

Dr. Michael Wehner . . . . . . . . . . Tel. 07 61/2 07 73 7752 Außenstelle Heidelberg:

Dr. Ernst Lüdemann (Abteilungsleiter) Tel. 0 62 21/60 78-1453* Außenstelle Stuttgart:

Dr. Iris Häuser . . . . . . . . . . . . . . Tel. 07 11/16 40 99-52Peter Trummer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -50

54 Außenstelle Tübingen:Rolf Müller . . . . . . . . . . . . . . . . Tel. 0 70 71/2 00 29 96

6 Abteilung Haus auf der Alb Tel. 0 71 25/1 52-061 Natur und Kultur: Dr. Markus Hug (Abt.-leiter) . . . . . -14662 Zukunft und Bildung: Robert Feil . . . . . . . . . . . . . . . -13963 Europa – Einheit und Vielfalt: Dr. Karlheinz Dürr . . . -14764 Frieden und Entwicklung: Wolfgang Hesse . . . . . . . . -14065 Landeskunde Baden-Württemberg:

Dr. Angelika Hauser-Hauswirth . . . . . . . . . . . . . . . . -13466 Modernisierung in Staat und Wirtschaft:

Eugen Baacke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -136 67 Bibliothek/Mediothek: Gordana Schumann . . . . . . . -12168 Hausmanagement: Erika Höhne . . . . . . . . . . . . . . . -109

Anschriften

Hauptsitz in Stuttgart s. links* 70178 Stuttgart, Paulinenstraße 44–46,

Fax 07 11/16 40 99-55

Abteilung/Tagungsstätte Haus auf der Alb, Hanner Steige 1, 72574 Bad Urach, Tel. 0 71 25/1 52-0, Fax -100

Außenstelle Freiburg, Friedrichring 29, 79098 Freiburg, Tel. 07 61/2 07 73-0, Fax -99

Außenstelle Heidelberg, Plöck 22, 69117 Heidelberg, Tel. 0 62 21/60 78-0, Fax -22

Außenstelle Stuttgart, Paulinenstraße 44–46,70178 Stuttgart, Tel. 07 11/16 40 99-51, Fax -55

Außenstelle Tübingen, Herrenberger Straße 36, 72070 Tübingen, Tel. 0 70 71/2 00-29 96, Fax -29 93

LpB-Shops/Publikationsausgaben

Bad Urach Tagungsstätte Haus auf der Alb, Hanner Steige 1,(Tel. 0 71 25/1 52-0) Mo bis Fr 8–16.30 Uhr

Freiburg Friedrichring 29 (Martina Plajer, Tel. 07 61/2 07 73-10), Di und Do 9–15 Uhr

Heidelberg Plöck 22 (Maria Melnik, Tel. 0 62 21/60 78-11) Di 9–15 Uhr, Mi und Do 13–17 Uhr

Stuttgart Stafflenbergstraße 38 (Ulrike Weber, Tel. 07 11/16 40 99-66) Mo und Do 9–12, 14–17 Uhr, Di 9–12 Uhr

Tübingen Herrenberger Straße 36 (Claudia Häbich/Sonja Danner, Tel. 0 70 71/2 00 29 96) Mi und Do 9.15–11.45 Uhr, Di 9.15–15 Uhr

Nachfragen

Publikationen (außer Zeitschriften) Ulrike Weber, Tel. 07 11/16 40 99-66, [email protected]

Der Bürger im StaatUlrike Hirsch, Tel. 07 11/16 40 99-41, [email protected]

Deutschland & Europa und Politik & UnterrichtSylvia Rösch, Tel. 07 11/16 40 99-45, [email protected]

Bestellungen

bitte schriftlich an die zuständigenSachbearbeiterinnen (s. o.): Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart, Fax 07 11/16 40 99-77,oder E-Mail: [email protected] oder Webshop: www.lpb.bwue.de