D. (Luft) 1255-2d Leitfaden Der Flugnavigation (Auszug)

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11 Einführung: Die Erfahrungen auf dem Gebiete der Flug- navigation haben ergeben, dass die in der D. (Luft) 1255/2b und e beschriebenen navigatorischen Methoden zur Kontrolle der Koppelnavigation für die Durchführung bestimmter Aufgaben nicht immer ausrei- chen... 1. Die Genauigkeit der angewandten Ver- fahren nimmt mit zunehmender Flugzeit und größer werdendem Abstand von der eigenen Basis ab. 2. Die Ausnutzung der Hilfsmittel wird durch Maßnahmen des Feindes gestört oder verhindert. 3. Die Bodenorganisation steht aus ver- schiedenen Gründen nicht in allen Fällen in dem erforderlichen Umfang zur Verfü- gung. 4. Die Genauigkeit und Anwendbarkeit der Verfahren ist abhängig von der Tageszeit.... Diese Nachteile entfallen bei der Anwen- dung der astronomischen Standlinie, die für die Führung von Flugzeugen verwandt werden kann. Für die Ermittlung der astronomischen Standlinie ist die Ausrüstung des Flugzeu- ges mit Beobachtungs- und Auswerte- geräten erforderlich... Für die Bestimmung des astronomischen Standortes ist das Messen der Höhen von mindestens zwei verschiedenen Gestirnen notwendig, deren Richtungsunterschied wie bei Funkpeilungen möglichst 90° be- tragen soll.... I. Die astronomische Stand- linie Unter der astronomischen Standlinie ver- steht man in der Flugnavigation die Linie, auf der sich das Flugzeug auf Grund der Höhenwinkelmessung eines Gestirns im Augenblick der Beobachtung befindet. Sie verläuft als Kreis um den Bildpunkt des beobachteten Gestirns... Hilfsmittel zur Ermittlung der astrono- mischen Standlinie Beobachtungsgeräte Auswertegeräte Tafeln und Vordrucke Zubehör. (Abb. 3) D. (Luft) 1255/2d Leitfaden der Flugnavigation (Auszug) Teil 2 Angewandte Navigation durch Koppelnavigation in Verbindung mit astronomischen Standlinien, August 1942 Der Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Der Chef des Generalstabes, L. Inspektion 2 Berlin, den 15 August 1942

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Einführung:

Die Erfahrungen auf dem Gebiete der Flug-navigation haben ergeben, dass die in derD. (Luft) 1255/2b und e beschriebenennavigatorischen Methoden zur Kontrolleder Koppelnavigation für die Durchführungbestimmter Aufgaben nicht immer ausrei-chen...

1. Die Genauigkeit der angewandten Ver-fahren nimmt mit zunehmender Flugzeitund größer werdendem Abstand von dereigenen Basis ab.2. Die Ausnutzung der Hilfsmittel wirddurch Maßnahmen des Feindes gestört oderverhindert.3. Die Bodenorganisation steht aus ver-schiedenen Gründen nicht in allen Fällenin dem erforderlichen Umfang zur Verfü-

gung.4. Die Genauigkeit und Anwendbarkeit derVerfahren ist abhängig von der Tageszeit....

Diese Nachteile entfallen bei der Anwen-dung der astronomischen Standlinie, die fürdie Führung von Flugzeugen verwandtwerden kann.

Für die Ermittlung der astronomischenStandlinie ist die Ausrüstung des Flugzeu-ges mit Beobachtungs- und Auswerte-geräten erforderlich...

Für die Bestimmung des astronomischenStandortes ist das Messen der Höhen vonmindestens zwei verschiedenen Gestirnennotwendig, deren Richtungsunterschiedwie bei Funkpeilungen möglichst 90° be-tragen soll....

I. Die astronomische Stand-linie

Unter der astronomischen Standlinie ver-steht man in der Flugnavigation die Linie,auf der sich das Flugzeug auf Grund derHöhenwinkelmessung eines Gestirns imAugenblick der Beobachtung befindet. Sieverläuft als Kreis um den Bildpunkt desbeobachteten Gestirns...

Hilfsmittel zur Ermittlung der astrono-mischen StandlinieBeobachtungsgeräteAuswertegeräteTafeln und VordruckeZubehör. (Abb. 3)

D. (Luft) 1255/2dLeitfaden der Flugnavigation (Auszug)

Teil 2Angewandte Navigation durch Koppelnavigation in Verbindung mit astronomischen

Standlinien, August 1942

Der Oberbefehlshaber der Luftwaffe,Der Chef des Generalstabes, L. Inspektion 2

Berlin, den 15 August 1942

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BeobachtungsgeräteZur Messung der Gestirnshöhe benutztman einen Libellenoktanten. (Abb. 4)Die Bestimmung der genauen Zeit erfolgtmit Hilfe der Beobachtungsuhr (B-Uhr)(Abb. 5)....

ZubehörDas BeleuchtungsgerätDie AuswertemappeDas astronomische JahrbuchDer Sternglobus (Bodengerät)Das Chronometer (Bodengerät)

Das Chronometer (Abb. 16) hat denZweck, zu jeder Zeit eine genaue Kontrol-le der Beobachtungsuhren vornehmen zukönnen. Es wird im Flugvorbereitungs-raum aufgestellt. Sein Stand muss täglichdurch Zeitsignale festgestellt und im Chro-nometertagebuch vermerkt werden (Abb.17)....

II. Navigatorische Flugvor-bereitung

.. Wegen der Störabfälligkeit des Oktan-ten ist es zweckmäßig, zwei Geräte für denFlug mitzunehmen.

Die Beobachtungsuhr wird nach demChronomewter gestellt. Hierbei muss derStand des Chronometers beachtet werden.

Beispiel:Am 9. Januar um 0530 soll die Be-obachtungsuhr für den geplanten Flugnach dem Chronometer gestellt werden.Nach dem Chronometertagebuch hatte dieUhr am 8. Januar 1942 um 1400 einenStand = -14s. Der Gang ist aus den Anga-ben, zu +1,5s errechnet. Daraus ergibt sichder Stand für den 9. Januar mit -13s. Manstellt die Beobachtungsuhr auf05h30m00s. In dem Augenblick, in demdas Chronometer 05h30m13s anzeigt, wirddie Beobachtungsuhr in Gang gesetzt. DerStand der Beobachtungsuhr ist damit 0.

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Ein Erfahrungsbericht von Hellmut Nagel (Ausschnitt)BESATZUNG: Uffz. Wischelow, Ltn. Nonnenberg,Uffz. Elies, Uffz. Heeg, Obltn. Vaupel, Uffz. Roller,Ltn. Nagel, Fw. Justel, Fw. Berndt und Fw. Leimen-kühler

- Langstrecken-Fernaufklärung-See ab Januar 1944- Einsatzort: Mont de Marsan Südfrankreich- Flugraum: Westküste Spanien, Azoren, SüdspitzeGrönland und Irland- Leutnant Nagel, Flugzeugführer und OberleutnantVaupel Kommandant dieses Flugauftrages- Flug Nr. 1686 des Flugbuches vom 18. 2. 1944- Geleitzugsuche bis etwa 26° westliche Länge- Start 14.17 Uhr, Rückkehr 19. 2. 1944 um 7 Uhr 57- Flugstrecke ca. 5500 km, Flugdauer 18 h

Ab 17.2. nachmittags hat die gesamte Besatzung Ein-satzbereitschaft. Gegen 10 Uhr dann der Meldefahrermit dem Einsatzbefehl, Start 14 Uhr! Mein Beobachterund ich werden gegen 12 Uhr vom Mannschaftsbus ab-geholt. Im Gefechtsstand erfolgt die Einweisung zumEinsatzauftrag an die Besatzung. Zwei Geleitzüge sol-len es sein, der erste sollte möglichst vielseitig erfasstwerden. Der zweite solle erst in der Nacht zu orten sein.Standort und Kurs sollen festgestellt werden.

Die Beobachtungsuhren sind gestellt, dann geht es mitdem Bus zur startbereiten Ju 290! Die technischen Bord-warte geben ihre Klarmeldung ab. Einschließlich derbeiden Wetterfrösche sind wir 11 Mann. Der II Flgzf.Ltn. Nonnenberg erklärt: ‘Alles klar.’ Kreiselkompass,und Kurssteuerung werden überflogen. Die Eigen-sprechanlage (Ei-V) wird durch namentliche Abfragegeprüft. Die vier Motoren hat der II Flgzf. schon abge-bremst.

Start: Landeklappen auf Startstellung fahren, Handzei-chen an den Bordwart, Bremsklötze entfernen, Fensterschließen und über die Ei-V Anlage der Besatzung mit-teilen: ‘Wir starten.’ Die Gashebel werden zügig nachvorne geschoben. Der II Flgzf. und ich fassen die gebo-genen Hörner des Doppelsteuerruders, um einen siche-ren Start zu gewährleisten. Faszinierend, wenn solch einKoloss wie die Ju 290 mit 42 t anrollt. Die etwa 50 mhinter der Startbahn liegende Radarstation rast auf unszu. Als erstes wird bei 50 m Höhe das Fahrwerk einge-fahren. Es folgen die Landeklappen, und die Motorenwerden auf Reiseleistung gedrosselt.

Unsere beiden Funker fahren zwecks Abstimmung derFunkgeräte die Schleppantenne aus und der erste Ab-stimmungs-Spruch von der Peilfunkstelle wird empfan-gen. Während dessen richtet sich der Beobachter Obltn.Vaupel an seinem Navigationstisch ein und fixiert aufder Seekarte die ersten Start- und Zeitangaben unseresFluges. Alle navigatorischen Ergebnisse, Feststellungen,Funkpeilungen sowie Kursänderungen und Astropeilungwerden vom Beobachter mit Uhrzeit auf einer mitge-

Flugzeugführer Leutn. Hellmut Nagel im Jan. 1943.

Luft-Navigation im Zweiten WeltkriegFern-Aufklärung im Atlantik

unten: Junckers Ju 290, Ausführung mit FUG 200,Typ A4 Baujahr 1942/43 (Fotos Nagel)

- links: H. Nagel erinnert sich an das Chronometerim Flugvorbereitungsraum. Es war in einem tempe-raturgeschützten Bereich aufgestellt und hatte dieGummilagerung wie dieses frühe Feder-Chronome-ter Nr. 2074 der Chronometerwerke HamburgG.m.b.H., Bauj. 1937 bevor Gerh. D. Wempe die Fir-ma übernahm, mit Kette/Schnecke, geschwärzterMessing-Glasring und -Topf im gelochten Metall-gummi-Ring drehbar um eine Achse (‘3-9’), Arretie-rung über Federhalter bei der ‘5’, Anschlüsse fürElektrokontakte vorn.- rechts: IWC Luftwaffe Beobachtungs-Armbanduhrerste Ausführung mit zylindrischer Krone, Ausliefe-rung am 21.8.1940, Stahl-Gehäuse Nr. 1033227,Werk Nr. 1013833, Cal. 52 SC, zusätzliches anti-magnetisches Innengehäuse, Bandanstöße mitFederstegen zur Befestigung des Langriemens. IWChat von dieser Uhr 1940 insgesamt 1000 Stück anSiegfried Heindorf/Berlin geliefert. Dieses ist die B-Uhr von Ltnt. H. Nagel, er hat sie bis heute sicheraufbewahren können und dem Autor überlassen. DieUhr war in das Soldbuch von H. Nagel eingetragen,welches bei Stalingrad verloren ging.

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führten Seekarte eingetragen.

Der erste Bordschütze überwacht in seiner drehbarenPlexiglaskuppel neben seiner 2 cm-Maschinenkanoneden Luftraum Steuerbord querab bis zur Richtung Leit-werk. Der zweite Bordschütze, seine ebenfalls drehbareKuppel etwa im letzten Drittel des oberen Flugzeug-rumpfes angeordnet, hat den Luftraum backbordseitigvom Leitwerk bis querab zu überwachen. Der Heck-schütze sitzt im Rumpfende und überwacht den rück-wärtigen Luftraum.

In 100 m Flughöhe empfängt uns ein über die Biskayaziehendes Tief. Begleitschutz der Lehrjagdstaffel JG 101(Novotny) ist wegen des Wetters nicht erforderlich. Dieenglischen Langstrecken-Moskitos, brauchen wir beidiesem Wetter nicht zu fürchten! Die beiden Bord-schützen, der Heckschütze und der Bordmechaniker sol-len ihre Bordkanonen durch einige Schüsse ins Meerausprobieren, nach 10 Minuten Waffen-Klarmeldungenzurück

Der Bordmechaniker überwacht Kraftstoff und Ölver-brauch sowie das Umpumpen in die Entnahmetanks.Nachrechnen und Vorauskoppeln über geflogenen Ver-brauch unter Verwertung von Funkpeilungen, die vonden Bordfunkern über Kurz- bzw. Langwelle erbrachtwerden und gemeinsam mit dem Beobachter auf derSeekarte am Beobachtertisch eingetragen und ausgewer-tet werden. Eine entsprechend exakt kurze Betätigungder Funkgeräte bei Einholung von Peilungen erschwertden Engländern ein Abhören unserer Maschinen.

Zusätzlich wird nach dem 2. Ablaufpunkt alle 30 Minu-ten das FuG 200, ein Funkmessgerät, zur Suche vonSchiffszielen, eingeschaltet. In zwei Messbereichen istes möglich, Schiffe, ihre Anzahl und Größe bis 35 kmbzw. 120 km Entfernung zu orten. Der Beobachter ar-beitet an seinem Navigationstisch und tauscht Werte undZahlen sowie Befehle mit den beiden Funkern, die dieseaus dem Äther holen und an den BdU bei Paris bzw.Norddeich-Radio senden.

Wir sind jetzt etwa 2 Stunden unterwegs und südlichbackbord quer ab, müsste jetzt Cap Finisterre liegen. ZurStandortpeilung werden zwei Leitstrahlführanlagennamens ‘Elektra’ verwendet. Deren Standorte sind inStavanger und in Sevilla. Dieses System bietet eine wei-tere Navigationsgrundlage für eine Feststellung desStandortes und Ablaufpunktes für den Flug auf den At-lantik hinaus. Wir stehen auf 11° westlicher und 43°nördlicher Breite. Die Funker ziehen die Schleppantenneein. Nach dem elektrischen Höhenmesser ändern wirunsere Flughöhe und fixieren sie auf 20 m über NN.

Wir kommen nun in den Bereich der Geleitzugstraße.Sie führt über Süd-England zu den Azoren bzw. nachGibraltar und zurück. Als sicherster Überraschungs-schutz ist deshalb im Augenblick der Tiefflug nötig. Alle1/2 Stunden gehen wir auf 300 m hoch und ziehen einenVollkreis. Gleichzeitig wird das FuG 200 stufenweisebenutzt. Danach gehen wir sofort wieder in den Tiefflugauf 20 m Höhe. Auf diese Weise entgehen wir sichereventuellen Schiffsradarmessungen der Bewacherschiffeder Geleitzüge. Bei deren Messungen sind wir in einemBereich, in dem die Radar-Strahlen auf die See aufpral-len und abgelenkt werden. Eine Zielerfassung kann esnicht geben.

Der nächst folgende Suchkreis bringt über unser FuG200 in 300 m Höhe schon im Ansatz ein Ergebnis: un-gezählte Schiffsziele voraus. Der Suchkreis wird sofortabgebrochen. Wir gehen runter auf etwa 15 bis 20 mund justieren unseren Kurs direkt auf die Mitte des Ge-leitzuges. Über Ei-V wird sofort erhöhte Gefechtsbereit-schaft angeordnet.

Der Bordfunker meldet den Geleitzug mittig im Sicht-

oben: Aufklärungsflüge auf dem Atlantik zwischen Irland und den Azoren mit Reichweite des Schiffssuch-gerätes FuG 200. Suchteppich ca. 500 x 500 km in der Nacht vom 19. zum 29.5.1944, 94. Feindflug von H.Nagel. (Zeichnung Nagel auf einer Karte aus dem Diercke Weltatlas, Verlag G. Westermann)unten: Junckers Ju 290, Ausführung mit FUG 200, Typ A4 Baujahr 1942/43.

gerät des Fug 200. Er macht mehr als 30 bis 40 Schiffs-ziele aus. Darunter befindet sich ein besonders großesund markantes Ziel. Kurz danach bestätigt die Sichter-kennung, dass es sich um einen mittelgroßen Flugzeug-träger handelt. Bei bester Sicht erkennen wir das ganzeGeleit durch viele einzelne Rauchwölkchen, Handels-schiffe und Bewacherkriegsschiffe.

Als wir auf etwa 18 km an den Geleitzug herangekom-men sind, immer noch mit Kurs auf deren Mitte, ent-deckt uns das Geleit. Aus dem großen Schiffsverbandscheren gleichzeitig größere und kleinere Bewachungs-fahrzeuge aus. In breiter Front, mit sichtbar hohen Gischt-bugwellen, kommen sie auf uns zu und schießen sofortaus allen Rohren auf uns.

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Die Fernaufklärungs-Gruppe 5 (FAG 5) bestand aus 2 Staffeln a 10 FlugzeugenJu 290, d. h. 20 Besatzungen mit insgesamt ca. 45 Beobachtungsuhren.- links: beide Staffeln der FAG 5, links Offiziere, recht Uffz. und Mannschaften,Abnahme durch Gen.FM Perle. -rechts: rechts im Bild Flugzeugführer Ltn. H.Nagel 1943Der Flugzeugträger auf der Westseite des Geleites gehtebenfalls auf Angriffskurs. Wir fliegen in dieser Situati-on bis etwa 2 km an die Einschläge unter laufender Be-obachtung des Flugzeugträgers heran, um dann überNord auf Kurs 50° abzudrehen. Der Beobachter, einFunker sowie auch die Bordschützen versuchen beimAbflug die Anzahl der Schiffe zu zählen. Mit der Klein-bildkamera Robot mit 7 cm Brennweite kann der Beob-achter noch einige Schiffe fotografieren. Wir könnennicht mehr feststellen, ob Trägerflugzeuge gestartet sind,deshalb fliegen wir eine halbe Stunde lang ca 80 sm die-sen Kurs, da sich ein Trägerflugzeug höchstens 50 smvon seiner Basis entfernt.

In der anbrechenden Abenddämmerung müssen die Fun-ker und der Beobachter Meldungen verschlüsseln undan den BdU in Le Bourget-Paris absetzen. Eine neueFunkabstimmung muss durchgeführt werden, um eineweitere Standortbestimmung durch Peilung mit denFunksonnen in Stavanger und Sevilla sicher zu stellen.

Wir waren nun 17 1/2 Flugstunden unterwegs und muss-ten bald in den weiteren Bereich des zweiten Geleitzu-ges kommen. Dieser fährt als Westläufer Richtung USA.In der Ei-V die Stimme des I. Funkers: Schiffsziele etwa.50 sm voraus! Alle Gefechtsstände werden sogleich be-setzt. Unser FuG 200 gibt uns die Möglichkeit, den Kurs

zum Geleit genau auszurichten. Wir sind nun durchSchiffsradar vom Geleit aus zu orten, aber durch denWolkenschleier nicht zu sehen. Anhand der verschiede-nen schwingend-auskragenden grünen Zacken am Sicht-schirm des FuG 200 können unsere beiden Funker 35Schiffsziele ausmachen.

Das Geleit fährt mit einer verbreiterten Kiellinie etwaKurs 215° westsüdwest. Wir fliegen vom Ende zur Spit-ze des Geleites längsseits und setzen davor und dahinterje eine Schirmleuchtbombe ab. Diese tauchen durch denStratusschleier und verbreiten darunter ein helles grel-les Signallicht. Es soll deutsche U-Boote aufmerksammachen.

Danach drehen wir über Süd auf 80° Kurs Mont Mars-an ab! Ein glasklarer Sternenhimmel wird zu einer as-tronomischen Standortbestimmung genutzt. Der II.Flugzeugführer übernimmt das Steuer und ich gehemit dem Beobachter und einem Oktanten zur Klarsicht-haube, um je einen Fixstern quer und voraus zu unse-rem Kurs zu ‘Schießen’. Mit dem Oktanten wird jeweilsein besonders heller Stern voraus bzw. querab für eineAnzahl von Sekunden ins Visier genommen und mit-tels abgelesener Winkelwerte auf ein Formular, dasvordatierte Sternenstandorte beinhaltet, eingetragen.Ein vorgegebener Rechenvorgang ergibt dann auf derSeekarte neben dem vorgekoppelten Flugkurs einenSchnittpunk zweier Linien, die den tatsächlichen Stand-ort zur Beobachtungszeit ergeben. Unsere beiden Fun-

ker haben zu einer weiteren Standortbestimmung jeeinen deutschen Geheimsender an der irischen Süd-küste sowie nahe Kap Finisterre angepeilt.

Der Bordmechaniker und der II. Flgzf. leiten für dieHeimkehr entsprechend des Kraftstoffverbrauchs Um-tankvorgänge ein. Die Funker verschlüsseln Funksprü-che unter Konsultation des Beobachters. Dieserwiederum ist mit dem Klarlegen seiner Navigation anHand der mehrfachen Kurswechsel am Geleit währendder letzten Stunden beschäftigt. Ein neuer Tag, der19.2.44, bricht an. Es ist l Uhr 30, noch 7 Flugstundenbis Mont Marsan.

Gegen 5 Uhr geben wir die Flughöhe 2000 m auf undfliegen nun im Biskaya-Raum in etwa 100 m innerhalbdes Nordrandes des östlich gelegenen 2. Tiefs. Wir wäh-len diese unangenehme Flughöhe, da wir wieder im Be-reich der englischen Fernjäger sind. Wir versuchen, dieKüsten-Wachboote unserer Kriegsmarine zeitig genugzu erkennen, um das Erkennungssignal rechtzeitig zusenden.

Kurz vor dem Küstenüberflug erfolgt der Ablaufpunkt-vergleich durch Peilung und erhöhte Tätigkeit der beidenFunker: QFE, QFF sowie weitere Wetterhinweise vomPlatzpeiler Mont Marsan einholen; Funksprechverkehrherstellen. Klarmeldung vom Flugfeld: kein MYO Bor-deaux! Wir beiden Piloten steuern die Ju nach Peilwertenvom Platzradar. Über die Platzmitte geht es in 200 mHöhe bis zum erlösenden QTH-Mont Marsan. Eindre-hend wird das Fahrwerk ausgefahren, trotz der schlech-ten Sicht, erkennen wir die Flugplatzbefeuerung. Vor demPeilerhäuschen steht der winkende Peilflugleiter, er gibtuns das erlösende ‘Z ‘ durch.

Die Landung gelingt und wir lassen die Ju ohne Brem-sen ausrollen. Die Motoren werden ausgeschaltet, dannplötzlich Totenstille. Der ausrollenden JU folgt derMannschaftsbus, Bordwarte und Bodenpersonal sindunserer Mannschaft beim Aus- und Umsteigen behilf-lich. Verschiedene Bord- und Funktionswarte erkundi-gen sich über den Flugzeug- und Maschinenzustand. Ersteinmal rollen wir zum Gefechtsstand, um unseren Ein-satzbericht abzuliefern. Das Ende eines langen ausge-füllten Fluges!

- Oleutnt. Vaupel, Beobachter und Kommandant desFlugauftrages mit Hanhart Eindrücker-Chrono-graph am Handgelenk, daneben der Hanhart Chro-nograph mit einem Drücker in der frühen Versionmit Markierungspfeil an der Lunette mit dem Ziffer-blatt für die Luftwaffe. (Das Zifferblatt der Kriegs-marine hatte eine rote Telemeter-Skala zur Entfer-nungsmessung von Geschützen.)

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Das Flugbuch von Hellmut Nagel mit der Eintragungdes geschilderten Atlantik-Fluges am 18.2.1944. Esist insgesamt Nagels 1686. Flug und 93. Feindflug.

Alle Meldungen über Flugposition, Wetter- undGeleitzugdaten wurden an den Befehlshaber der U-Boote in Paris Le Bourget gefunkt. Diese Daten wur-den vom Funker per Hand über eine täglich neu aus-gegebene Schlüsseltabelle verschlüsselt. Nur beibesonders sensiblen Aufträgen wurde zur Ver-schlüssellung die Enigma mitgenommen, wie z. B.bei Feidflug Nr. 98 am 3.8.1944 nach Süd-Grönlandzur Aufnahme von Wetterdaten bis zu 4000 m Höhe.Aus diesen Daten wurde die Wettervorhersage erstellt,die für die Abschuss-Einstellungen der V1 Flug-bomben und V2 Raketen verwandt wurde, daher dieerhöhte Geheimhaltungsstufe.- links: Verschlüsselungsmaschine Enigma, die Luft-waffen-Version hatte drei Walzen, die der U-Bootevier, jeweils zur Auswahl standen 7 Walzen und 26Elektrokontakte mit insgesamt 150 x 10 hoch 18Kombinationsmöglichkeiten. Die Codierungen wur-den täglich geändert, dennoch wurde der Code vombritischen Geheimdienst geknackt. (Darstellung imLuftwaffen-Museum Berlin-Gatow)

- Libellen-Oktant von DeTeWe, Bauart Plath, Hamburg, Gerät-Nr. 127-134 B1,Werk-Nr. 116817, Anforderungs-Nr. Fl. 23750. Dieses Navigationsinstrumentwurde genutzt in Langstrecken-Flugzeugen zur Bestimmung der Gestirnshöhe.Die Funktion beruht auf der Beobachtung des Winkelabstands eines Gestirnsvon dem Bild einer Flüssigkeitsblase (Libelle) als künstlicher Hotizont. Das klei-ne einzustellende Uhrwerk zur Mittelung der Messung über einige Minuten sollhier als Beispiel stehen für zahlreiche einfache Zeitgeber und Stoppuhren in Luft-fahrt-Instrumenten.