Darstellung und Kristallstruktur des Bis(2-amino-l...

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. Darstellung und Kristallstruktur des Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexasulfids [H 3 N—(CH 2 ) 2 —NH 2 ] 2 S 6 Synthesis and Crystal Structure of Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexasulfide, [H 3 N—(CH 2 )2-NH 2 ]2S 6 P. Böttcher* Eduard-Zintl-Institut, Abt. Anorganische Chemie II, Hochschulstraße 4, D-6100 Darmstadt H. Buchkremer-Hermanns Institut für Anorganische Chemie der RWTH Aachen, Professor-Pirlet-Straße 1, D-5100 Aachen Z. Naturforsch. 42b, 267-271 (1987); eingegangen am 15. Oktober/8. Dezember 1986 Crystal Structure, Polychalcogenides Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexasulfide has been synthesized from ethylendiamine, sulfur and hydrogensulfide in ethanolic solution. It consists of unbranched chains S fi 2 " (helical all-trans- conformation) and monoprotonated ethylenediamine cations; the latter show the uncommon synclinical conformation. A remarkable system of N^H-'-S-bridges links the S 6 2 ~-chains to form an infinite array. It crystallizes in the space group PI with a = 9.203(4) Ä, b — 9.921(4) Ä, c = 15.583(5) Ä, a = 93.03(3)°, ß = 90.04(3)°, y = 79.07(3)°. 1. Einleitung Kürzlich haben wir über die Struktur des Ethylen- diammoniumhexasulfids, [H 3 N—(CH 2 ) 2 —NH 3 ]S 6 , berichtet, welches aus Ethylendiamin, Schwefel und Schwefelwasserstoff in Wasser als Lösungsmittel er- halten wird [1]. In diesem Zusammenhang interes- sierte die Frage, ob die Wahl des Lösungsmittels einen Einfluß ausübt. In der Tat zeigt sich, daß beim Übergang zu weniger polaren Lösungsmitteln nicht das diprotonierte Amin, sondern nur seine monopro- tonierte Form auftritt. Über die erste Verbindung dieser Art, das Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexa- sulfid, [H 3 N-(CH 2 ) 2 -NH 2 ] 2 S 6 , soll hier berichtet werden [2]. 2. Darstellung Die Präparationsvorschrift lehnt sich an die von Krebs et al. angegebene an [3] und ist ausführlich an anderer Stelle beschrieben [1]. Für einen typi- schen Ansatz gilt das Folgende: In einen Zwei- halskolben werden unter Schutzgasatmosphäre 5 g (= 156 mmol) doppelt sublimierter Schwefel und 100 ml absolutiertes Ethanol gegeben. Durch die entstandene Suspension wird Argon geleitet und 2 g (= 33,3 mmol) über Molsieb (4 Ä) getrocknetes und * Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. P. Böttcher. Verlag der Zeitschrift für Naturforschung, D-7400 Tübingen 0340 - 5087/87/0200 - 0243/$ 01.00/0 anschließend über Calciumhydrid frisch destilliertes Ethylendiamin einpipettiert. Dann erwärmt man auf 35 °C und stellt die Gaszufuhr von Argon auf hoch- reines H 2 S um, wonach langsam auf 65 °C aufgeheizt und für eine Stunde gerührt wird. Es entsteht eine tiefrote Lösung, die im H 2 S-Gegenstrom schnell über ein Faltenfilter in einen Schlenkkolben filtriert wird um sicherzustellen, daß eventuell nicht umge- setzter Schwefel oder Nebenprodukte entfernt wer- den. Der anschließend verschlossene Kolben wird in ein 75 °C warmes Thermostatbad gehängt und um 1 °C pro Stunde auf 15—20 °C abgekühlt, wobei gut ausgebildete, prismenförmige, orangefarbene Kri- stalle bis zu mehreren Millimeter Kantenlänge wach- sen, die über eine Schutzgasfritte abfiltriert, im Hochvakuum getrocknet und unter Argon verschlos- sen aufbewahrt werden. Die Produkte enthalten im- mer geringe Mengen Schwefel, so daß keine zuver- lässigen Elementaranalysen und Dichtebestimmun- gen durchgeführt werden können. Anstelle des Lösungsmittels Ethanol kann man auch Acetonitril oder Toluol einsetzen, obgleich die Ergebnisse bezüglich der Reinheit und der Kristall- qualität der Produkte weniger befriedigend sind. Das röntgenographische Pulverdiagramm ist mit den aus der Einkristallstrukturuntersuchung erhalte- nen atomaren Lageparametern vollständig und wi- derspruchsfrei nur dann zu indizieren, wenn man ausgesuchte Kristalle verwendet. Andernfalls enthal- ten die Diagramme stets auch die stärksten Reflex- lagen des Schwefels.

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

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Darstellung und Kristallstruktur des Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexasulfids [H3N—(CH2)2—NH2]2S6

Synthesis and Crystal Structure of Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexasulfide, [H3N—(CH2)2-NH2]2S6

P. Böttcher* Eduard-Zintl-Institut, Abt. Anorganische Chemie II, Hochschulstraße 4, D-6100 Darmstadt

H. Buchkremer-Hermanns Institut für Anorganische Chemie der RWTH Aachen, Professor-Pirlet-Straße 1, D-5100 Aachen

Z. Naturforsch. 42b, 267-271 (1987); eingegangen am 15. Oktober/8. Dezember 1986

Crystal Structure, Polychalcogenides Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexasulfide has been synthesized from ethylendiamine, sulfur

and hydrogensulfide in ethanolic solution. It consists of unbranched chains Sfi2" (helical all-trans-

conformation) and monoprotonated ethylenediamine cations; the latter show the uncommon synclinical conformation. A remarkable system of N^H-'-S-bridges links the S6

2~-chains to form an infinite array. It crystallizes in the space group P I with a = 9.203(4) Ä, b — 9.921(4) Ä, c = 15.583(5) Ä, a = 93.03(3)°, ß = 90.04(3)°, y = 79.07(3)°.

1. Einleitung

Kürzlich haben wir über die Struktur des Ethylen-diammoniumhexasulfids, [H3N—(CH2)2—NH3]S6, berichtet, welches aus Ethylendiamin, Schwefel und Schwefelwasserstoff in Wasser als Lösungsmittel er-halten wird [1]. In diesem Zusammenhang interes-sierte die Frage, ob die Wahl des Lösungsmittels einen Einfluß ausübt. In der Tat zeigt sich, daß beim Übergang zu weniger polaren Lösungsmitteln nicht das diprotonierte Amin, sondern nur seine monopro-tonierte Form auftritt. Über die erste Verbindung dieser Art, das Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexa-sulfid, [H3N-(CH2)2-NH2]2S6 , soll hier berichtet werden [2].

2. Darstellung

Die Präparationsvorschrift lehnt sich an die von Krebs et al. angegebene an [3] und ist ausführlich an anderer Stelle beschrieben [1]. Für einen typi-schen Ansatz gilt das Folgende: In einen Zwei-halskolben werden unter Schutzgasatmosphäre 5 g (= 156 mmol) doppelt sublimierter Schwefel und 100 ml absolutiertes Ethanol gegeben. Durch die entstandene Suspension wird Argon geleitet und 2 g (= 33,3 mmol) über Molsieb (4 Ä) getrocknetes und

* Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. P. Böttcher.

Verlag der Zeitschrift für Naturforschung, D-7400 Tübingen 0340 - 5087/87/0200 - 0243/$ 01.00/0

anschließend über Calciumhydrid frisch destilliertes Ethylendiamin einpipettiert. Dann erwärmt man auf 35 °C und stellt die Gaszufuhr von Argon auf hoch-reines H2S um, wonach langsam auf 65 °C aufgeheizt und für eine Stunde gerührt wird. Es entsteht eine tiefrote Lösung, die im H2S-Gegenstrom schnell über ein Faltenfilter in einen Schlenkkolben filtriert wird um sicherzustellen, daß eventuell nicht umge-setzter Schwefel oder Nebenprodukte entfernt wer-den. Der anschließend verschlossene Kolben wird in ein 75 °C warmes Thermostatbad gehängt und um 1 °C pro Stunde auf 15—20 °C abgekühlt, wobei gut ausgebildete, prismenförmige, orangefarbene Kri-stalle bis zu mehreren Millimeter Kantenlänge wach-sen, die über eine Schutzgasfritte abfiltriert, im Hochvakuum getrocknet und unter Argon verschlos-sen aufbewahrt werden. Die Produkte enthalten im-mer geringe Mengen Schwefel, so daß keine zuver-lässigen Elementaranalysen und Dichtebestimmun-gen durchgeführt werden können.

Anstelle des Lösungsmittels Ethanol kann man auch Acetonitril oder Toluol einsetzen, obgleich die Ergebnisse bezüglich der Reinheit und der Kristall-qualität der Produkte weniger befriedigend sind.

Das röntgenographische Pulverdiagramm ist mit den aus der Einkristallstrukturuntersuchung erhalte-nen atomaren Lageparametern vollständig und wi-derspruchsfrei nur dann zu indizieren, wenn man ausgesuchte Kristalle verwendet. Andernfalls enthal-ten die Diagramme stets auch die stärksten Reflex-lagen des Schwefels.

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2 6 8 P. Böttcher—H. Buchkremer-Hermanns • Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexasulfid

Tab. I. Kristallstrukturdaten.

Vierkreisdiffraktometer CAD4 (NONIUS. Delft), Strah-lung: MoKa, Graphitmonochromator, Raumtemperatur-Messung Meßbereich 1° < 6 < 35°; 0 < h < 14, - 1 6 < k < 16, - 2 5 < / < 25

Raumgruppe Gitterkonstanten

Volumen der Elementarzelle Zahl der Formeleinheiten Röntgenographische Dichte Anzahl der gemessenen Reflexe Anzahl der unabhängigen Reflexe Als beobachtet klassifizierte

Strukturamplituden während der Verfeinerung

Gewichtungsschema

Anzahl verf. Parameter Absorptionskoeffizient

Kristallabmessungen

PI (triklin) a = 9,200(4) Ä b = 9.909(4) Ä c = 15.564(8) Ä a = 93,02(5)° ß = 92,04(4)° Y = 79,10(4)° 1391 Ä3

4 1,504 gern"3

8457 7054 (I > la(I))

5395 mit Fobs > 3a(Fobs) w = [cr(Fobs) + g(Fobs)2]"1; g = 0,0002 333 MC4H,8N4S6; MoKa) - 9,1 cm"1

0,93x0,40x0,33 mm, keine Absorptionskorr.

3. Strukturbestimmung

Ein Kristall geeigneter Abmessungen wurde in ein vorher mit Königswasser gereinigtes Markröhrchen eingeschmolzen und bei Raumtempera tu r auf dem Vierkre i sd i f f rak tometer C A D 4 (Nonius, Delf t ) un-tersucht . Alle die Messung und die Strukturermit t-lung be t re f fenden Da ten f inden sich in Tab. I, ausge-wähl te in te ra tomare Abs tände und Winkel sind in Tab . II aufgeführ t . Pulverd iagramm, ausführliche Tabel len der in te ra tomaren Abs tände und Winkel sowie Listen mit den Lage- und Tempera tu rpa rame-tern und den Fo b s /Fc a l c-Werten sind beim Fachinfor-mat ionszen t rum Energ ie , Physik, Mathemat ik G m b H , D-7514 Eggenste in-Leopoldshafen 2, un ter der N u m m e r C S D 52148 hinterlegt .

R = 0,032 Rw = 0,045 GOF = 0,938 [6] SHELX-76 und SDP-Programme [4, 5] VAX 11/730 (Anorg. Chemie TH Aachen)

Tab. II. Interatomare Abstände [Ä] und Winkel [°] der Polysulfid-Anionen.

S( l ) -S(2) 2,039(1) S(7)-S(8) 2,050(1) S(2)-S(3) 2,023(1) S(8)-S(9) 2,028(1) S(3)-S(4) 2,058(1) S(9)-S(10) 2,067(1) S(4)-S(5) 2,026(1) S(10)-S( l l ) 2,036(1) S(5)-S(6) 2,047(1) S( l l ) -S(12) 2,050(1)

S ( l ) - S ( 3 ) 3,332(1) S(7)-S(9) 3,345(1) S(2)-S(4) 3,284(1) S(8)---S(10) 3,316(1) S(3)-S(5) 3,308(1) S ( 9 ) - S ( l l ) 3,325(1) S(4)-S(6) 3,354(1) S(10)---S(12) 3,362(1) Bindungswinkel Bindungswinkel S ( l ) -S (2 ) -S (3 ) 110,22(4) S(7)-S(8)-S(9) 110,19(3) S(2)-S(3)-S(4) 107,17(4) S(8)-S(9)-S(10) 108,14(4) S(3)-S(4)-S(5) 108,17(4) S (9 ) -S(10) -S( l l ) 108,24(3) S(4)-S(5)-S(6) 110,83(3) S(10) -S( l l ) -S(12) 110,73(3)

Diederwinkel Diederwinkel S ( l ) - S ( 2 ) - S ( 3 ) - -S(4) ±76,4 S(7)-S(8)-S(9)-S(10) ±80,8 S(2) -S(3) -S(4) - -S(5) ±71,2 S (8 ) -S (9 ) -S (10 ) -S ( l l ) ±71,8 S(3) -S(4) -S(5) - -S(6) ±85.0 S (9 ) -S (10) -S ( l l ) -S (12) ±77,3

Schwefel —Schwefel (intramolekular) S ( l ) - S ( 6 ) 3,237(1) S(7)-S(12) 3,340(1) alle anderen >3,75

Schwefel—Schwefel (intramolekular) Kette I Kette II

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269 P. Böttcher—H. Buchkremer-Hermanns • Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexasulfid

4. Strukturbeschreibung und Diskussion

Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexasulfid, [H 3 N-(CH 2 ) 2 -NH 2 ] 2S6, kristallisiert triklin in der zentrosymmetrischen Raumgruppe PI mit vier For-meleinheiten in der Elementarzelle.

Die Zelle enthält zwei Paare kristallographisch un-abhängiger, unverzweigter S6

2"-Ketten, die sämtlich in der helicalen all-trans-Konformation vorliegen. Der Raumgruppensymmetrie entsprechend treten zwei als Links- und zwei als Rechtsschrauben auf. Die kürzesten Schwefel-Schwefel-Abstände inner-halb der Ketten liegen im Bereich von 2,02-2,07 Ä; die kürzesten, keiner kovalenten Einfachbindung mehr entsprechenden Schwefel-Schwefel-Abstände zwischen jeweils übernächsten Kettenatomen betra-gen 3,28—3,36 Ä. Die Bindungswinkel nehmen Werte zwischen 107 und 111° ein; die die Konforma-tion bestimmenden Diederwinkel lauten für die Kette I ±76,4°, ±71,2° und ±85,0°, die für die Kette II entsprechend ±77,3°, ±71,8° und ±80,8°. Alle diese Werte fügen sich sehr gut in das von ande-ren Polysulfiden bekannte Bild ein, insbesondere ist der mittlere Wert der Dieder-Winkel (77,1°) in Übereinstimmung mit dem Mittelwert von 75+5°, der für a//-rram,-konformierte Pentasulfide S5

2 - und Heptasulfide S7

2- charakteristisch ist.

Ungewöhnlich ist dagegen die synclinale Konfor-mation, die die vier kristallographisch unabhängigen monoprotonierten Ethylendiamin-Kationen einneh-men (Dieder-Winkel: 58,9—63,3°); im allgemeinen beobachtet man die antiperiplanare Anordnung. Alle Wasserstoff-Atome der Kationen sind verfei-nert worden. Die Stickstoffatome N(2), N(4), N(6) und N(8) enthalten je drei, die Atome N(l) , N(3), N(5) und N(7) nur jeweils zwei Wasserstoffatome. Von den protonierten Stickstoffatomen N(2), N(4), N(6) und N(8) gehen kurze N—H--S-Brücken aus (N—H---S von 3,25 bis 3,33 Ä), von den nicht proto-nierten Atomen N(l) , N(3), N(5) und N(7) dagegen deutlich längere (N—H--S von 3,53 bis 3,70 Ä). Trotzdem weisen alle Stickstoffatome, ob protoniert oder nicht, nur je zwei N—H--S-Brücken auf; die jeweils dritten Wasserstoffatome an den protonier-ten Stickstoffatomen lassen sich zwar wie alle ande-ren verfeinern und eindeutig lokalisieren, sind aber mit N-H---S-Abständen von über 4 Ä nicht in das Brückenbindungssystem einbezogen. Im Detail sind die Verhältnisse so, daß von jedem endständigen Schwefelatom der Anionenketten (S(l), S(6), S(7),

S(12)) kurze Brückenbindungen zu den Stickstoff-atomen N(2), N(4), N(6) und N(8) zweier verschie-dener Kationen ausgehen. Dabei werden durch die von den Atomen N(6) und N(8) ausgehenden Was-serstoffbrücken jeweils zwei spiegelbildliche Formen der Ketten I, durch die von N(2) und N(4) ausgehen-den jeweils zwei Ketten II miteinander verknüpft (Abb. 1). Außerdem verbinden Wasserstoffbrücken längs [100] diese so entstehenden ringförmigen Gruppierungen zu Strängen. Zusätzliche, schwächere N---S-Kontakte, die parallel [001] von dem nicht pro-tonierten N(7) zum S(12) führen, bauen schließlich ein lockeres Netzwerk auf. Die durch das ausge-dehnte N—H---S-Brückenbindungssystem bewirkte Delokalisierung negativer Ladung führt offensicht-lich dazu, daß die Anfangs- und Endatome aufeinan-derfolgender S6

2_-Ketten nur noch Abstände von 3,24 und 3,34 Ä aufweisen (Abb. 1). Die einzelnen Ketten können aufeinanderrücken und es entstehen endlose Stränge •••S6

2~---S62_---S6

2_-" längs [010], Die diskutierten Befunde bestätigen die Funktion des Ethylendiamins als monoprotoniertes Kation; damit im Einklang steht auch das Festkörper-Infra-rot-Spektrum, welches sowohl NH2- als auch NH3

+-Schwingungen erkennen läßt (Tab. III).

Tab. III. Schwingungsfrequenzen des (enH)2S6.

v/cm 1 Zuordnung (siehe auch [9])

3280 m, s vas(NH2) 3220 m, s vs (NH2) 3150-•2500 st, br v (NH3

+), Kombinationsschwingun-gen der (R—NH3

+)-Gruppe 2060 w typische Bande für primäre

Ammoniumsalze 1610 m, s ö (NH,) 1595 m, s öa s(NH3

+) 1578 sh ös (NH3

+)

w - schwach, m = mittel, st = stark, s = scharf, br = breit, sh = Schulter. Perkin-Elmer Infrared Spectrophoto-meter 580. Die Verbreiterung der Frequenzen der (NH3

+)-Valenzschwingungen deutet auf starke Wasserstoffbrücken hin.

Die Autoren danken dem Fonds der Chemischen Industrie für die Unterstützung dieser Arbeit.

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270 P. Böttcher—H. Buchkremer-Hermanns • Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexasulfid

Abb. 1. Projektion der Struktur des (enH)2S6 auf die b -c -Ebene . Blickrichtung [100], Im unteren Teil der Abbildung sind die Wasserstoffbrückenbindungen eingezeichnet, durch die jeweils zwei Kationen mit jeweils zwei enantiomeren Formen entweder der Ketten I oder der Ketten II miteinander verknüpft werden. Große offene Kreise: Schwefel; mittlere offene Kreise: Kohlenstoff; kleine offene Kreise: Wasserstoff; schwarze Kreise: Stickstoff.

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271 P. Böttcher—H. Buchkremer-Hermanns • Bis(2-amino-l-ammonioethan)hexasulfid

[1] P. Böttcher, H. Buchkremer-Hermanns und J. Baron, Z. Naturforsch. 39b, 416 (1984).

[2] 6. Mitteilung über alkylsubstituierte Polychalko-genide. 5. Mitteilung siehe: P. Böttcher und W. Flamm, Z. Naturforsch. 41b, 1000 (1986).

[3] H. Krebs, E. F. Weber und H. Balters, Z. Anorg. Allg. Chem. 275, 147 (1954); H. Krebs und K.-H. Müller, Z. Anorg. Allg. Chem. 281, 187 (1955).

[4] G. M. Sheldrick, Program for Crystal Structure Deter-mination, University of Cambridge, England 1976.

[5] B. A. Frenz, in H. Schenk, R. Olthof-Hazelkamp, H. van Koningveld und G. C. Bassi (Herausg.): Com-puting in Crystallography, Delft University Press, Delft 1978, S. 64.

[6] G. H. Stout und L. H. Jensen, X-Ray Structure Deter-mination, A Practical Guide, McMillan Publ. Co., New York 1968, S. 402.

[7] W. Flamm, Dissertation, Aachen 1986. [8] P. Böttcher, K. Kretschmann und H. Buchkremer, Z.

Kristallogr. 159, 20 (1982). [9] Y. Omura und T. Shimanouchi, J. Mol. Spectrosc. 45,

208 (1973); I. A. Oxton und O. Knop, J. Mol. Struct. 43, 17 (1978).

[10] J. M. Stewart et al., The X-Ray-72-System, Techni-cal Report TR-192, University of Maryland 1972.