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1 DAS ABC DER NERVENLEITGESCHWINDIGKEIT Es wird Ihnen im 1. Studienjahr eine Tabelle der Nervleitgeschwindigkeiten vorgelegt, mit der Anweisung, diese auswendig zu lernen. So etwas ist natürlich sehr langweilig. Die Begründung ist, dass die Tabelle die Nahmen, und, implizit, die Funktion diverser Nervenarten beinhaltet. So werden Sie im Studium über Ia und Ib und über Gruppe II Fasern lernen, sie sollten wissen, dass Schmerz von Aδ und von C Fasern geleitet wird, dass es γ-Motoneurone gibt, u.s.w. Aber was bedeutet das, und woher kommen diese Bezeichnungen? Dieses kleine Skript soll diese Fragen beantworten, und zugleich zeigen, dass Nervenfasern ein breites Spektrum von Durchmessern, und deshalb Leitgeschwindigkeiten, haben, und dass man den Durchmesser mit gewissen Funktionen der Nerven verbinden kann. Diese Durchmesser-Funktion Beziehung ist in der Tabelle dargestellt. Die Tabelle selber erscheint am Ende des Skripts. Vorgeschichte: Um die Motivation der Forschung über Nervaktionspotentiale zu verstehen, müssen wir weit zurück greifen. Um 1800 entdeckte Luigi Galvani dass ein Funken, ausgelöst von einer Elektrisiermaschine, einen Froschschenkel zum Zucken bringen könnte. Er stellte fest, dass viel schwächere Spannungen das gleiche machen, und reizte sogar Froschschenkel OHNE einen vorhandenen Strom. Er kam zum Schluss, dass Tiere Strom generieren, der ihre Muskeln auch reizen kann. Allesandro Volta nahm diese Versuche sofort auf, und stellte fest, dass zwei verschiedene Metallplättchen, getrennt durch ein mit Salzlösung, Säure, oder anderer Flüssigkeit getränktes Stück Pappe oder Leder, einen elektrischen Strom erzeugen könnten, der dann zum Reiz des Froschschenkels führen würde. Also lehnte er die körpereigene Elektrizität ab. Der Streit der Studenten Voltas und Galvanis lief über 50 Jahre. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Messinstrumente erfunden, die sehr kleine Ströme anzeigen konnten, und es wurde gezeigt, dass zwischen dem Ende eines durchtrennten Nerven und einem 2. Ort Entlang des Nerven, eine Spannung besteht. Diese Verletzungsspannung war der Beweis, dass Galvani doch recht gehabt hatte. Man stellte auch fest, dass, wenn ein Nerv gereizt wird, diese Spannung eine pulsartige Aenderung zeigt, ein Aktionspotential. Es galt nun, die Ursache dieses Aktionspotentials zu entdecken. Dazu musste man erst genaue Messungen des Zeitverlaufs und der Grösse des Aktionspotentials machen, und dafür wahren die Messinstrumente zu unempfindlich und zu träge. Die besten Instrumente, die bis ins 20. Jahrhundert erfunden wurden, waren das Kapillarelektrometer, erfunden 1875 von Gabriel Lippman und das Saiten- galvanometer nach Einthoven, erfunden 1901 (Landman, 2004). Beide litten unter der Trägheit des ‚Zeigers’, obwohl, in beiden Fällen, der Erfinder sich bemüht war, diesen Zeiger so leicht wie möglich zu machen. Das Kapillarelektrometer besteht aus einem System Glassröhren, sodass ein Strom durch einen Meniskus zwischen verdünnter Schwefelsäure und Quecksilber fliesst. Dieser Strom verändert die Oberflächenspannung dieses Meniskus, und die Quecksilbersäule steigt oder fällt in Abhängigkeit der angelegten Spannung. Da die Kapillare sehr fein gemacht werden kann, ist die Masse Quecksilber, die es zu

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DAS ABC DER NERVENLEITGESCHWINDIGKEIT Es wird Ihnen im 1. Studienjahr eine Tabelle der Nervleitgeschwindigkeiten vorgelegt, mit der Anweisung, diese auswendig zu lernen. So etwas ist natürlich sehr langweilig. Die Begründung ist, dass die Tabelle die Nahmen, und, implizit, die Funktion diverser Nervenarten beinhaltet. So werden Sie im Studium über Ia und Ib und über Gruppe II Fasern lernen, sie sollten wissen, dass Schmerz von Aδ und von C Fasern geleitet wird, dass es γ-Motoneurone gibt, u.s.w. Aber was bedeutet das, und woher kommen diese Bezeichnungen? Dieses kleine Skript soll diese Fragen beantworten, und zugleich zeigen, dass Nervenfasern ein breites Spektrum von Durchmessern, und deshalb Leitgeschwindigkeiten, haben, und dass man den Durchmesser mit gewissen Funktionen der Nerven verbinden kann. Diese Durchmesser-Funktion Beziehung ist in der Tabelle dargestellt. Die Tabelle selber erscheint am Ende des Skripts. Vorgeschichte: Um die Motivation der Forschung über Nervaktionspotentiale zu verstehen, müssen wir weit zurück greifen. Um 1800 entdeckte Luigi Galvani dass ein Funken, ausgelöst von einer Elektrisiermaschine, einen Froschschenkel zum Zucken bringen könnte. Er stellte fest, dass viel schwächere Spannungen das gleiche machen, und reizte sogar Froschschenkel OHNE einen vorhandenen Strom. Er kam zum Schluss, dass Tiere Strom generieren, der ihre Muskeln auch reizen kann. Allesandro Volta nahm diese Versuche sofort auf, und stellte fest, dass zwei verschiedene Metallplättchen, getrennt durch ein mit Salzlösung, Säure, oder anderer Flüssigkeit getränktes Stück Pappe oder Leder, einen elektrischen Strom erzeugen könnten, der dann zum Reiz des Froschschenkels führen würde. Also lehnte er die körpereigene Elektrizität ab. Der Streit der Studenten Voltas und Galvanis lief über 50 Jahre. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Messinstrumente erfunden, die sehr kleine Ströme anzeigen konnten, und es wurde gezeigt, dass zwischen dem Ende eines durchtrennten Nerven und einem 2. Ort Entlang des Nerven, eine Spannung besteht. Diese Verletzungsspannung war der Beweis, dass Galvani doch recht gehabt hatte. Man stellte auch fest, dass, wenn ein Nerv gereizt wird, diese Spannung eine pulsartige Aenderung zeigt, ein Aktionspotential. Es galt nun, die Ursache dieses Aktionspotentials zu entdecken. Dazu musste man erst genaue Messungen des Zeitverlaufs und der Grösse des Aktionspotentials machen, und dafür wahren die Messinstrumente zu unempfindlich und zu träge. Die besten Instrumente, die bis ins 20. Jahrhundert erfunden wurden, waren das Kapillarelektrometer, erfunden 1875 von Gabriel Lippman und das Saiten-galvanometer nach Einthoven, erfunden 1901 (Landman, 2004). Beide litten unter der Trägheit des ‚Zeigers’, obwohl, in beiden Fällen, der Erfinder sich bemüht war, diesen Zeiger so leicht wie möglich zu machen. Das Kapillarelektrometer besteht aus einem System Glassröhren, sodass ein Strom durch einen Meniskus zwischen verdünnter Schwefelsäure und Quecksilber fliesst. Dieser Strom verändert die Oberflächenspannung dieses Meniskus, und die Quecksilbersäule steigt oder fällt in Abhängigkeit der angelegten Spannung. Da die Kapillare sehr fein gemacht werden kann, ist die Masse Quecksilber, die es zu

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bewegen gilt, sehr klein. Aber es reichte nicht, um das schnelle Aktionspotential zu erfassen.

Capillarelektrometer. Schwarz: Quecksilber, punktiert: verdünnte Schwefelsäure. Die Spannungsquelle wurde zwischen die beiden Drähte geschaltet.

Beim Saitengalvanometer ging es etwas besser. Es war in seiner Zeit das empfindlichste Messinstrument überhaupt, und das mit der geringsten Trägheit. Es bestand aus einem Hufeisenmagneten, zwischen dessen Polen eine vergoldete Quarzsaite gespannt war. Die Saite, durch die der Messstrom floss, wurde durch das magnetische Feld des Magneten abgelenkt. Der Schatten der Saite, die durch einen Lichtbündel beleuchtet wurde, konnte an eine Leinwand projiziert werden und war in der Lage, Ströme im millivolt-Bereich zu messen. Einthoven wendete dieses empfindliche Instrument an, um das Elektrokardiogram zu messen, und erhielt 1924 den Nobelpreis in Physiologie oder Medizin für Entdeckungen über den Mechanismus des EKG.

Saitengalvanometer. Deutlich sichtbar ist der grosse Magnet, zwischen dessen Polen die feine Quarzsaite gespannt ist. Oben ist die obere Klemme der Saite sichtbar, diese bildet einen der elektrischen Kontakte.

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Aber auch dieses feine Instrument war zu träge, um ein Aktionspotential korrekt darzustellen. Gasser und Erlanger, über die diese Geschichte handelt, erkannten diesen Nachteil. Sie registrierten das Aktionspotential eines Nervus ischiaticus des Froschs auf, und man kann sehen, dass hochfrequente Details fehlen.

Aktionspotential eines Frosch Ischiatikus, aufgezeichnet von einem Saitengalvanometer. Die kleinen Zacken zeigen Millisekunden an. Der Aufstieg ist senkrecht, und der ‚Undershoot’ fehlt, Zeichen der Ungenauigkeit des Instrumentes Gasser und Erlanger beschlossen, den Aktionsstrom erstens zu verstärken, und zweitens durch einen Zeiger ohne Trägheit oder Drehmoment aufzuzeichnen. Die Verstärkerröhre war erst etwa 15 Jahre alt, aber mehrere Physiologen hatten sie bereits benutzt, um kleine physiologische Ströme grösser zu machen. Diese Idee, von dem renommierten englischen Physiologen Professor Edgar Douglas Adrian entwickelt, wurde bald ein wichtiges Werkzeug der Physiologie. Entwicklung des Kathodenstrahlenoszilloskops (KO) Die Braun’sche Röhre war Gasser und Erlanger bereits bekannt. Es gab sie sogar zu kaufen, von der Firma Western Electric, eine Filiale der Bell System welches das Telefonmonopol in den U.S. A. hielt. Western Electric stellte Geräte für Bell System her. Nur weigerte sich die Firma, Gasser und Erlanger solch eine Röhre zu verkaufen, weil sie befürchteten, dass die Forscher Patente missbrauchen könnten. Also nahmen die Beiden einen Destillationskolben, bezogen dessen Boden mit einer Phosphorschicht und hatten dann ihre eigene Röhre. Sie mussten nur noch die nötigen funktionellen Elemente einfügen.

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Diese Elemente sind erstens ein Glühfaden und eine Kathode mit einer hohen negativen Spannung, die Elektronen abgibt (Glühfaden H, Kathode K). Dazu braucht es Elemente, die diese Elektronen zu einem Strahl bündeln (St, L, A) sowie weitere Elemente, die den Strahl ablenken (Platten P und Magnetspulen Sp). Es sollte eine linear abfallende Spannung den Strahl von links nach rechts ziehen, während dem eine verstärkte Spannung des Aktionspotentials den Strahl nach oben und unten ablenkt. Die Platten und Spulen sollten genau rechtwinklig zu einander liegen, was nicht immer gelang. Also mussten Eichungsspannungen angelegt werden, um die nicht-orthogonalen Ablenkungen zu messen. Anstatt ein rechteckiges Gitter zu bilden, konnte der Strahl zum Beispiel so etwas zeichnen:

Also musste die Röhre vor jedem Experiment geeicht werden. Da der Glühfaden nur etwa 25 Stunden funktionierte, bevor er durchbrannte, war das ein riesiges Problem. Um den Glühfaden zu ersetzen, mussten die Elemente aus der Röhre genommen werden, der Glühfaden ersetzt, und alles wieder zusammengesetzt werden. Damit wahren die Ablenkelektroden leicht verschoben, und ein neues Eichgitter musste bestimmt und gezeichnet werden. Um den Strahl abzulenken, benutzten die Forscher zuerst ein Potentiometer, dass von einem Motor gedreht wurde. Ein Potentiometer ist ein variabler Widerstand, wie man ihn an der Lautstärkekontrolle eines Radios findet. Das Poteniometer hielt aber oft der Spannung von 400 Volt nicht Stand und fing Feuer. Gasser und Erlanger beschlossen, den Strahl durch die Entladung eines Kondensators zu steuern und nahmen in Kauf, dass die Zeitachse nicht linear, sondern exponentiell, wurde. Beachten Sie die nicht-lineare Zeiteichung in den Bildern von Gasser und Erlanger!

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Es gab auch noch das Problem mit dem Verstärker. Heute kann man Verstärker von beliebigen Fähigkeiten kaufen, damals war ein Verstärker mit Verstärkungsgrad X100 oder mehr kaum zu finden. Es war ein Problem der Stabilität: kam ein winziger Teil des verstärkten Signals zurück in eine frühere Stufe des Geräts, wurde es zusätzlich verstärkt und das Gerät brach durch die positive Rückkopplung in Schwingungen aus. Gasser und Erlanger brauchten einen Verstärkungsgrad von etwa X4000, um ein Signal von ungefähr 10 mV zu einer Ablenkungsspannung von 400 V zu verstärken. Es gelang ihnen, mehrere Verstärker zu bauen, jeder mit seiner eigenen Batterie. Sie wurden elektrisch isoliert, und jeder verstärkte den Ausgang des Letzteren. So hatte jeder Verstärker einen geringen Verstärkungsgrad, aber das gesamte Gerät brachte die erwünschte Leistung. Die Erfassung des Aktionspotentials und die grosse Ueberraschung Endlich war alles für den grossen Versuch bereit. Es wurde ein Nervus ischiatikus des Froschs präpariert, auf Reiz- und Messelektroden gelegt, und an einem Ende gereizt. Jetzt musste gereitzt werden und zur gleichen Zeit der Oszilloskopstrahl gestartet und dazu noch das Signal fotografiert werden. Zur Abbildung musste fotographischer Film auf die Röhre geklebt werden, also musste das Experiment auch im dunklen durchgeführt werden. Um Reiz, Ableitung und Oszilloskop zu synchronisieren, diente diese Anlage:

Diagramm des Oszilloskops mit Einrichtung zur Synchronisierung des Reizimpulses und des KO-Strahls. Unten der Nerv mit Reiz- (S) und Ableitelektroden (L).

Das erste Bild zeigte ein AP mit einem unerwarteten Buckel. Weitere Bilder, mit grösserer zeitlicher Auflösung, folgten. Alle hatten verschiedene Buckel. Das Beispiel zeigt (oben) den motorischen Teil des Ischiatikus, und (unten) den sensiblen Teil. Der Nerv wurde bis zu den hinter- und Vorderwurzeln am Rückenmark frei präpariert, der gesamte Ischiatikus am distalen Ende gereizt, und an den Wurzeln wurde abgeleitet, um eine reine sensible (unten) resp. motorische(oben) Antwort zu bekommen.

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Die Ablenkung in einem sensiblen Nerven (unten) und im entsprechenden motorischen Nerven, ausgelöst durch einen Reiz des Ischiatikus. Die Zeitskala gilt für Beide. Bermerken Sie den exponentialen Verlauf! Diese überraschende Entdeckung wurde sogleich richtig interpretiert: Das Nervenbündel Ischiatikus besteht aus vielen einzelnen Nervenfasern, die mit verschiedenen Geschwindigkeiten leiten. Weitere Experimente an anderen Nerven, dessen Funktion bekannt war oder erraten werden konnte, gaben ähnliche Ergebnisse. Ein Beispiel, etwas schwer abzulesen, ist in der nächsten Abbildung gezeigt.

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Vollständiges Aktionspotential eines Frosch Ischiatikus. Reizartifakt ist S. Die Anfänge der A, B, und C Hügel sind durch 1, 2, 3 gekennzeichnet. Punkte zeigen die Zeit in ms. Aus solchen und weiteren Bildern machten Gasser und Erlanger jetzt eine Synthese. Die AP Hügel konnten in 3 grosse Auslenkungen unterteilt werden, diese wurden A, B und C genannt. Der A-Hügel zeigte noch weitere kleine Ablenkungen. Diese wurden als α, β, γ, und δ gekennzeichnet. Demnach waren Aα-Fasern die jenigen, die am schnellsten leiten, und C-Fasern die langsamsten leiten. Das gesamte Schema, nach viel Arbeit, sah so aus:

Man sieht dass der A Hügel sehr schmal ist, die α, β, γ, und δ Zacken nicht sehr leicht erkennbar, und der C Hügel kommt sehr spät.

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Es dauerte nicht lange, bis die beiden Forscher eine Beziehung entdeckten zwischen Leitgeschwindigkeit und Funktion. Es stellte sich heraus, dass C Fasern keine Myelinschicht haben und deshalb so langsam leiten. Zu den C Fasern gehören postganglionäre viszerale Efferenzen und sensible Fasern die langsamen Schmerz vermitteln. B Fasern sind nur sehr schwach myelinisiert, sie sind die präganglionären viszeralen Efferenzen. Die A Fasern müssen weiter unterteilt werden, in Aα, Aβ, Aγ, und Aδ. Einzelheiten der Funktion dieser Fasern können Sie der Tabelle entnehmen, sie werden diesen Bezeichnungen im weiteren Studium häufig begegnen. In den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts gab sich David P. C. Lloyd, am Rockefeller Institute (heute Rockefeller University) in New York die Aufgabe, schnell leitende Afferenzen zu untersuchen. Besonders interessierten ihn die Eigenschaften des Sehnenreflexes. Mit seinen genauen Messungen stellte er fest, dass es sich in diesem Reflexbogen um nur eine Synapse handelt. Er untersuchte zwei Afferenzen, die die gleiche Leitgeschwindigkeit hatten, aber völlig verschiedene Funktionen. Weiter stellte er fest, dass Muskelspindeln 2 Arten von Afferenzen haben. Da ihm die ABC Klassifizierung dabei unbequem wurde, erfand er eine Neue, basierend auf den römischen Nummern I, II, III, IV. Die Gegenüberstellung finden sie auch in der Tabelle. Bemerken Sie, dass die I, II, III Einteilung NUR den Afferenzen, also sensiblen Fasern, gilt. Ein grosser Vorteil dieser Einteilung ist dass Lloyd die Ia und Ib Afferenzen unterscheiden konnte, die in der ABC Unterteilung beide als Aα bezeichnet wären. Ausser für die Muskelafferenzen werden heute die I, II, III Namen aber kaum gebraucht. Eine Schlussbemerkung: Eine Zeitlang wurde argumentiert dass der γ-Hügel ein Artifakt sei und nicht einer echten Faserpopulation entspreche. Da bis dahin die γ-Motoneurone fest in der Terminologie sassen, trieb diese Beobachtung die γ-Bezeichnung nicht aus der Literatur. Fasertyp (ABC)

Fasertyp (I,II,III) Nur Sensorisch!

Durchmesser μm

Leit-geschwindig-keit (m/s)

Funktion

Aα Ia, Ib 12-20 70-120 Muskelspindel, Sehnenorgan

Aα 12-20 70-110 Motoneurone Aβ,γ II 5-12 30-70 Muskelspindel,

Druck und Tastsinn Aγ 5-12 30-70 Spindel

Motoneurone Aδ III 2-5 12-30 Schneller Schmerz,

Kälte B 1-2 2-12 Viszerale

Motoneurone C IV 0.5-1 0.5-2 Dumpfer Schmerz,

Wärme, Kälte C 0.5-1 0.5-2 Viszerale

Motoneurone ABC nach Gasser und Erlanger, I,II,III nach Lloyd. Bei myelinisierten Fasern gilt ungefähr: Faserdurchmesser (μm) x 12 = Leitgeschwindigkeit. Gesetz von Hursh.

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Gasser und Erlanger bei Verleihung des Dr. h.C. von der University of Pennsylvania. Zu diesem Anlass hielten sie die Vorträge, die in ‚Electrical Signs of Nervous Activity’ verewigt sind. (Siehe Literatur) Literatur: Erlanger, J. A Physiologist reminisces. Annual Rev. Physiol., 26: 1964. Reprinted in: The Excitement and Fascination of Science, Vol. 1, Annual Reviews Inc., 231 Grant Ave, Palo Alto, CA. pp. 93-106. Erlanger, Joseph, Gasser, Herbert S. Electrical Signs of Nervous Activity. Eldridge Reeves Johnson Foundation Lectures. University of Pennsylvania Press, Philadelphia. 1937. Second edition, 1968. Klein, Paul E. Die praktische Verwendung des Elektronenstrahloszillographen. Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 1936. 140pp Landman, Robert J. Electronics in the Development of Modern Medicine http://www.ieee.org/organizations/history_center/Che2004/Landman.pdf31. August, 2004.