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  • Alfred Jeremias

    ^as Alter der babylonischenAstronomie

    19J471908c. 1

    PASCM

  • Ipresente to

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    unniverit^ of ^Toronto

    DB

    The Department ofOriental Langiiagesfor use in theOriental Seminar

    8061 'II m IVd

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  • Im Kampfe um den Alten OrientWehr- und Streitschritten

    herausgegeben von

    Alfred Jeremias und Hugo Winckler

    I 3 I

    Das Alter

    der babylonischen Astronomie

    Von

    Alfred Jeremias

    Inhalt:Seite

    Spuren der altbabylonischen Kultur 3Die neuesten Urteile f)Waren die alten Babylonier Astronomen? . 18Alter und Einteilung des Tierkreises ... 34Das lunisolare Jahr und die Schaltperioden

    .40

    Przession und Weltzeitalter 47Umlauf und Anordnung der Planeten . . 54

    LeipzigJ. C. Hinrichs'sche Buchhandlung

    1Q08

  • Als Heft 1 und 2 dieser Sammlung erschienen:

    Alfred Jeremias:

    Die Panbabylonisten

    Der Alte Orient und die Aegyptische Religion.

    Preis 80 Pfennig.

    Hugo Winckler:

    Die jngsten Kmpfer wider den Panbabylonismus.

    Preis 1 Mark.

  • Berichtigungen.

    Seite 6 Zeile 9 von unten lies Asurbanipal.

    22 ,

  • Im Kampfe um den Alten riefiWehr- und Streitschriften

    herausgegeben von

    Alfred Jeremias und Hugo Winckler

    I 3 I =

    Das Alter

    der babylonischen Astronomie

    Von

    Alfred Jeremias

    Inhalt:Seite

    Spuren der altbabylonischen Kultur ... 3Die neuesten Urteile 6Waren die alten Babylonier Astronomen?

    .i8

    Alter und Einteilung des Tierkreises ... 34Das lunisolare Jahr und die Schaltperioden 40Przession und Weltzeitalter ....... 47Umlauf und Anordnung der Planeten . . 54

    LeipzigJ. C Hinrichs'sche Buchhandlung

    1908

  • T^

    >

    Druck von August Pries in Leipzig.

  • Spuren der altlbabylonischen Kultur.

    Das Hammurabizeitalter ist durch einige neue Textfundegegen die frhere Annahme (um 2200 v. Chr.) herabgedrcktworden. Die sog. 2. babylonische Dynastie war nicht hinter der1., sondern wenigstens teilweise neben der 1. anzusetzend Hammu-rabis 42jhrige Regierungszeit fllt hiernach etwas vor oder nach2000 T. Chr. Dementsprechend ist die Periode der nordbabyloni-schen groen Herrscher Sargon und Naramsin um 2650, unddie Zeit Gudeas etwa 2450 anzusetzen. Wir besitzen aber auchUrkunden sowohl aus Nord- wie Sdbabylonien, die bis nahe an3000 V. Chr. heranreichen 2.

    1) Fr genaue Anstze hngt noch viel davon ab, wie weit etwa dieletzten Knige der 2. Dynastie mit dem Anfang der 3. Dynastie (Kassiten)sich decken. Die Frage ist noch nicht spruchreif.

    2) Ed. Meyer, gypten zur Zeit der Pyramidenerbauer S. 3: Beikeinem Volke der Erde reichen die Denkmler einer hheren Kultur in sofrhe Zeiten hinauf und sind zugleich in solcher Flle vorhanden, wie beiden gyptern .... Von den ltesten bekannten Monumenten Babyloniensreicht, wie wir jetzt mit voller Sicherheit aussprechen knnen, kein einzigesan das Jahr 3000 v. Chr. heran." In der 1. Anmerkung datiert Ed. Meyernach den Folgerungen Kings, des Herausgebers der neuen Texte, die ltestenDenkmler Babyloniens 2800 v. Chr. Es ist aus diesem Einleitungssatzder weitverbreiteten Sendschrift der deutschen Orientgesellschaft in ge-bildeten Kreisen, wie ich wiederholt konstatieren konnte, der Schlu ge-zogen worden : also ist die gyptische Kultur doch lter als die babylonische.Der gyptologW. M. Mller sagt OLZ 1908, Sp. 331 in einer Besprechung derEd. Meyersehen Schrift: Beachtenswert ist das starke Eintreten fr die Prio-ritt der gyptischen Kultur gegenber der babylonischen. Ich frchteaber, hier wirkt der bekannte Konservatismus Ed. Meyers und Parteilich-keit fr die ihm gelufigere gyptologie stark ein. Die Assyriologen schieenja oft ber ihr Ziel hinaus und der Panbabylonismus ist vielfach unver-standene Modesache, aber mechanisch nach der Datierung des bisher Ge-fundenen die Kulturen der beiden Vlker zu datieren, ist doch voreilig.gyptens Altertmer nhern sich der Erschpfung, in Babylonien hat man

    1*

  • 4 Spuren altbabylonischer Kultur.

    Die alten Urkunden, verhltnismig gering an Zahl, gestattenbisher nur die ersten tastenden Versuche einer altbabylonischenGeschichts-Skizierung^ Die ltesten Stcke zeigen die Zustndeeiner Kleinstaaterei, aber sie verraten vergangene grere Zeiten.

    Die Schriftstcke Sargons und Naramsins beweisen eine fabel-hafte Machtausdehnung babylonischer Herrscher ber die damaligeWelt, und der mythische Glanz, der noch nach Jahrtausendendiese Gestalten umgibt, zeigt, da diese groen Herrscher als

    Reprsentanten eines goldenen Zeitalters galten. Auch die Kunst-denkmler der Zeit Sargons und Naramsins und der Priesterfrstenvon Lagas zeigen eine Hohe, die in ihrer Art in der spten Zeit

    babylonisch-assyrischer Kulturentwicklung nicht wieder erreichtworden ist. Dann mssen wieder Jahrhunderte tiefen Verfallsgefolgt sein. Denn die Inschriften Hammurabis zeigen uns, wiedieser Einiger von Nord- und Sdbabylonien beschftigt ist,tiefe Schden zu heilen, altehrwrdige Stdte mit ihren Heilig-tmern wieder zu bauen, die Kanle zu regulieren. Die Einleitungdes Kodex Hammurabi gestattet uns einen Blick in altbabylonischeHerrlichkeit, von denen die bisher gefundenen direkten Urkundenkeinen Begriff geben knnen. Hier werden Stdte genannt, diein der uns geschichtlich bekannten Zeit niemals politisch hervor-

    treten, und die dennoch, wie aus den Dichtungen und religisenUrkunden spterer Zeiten hervorgeht, als Zentren des Geistes-lebens und religiser Kulte in hohem Ansehen standen. Dieersten Kolumnen des Kodex Hammurabi stellen eins der wichtigstenund merkwrdigsten Dokumente nicht nur fr die lteste politischeGeschichte, sondern auch fr die lteste Religions- und Kultur-geschichte dar. Folgende Kultorte, die zerstrt und verwstetwaren, die also mindestens im 3. Jahrtausend Mittelpunkte desgeistigen Lebes in dem babylonischen Staatengebilde gewesensind, stellt Hammurabi wieder her:

    Nippur mit seinem Tempel Ekur (Haus des Weltbergs")

    gerade angefangen zu graben; die Kleinstaaterei Altbabyloniens vor 2000

    wrde leicht die Seltenheit der kostbaren Steinmonumente in lterer Zeiterklren". In der Tat kann der zufllige Stand der Ausgrabungen hiernichts entscheiden. Ed. Meyer nimmt brigens den uersten Termin frBabylonien zu kurz.

    1) Ed. Meyer (s. S. 10 ff.) sagt, die alten Sumerer in ihrer ueren Ge-

    stalt wie in ihrer Sprache und Kultur stehen jetzt vllig lebendig vor uns."Wir wrden nicht wagen, uns diesem Urteil anzuschlieen.

  • Die ltesten babylonischen Kultorte. 5

    und Stufenturm Tur-an-ki (Himmels und der Erde"),der Kultsttte des Bei;

    Eridu mit dem Tempel E-zu-ab (Haus des Ozeans"), derKultsttte des Ea;

    Ur mit dem Tempel des Sin (Mondgott);Sippar, mit dem Tempel des Samas (Sonnengott) und der

    Grabsttte seiner Gemahlin Malkat, die er mit Grnbekleidet";

    Larsa, die sdbabylonische Stadt des Samas mit ihrem Tempel;Uruk, den Schauplatz des Gilgames-Epos, mit der Kultsttte

    des Anu und der Istar;Isin mit dem Tempel E-Galma^;Kis mit dem Tempel des Gottes Zamama, Heiligtmern

    der Istar;Harsagkalama, die Schwesterstadt von Kis mit dem gleich-

    namigen den Weltberg darstellenden Heiligtum;Kuta mit dem Tempel des Nergal;Borsippa mit dem Tempel des Nebo;Dilbat mit dem Tempel des ras;Kes mit dem Tempel der Mama;Lagas und Girsu mit dem Tempel der Fnfzig", dem Heilig-

    tum des Ningirsu;KuUab (?) mit der Orakelsttte der Anunit, dem Tempel des

    Adad;Karkar mit dem Tempel des Adad;Adab mit dem Tempel E-Mah;Maskan-sabri mit einem Nergal(?)-Tempel;Malk mit einem Ea-Tempel;Assur mit dem Heiligtum seines Schutzgottes;Ninive mit dem Tempel E-mis-mis der Istar,Die Flle der Namen gibt eine Vorstellung von dem Reichtum

    der Sttten babylonischen Geisteslebens im 3. Jahrtausend. Siesind Zeugen einer einheitlichen Kultur, die jenseits der Zeitenihre Blte gehabt, in der wir in den ltesten uns zugnglichenInschriften kleine Stadtknigtmer sich bekmpfen sehen. Hammu-rabi ist der mchtige Grnder eines einigen babylonischen Reiches.Er wute, da die Wiederherstellung der verschiedensten Kult-sttten nicht Zerrissenheit, sondern hchste Einheit bedeutete;denn jeder Kult in Babylonien hat im letzten Grund kosmischenCharakter.

  • 6 Die Decadence der Hammurabizeifc.

    Freilich war Hammurabis Zeit eine Zeit weltlicher, praktischerArbeit. H. Winckler hat in seiner Einleitung zur greren Aus-gabe der Gesetze Hammurabis nachdrcklich auf die Spannunghingewiesen, die zwischen dem religisen Charakter der Einleitungund der Schlustze des Kodex mit ihrer stndigen Berufung aufdie Gottheit, die den Knig berufen hat und als deren Emanationdie Gesetze erscheinen, mit ihrer Betonung der Tempelfrsorge,und zwischen dem faktischen Inhalt des Kodex besteht. Dasin die Urkunde eingemeielte Bild stellt den Knig dar, wie erin anbetender Stellung vor dem Thron der Gottheit steht, dochwohl die Gesetze empfangend. Der Kodex selbst wei davon nichts.Der Knig ordnet die Verhltnisse kraft seiner kniglichenGewalt, die praktischen Rechtsflle werden nchtern beleuchtetund geordnet ohne Spur einer priesterlichen Spekulation. DieZeit, in der die Religion alle Ordnungen und Einrichtungenregelt, ist vorber. Nur die Form wird noch gewahrt.

    Die klassische Periode altbabylonischer Geisteskultur liegtalso weit hinter der Hammurabi-Zeit zurck. Aber sie hat aufdie gesamte alte Kulturwelt tiefe Wirkungen ausgebt, ja siehat ihr das Geprge gegeben. Diese Grundthese der Keilschrift-forschung ist in letzter Zeit bestritten worden. Die Wendungder Dinge hat die vorliegende Streitschrift veranlat. Ehe wirder Frage von neuem nher treten, wollen wir die entgegen-stehenden Urteile abhren.

    Die neuesten Urteile ber altbabylonische Kultur.

    In dem 1907 erschienenen ersten Bande eines Werkes berSternkunde und Sterndienst in Babel" ^ hat J. X. Kugler S. J.begonnen, den Beweis fr die Behauptung anzutreten, da dieBabylonier vor 700 v. Chr. (Arsurbanipal-Zeit) eine Astronomieim wissenschaftlichen Sinne nicht besessen haben knnen.

    Eine bersclitzung hat die babylonische Astronomie insbesonderevon Seiten einiger Assyriologen erfahren, indem dieselben insbesonderemit Rcksicht auf gewisse freierfundene astralmythologische Systeme ihrteils ein viel zu hohes Alter, teils auch zu groe Leistungen zugemutethaben

    . . .Gleichwohl kann der Astronom dem realen Gehalt jener lteren

    Texte nur den Wert einer primitiven Himmelsbeschreibung beimessen.Es fehlt hier eben das, was das Wesen der Astronomie ausmacht: die

    1) Entwickelung der babyl. Planetenkunde von ihren Anfngen bisauf Christus. Mnster, Aschendorff 1907.

  • Die Urteile von F. X. Kugler und Franz Boll. 7

    rumliche und zeitliche Festlegung der Phnomene und damit das ziel-bewute Streben nach Erkenntnis der stellaren Gesetzmigkeiten. Erstum die Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. tritt ein Wandel ein" (a. a. 0. S. 40).

    Aus dieser Behauptung, fr deren weitere Begrndung aufdie folgenden Bnde verwiesen wird, hat man geschlossen, dader These von einem geschlossenen altbabylonischen Weltsystem,das in der ltesten durch Urkunden bezeugten Zeit babylonischerKultur in sich abgeschlossen vorgelegen haben soll, der Todes-sto angekndigt sei. Aber selbst wenn Kugler im Rechte wre,so wrde dennoch die Folgerung, die man aus seinen uerungengezogen hat, sehr voreilig sein. Kugler erkennt selbst das Alter

    und die Tiefsinnigkeit der altbabylonischen Astrologie an.Aber die Theorie dieser Astrologie ist astronomisch; sie wreohne eingehende Kenntnis des Sternhimmels ein Unding.

    Es haben sich in der Tat sogleich Stimmen erhoben, diedas vernichtende Urteil ber das babylonische System" aus-

    gesprochen haben. Franz Boll, dessen verdienstlichem WerkSphaera wir viel neues Material fr die Begrndung unsererAnschauung danken, hat im Februarhefte 1908 der Neuen Jahr-bcher fr das klassische Altertum in einem Aufsatz ber dieErforschung der antiken Astrologie seine in wesentlichen Punktenauf Kuglers Forschungen sich berufende Ansicht folgendermaenformuliert:

    Ich kann nach wie vor in dem ,astralmythologischen System*lediglich eine groe Phantasie erblicken, in der Wahres und Un-wahres zu einem fast unentwirrbaren Knuel verschlungen ist . . .Die sogenannte ,altbabylonische Weltanschauung' ist in dem,was an ihr geschichtlich und nicht blo moderne Phantasie ist,das Weltbild der griechischen (!) Astrologie i. Da die Wurzelndieses Weltbildes in weit ltere Zeit zurckreichen, leugnet

    niemand. Deswegen aber zu glauben, dieses ganze Weltbildhabe bereits 3000 v. Chr. in der gleichen Gestalt bestanden, ist

    mir ebenso unverstndlich, wie etwa die Annahme, das Christen-tum sei ums Jahr 50 in der Fassung des Tridentinums gepredigt."

    Das illustrierende Beispiel ist brigens im Sinne BoUs nicht glck-lich gewhlt. Die Entdecker und die Verteidiger des alt orientalischenSystems pflegen mit scharfer Pointierung zu sagen : Das klassische Zeit-

    i)Boll sagt regelmig der griechischen Astronomie". Wirkennen nur eine hellenistische Astronomie, und die ist orientalisch(alexandrinisch) ; vor allem aber ist alle Astrologie orientalisch.

  • 8 Franz Boll wider Hugo Win ekler.

    alter der altorientalischen Kultur liegt am Anfange unserer Kenntnis, odervorher. Von da an gibt es keinen Fortschritt, sondern nur einen Rck-schritt, ein Herabsteigen. Das ganze Streben der sptem Zeit liegt darin,zur alten Wahrheit zurckzukehren." Das Beispiel von der Eatwickelungdes Christentums von seiner klassischen Urzeit an bis zum Tridentinumwrden wir fr uns in Anspruch nehmen. Es gibt doch auch fr dasChristentum eine Zeit, in der seine Lehre und Weltanschauung festgelegtwurde. Alles sptere ist Entwickelung oder Verderbnis, die man durchReformationen zu beseitigen suchte, die ihrerseits auf die alte Grund-lage zui'ckgehen.

    Es kann im brigen nicht meine Aufgabe sein, Wincklers Verteidi-gung gegen die einzelnen Einwrfe BoUs in den Aufsatze der Neuen Jahr-bcher zu bernehmen. Nur einige Funkte mchte ich herausgreifen, die dazeigen, da wir aneinander vorbeischieen, solange nicht auf beiden Seitendas gesamte Material geprft worden ist. Auf beiden Seiten. Es istschade, da Boll seinen, wie er mitteilt, vor drei Jahren begonnenenAufsatz ber Griechische Astronomie und altorientalischeWeltanschauung"nicht vollendet hat. Wir htten gewi viel davon lernen knnen. Aberandererseits verfgen auch wir ber Lehrstoff. Boll ist entsetzt ber dieGleichung Sonne-Unterwelt-Plejaden (hier fgt Boll ein Ausrufungszeichenhinzu) -Brunnen-Wasserregion des Himmels (Winckler in OLZ 1906, 490f.)Bezweifelt Boll, da die Wasserregion des Kreislaufs der Untei-welt (alsTTCOQ des Weltenozeans) im Kosmos entspricht? Da die Plejaden, diebei Stierrechnung gegen Frhling heliakisch aufgehen, gleich denquinoktialstrmen nach Frhlingsanfang den Winter (Regenzeit-Wasser-region des Kreislaufs) oder was kosmisch dasselbe ist, die Unterwelts-macht reprsentieren? Diese Rolle der Plejaden ist im babylonischenMythus (IV R 5) ebenso bezeugt, wie durch Hesiod, Erga 619 ff. vgl. 383 fl'.^Und ist Boll die Idee des babylonischen Mythus unbekannt, nach der dieSonne Unterweltsmaeht ist im Gegensatz zum Mond, der in seiner herrschen-den Stellung Oberweltsgestirn ist, Auferstehungsgestirn? (s. ATAO^ 27. 100und die dort zitierte Literatur.) Und ist die Beziehung des Brunnens zurUnterwelt nicht aus tausend orientalischen Mrchenmotiven bekannt, abge-sehen von den direkten Zeugnissen (s. ATAO^ 384 und die dort gegebenenNachweise)? Sollte Winckler mit Recht darber klagen, da den Gegnernnur die populren Schriften des Panbabylonismus" bekannt sind, abernicht die grundlegenden wissenschaftlichen Werke? Boll sagt ferner:Was soll ich mit einem, ,mit der Sicherheit einer mathematischen Fonnelwirkenden Prinizip' anfangen, das dazu fhrt, Sonne und Mond an denNordpol zu bringen?" Ist dieses Exempel, auf Grund der Formel gelst,etwa falsch? Mond und Sonne offenbaren nach babylonischer Anschau-ung" ihre Macht in der Opposition; wenn der Mond kulminiert als Voll-mond in ^der Sommersonnenwende, steht die Sonne im tiefsten Punkt.Daher ist im System der Mond Oberwelt oder Auferstehungsgestirn, dieSonne Unterwelt und Todesgestirn. Die bertragung auf den Kosmos, dessen

    1) s. S, 9, Exkurs.

  • Exkurs ber Hesiods Bauemkalender. 9

    einzelne Teile das Ganze widerspiegeln, zeigt dementsprechend im baby-lonischen Olymp (Nordhimmel, nicht Nordpol) Mond und Sonne, sei esals Gipfel des zweigipfligen Weltberges, sei es im Paradiesmythus alsLebensbaum und Todesbaum, Helios und Selene im Paradies Alexanders(s. ATA02 192 ff.).

    Exkurs zu S. 8.Hesiod, Erga kennt die 40 Tage nnd Nchte der Frhlingszeit, in

    denen die Plejaden in den Sonnenstrahlen verschwunden sind:

    385 f.: at 6^ rot vvxrag zs xai rifiaxa xeaaaQaxovxa xsxQvcpaxai ....

    Ihr Wiedererscheinen vor Sonnenaufgang ist das Zeichen, da man dieSichel zur Ernte schrfen soll: Wenn die Plejaden heliakisch aufgehen{6vao(iv(ov), beginnt die Ernte (384). An einer anderen Stelle wird derFrhuntergang der Plejaden als die Zeit der tobenden Herbst-Aquinoktial-strme charakterisiert, in der man die Schiffahrt meiden mu; die Ple-jaden fliehen dann gleichsam vor Orion, der dicht hinter den Plejadenuntergeht:

    619 f.: evr' av nkrjtdsQ aS-svoq oQifiov 'Siaglcavog(pevyovaai Ttinxwatv ig ^egoeiia novxov.

    Hesiods Kalender gehrt in die Zeit, in der die Sonne in der Frhlings-gleiche noch im Stier steht, aber bereits weit nach dem Widder vorgercktist. In diesem letzten Stck des Stiers stehen die Plejaden. Die Rechnung40 Tage kommt heraus, wenn man die Plejaden zu etwa 10 bis 16 Bogen-graden Breite rechnet. Dann vergehen vom Verschwinden des ersten Sternesbis zum Frhaufgang ihres letzten Sternes 40 Tage. Die Zahl ist abersicher knstlich dem System zu Liebe eingesetzt (vgl.von Oefele MVAG 1902,S. 32). Die 40 stellt im orientalischen Mythus die Notzeit dar. Die eben-falls knstlich abgerundet zu 40 Tage berechneten quinoktialstrme imFrhling, die mit dem Verschwinden der Plejaden zusammenfallen, repr-sentieren die Winterzeit, dann heit es : Winterstrme wichen dem Wonne-mond!" Mit der Erntezeit ist also der Mai gemeint. (Hesiod 598 ist derFrhaufgang des Oiions an Stelle der Plejaden gesetzt als Zeichen frden Anfang des Dreschens). Orion folgt den Plejaden auf dem Fue also ebenfalls Anfang Mai. Das 40tgige Verschwinden der Plejaden illtfr Hesiods Zeit in die Zeit Ende Mrz bis Mitte Mai. Mitte Mai beginntdie Ernte. Der Frhuntergang der Plejaden und des Orion, der die Herbst-quinoktialstnne anzeigt, ,llt in Hesiods Zeit in die Zeit Mitte August

    bis Ende September.

    Da die mir bekannten Hesiod-Kommentare die Erklrung nicht geben,seien hier gleich die brigen Gestirnerwhnungen in Hesiods Erga, diesemltesten griechischen Kalender, kommentiert. Hesiod 384 stellt dem helia-kischen Aufgang der Plejaden den Frh-Untergang entgegen {Svaofievdatv).Das ist fr Hesiods Zeit etwa Mitte August bis Ende September. Indieser Zeit soll der Bauer an die Aussaat denken. 614 f. wird die Zeitnoch voller durch die Sterne bestimmt: Wenn Plejaden, Hyaden undOrion sich hinabneigen" {dvvcoaiv). 609 f. findet Weinlese statt, wenn

  • 10 Eduard Meyers Urteil ber bab.-assyr. Kultur.

    Orion und Sirius ihren Hchststand erreicht haben und Arcturus vomMorgenrot berhrt wird, d. h. heliakisch aufgeht:

    svr' av aQiiov xai Sei^ioq iq [leaov eX&yovQavv, J^QXXovQOV S i'S^ QOoaxxvXoq 'H

  • Eduard Meyers Urteil ber bab.-assyr. Kultur. H

    Nach einer Betrachtung ber das alte gypten lesen wir: Hier liegen die Dinge wesentlicb anders. Fr das alte Babylonien

    war unser Material vor einem Vierteljahrbundert noch so drftig, da voneiner Geschichte des Landes eigentlich noch nicht die Rede sein undhchstens die ersten drftigen Umrisse seiner ueren Schicksale gezogenwerden konnten. Auch gegenwrtig sind, so sehr sich das Material ge-mehrt hat, noch immer gewaltige Lcken vorhanden; doch ist es jetztmglich geworden, den Versuch einer wirklichen Geschichte zu wagen.Von Besttigungen frherer Annahmen will ich nur erwhnen, da dievielumstrittene Hypothese einer sumerischen Epoche des Landes, die sichin den Monumenten solange nicht finden wollte, gegenwrtig vllig er-wiesen ist und die alten Sumerer in ihrer ueren Gestalt wie in ihrerSprache und Kultur jetzt vllig lebendig vor uns stehen. Dagegen zeigtsich, da wir in anderer Richtung einen schweren Irrtum begangen hatten,indem wir die gesamte sptere Kultur Babyloniens und Assyriens in dieselteste Zeit zurckdatierten. Es beruhte das vor allem auf einer Unter-schtzung der historischen Bedeutung und Selbstndigkeit des Assyrer-reiches und ebenso des Chalderreiches. Allerdings wurzelt ihre Kulturim alten und ltesten Babylonien, ebenso wie etwa die der 26. Dynastiegyptens in der Kultur des Alten Reiches der 4. und 5. Dynastie wurzeltAber darum liegt zwischen beiden Epochen doch eine lange historischeEntwickelung, die ihre Spuren berall hinterlassen hat. Es geht nichtan, alles Assyrische einfach fr altbabylonisch zu erklren ; vielmehr zeigendie Assyrer auf allen Gebieten, in der Gestaltung des Staates, in der Kunst,in der religisen und wissenschaftlichen Entwickelung eine sehr ausge-prgte selbstndige Eigenart: eine Schpfung, wie die groe BibliothekAssurbanipals ist rein assyrisch, nicht babylonisch. Von Assyrien gehteine sehr bedeutsame neue Einwirkung auf den Westen Asiens und diegriechische Welt aus, die von der lteren babylonischen durchaus zuscheiden ist. Die gewaltigste Steigerung hat die vllige unhistorischeAuflassung in den Phantastereien der Astralmythologie" und der baby-lonischen" oder orientalischen Weltanschauung" erfahren, die gegenwrtigin zahllosen populren Schriften als gesicherte wissenschaftliche Erkennt-nis und Grundlage alles Verstndnisses der Geschichtsentwickelung ver-kndet wird. Sie versetzt in die Urzeit des vierten und womglich desfnften und sechsten Jahrtausends, was in Wirklichkeit das Endergebniseines langen Entwickelungsprozesses gewesen ist und sich nicht frherals im Verlauf des ersten Jahrtausends v. Chr. schrittweise zu einem theo-logisch-wissenschaftlichen System ausgebildet hat. Damit wird aHe ge-schichtliche Entwickelung absolut negiert. Aber auch wir anderen, diewir diese Irrgnge abgelehnt haben, sind doch gerade als Historiker vonVorwurf nicht frei. Indem wir das Ninive Sargons und Assurbanipalsohne weiteres mit der anderthalb Jahrtausende lteren babylonischen Kulturidentifizierten und fr eine sklavische Kopie derselben erkli-ten, habenwir die Grundbedingungen geschichtlicher Entwickelung auer acht ge-lassen und, von den antipathischen Seiten des Assyrerreiches abgestoen,geglaubt, ein gewaltiges Reich, das mehr als zwei Jahrhunderte lang neben

  • 12 Kritik der These Eduard Meyers.

    aller Verniclitung, die es gebracht hat, doch groe Kulturschpfungen auf-zuweisen hat, einfach als kulturgeschichtlich nicht existierend behandelnzu drfen. Erst jetzt beginnen allmhlich demgegenber die geschicht-lichen Tatsachen in ihrer Bedeutung erkannt zu -werden und zu ihremRechte zu gelangen."

    Das hier wiedergegebene Bekenntnis Ed. Meyers ist offenbarwie das Urteil BoUs durch Kuglers Buch veranlat. Wir werdenuns deshalb auch in dieser Streitschrift vor allem mit KuglersFolgerungen auseinander zu setzen haben. Zuvor nur einige Be-merkungen zu den Stzen Ed. Meyers. Es war von unsererSeite im Hinblick auf die Welt der ltesten babylonischen Ur-kunden wiederholt ausgefhrt worden, da sich hier Kultur-entwicklung zeigt, die zu den aus den Erscheinungen der okzi-dentalischen Welt abgeleiteten Gesetzen der Geschichtswissen-schaft und Vlkerkunde nicht stimmt. Je hher wir in dasbabylonische Altertum hinaufkommen, um so ausschlielicherherrscht eine religise Theorie, nach der die staatlichen Organi-sationen geregelt erscheinen, nach der Recht gesprochen, dasEigentum verwaltet und geschtzt wird. Mit dem Verfall deralten euphratensischen Kultur kommen andere Mchte zur Gel-tung, die Macht des Schwertes, die Interessen weltlicher Machtgeben Impulse zu weiterer Entwicklung des staatlichen undgesellschaftlichen Lebens. Die geschichtliche Entwicklung wurdevon uns keineswegs negiert; nur da die Theorie der gerad-linigen Entwicklung zuschanden gemacht ist, wurde unsererseitsbehauptet. Ed. Meyer stellt, wie es scheint, das Gesetz dergeradlinigen Entwicklung wieder her. Er sieht im assyrischenReich des 1. Jahrtausends eine Hhenlinie der Entwicklung.Merkwrdig berhrt dabei das Gestndnis, da die antipathischenSeiten des Assyrerreiches abstoend gewirkt und das Urteil desmodernen Historikers beeinflut haben. So wirkt also bis heutedas Urteil A. von Gutschmids ber das unsgHch scheuliche Volkder Assyrer". Wir sind der Meinung, da die Assyrer in der Hand-habung von Blut und Eisen nicht besser und schlechter waren, alsdie brigen Vlker des Altertums und der christlichen ra. Dieselbstndige Kulturbedeutung der Assyrer drfte aber Ed. Meyerin seinem jngsten Urteil stark berschtzen. Die lteste assy-rische Geschichte lichtet sich erst allmhlich durch die Aus-

    grabungen in Assur. Aber das geht schon aus den Spurenhervor und entspricht allem, was die Geschichte des vorderenOrients in analogen Vorgngen zeigt: Die Babylonier blieben

  • Die Kulturbedeutung der Bibliothek Asurbanipals. 13

    im geistigen Sinne durch die Jahrtausende hindurch immer Er-oberer. Das groartigste Zeugnis dafr ist die groe BibliothekAsurbanipals, die Ed. Meyer wunderbarerweise fr seine gegen-teilige Meinung in Anspruch nimmt. Sie besteht zum groenTeile aus Kopien, aus Kopien babylonischer Werke und zwaralter Werke! Die Bibliothek Asurbanipals ist keinesfalls einZeugnis hohen assyrischen Kulturaufstiegs, sie bedeutet vielmehreine Selbstbesinnung der Kultur auf alte vergangene Zeiten.

    Es ist gerade Asurbanipals Stolz, alte babylonische Weisheitin seiner Bibliothek zu haben; und gerade seine Sammlungensind das wichtigste Zeugnis fr den Geist, der die Wahrheitim Bereiche des Alten sucht. Es ist mir ganz rtselhaft, wieman angesichts dieser Tatsache sagen kann: Die BibliothekAsurbanipals ist rein assyrisch, nicht babylonisch". Asurbanipalhat seinen Namen in die Annalen der Weltgeschichte vor allemdadurch eingegraben, da er die Geistesliteratur der Babyloniervor dem Untergange rettete. 20000 Fragmente sind bishergeborgen. Kundige nehmen an, da die englischen Ausgrabungenseinerzeit nur ein Drittel der Bibliothektrmmer gerettet haben.Wenn der Rest zutage gefrdert wird, so wird das neue Material,wie das bereits vorhandene, wesentlich nur in erster Linie der

    Erforschung babylonischen Geisteslebens zugute kommen.Die Bibliotheksfragmente haben uns bekannt gemacht mit

    den Epen der alten Babylonier. Zum Gilgames-Epos haben sichaltbabylonische Parallel- Fragmente gefunden, ebenso zu denepischen Texten

    . von Ea und Atar^asis, wahrscheinlich auch zumEtana-Text, vom Adapa-Mythus fanden sich zuerst Fragmenteim Fund von Amarna, nachtrglich fand man Ergnzungsstckein den Kopietafeln der Asurbanipal -Bibliothek. Das Sieben-

    tafel-Epos von der Weltschpfung bezeugt durch seine Tendenzdeutlich den babylonischen Ursprung; es will die Tatsache, daBabylon Anspruch auf Weltherrschaft hat, dadurch rechtfertigen,da es den alten Kampf gegen das Chaos und die Gewinnungder Weltherrschaft des gegenwrtigen Aon Marduk, dem Stadt-gott von Babel, auf den Leib schreibt. In den BauinschriftenSanheribs wird ein assyrisches Bildwerk beschrieben, das denTiamat-Kampf auf Asur, den assyrischen Gtterknig, umdeutet.Die Texte der religisen Lyrik, Gebete, Hymnen und Psalmensind zumeist zweisprachig" mit sumerischem Begleittext ver-

    sehen. Diese Art der Redaktion mag im einzelnen Falle nur

  • 14 Die assyrisclie Kultur ist babylonisch.

    den Schein hohen Alters erwecken sollen, aber daneben kannkein Zweifel herrschen, da die Vorlagen der Lieder, auch wennsie fr bestimmte assyrische Zwecke zurecht gemacht sind,babylonischen Ursprungs sind. In einigen Fllen ist uns nebender assyrischen Bearbeitung das babylonische Original auch zu-fllig erhalten. Die Omina-Texte, die die Sprche der schonunter Hammurabi bezeugten offiziellen Zunft der Wahrsage-priester enthalten, die uns in Asurbanipals Bibliothek massen-haft berliefert sind, haben in assyrischer Zeit noch genau diegleiche liturgische Form wie die aus Sargons und Naramsins Zeitberlieferten Sammlungen. Ich wei nicht, ob jemand auf Grunddieses Tatbestandes das Niniveh Asurbanipals fr eine sklavischeKopie" der lteren babylonischen Kultur erklrt hat. WennEd. Meyer damit seine eigene Ansicht korrigiert, sind wir durch-aus einverstanden. Aber wenn es dann heit, die Assyrer httenin der Gestaltung des Staates, in den Knsten, in der religisenund wissenschaftlichen Entwicklung eine sehr ausgeprgte selb-stndige Eigenart" gegenber der lteren babylonischen Kulturgezeigt, so kann das nur mit ganz bestimmter Beschrnkungzugegeben werden. Das assyrische Staatswesen ruht auf derweltlichen Macht und steht deshalb zu allen Zeiten in Reibungmit Babylon, der Reprsentantin der geistlichen Macht. Aberdie geistigen Grundlagen des Staatswesens sind auch in Assyrienbabylonisch: der Knig ist Inkarnation der Gottheit, wie inBabylon der Priester oder Priesterknig; die staatlichen undpolitischen Vorgnge gelten als Wiederspiegelungen himmlischerVorgnge und werden als solche von Priestern gedeutet. Aufdem Gebiete der Kunst sind die Assyrer Meister der Stili-sierung und Detailkunst, aber die Periode klassischer Kunst liegtim Zweistromlande jenseits der Hammurabiz eit. Was aber dieReligion selbst anbetrifft, so ist es mir absolut unerfindlich,worin sich hier assyrische Selbstndigkeit zeigen soll. WelcheGtter und Vorstellungen sollen denn den Assyrern eigentmlichsein? Auf religisem Gebiete mag die Systematisierung desastralen Pantheons in assyrischen Zeiten fortgeschritten sein;aber ich wte auch nicht die Spur einer neuen Idee aufzu-weisen, die nicht in der altbabylonischen Geisteskultur gelebt

    htte. Am allerwenigsten knnen wir der assyrischen Zeit einewissenschaftliche Steigerung zutrauen; dagegen sprechendie geschichtlichen Verhltnisse. In Babylon lag auch damals der

  • Die assyrische Kultur ist babylonisch. 15

    Schwerpunkt geistigen Lebens. Hier ruht Ed. Meyers Urteilwohl auf Nachweisen des Kuglerschen Buches, die sich als irrigerweisen werden. Die Einwirkung, die von Assyrien auf denWesten Asiens und die griechische 'Welt ausgegangen ist, kannqualitativ von der lteren babylonischen durchaus nicht ge-schieden werden, ob quantitativ, ist noch sehr die Frage. Inwissenschaftlicher Hinsicht kann von einem groen Entwicklungs-fortschritt erst die Rede sein in sptgriechischer Zeit, als derAlexandrinismus die orientalische Kultur fr den Okzident er-obert hatte, und als der orientalische Geist deduktiver Wissen-schaft von dem griechischen induktiven Geist neu befruchtet wurde.Und auch diese Wissenschaft der neubabylonischen Zeit darfnicht berschtzt werden^.

    Das, worauf es fr die Wirkung der babylonischen Kulturvor allem ankommt, ist ihr Geist, ihr innerer Gehalt und dieBedeutung, die dieser fr andere Vlker gewonnen hat. Assyrienhat trotz seiner politischen Herrschaft nicht eine solche Be-deutung fr die Ausbreitung der Euphratkultur gewonnen, als sieBabylonien (ehe es ein Assyrien" gab) gehabt hat. Sprichtdenn der Tel-Amarna-Fund nicht deutlich genug fr die Wirkungbabylonischer Kultur? Zeigen die Amama-Texte nicht, dababylonische Schrift und Sprache allen Kulturvlkern gelufigwaren und da damit selbstverstndlich auch babylonische Lehrediesen bekannt sein mute? Das Mittelalter konnte sein Lateinnicht schreiben, ohne von Rom zu wissen. Jetzt, nach zweiJahrzehnten, ist auf Amarna Boghazki gefolgt. Lngst hattenwir aus Kleinasien den Beweis des Gebrauchs der Keilschriftund seine engere Yerquickung mit euphratensischer Kultur inden sog. kappadokischen Tontafeln" aus Kaisarije. Nun zeigensich auch die Hethiter vllig im Banne dieser Kultur stehend ehe es einen assyrischen Grostaat gab, und in Gegenden, wohinauch deren politische Macht niemals vorgedrungen. DasSelbstverstndliche, die natrliche Folgerung aus der Tatsachedes Gebrauchs der Keilschrift, hier tritt es uns entgegen. NachMitteilung 2 Wincklers sind die hethitischen Urkunden, soweit siein hethitischer Sprache abgefat sind, mit babylonischen Wortendurchsetzt (auch sumerisch" luft als Ideogramm mit unter),und machen den Eindruck eines im hheren Stile" abgefaten tr-

    1) S. 23 f.2) Vergl. Mittig. der Deutschen Orientgesellschaft Nr. 35, Dezbr. 1907.

  • lg Kleinasiatische Zeugnisse fr babylonische Kultur.

    kischen Literaturerzeugnisses mit seinem arabisch-persischen Ein-schlag. Die babylonische Kultur war eben fr das alte Vorder-asien das, was die arabische fr die islamische Welt ist. DerZufall hat eine Sternaufzhlung erhalten, von der wir noch inanderem Zusammenhange^ zu sprechen haben. Und die Religion?Winckler teilt mir den Anfang der berraschenden Gtterlistemit, welche Subbiluliuma und Mattiuaza von Mitani in ihren Ver-trgen anrufen:

    Tesub, Herr von Himmel und Erde, Sin und Samas, Sinvon Harran, Tesub, bei kurinni (der Stadt) Kapa

    Ea-sarru, bei hasisi^, Ann und Antu (A-an-tum),En-lil und Nin-lil.

    Darauf folgt die MDOG Dez. 1907 angefhrte Nennung derindogermanischen Gtter Indra, Varuna, Mithra und Nasatianna(die Dioskuren Indiens, Nasatyai, Beiname fr A^witai)^, unddarauf die Stadtgtter etc. des Hatti-Reiches, deren Nennungman sich an dem bekannten Vertrag Ramses II. mit Hattusilveranschaulichen kann.

    An der Spitze stehen also die Hauptgestalten des babylonischenPantheons, Sonne, Mond, und die Vertreter des babylonischenKosmos. Und ihre Namen und nhere Bezeichnungen werdenbabylonisch aufgefhrt, und sind nicht etwa durch die ent-sprechenden hethitischen ersetzt. Das Bild, das sich ergibt, istdas, welches ein Vertrag sagen wir etwa zwischen Rom undeinem Keltenfrsten, bieten wrde, in welchem als Schwurzeugenaufmarschierten: Jupiter optimus maximus, dann mit ihrengriechischen Namen die hervorragenden Gestalten desgriechischen Pantheons, dann die brigen rmischen (undetwaige keltische). Die Hethiter kannten den babylonischenKosmos so, wie ihn das babylonische Epos kennt und wie ihndie ltesten Inschriften sich vorstellen, und sie bezeichnen ihn

    1) Siebe S. 25 f.2) Ea als Herr der Weisheit: Ea sarru bei ha-zi-zi und Ea bei ha-si-si

    geschrieben.3) ilni mi-it-ra-as-si-il ilni u-i'u-w-na-as-si-el var.: a-ru-na-a-si-il

    ilu (!) in-dar ilni: na-s-a[t-ti-ia-a]n-na var.: in-da-ra na-s[a]-at-ti-ia-an-na

    Also die Gtter Indiens" im 15. bez. 14. vorchr. Jahrhundert die Gttereiner Herrenbevlkerung (der Charri, die nach dem Tode Tusrattas auf-treten). Der summus deus heit u (Indra), die brigen (Kreislauf-reprsentanten) ni: el und elohim.

  • P. W. Schmidt's Einwnde. 17

    mit seinen babylonischen Namen den wissenschaftlichen",wie wir lateinische oder griechische Bezeichnungen anwenden.

    Whrend des Druckes ist mir der S. 10, Anm. 3 erwlinte Vortragvon P. W. Schmidt S. V. D. noch zugegangen . Der berhmte Linguistlt den Panbabylonismus vom allgemein ethnologischen Standpunkte ausgelten, gibt auch die Mglichkeit mythologischer Beeinflussung (aber erstin verhltnismig spter Zeit) etwa fr Indien und China zu, da P. Kuglernachgewiesen hat, da der alte astronomische Kalender der Chinesen so-wie der Wedakalender der Inder genau die gleichen Zahlen fr die Dauerdes lngsten Tages angeben, die aber in keiner Weise fr Indien undChina, ganz genau aber auf die geognostische Breite Babels passen." Fralle weiteren Gebiete, die der Panbabylonismus beansprucht, msse er inentschiedene Opposition treten. Diese Opposition wird nun Schritt frSchritt mit den Thesen Kuglers begrndet, die P. Schmidt fr unerschtter-lich erwiesen hlt. Wir drfen hoflen, da P. Schmidt sich auf Grundder folgenden Ausfhrungen zu erneuter Prfung veranlat sehen wird.Die Hauptgrundlagen des Panbabylonismus sind nicht zerstrt, sondernstehen nach wie vor fest. Wie schon das Thema ergibt, sieht P. Schmidtin dem Panbabylonismus vor allem den Gegner des Elementargedankens",der Vlkeridee". Er sagt, der Panbabylonismus rhme sich, den ethno-logischen Elementargedanken" vllig entwurzelt und berflssig gemachtzu haben. Ich mu mich dagegen fr meine Person verwahren. Nichtum Entwurzelung, sondern um Einschrnkung des Elementargedankenshandelt es sich. Ich habe mich darber besonders in meiner Diskussionmit Wundt in der 2. Auflage der 1. Nummer dieser Streitschrift aus-gesprochen, die wohl P. Schmidt nicht zu Gesicht gekommen ist.

    Interessant ist es, da bei der Diskussion ber P. Schmidts Vortragin der Wiener Anthropologischen Gesellschaft ein Kenner der Geschichteder Astronomie sofort Zweifel an der Richtigkeit des Kuglerschen Wider-spruchs gegen altbabylonische Astronomie erheben mute. Hofrat Gom-perz, so sagt a. a. 0. S. 90 der Bericht ber die Diskussion, hat mitberraschung von dem Ergebnisse neuerer Forschungen vernommen,das die babylonische Astronomie in eine verhltnismig spte Zeit herab-rckt. Gern wte er, ob es unter dieser Voraussetzung noch angeht,die Vorhersage einer Sonnenfinsternis durch Thaies im Jahre 585 dadurchzu erklren, da man den griechischen Weisen in diesem Punkte ausbabylonischen Quellen schpfen lt. Man denkt hierbei keineswegs aneine so hohe Entwicklung der Astronomie, da die richtige Theorie derFinsternisse bekannt und der Zeitpunkt der einzelnen Eklipsen daraus ab-leitbar gewesen wre: wohl aber an die Kenntnis des empirischen Gesetzes,an Tafeln, die lange Reihen von Beobachtungen und die aus ihnen sichergebenden Folgerungen enthalten haben. War derartiges den baby-lonischen Priestern bekannt, so konnte ein wibegieriger lonier damit inSardes, der Hauptstadt Lydiens, eines Vorlandes babylonischer Kultur,

    gar leicht bekannt werden^ whrend es nicht abzusehen ist, wie er ohnesolche Hufe jene wohlbeglaubigte Voraussage machen konnte. Denn in

    Im Kampfe. 3. 2

  • 18 Babylonisclie Kultur und Himmelskunde.

    Hellas konnten zu jener Zeit die erforderliehen astronomischenBeobachtungen unmglich gesammelt worden sein. Wie dieKenntnis der Finsternisse, so haben die Gewhrsmnner des Herrn Vor-tragenden den Babyloniern, und zwar bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. Geb.,auch jene der Przession abgesprochen. Hier erhebt sich eineinnere Schwierigkeit. Vielhundertjhrige Himmelsbeobachtungenschreibt Aristoteles (im III. Buche vom Himmelsgebude , Kap. 12) , dergewi nicht geneigt war, fremdlndische Wissenschaft zu berschtzen,den Babyloniern zu. Nun ist die Przession der quinoktien ein Ph-nomen, das schon im Laufe eines Jares mehr als 50 Bogen - Sekundenbetrgt und daher im Laufe mehrhundertjhriger, nicht vllig ungenauerHimmelsbeobachtungen kaum bersehen werden konnte".

    Waren die alten Babylonier Astronomen?

    Die Geisteskultur Babyloniens ruht auf der Himmelskunde '.Die babylonischen Schrifterfinder haben das Zeichen fr Sterndadurch hergestellt, da sie das Zeichen ^ oder #, das wahr-scheinlich den Nordpol des Himmels bedeutet, auf jeden Fallaber astrale Bedeutung hat, dreimal als eine Zeichengruppeschrieben.

    Das Ideogramm ^ (achtstrahlig, mit 16 strahliger Variante) bezeich-net Anu als summus deus, als Inhaber des Nibiru-Punktes, des kosmischenNordhimmels, der am Fixstemhimmel durch den Polarstern gekennzeichnetist (s. S. 27). Da das Ideogramm ein Bild des Pols ist und der von ihmausgehenden Himmelsrichtungen, hat H. Zimmern gewi mit Recht ver-mutet; das sumerische an und das entsprechende ilu wrde dann kosmi-sche Bezeichnung der Gottheit sein, und das Ideogramm wrde ganzkonkret den Punkt wiedergeben, in dem die Hauptmeridiane zusammen-laufen; im Weltschpfungsepos heit der Pol deshalb riksu, Verknotung(s. S. 28). Dazu stimmt auch, da die sumerische Bezeichnung des NordensIM. SI. DI. ist (in den Jngern astronomischen Texten abgekrzt SI, d. h.die noiTQale, die Grundrichtung", der ruhende Punkt im Himmelskreis-lauf) ; ferner da man den Norden als Richtung I bezeichnet (die Bezeich-nung istanu fr Norden bedeutet zugleich Nummer I), die brigen dreiHauptrichtungen sind II, lU, IV (s. Kugler a. a. 0., S. 23, Anm. 2). (Dasist die kosmische Kibla-Ausrichtung ; die Kreislauf-Kibla ist wenigstensnach der Theorie von Babylon so, da Osten vorn" ist, also Norden zurLinken).

    Ferner sind die offiziellen Urkunden (z. B. die Stele Naram-sins) mit Bildern sanktioniert, die dem Sternhimmel entnommen

    ^) Wie es kommt, da die ltesten uns vorliegenden Urkunden wenigvon dem astralen Charakter der Gottheiten sprechen, werden wir spterzu erklren versuchen.

  • Astrologie und Astronomie. 19

    sind, obenan stehen die Zeichen fr Sonne, Mond, Venus. DieVorgnge des staatlichen und brgerlichen Lebens werden durchznftige Sterndeuter mit Vorgngen an der gestirnten Welt inZusammenhang gebracht. Die Urkunden sind, soweit wir siezurck verfolgen knnen, nach einem wissenschaftlich genauenlunisolaren Kalender datiert. Diese Tatsachen setzen Astronomievoraus.

    Die Existenz einer wissenschaftlichen Astronomie wird nunvon Kugler in seinem genannten TVerke den lteren Babyloniemabgesprochen. Er beruft sich in der Einleitung seines Buchesdarauf, da die Hauptquellen fr die ber 700 v. Chr. hinauf-reichende Zeit nur astrologische Omina, nicht astronomischeFakta bieten. Auch die Listen von Fixsternen, Angaben berdas Erscheinen der ersten und letzten Mondsichel, ber astro-nomische und atmosphrische Verfinsterungen des Himmels, berPlaneten, Kometen und Meteore, die sich hier als Kopien alterTexte finden, lt Kugler als Belege fr eigentliche Astronomienicht gelten^ weil sich jene alten Himmelsdeuter anscheinendnicht bemht haben, die genannten Erscheinungen einigermaenrtlich und zeitlich zu fixieren". Wenn dies geschehen wre, sogibt Kugler zu, wrde die vielseitige Ttigkeit der babylonischenAstrologen fr die sptere und noch fr die moderne Astronomieunbedingt von unschtzbarem Nutzen gewesen sein.

    Zunchst eine Verstndigung ber Grundfragen. Kuglerunterschtzt die Bedeutung der Astrologie in Babylonien. Sieist nicht Mutter, sondern Herrin der Astronomie. Nur um derpraktischen Verwendung in der Astrologie willen treibt derBabylonier Astronomie. Und hinter jeder astrologischen Aus-sage verbirgt sich Astronomie \

    Damit hngt die andere Frage zusammen: Was verstehtKugler unter wissenschaftlicher" Astronomie?

    Wissenschaftliche Astronomie wrden wir definieren alsAstronomie, sofern sie um ihrer selbst willen, als Selbstzweck,betrieben wird. Ein solcher wissenschaftlicher Betrieb ist imorientalischen Altertum vllig ausgeschlossen, sowohl im altenBabylon, wie im Niniveh Sargons und Asurbanipals. Der orien-

    1) BoU Sphaera, S. 457, Anm,, schliet sich der richtigen Wrdigungder Astrologie durch Winckler an sie ist ihrem Ursprung nach nichtAberglaube, sondern der Ausdruck und Niederschlag einer Religion oderWeltanschauung von imposanter Einheitlichkeit."

    2*

  • 20 Was heit wissenschaftliche" Astronomie?

    talische Wissenschaftsbetrieb ist rein deduktiv, empirisch. Undauch die empirischen Beobachtungen werden nicht um der Be-obachtung willen angestellt. Sammelwissenschaft im modernenSinne kennt der Orientale auch nicht. Er sammelt und beobachtetum eines bestimmten praktischen Zweckes willen und nur umdieses Zweckes willen. Der praktische Zweck ist hier die Nutz-anwendung in der Astrologie und im letzten Grunde die An-wendung des Grundsatzes, da Welt und Mensch mit dem Laufder Gestirne unlsbar verbunden sind. Aber wenn dieser Wissen-schaftsbetrieb auch nur praktischen Zwecken diente, so hat erdoch die wissenschaftlichen Grundlagen geschaffen, auf denendie Astronomie als Wissenschaft in unserm Sinne (Astronomieals Selbstzweck) sich entwickelt hat. Wir sind darum berech-tigt, die gesamte Astronomie als Weiterspintisierung der alt-orientalischen Astronomie zu bezeichnen. Die Welt lebt ber-haupt von einer sehr kleinen Zahl grundlegender Ideen, imbrigen ist alles Variation, Durchbildung, Weiterbildung, Ent-faltung. Auch die Variation und Weiterbildung kann auf staunens-werten Geistestaten beruhen. Solche Geistestaten sind die Theoriendes Hipparch und Eudoxos, des Ptolemus und Aristarch vonSamos; aber sie wren nicht denkbar ohne die Verankerungdes Geistes dieser Mnner in babylonischer Astronomie.

    Der wissenschaftliche Betrieb der Astronomie im modernenSinne hat seine ersten Anste empfangen, als der Alexandri-nismus den Orient fr das Abendland erobert hatte. Der moderneMensch ist deshalb geneigt, die Geistestaten der hellenistischenAstronomie, auf deren Seite er gewissermaen steht, zu ber-schtzen zuungunsten der alten Entdecker am Euphrat undihrer grundlegenden empirischen Arbeit. Jene alten Herren, vondenen sich einige den Beinamen der Babylonier" beilegtenwerden in diesem Punkte wohl anders gedacht haben. Undspricht denn nicht eben die Tatsache laut genug, da dieserneue Aufschwung astronomischer Wissenschaft nur auf orien-talischem Boden entstehen konnte? Und da er an Babylons(Nabonassar!) Aufzeichnungen" anknpfte? Vielleicht darf auchnoch eins gesagt werden. Die rein auf Beobachtung und Er-fahrung ruhende babylonische Wissenschaft hat sich relativ

    brauchbar erwiesen, gleichviel, ob mit Recht oder Unrecht. Nochin hellenistischer Zeit werden die astronomischen Mondbeobach-tungen, von denen Kugler (S. VIII) sagt, da auf diesem Gebiete

  • Zeugnisse der Bibliothek Asurbanipals. 21

    die moderne Astronomie von der babylonischen Astronomie hchstwillkommene Korrektive fr die Mondbewegang entnehmen kann,mit Notizen fr Getreidepreise versehen ^ Selbst Kepler ist nebender rein wissenschaftlichen Astronomie die praktische babylo-nische Astronomie" nicht losgeworden: die Einheit der Sternemit dem Erd- und Menschengeist, dieser Grundgedanke alt-orientalischer Weltanschauung, steht auch ihm noch fest; undder Leipziger Philosoph Fechner hat in seiner Psychophysik diealte Anschauung in neuer Form gelehrt. Hingegen hat diegriechische Weiterbildung der Astronomie ihre Brauchbarkeitdurch die unlsbare Verquickung mit philosophischen Ideen ver-spielt. Als Grundlage der heutigen, rein mathematischen Astro-nomie wird deshalb die griechische Astronomie nicht anerkannt.

    Sollte brigens die Bibliothek Asurbanipals ihr direktesZeugnis fr alte babylonische Astronomie wirklich versagen?Nach C. Bezold, der smtliche Fragmente katalogisiert hat, wrewenigstens ein Fragment vorhanden, das einen wirklich astro-nomischen Text bietet, auf dem von der Umlaufszeit einesPlaneten und der Entfernung gewisser Sterne von bestimmtenPunkten die Rede zu sein scheint" (Bezold, Ninive und Babylon^S. 92). Auf Anfrage gab C. Bezold freundlichst folgende Aus-kunft:

    Die Bemerkung ist aus Catalogue V, p. XXV oben, geflossen, Umeine Idee von dem merkwrdigen Text zu geben (K 9794), hatte ich ibid. III,p. 1039 ein Viertel davon abgedruckt, wozu ich mir dankbar zu be-merken erlaube, da mir bei Bestimmung der betr. Inschrift die Sach-kenntnis P. Stramaiers frdernd zur Seite war; der Rest des Textes istmii- jetzt nicht mehr zugnglich."

    Das bei Bezold Kai III, p. 1039 gegebene Viertel des Textes(Z. 8 ff. 4 Zeilen), eingeleitet durch die Worte

    part of an astronomical text relating to the periodical revolu-tion of a planet, the distances of various stars from certain appear tobe stated"

    1) Auch in der von Kugler wegen astronomischer Fortschritte ge-rhmten Arsacidenzeit gibt es keine reine Astronomie. Die Ephemeriden-tafeln sind nach v. Oefele fr astronomische Berechnungen hchst un-bequem, dagegen uerst bequem, um fr beliebige Daten und Stundendie astrologisch wichtigen Positionen der Planeten in raschester Weise zuerhalten, um die Apotelesmata der Sterne direkt ablesen zu knnen.Und die sog. astronomischen Lehrtafeln sind in Wirklichkeit astrologischeHilfstafeln einer neubabylonischen Stuben -Astrologie, die sich von deralten Naturbeobachtung sehr ungnstig unterscheidet, s. S. 23.

  • 22 Zeugnisse der Bibliothek Asurbanipals.

    lt erkennen, da es sich hnlich wie bei demS. 24f. besprochenenNippurtext um Berechnung von Fixstern-Entfernungenhandelt. Eine Anfrage in London nach dem Rest des Textes,auf dem C. Bezolds bez. P. Stramaiers Inhaltsangabe beruhenmte, blieb bei der ungnstigen Ferienzeit leider erfolglos.Hoffentlich wird das vollstndige Fragment als Zeuge altbaby-lonischer Astronomie bald zugnglich gemacht.

    Auch sonst drfte eine Durchforschung der unverffentlichtenFragmente fr unsern Zweck nicht erfolglos sein. Bezolds Kata-logue V, S. 2096 zhlt unter Lists of names of stars 21 Frag-mente der Bibliothek Asurbanipals auf. ber diese Texte schreibtC. Bezold in direkter Fortsetzung der oben gegebenen Mitteilung:

    Das gleiche gilt leider auch von den von Ihnen bezeichneten Ex-planatory Lists of names of stars. Aber eine hinreichende Idee von derAbfassungsweise auch dieser Inschriften gibt vielleicht das schon davonpublizierte, nmlich HR 49, Nr. 1 und IIIR 57, Nr. 6, oder auch die Aus-zge aus K 4195 bei Stramaier und Delitzsch, oder die hnlichen vonKK7010, 11283 und 11739 (Cat. pp. 825, 1153 und 1190).

    Aus den kleinen Fragmenten KK 4347 a, 6093, 7069, 7666, 13601,Sm. 1125 und 7978 , 352 wird zunchst nicht viel zu gewinnen sein.Dagegen lohnte sich gewi die Kopie der zu den obigen PublikationenRawlinsons von mir hinzugefundenen Duplikate K 7625 und K 8067, sowieauch der Nummern KK 11251, 11267, 11306, 12619, Sm. 1171 und Rm. 1018.Erst dann wird man bestimmen knnen, ob wirklich alle diese oder dochdie meisten von diesen Inschriften zusammen eine bestimmte Textklasseergeben und nicht etwa (wie ich Cat. 296b oben zur Diskussion stellte)aus den Explanatory Lists of names of deities oder noch in den Texten zukombinieren sind."

    Ich mache von der freundlichst gegebenen Erlaubnis, dieseNotizen C. Bezolds wiederzugeben, Gebrauch, in der Hoffiaung,da die in Betracht kommenden Texte bald smtlich zugnglichgemacht werden mchten. Das HR 48 , Nr. 1 verffentlichteStck weist, so viel ich sehe, auf Listen von Monaten, die mitGestirnen verbunden sind, Listen der 12 Gestirngtter" undSternnamen, und lt ebensowenig wie das Gestirn-VerzeichnisIII R 57, Nr. 6 direkte Schlsse auf die Art der astronomischenArbeit in alter Zeit zu.

    Auch Sm 162 (Bezold Cat. IV, 1385) ist zu erwhnen. Hier handeltes sich um Benutzung eines Astrolab, der ohne wissenschaftliche Astro-nomie nicht denkbar ist. Der erste Sektor trgt nach Baron von OefelesDeutung die Zahlen 140 + 70 und 120 + 60 ". Die Sonne steht im Mar-chesvan im Skorpion und im Kislev im Schtzen. Mars ist olxosanotrjq

  • Astronomie der Arsacidenzeit. 23

    des Skorpion und Merkur des Schtzen; die ISO" und 210 " sind vomSiriusaufgang gerechnet.

    Baron von Oefele hat in seiner Kritik des KuglerschenBuches ^ ebenfalls scharf betont, da Kugler das altbabylonischeErbe stark unterschtzt (vgl. auch auf S. 21 die Nachweiseastrologischer Versimpelung der astronomischen Beobachtungenin der von Kugler gerhmten Arsacidenzeit). Oefele sagt u. a.

    Sehr fein sind die Nachweise von Kugler, da die babylonischeAstronomie erst im zweiten vorchristlichen Jahrhundert zur Feststellungder tglichen Bewegung, der Dauer des siderischen Umlaufes, der mittlerenDauer des synodischen Umlaufes und des Bogens, den der Planet voneinem heliakischen Aufgang zum andern durchschnittlich beschreibt,gelangten. Kurz zuvor war ihnen auch der ungleichmige Jahreslaufder Sonne bekannt geworden und sie wagten sich nun auch an die erstenFeststellungen ber den anomalistischen Lauf der Planeten. Diese Fort-schritte in der sptbabylonischen Astronomie innerhalb des zweiten vor-christlichen Jahrhunderts betont Kugler ganz besonders. Da innerhalbder Jahrtausende vorchristlicher Astronomie ein einzelnes besser studiertesJahrhundert ganz bestimmte Fortschritte erkennen lt, darf aber sicher-lich nicht eine Veranlassung zu dem Trugschlsse werden, da nun alle^ntwickelung der alten Astronomie in nchste Nhe dieses zweiten vor-christlichen Jahrhunderts zu versetzen sei. Bis berhaupt die Renaissanceder Seleukidenzeit aus altbabylonischem Erbe mit hellenistischem Geistediese Fortschritte gebren konnte, war eine groe Reihe von Jahi-hundertenzu durchmessen, deren keines ganz unfruchtbar in bedeutenden Fortschrittender Astronomie war. Diese Fortschritte des zweiten vorchristlichenJahrhunderts ruhen einzig und allein auf den Schultern aller dieser Vor-gnger, die wir nicht unterschtzen und nicht vergessen drfen .... Auchdiese astronomischen Lehrtafeln der Arsacidenzeit knnen nur astrologischeBlfstafeln gewesen sein. Die astrologische Wissenschaft wurde dadurchvon der direkten Beobachtung mit all ihren Strungen durch Bewlkungin eine reine Rechenwissenschaft, die in der Gelehrtenstube unabhngigvon Wind und Wetter war, umgewandelt. Es war ein Fortschritt derAstronomie und vor allem der Bequemlichkeit der Astrologie; ob es aberim Sinne der heutigen Grundforderung der Naturwissenschaften zurdirekten Selbstbeobachtung ein Fortschritt war, ist mindestens zweifelhaft.Im Gegenteil scheint gerade aus den Feststellungen von Kugler hervor-zugehen, da die Naturwissenschaften im zweiten vorchristlichen Jahr-hundert den Hauptschritt gemacht haben, um nahezu zwei Jahrtausendeeine unfruchtbare Stubengelehrsamkeit zu werden. Mag die altbabyloni-sche Naturbeobachtung in den vorhergehenden Zeiten noch so sehr imDienste der Omenbdung und Astrologie auf Abwegen gewandelt sein,so hatte sie doch immer noch direkte Naturbeobachtung zur Voraussetzung,

    1) Mitteilungen fr Geschichte der Medizin und Naturwissenschaft(Gnther und Sudhofi} 1908, Nr. 28.

  • 24 Fixsternberechnungen in den Nippurtexten.

    so da wir sogar erfahren, da ein babylonisclier Metzger die sehr ominseDoppelniigeburt eines Schweines (Dipygus) zur mglichen Nachkontrolledurch Einsalzen konservierte. Die rechnende Astronomie mag ber denFortschritt im zweiten vorchristlichen Jahrhundert sehr erfreut sein, aberfr die Gesamtnaturwissenschaft war es einer der bedenklichsten Schrittezu zweitausendjhrigem Verfall. Und auch die Astronomie geriet dadurchnur noch mehr als zuvor in den Sumpf der Astrologie".

    Kugler wrde in bezug auf seine Unterschtzung altbaby-lonischer Astronomie am einfachsten dadurch ad absurdum ge-fhrt werden , wenn ihm rtliche Fixierungen von Sternenin alter Zeit nachgewiesen werden knnten. Die oben ange-deuteten Zeugnisse der Bibliothek Asurbanipals werden hierfrvorlufig nicht gengen. Vielleicht verfgen wir fr diesenNachweis bald ber reicheres Material. Als ich die AusfhrungenKuglers las, entsann ich mich, da ich Notizen ber unverffent-lichte Tafeln der Nippurausgrabung gesehen hatte, die Fixstern-berechnungen enthalten. Ich wandte mich an Hilprecht undbat ihn fr diese Streitschrift um berlassung einiger Exemplare.Hilprecht bedauerte, seine Notizbcher nicht in Europa zu haben.Er verwies mich an Hommel, dem er einen oder einige derartigeTexte zur freien Verfgung berlassen habe. Hommel teilte mirmit, da er die Bearbeitung eines solchen Textes vorgenommenhabe und demnchst verffentlichen werde, erlaubte mir aber infreundlichster Weise, schon jetzt seine Lsung mitzuteilen, frdie Prof. Hommel selbst die Beweisfhrung demnchst an einemanderen Orte geben wird.

    Der Text aus Nippur, der aus der Zeit um 2000 stammendrfte, wie Hommel annimmt, wohl aus der Zeit der Knigevon Isias, lautet in Umschrift:

    40. 4. 20. 6. 40 X 9 = 6. 4013 kasbu 10 us mul su-pa eli mul gir SUD40. 4. 20. 6. 40 mul 7 = 5. 11. 6. 4010 kasbu 11 US 6^2 gar 2 mul gir-tab e-li mul su-pa SUD

    Die Lsung Hommels lautet fr die ersten beiden Zeilen:[(44X 3600) + (26x 60)+ 40]x 9= [(6x 50) + 40] x 3600

    = 1440000.(13 X 108000 s) + 10x3600 su = 1440000 su ist der Stern

    supa vom Stern supa entfernt.

    Der Stern gir ist Schtze (Skorpionstachel), gir-tab Skorpion,su-pa ist Spica. Gir ist also von s-pa 1 440 000 Handbreiten ent-

  • Babyloniscli-liethitisches 8ternverzeichnis. 25

    fernt, gir-tab von s-pa aber nur 1120000 Handbreiten, wie dasmit dem gleichen Schlssel gelste Exempel der 3. uod 4. Zeile sagt.

    Soweit Hommels geistreicher Lsungsversuch. ^ Fr unsernZweck kommt es darauf an, zu zeigen, da die alten Baby-lonier astronomische Messungen der Fixsternentfernungen ver-anstalteten.

    Unter den Tontafeln aus dem Knigsarchive der Hauptstadtder Hatti (Boghaz-Ki) findet sich nach Wincklers Mitteilung (vgl.bereits S. 16) eine (in hethitischer Sprache), welche am Schlssekosmologische Angaben und die Namen der bekanntestenSterne in ihrer babylonischen Form enthlt.

    Winekler schreibt mir darber: Ich kann den Abschnitt nur nacheiner erstmaligen Kopie ohne weitere Revision mitteilen und ohne daich ihn mit literarischen Hilfsmitteln htte durcharbeitenknnen. Die ntigen Folgerungen ber die Lesung und Schreibung dersumerischen" Sternnamen wird jeder Fachmann leicht selbst ziehen (vgl.dazu die von Zimmern besprochenen sumerischen Texte in Sumerisch-babylonische Tamzlieder", Berichte der kgl. Sachs. Ges. der Wissensch.LIX. 1907). Der letzte Abschnitt der Tafel lautet (ich umschreibe teil-weise konventionell nach leicht erkennbaren Grundstzen):

    1. [an ku-u]l ki ku-ul an ki ku-ul ki ki ku-ul mu-ul a-na se-ga2. [mu-ul m]u-ul a-na se-ga mu-ul sa a-na ku-ul an si-ki-la ki si-ki-la3. an ki si-]ki-la ki ki si-ki-la mu-ul a-na se-ki-la mu-ul mu-ul a-na

    se-ki-la

    4. [mu-ul] sa a-na se-ki-la an ki se-ga ki ki se-ga mu-ul a-na se-ga5. [mu-u]l mu-ul a-na se-ga mu-ul sa a-na se-ga ku^-w^-ia6. [i

    ]na sa-me-e iz-zi-iz-zu an A-nu an En-lil ib-nu-ku-nu-si ir-saan Nu-gim-mut.

    7. /]-at-li-im-masa-ku-dusu-nu-du3ilni(anmes) musiti (?MiHiA)iz-zi-za-ni ma el ti bu ut ra

    10. ?gal sa ilni rabti (gal gal) ir-pu-nim-ma an mu-i-ti an gul*mu-si-ti

    11. an ak-ka-du du-mu ul-la tu-si-si du-mu ku-u-ra-du du-mu kar-du^12. mul a-ha-ti mul dug dug" mul an dumu-zi mul an Nin-ki-zi-di^

    mul e-ma^-e

    1) Die Einsetzung der Einer, Sechziger, Dreitausendsechshunderteran Stelle der Einer, Zehner, Hunderter unsrer Rechnung ist berzeugend.Die Umrechnung der Mae auf su (Handbreiten) fhrt zu dem gegebenenResultat (1 kasbu = 30 us = 1800 gar = 21600 = 108000 s =648000 su-si [ubnu]). Vielleicht wre hier mit einem andern Vorschlageinzusetzen, ohne da eine andre Lsung Hommels Verdienst schmlernknnte. Ein Entfernungsverhltnis der Spica von Schtze und Krebskann doch wohl niemals 7 : 9 sein, welcher Normalstern auch gemeint sei.

  • 26 Babylonische Astronomie bei den Hethitern.

    13. mul mul mul isu li-e^ mul si-pa-zi-a-na^o mul ka-ak-zi-zi"14. mul isu Bau mul gir-tab mul id-hu (nasru) mul ha (nnu) mul sa-

    am-ma-^

    15. mu-ul ka-ad-du-bu ha mul Sibtu mul Mar.Tu su-ut ilu Ea iz-zi-za-ni

    16. su-u-ut ilu E-a nap-har sa-u-ut ilu A-ni izzi^^-za-ni su-u-ut uEn-l[il]

    17. ki-me-ir-ku-nui3 er-ra-ni me-hi-in-ku-nu da-me-du^*

    ^) od. ?a? Die Zeichen ma und ku sind in der Hattischrift meistnicht zu unterscheiden. 2) pi. 3) sakti sunti. ^) gul, abtu. ^) dumu= mru, ^urdu, kardu. ) duk, lut statt Hi = dug, tabu! '^) Sternvon Tamuz und Stern von Nin-gis-zi-da! 8)^119 9) sie! (sonst is li hu si).10) sib-zi-an-na! n) sie! kak-si-di! 12) Ru (ub). i3) gimir-kunu.14) tametu?

    Also babylonische Astronomie wurde in der Haupt-stadt der Hatti gepflegt ^ wie es nicht anders sein kann, dennsie war ein Bestandteil der Wissenschaft berhaupt. Sie wurdegepflegt wie irgendwo im Mittelalter an einem der Kulturmittel-punkte die damalige Wissenschaft. Nach weiterer Mitteilungkann Winckler ber den Inhalt anderer sehr umfangreicher Tafelnin hethitischer Sprache noch nichts aussagen, als da sie in hu-figer Wiederkehr von der und der Nacht und so und sovielDoppelstunden sprechen. Winckler hat den sehr dankenswertenDienst erwiesen, dieser Schrift ein Stck der Tafeln in Auto-graphie beizugeben, zugleich eine echte Probe der Hethiterschriftvon Boghaz-Ki von der Hand des Entdeckers. Der Gebrauchder kasbu setzt die Astralmathematik voraus, wie seine Ab-leitung beweist. Sie ist untrennbar mit Tierkreis, Gradeintei-lung usw. verbunden.

    Bei dem geringen Vorrat an Urkunden liegt aber m. E. vor-lufig der schlagendste Beweis fr den Betrieb wissenschaftlicherAstronomie im alten Babylonien in dem Stck des Weltschpfungs-epos, in dem Marduk den Kosmos neu erbaut, nachdem der alteAon vorber, der Kosmos Timats vernichtet ist. Die philo-logische Erklrung ist im einzelnen schwierig und zum Teilunsicher. Aber soviel steht fest: der Dichter, der fr seineZwecke beliebige Teile der wissenschaftlichen Erkenntnis seinerZeit herausgriff und dichterisch benutzte, bezeugt uns, da seinegelehrten Zeitgenossen ein Rundjahr von 360 Tagen in 3x12

    1) In einer Gegend, in die assyrische politische Macht nie gekommenist, vgl. S. 15 f.

  • Astronomie im Weltschpfungs-Epos. 27

    Monaten zu 30 Tagen hatten (selbstverstndlich mit irgendwelcherSchaltungsperiode). Dann muten sie aber auch Klarheit habenber das Verhltnis des Sonnen- und Mondlaufs. Er sprichtferner davon, da der Nibiru festgesetzt wurde. Kosmisch istdas der Himmelspol (s. S. 18), im Kreislauf der Hhepunkt derGestimkreise. Man kannte also die Wendekreise. Er besprichtferner die Phasen des Mondes. Im letzten Stck des Epos greifter ein anderes System heraus, das Nibiru als den Hhepunkteines durch 50 geteilten Kreislaufes ansieht. Wir setzen denText hierher und lassen ihn fr sich selbst sprechen:

    Am Ende der 4. Tafel * zerschlgt Marduk den Leichnam der Timatwie einen Fisch in zwei Tee und wlbt aus beiden Teilen, wie wir nachBerosus und nach dem Sinne des Zusammenhanges ergnzen drfen, denKosmos. Die neue Welt wird aus dem Chaos der alten gebaut. Im ein-zelnen ist uns deshalb vieles unklar, weil die Dichtung gewisse Theorienvoraussetzt, nach der Timat einmal als Urchaos, ein andermal als mytho-logisierter Teil des Kosmos gilt.

    Die Hlfte von ihr stellte er auf und machte sie zum Himmels-dach 2,

    zog einen parku vor (Schranke, Riegel), stellte Wchter auf,ihr (der oberen Hlfte) Wasser nicht herauszulassen, befahl er

    ihnen ^;den (ebengeschilderten) Himmel grndete er als Gegenstck zur

    untern Welt,stellte ihn gegenber dem Ozean, der Wohnung des Ea.Dann ma der Herr die Gestalt des Ozeans,und als einen Grobau errichtete er nach seinem Muster E-sarra,

    ^) Zum folgenden s. Jensen, Keinschr. Bibl. VI, 30 ff.; ferner denVersuch einer astronomischen Analyse bei Jeremias, ATAO^ 136. 27. 103;Winckler in AO VIH, 1, S. 32 ff.

    2) Am Nordpol liegt der Drache, a draconis war 3000 v. Chr. Polar-stern, zwischen groem und kleinem Br liegend. Der Pol des Himmelswandert im Kreis entsprechend der Przession. Jetzt liegt er bekannt-lich im Gebiet des kleinen Bren, 14000 n. Chr. wird er sich mit Wegadecken. Also in der Zeit des alten Babylons lag der Drache innerhalbdes Polarkreises. Marduk versetzte die Hlfte des Timat an den Nord-himmel.

    3) Ich kann das nur auf den Tierkreis beziehen, der, kosmisch beur-teilt, die Wasser des Himmelsozeans abgrenzt. Die Tierkreisbder hieennach Sanchuniathon Zophasemim, Beschauer, Wchter des Himmels (s.ATA02 142).

  • 28 Astronomie im Weltschpfungs-Epos.

    den Grobau E-sarra (Gtterwohnung), den er als Himmelbaute,

    (und in dem er) Anu, Bei, Ea ihre Wohnsitze einnehmen lie.

    Die 5. Tafel fhrt direkt fort:

    Er machte die Standrter fr die groen Gtter,Sterne, ihnen gleich, stellte er als Masigestirne auf.Er bestimmte das Jahr, bezeichnete die Grenzen;zwlf Monate, als Sterne in 3 Abteilungen, setzte er fest i,

    nach den Tagen des Jahres setzte er feste Abschnitte.Er errichtete den Standort des Nibiru fest 2, um zu kenn-

    zeichnen ihr Verknotung.Damit keines (der Gestirne) fehl ginge, setzte er den Standort

    des Bei und Ea zugleich mit ihm fest.

    Den (Neu)mond lie er aufleuchten, damit er die Nacht erleuchte,er bestimmte ihn als Nachtkrper, um die Tage zu bezeichnen;monatsweise, unaufhrlich, aus der (dunklen) Mondscheibe

    geh heraus,um am Beginn des Monats wieder aufzuleuchten im Lande,strahle mit den Hrnern, zu bestimmen 6 Tage^;am 7. Tage sei die Mondscheibe halb,am 14. sollst du erreichen (?) die Hlfte (des Laufes) all-

    monatlich ^.Wenn die Sonne am Grunde des Himmels dich sieht,

    , leuchte hinter ihr^,

    [Am 21. Tage] nhere dich dem Wege der Sonne,

    1) Es sind doch wohl die 36 Dekane gemeint (vgl. Diodor II, 30).2) Auf jeden Fall Sitz des summus deus. Auf der 50. Tafel ist der

    hchste Ehrenname Marduks:Nibiru, der in der Mitte steht,der Gestirne des Himmels Pfade soll er bewachen,wie Schafe weiden die Gtter alle.

    Zu Nibiru als Nordpol s. S. 27.

    3) Am 7. Tage ist Halbmond, da sind die Homer verschwunden.*) Vollmond, die Hlfte des monatlichen Laufes, babylonisch sapattu.

    5) Von Vollmond an steht die Sonne unter dem Horizont, wenn derMond aufgeht, beleuchtet also seine rckwi-tige Seite.

  • Beobachtung des Tierkreises. 29

    [am 27. bzw. 28.] sollst du mit der Sonne zusammentreffen,mit ihr gleichstehen (?) ^".

    Wir mssen uns vorlufig mit diesen Kostproben alter baby-lonischer Astronomenweisheit begngen und mssen im brigenzur Widerlegung des Kuglerschen Verdikts indirekte Zeugnisseherbeiholen.

    Wir wollen versuchen, zunchst rein a priori uns eineVorstellung zu bilden von den Voraussetzungen und Mglich-keiten astronomischer Beobachtungen unter altorientalischenKulturverhltnissen. Der Astronom Schiaparelli ^ sagt:

    Die Verbindung der Sonne und des Mondes, zweier Gestirne vonsolcber Lichtstrke und so sichtbarem Durchmesser, mit den fnf sovielkleineren Planeten (Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn) ist nicht derart,da man sie von der primitiven Kosmographie erwarten knnte. Umihren gemeinsamen Charakter, der in der periodischen Bewegung inner-halb des Tierkreisstreifens besteht, zu erkennen, ist ein genaues und ziem-lich langes Studium ntig. Man mu auch erkannt haben, da Merkurund Venus als Morgensterne dasselbe sind wie Merkur und Venus alsAbendsterne."

    Wenn mit diesem Satze den alten Babyloniern die Kenntnisder Planetenlaufbahn abgesprochen werden soll (Schiaparelli sagt:alles dies scheint den Babyloniern wenigstens in den letztenJahrhunderten vor Cyrus bekannt gewesen zu sein) 3, so wrdedas auf der irrigen Auffassung beruhen, als ob es sich in irgend-einer durch Urkunden bezeugten Zeit Babyloniens noch umprimitive Kosmographie" handeln knnte. Was Venus anlangt,so knnte vielleicht jemand den Versuch machen wollen, ausIII R 53, 30^ f. zu schlieen , da man Abendstem und Morgen-stern gelegentlich fr zwei Sterne gehalten hat. Aber dieseDifferenzierung gehrt sicher nur der Mythologie an (mnnlichund weiblich). Astronomisch erscheint der eine achtstrahligeVenusstem auf den ltesten babylom'schen Urkunden (z. B. aufder Stele Naramsins) neben Sonne und Mond. Schon die einzig-artig leuchtende Gestalt dieses Gestirnes wird dem Beobachter desHimmels bald gezeigt haben, da es sich um einen Stern han-delt. Nur die Mythologie differenziert Morgen- und Abendstern.

    1) Der Mond verschwindet in der Sonne, er wird Schwarzmond.2) Die Astronomie im Alten Testament, Gieen 1907, S. 107 f.3) In seinem Aufsatz Venusbeobachtungen und Berechnungen der

    Babylonier" im Weltall" 1907 vertritt Schiaparelli die gleiche Anschauungwie F. X. Kugler in bezug auf das Alter der babylonischen Astronomie.

  • 30 Beobachtung des Tierkreises.

    Istar sereti verkndigt als Venus -Morgenstern das neue Leben.Venus-Abendstern ist die in die Unterwelt sinkende Gttin, dievon ihrem Gemahl, dem Sonnengott, heraufgefhrt wird. Schwie-riger knnte die Sache bei Merkur erscheinen. Kopernikus sollvor seinem Tode geweint haben, weil er nie den Merkur gesehenhabe. An unserm wrigen Horizont, ber den sich Merkur nurwenig erhebt, ist er fast immer in den Sonnenstrahlen verschwunden.Aber im Orient ist er sehr deutlich zu sehen als Begleiter derSonne. Die Bezeichnung des Merkur als Nabu, d. h. als Ver-knder, charakterisiert ihn deutlich als Morgenstern. Und seineVerbindung mit dem Herbstpunkt (V R 46, 38 a, b wird Nabumit dem Steinbock verbunden) hat ihre natrliche Entsprechung"in der Rolle, die Merkur als in die Unterwelt sinkender Abend-stern hat.

    Diodor sagt (II, 30): ber die Gestirne haben die Chalderseit langer Zeit Beobachtungen gemacht, und niemand hat ge-nauer als sie die Bewegungen und die Krfte der einzelnenSterne erforscht." Die aufflligste Erscheinung fr jeden stndigenBeobachter des Himmels ist die Tatsache, da Mond und Sonneund sodann noch einige auffallend groe Sterne am Himmelwandeln, whrend alle brigen Sterne festzustehen und indieser feststehenden Ordnung um einen feststehenden Pol sich zudrehen scheinen. Natrlich setzt auch die Erkenntnis dieserelementarsten Dinge genaue und fortgehende Beobachtung voraus.Wir Nordlnder haben selten klaren Sternhimmel; unsre klima-tischen Verhltnisse weisen uns auch nicht wie den Bewohnerder sdlichen Lnder auf die Nchte als Zeit der Erholung undNaturbeobachtung. Es gibt unter uns genug gebildete" Menschen,die von der scheinbaren Drehung des Himmelsgewlbes keinerechte Vorstellung haben; und wie viele mag es wohl geben,die auch nur einmal etwa den Monduntergang beobachtethaben. Auch ist nicht zu vergessen, da der Orientale auf demSller seines Hauses oder als Priester auf dem Tempelturmeinen feststehenden Beobachtungspunkt hatte, der ihm die ncht-lichen Beobachtungen aufdrngte. Wer im Orient, in den Ur-sprungslndern der groen Weltreligionen, einmal die Prachtund Klarheit des gestirnten Himmels gesehen hat, wird nichtfr mglich halten, da Menschen in irgendeiner Zeit ihre religisenGedanken von den Erscheinungen des gestirnten Himmels httenloslsen knnen. Die religionsgeschichtlichen Axiome, die Tote-

  • Beobachtung des Tierkreises. 31

    mismus, Fetischismus, Animismus als Wurzeln der Religionausgeben, in dem sie Krankheitserscheinungen der Reli-gion mit Religion verwechseln, mten allein an dieser psycho-logischen Tatsache zu schnden werden!

    Die Beobachtung des Tierkreises als einer Strae am Himmel,deren Breite etwa den 9. Teil der Ausdehnung des Himmels-gewlbes (von Horizont zu Horizont gerechnet) entspricht, ruhtschlielich auf sehr einfachen Beobachtungen. Wir knnendurchaus nicht zugeben, da die Erkenntnis dieser gemeinsamenBahn fr Sonne, Mond und die 5 brigen fr das bloe Augesichtbaren Planeten erst in spterer Zeit mglich war.

    Wenn im Orient ein Beobachter allabendlich von seinem Stand-ort um die gleiche Zeit den Horizont an dem Punkte beobachtet,wo die Sonne untergegangen ist, so sieht er, da jeden Abenddie himmlische Szenerie wechselt. Da die sdlichen Lnder nureine kurze Dmmerung haben, ist die Beobachtung geradezuzwingend. Die Sonne geht unter. Kurze Zeit darauf leuchtendie Sterne auf. Da der gestirnte Himmel eine groe Reiheaufflliger Sternkombinationen zeigt, die sich die Phantasieleicht als Bilder ausmalt, so wird eine fortgehende durch Jahregebte Beobachtung bald herausbringen, da es sich um einenbestimmten Grtel von Gestirnen und Sternkombinationen amHimmel handelt, der fr das Auge am Punkte des Sonnenunter-gangs allmhlich vorberzieht. Die gleiche Erscheinung zeigtdie Gegend am stlichen Horizont, bei Beobachtung des Sonnen-aufgangs. Auch die nchtliche Beobachtung des Ortes am Himmel,wo die Sonne am Tage ihren Hhepunkt hatte, zeigt dieselbeParade gewisser Fixsterne.

    Es liegt nahe anzunehmen, da im Orient die Mondbeob-achtungen fr die Entstehung der Astronomie noch entscheidenderwaren, als die Sonnenbeobachtungen. Das Resultat ist dasselbe,nur da die Beobachtung wegen der Unregelmigkeit der Auf-gangs- und ntergangszeiten schwieriger ist, als die Beobachtungder Tag und Nacht regulierenden Sonne. Wer aber den Mond-aufgang und Untergang beobachtet, der sah, da in je 28 Tagendas gleiche Fixstemband am Aufgangs- und am Untergangs-punkte des Mondes vorberzieht, weshalb die Mondstationenebenso aufgestellt wurden wie die 12 Tierkreisbilder. Und werdann die Sonnenbeobachtungen hinzunahm, der konnte leichterkennen, da es sich in allen Fllen um annhernd die gleiche

  • 32 Beobachtung des Tierkreises.

    Fixsternbahn handelt einmal mit 12 und einmal mit 28 Husern.Das heit also: Sonne und Mond wandeln auf einer bestimmtenStrae am Himmel.

    Auf der gleichen Strae zeigen sich dem Beobachter aberauch einige besondere helleuchtende, am Fixsternhimmel wan-delnde Sterne. Einer dieser Sterne leuchtet oft aus der Abend-dmmerung zuallererst auf, und regelmig folgt er dann baldder untergegangenen Sonne am westlichen Horizont. DerselbeStern^ unverkennbar durch Farbe und Glanz, in der Gesamtlicht-wirkung der hellste Stern am Himmel, erscheint an andern Tagennoch in der Morgendmmerung als Verknder der aufgehendenSonne. Auffllig ist an ihm bei der klaren Luft des Orientsauerdem, da er Phasenerscheinungen zeigt, gleich dem Monde.

    Diese Beobachtungen ergeben freilich noch nicht ohneweiteres, da es sich um Kreislinien handelt. Nur der tg-liche Lauf der Sonne zeigt dies ohne weiteres^. Die Sonnenstraeheit im Epos von der Weltschpfung wie in den Texten derBibliothek Asurbanipals ^arran samsi Weg der Sonne" 2. Daaber die jhrliche Bewegung der Sonne, der Lauf des Mondesund der Planeten, die gleiche Kreislinie beschreibt, war freilichnicht ohne weiteres zu erkennen. Nur da es sich um einenGrtel handelt, geht daraus hervor, da die Sterngruppen an-

    einander liegen und in sich zurckgehen. Der jhrliche Laufder Sonne erscheint dem tglichen Beobachter als ein Wandel aufeiner auf und ab steigenden (eckigen) Spirale, die am lngstenTage die grte Windung zeigt. Dasselbe besttigt das Gnomon^Man sieht am Schatten des Gnomon, da die Sonne Kreise be-schreibt. Beides kombiniert, ergibt die Vorstellung eines Berges,

    auf den eine Spirale hinauffhrt und wieder herab.Dasselbe Bild ergibt die Beobachtung des Mondlaufs. Venus

    1) Der Himmel selbst wurde als flaches Dach gedacht (vgl. die gyp-tische Hieroglyphe fr Himmel), viereckig mit Weltsulen als Trger, wievon Oefele aus der Horoskop-Zeichnung erwiesen hat.

    2) Spter K XX (Sonnenzahl) oder EI-AN-UT (= kakkar asar subatgamsi).

    3) Da die alte Zeit das Gnomon kannte (vertikale Sule auf hori-zontaler Ebene zur Feststellung einer exakten Ost-Westlinie) hlt auchGinzel a. a, 0. S. 14, Anm. 2, fr sicher. Herod. H, 109 sagt brigens: nbXov

    (Sonnenuhr?) xal yvixova xal r SvujdExa fxeQsa xf^q fjfxsgag naQO. Bav-Xcovicov sfiad-ov oV'ElXtjveg.

  • Tierkreis und Himmelsquator. 33

    und Merkur teilen das Geschick der Sonne, als deren Trabantensie erscheinen. Bei Jupiter, Mars, Saturn ergibt sich das gleiche,nur da die langsame Bewegung und die Schleifen und Schlingendie Beobachtung erschweren. Auf die Erde bezogen zeigt sichhier Epicyclen-Bewegung.

    Entsprechen etwa dieser einfachen Beobaclitung die Stufentrme,deren kosmischer Charakter auer Zweifel steht, wie schon ihre Namen inaltbabylonischer Zeit bezeugen (Tempel der 50; Ur-imin-an-H usw. Weremporsteigt, tut ein Gott wohlgeJliges Werk", sagen die ltesten Texte)?Der Aufgang war sicherlich spiralfrmig (Stufen wren fr den gewhn-lichen Gebrauch viel zu steil gewesen), und zwar eckige Spiralen (wiebeim alten Markusturm in Venedig).

    Da diese scheinbare Spiralbewegung in Wirklichkeit Kreisbahnenentspricht, ergab sich, sobald man die tglichen Orte der wandernden Ge-stirne aufzeichnete. Und da die znftigen Beobachter schon in derltesten uns bekannten Zeit Aufzeichnungen gemacht haben, nimmt Kuglera. a. 0. selbst an.

    Man hat nun neuerdings gesagt, man habe diese Kreislinienin lterer Zeit nicht auf die Ekliptik, sondern auf den quatordes Himmels bezogen, der aus dem tglichen Umschwung desHimmels schon sehr frh erkannt werden konnte. Der AstronomRedlich^ hat versucht, die Bilder der Grenzsteine, die sicher

    Himmelsbilder sind, aber nur teilweise zu dem bekannten baby-lonischen Tierkreis stimmen, mit Bildern des Himmelsquatorszu erklren. Dieser quator wrde dem grten Kreis ent-sprechen, den die Fixstembewegung mit ihren parallel um denNordpunkt des Himmels laufenden Kreisen zeigt. Die Beziehungsmtlicher Bewegungen auf den Nordpol ist allerdings fr Baby-lonien sehr einleuchtend, besonders wenn die Erklrung desZeichens fr Gott tK- als Nordpol mit dem Meridian (S. 18) sichbewhrt. Der Frhlings- und Herbstpunkt (Schnittpunkt zwischenquator und Ekliptik) bleibt dabei derselbe. Bei Beziehungder Bewegung auf den Nordpol erscheint dann der jhrlicheLauf der Sonne und der monatliche Lauf des Mondes als Hinauf-und Hinabsteigen zwischen Berg und Tal an der Himmelsflche.

    Kosmisch festgelegt wrde das die Vorstellung eines Berges mit zweiGipfeln erklren ; der eine zeigt die Kulminationen (Herrschaftspunkt baby-lonisch gedacht) der Sonne, der andere die des Mondes an. Ist das dieGrundlage fr die Vorstellung des Weltberges, dessen Gipfel den Nord-punkt und den Sdpunkt, bezw. Ost- und Westpunkt des Weltalls dar-

    1) Globus 1903, Nr. 23 f.; vgl. Ginzel a. a. 0. 79.Im Kampfe. 3.

  • 34 Tierkreis und Himmelsquator.

    stellen? Vgl. ATAO^ 22 und die dort zitierte Literatur; vgl. auch S. 8 dieWiderlegung des BoUsclien Einwandes. Nimmt man zu diesem Bd vonBerg und Tal, das der jhrliclie Sonnen- und Mondlauf ergibt, die tg-liche Bewegung der Sonne Mnzu, so hat man plastisch die Vorstellungvom spiralfrmigen Hinaufgehen auf den Berg. Das wrde die Verbindungmit dem oben besprochenen kosmischen Stufenturm herstellen. Der Stufen-turm entspricht in der Tat dem Weltberg.

    Wenn aber fr die volkstmliche Anschauung der Kreisder Gestirnbahnen auf den quator bezogen vfurde, so mssendoch die Gelehrten es auf jedem Fall verstanden haben, dieProjektionen dieser Kreislinie auf die wirkliche Ekliptik zubertragen. Wird doch auch bei unserer heutigen Bestimmungdes Planetenlaufs die Gestirnbahn zunchst praktisch auf denquator bezogen (die meisten Fernrohre stehen quatorial) unddann erst auf die Ekliptik umgerechnet. Da das dann ge-schehen sein mu, beweist das gesamte astrale Gttersystem, dasdie Offenbarung der gttlichen Macht gerade von den Vernde-rungen ableitet, wie sie die Stellung der auf dem Tierkreisund nicht auf dem quator wandelnden Planeten zum Aus-druck bringt.

    Alter und Einteilung des Tierkreises.

    In der Mythologisierung der babylonischen Lehre erscheinendie Tierkreisbilder als die Helfer der Gottheit, die nach demKampf mit dem Herrn des vorangegangenen on die Welt-geschicke leitet, hingegen wurden die Tierkreis zeichen als dieThrone oder Huser (Standorte) der groen Gtter (vgl. S. 38)aufgefat und zugleich als Monatsgtter. Beides geht aus demWeltschpfungs-Epos hervor.

    ber die Welt, die der von Marduk beherrschten ra vor-ausgeht, herrscht Timat bez. ihr Gemahl Kingu. Die Un-geheuer, die sie geboren" hat, entsprechen den Tierkreisbildernihrer Welt: basmu, wtende Schlange, la^amu, Riese umu,(zwei) wtende Hunde, Skorpionmensch, (zwei) hetzende umu,Fischmensch, Widder, insgesamt 11 an Zahl"^ Bei Berosuswurden andere Fabeltiere genannt, ber die Omorka (chaldischtamat", sagt Berosus) herrscht und deren Bilder im Marduk-

    1) Der 12. ist vielleicht Kingu; aber das Fehlen des 12. ist auch da-mit zu erklren, da das 12. Bild von der Sonne bedeckt ist; Kingu istHerr der XI, wie spter Marduk.

  • Der babylonische Tierkreis. 35

    Tempel zu Babylon (als Siegestrophen) zu sehen seien. DiesenTierkreisbildem entsprachen in der Neuschpfung Marduks dieSternbilder, die er bei Erschaffung des Himmels als Wchter"hinstellt (s. S. 27).

    Die Namen der babylonischen Tierkreiszeichen, wie sie dieGriechen von den Babyloniem bernommen haben, sind uns ingeschlossener Reihe erst aus neubabylonischer Zeit berliefert.Eine Lehrtafel (Kugler, Tafel 11) fhrt die 5 Planeten auf, die12 Tierkreiszeichen, die Positionen der Planeten in der Ekliptik.Die Namen der Tierkreiszeichen lauten hier:

    ku[sarikku] = ariesmulmullu = taurustume = gemininangaru

  • 36 Tierkreis im Stierzeitalter entstanden.

    Beweise fr die Verschiebung der Tagesgleiche innerhalb derGltigkeitsdauer unseres Tierkreises. Denn nur bei Stierrechnung bez.Zwillingsrechnung gehrt der Widder zur Wasserregion, zum Reiche Eas(vgl. zur Przession S. 47 ff.).

    2. Der Hauptstern im Lwen heit babylonisch sarru (Knig)== regulus. Diese Benennung hat nur Sinn fr die Zeit, in derder Lwe" eine herrschende Stellung am Himmel einnahm,die Stellung als Sommersonnenwende-Sternbild. Das war inder Zeit, in der der Stier Frhjahrssternbild war^

    3. Die Venus, die mit Jungfrau" identifiziert wird, begehrtim Astralmythus (IVR 5) Himmelsknigin" zu werden. Im Zwil-lingszeitalter ist die Jungfrau Sommersonnenwende-Sternbild. Da-durch erklrt sich auch der Sinn des Dioskurenmythus als Inau-gurierung des neuen Zeitalters. Die Dioskuren rchen die Jung-frau, die geschndete Schwester 2.

    4. Der Skorpionmensch (Schtze und Skorpion in einemBilde, s. S. 37 f.) ist nach dem Gilgames-Epos Wchter der Unter-welt. Das trifft zu fr das Stierzeitalter; wenn der Stier Frh-lingssternbild ist, ist der Schtze bez. Skorpion Herbststernbild(Unterwelt = Winter bez. Wasserregion, s. S. 8). (Die Wageals Zeichen des Niederganges zur Unterwelt, stimmt hingegenzum Widder als Frhlingszeichen.)

    Urkundliche Spuren der Tierkreisbilder in altbabylonischerZeit finden sich ferner auf folgenden Gebieten:

    1. Auf dem Stcke der V. Tafel des Weltschpfungs-Epos,das ber den Weltenbau berichtet (S. 27 f). In einem anderenBericht, der sich zweisprachig" in der Bibliothek Asurbanipals

    fand und sicher aus alter Zeit stammt, erscheint der Bau derhimmlischen Welt als eine Dammaufschttung am Himmels-ozean, auf der die Gtter ihre Wohnungen bekommen^.

    2. In den Bildern der sog. Grenzsteine, die etwa bis 1300V. Chr. zurckgehen, und die neben den Husern" Tiergestaltenzeigen, regelmig beherrscht von Sonne, Mond, Venus und viel-leicht auch durch die in Rosetten symbolisierten brigen 4 Pla-neten. Hommel hat bekanntlich die Identifizierung smtlicher

    1) Wenn im Stierzeitalter in der Tag- und Nachtgleiche die Sonneim Stier aufging, stand bei Sonnenuntergang der Lwe in Kulmination.

    2) Travestie des Hochzeitsmotivs in der Sommersonnenwende.3) S. die Analyse des Textes ATAO2 130; dieser Vorstellung wrde

    der kosmische Name des Tierkreises upuk same entsprechen.

  • Gilgames-Epos und Tierkreis. 37

    Tierkreisbilder mit diesen Grenzsteinfiguren in scharfsinnigenUntersuchungen herzustellen versuchte Sicher gelungen ist esnur fr einige. Redlich hat a. a. 0. die Grenzsteinbilder mitden Sternbildern des Himmelsquators zu reimen versucht, dieja in zwei Punkten mit den Bildern der Ekliptik zusammen-treffen muten (vgl. S. 33). Beide Kombinationen machen wahr-scheinlich, da die Zwillinge (Stab mit Zwillingskpfen), der Stier(durch das Plejadenzeichen vertreten), der Widder^, die Fische(durch eine Gruppe des Sternbildes, das sich als Widderge-hrn kennzeichnet, vertreten), die Jungfrau (ihrem Namen ser uentsprechend durch die hre vertreten), der Skorpion, Schtze,Steinbock (Ziegenfisch), auf den Grenzsteinen vertreten sind^.

    3. Das Zwlftafelepos von Gilgames und Eabani, dessenExistenz fr mindestens 2000 v. Chr. feststeht*. Auf einenZusammenhang mit dem Tierkreis weist schon die Zwlfzahlder Tafeln und der Gesamtcharakter der Dichtung, dessen Pointein der Fahrt zur Unterwelt und Emporsteigen aus der Unterweltliegt, was einer Wanderung durch den Tierkreis entsprechenwrde, ebenso wie die Irrfahrten des Odysseus in den zwlfGesngen des griechischen Epos. Seit Rawlinson vermutet maneinen Zusammenhang einzelner Tafeln mit dem Jahreslauf derSonne. Man erinnerte an den Dioskurencharakter des Gilgamesund Eabani von der 2. Tafel an, an den Skorpionmenschen(bez. Skorpion und Schtze) der 9. Tafel, an den etwaigenZusammenhang zwischen dem Sintflutheros der 10. und 11. Tafelund dem Wassermann. Jensen sieht in den Wegen und Reisendes Gilgames ein Spiegelbild des tglichen Sonnenlaufs, abervor allem hat er mit neuen gewichtigen Grnden die Beweisedafr beigebracht, da zwischen dem Epos und dem jhrKchenSonnenlauf innige Beziehungen bestehen" und zwar so, daTierkreis als Sonnenbahn und Gilgames-Epos ,restlos ineinander

    1) Zuletzt Grundr. 227, Anm. 1, und 239.2) Zum Widder" als ursprnglichem Wassertier s, oben S. 35 f.3) Schiaparelli, Die Astronomie im Alten Testament, S. 78f.: In einigen

    Fllen haben wir vollkommene Identitt mit den Bildern der griechischenund noch mehr der sog. barbarischen Sphra: Skorpion, Steinbock (Ziegen-bock mit Fischschwanz), Schtze (Zentaur mit Bogen und Skorpionschwanz).

    *) Vergl. mein Izdubar-Nimrod, Leipzig, B. G. Teubner 1891 ; Kugler,Die Sternenfahrt des Gilgames, Stimmen aus Maria Laach 1904, Heft 4und 5; Jensen, Das Gilgamesch-Epos in der Weltliteratur 1, 77 ff.

  • 38 Einteilung des Tierkreises.

    aufgehn*. Die Wanderungen stellen somit eine Kombination vonTages- und Jahreskreislauf der Sonne dar. Die Tierkreisbilder, derenNamen dann durch das Epos fr den Anfang des 3. Jahrtausends(mindestens) bezeugt sind, sind Widder (?), Stier, Zwillinge, Skorpion,vielleicht auch Lwe. Femer ist nach Jensens Untersuchungenfr diese Zeit durch das Epos besttigt die Feststellung derzwei Kehrpunkte des Sonnenjahrs, femer die Beobachtungdes heliakischen Aufgangs und Untergangs hervorragender Ge-stirne, die Verbindung des Sirius mit den Erscheinungen desJahreskreislaufs, die Hervorhebung des Lanzen- und Bogen-sternes wie im Schpfungsepos und viele astronomische Beobach-tungen. Der Erklrer des Gilgames-Epos bedarf der Beihilfedes Astronomen, die Schpfer des Gilgames-Epos waren vertrautmit Astronomie mindestens am Ende des 3. Jahrtausends.Und der Zeit vorher, der Zeit der Gudea und Sargon undder fr uns prhistorischen Sumererzeit, wird es erst recht nichtan Astronomie gefehlt haben.

    Das praktische Interesse der Himmelsbeobachtung, dieeinerseits in den Gestirnen die Zeitmesser erkannte und anderer-seits das Geschick der Welt und des Menschen aus dem gestirntenHimmel ablesen wollte, bedurfte nun ferner einer Einteilungder Sonnen-, Mond- und Planetenbahn; denn nur mit Hilfeeiner Einteilung des Grtels konnte man die Meridiandurchgngeder Circumpolarsterne und ihre Stellung zu Sonne, Mond etc.feststellen. Ginzel sagt a. a. 0.: Zur Charakterisierung derEkliptik wurden die Sternbilder Widder, Fische usw. erst sptererhoben, als man an die Zwlfteilung schritt." Wir werdenhernach zeigen, da die Zwlfteilung des Kreises bereits fr dieltesten urkundlich bezeugten Zeiten Babyloniens sich nachweisenlt. Es handelt sich hier allerdings zunchst um die Teilungder Sonnenbahn in 12 Huser (oder Throne, wie die Inschriftenauch sagen), die mit den Tierkreiszeichen nicht verwechselt werdendrfen. Da die Tierkreisbilder von Anfang an mit der Zwlf-teilung zusammen hngen, bezweifeln auch wir; denn die Zahlder Bilder schwankt, Schtze und Steinbock z. B. bildeten einmalein Tierkreisbild 1 und die Bilder selbst sind verschieden lang.Man wird als Anhaltepunkt fr die Einteilung zunchst einzelnehervorragende Sterne ins Auge gefat haben, deren heliakischer

    1) S. mein Izdubar-Nimrod.

  • Sonnenhuser und Mondstationen. 39

    Aufgang, d. h. deren erstes Wiedererscheinen in der Abend-dmmerung, nachdem sie fr lngere Zeit im Tageslicht ver-schwunden waren, beobachtet wurde i. Dann wurden gewisseauffllige Sternkombinationen zu Bildern gestaltet.

    Durch Sonnenhuser und Tierkreisbilder reist die Sonne in365 V4 Tagen. Da bei ihrem Lauf der Sternhimmel verschwindet,konnte man ihren Weg nicht direkt verfolgen. Aber der Voll-mond, der Sonne Gregenbild, ersetzt diesen Mangel. Der Voll-mond rckt nach je 30 Tagen um ein Zwlftel der Sonnenbahnvor und betritt in seinem Rundgang die 12 Sonnenhuser. Erselbst braucht 27 V2 Tage, um nach voUem Rundgang den gleichenPlatz am Fixsternhimmel zu erreichen. Das ergibt 27 bez.

    28 Mondstationen. Kugler hat in seinem Buche ber die baby-lonische Mondrechnung den Zusammenhang der griechischen,chinesischen und indischen Astronomie in der Zhlung der 27bez. 28 Mondstationen verfolgt. Da es bisher trotz Eppingsund Hommels Bemhungen noch nicht gelungen ist, die baby-lonischen Mondstationen urkundlich endgltig nachzuweisen, liegtan dem zuflligen Stand des Ausgrabungsmaterials.

    Als Ausgangspunkt des Mondlaufs galt wenigstens in einemfr die Hammurabizeit also fr Babylon bezeugten System (s. S. 28)der Neumond, als Hhepunkt der Vollmond. Ist der Mondvoll, so steht er der Sonne gegenber. In Verbindung mit demSonnenlauf ergibt die Beobachtung des Vollmondes die vierkritischen Punkte ^r Die beiden Punkte in der Nhe der Tag-und Nachtgleiche, in der Sonnenaufgang und VoUmonduntergangund umgekehrt Sonnenuntergang und Vollmondaufgang zugleicheintreten, und die beiden Punkte in der Nhe der Sonnenwenden,bei denen der Vollmond seinen hchsten Stand am Himmel hat,wenn die Sonne am tiefsten steht, und andererseits der Vollmondseinen tiefsten Stand am Himmel, wenn die Sonne ihren hchstenStand hat^

    1) Kugler hat aus sptbabylonischen Texten 33 Nonnalsterne nach-gewiesen. Im Wassermann und in den Fischen fehlen sie; denn die Regen-zeit, in der die Sonne in Babylonien in diesem Zeichen steht, lt dieBeobachtung der heliakischen Auf- und Untergnge nicht zu.

    2) Berosus nennt, indem er den Kreislauf mit dem Widder beginnt(vgl. S. 51, Anm. 2), Krebs und Steinbock die magebenden" Tierki-eis-zeichen, weil in ihnen die Wendepunkte (momenta) des Jahres liegen.

    3) Ein