Das arterielle Ulcus cruris – Diagnostik und Therapie · Das arterielle Ulcus cruris –...

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Das arterielle Ulcus cruris – Diagnostik und Therapie Das Ulcus cruris ist ein chronisches Krankheitsbild, das sowohl für den Betroffenen als auch für das Gesundheitssystem eine große Belastung bedeutet. Abgesehen vom Leidensdruck und der Infektionsgefahr sowie der Gefahr des Extremitätenverlustes stellt das chronische Ulcus einen beträchtlichen Kostenfaktor dar. Die Diagnostik und Therapie dieses Krankheitsbildes ist eine anspruchsvolle und zeitintensive Aufgabe, die sowohl vom Patienten als auch vom behandelnden Arzt Einsatz und Konsequenz erfordert. Ein Ulcus cruris kann abgesehen von einer arteriellen Durchblutungsstörung unter anderem auch die Folge einer chronisch venösen Insuffizienz sein, verschiedene Formen von Autoimmunerkrankungen kommen differentialdiagnostisch ebenso in Betracht. Im folgenden Artikel wird auf die Form des Ulcus cruris eingegangen, der ätiologisch eine arterielle Durchblutungsstörung im Sinne einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit zu Grunde liegt. Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ist als eine Ausprägung der atherosklerotisch bedingten Herz-Kreislauferkrankungen in der westlichen Welt weit verbreitet. Sie führt zu Stenosen oder Verschlüssen in der arteriellen Strombahn vor allem im Bereich der unteren Extremitäten. Weitere Manifestationen der Atherosklerose sind die koronare Herzerkrankung oder stenosierende Prozesse an den extrakraniellen hirnversorgenden Arterien. Nicht selten treten die einzelnen Krankheitsbilder kombiniert auf. Die Risikofaktoren für die pAVK entsprechen denen der koronaren Herzerkrankung. Nikotinabusus als einer der Hauptfaktoren erhöht das Risiko für eine pAVK dosisabhängig um das Zehnfache. Es wurde nachgewiesen, dass auch Passivrauchen Veränderungen am Endothel als Vorstufe zur pAVK verursacht. Diabetes mellitus erhöht ebenso das Risiko für die Entstehung einer pAVK, wobei beim Diabetiker meist eine Mikroangiopathie im Vordergrund steht. Diabetes mellitus stellt den Hauptgrund für nicht trauma-assoziierte Amputationen dar. Die Hypercholesterinämie und die arterielle Hypertonie tragen ebenso zu Entstehung der Atherosklerose bei. Auch bei Patienten mit einer positiven Familienanamnese für Herzinfarkt oder Schlaganfall besteht ein erhöhtes Risiko für eine pAVK.

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Das arterielle Ulcus cruris – Diagnostik und Therapie

Das Ulcus cruris ist ein chronisches Krankheitsbild, das sowohl für den Betroffenen als auch für das Gesundheitssystem eine große Belastung bedeutet. Abgesehen vom Leidensdruck und der Infektionsgefahr sowie der Gefahr des Extremitätenverlustes stellt das chronische Ulcus einen beträchtlichen Kostenfaktor dar. Die Diagnostik und Therapie dieses Krankheitsbildes ist eine anspruchsvolle und zeitintensive Aufgabe, die sowohl vom Patienten als auch vom behandelnden Arzt Einsatz und Konsequenz erfordert. Ein Ulcus cruris kann abgesehen von einer arteriellen Durchblutungsstörung unter anderem auch die Folge einer chronisch venösen Insuffizienz sein, verschiedene Formen von Autoimmunerkrankungen kommen differentialdiagnostisch ebenso in Betracht. Im folgenden Artikel wird auf die Form des Ulcus cruris eingegangen, der ätiologisch eine arterielle Durchblutungsstörung im Sinne einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit zu Grunde liegt. Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ist als eine Ausprägung der atherosklerotisch bedingten Herz-Kreislauferkrankungen in der westlichen Welt weit verbreitet. Sie führt zu Stenosen oder Verschlüssen in der arteriellen Strombahn vor allem im Bereich der unteren Extremitäten. Weitere Manifestationen der Atherosklerose sind die koronare Herzerkrankung oder stenosierende Prozesse an den extrakraniellen hirnversorgenden Arterien. Nicht selten treten die einzelnen Krankheitsbilder kombiniert auf. Die Risikofaktoren für die pAVK entsprechen denen der koronaren Herzerkrankung. Nikotinabusus als einer der Hauptfaktoren erhöht das Risiko für eine pAVK dosisabhängig um das Zehnfache. Es wurde nachgewiesen, dass auch Passivrauchen Veränderungen am Endothel als Vorstufe zur pAVK verursacht. Diabetes mellitus erhöht ebenso das Risiko für die Entstehung einer pAVK, wobei beim Diabetiker meist eine Mikroangiopathie im Vordergrund steht. Diabetes mellitus stellt den Hauptgrund für nicht trauma-assoziierte Amputationen dar. Die Hypercholesterinämie und die arterielle Hypertonie tragen ebenso zu Entstehung der Atherosklerose bei. Auch bei Patienten mit einer positiven Familienanamnese für Herzinfarkt oder Schlaganfall besteht ein erhöhtes Risiko für eine pAVK.

Abbildung 1: aus ACC/AHA 2005 Guidelines - Risiko für das Auftreten einer pAVK Die Symptomatik der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit reicht von der völligen Beschwerdefreiheit bis zur akuten kritischen Ischämie einer Extremität und der Entstehung von Gewebenekrosen am Boden der Hypoxie. Oft bringt die pAVK in ihrem Krankheitsverlauf auch die Notwendigkeit von Minor- oder Majoramputationen mit sich, wobei Diabetiker ein deutlich höheres Risiko für eine Amputation in ihrem Krankheitsverlauf haben als Nichtdiabetiker. René Fontaine (1899-1979) hat anhand der Symptomatik die pAVK in verschiedene Stadien eingeteilt. Diese Einteilung ist in Europa am gebräuchlichsten. Stadium I: Der Patient leidet an einer pAVK, hat jedoch keinerlei Beschwerden oder Symptome. Stadium IIa: Die schmerzfreie Gehstrecke des Patienten ist claudicatiobedingt eingeschränkt, beträgt jedoch mehr als 200m Stadium IIb: Die schmerzfreie Gehstrecke des Patienten ist claudicatiobedingt eingeschränkt und beträgt weniger als 200m Stadium III: Es bestehen ischämiebedingte Schmerzen in den Extremitäten auch in Ruhe Stadium IV: Es liegen trockene oder feuchte Gewebenekrosen als Folge einer eingeschränkten arteriellen Blutversorgung vor

Die Diagnostik der pAVK umfasst sowohl klinische als auch radiologische Methoden. Die ausführliche Anamnese mit dem Patienten erhebt die Risikofaktoren für eine pAVK, weitere Manifestationen der Arteriosklerose sowie die aktuelle Symptomatik. Die häufig vorliegende und typische Claudicatio intermittens (claudicare: lat. hinken, intermittere: lat. unterbrechen) wird als ziehender, heftiger Schmerz beschrieben, der bei Belastung, zum Beispiel bei schnellem Gehen oder bei bergauf Gehen auftritt und beim Stehenbleiben wieder verschwindet. Ein im Volksmund geläufiger Begriff ist die "Schaufensterkrankheit": Die Betroffenen werden beim Gehen schmerzbedingt nach einer kurzen Gehstrecke immer wieder zum Anhalten gezwungen. Die Schmerzen manifestieren sich eine Etage distal einer Stenose oder eines Verschlusses. So verursacht zum Beispiel ein Verschluss der Arteria femoralis superficialis Beschwerden im Bereich der Wade, es handelt sich um eine sogenannte Wadenclaudicatio. Die klinische Untersuchung umfasst die Inspektion und Palpation des Patienten mit genauem Augenmerk auf die Temperatur der Haut, auf die Zehen und die Zwischenzehenräume, wo sich oft kleinste Ulzerationen finden. Als Basisuntersuchung wird ein Pulsstatus erhoben. Der Pulsstatus umfasst die Pulse in der Leiste (A. femoralis communis), in der Kniekehle (A. poplitea), am Fußrücken (A. dorsalis pedis) und hinter dem Knöchel (A. retromalleolaris). Sind die Fußpulse tastbar, ist das Vorliegen einer schweren pAVK eher unwahrscheinlich. Mit der einfachen Methode des Arm-Bein-Index oder Doppler-Index kann ebenso eine erste Aussage über die Durchblutungssituatuin getroffen werden. Bei dieser Untersuchung wird mittels einer CW-Ultraschallsonde und einer Blutdruckmanschette der Verschlussdruck im Bereich der Knöchelarterien und an den oberen Extremitäten gemessen. Der Quotient aus beiden Werten liegt bei hämodynamisch nicht relevanten Veränderungen bei 1 oder darüber. Ein Wert unter 1 gibt einen Hinweis auf das Vorliegen einer arteriellen Verschlusskrankheit, Werte um 0,5 oder weniger liegen bei schweren Ischämien vor.

Abbildung 2: Dopplerindex Die schmerzfreie Gehstrecke eines Patienten wird idealer Weise unter konstanten und vorgegebenen Bedingungen auf einem Laufband evaluiert. An die klinische Diagnostik schließt die radiologische Diagnostik an. Die Standarduntersuchungen bestehen aus der farbcodierten Duplexsonographie und der MRT- bzw. CT Angiographie. Die Sonographie gibt Auskunft über die Morphologie der Gefäße und das Vorliegen von Stenosen oder Verschlüssen, wobei durch die gemessene Strömungsbeschleunigung auch eine Aussage über die hämodynamische Relevanz einer Stenose getroffen werden kann. Die Schnittbildverfahren mit Rekonstruktionsmöglichkeit haben die früher gebräuchliche konventionelle Angiographie abgelöst. Für spezielle Fragestellungen kommt die konventionelle Angiographie noch in Form einer Nadelangiographie zum Einsatz.

Abb. 3 MR Angiographie - Verschluss der A. femoralis superficialis links

Abb. 4 pAVK im Stadium IV - infiziertes Ulcus cruris

Für die Therapie der Durchblutungsstörung ist das Stadium der Erkrankung ausschlaggebend. Prinzipiell ist bei allen Betroffenen auf eine strenge Kontrolle beziehungsweise Minimierung der Risikofaktoren Wert zu legen. Allen voran steht die Nikotinkarenz. Die schädlichen Auswirkungen des Rauchens sind reversibel, wobei das kardiovaskuläre Risiko in den ersten zwei Jahren nach dem Aufhören bereits erheblich zurückgeht. (Erhardt L., Atherosclerosis, July 2009). Die optimale Einstellung der Stoffwechselparameter sowie einer arteriellen Hypertonie gehören ebenso zur konservativen Therapie einer Durchblutungsstörung wie körperliche Betätigung im Sinne von standardisiertem Gehtraining. Neben der entsprechenden stoffwechselorientierten Ernährung ist bei allen Patienten, die von einer pAVK betroffen sind, eine medikamentöse Therapie mit HMGCoA-Hemmern (Statinen) indiziert. Der Zielwert für das LDL-Cholesterin beträgt hier idealer Weise 100mg/dl oder weniger. Bei der Behandlung der arteriellen Hypertonie sind beim Nichtdiabetiker Werte bis 140/90mmHg wünschenswert, beim Diabetiker Werte bis 130/80mmgHg. Dadurch wird auch das Risiko für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall gesenkt und die kardiovaskuläre Mortalität reduziert. Betablocker sind hier potente Antihypertensiva und haben keine Kontraindikation in der Behandlung von Patienten mit einer pAVK. Beim Diabetiker sollte ein HbA1c Wert von maximal 7 angestrebt werden. Einen großen Stellenwert in der konservativen medikamentösen Therapie der pAVK haben plättchenhemmende Substanzen wie Acetylsalicylsäure und Clopidogrel. Als Standardtherapie wird beim pAVK Patienten Acetylsalicylsäure in einer Tagesdosis von 100mg empfohlen, um das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall zu senken und die Mortalität durch Herz-Kreislauferkrankungen zu vermindern. Als Alternative kommt Clopidogrel mit einer Dosierung von 75mg einmal täglich zur Anwendung. Eine Infusionstherapie mit Prostaglandinderivaten kann im fortgeschrittenen Stadium III oder IV der arteriellen Verschlusskrankheit den Ruheschmerz lindern, die Abheilung von Läsionen begünstigen, die Erkrankung in ein niedrigeres Stadium zurück führen und die Amputationsrate senken. Prostavasin™ beispielsweise wird dem Patienten in einer Tagesdosierung von 2x40μg oder 1x60μg über jeweils 3 Stunden verabreicht, die Behandlung kann auch ambulant durchgeführt werden. Die optimale Dauer einer Infusionskur beträgt 21 Tage, die Wirkung der Infusionen hält nach Ende der Behandlung über längere Zeit an. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz ist Prostavasin allerdings mit Vorsicht anzuwenden. Neben den konservativen Therapiestrategien bieten die Gefäßchirurgie und die interventionelle Radiologie die Möglichkeit zur Revaskularisation einer mangelhaft durchbluteten Extremität. Durch die perkutane transluminale Angioplastie (PTA) mit oder ohne Stentimplantation können Stenosen und kurzstreckige Verschlüsse im Gefäßsystem mittels Ballondilatation wieder eröffnet werden. Die PTA wird ohne Narkose durchgeführt und erfordert nur einen kurzen stationären Aufenthalt. Längerstreckige oder stark verkalkte Verschlüsse werden durch die verschiedenen Bypassoperationen überbrückt. Als Material für die Bypassanlage werden entweder vorgefertigte Gefäßprothesen aus Dacron und PTFE oder körpereigene Venen, meistens die ipsilaterale Vena saphena magna, verwendet. Das operative Risiko ist für Patienten mit pAVK aufgrund der oft bestehenden kardiovaskulären Komorbidität erhöht.

Die Behandlungsstrategie beim arteriellen Ulcus cruris umfasst die gesamte klinische und radiologische Diagnostik. Da im Bereich des Ulcus ein Hautdefekt besteht, findet man in den meisten Fällen eine polymikrobielle Besiedelung der Wunde. Die Anwesenheit von Bakterien und die fehlende Hautbarriere kann schnell zu einer akuten und schweren Haut-Weichteilinfektion führen. Die nekrotisierende Fasziitis oder das Toxic Shock Syndrom, Infektionen durch Streptokokken der Gruppe A und Staphylokokkus aureus, sind Krankheitsbilder, die – auch kleinste – Hautläsionen als Ausgangspunkt haben und durch eine hohe Mortalität gekennzeichnet sind. Auf einem Ulcus cruris finden sich als vorherrschende Bakterien Hautkeime wie Staphylokokkus aureus und koagulasenegative Staphylokokken, aber auch gramnegative Erreger wie Escherichia coli und Anaerobier. Pseudomonas aeruginosa fühlt sich im feuchten Milieu einer chronischen Wunde ebenfalls wohl und ist durch Geruchsentwicklung, vermehrtes Wundsekret und die Bildung von grünlichen Belägen auf einem Ulcus charakterisiert. Aus diesem Grund ist die mikrobiologische Diagnostik in Form von Wundabstrichen oder Gewebebiopsien ebenfalls ein fester Bestandteil des Prozedere in der Therapie des Ulcus cruris. Nach erfolgter Diagnostik wird die Ursache der Durchblutungsstörung entweder interventionell-radiologisch oder gefäßchirugisch soweit als möglich behoben. Zusätzlich kommen Prostaglandininfusionen und eine gezielte antimikrobielle Therapie zum Einsatz. Auch die Lokaltherapie im Wundbereich ist ein wichtiger Faktor der Behandlung. Nekrosen werden durch wiederholtes mechanisches Debridement entfernt, Fibrinbeläge können durch Applikation von fibrinolytischen Substanzen (zum Beispiel Iruxolum™ oder Nugel™) gelöst werden. Für infizierte und übelriechende Wunden gibt es zahlreiche verschiedene Wundauflagen, die Aktivkohle zur Geruchsbekämpfung enthalten und antimikrobiell wirkende Silberionen an die Wunde abgeben. Stark nässende Wunden werden mit Sekret absorbierenden Schaumstoff- oder Hydrokolloidverbänden versorgt, zur Sekretabsorption können auch die aus Braunalgen hergestellten Alginate mit oder ohne Silber vewendet werden. Alginate können bis zum Zwanzigfachen ihres Eigengewichtes an Sekret aufnehmen und schaffen durch die Bildung eines Gels ein vorteilhaftes Wundmilieu. Außerdem reduzieren sie die Keimzahl und wirken wundreinigend. Das Zusammenspiel von Revaskularisation, antimikrobieller Therapie und Lokaltherapie hat eine nicht belegte, nicht infizierte, rosige Wunde zum Ziel. Kleinere Ulzera zeigen oft unter optimaler Therapie eine gute Abheilungstendenz und verschwinden spontan. Größere Defekte benötigen länger für die Reepithelialisierung und stellen einen Ausgangspunkt für immer wieder kehrende, manchmal auch lebensbedrohlich verlaufende Haut-Weichteilinfektionen dar, die dann zur akuten Amputation einer Extremität zwingen, um das Leben des Patienten zu erhalten. Die Defektdeckung und damit die Wiederherstellung einer durchgehenden Hautdecke sind daher erstrebenswert. Carl Thiersch (1822 – 1895) war einer der bedeutendsten Chirurgen des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Er erzielte 1886 mit der Transplantation von sehr dünnen Hautstücken große Erfolge in der Wundbehandlung (Über Hautverpflanzung. XV. Chirurgischer Kongress. Band 1. 17, 1886). Weiters bewies C. Thiersch die Übertragbarkeit der Cholera und beschäftigte sich mit der chirurgischen Therapie von malignen Hauttumoren und den Prinzipien der Wundheilung. Seine weiter entwickelte Technik der Meshgraft-Transplantation erlaubt uns heute durch Übertragung von patienteneigener Spalthaut relativ große Wundflächen zu decken. Diese Methode wird auch beim arteriellen Ulcus cruris verwendet und soll im Folgenden näher beschrieben werden.

Der Wundgrund der zu deckenden Wunde ist idealerweise mit frischem Granulationsgewebe bedeckt und zeigt keine Zeichen einer Infektion. Es empfiehlt sich, vor dem geplanten Eingriff einen mikrobiologischen Kontrollabstrich zu nehmen. Koagulasenegative Staphylokokken sind Teil der physiologischen Hautflora und stellen kein Problem bei einer Spalthauttransplantation dar. Andere Bakterien hingegen, die in einem Ulcusabstrich wachsen, gefährden den Erfolg des Eingriffs und müssen vorher eradiziert werden, da sie zur Auflösung des Fibrins zwischen Wundgrund und Transplantat führen und damit eine Nekrose des Transplantates verursachen würden.

Abb 6. optimale Wundverhältnisse für die Deckung Der Eingriff kann in Allgemeinnarkose oder in Spinalanästhesie durchgeführt werden, für kleine Defekte ist auch ein Eingriff in Lokalanästhesie denkbar. Die Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern stellt keine Kontraindikation für die Operation dar. Zu Beginn der Operation wird nach Durchführung der Hautantisepsis vom Oberschenkel mit dem Dermatom ein Stück Haut entnommen. Die Dicke des Hautstückes variiert zwischen 0,2 und 0,6mm. Die gewünschte Stärke kann am Dermatom eingestellt werden. Die Entnahmestelle wird mit mehreren Schichten Fettgaze versorgt und steril verbunden.

Abb. 7 Hautentnahme mit dem Dermatom

Das gewonnene Hautstück wird nun auf eine Folie aufgezogen und durch eine mit Messern besetzte Walze gedreht. Die Haut wird durch diesen Vorgang in ein Netz (mesh) zerschnitten und erfährt je nach verwendeter Folie eine Flächenzunahme in der Größenordnung zwischen 1:1.5 und 1:3. Wenn für die Deckung ausgedehnter Defekte, beispielsweise Verbrennungswunden, große Hautstücke benötigt werden, kommen auch Folien mit dem Format 1:6 zur Anwendung.

Abb. 8 Hautstück auf der Platte

Abb. 9 Schneiden des Hautstückes

Abb. 10 Fertig geschnittenes Mesh Das so gewonnene Hautnetz wird auf dem Wundgrund angebracht und mit einzelnen Hautklammern fixiert.

Abb. 11 Fertiges Transplantat An der Abteilung für Herz- Thorax- und Gefäßchirurgie am Klinikum Klagenfurt werden durch die Verwendung von Fibrinkleber (Tisseel™) sehr gute Erfolge in der Einheilung der Transplantate erzielt. Fibrin stellt eine erste Verbindung zwischen dem Wundgrund und dem transplantierten Hautstück her und ermöglicht das Einsprossen kleinster Gefäße, die die Versorgung des Transplantates sicher stellen. Der Fibrinkleber wird mit einem Sprühgerät direkt auf das Transplantat aufgesprüht. Beim Aushärten bildet er ein dreidimensionales Netzwerk, das einerseits als Gerüst für Gefäße und Fibroblasten dient und andererseits das Transplantat am Untergrund fixiert. Der Wundverband für das Transplantat besteht aus mehreren Schichten Fettgaze und Tupferbäuschchen sowie locker darüber gewickeltem Verbandsmull. Weiters wird darauf geachtet, dass die operierte Extremität unter einem Bettbogen so gelagert wird, dass weder Druckstellen entstehen noch Scherkräfte durch die Bettdecke oder die Matratze zu einer Dislokation des Transplantates führen können. Die Patienten halten nach dem Eingriff für fünf Tage strenge Bettruhe ein, der erste Verbandswechsel erfolgt ebenfalls am oder fünften Tag. Durch ausführliche Aufklärung lässt sich in den meisten Fällen eine sehr gute Compliance der Patienten erzielen. Die Verbandswechsel erfolgen unter sterilen Bedingungen. Im Bereich des Transplantates wird beim ersten Wechsel die Fettgaze vorsichtig entfernt, wobei meist ein Anfeuchten mit physiologischer Kochsalzlösung nötig ist, um das Transplantat nicht abzuziehen. Die Wunde kann nun ein bis zwei Stunden ohne Verband belassen werden und wird dann wieder mit einer Schicht Fettgaze versorgt. Auf diese Weise werden tägliche Verbandswechsel durchgeführt, die Löcher im Transplantat wachsen binnen zehn bis vierzehn Tagen zu. Sobald eine durchgehende Hautdecke vorliegt, wird das Transplantat einmal täglich mit Fettsalbe versorgt und ohne Verband belassen. Die Hautklammern, die zur Fixierung des Transplantates gedient haben, werden beim ersten Verbandswechsel entfernt. Im Bereich der Entnahmestelle am Oberschenkel werden keine Verbandswechsel durchgeführt, es werden lediglich die überstehenden Ränder des sich von selbst ablösenden Fettgazeverbandes abgeschnitten, bis sich dieser zuletzt von selber löst und darunter ein epithelialisiertes Areal zum Vorschein kommt.

Abb. 12 vitales Transplantat (6. Tag)

Abb. 13 Zuheilen der Löcher (9. Tag)

Abb 14. Fortgeschrittene Einheilung (13. Tag)

Zusammenfassung: Das chronische Ulcus cruris am Boden einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit stellt ein belastendes und komplexes Krankheitsbild dar. Die konservative und chirurgische beziehungsweise interventionelle Therapie der zu Grunde liegenden Durchblutungsstörung stellen zusammen mit der Lokaltherapie und der Behandlung einer Infektion die Säulen der Behandlung dar und bereiten den Boden für einen Therapieerfolg. Die Deckung des so behandelten arteriellen Ulcus cruris mittels Meshgraft führt oft zu einer endgültigen Abheilung und kann so einen langwierigen, belastenden und auch kostenintensiven Leidensweg beenden.