Das Außenlager Dresden-Zschachwitz des Konzentrationslagers Flossenbürg

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Marek WilczeWski n 8. MAI 1894 1. FEBRUAR 1945 Marek Wilczewski aus Polen wurde am 7. November 1944 vom KZ Maut- hausen nach Zschachwitz überstellt, wo er am 1. Februar 1945 verstorben ist. Leider gibt es kaum persönliche Informationen zu seiner Familie, aber u. a. Dokumente zu seiner Offiziers- lauahn und Briefe aus Auschwitz. Besonders beklemmend ist ein Brief, den er am 14. Januar 1945 aus Zschachwitz an seine Tochter ge- schrieben hat, worin er mehrmals eindringlich um Pakete und Lebens- mittel bittet. Nur zwei Wochen später war er tot. Trofim Trofimowitsch Micha- lewitsch wurde am 17. Sep- tember 1920 in Derebin, Kreis Pinsk/Weißrussland, geboren. Als Zwangsarbeiter wurde er nach Deutschland ver- schleppt, in Wuppertal von der Gestapo erneut verhaftet und am 18. November 1944 von der Gestapo Düsseldorf in das KZ Flossenbürg eingeliefert. Von dort aus wurde er in das Außenlager Zschachwitz über- stellt, wo er während der Luft- angriffe auf Dresden am 13./14. Februar 1945 flüchten konnte. Zchachwitz 14.I 1945 Meine liebe Tochter Nunka! Das ist meine neue Adress. Deine 3 Briefe und 1* Packete ich bekome, für welche ich danke. Ich bitte schicken Sie mir, was neues bei euch. Ich grüsse herzlich Deine Mann. Ich bin gesund und geht mir gut. Ich bitte schicken Sie mir Paketen. Ich bitte Brot, Tabak, etwas Sacharin und Supe und Maggi- Würfel. Ich bitte auch Zigarettenpapier, tabak ich bitte, starke. Meine Adresse: Schutzhäftling Marek Wilczewski № 35583 Konzentrationslager Flossenbürg Aussenlager Zchachwitz 10 Zchachwitz Dresden A. 46 Schreiben Sie bei Mutter und Tante Ewa meine neue Adresse und bitte schicken mir Packette. Ich küsse Dich und Deine Mann herzlich, Deine Vater Marek Auf dem Stephanusfriedhof befindet sich ein Denkmal, das an 45 Zwangsarbeiter_ innen des KZ Außenlagers Zschachwitz erinnert, wel- che zwischen 1943 und 1945 verstorben sind. Nur ein To- ter davon ist im Bestattungs- tagebuch aufgeführt. Die Toten sind heimlich un- ter Aufsicht der SS verscharrt worden. Manchmal geschah dies auch des Nachts auf Nebenwegen des Friedhofs. Die Zschachwitzer Einwoh- ner_innen erfuhren erst später von diesen Umständen. Im Januar 1952 wurde an der Stelle des ehemaligen Eingangstores neben der Hauptallee eine Grabstätte geschaffen. In dieser setzte man die exhumierten sterblichen Überreste der Häftlinge bei. Nach der dem Friedhof vorliegenden Liste der Verstorbenen sind dies: 6 Franzosen 1 Deutscher 3 Italiener 1 Tscheche 31 Polen 1 Österreicher 1 Kirgise 1 unbekannter Nationalität Die Grabstelle wurde 2014 neu gestaltet und wird von den Mitar- beitern des Friedhofs betreut und gepflegt. 14 Bis heute konnten die Namen von 115 Opfern ermittelt und dokumentiert werden. Sie wa- ren zunächst anonym beerdigt und später auf den Stephanusfriedhof umgebettet worden. 15 Am Eingang des damilgen Werksgeländes, direkt neben dem S- Bahn-Haltepunkt Dresden-Zschachwitz, befindet sich eine Gedenk- tafel für die ermordeten KZ-Häftlinge. Die Tafel trägt die Aufschrift „Zum Gedenken an die hier von Faschisten ermordeten Patrioten, 1943–1945“ gedenkorte www.gedenkplaetze.info Momentan verfallen viele Gedenkorte, verschwinden oder werden nicht mehr gepflegt – aber auch neue Denkmäler entstehen. Mit der Webseite www.gedenk- plaetze.info möchten wir die Erinnerung an die Opfer wach halten und euch da- zu anregen, selbst über die Verbrechen des Nationalsozialismus in eurer Region zu recherchieren und die Ergebnisse zu veröffentlichen. standorte eHeMaliger ns-lager Außenlager des KZ Flossenbürg in der Sächsischen Schweiz Frühe Konzentrationslager in der Sächsischen Schweiz MOCKETHAL/ZATZSCHKE DRESDEN- ZSCHACHWITZ HOHNSTEIN STRUPPEN PORSCHDORF KÖNIGSTEIN HALBESTADT PIRNA HEIDENAU DRESDEN * möglicherweise von der SS von 3 auf 1 korrigiert. trofiM trofiMoWitscH MicHaleWitscH n 17. SEPTEMBER 1920 Trofim Michalewitsch neben Jörg Skriebeleit, dem Leiter der Gedenkstätte Flossenbürg beim Überlebendentreffen 2009 in Flossenbürg. Das KZ-Außenlager Dresden-Zschachwitz Brief von Marek Wilczewski an seine Tochter Nunka aus dem Außenlager Zschachwitz vom 14. Januar 1945. Weil die SS die Briefe zensierte, mussten alle Häftlinge auf Deutsch schreiben. Nur zwei Wochen später, am 1. Februar 1945 stirbt Marek Wilczewski im Außen- lager Zschachwitz. ¹ Falk Balzk, Zwangsarbeiter in Dresden. Eine Publikation der PDS-Fraktion, Dresden 2001, S. 3. ² NARA, RG 338, 290/13/22/3, 000-50-46, Box 537 (Mikrofilm-Kopie in: AGFl). ³ Vgl. seinen autobiographischen Bericht «J’ai tiré sur Laval», Caen, o. J., darin ein Kapitel über das Kommando de Charrui (gemeint ist Zschachwitz). Aussage Aleksander W., 15. 4. 1977, in: BArch Ludwigsburg, ZStL IV 410 AR-Z 196/75. Aussage Feliks W., 20. 5. 1977, in: ebenda. ⁶ Aussage Giovanni A. vor der Interalliierten Kriegsverbrecher- kommission in Paris, ohne Datum, Übersetzung in: ebenda. Schlussvermerk, 13. 10. 1975, in: ebenda. ⁸ Zwischenbericht Nr. 1 der Untersuchungsstelle für NS-Gewaltver- brechen beim Landesstab der Polizei Israel, 10. 12. 1967, in: ebenda. ⁹ Stärkemeldung der Wachmannschaften und Häftlinge der Arbeits- lager im Dienstbereich des HSSPF des SS-Oberabschnitts ELBE, 28. 2. 1945 und 31. 3. 1945, in: ITS Arolsen, Historisches Archiv, Flossenbürg- Sammelakte 10, Bl. 71 und 87. ¹⁰ Abgang von K. Z. Haeftlingen ab 1. 1. 45, Lohnbüro der MIAG, undatiert, beigelegt dem 3. Zwischenbericht der Untersuchungs-stel- le für NS-Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel, 9. 2. 1968, in: BArch Ludwigsburg, ZStL IV 410 AR-Z 196/75. ¹¹ Liste der beim Fliegerangriff in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 geflüchteten Häftlinge des Außenarbeitslagers Zschachwitz, 27. 2. 1945, in: CEGESOMA, Mikrofilm 14368++. ¹² Liste der Gräber der Widerstandskämpfer auf dem Johannisfriedhof, in: StadtA Dresden, 9. 1. 14 Nr. 778; Ausländergräber auf verschiede- nen Friedhöfen, in: ebenda, 9. 1. 14 Nr. 813. ¹³ Aussage Peretz A., 5. 9. 1969, in: BArch Ludwigsburg, ZStL IV 410 AR-Z 196/75. ¹⁴ Stephanusfriedhof, Neue Straße, 01259 Dresden ¹⁵ Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Dokumentationsstelle Dresden quellen

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Ab Mitte Oktober 1944 wurden in Dresden-Zschachwitz auch KZ-Häftlinge in einem Außenlager des KZ Flossenbürg zur Arbeit gezwungen. Der erste Transport mit 404 jüdischen Häftlingen kam aus dem KZ Płaszów nach Zschachwitz. Bis auf zwei Reichsdeutsche und drei Ungarn stammten alle Männer aus Polen. Die Stärke des Außenlagers wurde durch nachfolgende Transporte erhöht. So kamen im November in zwei Transporten 177 und 150 Häftlinge aus Mauthausen und aus dem Stammlager Flossenbürg 100 Häftlinge. Im Dezember wurden aus Flossenbürg 172 und aus Auschwitz 20 Gefangene überstellt. Diese Transporte waren nicht so homogen zusammengesetzt wie der erste. Zwangsarbeiter, Schutzhäftlinge, ehemalige Kriegsgefangene, «Asoziale» und «Berufsverbrecher» russischer, polnischer, deutscher, italienischer, tschechischer, belgischer, französischer, slowenischer, griechischer und britischer Nationalität kamen nach Zschachwitz. Nach den Juden waren die etwa 260 zivilen Zwangsarbeiter und 240 politischen Häftlinge die größten Häftlingsgruppen, insgesamt waren etwa 60 Prozent der Häftlinge Polen, ein Fünftel Russen und ein Zehntel Franzosen. Die Forderungsnachweise lassen den Schluss zu, dass im Dezember 1944 zwischen 950 und 1000 Häftlinge inklusive 20 so genannter Lehrlinge im Außenlager Zschachwitz eingesetzt waren.

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  • Marek WilczeWski n8. MAI 1894 1. FEBRUAR 1945

    Marek Wilczewski aus Polen wurde am 7. November 1944 vom KZ Maut-hausen nach Zschachwitz berstellt, wo er am 1. Februar 1945 verstorben ist. Leider gibt es kaum persnliche Informationen zu seiner Familie, aber u. a. Dokumente zu seiner Offiziers-laufbahn und Briefe aus Auschwitz.

    Besonders beklemmend ist ein Brief, den er am 14. Januar 1945 aus Zschachwitz an seine Tochter ge-schrieben hat, worin er mehrmals eindringlich um Pakete und Lebens-mittel bittet. Nur zwei Wochen spter war er tot.

    Trofim Trofimowitsch Micha-lewitsch wurde am 17. Sep-tember 1920 in Derebin, Kreis Pinsk/Weirussland, geboren.

    Als Zwangsarbeiter wurde er nach Deutschland ver-schleppt, in Wuppertal von der Gestapo erneut verhaftet und am 18. November 1944 von der Gestapo Dsseldorf in das KZ Flossenbrg eingeliefert. Von dort aus wurde er in das Auenlager Zschachwitz ber-stellt, wo er whrend der Luft-angriffe auf Dresden am 13./14. Februar 1945 flchten konnte.

    Zchachwitz 14.I 1945

    Meine liebe Tochter Nunka!Das ist meine neue Adress. Deine 3 Briefe und 1* Packete ich bekome, fr welche ich danke. Ich bitteschicken Sie mir, was neues beieuch. Ich grsse herzlich Deine Mann. Ich bin gesund und gehtmir gut. Ich bitte schicken Siemir Paketen. Ich bitte Brot, Tabak,etwas Sacharin und Supe und Maggi-Wrfel. Ich bitte auch Zigarettenpapier,tabak ich bitte, starke. Meine Adresse:Schutzhftling Marek Wilczewski 35583Konzentrationslager FlossenbrgAussenlager Zchachwitz

    10 Zchachwitz Dresden A. 46

    Schreiben Sie bei Mutter und TanteEwa meine neue Adresse und bitte schickenmir Packette. Ich ksse Dich und Deine Mann herzlich, Deine Vater

    Marek

    Auf dem Stephanusfriedhof befindet sich ein Denkmal, das an 45 Zwangsarbeiter_innen des KZ Auenlagers Zschachwitz erinnert, wel-che zwischen 1943 und 1945 verstorben sind. Nur ein To-ter davon ist im Bestattungs-tagebuch aufgefhrt.

    Die Toten sind heimlich un-ter Aufsicht der SS verscharrt worden. Manchmal geschah dies auch des Nachts auf Nebenwegen des Friedhofs. Die Zschachwitzer Einwoh-

    ner_innen erfuhren erst spter von diesen Umstnden.

    Im Januar 1952 wurde an der Stelle des ehemaligen Eingangstores neben der Hauptallee eine Grabsttte geschaffen. In dieser setzte man die exhumierten sterblichen berreste der Hftlinge bei. Nach der dem Friedhof vorliegenden Liste der Verstorbenen sind dies:

    6 Franzosen 1 Deutscher 3 Italiener 1 Tscheche 31 Polen 1 sterreicher 1 Kirgise 1 unbekannter Nationalitt

    Die Grabstelle wurde 2014 neu gestaltet und wird von den Mitar-beitern des Friedhofs betreut und gepflegt.14 Bis heute konnten die Namen von 115 Opfern ermittelt und dokumentiert werden. Sie wa-ren zunchst anonym beerdigt und spter auf den Stephanusfriedhof umgebettet worden. 15

    Am Eingang des damilgen Werksgelndes, direkt neben dem S-Bahn-Haltepunkt Dresden-Zschachwitz, befindet sich eine Gedenk-tafel fr die ermordeten KZ-Hftlinge. Die Tafel trgt die Aufschrift Zum Gedenken an die hier von Faschisten ermordeten Patrioten, 19431945

    gedenkorte

    www.gedenkplaetze.infoMomentan verfallen viele Gedenkorte, verschwinden oder werden nicht mehr gepflegt aber auch neue Denkmler entstehen. Mit der Webseite www.gedenk- plaetze.info mchten wir die Erinnerung an die Opfer wach halten und euch da-zu anregen, selbst ber die Verbrechen des Nationalsozialismus in eurer Region zu recherchieren und die Ergebnisse zu verffentlichen.

    standorte eHeMaliger ns-lager

    Auenlager des KZ Flossenbrgin der Schsischen Schweiz

    Frhe Konzentrationslagerin der Schsischen Schweiz

    MOCKETHAL/ZATZSCHKE

    DRESDEN-ZSCHACHWITZ

    HOHNSTEIN

    STRUPPEN

    PORSCHDORF

    KNIGSTEIN

    HALBESTADT

    PIRNA

    HEIDENAU

    DRESDEN

    * mglicherweise von der SS von 3 auf 1 korrigiert.

    trofiM trofiMoWitscH MicHaleWitscH n17. SEPTEMBER 1920

    Trofim Michalewitsch neben Jrg Skriebeleit, dem Leiter der Gedenksttte Flossenbrg beim berlebendentreffen 2009 in Flossenbrg.

    Das KZ-AuenlagerDresden-Zschachwitz

    Brief von Marek Wilczewski an seine Tochter Nunka aus dem Auenlager Zschachwitz vom 14. Januar 1945. Weil die SS die Briefe zensierte, mussten alle Hftlinge auf Deutsch schreiben.Nur zwei Wochen spter, am 1. Februar 1945 stirbt Marek Wilczewski im Auen-lager Zschachwitz.

    Falk Balzk, Zwangsarbeiter in Dresden. Eine Publikation der PDS-Fraktion, Dresden 2001, S. 3. NARA, RG 338, 290/13/22/3, 000-50-46, Box 537 (Mikrofilm-Kopie in: AGFl).

    Vgl. seinen autobiographischen Bericht Jai tir sur Laval, Caen, o. J., darin ein Kapitel ber das Kommando de Charrui (gemeint ist

    Zschachwitz).

    Aussage Aleksander W., 15. 4. 1977, in: BArch Ludwigsburg, ZStL IV 410 AR-Z 196/75.

    Aussage Feliks W., 20. 5. 1977, in: ebenda.

    Aussage Giovanni A. vor der Interalliierten Kriegsverbrecher- kommission in Paris, ohne Datum, bersetzung in: ebenda.

    Schlussvermerk, 13. 10. 1975, in: ebenda.

    Zwischenbericht Nr. 1 der Untersuchungsstelle fr NS-Gewaltver- brechen beim Landesstab der Polizei Israel, 10. 12. 1967, in: ebenda.

    Strkemeldung der Wachmannschaften und Hftlinge der Arbeits- lager im Dienstbereich des HSSPF des SS-Oberabschnitts ELBE, 28. 2.

    1945 und 31. 3. 1945, in: ITS Arolsen, Historisches Archiv, Flossenbrg-Sammelakte 10, Bl. 71 und 87.

    Abgang von K. Z. Haeftlingen ab 1. 1. 45, Lohnbro der MIAG, undatiert, beigelegt dem 3. Zwischenbericht der Untersuchungs-stel-

    le fr NS-Gewaltverbrechen beim Landesstab der Polizei Israel, 9. 2. 1968, in: BArch Ludwigsburg, ZStL IV 410 AR-Z 196/75.

    Liste der beim Fliegerangriff in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 geflchteten Hftlinge des Auenarbeitslagers Zschachwitz, 27. 2. 1945, in: CEGESOMA, Mikrofilm 14368++.

    Liste der Grber der Widerstandskmpfer auf dem Johannisfriedhof, in: StadtA Dresden, 9. 1. 14 Nr. 778; Auslndergrber auf verschiede- nen Friedhfen, in: ebenda, 9. 1. 14 Nr. 813.

    Aussage Peretz A., 5. 9. 1969, in: BArch Ludwigsburg, ZStL IV 410 AR-Z 196/75.

    Stephanusfriedhof, Neue Strae, 01259 Dresden

    Stiftung Schsische Gedenksttten, Dokumentationsstelle Dresden

    quellen

  • 1873 grndeten die Gebrder Seck in Grozschachwitz, heute ein sdlicher Dresdner Stadtteil, die Firma Mhlenbau Seck, die nach dem Ersten Weltkrieg in die Mhlenbau und Industrie AG, kurz MIAG, umgewandelt wurde. Die Firma produzierte vor dem Krieg an mehre-ren Standorten Maschinen fr den Mhlenbetrieb; das Werk Zschach-witz fertigte ab 1943 Sturmgeschtze und leichte Jagdpanzer sowie Antriebsteile fr Panzer. Ab Mitte Oktober 1944 wurden dort auch KZ-Hftlinge in einem Auenlager des KZ Flossenbrg zur Arbeit ge-zwungen. Der erste Transport mit 404 jdischen Hftlingen kam aus dem KZ Paszw nach Zschachwitz. Bis auf zwei Reichsdeutsche und drei Ungarn stammten alle Mnner aus Polen. Die Strke des Auen-lagers wurde durch nachfolgende Transporte erhht. So kamen im November in zwei Transporten 177 und 150 Hftlinge aus Mauthau-sen und aus dem Stammlager Flossenbrg 100 Hftlinge. Im Dezem-ber wurden aus Flossenbrg 172 und aus Auschwitz 20 Gefangene berstellt. Diese Transporte waren nicht so homogen zusammen-gesetzt wie der erste. Zwangsarbeiter, Schutzhftlinge, ehemalige Kriegsgefangene, Asoziale und Berufsverbrecher russischer, polnischer, deutscher, italienischer, tschechischer, belgischer, fran-zsischer, slowenischer, griechischer und britischer Nationalitt ka-men nach Zschachwitz. Nach den Juden waren die etwa 260 zivilen Zwangsarbeiter und 240 politischen Hftlinge die grten Hftlings-gruppen, insgesamt waren etwa 60 Prozent der Hftlinge Polen, ein Fnftel Russen und ein Zehntel Franzosen. Die Forderungsnachweise lassen den Schluss zu, dass im Dezember 1944 zwischen 950 und 1000 Hftlinge inklusive 20 so genannter Lehrlinge im Auenlager Zschachwitz eingesetzt waren.

    Viele der franzsischen Hftlinge waren Mitglieder des Wider-stands gewesen und durch franzsische Gefngnisse gegangen, ehe sie in deutschen Gewahrsam bergeben und nach Mauthausen ber-stellt wurden. Unter ihnen befand sich auch Paul Collette, der ein erfolgloses Attentat auf Pierre Laval, den Ministerprsidenten der mit Deutschland kollaborierenden Vichy-Regierung, unternommen hatte. Viele polnische Hftlinge wurden nach dem niedergeschla-genen Warschauer Aufstand verhaftet und ber das Durchgangsla-ger Pruszkw nach Mauthausen berstellt, unter ihnen auch einige Jugendliche, die wohl in den Forderungsnachweisen an die MIAG als Lehrlinge gefhrt wurden. Die Franzosen und Polen kamen ber das Mauthausener Auenlager Passau II, wo sie etwa einen Monat in einer Metallfabrik arbeiten mussten, die ebenso wie die MIAG Moto-ren fr den Tiger-Panzer herstellte. Nach Auflsung dieses Auenla-gers wurden sie mit einigen Funktionshftlingen nach Zschachwitz berstellt.

    Die Gefangenen wurden im ersten und zweiten Stock eines Fab-rikgebudes untergebracht, das kalt und schmutzig war. Im Erdge-schoss und im Keller standen die Maschinen, an denen die Hftlinge arbeiten mussten. Ein Teil der Unterkunft diente als Hftlingskran-kenbau. Als Verpflegung wurde nur ungezuckerter Malzkaffee, mit-tags Kohlrbensuppe und abends eine Scheibe Brot mit 20 Gramm Margarine und entweder einem Lffel Marmelade oder einer Scheibe Pferdewurst ausgegeben. Das Kchenpersonal stahl Lebensmittel der Hftlinge. Die wenigen deutschen Funktionshftlinge taten sich fast durchgehend als Schlger hervor. In beinahe allen Hftlingsbe-richten wird Paul Leise genannt, der aus Passau II nach Zschachwitz gekommen war und zuvor schon viele Hftlinge misshandelt oder gar gettet hatte.

    Am 22. September 1944 waren zehn bewaffnete SS-Mnner in Zschachwitz stationiert beziehungsweise fr dort bestimmt. Dabei handelt es sich mglicherweise um die Bewachung eines Aufbau-kommandos. Die zunchst geringe Zahl der Bewacher knnte die vielen Fluchtversuche erklren, bis Jahresende 1944 sind zehn Flle dokumentiert. Mit einem Transport am 28. Dezember 1944 kamen 41

    bewaffnete SS-Mnner nach Zschachwitz. Als erster Kommandofhrer, der sich ge-genber den Hftlingen im Allgemeinen korrekt verhalten haben soll, fungierte Alois Grger. Zwei jdische Zeugen legen aber auch ihm mindestens einen Mord an einem Gefangenen zur Last. Auf Grger folgte zum Jahreswechsel 1944/45 SS-Hauptscharfhrer Johann Baptist Kbler, der nach langjhrigem Wachdienst im KZ Dachau bereits seit 1939 verschiedene Funktionen in der Kommandantur in Flos-senbrg bekleidet hatte und bereits im

    Auenlager Krondorf-Sauerbrunn Kommandofhrer gewesen war. Im Gegensatz zu Grger fhrte er ein strenges Regime ein. Verschrft wurde seine Amtszeit durch den mit ihm angekommenen Lagerltes-ten Hans Ruser, einem Kriminellen, der den Lagerltesten Heinrich Distelkamp ablste. Ob die personellen Vernderungen bei Wach-mannschaften und Funktionshftlingen als Reaktion auf die vielen Fluchtversuche erfolgten, bleibt offen. Ende Januar 1945 wurden die 985 Hftlinge in Zschachwitz von 41 Wachmannschaften bewacht.

    Zu diesem Zeitpunkt waren mindestens 20 Hftlinge in Zschachwitz gestorben. Bei den Luftangriffen auf Dresden, speziell am 14. Feb-ruar 1945, wurde auch die MIAG stark getroffen. Mindestens 32 Hft-linge nutzten das Chaos nach den Angriffen zur Flucht, von denen nachweislich sieben wieder ergriffen und einige erschossen wurden. Wie viele Hftlinge durch den Luftangriff gettet wurden, ist unbe-kannt. Nach der Abgangsliste der MIAG wurden 89 Hftlinge am 26. Februar nach Flossenbrg rckberstellt, darunter mglicherweise auch Verletzte. Ende Mrz sind in der Strkemeldung des HSSPF Elbe nur noch 805 Hftlinge aufgefhrt. Aufgrund der hygienischen Be-dingungen brach im Lager Flecktyphus aus, dem die Hftlingsrz-

    das kz-aussenlager dresden-zscHacHWitz

    1873 grndeten die Gebrder Seck in Gro-zschachwitz, heute ein sdlicher Dresdner Stadtteil, die Firma Mhlenbau Seck, die nach dem Ersten Weltkrieg in die Mhlenbau und Industrie AG, kurz MIAG, umgewandelt wurde.

    Die Firma produzierte vor dem Krieg an meh-reren Standorten Maschinen fr den Mhlen-betrieb; das Werk Zschachwitz fertigte ab 1943 Sturmgeschtze und leichte Jagdpanzer sowie Antriebsteile fr Panzer.

    te nichts entgegenzusetzen hatten; der italienische Arzt war nach dem Luftangriff geflohen, ein ungarischer Arzt starb Anfang April. Im Mrz und bis Mitte April starben jeweils an die 30 Gefangene. Fr die meisten wurden vom Lagerarzt, spter auch von einer rztin aus Zschachwitz, Leichenschauscheine ausgestellt, denen zufolge die Hftlinge an Herzschwche, demen oder inneren Krankheiten, niemals jedoch an Typhus verstorben waren. Der Kommandofhrer Kbler stellte die bentigten Begrbnis-anordnungen aus. 45 Tote wurden auf dem Stephanus-Friedhof in Zschachwitz beigesetzt, fnf Tote auf dem Friedhof der Christusgemeinde in Heidenau. Dort hatte eine unbekannte Zahl von Hftlingen des Auenlagers Zschachwitz fr die Elbtalwerke AG arbeiten mssen. Ein eigenstndiges Auen-lager in Heidenau war geplant, kam aber nicht mehr zur Ausfhrung. Zehn Tote des Auenlagers Zschachwitz wurden auf dem Johan-nisfriedhof in Dresden beigesetzt. In den Einscherungslisten des Krematoriums Tolkewitz finden sich 33 Namen von Hftlingen aus Zschachwitz.

    Ende April wurde das Auenlager aufgelst. Die gehfhigen Hftlin-ge wurden in einem mehrtgigen Marsch nach Leitmeritz getrieben, die anderen mit der Bahn in Richtung Bhmen transportiert. Einige Gefangene berichten davon, dass sie mit einem groen Eisenbahn-transport aus aufgelsten Flossenbrger Auenlagern nach Kralupy und Roztoky westlich von Prag gelangten, wo manchen die Flucht gelang, andere von der tschechischen Zivilbevlkerung versorgt wurden und wieder andere starben. Ein Kapo soll auf dem Todes-marsch einen gehunfhigen alten Mann mit einer Schaufel erschla-gen haben. Die meisten der berlebenden drften Anfang Mai 1945 in Theresienstadt befreit worden sein.

    Gegen den zweiten Kommandofhrer Kbler wurden nach dem Krieg zwei Verfahren wegen Verbrechen in Flossenbrg durchge-fhrt, die ihm fnf Jahre Haft einbrachten. Wegen der Verbrechen in Zschachwitz wurde er nicht belangt. Einige Kapos wurden wegen Vergehen im Auenlager Passau II angeklagt, die Ermittlungen zu Zschachwitz wurden jedoch eingestellt. Am Eingang des mittlerwei-le zur Industriebrache mutierten Firma in Zschachwitz befindet sich eine Gedenktafel.

    Ulrich Fritz

    zitiert aus: Wolfgang Benz (Hg.)/Barbara Distel (Hg.)/Angelika Kmigsede

    Der Ort des Terrors, Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager

    Band 4: Flossenbrg, Mauthausen, Ravensbrck

    Zum Wesen nationalsozialistischer Herrschaft gehrte das System des Terrors, das in der Regie der SS ganz Europa mit einem Netz von Konzentrationslagern berzog; es reichte von der britischen Kanal-insel Alderney bis zur Sowjetunion, vom Baltikum bis Griechenland. Das neunbndige Standardwerk Geschichte der nationalsozialisti-schen Konzentrationslager aus dem Hause C.H.Beck hat es sich zum Ziel gesetzt, das Wissen um insbesondere unbekannte Konzentrations-lager, die Deutschland und das besetzte Europa als flchendeckendes Netz berzogen, einer breiten ffentlichkeit zugnglich zu machen. Wolfgang Benz (Hg.)/Barbara Distel (Hg.)/Angelika KmigsedeDer Ort des Terrors, Geschichte der nationalsozialistischenKonzentrationslager in neun Bnden. ISBN 978-3-406-52960-3

    Zusammen 459, Die Bnde sind auch einzeln erhltlich.

    der ort des terrors c. H. Beck

    gefrdert durch

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    Alternatives Kultur- und Bildungszentrum Schsische Schweiz e. V.Kirchgasse 2 Pirna www.akubiz.de

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